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Der Staatsdenker Artur Mahraun (1890-1950) | APuZ 31/1977 | bpb.de

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APuZ 31/1977 Artikel 1 Zum Problem der autonomen Kleinräume. Zweierlei Staatsstrukturen in der freien Welt Der Staatsdenker Artur Mahraun (1890-1950) Genügen drei Parteien? Ein Essay Zersplitterung und Polarisierung. Kleine Parteien im Weimarer Mehrparteiensystem

Der Staatsdenker Artur Mahraun (1890-1950)

Ernst Maste

/ 46 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Artur Mahraun, der in der Weimarer Ära den Jungdeutschen Orden begründete und führte, ist als Staatsdenker nahezu unbekannt. Seine Kritik an den Parteien hat sich besonders gegen den Einfluß der Geldmächte gerichtet. Am demokratischen Prinzip hat er nachdrücklich festgehalten. Er verwarf den vom Volke abgetrennten, dem Volke entgegengesetzten Staat. . Der Staat sind wir.'Dieses . wir“ sprechen die Bürger aus, nicht die gewählten Vertreter oder die Funktionäre. In dieser Staatsauffassung stimmt Mahraun mit deutschen Demokraten wie Friedrich Naumann und Hugo Preuß überein. Als das Instrument, das die Durchsetzung des Volkswillens gewährleisten soll, hat er die Nachbarschaft gefordert. Je etwa fünfhundert Wahlberechtigte, die in einem abgegrenzten Wohnbezirk ansässig sind, sollen eine Nachbarschaft bilden. Die Nachbarschaft soll Stätte freier Meinungs-und Willensbildung, zugleich aber auch Wahlkörper sein. Innerhalb eines pyramidenförmigen Aufbaus, der von der Nachbarschaft bis zur Staatsspitze reicht, soll von Stufe zu Stufe gewählt werden. In seiner Frühzeit hat Mahraun auf solche Weise die Parteienparlamente völlig ausschalten wollen. Nach 1945 sah er den Nachbarschaftsaufbau als eine zusätzliche Einrichtung, als zweite Säule vor. Bei Mahraun geht dem Begriff der Nachbarschaft der der Gemeinschaft vorauf. Die Gemeinschaft wird als ein überschaubarer Kreis gesehen, in dem die Menschen zueinander finden, ohne dabei ihr Eigensein aufzugeben. Dieser begrenzten Gemeinschaft wird erzieherische Wirkung zugeschrieben. Durch Anstöße, die von Anhängern Mahrauns ausgingen, ist es in den frühen fünfziger Jahren an vielen Orten zu Nachbarschaftsgründungen gekommen. Diese seinerzeit viel-beachtete Bewegung ist seither verebbt. Vergleichbar aber sind neuere Versuche, die demokratische Basis zu aktivieren, z. B. manche Bürgerinitiativen. Formen nachbarschaftlichen Zusammenwirkens findet man auch im Ausland. In den USA ist „the neighborhood" eine vielfach gelebte Realität. In Europa gibt es neuerdings in der italienischen Halbmillionenstadt Bologna den interessanten Versuch einer . Quartierdemokratie'.

Der Name des Mannes, von dem hier die Rede sein soll, ist nur einigen der Alteren und einigen Historikern bekannt. Für diesen Personenkreis aber ist Artur Mahraun in erster Linie, oder sogar ausschließlich, der Führer eines politischen Verbandes der Weimarer Ara, des 1920 begründeten und 1933 zwangsaufgelösten Jungdeutschen Ordens. Vom Staatsdenker Mahraun weiß man so gut wie nichts. Allenfalls flüchtig wurde bemerkt, daß hier eine eigenwillige Persönlichkeit verfassungs-oder ordnungspolitische Vorstellungen entwickelte, deren Bezug zur Wirklichkeit des ausgehenden 20. Jahrhunderts man kritisch beurteilen mag, denen aber sicherlich ein Platz in der Geschichte der politischen Ideen gebührt.

Freilich ist diese Unkenntnis nicht einer unwilligen Außenwelt anzulasten. Mahraun selber hat es nicht verstanden, seine Gedanken in angemessener Weise zu verbreiten. Er hat seine Schriften im — zunächst als Jungdeutscher Verlag, dann als Nachbarschaftsverlag firmierenden — Selbstverlag herausgegeben, was den Weg in den Buchhandel erschwerte oder ausschloß; tatsächlich hat ein Absatz über die Mitgliederschaft des Jungdeutschen Ordens hinaus kaum stattgefunden. So fehlen diese Veröffentlichungen bis heute, von seltenen Ausnahmen abgesehen, in den öffentlichen Bibliotheken Kaum zu verwundern ist, daß die bibliographischen Angaben in den Nachschlagewerken, soweit man solche überhaupt findet, unzulänglich sind und daß Mahraun für die Lexika, die ihn erwähnen, in der Regel nur der Begründer und Führer des Jungdeutschen Ordens und nicht der Urheber eines ordnungspolitischen Konzeptes ist

Der Jungdeutsche Orden und sein Führer

Artur Mahraun, aus alter ostpreußischer Familie, ist am 30. Dezember 1890 in Kassel geboren und am 27. März 1950 in Gütersloh verstorben. Er trat in die Offizierslaufbahn ein und ist aus dem Kriege 1914— 1918 als Träger hoher Auszeichnungen heimgekehrt. Er hat 1919 einen Zeitfreiwilligenverband, die „Offiziers-Kompagnie Cassel", aufgestellt, aus der 1920 der Jungdeutsche Orden hervorging, der sich binnen kurzer Zeit über weite Teile des Reichsgebietes ausdehnte. Der anfängli-ehe Charakter der „bürgerlich-bäuerlichen Selbstschutzorganisation" wurde sehr bald abgestreift; der allgemeinere des Wehrverbandes verblaßte danach in dem Maße, in dem der Jungdeutsche Orden, ohne in • die Reihe der Parteien einzutreten, zu einem ihnen vergleichbaren politischen Faktor wurde, auf den allerdings, was seine Position angeht, die Begriffe „rechts" und „links“ bald nicht mehr anwendbar waren.

Als „Hochmeister“ den Orden nicht nur führend, sondern prägend, hat Mahraun einen sehr eigenen Kurs gesteuert. Von seiner Zielvorstellung der Volksgemeinschaft und des Volksstaates wird in der Folge die Rede sein. Im Felde der Tagespolitik hat er nur dort Stellung bezogen, wo es um wirklich entscheidende Weichenstellungen ging. Er hat schon 1925 die Verständigung mit Frankreich, im folgenden Jahr ein französisch-deutsches Bündnis gefordert. Er hat sich dem Bestreben der Reichswehrführung widersetzt, in Zusammenarbeit mit Sowjetrußlands Roter Armee eine heimliche Kriegsrüstung zu betreiben. Er hat den innerdeutschen Flaggenstreit, der die Konfrontation eines schwarz-weiß-roten und eines schwarz-rot-goldenen Lagers bedeutete, verworfen. Als die Radikalismen das Übergewicht zu erlangen drohten und dem Zerfall der tragenden Mitte der Zusammenbruch der Republik sich abzeichnete, hat er, der soeben die Parteien in Bausch und Bogen verurteilt hatte einen maßgeblichen Beitrag zur Gründung der Deutschen Staatspartei geleistet, die er als Instrument zur Durchsetzung dringend gebotener Reformen verstand, die dann freilich schon im Aufbruch stecken-blieb. Bald darauf, im Zeichen rasch wachsender Arbeitslosigkeit, rief er nach bäuerlicher Kleinsiedlung in den Ostprovinzen und einem Freiwilligen Arbeitsdienst.

Die Aktionen des Jungdeutschen Ordens, deren Urheber in jedem Falle Mahraun war, wurden inzwischen auf Grund der Quellen zuverlässig dargestellt Die Schlußphase war durch eine " Frontstellung gegen den aufkommenden Nationalsozialismus gekennzeichnet, deren kompromißlose Entschiedenheit von keiner anderen nichtsozialistischen Gruppe erreicht wurde. So verfiel der Orden im Sommer 1933 der Auflösung, die aber nur der Organisation, nicht dem Zusammenhalt der Mitglieder ein Ende setzte. Mahraun selbst, für einige Wochen inhaftiert, wurde schwerster Mißhandlung ausgesetzt, die zu physischem Dauerschaden führte. Seinen Frieden mit dem Regime zu machen, ist auch danach für ihn nicht in Frage ekommen Wie er die Zeit bis zu dessen Untergang Überstand, ist in einem seiner letzten Bücher nachzulesen Nach 1945 hat er, vor einem «Rückfall in die Vereinsmeierei" warnend, von einer Neubegründung des Jungdeutschen Ordens abgesehen. Nach seinem Tode wurden — in zeitlichen Abständen und unter unterschiedlicher Akzentsetzung — Nachfolgeorganisationen ins Leben gerufen, die ausnahmslos ohne Bedeutung geblieben sind. Verdienen der Jungdeutsche Orden und sein Respekt, so heißt daß Hochmeister das nicht, man sie in der Rückschau kritiklos zu bewundern habe. Unbehagen, um es gelinde zu sagen, bereitet die erwähnte Ablehnung des Parteienwesens und damit der seinerzeitigen Verfassung, die Mahraun freilich nicht durch die Diktatur, vielmehr durch einen „wahren Volksstaat" zu ersetzen gedachte. Sodann hat es im Deutschland jener zwanziger und frühen dreißiger Jahre, einer Zeit der Bünde, in der auch die Jugendbewegung eine letzte Blüte erlebte, einen speziellen Dunstkreis gegeben, dem sich die Jungdeutschen keineswegs ferngehalten haben. Gemeint ist der damalige hündische Irrationalismus, der, so guten Willens seine Träger waren, zur Schaffung einer Atmosphäre beitrug, die das kommende Unheil gewiß noch nicht zwangsläufig nach sich zog, seiner Heraufkunft aber zugute kam. So sind die eigentlichen Antipoden der Hitlerei andere gewesen.

„Der Geist steht links", ist seinerzeit gesagt worden; der damit gemeinten Linken hat Mahraun, so „linke" Züge er auch aufwies, im Gegensatz zu überwiegend durch die Ratio gesteuerten Autoren wie etwa Heinrich Mann, Bert Brecht, Carl von Ossietzky, Kurt Tucholsky und Kurt Hiller, nicht angehört. Zu achten aber ist er als einer der ehrlichsten Idealisten, die sich jemals in die Gefilde deutscher Politik verirrt haben. Von persönlichen politischen Ambitionen ist er völlig frei gewesen.

Das schriftstellerische Werk und seine Kernpunkte

Mahraun war als Schriftsteller recht produktiv. Eine Bibliographie, die sich auf die zu seinen Lebzeiten in Buch-oder Broschüren-form vorgelegten Publikationen beschränkt, die zahlreichen Zeitungs-und Zeitschriften-aufsätze also nicht berücksichtigt, umfaßt 59Titel Es kommt hinzu die 1963 aus dem Nachlaß herausgegebene dramatische Dichtung „Der redliche Rebell"

Soweit es sich um die vor 1933, also zur Zeit des Jungdeutschen Ordens erschienenen Schriften handelt, hat man vom frühen Mahraun zu sprechen. Dieser Teil des Gesamtwerkes ist — durch eine fast durchweg gegebene Nähe zum Zeitgeschehen — der in solchem Sinne politischere. Wer des Autors Gedanken über Gemeinschaft, Volksordnung und Staat sucht, findet die späteren Veröffentlichungen ergiebiger. Aber auch sie sind von unterschiedlichem Gewicht. Geradezu ein publizistisches Unikum sind die nicht weniger als 19 Titel, die Mahraun in den Jahren von 1934 bis 1941 — bis 1937 unter seinem Namen, ab 1938 unter dem Pseudonym Dietrich Kärrner — herausbrachte. Das ist, zumal jedesmal die sofortige Beschlagnahme riskiert wurde, „ein verlustreiches Geschäftsgebaren gewesen. Die meisten dieser Schriften mochten bei flüchtigem Hinsehen als unpolitisch durchgehen, lang aber ist in ihnen die Reihe mehr oder weniger getarnter Bekenntnisse, Aufmunterungen, Anspielungen, Erinnerungen. Den Namen Adolf Hitler findet man nur ein einziges Mal „Die Sprache dieser Bücher wurde in jungdeutschen Kreisen verstanden und stärkte den Widerstandswillen der stillen und einsamen Gruppen im Lande.“

Das Gesamtwerk ist, da es dem Urheber immer wieder um den gleichen Ideenkomplex ging, überreich an Wiederholungen. Dabei sind die Diktion und die äußere Aufmachung nicht die der wissenschaftlichen Literatur. Etwas grob klassifizierend kann man sagen, daß Mahraun nicht Gelehrter, sondern eher ein Künstler gewesen ist. In ihm trafen eine dichterische Ader und die Gabe der Intuition zusammen mit einer gehörigen Portion gesunden Menschenverstandes. Er hat nicht aus einem in der Studierstube erarbeiteten Wissen geschöpft, sondern aus eigenem Erleben und eigener Erfahrung.

„Die dichterische Sprache", so hat er einmal festgestellt, „gibt mehr Freiheit als die Prosa" Da man das dichterische Element auch in seiner Prosa findet, mag diese streckenweise nicht allen Lesern zusagen. Man muß da manchmal durch die sprachliche Oberfläche hindurchstoßen, um die innere Logik zu erkennen. Aber Mahraun hat auch Gedichte geschrieben, deren beste man in den Bändchen „Die reisige Schar“ (1936) und „Balladen'(1949) findet. „In den Balladen erinnern Stükke von inhaltlicher wie formaler Reife an die klare Klassizität der Moabiter Sonette Albrecht Haushofers" Ein frühes Drama ist, was die äußere Form angeht, von geringem Wert Höher einzuschätzen, wenn nicht sogar als die Krönung des Gesamtwerkes anzusehen, ist die umfangreiche Dichtung „Der redliche Rebell", die Mahraun 1933 im Gefängnis Berlin-Plötzensee zu schreiben begonnen und an der er fast bis ans Ende seines Lebens gearbeitet hat

Der Held dieses Dramas ist der „feldgraue Faust", dessen Gegenspieler der „Kanzler". Zur Auseinandersetzung drängt Unversöhnliches: ein altes, zutiefst menschenfeindliches System und eine heraufkommende neue Ordnung, deren Kontur und Gesetzlichkeit „Faust" in den Stürmen des Krieges erahnt hat und die er nun in einem fernen Land in die Wirklichkeit überführt sieht. „Wir sind hier Nachbarn, und der Staat sind wir.“ Das ist das klärende Wort, das „Faust“ als neugieriger Besucher jenes glücklichen „Tannenlandes" dort gleich bei seiner Ankunft vernimmt. Selten hat Mahraun, der von Weitschweifigkeit nicht immer frei blieb, das ihm Wesentliche so bündig ausgesagt: Es geht ihm um die Bildung von Gemeinschaften; ein aus Gemeinschaften gefügtes Gemeinwesen soll den überkommenen, ein Eigendasein führenden Staat ersetzen.

„Gemeinschaft als Erzieher", nachbarschaftliche Ordnung, „der Staat sind wir" — das sind die drei Kernpunkte seiner Lehre und seiner Zielvorstellung. „Gemeinschaft als Er-zieher": das soll besagen, daß die kleine, überschaubare Gemeinschaft die im Menschen angelegten guten Kräfte aktiviere. Nachbarschaftliche Ordnung: das ist die Aufgliederung des Gesamtvolkes, der Urwählerschaft, durch die organisatorische Zusammenfassung der Bewohner je eines begrenzten Wohnviertels. „Der Staat sind wir“: das ist der Ruf nach dem Volksstaat, der an die Stelle des vom Volke abgetrennten Staates treten soll.

Für diese drei Kernpunkte hat man sich vorab an die wichtigsten Prosaschriften zu halten. Was einen auf der Grundlage der Nachbarschaften zu errichtenden Volksstaat betrifft, so sind besonders „Das Jungdeutsche Manifest" (1927) und „Der Protest des Individuums” (1949) zu nennen. Für die Gemeinschafts-Lehre sind von Bedeutung „Gemeinschaft als Erzieher" (1934), „Ordina, Grundsätze für das Gemeinschaftsleben” (1935), „Die redliche Gemeinde" (1939) und „Wille und Schicksal" (1940). Das in diesen Büchern Dargelegte findet man in anderen wiederholt, bestätigt und ergänzt.

Sind hier schon nicht alle 60 Titel durchzugehen, so seien „Gegen getarnte Gewalten" (1928) und „Politische Reformation“ (1949) um des teilweise autobiographischen Charakters willen erwähnt. Von den Romanen hat Klaus Hornung „Hubertus Wälser’ (1936) hervorgehoben Aber es fehlen in der langen Reihe nicht einmal Zukunftsromane, in denen, unter Vorwegnahme der seinerzeit noch nicht praktizierten Weltraumfahrt, Landungen auf fernen Himmelskörpern geschehen Ganz eintönig ist das voluminöse Mahraun-Werk also nicht.

Der erwähnten Vernachlässigung durch die Nachschlagewerke entspricht das fast völlige Fehlen bemerkenswerter Sekundärliteratur Den bisher einzigen Versuch einer auf die Kernpunkte beschränkten, insoweit aber umfassenden Darstellung hat der Verfasser dieses kürzeren Berichtes 1957 vorgelegt

Der einzelne und die Gemeinschaft

Der Begriff Gemeinschaft ist heutzutage alles andere als attraktiv. Er wurde propagandistisch mißbraucht und ist mehrdeutig

Nicht ganz zu Unrecht assoziiert man ihm eine Scheu vor dem Konflikt und die Absicht, erwünschter Integration durch die Mobilisierung von Gefühlen nachzuhelfen; gewiß klingt in ihm die spezifisch deutsche „Sehnsucht nach Synthese" (Ralf Dahrendorf) an. Aber im Werke Mahrauns ist er — und zwar in einer durchaus unterscheidbaren Bedeutung — einer der tragenden Pfeiler. Wir finden dort einmal den Ruf nach der Volksgemeinschaft, zum andern das Bild der kleinen, überschaubaren Gemeinschaft, in der die Menschen, ohne ihr Eigensein aufzugeben, im Dienste am Gemeinwohl zueinander finden.

Die eine wie die andere Vorstellung wurde nicht am Schreibtisch erdacht. Beide gehen auf das von Mahraun so genannte „Fronterlebnis" zurück. Dieser Terminus hat nichts mit einer Verherrlichung des Krieges zu tun. Gemeint war damit die im Ersten Weltkrieg vielen Frontkämpfern zuteil gewordene, aber angesichts der deutschen sozialen Landschaft der Vorkriegszeit nahezu revolutionäre Erkenntnis, daß man die Menschen nicht weiterhin nach Stand, Rang, Klasse, Beruf einstufen könne, daß es vielmehr auf den individuellen charakterlichen Wert oder Unwert ankomme. Gemeint war aber auch der Eindruck, den das kameradschaftliche Zusammenstehen im Grabenabschnitt, im Granattrichter, im Unterstand, hinterlassen hatte Von jener Erkenntnis leitet sich der Ruf nach der Volksgemeinschaft, von diesem Erlebnis das Bild der begrenzten, durch ein Wir-Gefühl verbundenen Gemeinschaft her.

Was die Volksgemeinschaft betrifft, so haben nach ihr nach dem Zusammenbruch des Kaiserreiches auch andere gerufen, so besonders der christliche Gewerkschaftsführer Adam Stegerwald. Man kann einwenden, daß der Begriff eine unrealistische Geringschätzung allemal gegebener Unterschiede und Gegensätze bedeute oder mindestens begünstige. Tatsächlich erscheint gerade bei Mahraun die Vorstellung oder das Zielbild der Volksgemeinschaft mit der Abneigung gegen die politischen Parteien, die er in seiner ersten Phase bekundet hat, eng verbunden. Von größerem Gewicht aber ist in seinem Gesamtwerk der angedeutete engere Gemeinschaftsbegriff. Mahraun will die Einzelmenschen in Gemeinschaften hineinführen; die Summe solcher Gemeinschaften soll den Staat darstellen. „Ich glaube nicht, daß ein wahres Gemeinwesen anders sich zusammenbilden kann als aus kleinsten Gemeinschaftszellen. Ich glaube nicht, daß ein Gemeinwesen aus Individuen entsteht, sondern es entsteht aus Gemeinschaften." Diese Sätze von Martin Buber stimmen mit Mahrauns Ansicht und Absicht völlig überein.

Die Gemeinschaft, um die es hier geht, ist unbedingt von mäßiger Kopfzahl, also relativ klein und dadurch überschaubar. Sie stellt sich dar als die „Zusammenfassung von Menschen zur Lösung einer gemeinsamen Aufgabe, sofern diese Menschen in der Lage sind, ein persönliches Urteil über einander zu finden" In einer solchen Gruppe ist der einzelne „nicht Nummer für die Gesamtheit, nicht eine unbekannte Größe wie in der Masse, sondern ein verantwortliches Glied des Ganzen, über das die Gesamtheit ein individuelles Urteil fällt"

Geschaffen wird die Gemeinschaft nicht durch Beitrittserklärungen oder ein einmaliges Beisammensein. Es sind „die Glieder der Gemeinschaft... so oft zu vereinen, daß sich in ihnen die Werte der Gemeinschaft bilden können" Die Gemeinschaftsbildung beginnt, „sobald ein bestimmter Grad in der Häufung der Berührungspunkte erreicht ist" Dabei ist keineswegs an eine allgemeine Verbrüderung gedacht; einem Verzicht auf alle Abstände von Mensch zu Mensch wird ausdrücklich widerraten: „Es handelt sich darum, die gesunde Mitte zwischen Annäherung und Entfernung, Gebundenheit und Freiheit der Einzelpersönlichkeit zu erkennen ... Die Gemeinschaftsbildung fordert von den Menschen ein Zusammenrücken. Die Wahrung ihres Eigenlebens dagegen setzt diesem Zusammenrücken eine Grenze." Es wird also dem Einzelmenschen nicht eine Selbstaufgabe zugemutet. Seine „Freiheit für sein ureigenstes Leben" bleibt unangetastet für ihn sollen „Eigenleben" und „Gemeinschaftsleben", als zwei „Sphären oder Halbkreise", einander ergänzen So wäre es denn auch falsch, „die volle Gleichheit aller Anschauungen als Ziel der Gemeinschaft zu betrachten" Sind schon „brüderliche und herzliche Gefühle" als Bindemittel erwünscht, so muß doch „die Bewegungsfreiheit innerhalb aller Verschiedenheiten, die diesen Menschen eigen sind", unverkürzt erhalten bleiben

Mahraun hat beklagt, daß es noch keine Wissenschaft von der Gemeinschaft gebe. Dabei hatte er nicht die Gegenüberstellung von Gemeinschaft und Gesellschaft, die einige Jahrzehnte zuvor Ferdinand Tönnies unter vorab sozialgeschichtlichem Aspekt vorgenommen hatte sondern den von ihm selbst scharf umrissenen Begriff der kleinen Gemeinschaft, der seinerzeit auch für die Jugendbewegung mitbestimmend gewesen ist, vor Augen. Die klassische Philosophie, so stellt er fest, habe zwar eine „Kritik der reinen Vernunft" zustande gebracht, über die „reine Gemeinschaft" habe jedoch noch niemand geschrieben Was man nirgendwo finde, seien „Betrachtungen über das Zusammenleben der Menschen in einer klassenlosen Gemeinde, in der sich Menschen jeden Alters, jeder Konfession, verschiedenen Ranges und Standes... vereinigen“ Es handele sich um ein Feld, in dem für kommende Generationen noch „Geistesarbeit in Hülle und Fülle” verbleibe.

In Mahrauns eigenen Beiträgen zu einer Gemeinschaftskunde, die er wohl eher als Prolegomena wertete und die tatsächlich der wissenschaftlichen Systematik entbehren, sieht man die Individualpsychologie nicht etwa ausgeklammert. Seine Bemerkungen darüber, wie sich gewisse Menschentypen in und zu der Gemeinschaft einstellen und umgekehrt durch diese bewertet werden, sind von charakterkundlichem Interesse Hier schöpft der gewesene Verbandsführer, aber gewiß auch der Frontoffizier, aus reicher unmittelbarer Erfahrung. Mag er mit seinem Konzept, nimmt man es als ein Ganzes, die Grenzen des Machbaren überschritten haben: dort, wo er über den oder die Menschen urteilt, hat er den Boden der Wirklichkeit unter den Füßen.

So stellt er nicht nur die Verschiedenheit der Menschen, sondern auch die Wandelbarkeit des individuellen Charakters in Rechnung. Er weiß, daß sich „ein dauerndes Ringen zwischen den guten und den schlechten Trieben in der menschlichen Seele“ abspielt Alles in allem bleibt für ihn kein Zweifel, daß das Werden echter Gemeinschaft, weil es sich nicht um die Zusammenfügung lebloser und exakt berechenbarer Partikel handelt, in jedem Falle „eine unendlich mühselige und umfangreiche Mosaik-und Filigran-Arbeit" erfordert

Einmal mehr ersieht man aus dem Ruf nach solcher „Filigran-Arbeit“, daß es Mahraun vorab um den Zustand an der heute soge-nannten Basis geht, das heißt um die Mensch-zu-Mensch-Beziehung diesseits aller höheren Vereinigungen und Zusammenschlüsse. Die Begriffsbestimmung des Johannes Althusius (1557— 1638), daß Politik „die Lehre vom Zusammenleben der Menschen“ sei hätte auch er niederschreiben können. Sein „Faust“

in „Der redliche Rebell" zögert, sich unmittelbar zum „Vaterland" zu bekennen und will „mehr zum nächsten als zum höchsten neigen“ Vaterland, Nation, Staat: man fände diese Termini, würde man Mahrauns Wort-schatz der quantitativen Analyse nach angloamerikanischer Methode unterziehen, unter-repräsentiert. Dieser eigenwillige, keinem Vorbild nacheifernde und aus keiner Literatur schöpfende Schriftsteller ist, hat er schon diskussionswürdige Beiträge zur Frage der Staatsform vorgelegt, nur sehr bedingt der „Staatsdenker" gewesen, als den ihn — etwas großzügig klassifizierend — die Überschrift dieses Berichtes vorstellt. Mit der Gruppe politischer Theoretiker, die vom Staate aus zum Menschen hin gedacht haben oder noch denken, hat er jedenfalls nichts zu schaffen. Seine Blickrichtung ist die umgekehrte; er denkt vom Menschen aus zu jeder etwa übergeordneten Einheit hin. Für ihn findet — mindestens im Ansatz — das letztlich Entscheidende, auch oder gerade das politisch Entscheidende, am Grunde des Sozialkörpers oder des Staates statt. So hätte er denn auch schwerlich — wenn er sich mit derartiger Systematik überhaupt befaßt hätte — dem weitverbreiteten Verlangen zugestimmt, einen höheren „politischen“ von einem angeblich grundsätzlich anders gearteten „sozialen“ Bereich zu scheiden.

Noch aber ist hier Wesentliches über die überschaubare Gemeinschaft, besonders eine ihr zugeschriebene Funktion, nachzutragen. Die Gemeinschaft ist, so lesen wir, von „läuternder und erzieherischer Kraft“ ihr Vorhandensein die „Vorbedingung einer Erziehung und Entwicklung des Einzelnen zum Gemeinsinn" Es führt also nicht etwa der Gemeinsinn zur Gemeinschaft, sondern umgekehrt ein Gemeinschaftsleben zu dem Gemeinsinn, den Mahraun einmal als „begeisterte Vernunft“ bezeichnet Aber die Gemeinschaft, deren Wirken auf das Gemeinwohl ausgerichtet ist, aktiviert nicht nur die „bürgerlichen Tugenden" die die „staatsbürgerliche Mündigkeit“ bedeuten, sondern die im Menschen angelegten guten Eigenschaften schlechthin. In solcher Sicht ist „das Gute", als aus „guter Ordnung" hervorgegangen, „Ergebnis" Die Eigenschaften und damit die Handlungen des Menschen sind der „Widerschein einer bestimmten Lebensordnung" So ist am Ende das ganze Volk — in seinen Eigenschaften — „das Ergebnis seiner *Ordnung Allein die Ordnung, in der der Einzelmensch einer übersehbaren Gemeinschaft angehört, wird die ihm mitgegebenen guten Eigenschaften »zur vollen Auswirkung" bringen.

In einer fragwürdigen Schwarz-Weiß-Manier hat Mahraun der Gemeinschaft — die er, nachdem die Nationalsozialisten den Begriff okkupiert hatten, oft die »redliche Gemeinde" nannte — die Masse gegenübergestellt. Wie die guten Eigenschaften durch die Gemeinschaft, so sieht er die schlechten durch die Masse erweckt oder gefördert. »Masse verdirbt, Gemeinschaft erhebt.“ Damit sind die guten wie die schlechten Eigenschaften wenigstens teilweise bloße Potenzen, die des Anrufes durch eine „Lebensordnung" harren. Mahraun sagt einmal ausdrücklich, daß in diesem Felde — er nennt es einen »seltenen Fall“ — die Form den geistigen Inhalt bestimme Man hat es mit einem unverblümten Soziologismus — einer durch ihre Nähe zum Materialismus „linken“ Philosophie — zu tun. Hier erscheint der „Idealist“ des populären Wortverstandes von idealistischer oder spiritualistischer Philosophie, die den geistig-sittlichen Kräften eine eigenmächtige Durchsetzungskraft zuschreibt, auf den durch ihn vorgesehenen „Beistand der Formen somit verzichten zu können glaubt, deutlich geschieden. »Rettung kann nur bringen die Wiedergeburt der Völker aus dem Geist der Gemeinde." So den Gustav Landauer der sogenannten Anarchismus, dem man ihn hinzurechnet, mit einem annähernd konservativen Einschlag versah. Mahraun sagt gleichsinnig, daß die Welt „an der Gemeinde genesen" werde Der eine wie der andere meint nicht die Gemeinde als Kommune, das heißt als Verwaltungs-oder Gebietseinheit, sondern die von uns skizzierte kleine Gemeinschaft. Um diese in ein noch helleres Licht zu rücken, konfrontiert sie Mahraun in einer Weise, die auf die Behauptung eines Entweder-Oder hinausläuft, der Masse. Masse sieht er als gegeben an; Gemeinschaft soll sie ersetzen. Er verlangt die Aufgliederung der Masse durch die Über-führung der Menschen in Gemeinschaften. Durch die Bildung von Gemeinschaften, so der für Deutschland von ihm geforderten Nachbarschaften, soll das Zeitalter der Masse sein Ende finden. Dabei müsse es sich freilich um mehr als nur eine »organisatorische Einteilung“ handeln; diese könne für den Prozeß echter Gemeinschaftsbildung nur den Rahmen hinstellen.

Die schroffe Entgegensetzung von Masse und Gemeinschaft, die Mahraun vornahm, ist kaum akzeptabel. Auf den recht unklaren Begriff der Masse einzugehen — das wohl Lesenswerteste über ihn findet man bei Theodor Geiger —, ist hier nicht der Raum. Aber was immer man als Masse oder Vermassung bezeichnen kann — Menge oder eine zahlenmäßige Zunahme der Bevölkerung sind etwas anderes — ist in unserer Zeit in nicht höherem Maße gegeben als in irgendeiner anderen Epoche. Und es ist nicht dadurch auszuschließen, daß man die Menschen in Gemeinschaften einfügt. Gegen die Gefahr psychischer Anstekkung, die Gustave Le Bon der Masse etwas undifferenziert angekreidet hat ist auch der in eine Gemeinschaft eingegliederte Mensch nicht gefeit. Es können also Gemeinschaft und Masse nebeneinander, ja gleichsam ineinander bestehen. Dafür liefert die Geschichte des Mittelalters, gewiß eines Zeitalters der Gemeinschaft, einige Beispiele.

Was vielleicht noch eher kritisch stimmt, ist die erwähnte Herkunft vom „Fronterlebnis des Ersten Weltkrieges, die für den engeren Gemeinschaftsbegriff, zuvor aber schon den Ruf nach der Volksgemeinschaft in Anspruch genommen wird, an die freilich diese Postulate nicht unbedingt gebunden sind. Natürlich liegt der Einwand nahe, daß das, was in der Extremsituation der Front gegolten haben mag, nicht in das durch manche andere Gesetzlichkeit gesteuerte politische oder soziale Leben der Friedenszeit übertragen werden könne.

Mahraun selbst, der die Gemeinschaft zuweilen geradezu hymnisch gepriesen hat, hat sie weit häufiger unter voller Berücksichtigung des Menschlich-Allzumenschlichen ganz leidenschaftslos untersucht. Dabei ist er der Frage, ob seine Vorstellungen in die Wirklichkeit überführt werden könnten, nicht ausgewichen. „Die ganze Welt, in der du dich bewegst, besteht aus Märchen und Verschrobenheiten“ Das bekommt der für ihn sprechende „Faust" in „Der redliche Rebell“ von seinem Gegenspieler, dem amtierenden Staatsmann, zu hören. Nur Ist das für den Dichter und seinen Helden nicht das letzte Wort Und gewiß kann auch eine Vision, de-ren Bezug zur Realität nicht ohne weiteres einleuchtet, ein Zeichen setzen, ja eine ganze Landschaft erhellen.

Nachbarschaft und Volksstaat

Je etwa fünfhundert Wahlberechtigte, die in einem zusammenhängenden, abgegrenzten Wohnviertel ansässig sind, bilden eine Nachbarschaft. Das ist, auf die kürzeste Formel gebracht, der Nachbarschaftsgedanke, der in Mahrauns Werk, soweit es sich dort um das äußere Staatsbild handelt, die Mitte einnimmt. Gefordert wird eine das gesamte Staatsvolk erfassende, das heißt von der Großstadt bis zum letzten Dorf vorzunehmende Einteilung, die sich allein an den Wohnsitz hält, also über alles, worin sich einander Benachbarte unterscheiden mögen, hinweggreift. Es bietet Vergleich mit den sich der den bei Parlamentswahlen in Erscheinung tretenden innergemeindlichen Stimmbezirken an, die indessen nur die rein organisatorische Zuweisung zu einem Wahllokal bedeuten, während die Nachbarschaft durch regelmäßige Zusammenkünfte die Menschen einander annähern soll.

Zu der nachbarschaftlichen Horizontale, die auf die Bildung echter Sozialgebilde abzielt, tritt eine Vertikale. Die Nachbarschaft •— man hat sie einmal als „Ortsgruppe der Staatsbürgerschaft" bezeichnet — ist auch, und keineswegs in letzter Linie, ein Wahlkörper.

Sie erwählt aus ihrer Mitte einen Repräsentanten.

Die in den Nachbarschaften eines mäßig großen Bezirkes Gewählten treten auf der Bezirksstufe zu einem Gremium zusammen, das wiederum als Wahlkörper fungiert.

Insgesamt ist ein von der nachbarschaftlichen Basis bis zur Staatsspitze hinaufführender Stufenbau vorgesehen, innerhalb dessen von Stufe zu Stufe gewählt wird, womit die höheren Instanzen, die durchweg als beschließende Körperschaften gedacht sind, aus indirekten Wahlen hervorgehen. In seiner Frühzeit hat Mahraun fünf Ebenen vorgeschlagen:

Nachbarschaft, Bezirk, Gau, Land, Reich

Hier ergibt ein zahlenmäßiger Überschlag für die Gremien der drei mittleren Stufen eine die Zwanzig kaum überschreitende Kopfzahl und damit einen Umfang, der sachliche Arbeit ermöglicht. Für die Nachbarschaft selbst soll die genannte Richtzahl Fünfhundert beachtet werden. Würde man über sie wesentlich hinausgehen, schrieb Mahraun noch in seinem letzten Lebensjahr, „so würde das ganze System nicht funktionieren, denn das Problem der Masse wäre nicht gelöst"

Von der Nachbarschaft spricht er erstmals in einer 1924 in Kassel gehaltenen Rede. Schon damals ist sie für ihn die „Grundlage eines durch keinerlei Ständekampf oder Klassenhaß durchwühlten Zellenstaates“ dient also einmal der Anbahnung oder Sicherung der die Gegensätze überbrückenden Volksgemeinschaft, zum andern dem Aufbau eines neuartigen Gemeinwesens. Ende 1927 erscheint „Das Jungdeutsche Manifest" mit dem Entwurf des auf nachbarschaftlicher Basis zu errichtenden Volksstaates. Dieses Buch — von den Anhängern vielfach als das Hauptwerk angesehen, welchen Rang ihm inzwischen „Der redliche *Rebell streitig macht — ist im Vorwort als ein „Anfang“ bezeichnet; keineswegs liege mit ihm die „starre und unabänderliche Formulierung einer künftigen Staatsordnung" vor Tatsächlich sind aus der Folgezeit — auch oder gerade den Jahren der Hitlerherrschaft — Äußerungen nachweisbar, die ein Abrücken von jenem ersten Konzept bezeugen. Mahraun, der in der Weimarer Ära einmal gewissen deutschnationalen Zeitgenossen einen „Streik der geistigen Weiterentwicklung" vorwarf, hat seine eigenen Vorstellungen fortlaufend gründlich überdacht; fest lag allein die Richtung, die mit dem ursprünglichen Ansatz gegeben war.

Nicht verwunderlich ist danach der — verglichen mit dem „Manifest“ — völlig andere Staatsaufbau, den die 1949, nur einige Monate vor dem Tod des Autors, vorgelegte Schrift „Der Protest des Individuums” vorsieht.

Nun zunächst zum „Manifest“, das bei seinem Erscheinen durch die respektable Bewegung, die in der Gestalt des Jungdeutschen Ordens hinter ihm stand, einiges Aufsehen erregt hat 66a). Im Zentrum steht das skizzierte Pro-jekt: Aufgliederung der Urwählerschaft in Nachbarschaften und darüber eine Pyramide, innerhalb derer von Stufe zu Stufe gewählt wird. Schon im Vorwort findet man den Leitsatz „Volk und Staat müssen eins sein", den Mahraun — historisch-philologisch nicht korrekt — dem Freiherrn vom Stein zuschreibt in dessen Nachfolge er sich sieht. Danach gilt einer der ersten Abschnitte einem knappen sozialkritischen Rückblick ins wilhelminische Zeitalter. Für die zwanziger Jahre und einen Verfasser, der als Geheimratssohn und Berufsoffizier der Kaiserzeit der alten Oberschicht entstammte, ist das, was er hier etwa über die „Kaste” und das „Standesmenschentum", auch über ein folgenschweres Unverständnis für das „Ringen des Vierten Standes’ ausführt, einigermaßen erstaunlich. Hervorgehoben wird unter anderem, daß der Deutsche durch die Berührung mit anderen Völkern den Eindruck habe gewinnen müssen, daß Deutschland ein Land der Unfreiheit sei, während es anderwärts Freiheit gebe Freiheit aber ist in dieser Sicht nicht eine Freiheit vom Staate, nicht Pflichtenlosigkeit, sondern in erster Linie die Zurücksetzung von Rang, Stand, Klasse. Geboten ist der deutsche Staatsbürger eines neuen Typs, der „nur das Ergebnis volkstümlicher Gemeinschaftserziehung” sein kann. Solche Erziehung aber leistet die Nachbarschaft.

Dem Stufenbau, für den diese die Basis abgibt, wird das Monopol der politischen Willensbildung zugesprochen. Für die Parteien bleibt kein Platz; der „Parteiismus“ soll verschwinden. Als man dieses gräßliche Wort beanstandet, wendet Mahraun ein, daß die Sache, um die es sich handele, doch ebenfalls unschön sei. Er sieht in der Partei eine „anonyme Privatunternehmung“ und brandmarkt die Plutokratie: „Der wahre Herr im Partei-wesen ist der Besitzer der Geldmittel." Der Wähler habe in diesem System nicht die Möglichkeit „mitverantwortlicher Prüfung der Eigenschaften des zu Wählenden”; er wähle „eine Liste, auf deren Zusammensetzung er keinen Einfluß hat"; bestimmend seien „diejenigen, welche den Wählermassen den fertigen Wahlvorschlag vorlegen"; bei alledem komme durch „parteipolitische Selbstsucht“ das „Gesamtwohl der Nation“ zu kurz Was immer in seiner Kritik der Parteien, die gewiß nicht einfach vom Tisch zu wischen ist, mit einem Minuszeichen versehen erscheint, will der Autor durch sein Modell ausschalten. Was übrigens seine Warnung vor plutokratisehen Machenschaften betrifft, so hat er dieses Mißtrauen niemals aufgegeben; von geradezu ungeheuerlichem, durch keinen Linksradikalen zu übertreffendem Sarkasmus ist in „Der redliche Rebell" die Szene, in der eine „unentwegt getreue Industrie" durch ihren Sprecher dem Staatsmann huldigt, der sein Amt den Geldmächten verdankt

Das perhorreszierte Parteienwesen ist für Mahraun nur eine „augenblickliche Erscheinungsform der Demokratie“ sein Bann-fluch gilt nicht der Demokratie schlechthin. Das Ziel ist die ohne Parteien funktionierende „wirkliche“ oder „wahre” Demokratie: der „Volksstaat”, in dem „das Volk selbst der Staat ist“ Abgelehnt wird ein Staat, der mythisch verklärt oberhalb des Volkes oder aber als das begehrte Objekt von Machtkämpfen neben diesem seinen Platz einnimmt: „Der Staat sind wir, wir, alle Deutschen, wir, die Nation."

Aber es ist zum Inneren des „gotischen Domes“, mit dem Mahraun den von ihm vorgeschlagenen Aufbau gern vergleicht, einiges nadizutragen. Da ist einmal die Pflicht des Staatsbürgers zur Teilnahme an den Zusammenkünften seiner Nachbarschaft; da ist zum andern das kaum minder problematische Wahlverfahren der „Kur“ Gegen den Zwang zur Teilnahme ist einzuwenden, daß es auch die Freiheit zum Abseitsstehen geben muß. Was er indessen nicht bezweckt, ist ein Untertanentum neuer Art, sollen doch in der Nachbarschaft verantwortungsbewußte Staatsbürger in voller Freiheit über die öffentlichen Angelegenheiten befinden und ihr Wahlrecht ausüben. Das Wahlrecht unterliegt allerdings der relativen Beschränkung, die die „Kur" mit sich bringt. Der mittelalterliche Terminus meint eine zweiseitige Prozedur, die nicht nur für die Basiswahlen, sondern auch für die höheren Stufen mit Ausnahme der obersten vorgesehen ist: Es soll die von „unten" erfolgende Wahl einer Bestätigung bedürfen, für die die nächsthöhere Instanz zuständig ist Offenbar wäre damit den einmal in ein Amt Berufenen mit der Möglichkeit, neuen Bewerbern, auch gegebenenfalls neuen Ideen oder Zielsetzungen, den Weg zu verlegen oder mindestens zu erschweren, ein ziemlich unerträglicher Bonus zuerkannt. Tatsächlich hat Mahraun in der Folge weder diese Vorschrift der Wahlbestätigung von „oben" noch die genannte Teilnahmepflicht beibehalten; im „Protest des Individuums" von 1949 findet man weder die eine noch die andere.

Nicht aufgegeben ist in den Spätschriften die in dem ersten Entwurf vorgesehene Möglichkeit der Abberufung der Beauftragten. Es ist, soweit es sich um den Aufbau auf nachbarschaftlicher Grundlage handelt, durchweg nicht an die Wahl für einen bestimmten Zeitraum gedacht — im „Manifest" -Staat, in dem es keine Parteien gibt, entfällt somit der Wahlkampf des konventionellen parlamentarischen Systems gänzlich —, es soll indessen jederzeit möglich sein, dem Gewählten das Vertrauen zu entziehen, was die Abwahl bedeutet. Der Gewählte ist zwar nicht unbedingt im Blickfeld einer breiteren Öffentlichkeit, steht jedoch dafür — sei es in der Nachbarschaft, sei es in einer der höheren Körperschaften — mit seinen unmittelbaren Auftraggebern, die sein Tun oder Unterlassen im Auge behalten, beeinflussen, kritisieren, in ständiger Verbindung. Mit der Beschränkung des politischen Handelns — mindestens des im Endeffekt entscheidenden politischen Handelns — auf je einen überschaubaren Kreis, dessen Angehörige einander kennen, gedenkt Mahraun die Möglichkeit demogogischer Wirkung, der er die ungegliederte Masse ausgesetzt sieht, wenn nicht auszuschalten, so doch stark herabzusetzen. Zudem möchte er die im üblichen Parlamentarismus nicht unbedingt zufriedenstellende Verbindung zwischen den oberen Instanzen und der Basis verbessern.

Richtig erkannt hat er übrigens die formale Übereinstimmung seines durch die indirekten Wahlen gekennzeichneten Ordnungsbildes mit dem Rätesystem Zu diesem ist freilich neuerdings bemerkt worden, daß „der hierarchisch gestufte Aufbau eines Rätesystems, sofern die höheren Räte durch mittelbare Wahl besetzt werden, den Abstand der höheren Räte zur Urbürgerschaft sogar vergrößert" Auch hat man gemeint, daß in einem solchen Aufbau eine Abberufung der obersten Führung über Gebühr erschwert sei; dieser Einwand, nimmt man ihn ernst, trifft allerdings zunächst die Parteien, nämlich die bei ihnen übliche Stufenwahl über Delegiertenversammlungen

Die einflußreiche „Kölnische Zeitung" nannte „Das Jungdeutsche Manifest" 1929 „eine ernsthafte und namentlich folgerichtige Arbeit, die lediglich darunter leidet, daß sie ein Zuviel an Idealismus, an Vertrauen und aufopfernder Hingabe von dem einzelnen Bürger verlangt“ Hier bezieht sich die Einschränkung offenbar auf die Innenansicht der Nachbarschaft, hat doch Mahraun dafür das Bild der kleinen Gemeinschaft vor Augen, wobei er immerhin nachdrücklich betont, daß echte Gemeinschaft einen Wachstumsprozeß voraussetzt, sich also nicht schon mit einer rein organisatorischen Zuweisung ergibt.

Man findet im Frühwerk wie in den Spät-schriften noch ein anderes Element, das als wirklichkeitsfremd anzusehen naheliegt. Das ist die Vorstellung, eine „reinliche Scheidung zwischen Wirtschaft und Politik" vornehmen zu können. Unser Autor beklagt, daß „die wirtschaftlichen Interessen nicht klar von der staatlichen Macht geschieden sind”

Schon im „Manifest” — in dem er bemängelt, daß im Parteienparlament „Weltanschauung, Volksinteresse, Wirtschaftsinteresse und Berufsinteresse ... in krausem Wirrwarr durcheinander” gehen — verlangt er eine aus innerwirtschaftlichen Wahlen hervorgehende Wirtschaftskammer Sollte damals jedoch auch für den Wirtschaftsbereich die letzte Entscheidungsgewalt dem „organisierten Staatsbürgertum", also der politischen Instanz verbleiben, so deutet er 1949 eine denkbare Gleichberechtigung von wirtschaftlicher und politischer Organisation an was schon dem Konzept von Rudolf Steiner nahekommt. Nicht zugeneigt war er übrigens der sozialistischen Wirtschaftsform; in einem 1937 mit dem Verfasser dieses Berichtes geführten Gespräch hat er eine Marktwirtschaft gefordert, die der Staat „mit weicher Hand'zu lenken habe.

An die Sozialisten richtet er im Spätwerk eine Mahnung besonderer Art. Sie sollen einen Zustand zu beenden helfen, in dem „politische Machtmittel... nur durch Einsatz von Kapital geschaffen werden können“ Die Nachbarschaft bedeute „eine Sozialisierung jener Betriebsmittel, die für das Schicksal eines Volkes weit wichtiger sind als Kohle und Eisen" Unterlasse man diese Sozialisierung, so laufe man Gefahr, „die Republik noch einmal dem Zugriff einer großkapitalistischen Minderheit zu überantworten“ Hier bemerkt man einmal mehr das Bestreben, der Plutokratie einen Riegel vorzuschieben. Ihre Wirksamkeit wird aber nicht nur unter dem engeren verfassungspolitischen Aspekt gesehen. Ein Untertitel des „Manifests“, der „Sicherung des Friedens durch Neubau der Staaten" lautet, bezieht sich auf die Erwartung, daß eine erfolgreiche Abwehr plutokratischer Einflüsse die Kriegsgefahr wenn nicht beseitigen, so doch vermindern werde. „Drahtzieher des Krieges sind stets diejenigen, für die der Krieg einen Gewinn bedeutet... Plutokratisch regierte Staaten bieten keine Gewähr für die Sicherung des Friedens.“

Bei dem Entwurf, der mit dem „Jungdeutschen Manifest" von 1927 vorliegt, ist Mahraun, wie bereits angedeutet, nicht stehengeblieben. Nach 1945, und das heißt nach mancherlei Erfahrung und gründlichem Anstoß zu neuer Besinnung, erscheint das „sagenhafte Fernziel”, als das er nun sein Ordnungsbild gelegentlich bezeichnet, ohne Preisgabe des bestimmenden Ansatzes in neuer Gewandung. Die 1949 veröffentlichte Schrift „Der Protest des Individuums" bedeutet — vergleicht man sie mit dem zwar in sich geschlossenen, aber eben dadurch starren Konzept von 1927 — eine Liberalisierung; das Prinzip der nachbarschaftlichen Gliederung ist in eine etwas freiere Luft verpflanzt. Man könnte sagen, daß der Verfasser den Schritt von Rousseau zu Montesquieu vollzogen habe. Offenbar ist er nun auf eine effektive Gewaltentrennung bedacht. Fehlt eine solche noch im „Manifest“, das keine wirksame Scheidung von Legislative und Exekutive kennt, so sieht man im „Protest des Individuums“ gesetzgebende und ausführende Gewalt geschieden, die richterliche Gewalt wenigstens kurz erwähnt und dem Nachbarschaftswesen, dem das Monopol der Willensbildung entzogen ist, eine besondere Rolle zugewiesen.

Zu erklären ist der nicht sehr glücklich gewählte Titel der Schrift. Der gemeinte Protest ergibt sich aus der Feststellung, daß der Staatsbürger der „politischen Heimat“ entbehre, solange man ihn nur zur Teilnahme am Parteileben auffordern könne, das sei zur Unterwerfung unter ein bereits fixiertes Programm und zum Eintritt in eine Organisation, in der „eine schwer erkennbare organisierte Minderheit alle Vorrechte besitzt” So sieht man auch in dieser Spätschrift die alte Abneigung gegen die Parteien keineswegs aufgegeben; wohl aber werden sie nun grundsätzlich anerkannt und in ihrer konventionellen Rolle bestätigt. Damit erscheinen die Nachbarschaften, mitsamt dem wie im ersten Entwurf vorgesehenen Aufbau auf nachbarschaftlicher Grundlage, als eine „zusätzliche Einrichtung" Was die nachbarschaftliche Gliederung betrifft, so ist wiederum an das „organisatorische Diktat“ also eine die gesamte Urwählerschaft erfassende, durch Verfassung oder Gesetz vorgeschriebene Einteilung gedacht Aufgegeben ist der im Frühwerk vorgesehene Zwang zur Teilnahme an den Zusammenkünften der Nachbarschaft; diese Teilnahme ist nun „in jedem Falle freiwillig" Hat schon der Staatsbürger in der für ihn zuständigen Nachbarschaft einen Platz „für immer zu eigen", so kann er ihn sogar „lange Zeit unbesetzt lassen und verliert ihn doch nicht"

Es stehen in dem gewandelten Staatsbild drei Säulen nebeneinander: „Staat”, „Parteiwesen“ und das nun „Hoheitswesen" genannte Nachbarschaftswesen. Mit „Staat“ ist die Exekuti-ve gemeint; die durch die Parteien beschickten Parlamente stellen die „normale gesetzgebende Gewalt" dar; das „Hoheitswesen“ soll „die beratende und ausgleichende Gewalt und der Wächter des unverfälschten Volkswillens als der höchsten Autorität“ sein Es soll „neben jedem Parlament vom Gemeindeparlament bis zum Bundestag ein Rat des Hoheitswesens“ stehen Wie damit der Bundestag des Bonner Grundgesetzes, das wenige Monate vor dem Erscheinen der Schrift in Kraft getreten ist, so wird auch der neue Bundesrat erwähnt. Der oberste Rat des Hoheitswesens, so wird vorgeschlagen, „tritt in die Rechte des Bundesrates ein" Gesprächsweise hat übrigens Mahraun einmal gemeint, man könne aus dem Nachbarschaftswesen den Bundespräsidenten hervorgehen lassen, wobei er indessen an ein Staatsoberhaupt mit gegenüber dem Grundgesetz erweiterten Befugnissen gedacht zu haben scheint.

Den Zuständigkeitsbereich der Nachbarschaften oder der höheren Räte exakt abzugrenzen, also über die nur andeutende Benennung „beratende und ausgleichende Gewalt“ hinauszugehen, lehnt er ab. Er sieht hier „keineswegs etwas Feststehendes, das man in Form einer Aufstellung für alle Zeiten dokumentieren'könnte Die in Frage kommenden Funktionen sind „nicht gleichbleibend" sondern wechseln mit den jeweiligen Gegeben-, heiten und Erfordernissen. Es gibt einerseits „politische, wirtschaftliche und weltanschauliche Aufgaben, die niemals Sache der Nachbarschaften sein dürfen", andererseits „Aufgaben, die fast nur durch sie gelöst werden können“

Was „Beratung” und „Ausgleich" angeht, so läßt „Beratung“ an eine Einschaltung in den Prozeß der Willensbildung denken, der auf solche Weise — weil die Parteien und die Parlamente verbleiben — zweigleisig verliefe; auf der obersten Ebene wäre eine institutionell gesicherte Mitwirkung durch die vorgeschlagene Ausmündung in den Bundesrat gegeben. „Ausgleich" vkönnte Moderation in einem spezifischen Sinne bedeuten, zumal die zumeist einzelfallbezogene Abwendung oder Milderung von Härten, die man in neuerer Diskussion von einem zu berufenden „Ombudsman" erwartet. Aber über Beratung und Ausgleich hinaus soll die neue Säule die Geltung des „unverfälschten Volkswillens" als der „höchsten Autorität" gewährleisten In nicht eben freundlicher Weise werden damit die anderen Institutionen, vorab wohl die Parteien, für fähig gehalten, gewollt oder ungewollt den Volkswillen zu verfälschen; in gegebenem Falle soll das „Hoheitswesen'anscheinend ein Machtwort sprechen dürfen. Man hat hier zu beachten, daß Mahraun seinen Nachbarschaften ziemlich genau die Aufgabe einer fortlaufenden, also auch zwischen den Wahl-terminen praktizierten Feststellung des Volkswillens zuweist, die man seither in einer recht problematischen, ernsthafte Beobachter längst beunruhigenden Weise der Demoskopie überließ.

Würde aber die Zweigleisigkeit — Parteien und Parlamente dort, Nachbarschaften und Räte hier — nicht den geradezu festgeschriebenen Dauerkonflikt bedeuten? Mahraun ist in diesem Punkte Optimist, sieht nämlich ein „Zusammenspiel“ der beiden Faktoren voraus, das „die Kunst des Kompromisses, die Voraussetzung jeder friedlichen und konstruktiven Politik, zu segensreicher Blüte entfalten“ werde Wenn er in diesem Zusammenhang von zweierlei „Prominenz" spricht der aus den Parteien und der aus den Nachbarschaften hervorgegangenen, hat er offenbar einen förderlichen Wettbewerb vor Augen. Im übrigen soll die Nachbarschaft den Parteien als Forum zur Verfügung stehen. Besonders im Wahlkampf sollen alle Parteien „in Ruhe und Sachlichkeit ihr Programm vor der Nachbarschaft entwickeln" Auf solche Weise seien „die Programme aller Richtungen“ an alle Wähler heranzubringen

Für Mahraun hat bis zuletzt die in der Linie seiner Volksgemeinschaftsidee liegende Absicht, die innervolklichen oder zwischenparteilichen Gegensätze zu entschärfen, eine Rolle gespielt. „Politische Heimat“, als die er sich die Nachbarschaft vorstellte, ist allerdings inzwischen für die meisten politisch Interessierten je eine Partei geworden, und eben diese parteilich Gebundenen würden das Forum, auf dem auch die Andersmeinenden zu Wort kämen, nicht übermäßig schätzen. Auch in vieler anderer Hinsicht ist zu beden103 ken, daß wir nicht mehr das Jahr 1949 schreiben, in dem „Der Protest des Individuums’ erschien. Wie, so muß man fragen, würde sich in heutiger oder zukünftiger Praxis das Nebeneinander der beiden an der Willensbildung beteiligten Säulen auswirken? Vorstellbar ist eine Infiltration des Nachbarschaftswesens durch die Parteien, wobei die Erfolgschancen je einer einzelnen Partei von Ort zu Ort differieren würden; vorstellbar ist die neue Gliederung als eine „Partei der Parteilosen“ mit antiparteilichem Affekt, dadurch aber auf der Gegenseite ein Zusammenrücken der Parteien, womit der vorhin gemeinte Konflikt, aber auch eine völlig neuartige, in den Konsequenzen kaum abzuschätzende Verfassungswirklichkeit gegeben wäre; vorstellbar ist auch ein Nachbarschaftswesen, das nur wenig Interesse fände und als ein kaum wahrgenommenes Angebot kraftlos bliebe. Die Liste solcher Erwartungen, Möglichkeiten, Bedenken wäre unschwer zu verlängern. Andererseits ist das derzeitige Parteienoligopol, das im Grundgesetz der Bundesrepublik keine Stütze findet gewiß nicht der Weisheit letzter Schluß.

Eine sehr bedeutsame, in unserer Darstellung bisher ausgeklammerte Teilfrage bleibt bei Mahraun am Ende offen. Es handelt sich um die Position der im Nachbarschaftsaufbau Gewählten: Ist ihr Mandat ein freies oder das imperative? Im Frühwerk, zumal im „Manifest", sind sie ganz unbefangen als „Führer“ bezeichnet. Das in den zwölf Jahren heillos diskreditierte Wort ist, hält man sich an die ursprüngliche Bedeutung, keineswegs besorgniserregend. Führung, das ist mittlerweile in Erinnerung zu bringen, ist etwas durchaus -an deres als das rein von außen einwirkende Kommando Zu behaupten, daß Führung und Demokratie einander ausschlössen, wäre ein wenig verwegen. Nach einer „Führerdemokratie" hat Max Weber gerufen, über „Demokratie und Führerschaft" ein so gründlicher Denker wie Leonard Nelson geschrieben Der von Weber gemeinte Führer kann, solange er der Wähler „Vertrauen mit Erfolg in Anspruch nimmt, durchaus nach eigenem Ermessen handeln" An eben die-ses freie Mandat hat auch Mahraun gedacht. Im Spätwerk indessen bemerkt man, mindestens zusätzlich, eine andere Note. Entfällt ohne weiteres die zunächst unmöglich gewordene Bezeichnung „Führer", so wird die Position der Mandatare nun auch durch die Bedeutung berührt, die der Volksabstimmung beigemessen wird. Die Nachbarschaften, in ihrer Summe als „geteilte Volksversammlung“ verstanden, ermöglichen die jederzeitige Volksabstimmung, und gewiß wären die gewählten Repräsentanten in den Fällen, in denen sie je ein Abstimmungsergebnis weiterleiten, nur Briefträger. Aber wenn schon der späte Mahraun gelegentlich in einigermaßen fragwürdiger Weise fordert, „diejenige politische Ordnung, die am demokratischsten ist“, zu errichten so fehlt doch das radikaldemokratische Verlangen, die bedeutenden politischen Fragen ausnahmslos der Volksabstimmung zu unterbreiten.

Daß im Spätwerk manches offen, manches gleichsam in der Schwebe bleibt, ist gewiß nicht zu tadeln. Nimmt man es als ein Ganzes, so erscheint das Bekenntnis zur identitären Demokratie, von dem der Verfasser ausging, abgeschwächt; mit der uneingeschränkten Anerkennung der individuellen „wirtschaftlichen Notwendigkeiten, besonderen Neigungen und weltanschaulichen Überzeugungen" damit aber der Parteien und Verbände jeglicher Art, kommt das pluralistisch-repräsentative Demokratieverständnis zu seinem Recht. Nur sollte man daraus, daß im „Protest des Individuums" die Bezeichnung „Staat” terminologisch ungeschickt der Exekutive zuerkannt wird, nicht eine Preisgabe des Leitsatzes „Der Staat sind wir" folgern, findet man doch diesen Satz ziemlich gleichzeitig in „Der redliche Rebell" welches Werk als das letztlich maßgebliche Bekenntnis zu gelten hat. „Wir sind, durch Gesetz und Recht untereinander verbunden, unser Staat selbst." Das hat nicht Artur Mahraun, sondern Johann Heinrich Pestalozzi geschrieben Daß Mahraun wie der große Schweizer gedacht, daß er wie Friedrich Naumann, Hugo Preuß und andere große deutsche Demokraten unnachgiebig die Absicht verfolgt hat, „den Staat in das Volk zurückzuverlegen" daran bleibt kein Zweifel.

Nachbarschaftliche Praxis nach 1945

Mahrauns programmatische Schriften, die eine die gesamte Staatsbürgerschaft erfassende Einteilung in Nachbarschaften fordern, sehen einen diesbezüglichen Staatsakt vor, also primär ein Handeln von „oben"; in den auf solche Weise gesetzten Rahmen, das war die Hoffnung, werde dann Leben einströmen. Aber natürlich kann eine Nachbarschaft auch durch Spontaneität, das heißt unmittelbar von „unten" zustande kommen, indem nämlich die Nachbarn im Wohnviertel sie von sich aus ins Leben rufen. Mahraun hat diese Möglichkeit nicht etwa verkannt oder ausgeschlossen, vielmehr nach 1945 mit Nachdruck auf sie hingewiesen Die nachbarschaftliche Aufgliederung einer Kleinstadt in Schleswig-Holstein, welchen Versuch dann freilich eine uneinsichtige Besatzungsbehörde abstoppte, hat er noch erlebt Nach seinem Tode ist es durch Anstöße, die von einigen seiner Anhänger ausgingen, zu einer Welle von Nachbarschaftsgründungen gekommen, wobei sich ein deutlicher Schwerpunkt im südlichen Niedersachsen ergab, aber andere Bundesländer nicht fehlten. Die Bewegung hat seinerzeit beträchtliches Aufsehen erregt, auch bei Instanzen der Bundesregierung und den Parteien. Allerdings ist sie noch in den fünfziger Jahren verebbt. „Nach einer verhältnismäßig stürmischen Gründungsentwicklung in den Jahren 1951 bis 1953“, so wurde 1962 berichtet, „ist gegenwärtig eher eine rückläufige Tendenz festzustellen; manche Nachbarschaften sind eingeschlafen, manche haben nicht die gewünschte Integration erreicht."

In Flugblättern aus jener Gründerzeit sieht man den damals aktuellen Typ der Nachbarschaft umrissen. „Die Nachbarschaften", so liest man da, „stellen den freien Zusammenschluß von Bürgern je eines räumlich begrenzten, überschaubaren Wohnbezirkes dar.

Sie sind kein Verein, führen keine Mitgliederlisten und erheben keine Beiträge. In der Nachbarschaft haben jeder wahlberechtigte Mann und jede wahlberechtigte Frau ihren Platz, ganz gleich, ob sie von diesem Recht Gebrauch machen oder nicht... Diese nachbarlichen Gemeinschaften sind parteipolitisch, bekenntnismäßig und hinsichtlich der wirtschaftlichen Interessen des Einzelnen neutral. Sie stellen das, was allen gemeinsam ist, bewußt in den Vordergrund ihrer Arbeit ... Sie betrachten es als ihre besondere Aufgabe, die kommunalpolitischen Geschehnisse ihres Stadtbezirks aufmerksam zu beobachten und von Fall zu Fall zu ihnen Stellung zu nehmen ... Der Nachbarschaftsvorsteher und seine beiden Beisitzer werden in freier Wahl aus der Mitte der Nachbarn gewählt. Sie sind jederzeit durch den Willen der Mehrheit ihrer Nachbarn abwählbar . . . Die Zusammenfassung dieser aus dem Volke unmittelbar gewählten und von seinem Vertrauen getragenen Vertreter einer Stadt oder Gemeinde stellt die berufenen Sprecher des Volkes in allen Angelegenheiten dar, die über den Rahmen der einzelnen Nachbarschaft hinausgehen ... Die Nachbarschaft ist eine echt demokratische Einrichtung, die ergänzend neben die Parteien tritt und die Aufgaben übernimmt, die eine Partei ihrem Wesen nach nicht erfüllen kann.“

Die Vorstellung eines auf die Nachbarschaften gestützten höheren Aufbaus wurde nun also nur knapp angedeutet. Sie war durch die Initianten der Aktion gewiß nicht aufgegeben, doch beschränkten sich diese Praktiker auf das momentan Machbare. Immerhin kam es zu einigen Zusammenschlüssen, so in Hameln zu einem „Rat der Nachbarschaftsvorstände“; in Holzminden wurde durch ein solches Gremium sogar ein „Stadtvorsteher der Nachbarschaften" gewählt, überregional trat ein „Ring der deutschen Nachbarschaften“ in Erscheinung, der ausdrücklich keinerlei Weisungsbefugnis beanspruchte, sich vielmehr als Stätte des Erfahrungsaustausches verstand. Bundestagungen, wie sie 1952 in Lemgo und 1953 in Bad Harzburg stattfanden, signalisierten einer breiteren Öffentlichkeit den jedenfalls originellen Versuch, neue Wege der Willensfindung zu beschreiten. Zweifellos hat es sich in jenen Jahren, da keine Steuerung im Spiele war, um eine Bewegung im eigentlichen Wortsinne gehandelt. „Hinter und über den Nachbarschaften", so durfte gesagt werden, „steht nichts und niemand ... Jede einzelne Nachbarschaft ist frei und ungebunden in ihren Entschlüssen und keiner politischen Richtung oder Organisation hörig." Den Beobachtern der politischen oder sozialen Landschaft ist das Novum seinerzeit keineswegs entgangen. In einer Reihe von Veröffentlichungen der fünfziger Jahre wird es in mehr oder weniger glücklicher Form erwähnt In einen etwas weiteren Rahmen gestellt findet man es in Zeitschriftenbeiträgen des folgenden Jahrzehnts, die wohlwollend, wenn auch nicht unkritisch berichten Von Karl Jaspers gibt es noch aus dem Jahre 1966 eine Sympathiebezeigung, die auch dem Organ der Bewegung, „Ruf und Echo", galt das seither sein Erscheinen einstellen mußte. Alexander Rüstow hat auf die Nachbarschaftsbewegung in einem im Druck erschienenen Vortrag von 1951 unter entschiedener Zustimmung hingewiesen über ihre Entwicklung hat sich dieser Polyhistor, der durch seinen Ruf nach einer „Vitalpolitik" den neueren Begriff der Lebensqualität vorwegnahm, später begreiflicherweise enttäuscht geäußert Zwischenzeitlich hatte er schon in Gesprächen betont, daß die Nachbarschaften, blieben sie ohne fest umrissene und verbürgte Befugnisse, kaum gedeihen würden. „Wenn man auf die Möglichkeit beschränkt ist, sich gemeinsam mit unverbindlichen Wünschen an die vorgesetzte Behörde zu wenden, so ergibt das eben keine ausreichende Integration."

Tatsächlich sind die Nachbarschaften der fünfziger Jahre — es hat sie übrigens ansatzweise auch in Großstädten gegeben -— fast ausnahmlos „eingeschlafen’. Der Gründe gibt es viele; ihnen vor Ort mit Mitteln der empirischen Sozialforschung nachzuspüren, wäre nützlich und gegenwärtig noch möglich. Einiges ist auch ohne besondere Erhebungen einzusehen. So etwa, daß lokale Sorgen, wie sie in jener Gründerzeit eine nachbarschaftliche Initiative nahelegten, irgendwann als behoben abzuhaken waren, zudem schon zuvor nicht ausreichten, die von Rüstow wie von Mahraun gedachte einigermaßen dauerhafte Integration zu bewirken. Und die Stätte reiner, sozusagen zweckfreier Geselligkeit abzugeben, wird eine Nachbarschaft in unserer Zeit nur ausnahmsweise geeignet sein. Aber die im engeren Sinne politische Funktion? Hier wird man angesichts eines beträchtlich verfestigten Partei-und Verbands-wesens heute wahrscheinlich etwas anders urteilen als vor einem Vierteljahrhundert. Was die Nachbarschaft als das Forum, das allen politischen Parteien zur Verfügung steht, betrifft, so ist immerhin festzuhalten, daß die von Mahraun vorgeschlagene nachbarschaftliche Allparteien-Wahlversammlung in einigen Fällen mit gutem Erfolg praktiziert worden ist

Kaum zu übersehen sind gewisse Vorformen der Nachbarschaft. Da ist vor allem die fallweise getätigte nachbarliche Hilfe, ohne die ein erträgliches Leben auf dem Lande bis in unsere Zeit herein kaum möglich gewesen wäre, an der es aber auch in der modernen Großstadt nicht etwa gänzlich fehlt. Es gibt, um anderes herauszugreifen, in Dörfern oder Kleinstädten ein Vereinswesen, das dem Nadibarschaftscharakter hier und da nahekommt, von welchem Charakter auch die untersten Gliederungen der Parteien nicht weit entfernt sind. Was die oft gelästerte Großstadt angeht, so wäre es voreilig, anzunehmen, daß sie ein nachbarschaftliches Leben unbedingt ausschlösse. Daß sich in ihr „bei aller Streuung doch lokale Schwerpunkte ergeben“, hat im Rahmen einer im allgemeinen höchst kritischen Betrachtung des Nachbarschaftsgedankens Elisabeth Pfeil zugegeben „Der Großstädter ist weder so lokal fixiert, wie die Romantiker der Nachbarschaftsidee ihn haben wollen, noch ist er ohne jede lokale Bindung, wie manche Kritiker der Nachbarschaftsidee ihn sehen.“ übrigens gibt es — noch oder wieder — großstädtische Bürgervereine, die sich aus je einem Stadtviertel rekrutieren und dessen besondere Interessen vertreten. Ihnen vergleichbar sind diejenigen der neueren Bürgerinitiativen, die als sintjle-purpose-movements je ein örtlich begrenztes Ziel verfolgen. Gegenläufig wirkt die in der Bundesrepublik in den letzten Jahren erfolgte Bildung von Großgemeinden, die die sogenannte bürgernahe Verwaltung in Frage stellt, aber eben dadurch früher oder später zu einer Neubelebung des Nachbarschaftsgedankens führen könnte.

Uber mancherlei nachbarschaftliche Überlieferung, besonders die organisierten alten Nachbarschaften in deutschen Städten, deren Geschichte sich über Jahrhunderte erstreckt und die in Resten auf unsere Tage gekommen sind, hat der Verfasser an anderer Stelle einen knappen Überblick herzustellen versucht Flüchtig zu nennen ist auch der Nachbarschaftsgedanke der Städteplaner, über den eine reichhaltige, zumal die soziologischen Aspekte berücksichtigende Literatur vorliegt, der aber Einheiten von mehreren tausend Einwohnern und damit einen Umfang vorsieht, der, nimmt man Mahrauns Richtzahl Fünfhundert ernst, einer Gemeinschaftsbildung kaum dienlich ist. Nicht einzeln aufzuzählen sind schließlich nachbarschaftsähnliche Gebilde in anderen Ländern, zu welcher Reihe die Schweiz — noch immer das Land weitgehender Gemeindefreiheit und ganz allgemein der „GrasWurzeldemokratie“ — etwa Baseler Quartiervereine, die tessinische „vicinantia", aber auch unterhalb der Kantons-ebene noch funktionierende Reste der alten Landsgemeinden beisteuert.

In den Vereinigten Staaten, wo seit den Zeiten der Pioniere ein Ethos der Mitmenschlichkeit lebendig blieb, ist „the neighborhood“ nicht nur eine blasse Idee. Die nachbarliche Hilfe ist dort vielerorts noch immer eine Selbstverständlichkeit. Im Blickfeld ist aber auch die Nachbarschaft als abgegrenztes Sozialgebilde. Wenn ein amerikanisches Wörterbuch der Soziologie „neighborhood” definiert als „a small community, characterized by limited area and highly developed personal face-to-face-relations“ so besteht eine völlige Übereinstimmung mit Mahraun. Bemerkenswert ist die in den USA seit etwa 1968 in Erscheinung tretende Bewegung „Citizens for Local Democracy", über die in dieser Zeitschrift hdichael Hereth berichtet hat Nach einer schon zuvor stattlichen Reihe amerikanischer Schriften zum Thema Nachbarschaft ist neuerdings interessant der Abschnitt „Nachbarn" in einer 1970 erschienenen, ins Deutsche übersetzten Veröffentlichung des Politologen Robert A. Dahl Dieser Verfasser hat auch oder gerade die moderne Megalopolis im Auge, wenn er meint, einer „neighborhood Corporation" könne „eine Vielzahl von Funktionen“ übertragen werden und sie sei geeignet, der großen Zahl zuvor notgedrungen inaktiver Stadtbewohner „das Bürgerrecht zurückzugeben

Quartierdemokratie in Bologna

Zurück nach Europa, weil es dort eine Stadt gibt, in der zu der Zeit, in der Dahl sein Buch herausbrachte, in seinem Sinne bereits einiges geschehen war. Es handelt sich um die italienische Halbmillionenstadt Bologna und ihr „Decentramento", eine das gesamte Stadtgebiet erfassende Dezentralisation oder „Quartierdemokratie". Dort haben seit nun über drei Jahrzehnten kommunistische Bürgermeister das Heft in der Hand. Daß deren Leistung — oder die der Koalition von Kommunisten und Sozialisten, die sie ins Amt brachte — respektabel ist, wird inzwischen auch durch Beobachter zugegeben, die alles andere als Sympathisanten der Linken sind. Bologna, so hat 1974 das amerikanische Magazin „Newsweek“ festgestellt, „gilt weitherum als die bestregierte Stadt Europas"

„Kommunisten demokratisieren eine Stadt im kapitalistischen Westen": so lautet der Untertitel eines umfassenden Berichtes über „Das rote Bologna", den ein Team schweizerischer Journalisten 1976 in Buchform vorgelegt hat. Diese Autoren betrachten einleitend, als die Grundlage und Voraussetzung für alles weitere, die genannte Aufteilung des städtischen Territoriums in zunächst 15 und dann 18 Stadtviertel oder Quartiere. Wer argwöhnt, daß eine kommunistische Stadtverwaltung mit einer solchen Maßnahme ausschließlich parteispezifische Absichten verfolgt habe, hat zur Kenntnis zu nehmen, daß der erste Anstoß 1956 von christdemokratischer Seite ausging, ja mit dem Namen des in dieser Partei zur Prominenz gerechneten Giuseppe Dossetti verbunden ist. Vier Jahre danach haben Christdemokraten, Sozialisten und Kommunisten das Konzept übereinstimmend in ihre Programme aufgenommen. In der Folge haben ihm im Stadtparlament, in dem bei einem deutlichen Übergewicht des Links-blocks auch alle anderen nennenswerten Parteien des Landes vertreten waren und sind, lediglich Liberale und Neofaschisten widersprochen. übrigens muten mindestens einige der Maßnahmen, für die das „Decentramento" den organisatorischen Rahmen abgibt, geradezu konservativ an.

Bologna hat, so stellen die schweizerischen Rechercheure fest, »bewiesen, daß kleinere Einheiten für mehr Demokratie, aber auch für bessere Regierbarkeit sorgen" Dort ist, „was sich in den sechziger Jahren erst in Umrissen als Perspektive abzeichnete, heute Wirklichkeit: alle wichtigen Pläne — ob Versorgung oder Verkehr, ob Stadtentwicklung oder Altstadtsanierung — sind in Hunderten von Quartierversammlungen von Zehntausenden von Bürgerinnen und Bürgern geprüft, analysiert, diskutiert und ratifiziert worden ... Direkte Demokratie bedeutet in Bolognas Quartieren die Kompetenz aller interessierten Bürger, an den wichtigsten administrativen Entscheidungen direkt teilzunehmen. Und zwar nicht, indem sie zu fertigen, hinter verschlossenen Partei-oder Amtsbürotüren ausgeheckten Gesetzesentwürfen ja oder nein sagen dürfen. Sondern indem sie schon bei der Abklärung der Bedürfnisse mitreden können. So sind dank Bestandsaufnahmen, Fragebogenaktionen und öffentlichen Diskussionen in den Quartieren die Forderungskataloge entstanden, aus denen die Stadtverwaltung ihre Programme entwickelte — sei es für Quartierpolikliniken, Kindergärten, Sportplätze oder für das öffentliche Verkehrsmittel."

Für den äußeren Aufbau, und damit auch für die Zuweisung von Kompetenzen, hat man sich Zeit genommen; offenbar sollte nichts übereilt werden. Was von Anfang an feststand, war — so Bürgermeister Dozza 1964 — die „Richtung auf eine lokale Demokratie mit immer größeren Machtbefugnissen" 1963 wurde durch ein gesamtstädtisches Reglement der für jedes Quartier einzusetzende zwanzigköpfige Quartierrat vorgeschrieben, dessen Mitglieder in diesem Stadium noch vom Stadtparlament ernannt werden; der Präsident des Quartierrates ist „Adjunkt des Bürgermeisters" (Aggiunto del Sindaco). Eine Dezentralisation auch des Verwaltungsapparates wurde 1964 mit der Errichtung von Quartier-büros begonnen, die für Einwohnerkontrolle und soziale Dienste zuständig sind und denen man je eine Revierstation der Stadtpolizei angliederte. Das jüngste „Ordinamento dei Quartiert", durch das die Kompetenzen der Stadtviertel beträchtlich erweitert wurden, ist 1974 nach vielen Quartierratssitzungen und mehreren großen Gemeinderatsdebatten verabschiedet worden. Es verlangt unter anderem, daß jedes Quartier Arbeitsausschüsse einsetzt; ausdrücklich vorgeschrieben sind dabei die Kommissionen Schule, Quartierplanung, Verkehr, Sport und Tourismus, soziale Sicherheit, Handel, Kultur. Aber auch nach diesem weiteren Ausbau spricht man an maßgeblicher Bologneser Stelle von einem „Prozeß, der noch lange nicht abgeschlossen ist"

Es muß kaum besonders betont werden, daß das mutige und möglicherweise bahnbrechende Vorhaben in der von Mahraun vorgesehenen Linie liegt; nur hat er an wesentlich kleinere als die nun in Bologna gegebenen Einheiten gedacht. Interessant ist, daß man in der italienischen Großstadt, wenn man dort zu der wahrscheinlich beabsichtigten Direktwahl der Quartierräte durch die Quartierbewohner übergegangen sein wird, um dabei das konventionelle, durch die Parteien beschickte Stadtparlament beizubehalten, genau das gewiß nicht risikofreie Neben-und Miteinander zweier auf verschiedene Weise berufener Vertretungen haben wird, das Mahraun in seinem Spätwerk vorsah.

Der Parteienparlamentarismus, wie er heute in der westlichen Welt auf verschiedenen Ebenen praktiziert wird, ist schwerlich die einzige Möglichkeit demokratischer Gestaltung. Daß in naher Zukunft eine Aussprache über etwaige andere Methoden einer im Grundsatz von unten nach oben verlaufenden Willensbildung in Gang kommt, ist mit Sicherheit anzunehmen. Noch beklagt man, daß „konkrete Partizipationsmodelle für ganze Gesellschaften nicht angeboten werden" und man nicht Wisse, „wie eine moderne Großgesellschaft unter Einbezug der Massenbasis demokratisch organisiert sein könnte und sollte" Aber es gibt die Vorstellungen Mahrauns, und sie werden in jene Diskussion einzuführen sein.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Nennenswerte Bestände haben: Universitäts-Bibliothek Marburg; Bibliothek des Fachbereiches Politische Wissenschaft an der Freien Universität Berlin; Institut für Zeitgeschichte München; Bibliothek für Zeitgeschichte Stuttgart.

  2. Unter dem Stichwort „Mahraun“ das Konzept knapp erwähnt im Evangelischen Soziallexikon, 5. Aufl., Stuttgart 1965, Spalte 826, sowie (nicht ganz zutreffend) im Großen Brockhaus (16. Aufl., 7. Band, Wiesbaden 1955, S. 452; Brockhaus-Enzyklopädie, 17. Aufl.des Großen Brockhaus, 11. Band, Wiesbaden 1970, S. 810) und in Meyers Enzyklopädischem Lexikon (9. Aufl., Band 15, Mannheim 1975, S. 464).

  3. Bezeichnung aus dein Jahre 1920.

  4. Manifest, S. 61 ff.

  5. Vgl. Klaus Hornung, Der Jungdeutsche Orden (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Band 14), Düsseldorf 1958. Seither erscheinen in Auswertung der Bestände des Jungdeutschen Archivs Berlin (Walter Hillmann, Berlin-Steglitz): Beiträge zur Geschichte des Jungdeutschen Ordens, München (Lohmüller) 1970 ff. (vier von vorgesehenen sechs Heften, Verfasser Heinrich Wolf und Alexander Keßler, liegen vor).

  6. In einem 1937 mit dem Verfasser geführten Gespräch nannte er die führenden Männer des Regimes summarisch „Gangster". In Pol. Ref., S. 117, führt er aus, daß er die „Prominenten des Systems" immer wieder „Räuber und Verbrecher" genannt habe.

  7. Pol. Ref., besonders S. 106 ff.

  8. Deutschland, S. 14.

  9. Vgl. Ernst Maste, Die Republik der Nachbarn (s. Anm. 22), S. 204 ff. Auskunft über Liefermöglichkeiten durch Verlag Wolfgang Lohmüller, München 40, Franz-Joseph-Str. 16.

  10. Gießen 1963. In der Bibliographie bei Maste, a. a. O., angegeben mit „Das neue Wesen“, welcher Titel, als bereits belegt, für die Druckausgabe nicht zu verwenden war.

  11. Pol. Ref., S. 101.

  12. Redl. Gem., S. 31.

  13. Pol. Ref., S. 101.

  14. Pol. Ref. S. 110.

  15. Hornung (s. Anm. 5), S. 20.

  16. Allvater, hilf! (2. Aufl. 1930).

  17. Uber die Entstehung des Werkes: Pol. Ref. S. 110 f., sowie die Einführung von Otto Eigenbrodt zur Druckausgabe 1963.

  18. S. 71.

  19. Hornung (s. Anm. 5), S. 19 f.

  20. Gösta Ring entdeckt Värnimöki (1938), Verschollen im Weltall (1938), Per Krag und sein Stern (1939). Als Verfasser ist „Dietrich Kärrner“

  21. Wolfgang Lohmüller gab im Auftrag von Mahraun-Freunden folgende Broschüren heraus: Vor dem Ende der Freiheit? (1959), Ein neues Ordnungsbild (1960), Die politische Nachbarschaft (1961). Mit der Vorstellung vom Staat als Organismus ist der Mahraun-Entwurf in anfechtbarer Weise in Verbindung gebracht bei Rudolf Kinsky: Der Staat der Zukunft, München—Wien 1969. Eine Jungdeutsche Denkschrift“ (Berlin 1970, Verfasser wahrscheinlich Paul Friedrich Schröder) verschweigt die von Mahraun nach 1945 vorgenommene Abänderung des Konzeptes von 1927. Eine Mahraun-Biographie fehlt, da Johann Hille: Mahraun, Der Pionier des Arbeitsdienstes, Leipzig 1933, nur über die Frühzeit berichtet. Bemerkenswert die in Gütersloh 1950 erschienene Gedenkbroschüre: Artur Mahraun. Der redliche Rebell.

  22. Ernst Maste, Die Republik der Nachbarn. Die Nachbarschaft und der Staatsgedanke Artur Mahrauns, Gießen 1957 (Auslieferung eines Auflagen-restes durch Scientia Verlag und Antiquariat, 7080 Aalen).

  23. Vgl. die Artikel „Gemeinde“ und „Gemeinschaft“ in: W. Bernsdorf und F. Bülow (Hrsg.), Wörterbuch der Soziologie, Stuttgart 1955, S. 150 ff. Bemerkenswert die Beiträge der amerikanischen Soziologie zum Thema „community“; in den USA aber auch Kritik an „the myth of the small group“.

  24. Kaum anders bei Pierre Teilhard de Chardin, der als Sanitätssoldat in der „Hölle von Verdun“ (1916) das „Bewußtsein jener geistigen Kraft, die in der Vereinigung enthalten ist“, erlangt und später festgestellt hat, daß sich die Kräfte des Menschen „vervollkommnen... im Kampf, wenn ihn der Atem der Zuneigung oder der Kameradschaft umweht" (Jean Onimus, Teilhard de Chardin, Wien 1966, S. 31, S. 154). Teilhard gehört mit Mahraun — aber auch Franz v. Baader, Walt Whitman, Gustav Landauer, Hermann Hesse, Leonhard Ragaz — zu den Autoren, die in vielleicht utopisch zu nennender Weise das Wort Liebe in den Umkreis der politischen Begriffe eingeführt haben.

  25. Aus einem Vortrag von 1930, jetzt in Hans Lamm (Hrsg.), München ehrt Martin Buber, München 1961, S. 25.

  26. Hamb. Vortr., S. 21.

  27. Manifest, S. 81.

  28. Manifest, S. 83.

  29. Redl. Gem., S. 101.

  30. Redl. Gem., S. 93.

  31. Wille, S. 23.

  32. Wille, S. 22.

  33. Ordina, S. 75.

  34. Ordina, S. 74.

  35. Ordina S. 75.

  36. Gemeinschaft und Gesellschaft (Erstauflag« 1887).

  37. Gem. Erz., S. 81.

  38. Redl. Gem. S. 77.

  39. Wille, S. 21.

  40. Besonders: Ordina, S. 101 ff.

  41. Wille, S. 87.

  42. Redl. Gem., S. 115. „Filigranarbeit“ auch: Redl. Gem., S. 109.

  43. Hier zitiert nach der Althusius-Auswahl •Grundbegriffe der Politik", Frankfurt a. M. o. J., S. 11.

  44. S. 66.

  45. Red. Schar, S. 142. Im Spätwerk z. B. „erzieherische Kraft“ Pol. Ref., S. 197, „erzieherische Wirkung" Protest, S. 34.

  46. Redl. Gem., S. 21.

  47. Rebell, S. 86.

  48. Wille, S. 59, Protest, S. 33 ff.

  49. Gem. Erz., S. 98; Red. Schar, S. 133. Vgl. Rebell, S. 84: „Der Mensch wird mündig durch den Dienst am Ganzen.“

  50. Rebell, S. 76.

  51. Wille, S. 87.

  52. Plaud. Kam., S. 135.

  53. Plaud. Kam., S. 136.

  54. Manifest, S. 88. Auch Redl. Gem., S. 30: „Masse verdirbt und Gemeinschaft veredelt".

  55. Wille, S. 68.

  56. Rebell, S. 92.

  57. Aufruf zum Sozialismus, 2. Aufl. Berlin 1919, S. 130. Im Neudruck Frankfurt a. M. 1967, S. 166.

  58. Red. Schar, S. 140, Plaud. Kam., S. 143, Rebell, S. 11.

  59. Gem. Erz., S. 16.

  60. Die Legende von der Massengesellschaft (1951), jetzt in: Theodor Geiger, Arbeiten zur Soziologie, Neuwied 1962, S. 171 ff.

  61. Psychologie des foules (1895, deutsch 1908).

  62. Rebell, S. 49.

  63. Manifest, S. 132 f. Mit „Land'ist nicht der seinerzeitige (1927) Gliedstaat des Reiches — Größenordnung von Preußen bis herab zu Schaumburg-Lippe — gemeint; Mahraun hat eine völlige Neu-gliederung des Reiches gefordert, die vor Preußen nicht haltmachen sollte (Manifest, S. 134: „Gliederung des Reiches in seine Stammesgebiete“).

  64. Deutschland, S. 30.

  65. Reinhard Höhn, Artur Mahraun, der Wegweiser zur Nation, Rendsburg 1929, S. 78.

  66. Manifest, S. 5, S. 4.

  67. Manifest, S. 4.

  68. Manifest, S. 25 ff.

  69. Manifest, S. 51.

  70. Manifest, S. 65.

  71. Manifest, S. 69 ff.

  72. Rebell, S. 285.

  73. Manifest, S. 63.

  74. Manifest, S. 63, S. 96.

  75. Losungswort der von Mahraun Initiierten „Volksnationalen Aktion'(1929). Auch: Der große Plan (1932), S. 63; Red. Schar, S. 155.

  76. Manifest, S. 98 (Teilnahmepflicht); Manifest, S. 135 ff. (Kur).

  77. über ein ähnliches Verlangen in der mittelalterlichen Staats-und Korporationslehre: Otto v. Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Neudruck Graz 1954, 3. Band, S. 384.

  78. Von einem „Föderativ-und Rätesystem ohne Weltanschauung" sprach er in einem „Spiegel" -Interview 1949 (Der Spiegel, 3. Jahrg., Nr. 9, S. 5).

  79. Jürgen Fijalkowski, in: Martin Greiffenhagen (Hrsg.), Demokratisierung in Staat und Gesellschaft, München 1973, S. 135.

  80. Daß „ein System indirekter Wahlen von unten nach oben* eine „Zähmung des demokratischen Elements" bedeutet oder mindestens begünstigt, meint Imanuel Geiss (Studien über Geschichte und Geschichtswissenschaft, Frankfurt a. M. 1972, Fußnote S. 62/63). Schwerlich aber ist die niemals des plebiszitären Einschlages entbehrende Direkt-oder Massenwahl das allein legitime demokratische Verfahren.

  81. Kölnische Zeitung vom 17. März 1929.

  82. Pol. Ref., S. 178.

  83. Ebenda.

  84. Manifest, S. 147.

  85. Manifest, S. 146 f.

  86. Pol. Ref., S. 178.

  87. „Dreigliederung des sozialen Organismus“ (Rechtsleben, Wirtschaftsleben, Geistesleben).

  88. Pol. Ref., S. 188.

  89. Ebenda.

  90. Ebenda. Vgl. Deutschland S. 22: „politischer Sozialismus“.

  91. Manifest, S. 158.

  92. Protest, S. 16.

  93. Deutschland, S. 34. Vgl. Pol. Ref., S. 182 („ergänzende Einrichtung") sowie Protest, S. 23, S. 39 („Ergänzung").

  94. Gem. Erz., S. 52.

  95. Hamb. Vortr., S. 12.

  96. Protest, S. 24, S. 31.

  97. Protest, S. 25.

  98. Protest, S. 27.

  99. Ebenda.

  100. Hamb. Vortr., S. 14.

  101. Pol. Ref., S. 174.

  102. Hamb. Vortr., S. 15. Bemerkenswert die Anregung, jeder Nachbarschaft einen hauptamtlichen »Geschäftsführer, Syndikus, Schreiber oder Sekretär“ zuzuordnen (Hamb. Vortr., S. 21, vgl. Protest S. 44: „Übernahme ihrer reinen Geschäftsführung durch einen befähigten Beamten"). Daß das schon eine „gesunde Verwaltungsdezentralisation“ (Protest S. 44) bedeuten oder bewirken würde, darf freilich bezweifelt werden.

  103. Protest, S. 25.

  104. Protest, S. 43.

  105. Protest, S. 42 f.

  106. Hamb. Vortr., S. 17.

  107. Ebenda.

  108. Indem Art. 21 Abs. 1 GG den Parteien nur ein „Mitwirken” zugesteht, bleibt Raum für andere Mittel der Willensbildung. Vgl. Ernst Maste, Die Nachbarschaften und das Grundgesetz, in Wolfgang Lohmüller (Hrsg.), Ein neues Ordnungsbild, Gießen 1960, S. 31 ff.

  109. An echter Führung ist das Element der Freilegung und Aktualisierung eines in dem Geführten potentiell vorhandenen Könnens in jedem Falle stark beteiligt.

  110. Stuttgart 1927.

  111. Die drei reinen Typen der legitimen Herrschaft (am Schluß, dort auch: „Führer-Demokratie“).

  112. Protest, S. 27.

  113. Hamb. Vortr., S. 8.

  114. Protest, S. 25.

  115. S. 71.

  116. Hier zitiert nach Adalbert Rang, Der politische Pestalozzi, Frankfurt a. M. 1967, S. 128.

  117. Otto v. Gierke, Das Deutsche Genossenschaftsrecht, Neudruck Graz 1954, 1. Band, S. 655.

  118. Man solle „in die Nachbarschaft hineinwerben": Hamb. Vortr., S. 23, Pol. Ref., S. 155, Protest, S. 8.

  119. Pol. Ref., S. 146 ff.

  120. Beobachter entsandten das Presse-und Infor-mationsamt der Bundesregierung und die Bundeszentrale für Heimatdienst (jetzt: Bundeszentrale für politische Bildung).

  121. Gerhard Fuchshuber, Die Nachbarschaft als soziale und politische Realität, in: Zeitschrift für sanzheitsforschung, Wien, 6. Jahrg. 1962, Heft 1,

  122. Auszüge aus Flugblättern der Nachbarschaftsbewegung (etwa 1950/51).

  123. Auszug au« einem Flugblatt.

  124. Beispielsweise: Friedrich Oetinger, Partnerschaft, Stuttgart 1953, S. 143 und S. 287; Otto Koellreutter, Deutsches Staatsrecht, Stuttgart 1953, S. 132; Otto Ziebill, Bürgerschaftliche Verwaltung, Stuttgart 1954, S. 52; Hans Dahmen, Wie ist Demokratie heute möglich? Stuttgart 1955, S. 36 und S. 55; Franz Emst, Grundlagen der politischen Gegenwartskunde, Frankfurt a. M. 1955, S. 51; Gottfried Eisermann, Wandlungstendenzen der modernen Gesellschaft, in: Wirtschaft und Kultursystem, Rüstow-Festschrift, Erlenbach 1955, S. 104.

  125. Fuchshuber in der Zeitschrift für Ganzheitsforschung: s. Anm. 121. Justus Rudolph, Die ideologisierte Nachbarschaft, in: Der Monat, Heft 186, März 1964, S. 13 ff.

  126. Wohin treibt die Bundesrepublik?, München 1966 S. 199.

  127. Vortrag „Der Mensch in der Wirtschaft — Umrisse einer Vitalpolitik’.

  128. Vitalpolitik gegen Vermassung, in: Albert Hunold (Hrsg.), Masse und Demokratie, Erlenbach 1957, S. 225 f.

  129. Ebenda.

  130. Berliner Nachbarschaft Alt-Lichterfelde 1950; Holzminden 1951; Bremen zu etwa gleicher Zeit.

  131. Zur Kritik der Nachbarschaftsidee, in Archiv für Kommunalwissenschaften, Stuttgart, 1. Halbjahresband 1963, S. 52.

  132. Ebenda.

  133. Die Republik der Nachbarn (s. Anm. 22), S. 61 ff. Vgl. auch die Stichwörter „Nachbarschaft“ und „Viertel“ (Ziff. 3) in: Haberkern-Wallach, Hilfswörterbuch für Historiker, Bem und München 1964, S. 438 u. S. 642.

  134. Dictionary of Sociology, edited by Henry Pratt Fairchild, New York 1944, S. 203.

  135. Die Freiheit des Bürgers zum Handeln, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 5/72 vom 29. Januar 1972.

  136. Und nach der Revolution? Herrschaft in einer Gesellschaft freier Manschen, Frankfurt a. M. 1975, S. 129 ff.

  137. *AS.. *a. O„ S. 130.

  138. Das rote Bologna (s. folgende Anm.), S. 39.

  139. M. Jäggi, R. Müller, S. Schmid, Das rote Bologna. Kommunisten demokratisieren eine Stadt im kapitalistischen Westen, Zürich 1976.

  140. A. a. O„ S. 45.

  141. A. a. O„ S. 45.

  142. A. a. O., S. 46.

  143. A. a. O., S. 45.

  144. Paul Trappe im Geleitwort zu Adolf Gasser. Staatlicher Großraum und autonome Kleinräume, Basel 1976, S. IV. Der Baseler Verfassungshistoriker Gasser erwähnt übrigens in diesem Buche Mahraun, mit dessen Werk er seit langem vertraut ist (S. 53).

Weitere Inhalte

Ernst Mast», geb. 5. März 1901 in Bochum, Schriftsteller (Politische Wissenschaft, Geschichte, Soziologie, Philosophie), wohnhaft in 5413 Bendorf-Sayn. Veröffentlichungen u. a.: Die Republik der Nachbarn — Die Nachbarschaft und der Staatsgedanke Artur Mahrauns, Gießen 1957. Zahlreiche Veröffentlichungen in Zeitschriften und Zeitungen; in »Aus Politik und Zeitgeschichte" zuletzt B 14/71: »Der Anarchismus in den Lehren seiner Klassiker".