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Zum Problem der autonomen Kleinräume. Zweierlei Staatsstrukturen in der freien Welt | APuZ 31/1977 | bpb.de

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APuZ 31/1977 Artikel 1 Zum Problem der autonomen Kleinräume. Zweierlei Staatsstrukturen in der freien Welt Der Staatsdenker Artur Mahraun (1890-1950) Genügen drei Parteien? Ein Essay Zersplitterung und Polarisierung. Kleine Parteien im Weimarer Mehrparteiensystem

Zum Problem der autonomen Kleinräume. Zweierlei Staatsstrukturen in der freien Welt

Adolf Gasser

/ 34 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Als Menschenwerk sind und bleiben freiheitliche Demokratie wie kommunale Autonomie überall mit argen Mängeln behaftete, dauernd reformbedürftige Institutionen. Gerade heute leidet ihre Glaubwürdigkeit und Volkstümlichkeit immer wieder darunter, daß sie mit den in der modernen Welt unentbehrlich gewordenen großräumigen Planungsapparaturen In zunehmende Konfrontation geraten. Und doch unterliegt in diesem Zusammenhang, wie der Autor seit Jahrzehnten aufzeigte, eine ganze Gruppe von Nationen — die . altfreien Volksstaaten'— einem besonderen Lebensgesetz. Für sie gibt es auf Grund ihrer historischen Sonderentwicklung von vornherein keinerlei Alternative zum demokratisch-autonomen Gemeinschaftsideal. Gegen die Propaganda autoritärer Ideologien sind sie gleichsam von Natur aus gefeit. Der nachfolgende Beitrag dient dem Nachweis, daß jene antiautoritäre Volksgesinnung ihren Ausdruck in ganz bestimmten, von Wissenschaft und Publizistik bisher wenig beachteten Verwaltungseinrichtungen findet. In dieser Hinsicht wird das Völkerleben noch heute durch administrative Grundkräfte stärker reguliert als durch konstitutionelle und ökonomische. Wer das übersieht, verriegelt sich die Erkenntnis zu einem lebenswichtigen Teilaspekt unserer Gegenwart und Zukunft. Mit einem Gegensatz zwischen . kleinen'und . großen'Staaten hat der Sonderfall der altfreien Nationen nichts zu tun. Zu diesen gehört auch die heute übermächtige amerikanische Union mit ihren im britischen Common law wurzelnden Gemeinschafts-und Verwaltungstraditionen, aus denen sie nach einem Wort Carl Zuckmayers von 1948 Waffen und Munition bezieht, . um die bestehenden Übel zu bekämpfen und immer wieder zu bekämpfen“. -Das vom Verfasser seit 40 Jahren entwickelte Geschichtsbild liefert kein Rezept zur Bewältigung der die freie Welt bedrängenden Tagesprobleme. Dafür verweist es auf Zusammenhänge für die Gestaltung der Zukunft, d. h. auf die für alle freien Völker lebenswichtige Grundfrage, wie demokratische und kommunale Selbstregierung krisenfest gestaltet werden kann. Dürfen wir uns der Aufgabe entziehen, dafür zu sorgen, daß die Menschen auch in unvermeidlichen Notzeiten ihre Gegensätze austragen, ohne an der freiheitlichen Demokratie irre zu werden?

Zwei konstitutive Ordnungsprinzipien: Gemeinschaftsgläubigkeit — Autoritätsgläubigkeit

Der nachfolgende Beitrag Ernst Mastes über den „Staatsdenker Artur Mahraun (1890 bis 1950)“ berührt ein Thema von überzeitlichem Aktualitätswert. Mahraun selbst hatte, ohne es zu wissen, Zentralprobleme der abendländischen Geistesgeschichte angeschnitten. Ohne jederlei theoretische Vorkenntnis, als reiner Empiriker jugendlichen Alters, verkündete er schon in seinen dreißiger Jahren die Lehre von den schöpferischen Kräften der politischen Kleinräume. Das persönliche Charisma, das er ausstrahlte und das den um ihn gescharten Freundeskreis zusammenhielt, wurzelte in einem lauteren Altruismus, der sich jeder Schlagwortpropaganda und Massenverführung widersetzte. Hier wirkte ein Seher und Dichter, der sich aus der Eigengesetzlichkeit seiner Natur zum politischen Reformer berufen fühlte — ein wahrhaft „redlicher Rebell". Daß er die Probleme allzusehr vereinfachte und sie allzu schematisch zu lösen suchte, versteht sich bei seinem Werdegang und bei seinem Mangel an historischer Kenntnis von selbst. Um so erstaunlicher bleibt, wie intuitiv er das Grundproblem einer echten Verbindung von Freiheit und Gemeinschaft zu erfassen vermochte — in der Linie jener heute immer gewichtiger hervortretenden Forschungszweige der Mikrosoziologie und Mikropolitologie.

Es würde zu weit führen, wollten wir an dieser Stelle — um Mahraun richtig einzuordnen — einen ideengeschichtlichen Abriß des abendländischen Kleinraumdenkens niederlegen von Platon und Aristoteles über die mittelalterlichen Scholastiker sowie Althusius, Justus Möser, den Freiherrn vom Stein, Heinrich Pestalozzi, Alexis de Tocqueville, Pierre-Joseph Proudhon, Constantin Frantz bis hin zu Bertrand Russell, Arthur Morgan und zum Subsidiaritätsprinzip der katholischen wie evangelischen Soziallehren In all diesen Erkenntnissen und Doktrinen spiegeln sich Ordnungsprinzipien, die sich unter dem Begriff des „Föderalismus“ (im weiteren Sinne des Wortes verstanden!) vereinigen lassen Nur nebenbei sei hier noch auf Jean-Jacques Rousseau hingewiesen, weil er in seinem politischen Streben so vielfach verkannt und mißdeutet worden ist. Sein „Contrat social“ mit dem dort herausgearbeiteten Zentralbegriff der „volonte generale“ befaßt sich ausdrücklich nur mit den Zuständen in kleinräumigen Gemeinwesen, die er nicht in Zentralstaaten, sondern in Föderationen zusammengefaßt wissen wollte Die Republik „une et indivisible’ der Jakobiner hat gerade seine Grundidee total verfälscht, und wer immer diese Verfälschung Rousseau persönlich anlastet, der steht dem Jakobinertum unbe-wußt weit näher, als er es wahrhaben möchte

Das Kleinraumdenken mit seinen Grundprinzipien des föderativen Aufbaus und echter Gemeindeautonomie stand bis heute im allgemeinen nicht hoch im Kurs. Es sind keineswegs nur zahlreiche Bürokraten und Technokraten, die von ihrer Schalthebelstellung in zentralen Staats-und Wirtschaftsdirektionen aus der Neigung erliegen, föderative und autonome Institutionen als bloße Reste überlebter Romantik zu werten: als Hemmnisse, die sich mit einer effizienten Staatsorganisation kaum mehr vertrügen. Bedingt die moderne Entwicklung zum Wohlfahrts-und Versorgungsstaat hin nicht zwangsläufig eine über-starke Zentralautorität? Und gibt das Spezial-wissen, wie es zur Führung zentral gesteuerter Apparate unerläßlich ist, in ihrem Rahmen nicht immer wieder dem geschulten Fachmann ein natürliches Übergewicht? Ist er nicht darauf angewiesen, vom „gesunden Menschenverstand“ des nichtfachkundigen Bürgers gering zu denken und ihm statt dessen nur „beschränkten Untertanenverstand“ zuzubilligen? Tun wir da nicht gut daran, einer so übermächtigen Entwicklung den Lauf zu lassen, statt uns hoffnungslos zu bemühen, das Rad der Geschichte gleichsam zurückzudrehen?

Eine so einseitige Betrachtung und Wertung „von oben her" zeugt indes von betonter Lebensfremdheit. Wer redlich bemüht ist, die lebendige Wirklichkeit zu erfassen, der kommt zu viel differenzierteren Einsichten. Gewiß stehen bestimmte Grundprinzipien der öffentlichen Ordnung zueinander in einem polaren Verhältnis: Macht und Recht, Planung und Freiheit, Bürokratie und Demokratie, Zentralisation und föderative Autonomie. Doch wenn sie sich mitunter auch zu unversöhnlichen Gegensätzen entwickeln können, so ist ein Zwang zu solch antinomer Gestaltung keineswegs vorhanden. In einer lebendigen Gemeinschaftsordnung gehören jene gegensätzlichen Begriffspaare durchaus komplementär zusam-men, als höchst sinnvolle und unentbehrliche Ergänzungen, und es ist auch im heutigen Sozial-und Versorgungsstaat durchaus möglich, sie dergestalt zu verbinden, daß ihre positiven Seiten gegenüber den negativen das Übergewicht behalten. Wie überall, kommt es auch hier auf den Geist an, der eine Staatsbildung beseelt und zusammenhält: Er ist durchweg lebenswichtiger als die Formen.

Wie zu allen Zeiten, so kann auch heute ein wahrhaft effizienter Großraum der lebendigen Kleinräume nicht entbehren. Das ergibt sich aus der lapidaren Tatsache, daß nur der politische Kleinraum eine auf das Maß des Menschen zugeschnittene Organisation verkörpert Nur in einer übersichtlichen, lebensnahen Gemeinschaft vermag sich der Normalbürger das zu erwerben, was man als politisches Augenmaß, als Sinn für die menschlichen Proportionen zu bezeichnen pflegt. Nur hier lernt er im täglichen Gespräch die berechtigten Anliegen seiner andersgesinnten und andersinteressierten Nachbarn einigermaßen begreifen und ihnen Rechnung tragen; nur hier entwickelt sich auf dem Boden der Freiheit jenes Minimum an Gemeinschaft, das den Hang zum Autoritarismus wie zur Anarchie wirksam einzudämmen vermag. In diesem Sinne sind und bleiben autonome Klein-räume unersetzliche Bürgerschulen, ohne die gerade der freiheitlich-demokratische Staat in seinen Wurzeln verdorren müßte Ohne ein minimales „überparteiliches" Verantwortungsbewußtsein in den kleinen Lebenskreisen droht jede freistaatliche Ordnung zur bloßen Fassade zu entarten, von einer Lebensform zu einer äußerlichen Staatsform zu verkümmern, die bloß noch als Theorie, ja als Trugbild empfunden wird.

Zwei nationalpolitische Realtypen: Altfreie Volksstaaten — Liberalisierte Obrigkeitsstaaten

Diese Zusammenhänge habe ich bereits vor mehr als 30 Jahren in meinem Buche „Gemeindefreiheit als Rettung Europas'aufgedeckt Dabei ging ich von der Beobachtung aus, mit welch unterschiedlicher Widerstandskraft einzelne Völker der abendländischen Welt gegenüber den autoritären Staatsideologien reagiert haben. Die einen werteten die freiheitliche Demokratie auch in Zeiten schwerer Wirtschafts-und Sozialkrisen als ein nicht wegdenkbares Lebenselement, die anderen hingegen als ein Experiment, das bei Nichtbewährung durch autoritäres ein Regime ersetzt werden könne oder gar müsse. Dieses Nebeneinander von stabilen und brüchigen Demokratien findet seine Erklärung darin, daß jene von alters her ein System wirklich volksverwurzelter Lokalautonomie ererbten, wogegen diese in den vom Absolutismus her übernommenen und von der Zentralgewalt dominierten Herrschaftsstrukturen verblieben waren. In diesem Sinne stehen im Abendland noch immer Welten der Gemeindefreiheit neben Welten der Gemeindeunfreiheit, je nachdem, ob einst die freie Gemeinde oder die Feudalherrschaft zur Keimzelle der geworden Staatsbildung war.

Schon vor 40 Jahren faßte ich eine Anzahl der heutigen abendländischen Völker im Begriff der „altfreien Nationen" zusammen Zu ihnen zählen die Staatswesen der angelsächsischen Welt: Großbritannien mit seinen Tochterstaaten Kanada, Australien, Neuseeland sowie die Vereinigten Staaten von Amerika, sodann die fünf Länder Nordeuropas: Schweden, Finnland, Dänemark, Norwegen, Island, und schließlich die Niederlande und die Schweiz. Weil all diese Völker seinerzeit die Entwicklung zum monarchischen Absolutismus mit seinen stehenden Heeren und zentralistischen Beamtenapparaten nicht mitmachten, blieben sie bis heute Länder mit einem volksverwurzelten Local-Selfgovernment, echter Verwaltungsdezentralisation bis zu den Gemeinden hinunter — und damit zugleich Welten einer überparteilichen Verantwortungs-und Kompromißbereitschaft, mehr von unten nach oben gewachsene Organismen als von oben nach unten konstruierte Organisa-tionen In diesem Sinne heben sie sich heute noch scharf von den „liberalisierten Obrigkeitsstaaten'ab, d. h. von den großen Festlandsvölkern der Franzosen, Spanier, Italiener, Deutschen, für welche die absolutistische Verwaltungshierarchie die bestimmende politische Ordnungskraft geblieben ist: der Geist der Herrschaft statt Genossenschaft. Ausgangsbasis eines jeden Systems echter Selbstregierung ist die freie Gemeinde. Sie ist ihrem Wesen nach an eigengesetzliche Daseinsbedingungen gebunden. Naturgemäß kann sie auf Dauer nur fortbestehen, wenn die übergroße Mehrheit ihrer Angehörigen in den wichtigsten Gemeinschaftsfragen einheitlich denkt, wertet und fühlt. Was sie zusammenhält, ist so etwas wie ein „ethischer Kollektivismus" konservativer Prägung. Auf solchem Boden sind alle Meinungs-und Interessengruppen dazu aufgerufen, sich in gemeinsamen Grundanschauungen zusammenzufinden: im Stolz auf die Tradition, in der Achtung vor der der dem Gesetz, in Hochachtung Rechtskontinuität. Die daraus fließende starke kollektive Bereitschaft zur Verfassungstreue, zu überparteilichem Vertrauen, zu gegenseitiger Toleranz schafft so etwas wie ein politisches Allgemeinklima, wo man mehr den bekannten und unbekannten Mitbürgern vertraut als den zentralen Regierungsinstanzen: ein Klima echten Gemeinschaftsgeistesn Mögen auch hier die modernen Partei-und Klassengegensätze noch so hart aufeinander-prallen: im Grunde werden sie durch kollektive sittliche Gegenkräfte doch immer wieder* in heilsame Schranken verwiesen — in die der Evolution statt der Revolution.

Aufgrund dieser Sonderentwicklung gilt in der Welt der altfreien Nationen (seit Übernahme des rechtserzeugenden Omnipotenzprinzips) die liberale Demokratie völlig unbestritten als die einzig lebenswerte Staatsform. Das haben jene Völker nicht nur in den Stürmen des Zweiten Weltkriegs in imponierender Geschlossenheit bewiesen, an der alle totalitäre Propaganda wirkungslos abprallte. Gerade auch heute wiederholen sich die gleichen Erfahrungen: Italiener und Briten leiden, äußerlich betrachtet, unter einem ähnlichen wirtschaftlichen Marasmus — und doch welch unterschiedliche ReaktionI In Italien ist das System des Parteienpluralismus bereits derart in Mißkredit gekommen und im unpolitischen Publikum durch den Ruf nach Militärdiktatur gefährdet, daß sogar die in Gemeinden und Regionen fest etablierte Kommunistische Partei einen gewissen Schulterschluß mit der demokratischen Mitte anstrebt. Im Gegensatz dazu stellte gerade jetzt Francois Bondy fest: »Eben das ist das britische Wunder: Krise ohne entsprechendes Krisenbewußtsein, Absinken ohne Panik und bisher ohne Erosion der Demokratie. Eine große Tradition trotzt allen Stürmen." Ebenso sind die freien Institutionen Amerikas von so schweren Krisen wie Vietnam, Watergate, Rassenhaß unerschüttert geblieben

Zwei welthistorische Kontinuitäten: Säkulares Autonomie-Ideal — Säkulares Führungsbedürfnis

Wie ich seinerzeit ausführlich nachwies, ist das Prinzip der kommunalen Selbstregierung schlechtweg als die Urzelle der abendländischen Kultur zu bewerten Aus Zeiten einstigen Verfalls oder gar halber Barbarei ist im Bereich des Abendlandes eine allgemeine kulturelle Hochblüte jeweils nur dann neu herausgewachsen, wenn eine lebendige Gemeindefreiheit zur Entwicklung kam. So wie die antike Kultur ihre Entstehung den freien Stadtstaaten Alt-Griechenlands und Alt-Italiens verdankt, so entfaltete sich nach deren Absterben im Römischen Weltreich eine europäische Hochkultur erst dann wieder aufs neue, als seit der letzten Jahrtausendwende Italien, Frankreich, Spanien, England, Deutschland zu Heimstätten allgemeiner Stadtfreiheit aufstiegen. Und wenn in den großen Festlandsvölkern die freien Städte nach wenigen Jahrhunderten dem Beamtenregiment der Könige und Fürsten auch erlagen, so ist das ihnen entstammende Freiheitsprinzip doch das schöpferische Grundelement* geblieben — nur daß es mit den vom zentralistischen Verwaltungsapparat bestimmten Ordnungsprinzipien in Krisenzeiten stets in ein unerträgliches Spannungsverhältnis geriet

Alles in allem kam ich in meiner „Gemeindefreiheit" (1943/47) zu Schlüssen, von denen — weil sie bisher noch niemals von anderer Seite diskutiert, geschweige denn widerlegt wurden — einige hier zitiert seien: „Es gibt auf dem Gebiete des Gemeinschaftslebens zwei Welten, die sehr verschiedenen Daseins-und unterstehen. Es sind dies, so zeigte unser Gang durch die abendländische Geschichte, die Welt der von oben her und die Welt der von unten her aufgebauten Staatswesen — oder mit andern gegensätzlichen Wortpaaren ausgedrückt: die Welt der Herrschaft und die der Genossenschaft, die Welt der Befehlsverwaltung und die der Selbstverwaltung, die Welt der Gemeindeunfreiheit und die der Gemeindefreiheit. .. Diese Zusammenhänge gestatten es, von einem . geschichtlichen Gesetz'zu sprechen. .. Und dieses . Gesetz'lautet: Kommunal-föderative, von unten her aufgebaute Staatsbildungen tragen eine übermächtige Tendenz in sich, für alle Zeiten Welten der lokalen und regionalen Selbstverwaltung zu bleiben — ebenso zeigen die herrschaftlichen Staatsbildungen, die Welten der hierarchi-sehen Befehlsverwaltung, ein ähnlich übermächtiges Beharrungsvermögen."

Als das eigentlich zerstörende Element, dem die freien Volksgemeinden der europäischen Vorzeit zumeist zum Opfer fielen, muß die vom Römerreich und später vom Frankenreich durch Eroberung aufgerichtete Militärherrschaft angesehen werden: »Jede auf Militär-gewalt beruhende Fremdherrschaft ist zwangsläufig darauf angewiesen, neues Recht nach Erwägungen der reinen Zweckmäßigkeit einzuführen und zur wirksamen Durchführung ihrer Befehle ein System der zentralistischen Beamtenhierarchie zu begründen... Wenn ganze Generationen unter derartigen Verhältnissen der Willkür aufwachsen, so muß man sich allseitig daran gewöhnen, vorab an eine Quelle des Rechts zu glauben: an das Recht des Stärkeren — und auf solcher Basis gibt es für eine kommunale Gemeinschaftsethik, für einen überparteilichen Selbstverwaltungswillen keine Lebensmöglichkeit mehr... An diesen autoritären, aus den Zeiten des Feudalismus und Absolutismus ererbten Daseins-grundlagen suchten weder der moderne Liberalismus noch der moderne Sozialismus ernsthaft zu rütteln... Das heißt: Noch heute leiden (die großen Festlandsvölker) unter dem, was ihnen vor mehr als einem Jahrtausend durch fremde Militärgewalt angetan wurde.“ Demgegenüber steht eine „Entwicklung, wie sie in Großbritannien und Skandinavien vorliegt, d. h. in jenen Randzonen Europas, die nie generationenlang unter intensive fremde Militärherrschaft gerieten", wie auch „in der Schweiz und Holland, wo seit dem Mittelalter zahlreiche freie Gemeinden zu kleinen Nationalstaaten zusammenwuchsen"

Als Gesamterkenntnis von 1943/47 hier noch folgende Schlußsätze: „Alle Staaten sind in bezug auf die vorherrschenden Verfassungsund Wirtschaftsformen mancherlei Wandlungen unterworfen: dagegen zeigt ihr Verwaltungsaufbau in bezug auf das ihn charakterisierende (genossenschaftliche oder herrschaftliche) Grundprinzip das allerstärkste Beharrungsvermögen. Man darf geradezu sagen: Der kommunal-volksrechtliche und der autoritär-herrenrechtliche Gemeinschaftsgeist sind die großen, alle inneren Krisen überdauernden Konstanten der Sozialgeschichte. Nur ganz bestimmte Voraussetzungen sind jeweils imstande, die Konstanz der Entwicklung zu unterbrechen. Um eine Welt der Gemeinde-freiheit in eine solche der Gemeindeunfreiheit zu verwandeln, bedurfte es bisher immer einer militärischen Katastrophe und einer ihr nachfolgenden langen Fremdherrschaft. Um anderseits eine Welt der Gemeindeunfreiheit in eine solche der Gemeindefreiheit zurückzuverwandeln, bedarf es entweder einer Machtatomisierung, wie sie in der Feudalzeit erfolgte — oder dann der Einsicht in die hier aufgezeigten Zusammenhänge.“

Zwei polizeirechtliche Exekutivsysteme: Regime judiciaire — Regime administratif

Erst nach Erscheinen meiner „Gemeindefreiheit", der die obigen Zitate entnommen sind, wurde mir bekannt, daß die Rechtswissenschaft schon vorher zu analogen Einsichten gekommen war. „Verfassungsrecht vergeht, Verwaltungsrecht besteht" — so hatte Otto Mayer, der Begründer der deutschen Verwaltungsrechtslehre, seit 1895 erkannt Und in seiner klassischen Studie „Beamtenstaat und Volksstaat" hatte der führende Schweizer Staatsrechtler Fritz Fleiner 1916 einen Begriffsdualismus herausgearbeitet, der sich mit dem unsrigen „Kommandostaat und Gemein-schaftsstaat" völlig deckt Ich habe diese eklatante Übereinstimmung meiner historischen Erkenntnisse mit denen der Jurisprudenz in der Abhandlung „Von den Grundlagen des Staates“ 1950 ausführlich dargetan und in den Jahren 1949— 1961 in rund 250 Vorträgen vor deutschen Selbstverwaltungsbehörden und Reformbewegungen darüber gesprochen Auch jetzt wiederum blieb sei-tens der Wissenschaft jedes Echo aus, wohl weil Historiker wie Juristen nur ungern bereit sind, über die eigenen Spezialgebiete hinauszublicken. Erst 1976 wurde wenigstens seitens der Soziologie die Initiative ergriffen, um eine Reihe von kleinen Aufsätzen und Vorträgen zum gleichen Thema in einem Sammelband zusammenzufassen

Besonders zentral drückt sich der Unterschied zwischen den Typen des Beamtenstaates und Volksstaates in einer andersartigen Organisation des Polizeirechts aus: der für den Bürger so wichtigen Gebiete der Gewerbe-, Bau-, Gesundheits-, Verkehrspolizei usw. Für Frankreich, Italien, Deutschland und Österreich gilt, um Fleiner verkürzt zu zitieren, von alters her folgendes: „Es entspricht der ganzen Natur des Beamtenstaates, daß die Verwaltung im Brennpunkt des öffentlichen Lebens steht. Die Verwaltungsbehörden besitzen zu diesem Behufe eine allgemeine Polizeigewalt. .. Sie sind weiterhin mit den Mitteln selbständigen Verwaltungszwanges ausgerüstet, durch die sie instand gesetzt werden, ihre Verfügungen direkt und ohne Mithilfe der Gerichte durchzusetzen... Der Beamten-staat bedeutet die Regierung von oben; sein natürliches Bestreben ist es daher, die Autorität der Verwaltungsbehörden zu stärken. ” Die allgemeine Polizeigewalt spiegelt sich jeweils in einer Generalklausel; diese lautet z. B. im Polizeigesetz Baden-Württembergs seit 1968 (§ 4): „Die Polizei hat innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken (!) zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflicht-mäßigem Ermessen erforderlich erscheinen." Mit einem solchen Generalklauselsystem ist indessen, wie ein von Erich Kaufmann, dem Rechtsberater Adenauers, 1950 herausgegebenes Buch über „Der polizeiliche Eingriff in Freiheiten und Rechte“ hervorhob, für Bürger wie Rechtsanwälte unweigerlich ein Regime der Rechtsunsicherheit verbunden

Die von unten her gewachsenen Gemeinwesen der Angelsachsen, Skandinavier, Niederländer, Schweizer kommen ohne eine solche polizeiliche Generalklausel aus. Der in allen örtlichen Bezirken lebendig gebliebene Gemeingeist erzog die Bürger dazu, daß sie weder sich selber noch ihre Nachbarn behördlichen Befehlsgelüsten ausgeliefert wissen wollen: „Der Volksstaat geht von der Vorstellung aus, daß jede starke Behördengewalt die Gefahr des Mißbrauchs und der Verletzung der Rechtsgleichheit in sich birgt. Aus diesen Erwägungen (sind die) Verwaltungsbehörden beschränkt auf die Spezialmittel, die das einzelne Gesetz zu seiner Vollziehung bereitgestellt hat. .. Gegen den Bürger, der ein Gesetz, eine Verordnung oder Verfügung nicht befolgt, vermag die Verwaltungsbehörde im allgemeinen und in erster Linie nicht mit eigenen Mitteln vorzugehen, sondern zunächst nur durch Überweisung des Pflichtigen an das Straf-oder Polizeigericht. Damit wird dem Gericht eine Prüfung über die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes zugeschoben. ’ So kennzeichnet Fleiner das vom beamtenstaatlichen „Regime administratif“ grundverschiedene volksstaatliche „Regime judiciaire“ Noch strenger als in der Schweiz, wo die von der obrigkeitlichen Umwelt beeinflußte Rechtstheorie manche Einbrüche zuließ, gilt die Vorherrschaft der Justiz in der vom extrem-konservativen Common law geformten Verwaltungspraxis Englands und Amerikas. Das eben erwähnte, von Kaufmann edierte Buch sagt darüber: „Nu auf Grund einer sorgsam detaillierten ge-zlichen Ermächtigung ist eine Polizeiverfügung zulässig. Sehr viele Maßnahmen, die unmittelbaren Polizei-zwang erfordern, muß die Polizeibehörde erst von dem zuständigen Gericht erbitten." Hier geht es um wahrhaft lebenswichtige Unterschiede. Unvermeidlicherweise besteht zwischen den Spezialermächtigungen, die das Gesetz der Verwaltung zuweist, und den Spe-zialfreiheiten, die es den Bürgern garantiert, ein riesiger normenfreier Raum — einfach weil das Leben vielfältiger und verwickelter ist als alle Rechtsregelungen. Polizeiliche Generalklauseln verwandeln diesen ganzen Raum zur Herrschaftsdomäne der Verwaltung, und damit wird in den Beamtenstaaten das Gesetz nur zur Schranke der Verwaltungstätigkeit, statt — wie in den Volksstaaten — zu deren Urgrund. Zwangsläufig entsteht dort eine solche Übermacht an „Bürokratie“, daß der Begriff der Demokratie in den Augen der Bürger zu leicht seinen Wahrheitsgehalt verliert Ebenso ist es etwas völlig anderes, ob der „ungehorsame" Bürger sich vor Gericht über die Verwaltung oder diese sich über ihn beschweren muß. Unter dem Regime judiciaire kommt er in die günstige Stellung des Angeklagten (in dubio pro reo); damit fällt auch die Beweislast der ihn ein-klagenden Amtsstelle zu. Da die Verwaltungen fürchten müssen, in der Überfülle der echten rechtlichen Zweifelsfälle zu oft den Kürzeren zu ziehen, werden sie, statt zur Vielgeschäftigkeit, zur Zurückhaltung und Vorsicht bewogen — was auf ein gewaltig verringertes Maß an staatlichem Autoritarismus hinausläuft.

Sicher ist im Vergleich dazu ein beamten-staatliches Regime administratif ein effizienteres System. Doch gerade dann, wenn es in der Praxis wohlwollend und maßvoll funktioniert, gewöhnt sich der Bürger um so mehr daran, das Heil von oben her zu erwarten: von den Behörden statt von seinen Mitbürgern Damit bleibt für ihn der „Staat“ primär stets in der Verwaltung verkörpert, und hinter deren Vormacht („Der Staat sind die Beamten") verschwinden Gesetz und Recht leicht in nebelhafter Ferne. Ganz anders im Volksstaat. Auch in ihm wuchert heute überall die Bürokratie; nur glaubt der Bürger hier weniger unter ihrer Willkür als ihrer Starrheit zu leiden Rein sachlich ist diese vielleicht das größere Übel, politisch aber insofern ein geringeres, als sie den Glauben an Freiheit und Demokratie weniger schädigt. Und so empfindet der Angelsachse, Skandinavier, Schweizer trotz aller sozialbürokratischen Hypertrophie seinen „Staat" auch heute noch mehr als Inbegriff von Gesetz und Recht als der Verwaltung, und er will, daß dies unbedingt so bleibe — im Interesse der Freiheit und Rechtssicherheit. Was da an direkter Verwaltungsautorität fehlt, das wird durch eine sittliche Ordnungspotenz von unten her gleichsam wettgemacht: durch eine von der Bürgerschaft selbst geformte, an konservativen Rechts-und Moralprinzipien orientierte, zugleich wachsame wie disziplinierte „öffentliche M* einung

Zwei großräumige Integrationsmethoden: Erzieherischer Zentralismus — Hierarchischer Zentralismus

Wie zwischen Verwaltung und Bürgern, so besteht im Beamtenstaat auch zwischen Zentral-und Lokalverwaltungen unvergleichlich mehr obrigkeitlicher Autoritarismus als im Volksstaat. Bezeichnenderweise ist in Frankreich, Italien, Spanien, Österreich und den deutschen Ländern das Innenministerium seit den Zeiten der absoluten Monarchie ein besonders mächtiges Zentralorgan geblieben. Im Gesamtbereich des Gesetzesvollzugs wie der Verwaltungspolizei sind die Lokalbehörden noch heute durchweg seiner direkten Befehls-gewalt unterworfen Im baden-württembergischen Polizeigesetz von 1968 heißt es z. B. ausdrücklich (§ 51), in den Rangstufen der Hierarchie — Ministerien, Regierungspräsidien, Landratsämter, Bürgermeister — können die vorgesetzten Instanzen den nachgeordneten „im Rahmen ihrer Zuständigkeit unbeschränkt Weisungen erteilen" (unbeschränkt!) und im Weigerungsfall eigenmächtig „die erforderlichen Maßnahmen tref-*fen Auch hier besteht also, und zwar zugunsten der Zentralgewalt, so etwas wie eine polizeirechtliche Generalklausel im Sinne der Beherrschung des ganzen normenfreien Lebensbereiches und dessen rechtlichen Zweifelsfällen Da zudem der Bürgermeister sich bei jedem harten Entscheid hinter einer tatsächlichen, erbetenen oder angeblichen Weisung von oben her verstecken kann, bleibt die Gemeinde in den Augen der Bürger doch in erster Linie die unterste Befehlsinstanz des Staatsapparates

In den altfreien Nationen hat sich auch hier eine ganz andere Verwaltungspraxis entwikkelt. Zwischen Zentral-und Lokalverwaltungen bestehen noch heute keinerlei „unbeschränkte“ Weisungsrechte, sondern ein echtes „Aufsichts“ -System, das im wesentlichen erst im Beschwerdeverfahren wirksam wird. Gesetzesvollzug und Ermessensentscheide werden in erster Instanz von den Lokalbehörden eigenverantwortlich gehandhabt, so daß diese sich nicht hinter einer Zentralautorität verstecken können In der Überfülle der gesetzlichen Zweifelsfälle sitzt daher die Gemeinde von vornherein am längeren Hebel, und die Staatsaufsicht muß sich in der Regel damit begnügen, nur eindeutige Rechtsverletzungen und Ermessensmißbräuche zu korrigieren — wobei die angelsächsischen und skandinavischen Volksstaaten auch hier vielfach die richterliche Gewalt einschalten Doch auch im Bereich der rechtsetzenden Gewalt verfügt die volksstaatliche Gemeinde über eine weitgespannte Autonomie, sogar zur Regelung der Besoldungen und Dienstver-pflichtungen der lokalen Funktionäre. Während in den Beamtenstaaten die Gesetzgebung des Staates (in Deutschland der Länder) diese Materie einheitlich für alle Kommunalangestellten regelt und damit den gesamten Beamtenkörper gleichsam vom Volke absondert, besitzt in den Volksstaaten jeder Ortsbezirk fast so etwas wie sein eigenes kommunales Beamtenrecht — auch hier natürlich unter der Kontrolle der Gerichte.

So ist auch heute noch in den altfreien Volks-staaten die Gemeindeautonomie alles andere als eine leere Form. Und zwar handelt es sich keineswegs bloß um lokale „Selbstverwaltung", sondern — wie die Angelsachsen formulieren — um local seif-government: echte Selbstregierung der örtlichen Volkskörper mit eigenverantwortlicher Bindung an Gesetz und Recht Auf solchem Boden besteht zwischen örtlicher Gemeinschaft und örtlichem Beamtentum eine Bindung wechselseitiger Verantwortung: So wie die Funktionäre um das Vertrauen des Volkes zu werben haben, so wacht dieses seinerseits über ihre Behandlung nach Recht und Billigkeit, und zwar über alle Parteigegensätze hinweg. Praktisch läuft das auf eine echte Herrschaft der öffentlichen Meinung als eines überparteilichen Machtfaktors hinaus — und zwar eben in jenen Lebenskreisen, die ihrem Wesen nach die übersichtlichsten, volksnächsten sind, wo Augenschein, Diskussion, Helferwillen, Kompromißbereitschaft sich auf einer Ebene abspielen, die der menschlichen Einsicht und dem menschlichen Gewissen am leichtesten zugänglich bleibt. Solch gemeinsam getragene Verantwortung sichert jeweils — trotz ärgster Unvollkommenheiten — doch jenes Minimum an Solidarität wenigstens im politischen Sektor, ohne welches die Freiheit Gefahr läuft, am feindseligen Gruppenegoismus zugrunde zu gehen.

Wo ein volksstaatliches System des Regime judiciaire und echter lokaler Selbstregierung so viel Eigenverantwortung auf Bürger und Gemeinden überträgt, da erhält alle für den modernen Großraum unentbehrliche Zentrali-sation ein besonderes Gepräge. Schon Tocqueville unterschied Amerikas „centralisation gouvernementale“ von Frankreichs „centralisation administrative“ Unverkennbar ist jener Typus von Zentralgewalt mehr subsidiärer als autoritärer, mehr volkserzieherischer als hierarchischer Natur. Und zwar besteht die wichtigste Funktion eines durch Ab-schichtung von Verantwortlichkeiten gemilderten „Zentralismus“ darin, daß er die gesamte Bürgerschaft dazu aufruft, die persönlichen, kommunalen und nationalen Interessen alltäglich vernünftig miteinander zu verbinden, von unten her, kraft eigener Einsicht und eigener Gewissensbefragung — auch um zu verhüten, daß die Gemeindeautonomie im Gemeindeegoismus steckenbleibe Wie bei jedem Erziehungsexperiment, so fallen auch hier die zahlreichen Fehlschläge stärker ins Auge als die Erfolge. Und doch verblaßt dies alles vor der lapidaren Tatsache, daß jede an solch erzieherische Methoden gewöhnte Nation sich ein Leben ohne innenpolitische Freiheit und Toleranz überhaupt nicht vorstellen mag und über alle sozialen Gegensätze hinweg sich in diesem Punkte als geschlossene kämpferische Einheit erweist. Die derart erwirkte fruchtbare und aufbauende Verknüpfung starker nationaler Zentralgewalt mit starken autonomen Kleinräumen läßt sich auf die Formel bringen: Zentralisation durch Gesetzgebung ohne exekutive Befehlsgebung — im Sinne echter „vertikaler Gewaltentrennung“ im exekutiven Aufgabenbereich!

Zwei innerkommunale Verwaltungsmodelle: Kollegiale Leitung — Monarchische Leitung

Auch die interne Gemeindeorganisation ist in den Beamtenstaaten und Volksstaaten in der Regel entgegengesetzt gestaltet. Das hat ebenfalls bedeutsame politische Auswirkungen. Schon deshalb besitzt das Verwaltungsdenken soziologischen Eigenwert, weil es — ungemein gewichtiger als etwa das Verfassungsoder Wirtschaftsdenken — Quelle zur Erkenntnis eingewurzelter Nationalgewohnheiten und damit des Volkscharakters ist. Das gilt sogar in Form einer Wechselwirkung, indem nämlich jedes Verwaltungssystem mit seiner säkularen Konstanz seinerseits mithilft, Gewohnheiten und Charakter eines Volkes alltäglich wieder einheitlich neu zu prägen und zu verewigen. Dabei ist es nicht zuletzt der Behördenaufbau in den Gemeinden, der das ideelle Verhältnis des Bürgers zur Zentral-gewalt, also die nationale Staatsidee, entscheidend prägen hilft — einfach weil die Massen dazu neigen, die in den volksnächsten Lebenskreisen geübte Verwaltungspraxis und die daraus gewonnenen Erfahrungen als leitend für ihre Einstellung zum Gesamtstaat und dessen Zentralregierung zu erachten.

Die zentralistische Staatenwelt des festländischen Europas hat sich seit den Zeiten des* Absolutismus daran gewöhnt, die ganze Exekutivgewalt in den Gemeinden auf einen einzelnen Verwaltungsleiter zu konzentrieren. Aufgrund der geltenden Staatsgesetze ist es hier überall der Bürgermeister allein, der die Dienstgewalt über das besoldete Gemeinde-personal ausübt; er allein ist daher auch in der Lage, alle Querverbindungen zwischen den Verwaltungszweigen zu überblicken. Sodann ist er für den Bereich der „Weisungsaufgaben", d. h. für den Vollzug der meisten Staatsgesetze und Polizeiverordnungen, also deren Anwendung auf die Einzelbürger, der Zentralbürokratie zu „unbeschränktem“ Gehorsam verpflichtet — was seine Wahl von unten her reichlich zwielichtig gestaltet. Unweigerlich führt eine so persönliche Macht-konzentration in der Praxis zur Vorherrschaft der Staats-und Gemeindebürokratie über das Gemeindeparlament; die Gemeinde als solche ist da mehr konstitutionelle, verfassungsmäßig beschränkte Wahlmonarchie als parlamentarische Demokratie. Dabei lassen sich die Gemeinden Frankreichs und Italiens, wo die Bürgermeister auch der größten Städte immer nur nebenberuflich tätig sind, dem Typus der . Politikermonarchie“ zuordnen, die Gemeinden und Landkreise Deutschlands dem Typus der „Beamtenmonarchie“.

Da der französische Maire und der italienische Sindaco als bloße Nebenbeamte ihren Hauptberuf weiter ausüben, haben sie bei einer Absetzung wenig zu verlieren — was ihnen dem Staate gegenüber ein gewisses Maß von Unabhängigkeit sichert. Um so mehr hält die Staatsgesetzgebung drauf, den Gemein-den auf finanziellem Gebiete keinerlei Bewegungsfreiheit zuzugestehen. Die Folge: Die Bürgermeister können gegen den Willen der Staatsbürokratie kaum etwas Wichtigeres anordnen, wohl aber manches verhindern, indem sie beim Gesetzesvollzug ihnen unerwünschte Anweisungen nachlässig oder gar nicht durchführen. Insofern ist in die Gemeindeverfassungen beider Länder ein stark freiheitliches Element eingebaut, nicht genossenschaftlichen, sondern individualistischen, ja fast anarchischen Gepräges Und so wie der Bürger gewohnt ist, im Gemeindeoberhaupt seinen Beschützer vor dem anonymen Staatsapparat zu sehen, so sehnt er sich nach einem ähnlich wohlmeinenden Staatsoberhaupt

Die Gemeinden Deutschlands mit ihrer ansehnlichen Verwaltungs-und Finanzautonomie sind da — trotz aller obrigkeitlichen Bevormundung im Gesetzes-und Polizeivollzug — weit bessergestellt. Das sie leitende zuverlässige Beamtentum erzieht das Volk zur Ordnungs-und Organisationsfreudigkeit Darum genießen auch hier Bürgermeister und Landrat (bzw. Gemeinde-und Kreisdirektor) als faktische „Wahlmonarchen“ weit mehr volkstümliche Autorität als Gemeinde-und Kreisparlament — womit sich von selbst erklärt, weshalb bei nationalen Wahlkämpfen sich so viel um die Willenskraft der Bundeskanzlerkandidaten dreht

Genau umgekehrt herrscht in den Lokalbezir-ken Großbritanniens nicht das Prinzip der „Einheit“ der Verwaltung, sondern das ihrer Pluralität. Faktisch besteht dort eine totale Vorherrschaft des Lokalparlaments, das die einzelnen Verwaltungszweige durch seine ständigen Ausschüsse kollegial leitet: das Bauamt durch den Bauausschuß, das Schulamt durch den SchulausscHuß usw. In diesem vom Ehrenbeamtentum dominierten . government by committees" haben sämtliche Berufsbeamten bis zum Stadt-und Grafschaftsdirektor hinauf nur beratende Befugnisse inne, bilden also keinen von einem Einzelvorgesetzten geleiteten Machtblock Was hier vorliegt, ist eine echte parlamentarische Gemeindedemokratie. Nicht zuletzt deshalb konnte der britische Parlamentarismus im nationalen Gesamtstaat eine zutiefst volkstümliche Institution bleiben, weil er eine so breite kommunale Basis besitzt Sogar in den Vereinigten Staaten von Amerika überwiegt in den Lokalverwaltungen immer noch das aus britischem Erbe stammende aufgegliederte System, zumal in den „Grafschaften" Und wenn anderseits dort die größeren Städte, die Gliedstaaten sowie die Union als Ganzes ihrerseits ein wahlmonarchisches Oberhaupt kennen, so sorgt doch das Fehlen exekutiver Weisungsrechte im Stufenbau Union—Staat—Gemeinde von selbst für die unumstrittene Vorherrschaft echt-dezentralisierter Ordnungsprinzipien und Staatsideale

Ein Sonderfall volksstaauicher Dezentralisation ist in den Schweizer Gemeinden vorhan-den. In Form einer eigenständigen „politischen Kultur" besteht hier über alle Sprach-grenzen hinweg eine direkte Gemeindedemokratie. Nicht weniger als rund 95 °/o aller deutschsprachigen und 75 ®/o aller „lateinischen“ Kommunen kennen heute noch als höchstes Beschlußorgan die Gemeindeversammlung aller Schweizer Stimmbürger Nur in den restlichen Lokalbezirken, so den größeren Städten, besteht eine Volksvertretung, wobei jedoch deren wichtigere Beschlüsse allgemein dem fakultativen oder gar obligatorischen Volksreferendum an der Urne unterliegen, so daß also auch hier überall das Prinzip der reinen Demokratie Geltung hat. Dafür besteht mehr administrative Machtkonzentration als in den Lokalbezirken Englands, überall liegt die Exekutivgewalt in der Hand eines nur kleinen Kollegiums von meist fünf, sieben oder neun Politikern als selbständigen Ressortleitern: beim Gemeinderat (kein Parlament!), im Kanton: beim Regierungsrat, im Bund: beim Bundesrat Gerade wegen dieser Machtzusammenballung in den volkreicheren Gebietskörperschaften hält man seitens der Bürger ein Mitentscheiden der jeweiligen Volksmehrheiten in Verwaltungs-und Finanz-fragen für unentbehrlich, damit sich die Bürokratie in Stadt, Kanton und Bund ihrer Abhängigkeit von dr öffentlichen Meinung eindringlich bewußt bleibe

Warum macht es, im großen und ganzen beurteilt, einen so grundlegenden Unterschied aus, ob die Lokalverwaltungen monarchisch oder kollegial geleitet sind? Nun, wo ein persönlicher Verwaltungsleiter amtet, als solcher die Dienstgewalt über das ganze besoldete Gemeindepersonal ausübt und dazu erst noch selber der Zentralregierung dienstlich verpflichtet ist, da erwächst daraus von selbst ein nach außen hin abgeschlossenes Machtsystem. Regelmäßig werden hier die permanenten und schwerwiegenden Meinungsverschiedenheiten zwischen den bürokratischen Fachleuten hinter geschlossenen Türen ausgetragen und gelangen so selten genug zur Kenntnis des Gemeindeparlaments und der Öffentlichkeit. Unter dem Druck wohlpräparierter und einseitiger Information neigt das Publikum notgedrungen zur Meinung, daß es in Verwaltungsfragen stets einen sachlich „richtigsten" Entscheid gebe, und verfällt daher immer wieder neu der Autoritätsgläubigkeit. Ganz anders unter einer Kollegialleitung:

Mag diese in „technischer" Hinsicht auch schwerfälliger arbeiten, so kommt dafür die dauernde Uneinigkeit der Fachleute ans Tageslicht; diese ständige Erfahrung erleichtert es den Bürgern, immer auch die Gebote des „gesunden Menschenverstandes" mit zu Rate zu ziehen, dieses Grundelementes aller lebendigen Demokratie.

Der ignorierte Staatsstruktur-Dualismus: Ewige Versklavung des Geistes durch die Geschichte?

Alles in allem ist auf dem volkstaatlichen Boden der altfreien Nationen die Gemeinde auch in moderner Zeit überall eine wahre „res publica" geblieben, in welcher der Geist einer überparteilichen Solidarität und gegenseitigen Hilfe — bei allem zeitweiligen Versagen — nie völlig absterben kann und immer wieder Regenerationskräfte mobilisiert. Grundlage aller politischen und sozialen Ordnung bildet hier die „Gemeinderepublik"; diese ist im Volkswillen so fest verankert, daß die Demokratie allgemein als Element der Dezentralisation, als relativ sicherster Schutzwall gegen jedes überborden von Zentral-macht und Bürokratismus und Quelle aller politischen Gesundung empfunden wird Wo* immer dergestalt der Geist der „res publica'von so breiter Basis aus eine ganze Nation durchdringt, da zeigt der Staatsaufbau auch heute noch mehr die Züge eines gegliederten Organismus als einer autoritären Organisation — und da können an der Spitze des nationalen Gemeinwesens sogar monarchische Institutionen recht gut gedeihen und sich in volkstümlichem Geiste bewähren (das Königtum in Großbritannien, Skandinavien, den befristete Niederlanden, das Präsidentenamt in USA).

Darf man aber diese Prinzipien gewissermaßen auf den Kopf stellen, wie es die großen Festlandsstaaten Europas taten — auch über die ganze Epoche des Liberalismus hinweg? Wenn hier der Bürger in sämtlichen volksnahen Lokalbezirken unter der Vormundschaft einer starken, nur formell verschleierten und zudem der Staatsbürokratie in lebenswichtigen Bereichen hörigen Gemeindemonarchie steht, kann er es dann ohne weiteres verstehen und billigen, daß im zentralen Behörden-aufbau die republikanischen Prinzipien des Parlamentarismus, des Kabinettssystems und der Kollegialität vorherrschen? In Zeiten der Hochkonjunktur vermag er sich mit solcher Widersprüchlichkeit leicht abzufinden; aber wird sich, wenn das freiheitliche Verfassungssystem und das autoritäre Verwaltungssystem weiterhin auseinanderklaffen, in künftigen schweren Wirtschaftskrisen deren Ausweitung zur Staatskrise vermeiden lassen? Wie in der Vergangenheit, so drohen auch künftig schwere Gefahren, solange im Gesetzesvollzug — der lebenswichtigsten aller öffentlichen Sphären — alle wirkliche Verantwortung einseitig auf der Beamtenhierarchie ruht, wenn diese den eigentlichen „Staat” verkörpert und das, was man „Politik" nennt, auf der ganz anderen Ebene der Parteienrivalität und Parteienpropaganda als eine Art Fassadenbetrieb nebenherläuft

Nur wenn, wie in den altfreien Volksstaaten, Politik und Verwaltung im volksnahen Verband der Gemeinde miteinander identisch werden, wird der Freiheitswille einer Nation in deren Verantwortungswillen — in Zeiten äußerster Gefahr erst recht — seine Selbst-bändigung finden

Solange das Problem nicht als solches erkannt und anerkannt ist, bleibt es a priori unlösbar. Aber auch wenn man die richtigen Zusammenhänge überblickt, bleibt es schwer zu lösen. Für jedermann ist es allzu bequem, ohne eigenes Zutun Wohlfahrts-und versorgungsstaatliche Leistungen einzuheimsen, und zugleich unbequem genug, sein eigenes Freiheitsbedürfnis den eben diese Leistungen erbringenden anonymen Verwaltungshierarchien ohnmächtig aufopfem zu müssen. An sich hat der abendländische Mensch ein ebenso starkes Bedürfnis nach Freiheit wie nach Gemeinschaft. Tritt der Staat seinen Bürgern primär als autoritärer Verwaltungsapparat entgegen, so vermag er keines der beiden Bedürfnisse wirklich zu befriedigen. Aus dieser psychischen Notlage erklärt sich von selbst, weshalb heute „außerparlamentarische" Kräfte (wie Bürgerinitiativen oder Nachbarschaften in Deutschland, Okologisten in Frankreich) erfolgreich in das aufklaffende, von Politik und Verwaltung vernachlässigte Vakuum vorstoßen, und wenn Demagogen das Bestehen dieses Vakuums für ihre destruktiven Zielsetzungen mißbrauchen. Politik und Verwaltung sind daher dazu aufgerufen, künftigem Unheil rechtzeitig entgegenzuwirken und in langfristiger, aber beharrlicher Planung, Schritt für Schritt, den überparteilichen Gemeingeist auf dem Boden der Gemeinden als der lebendigsten Volksorganismen zu regenerieren — was sich nur durch Übertragung echter administrativer Verantwortlichkeiten an die Ortsbürgerschaften selber erreichen läßt Gaben trennen, Aufgaben einigen! Die fundamentalen Verschiedenheiten des volksstaatlichen und des beamtenstaatlichen Verwaltungsaufbaus, wie wir sie im Vorstehenden herausarbeiteten, sind ein Produkt der Geschichte. In diesem Sektor sind die Toten bis heute bei weitem mächtiger geblieben als die Lebenden; und sie werden ganze Volks-körper weiter versklaven, solange jene säkularen Entwicklungskräfte und Traditionen unserer Kenntnis entzogen bleiben und damit Gegenwart wie Zukunft unbewußt in Fesseln schlagen. Soll es dem menschlichen Geist auf immer versagt sein, jenen Hexenkreis endlich zu durchbrechen? Dabei sei wiederholt: Es geht nicht darum, technisch „schlechtere" Verwaltungsstrukturen durch „bessere" zu ersetzen, sondern krisenanfällige Staatsstrukturen durch krisenfeste — im Sinne angelsächsischer Staatsweisheit: „Besser selbstregiert als gut regiert". Im Bemühen um echte Dezentralisation hat natürlich jedes Volk seinen eigenen Weg zu gehen. Eine Übernahme von Mißständen, wie sie die Administration aller altfreien Nationen kennt, verbietet sich von selbst. Zudem besitzt die kommunale Selbstverwaltung gerade der deutschen Länder so wertvolle und ausbaufähige Ansätze, daß deren behutsame, aber konsequente Fortentwicklung zu echter kommunaler Selbstregierung sowie der Aufstieg der noch zu stark bevormundeten Gemeindebevölkerungen zu selbstbewußten und doch der Gesamtnation aktiv verpflichteten Gemeindevölkem kein Ding der Unmöglichkeit ist

Fussnoten

Fußnoten

  1. Einige Hinweise: Bernhard Knauss, Staat und Mensch in Hellas, 1940, 2. Aufl. Hamburg 1949; Ernst Meyer, Römischer Staat und Staatsgedanke, Zürich 1948; Werner Kaegi, Der Kleinstaat im europäischen Denken; ders., über den Kleinstaat in der älteren Geschichte Europas (beides in: ders., Historische Meditationen, 2 Bde., Zürich 1942/46); Eduard Sieber, Die Idee des Kleinstaates bei den Denkern des 18. Jahrhunderts in Frankreich und Deutschland, Basel 1920; Oskar Bernhard Cappis, Die Idee des Kleinstaates im Deutschland des 19. Jahrhunderts, Basel 1923; Ernst Maste, Die Republik der Nachbarn, Gießen 1957, S. 168 ff.

  2. Katholisch: Papst Pius XL, Enzyklika „Quadragesimo anno“, 1931, mit dem zentralen Satz: „Es ist Unrecht, schwere Schädigung sowie Umsturz rechter Ordnung, das auf den größeren und übergeordneten Verband zu übertragen, was von kleineren und niederen Gemeinschaften besorgt und vollbracht werden kann.“ — Evangelisch: Emil Brunner, Gerechtigkeit. Eine Lehre von den Grundgesetzen der Gesellschaftsordnung, Zürich 1943.

  3. Vgl. Brunner, ebda., S. 159, 165: „Der Föderalismus ist der gerechte Aufbau der Ordnungen, nämlich der Aufbau von unten. Das ist die Schöpfungsordnung ... (Die) Umkehrung des Aufbaus der Ordnungen aus einem Aufbau von unten in die Gestaltung von oben herab ist das eine, große, alles andere Unrecht überschattende und aus sich erzeugende Grundunrecht der Neuzeit.“

  4. Otto Vossler, Rousseaus Freiheitslehre, Göttingen 1963, interpretierte den Begriff der „volonte generale“ treffend dahin, daß jeder freie Mensch mit seinen Nachbarn nur in freier Anerkennung fester Spielregeln Zusammenwirken könne (S. 225 ff.). Hierbei handelt es sich um das zentrale Lebenselement aller echt-autonomen Kleinräume, und insofern darf Rousseaus Ablehnung des Groß-staates nicht einfach ironisiert werden (S. 348 ff.).

  5. Adolf Gasser, J. -J. Rousseau als Vater des Totalitarismus?. in: Der Staatsbürger, Chur 1953, S. 139 ff.

  6. Arthur Morgan, The small Community. Foundation of democratic Life, London 1942.

  7. Alexis de Tocqueville, über die Demokratie in Amerika, 1835 (übertragen von Hans Zbinden, 2 Bde., Stuttgart 1959/62), sowie James Bryce, Moderne Demokratien, 1921 (deutsche Übersetzung, 3 Bde., München 1923/26), arbeiteten besonders klar heraus, wie die die kleinstaatliche freie Gemeinde tragenden geistig-sittlichen Grundkräfte auch moderne große Nationen bestimmend prägen können. Wissenschaft und Publizistik haben davon bisher merkwürdig wenig Notiz genommen.

  8. Adolf Gasser, Gemeindefreiheit als Rettung Europas. Grundlinien einer ethischen Geschichtsauf19ung,

  9. Ders., Alte Volksfreiheit und heutige Demokraue, in: Ztschr. f. Schweiz. Gesch., 1938.

  10. Vgl. hierzu Tocqueville (oben Anm. 7), I, S. 67 ff. Ebenso Bryce (ebda.), I, S. 138 ff.: Die kommunalen Freiheiten „entwickeln das Gemeingefühl, Vernunft, Urteil, Soziabilität... Jeder hat Gelegenheit zu zeigen, was in ihm steckt. Es bilden sich zwei nützliche Gewohnheiten: Die Erkenntnis des Werts von Wissen und Takt in öffentlichen Angelegenheiten und die Beurteilung der Menschen mehr nach ihrer Leistung als nach ihren Erklärungen und Versprechungen ... Diese Beispiele rechtfertigen den Satz, daß die beste Schule der Demokratie und die beste Garantie für ihren Erfolg die Praxis der lokalen Selbstregierung ist."

  11. Aufschlußreich hierfür ein Brief Tocquevilles über Amerika: „Es ist wirklich unglaublich zu sehen, wie dieses Volk sich in Ordnung hält durch diese einzige Überzeugung, daß die einzige Sicherung gegen es selbst in ihm selbst liegt“ (zitiert bei Otto Vossler, Alexis de Tocqueville, Freiheit und Gleichheit, Frankfurt 1973, S. 126). - Im Grunde ist eben das die gemeinsame Lebenskraft, die sämtliche altfreien Nationen durchpulst und zusammenhält - seit ihrer Demokratisierung im 19. Jahrhundert erst recht

  12. Francois Bondy, Das englische Wunder, in: Die Weltwoche, Zürich, 23. März 1977.

  13. Bryce (oben Anm. 7), II, S. 124 ff.: In Amerika „besteht über die meisten politischen Gegenstände eine gewisse Übereinstimmung, die sich über die Unterschiede zwischen den gegensätzlichen Gruppen oder Typen von Ansichten erhebt und sie abmildert ... Die lösenden und assimilierenden Kräfte der Erziehung, der Kameradschaftlichkeit, kurz all der Dinge, die das soziale Milieu ausmachen, sind in Amerika stärker als anderswo, (wodurch) die große Masse der Nation oft mehr zusammengeschlossen ist, als die Heftigkeit des Parteikampfes Fremde vermuten läßt."

  14. Adolf Gasser, Geschichte der Volksfreiheit und der Demokratie, Aarau 1939, 2. Aufl. (um einen Nachtrag erweitert) 1949.

  15. Die einstige Stadtfreiheit bildet z. B.den Mutterboden des heute in Europa recht zuverlässig funktionierenden Beamtenstandes. Wo sie einst fehlte oder nur ansatzweise entwickelt war, wie in den östlichen und südlichsten Teilen des Kontinents, liegen die Mängel des Verwaltungssystems immer noch klar zutage.

  16. Gasser (oben Anm. 8), S. 168 f.

  17. Ebda., S. 170 ff. In England hat die normannische Eroberung von 1066, weil sie die angelsächsishe Volksmiliz und die Grafschaften als deren Wehrverbände fortbestehen ließ, das alte System der Gemeindefreiheit keineswegs zerschlagen. Dadurch gelang es, den Kleinadel schon im 12. gahrhundert und den Hochadel bis 1485 zu „entTeudalisieren" (ebda., S. 56 ff.). Vgl. u. Anm. 45.

  18. Gasser, ebda., S. 173.

  19. Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, 3. Aufl., Leipzig/Berlin 1923, S. VI (Vorwort). — In der Erstauflage von 1895 findet sich jene Sentenz noch nicht, wohl aber die ihr zugrunde liegende Erkenntnis (I, S. 133): „Alte Gewohnheit ragt als eine Rechtsquelle des Verwaltungsrechts in die Gegenwart hinein.“

  20. Fritz Fleiner, Beamtenstaat und Volksstaat, 1916, in: ders., Ausgewählte Schriften und Reden, Zürich 1941, S. 138 ff.

  21. Adolf Gasser, Von den Grundlagen des Staate«. Vom Obrigkeitsstaat zur freien Bürgergemeinschaft, Worte eines Schweizers an die deutschen

  22. Ders., Staatlicher Großraum und autonome Kleinräume. Gemeindeautonomie und Partizipation, Ausgewählte Aufsätze (Social Strategies, hrsg. von Paul Trappe, Vol. 3), Basel 1976.

  23. Fleiner, a. a. O., S. 153.

  24. Erich Kaufmann (Hrsg.), Der polizeiliche Eingriff in Freiheiten und Rechte, Frankfurt 1951, S. 302: „Ein Rechtsgebiet, das sich in der Aufstellung einer primären Generalklausel erschöpft, trägt barbarische Züge. Es gehört zum Wesen der Generalklausel, daß ihr der Zug der Unsicherheit anhaftet. Und Unsicherheit, Rechtsunsicherheit ist es auch, was wir dem überkommenen deutschen Polizeirecht zum Vorwurf machen.“ — Vgl. hierzu Max Imboden, Das Gesetz als Garantie rechtsstaatlicher Verwaltung, 1954 (in: ders., Staat und Recht, Ausgewählte Schriften und Vorträge, Basel

  25. Fleiner (oben Anm. 20), S. 153 ff.

  26. Kaufmann (Hrsg.), S. 204, 229; dazu dort des weiteren: „Die Polizeigewalt nach englischem Recht hat einen wesentlich begrenzteren Umfang als die der Länder des europäischen Festlands, insbesondere Deutschlands. Die polizeiliche Zwangsverfügung, gestützt allein auf den allgemeinen Verwaltungsauftrag der Polizei, ist ausgeschlossen ... Die Handhabung des Polizeizwanges durch die bezeichneten richterlichen Behörden erfolgt nach den Vorschriften eines gesetzlich geordneten Verfahrens, das meist kontradiktorisch ist" (also den „ungehorsamen" Bürger schon vor jedem Rechtsvollzug zu Worte kommen läßt!).

  27. Karl Schmidt, Geist und Politik, in: Neue Zürcher Zeitung, 23. Februar 1953: „Es gibt in sehr friedlichen Staaten auch eine Macht nach innen, die mit der Administration ein Bündnis eingeht. Sein Ergebnis ist ein automatenhafter Apparat... Die Organisation triumphiert Dem schärferen Auge kann das Geistfeindliche solcher Apparate nicht verborgen bleiben. Es gibt eine geräuschlose Fürchterlichkeit der staatlichen Allverwaltung, mit der sie so viele Menschen, wie sie ernährt, als Menschen, dieses Wortes würdige, vernichten kann.“

  28. Für diesen zentralen Punkt hat Peters in seiner Apologetik (oben Anm. 24) kein Augenmerk.

  29. Bertrand Russell umschrieb das Ärgernis einmal dahin, die britische Bürokratie pflege mehr zu hemmen als anzuordnen.

  30. Vgl. Bryce (oben Anm. 7), I, S. 162 ff., 464 ff., II, S. 124 ff.

  31. Hellmuth Voß, Die Stellung des Bürgermeisters, Köln 1933, S. 140: „Der Plan Steins, der genossenschaftliche Aufbau des Staates von unten herauf, blieb unvollendet, und so krankt das deutsche Staatswesen noch heute an dem Gegensatz zwischen genossenschaftlicher und herrschaftlicher Organisation.“

  32. Die oberste „Dienstaufsicht“ über die Bürgermeister führt der Innenminister, die oberste „Fachaufsicht'das jeweils sachlich zuständige Landesministerium.

  33. Ernst Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. 1, München 1973, S. 572 ff., verweist stark auf die „Beratung“ der Kommunal-durch die Aufsichtsbehörden. Da letztere jedoch über den Trumpf des „unbeschränkten“ Weisungsrechtes verfügen, sind die Spieße von vornherein ungleich lang. In der Praxis kommt meist etwas ganz anderes heraus als in England.

  34. Auf das Entscheidende verwies schon Hugo Preuß, Die Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung in Deutschland (im: Handbuch der Politik, 3. AufL, Berlin/Leipzig 1920, Bd. 1, S. 276, 284 f.): „Subordination und Dezentralisation sind miteinander völlig unvereinbar ... Die Vertauschung von Aufsicht und Subordination ist das chronische Leiden der deutschen, vor allem der preußischen Selbstverwaltung.“

  35. Willi Geiger, Die Gemeindeautonomie und ihr Schutz nach schweizerischem Recht, Zürich/St. Gallen 1950, S. 69 Anm. 32: In den Schweizer Kantonen „wird das Schwergewicht der Beaufsichtigung auf die Zeit nach der Setzung des konkreten Verwaltungsakts verschoben, so daß sie sich praktisch nur noch als Berichtigung eigentlicher Ermessensmißbräuche auszuwirken vermag.“

  36. Adolf Schüle, Staat und Selbstverwaltung in England, Berlin 1933, S. 10: „Die (englischen) Zentralbehörden üben über die kommunalen Verwaltungen und ihre Amtsträger niemals so etwas wie eine Dienstgewalt aus ... Die Ministerien sind ihnen nicht hierarchisch übergeordnet, höchstens sozusagen komplementär zugeordnet.“

  37. Voß (oben Anm. 31), S. 20 f.: „Die englische Gemeinde ist im Besitze der ganzen öffentlichen (Lokal-) Gewalt und übt diese zu eigenem Rechte aus. Es gibt daher keine Trennung in obrigkeitliche und wirtschaftliche Funktionen; ein staatlicher Vertrauensmann in der Person des Bürgermeisters ist nicht notwendig.“

  38. Tocqueville (oben Anm. 7), I, S. 98 ff.

  39. Auch für die Lösung gegenwärtiger Zentral-Probleme wie Raumplanung und Gewässerschutz ist es ein fundamentaler Unterschied, ob sie primär auf dem Wege der Subordination oder der Koordination angebahnt wird. Im letzteren Fall gilt es, den Gemeindeegoismus durch gesetzliche Rahmenvorschriften und finanzielle Gegenleistungen abzubauen. Natürlich dauert das länger, als wenn man vom grünen Tisch eines Ministeriums aus ein Fait accompli schafft.

  40. Durch die Übermacht des Verwaltungszentralismus wurde in Frankreich, wie schon Tocqueville erkannte, jeder überparteilich-kooperative Gemeinsinn von unten her erstickt und der Freiheitsbegriff auf individuelles, heute natürlich auch gewerkschaftliches Sonderstreben reduziert. — In Schweizer Städten anderseits arbeiten Parteiangehörige aller Gruppen zur Lösung bestimmter Sachprobleme ständig zusammen, z. B. in „neutralen Quartiervereinen“, wobei die Parteifarbe in den Hintergrund tritt.

  41. Die seit 1958 starke Präsidentschaft begründete eine Verfassungsform, die dem Verwaltungszentralismus wie auch dem Volksgeist weit besser entspricht als der reine Parlamentarismus der Dritten und Vierten Republik.

  42. Art. 33 des Bonner Grundgesetzes schreibt für die Funktionäre der Länder und Gemeinden ein „öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis ... unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“ vor. Dadurch wurde das System des Einzeldienstvorgesetzten perpetuiert, eine zentralistische Regelung, welche für die deutsche Lebenswirklichkeit wichtiger ist als die — im übrigen äußerst wertvolle — föderative Aufgliederung der Nation in sich selbstregierende Länder.

  43. „Eine Demokratie muß hart und männlich geführt werden.“ Diese heute in der Bundesrepublik landläufig gewordene Redensart hat in äußerster Not überall ihre Berechtigung. Doch als Maxime in Normalzeiten erhebt sie den Begriff der Demokratie zum Widersinn.

  44. Natürlich fallen die Ratschläge der Kommunalbeamten jeweils schwer ins Gewicht. Doch die Verantwortung für jeden umstrittenen Einzelfall trägt stets der zuständige Ausschuß kraft Mehrheitsentscheid, wobei seine Mitglieder im Laufe der Jahre recht viel Sachverständnis erwerben.

  45. George M. Trevelyan, Geschichte Englands, 2 Bde., München 1935, I, S. 216: „Den Engländer hat immer sein .committee sense'ausgezeichnet, der Sinn für Ausschüsse, der Wunsch, sich zusammenzusetzen und miteinander zu reden, bis Überein-stimmung oder ein Ausgleich erzielt ist. Diese nationale Eigenart ist die wahre Wurzel des englischen Parlamentarismus.“

  46. Von den 3050 Grafschaften Amerikas wurden um das Jahr 1950 nur 118 (= 4 °/o) von einem einzigen volksgewählten Oberbeamten verwaltet; in den übrigen herrscht Pluralismus (Die Selbstverwaltung, 1952, S. 195).

  47. Die Masseneinwanderung von Ost-und Südeuropäern in die treibhausartig wachsenden Städte entzog dort dem „government of committees“ den Boden. Seither unterstehen die Großstädte zumeist einem auf 2— 4 Jahre gewählten Bürgermeister oder auf Abruf ernannten City-Manager. Immerhin stehen auch heute neben diesen Stadthäuptern, ja sogar neben dem gliedstaatlichen Governor zumeist andere volksgewählte Oberbeamte: als Sonderbeauftragte für das Schul-, Steuer-, Wohlfahrts-, Gesundheitswesen usw.

  48. Die Gemeindeversammlung beschließt über Rechtssetzung (z. B. Besoldungsreglement der öffentlichen Funktionäre), Kreditbewilligungen, Verwaltungskontrolle. Liegen keine umstrittenen Geschäfte vor, so kann der Besuch bis unter 5 0/0 der Stimmberechtigten sinken, zumal in Vorortsgemeinden.

  49. An deutschen Verhältnissen gemessen, bildet der schweizerische Gemeinderat eine Art von 5— 9-köpfigem Bürgermeistergremium, ein auf meist vier Jahre volksgewähltes Ortsministerium, dessen Mitglieder nur in großen Städten alle hauptberuflich amten. „Am Anfang war das Kollegium": Dieses Vermächtnis des Rütlibundes ist gleichsam zur obersten Staats-und Verwaltungsmaxime der Schweiz geworden.

  50. Die Stadtbevölkerung beschließt an der Urne z. B. über alle umstrittenen Änderungen von Bau-Zonen und Straßenlinien, Verwaltungs-und Schulhausbauten. Auch bei schlechtester Stimmbeteiligung entscheidet immer das relative Mehr an Ja oder Nein; 15 °/o siegen also über 14 °/o. Dennoch güt das Referendumsrecht grundsätzlich als unan-

  51. Vgl. die Aussage eines Neuengländers zu Tocqueville: „Massachuchetts ist eine Vereinigung von kleinen Republiken, Die Republik ist überall, auf der Straße wie im Kongreß, Wenn ein Hindernis einen öffentlichen Weg sperrt, werden die Nachbarn sofort einen Ausschuß ernennen und

  52. Herbert Lüthy, Frankreichs Uhren gehen anders. Zürich 1954, S. 23, 37 ff.: „Der zentralistische Verwaltungsapparat in Frankreich ist nicht so sehr ein Staat im Staate als vielmehr der Staat selbst hinter der demokratischen Staatsfassade ... Die Politik darf ungestraft der Tummelplatz der Ideologie, der Abstraktion, der Maßlosigkeit, des verbalen Aufruhrs und der reinen Demagogie sein ... Was sich in diesen so leidenschaftlich geführten Kämpfen entscheidet, ist äußerstenfalls ein Ministerwechsel in Paris. Die Verantwortungslosigkeit der politischen Polemiken hat ihr Gegengewicht in der Folgenlosigkeit." — Für Deutschland kam ein Minister a. D.. unabhängig von Luthy, zu mehrfach analogen Schlüssen: Rudolf Zorn, Die Als-ob-Demokratie, Mannheim 1955.

  53. In den Gemeinden der altfreien Nationen wird primär überparteiliche Verwaltungspolitik betrieben, deren sachlichen Spielregeln sich die Parteipolitik anzupassen hat. Aus dieser gemeinsam getragenen Verantwortung resultieren ausgleichende Wirkungen bis in die Landespolitik hinauf. Auch im angelsächsischen Begriff „politics" stehen durchaus die Verwaltungsinstitutionen im Zentrum.

  54. Hans Nawiasky, Die Demokratie in der Schweiz, München 1951, S. 32: „Der Sinn der Demokratie ist nicht etwa die Herrschaft der Mehrheit über die Minderheit, sondern ein Minimum an Herrschaft in allen Zellen des Gebietskörpers und dementsprechend ein Maximum von (lokaler) Selbstbestimmung und S*elbstverantwortung.

  55. Voß (oben Anm. 31), S. 16, 21: „In England ist das alte gemeine Recht deutschen Ursprungs stets in Geltung geblieben. Kein fürstlicher Absolutismus hat den Gedanken von dem Beruf der örtlichen Organisation zur Verwaltung aller örtlichen Verwaltungsgeschäfte verdrängt... Die Berufung auf den alten deutschen genossenschaftlichen Geist, auf die . wahren Absichten und Ideen'des Freiherrn vom Stein ist notwendig." Im Grunde gilt es nur zu Ende zu führen, was in Zeiten des Umsturzes die trefflichsten Staatsreformer Deutschlands anstrebten, aber nur in Ansätzen erreichten: Karl vom Stein nach 1807, Johann Stüve 1848, Hugo Preuß nach 1918, Theodor Heuss („Gemeinden sind wichtiger als Staaten“) nach 1945. — Vgl. zum Ganzen das wegweisende Buch von Heinrich Heffter, die deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, Geschichte der Ideen und Institutionen, Stuttgart 1950.

Weitere Inhalte

Adolf Gasser, geb. 1903 in Burgdorf (Kanton Bern), Geschichtsstudium in Heidelberg und Zürich, seit 1936 Dozent für allgemeine und schweizerische Verfassungsgeschichte an der Basler Universität (dort noch heute aktiv), 1950 Mitbegründer des Rates der Gemeinden Europas, 1953— 1968 Mitglied des Kantons-parlamentes Basel-Stadt, 1955— 1960 Präsident der Freisinnig-demokratischen Partei Basel-Stadt, seit 1970 Präsident des Basler Dachverbandes für Umweltschutz. Veröffentlichungen u. a.: Entstehung der Landeshoheit in der Schweiz, 1930; Geschichte der Volksfreiheit und der Demokratie, 1939, 2. Aufl. 1949; Gemeinde-freiheit als Rettung Europas, 1943, 2. Aufl. 1947; Für Freiheit und Recht. Leitartikel zum Weltgeschehen in der Basler . Nationalzeitung'1940— 1945, 1948; Von den Grundlagen des Staates. Worte eines Schweizers an die deutschen Staatsbehörden und Selbstverwaltungsfreunde, 1950; Zum Kriegsausbruch von 1914, in: Festschriften für Edgar Bonjour, 1968, und Fritz Fischer, 1973; Staatlicher Großraum und autonome Kleinräume, Ausgewählte Aufsätze, 1976; Der Jura und der Kanton Bern. Der säkulare Zwiespalt Nordjüra-Südjura, 1977.