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Ökologische Ignoranz als ökonomisches Prinzip. Umweltzerstörung und Umweltpolitik in Japan | APuZ 23/1977 | bpb.de

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APuZ 23/1977 Umweltpolitik in Osteuropa. Über ungenutzte Möglichkeiten eines Systems Ökologische Ignoranz als ökonomisches Prinzip. Umweltzerstörung und Umweltpolitik in Japan

Ökologische Ignoranz als ökonomisches Prinzip. Umweltzerstörung und Umweltpolitik in Japan

Helmut Weldner

/ 45 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Japan, lange Zeit als aufsteigender Wirtschaftsgigant bewundert, erregt nun weltweite Aufmerksamkeit als ein „gesellschaftliches Laboratorium", in dem die ökologischen und sozialen Folgeprobleme einer ungezügelten Wachstumspolitik deutlich beobachtet werden können. Die bisherige Wachstumsstrategie, die sich primär an der Steigerung der industriellen Produktion orientierte, stößt nun an die Grenzen des ökologischen Haushalts: Schwerwiegende Umweltprobleme, verbunden mit einer großen Anzahl von oft tödlichen Gesundheitsbeeinträchtigungen, sind die Folge. Die politische Umsetzung der sozialen Folgekosten der als Raubbaukapitalismus definierten Form der japanischen Wachstumspolitik erfolgte erst, als sich immer größere Bevölkerungsteile gegen die ökologische Ignoranz von Staatsapparat und Industrie zur Wehr setzten und mit Hilfe einer „umweltfreundlichen" Rechtsprechung und der Unterstützung eines großen Teils der Massenmedien Sand in das Wirtschaftsgetriebe warfen: Erst als die Schadenersatzkosten für die durch die Umweltverschmutzung Geschädigten in Einzelfällen exorbitante Höhen erreicht hatten und sich politische Folgekosten in Form von Wählerwanderungen zu umweltpolitisch engagierten Parteien zeigten, entschloß sich die japanische Regierung zu größeren Anstrengungen auf dem Gebiet der Umweltpolitik. Die hierbei eingeschlagene Strategie des Schadensmanagements in Form von partiellen Reparaturarbeiten an Umweltschäden zeitigte jedoch — wie die Umweltqualitätstrends beweisen — keinen befriedigenden Erfolg, da die Umweltausbeutung ein strukturelles Moment des japanischen Wirtschaftswachstums ist. Um den immer rascher steigenden Folgekosten der Umweltzerstörung Einhalt zu gebieten, hat sich die japanische Regierung zu einigen im internationalen Vergleich ungewöhnlichen Maßnahmen entschlossen, an deren Endpunkt zur Zeit die Diskussion um eine langfristige Transformation der Wirtschaftsstruktur steht. Ob diese Alternative einer stärker wohlfahrtsorientierten Politik auch aussichtsreich ist, scheint zumindest aufgrund einiger ihrer Voraussetzungen (z. B.der „ökologische Imperialismus" in der Form eines Exports umweltschädigender Industrien in Nachbarländer) zweifelhaft zu sein.

Die Faszination, die von Japans wirtschaftlicher Entwicklung ausging und die Erwartungen, die mit ihr verknüpft waren, haben in diesem Land lange Zeit eine kritische Wahrnehmung der damit verbundenen sozialen Folgekosten verhindert. Erst die Häufung schwerwiegender Umweltkatastrophen lenkten die Aufmerksamkeit von den atemberaubenden Wachstumsraten der „kommenden Supermacht" auf jenen Bereich, als dessen Kennzeichen das Bruttosozialprodukt (BSP) eigentlich gelten sollte: auf die gesellschaftliche Wohlfahrt Inzwischen wird nirgendwo mehr in Frage gestellt, daß Umweltqualität ein aussagekräftiger Indikator für die Wohlfahrtsstaatlichkeit von Industriegesellschaften ist. Da nun aufgrund der sinkenden Umwelt-qualität und der zunehmenden Gesundheitsbeeinträchtigungen offenkundig wurde, daß die Natur ein zwar geduldiger, aber nicht vergeßlicher Gläubiger ist, wird die Differenz zwischen Wohlfahrtserwartung und realem Wachstum von den Wachstumsprotagonisten primär mit mangelhaften Marktmechanismen erklärt.

Für wertvolle Informationen, die ich während meines Forschungsaufenthaltes in Tokio im Frühjahr 1976 erhielt, danke ich Herrn Nagel von der Friedrich-Ebert-Stiftung, Tokio, Herrn 'Yoshihiro Nomura vom Japan Center for Human Environmental Problems, Herrn Kyoshi Takeuchi, Office of Takeo Miki, und Herrn Jun Ui von der Bürgerinitiative Jishu-koza.

Die hier zugrundeliegende Annahme, daß Umweltschäden Folgeprobleme eines — mangels ökologischen Grundlagenwissens — nicht genügend behutsam gesteuerten Wirtschaftsprozesses sind, geht an den Ursachen vorbei, indem sie zu Symptomen macht, was im Fall Japans eine Grundvoraussetzung für den Wirtschaftsaufschwung seit Anfang der fünfziger Jahre war Die Entwicklung Japans scheint ein zutreffender Beleg für die im folgenden näher auszuführende These zu sein, daß die systematische Nichtberücksichtigung ökologischer Erfordernisse eine der tragenden — inzwischen allerdings brüchigen — Säulen ist, auf der das rapide wirtschaftliche Wachstum der letzten Jahrzehnte beruhte Daraus folgt, daß nur eine fundamentale neue, politökologisch orientierte Wachstumsstrategie aus dem bisherigen Dilemma herausführen kann — einem Dilemma, das durch die Politik des „peripheren Eingriffs" (Mayer-Tasch) ge-kennzeichnet ist und die „chronische Belastung aller statt der akuten Belastung weniger" (Jänicke) zur Folge hat

I. Umweltzerstörung als Voraussetzung von Wirtschaftswachstum: Großes Bruttosozialprodukt und geringe Lebensqualität

Abbildung 1

Die ökonomische Expansion Japans wird in der Regel mit solchen Faktoren wie preiswerter Arbeitskraft, Technologie-Import und staatlichen Wirtschaftsprotektionismus erklärt. Die negativen Kosten solch eines Wachstumsprozesses erscheinen dann als Randbedingungen. Hier wird dagegen die These vertreten, daß die bis vor kurzem permanente und systematische Nichtberücksichtigung des fragilen ökologischen Kontextes Japans eine wesentliche Voraussetzung für den „Erfolg" der bisherigen Wachstumsstrategie war die folgerichtig bis an den Rand des Kollapses des ökologischen Kreislaufs führte

Japans Aufstieg zur drittgrößten Industrienation der Welt innerhalb weniger Jahrzehnte ist deshalb das düstere Beispiel für einen Ökonomismus, der den Zweck des Wirtschaftens in der Steigerung des BSP unter Ausnutzung der komparativen Kostenvorteile auf internationaler Ebene bei fast völliger Nicht-achtung ökologischer Rahmenbedingungen sah. Insofern ist es zutreffend, die japanische Form des Kapitalismus als einen ökologischen Raubbaukapitalismus zu bezeichnen.

Da fast jedes Land seinen spezifischen ökologischen Haushalt hat, müssen die ökonomischen Aktivitäten auf die nationalen Besonderheiten abgestimmt sein: Ein Land, dessen Hauptnahrungsmittel Reis und Fischprodukte sind, kann es sich nicht leisten, seine Küstengewässer zu Kloaken zu machen und seine Reisfelder mit toxischen Substanzen zu düngen. Ein solches Land hat vielmehr auf diesen Gebieten noch schärfere Umweltschutzkriterien anzulegen als vergleichbare andere Industrienationen, deren Nahrungskomponenten einen anderen Schwerpunkt haben.

Für solche simplen ökologischen Wahrheiten waren die japanischen Wachstumsstrategen blind. Sie hatten das Wachstumskonzept und die dazu gehörende Technologie aus westlichen Industriestaaten importiert, deren ökologische Flexibilität entschieden höher ist Man wirtschaftete aber so, als hätte Japan einen noch höher belastbaren Naturhaushalt. Einige Daten sollen dies belegen: Japan ist mit seinen 370 000 qkm wohl kein kleines Land, gehört jedoch aufgrund seiner Bevölkerungszahl (1974: 110 Mio. Einwohner) und einer Einwohnerdichte von 295 Personen pro Quadratkilometer zu den dichtbesiedeltsten Ländern der Welt. Der statistische Durchschnitt gibt jedoch noch keinen adäquaten Eindruck von den realen Verhältnissen, denn nur rund 20 Prozent des gesamten Staatsgebietes sind besiedelbar, wobei davon der größte Anteil aus den flachen Küstengebieten besteht, die zugleich bevorzugte Industrialisierungsobjekte sind.

Insofern ergibt sich eine bedeutend höhere Bevölkerungsballung als der statistische Durchschnitt ausweist. Rund 70 Prozent aller Japaner leben in Städten; hiervon allein 58 Prozent in den „Big Four Metropolitan Areas" um Tokio, Osaka, Nagoya und Kitakyushu. Die Bevölkerungsballungsgebiete sind zugleich industrielle Ballungsgebiete. Die immense industrielle Konzentration auf stark begrenzter Fläche wird durch folgende Zahlen offenbar: Das BSP je qkm nutzbarer Fläche ist in Japan 14mal so hoch wie in den USA, 5mal so hoch wie in Frankreich und 3, 5-bzw. l, 7mal so hoch wie in Großbritannien bzw. in der Bundesrepublik. Solche Vergleichszahlen sagen noch wenig über ökologische Probleme aus; dazu ist ein Blick auf die Industriestruktur notwendig. Hier ist nun zu erkennen, daß Japans Wachstumsstrategie der letzten Jahrzehnte darin bestanden hat, nicht nur den Anteil des Primär-sektors (Landwirtschaft, Fischerei) am BSP zugunsten des Sekundärsektors rapide zu senken, sondern innerhalb des Sekundärsektors besonders die Schwer-, Chemie-und Mineralölindustrie auszubauen. Die Produktion in diesen Sektoren verzehnfachte sich fast im Zeitraum 1956— 1968. Diese bekanntermaßen „verschmutzungsintensiven" Industrien wurden vor allem unter dem Kriterium der internationalen Konkurrenzfähigkeit als Wachstumsindustrien gewählt — wobei ein gewichtiger Faktor für die komparativen Kostenvorteile in der international überproportionalen Nichtberücksichtigung von Entsorgungsanlagen lag Die internationale Konkurrenzfähigkeit japanischer Schlüsselindustrien ist also wesentlich durch eine exzessive Umwelt-ausbeutung bestimmt.

Daß Japans Industrie im Vergleich zu anderen hochentwickelten Staaten einen Überhang an verschmutzungsintensiven Bereichen hat, belegt eine Studie der nationalen Umweltbehörde: „Japan emittiert selbst bei gleichem Auslastungsgrad der Betriebe größere Mengen an Umweltschmutz als europäische Staaten oder Nordamerika", und zwar zwischen bis 40 Prozent. Dabei ist zu bedenken, daß Japan geringere „Umweltkapazitäten" hat: „Verglichen mit anderen Ländern leidet Japan an einer relativen Knappheit an Luft, Wasser, Boden und anderen natürlichen Ressourcen." 10)

Bei dem Wachstumstempo der letzten Jahre (die durchschnittliche Wachstumsrate des BSP betrug zwischen 1961 und 1970 rund Prozent) nimmt es unter den vorgenannten Voraussetzungen nicht wunder, daß die ökologischen Grenzen wirtschaftlichen Wachstums schon nach kurzer Zeit spürbar wurden 11):

Seit etwa Mitte der sechziger Jahre häufen sich in Japan die Umweltkatastrophen. In keinem anderen westlichen Land gab es bisher — abgesehen von England in den fünfziger Jahren — eine so hohe Zahl von Krankheits-und Todesfällen, die durch Umweltverschmutzung bedingt ist. An den meisten Umweltkatastrophen sind Japans Wachstumsindustrien beteiligt. Japan hat auf Kosten seiner ökologischen Ressourcen ein Industrieimperium aus dem Boden gestampft, das immer mehr von der Substanz seiner natürlichen Grundlagen zehren mußte Die Kostenvorteile durch exzessive Umweltverschmutzung beginnen nun zu schwinden und werden allmählich von den Folgekosten aufgezehrt; deshalb wird es auch ökonomisch immer dringlicher, Umweltschutzgesichtspunkten stärker Rechnung zu tragen

Die japanische Regierung scheint nunmehr erkannt zu haben, daß der Umweltzerstörung auf lange Sicht nicht mit partiellen Eingriffen beizukommen ist. Die neuesten politischen Überlegungen zur Wirtschaftsentwicklung gehen daher davon aus, daß Japans Industrie-struktur geändert werden müsse Angestrebt werden sollen ein „knowledge-intensive growth“ und verstärkte soziale Infrastrukturleistungen. Auf letzterem Gebiet hat Japan tatsächlich ein immenses Nachholbedürfnis, denn „nationaler Reichtum” und „gesellschaftliche Wohlfahrt" entwickelten sich keineswegs parallel: „Die moderne japanische Gesellschaft hat ältere Formen von Armut nicht beseitigt; statt dessen hat das rasante Wirtschaftswachstum eine neue Art von Elend geschaffen." So liegt der japanische Wohlfahrtsindex im Vergleich zu anderen wichtigen westlichen Industriestaaten am unteren Ende der Skala Der industrielle Superstaat gründet sich also in hohem Maße auf soziale Unterentwicklung

II. Konfliktfeld Umweltschutz: Wer den Schaden hat, braucht sich um mächtige Gegner nicht zu sorgen

In den letzten Jahren ist der Protest im Lande in solchem Maße gewachsen, daß er nicht mehr ignoriert oder unterdrückt werden kann, wie das lange Zeit der Fall gewesen ist, denn die Geschichte der Umweltzerstörung in Japan ist zugleich die Geschichte der Unterdrückung von „untermächtigen''Bevölkerungsteilen durch die übermächtige Trinität von Großindustrie, Zentralregierung und Bürokratie. Das politische System Japans unterscheidet sich von westlichen Demokratien durch den wesentlich höheren Verfilzungsgrad dieser drei gesellschaftlichen Teilsysteme. Dieser Tatbestand hat dem japanischen Staat den Beinamen „Japan AG" eingetragen. In diese Machtphalanx reihten sich anfangs noch Institutionen wie Parteien, Gewerkschaften und Wissenschaftsinstitute ein, die im Einklang mit den herrschenden Interessen ihr Bestes gaben, die keimende Widerstandsbewegung unter den Opfern der Umweltzerstörung zu unterdrücken. Weshalb es trotzdem nicht gelang, die Betroffenen zu einer Kaste von „Umweltparias" zu machen, soll an einigen berüchtigten Konfliktfällen gezeigt werden

1. Minamata/Chisso

Der erste Minamata-Krankheitsfall trat im April 1956 in der kleinen Industriehafenstadt Minamata (Kumamoto-Präfektur) im Südwesten von Kyushu auf. Die dabei festgestellten Krankheitssymptome (Krämpfe, Hör-und Sprachstörungen, Hirnschäden etc.) waren in dieser Kombination bis dahin unbekannt gewesen. Kurze Zeit nach der Entdeckung des ersten Falles stieg die Zahl der Krankheitsfälle an. Eine Forschergruppe kam Ende 1956 zu dem Untersuchungsergebnis, daß eine Schwermetallvergiftung vorliege. Dies führte auf die der Chisso in Spur Fabrik Minamata, einem der größten Chemieunternehmen Japans, das seine Abwässer ungereinigt in die Minamata-Bucht einließ. 1957 hatte sich die Zahl der Kranken auf 52 erhöht; 21 waren gestorben.

Die Behörden waren bis dahin untätig. Ein Appell an die Bezirksbehörden, die Untersuchung der Abwässer von Chisso zu ermöglichen, blieb ohne Gehör. Die Zunahme der Krankheitsfälle und das Auftreten von massenweisem Fischsterben zwangen die Präfektur schließlich zur Aktion: Sie verhängte ein Verkaufsverbot über Fische aus der Minamata-Bucht. Eine Kompensationsregelung für die wirtschaftlich hart getroffenen Fischer wurde dabei nicht vereinbart. Die bis dahin blühende Fischereiwirtschaft in Minamata war zusammengebrochen. Ende 1959 drangen protestierende Fischer in das Fabrikgelände ein, um ihren Schadensersatz-forderungen Nachdruck zu verleihen. Eine Welle von Feindseligkeiten seitens der Fabrikarbeiter und der Mehrzahl der Einwohnerschaft (ein Drittel der Arbeitnehmer von Minamata war bei Chisso beschäftigt) schlug den demonstrierenden Fischern und später auch den gesundheitlich Geschädigten entgegen. Nach langwierigen Verhandlungen wurde den Fischern insgesamt 100 000 Dollar Schadensersatz gezahlt. Den von der Vergiftung betroffenen Familien zahlte Chisso pro Todesfall 800 Dollar, während jeder erkrankte Erwachsene 280 und jedes Kind 80 Dollar pro Jahr erhielten. Der „unabhängige" Vermittlungsausschuß hatte aber in den Vertrag eine Zusatzklausel aufgenommen, die besagte, daß der Vertrag ungültig würde, wenn sich die Unschuld Chissos erweisen sollte. Im Falle eines nachgewiesenen Verschuldens Chissos durften die Opfer jedoch keine weiteren oder höheren Ansprüche mehr stellen.

Inzwischen hatten sowohl Chisso als auch Behörden einige Gutachten von Universitätsmitgliedern anfertigen lassen, die alle die Quecksilbertheorie angriffen und auf eine Reihe anderer möglicher Ursachen hinwiesen. Der Effekt dieser Verwirrungstaktik war, daß die Öffentlichkeit die Quecksilbertheorie anzweifelte und keine vorbeugenden Maßnahmen gegen mögliche andere Fälle von Quecksilbervergiftungen initiiert wurden. Die — wenn auch minimalen — Kompensationszahlungen, der Gegendruck von Bevölkerung, Unternehmensleitung und Behörden und die Gefälligkeitsgutachten wissenschaftlicher Autoritäten sorgten dafür, daß 1962 der Minamata-Fall allmählich in der Versenkung verschwand. Bis dahin waren 121 Opfer bekannt, von denen 46 gestorben waren.

2. Minamata/Showa Denko

Da die Theorie, daß Quecksilber die Minamata-Krankheit verursacht, keine offizielle Anerkennung fand, wurden auch keine behördlichen Maßnahmen zur Vorbeugung weiterer Vergiftungsfälle vorgenommen. Opfer dieser Politik wurden die Betroffenen des zweiten Minamata-Falles, der 1965 in Niigata (Honshu) an der Mündung des Agano-Flusses auftrat. Ein unabhängiges Forscherteam hatte bald die Ursache entdeckt: Quecksilber, das durch das am oberen Flußlauf gelegene Unternehmen Showa Denko mit seinen Abwässern in den Fluß geleitet und von Fischen aufgenommen wurde. Ähnlich wie im Falle Chisso schlugen sich jedoch die Behörden auf die Unternehmerseite und zweifelten mit einer Vielzahl vager Argumente die Quecksilbertheorie an. Hierbei taten sich besonders das MITI (Ministry of International Trade and Industry) und die Economic Planning Agency hervor.

Inzwischen waren von den ersten 30 Betroffenen fünf gestorben. Erst als die Beweise für die Quecksilbertheorie überhand nahmen und die Minamata-Krankheit dank des emsigen Agierens von Bürgerinitiativen und ausgiebiger Pressemeldungen nationale Publizität erlangte, wurde diese Theorie in einem Regierungsbericht von 1968 offiziell anerkannt. Statt nun so schnell wie möglich harte Maßnahmen gegen die beiden Unternehmen zu ergreifen, setzte die Regierung eine Schiedskommission ein, die Kompensationsregelungen erarbeiten sollte. Im Laufe des Konflikts war aber das traditionell große Vertrauen in die Neutralität von Regierungsorganen bei einem Teil der Opfer so weit gesunken, daß sie mit der Unterstützung von Bürgerinitiativen, Studenten der „New Left" und einigen unabhängigen Forschern Zivilprozesse gegen die Unternehmen anstrengten. Es waren die ersten Umweltverschmutzungs-Prozesse in der Geschichte Japans. Andere Gruppen von Betroffenen entschieden sich dagegen entweder für eine Regelung durch die Schiedskommission oder versuchten u. a., durch einen eineinhalb Jahre andauernden Sitzstreik vor dem Chisso-Hauptgebäude in Tokio direkte Verhandlungen mit der Unternehmensführung zu erzwingen.

3. Itai-Itai

Die Itai-Itai-Krankheit (Itai-Itai heißt Au! Au!; so wird die Krankheit wegen ihrer großen Schmerzen genannt) war in einzelnen Fällen schon 1920 aufgetreten; ihre Besonderheit wurde aber erst 1946 entdeckt. Zuvor hatte man sie für eine besondere Form von Rheumatismus gehalten. Sie trat zuerst und vorwiegend im Flußgebiet des Jinzu (Toyama-Präfektur) auf, in den das Kamioka-Bergwerksunternehmen seine unbehandelten Abwässer leitete. Das Flußwasser wurde von den Bauern zur Bewässerung von Reisfeldern benutzt. Als 1957 ein Arzt die Krankheit auf Schwermetallvergiftungen zurückführte, wurde das aber von der Fachwelt ignoriert. 1960 leite-te eine unabhängige Forschergruppe, die Cadmium als den entscheidenden Giftstoff identifizierte, ihre Ergebnisse den Behörden der Toyama-Präfektur zu und forderte Gegenmaßnahmen. Bis 1961 erfolgte keine Reaktion. Dann erst setzte die Präfektur eine Untersuchungskommission ein, von der die Forschergruppe jedoch ausgeschlossen wurde.

1964 wurden auch in anderen Gebieten Itai-Itai-Opfer bekannt. Im September 1966 schließlich kam auch die staatliche Kommission zu dem Ergebnis, daß Cadmium der Krankheitsverursacher sei. Hierauf wurde Mitte 1967 eine neue Untersuchungskommission unter Leitung des Gesundheitsministeriums eingesetzt. Deren Ergebnis führte dann 1969 zu den ersten systematischen administrativen Kontrollmaßnahmen. Inzwischen gab es über 100 Krankheits-und mehrere Todesfälle. Die Betroffenen waren mittlerweile der ständigen Verzögerungstaktiken überdrüssig geworden und reichten Anfang 1968 Klage gegen das Bergwerksunternehmen ein.

4. Yokkaichi-Asthma In der südöstlich von Tokio gelegenen Industriestadt Yokkaichi wurden 1960 die ersten Asthmaerkrankungen durch Luftverschmutzung bekannt; wenige Jahre später waren die ersten Toten zu beklagen. Die Zahl nahm im Laufe der folgenden Jahre rapide zu: Anfang der siebziger Jahre waren es schon rund 1 000 Kranke und 60 Tote. Da die petrochemischen Unternehmen, deren Schwefeldioxid-Emissionen die Hauptursache der Erkrankung der Atemwege sind, nur zu geringen Abhilfemaßnahmen (Erhöhung der Schornsteine etc.) bereit waren und generell eine Schadensersatz-verpflichtung bestritten, reichten 1967 einige Betroffene Klage gegen sechs Unternehmen ein.

Die hier geschilderten Katastrophen decken noch längst nicht die gesamte Palette aller Gesundheitsschädigungen und Todesfälle durch Umweltverschmutzung ab. Es sind nur die spektakulärsten Fälle, die zu Beginn der siebziger Jahre zu den aufsehenerregenden Entscheidungen in den „Vier großen Umweltverschmutzungs-Prozessen" führten. Die Prozesse gingen alle positiv für die Kläger aus. Chisso wurde dadurch an den Rand des Bankrotts gedrängt. Insgesamt hat dieses Unternehmen vermutlich 55 Mio. Dollar für Gesundheitsschäden, zwischen 40 und 70 Mio. Dollar an Beseitigungskosten (Rekultivierung der verseuchten Minamata-Bucht) und 8, 7 Mio. Dollar für Fischfangverluste zu zahlen.

Bemerkenswert an den Gerichtsentscheidungen ist ihr rechtsschöpferischer Charakter, der eindeutig Umweltinteressen vor ökonomischen die Priorität einräumt und den gordischen Knoten der kausalen Verursacherbestimmung dadurch zerschlug, daß nunmehr Plausibilitätskriterien für ausreichend erachtet werden. Diese Trennung der „rechtlichen" Kausalität, der Plausibilitätskriterien genügen, von der „wissenschaftlichen" Kausalität, die auf hundertprozentige Gültigkeit angelegt ist, zeigt, daß die Richter mehr von der Um-weltproblematik begriffen haben als die Naturwissenschaftler, deren methodisch verbrämter Pseudo-Rigorismus oftmals die Argumente für schärfere Standards unterminiert: . Reinheit’ der Wissenschaft und Verschmutzung der Umwelt gehen hier Hand in Hand. Der akademische Grenzwertstreit, von dem die Verschmutzerlobby profitiert, ignoriert die banale Tatsache, daß Theorien zu ändern sind, Menschen jedoch nur einmal sterben.

die Regierung den Richtern Auch von wurde wegen der Vernachlässigung ihrer Sorgfaltspflicht hart kritisiert: „Das Gericht ist sich der Tatsache voll bewußt, daß die Regierung es auf allen Ebenen versäumt hat, im voraus sorgfältige Untersuchungen über mögliche Schäden anzustellen, die durch die von diesen Betrieben erzeugten Schadstoffe entstehen könnten."

Neben den genannten gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Umweltprobleme (photochemischer Smog, chronische Arsenvergiftung, PCB-und Hexachromvergiftungen etc.), die in den letzten Jahren zu einem scharfen Anstieg von Krankheits-und Todesfällen geführt haben. Schließlich existiert noch eine außerordentlich hohe Dunkelziffer von Betroffenen, die nicht in der Statistik auftaucht, sei es aus Unwissenheit über die Krankheitsursache, aus Scham, Kompensationsleistungen zu fordern, oder aus Furcht vor sozialer Ächtung. Die gesellschaftliche Diskriminierung richtet sich einmal gegen die Kranken als „Anomale", die sozusagen als Abweichler von einem gesellschaftlichen Gesundheitsbegriff geächtet werden, und zum zweiten gegen Kompensationsforderungen, die als Schmarotzertum begriffen werden Die Ursachen solcher Diskriminierungen werden einerseits mit dem spezifischen japanischen Volkscharakter erklärt, andererseits spielen handfeste Interessen eine Rolle, da befürchtet wird, die Kompensationszahlungen könnten das eigene Unternehmen in Schwierigkeiten bringen und dadurch zur Arbeitsplatzgefährdung führen. An manchen Orten (exemplarisch: Minamata) haben sich die Fronten zwischen Betroffenen und den übrigen Einwohnern derart verschärft, daß eine zusätzliche soziale Polarisierung entstanden ist: Hier die Umweltkranken, dort die „Gesunden"

Es wäre jedoch falsch, verallgemeinernd anzunehmen, Umweltzerstörung bewirke immer eine solche Zerstörung des sozialen Klimas. Es gibt auch Beispiele dafür (exemplarisch: Numazu-City), daß der Kampf gegen Umwelt-zerstörungen eine breite Solidarisierungswelie auslöste, was zu einem rapiden Anstieg des Interesses breiter Schichten an allgemeinen Kommunalangelegenheiten führte Hierin ist wohl der positive Beitrag von Umweltschutzbewegungen unter reformstrategischen Gesichtspunkten zu sehen: Der begrenzte Umweltkonflikt fördert die Bereitschaft zum weiterreichenden politischen Engagement.

Man sollte nun meinen, daß selbst die vermutlich zu tief angesetzte Zahl von Gesundheitsschädigungen eine verantwortungsvolle Regierung zu höchsten Anstrengungen auf dem Gebiet des Umweltschutzes hätte treiben müssen. Und tatsächlich hatten die japanische Regierung wie auch die meisten Präfekturregierungen eine immense Anstrengung unternommen, die Zahl der Betroffenen so niedrig wie möglich zu halten — indem sie sie als durch Umweltverschmutzung geschädigte erst gar nicht zur Kenntnis nahm.

Aus den zahlreichen Konfliktfällen ist folgende Rolle der Regierungen auf nationaler wie auf Präfekturebene zu erkennen: In der Anfangsphase eines Konflikts zwischen Industrie und Geschädigten ignorieren die staatlichen Machtträger den Fall — in der Annahme, daß der wirtschaftlich Stärkere auch das Recht auf seine Seite bekommen wird — so lange, bis er ein solches Konfliktpotential erreicht, daß er zu einem nationalen „issue" wird. Von dieser Phase an schaltet man sich als „neutraler Vermittler" ein, um durch das Einsetzen von Untersuchungskommissionen und ähnlichen Formen symbolischer Politik den Konflikt zu entschärfen. Im weiteren Verlauf werden Schiedskommissionen gebildet, die die Kosten der Industrie so niedrig wie möglich halten sollen: In der Regel wurden von solchen Kommissionen ungünstigere Schadensersatz-leistungen ausgehandelt, als sie später durch Gerichtsentscheidungen festgesetzt wurden. Erst als die Obrigkeit ihren Legitimitätskredit durch zu offensichtliche Einseitigkeit überzog und die Betroffenen außerdem erkannten, daß sie als militante Anwälte in eigener Sache den größeren Erfolg hatten, kam dem Staatsapparat die Erkenntnis, daß die politischen Kosten der bisherigen Strategie auf die Dauer zu hoch würden. Auch die Wirtschaft sah allmählich ein, daß die bisherige ungehemmte Zerstörung von Umweltressourcen durch ständig steigende Schadensbeseitigungskosten auf sie zurückschlug.

Insbesondere als nach dem Ausgang der ersten Umweltprozesse erkennbar wurde, daß die Justiz ein wichtiger Gegenmachtfaktor gegen die Verschmutzerlobby war, begann die erste einschneidende Umorientierung in der offiziellen Umweltpolitik: Die Politik des Nicht-zur-Kenntnis-Nehmens von Umwelt-schäden bzw.der Unterdrückung berechtigter Forderungen von Geschädigten wich einer „weicheren" Politik, die primär durch „Verrechtlichung" der Umweltproblematik die Konflikte kalkulierbar zu machen suchte. Ein Ausdruck für diese neue Richtung war die Verabschiedung des „Pollution Related Health Damages Compensation Law" und die Änderung des „Plant Location Law", in das eine der Umweltverträglichkeitsprüfung ähnliche Regelung eingefügt wurde. Außerdem wurde angesichts der sich verschärfenden ökonomischen Krise (1974 hatte Japan zum erstenmal in seiner Nachkriegsgeschichte ein negatives Wachstum) verstärkt über strukturelle Änderungen innerhalb des Wirtschaftssektors nachgedacht.

Das schroffe Verhalten der Regierung gegenüber den Geschädigten wurde wesentlich ermuntert durch die Unterstützung von einer „korrumpierten Wissenschaftlerzunft" (Jun Ui) und den anfänglichen Beifall breiter Bevölkerungskreise sowie der Gewerkschaften. Diesem breiten Bündnis, das über alle anderen Differenzen hinweg durch eine Art „Wachstumshypnose" (und natürlich auch durch handfeste ökonomische Interessen) zusammengehalten vzurde, standen anfangs nur die Betroffenen und einige unentwegte Mit-streiter gegenüber.

Breitere Bündnisse in der Form von Bürgerinitiativen waren in der Anfangsphase des Umweltkonflikts so gut wie unbekannt; sie schossen erst mit zunehmender Ausdehnung der Umweltzerstörungen wie Pilze aus dem Boden und wurden zu einem unübersehbaren Faktor auf dem Feld des Umweltschutzes Ihre Zahl wuchs von 1970 von 292 bis 1974 auf 1 249. Diesen offiziellen Angaben steht die Information von Bürgerinitiativ-Experten entgegen, daß die Zahl inzwischen auf rund 10 000 angewachsen ist. Auch die Ansichten der Bevölkerung änderten sich mit der Zunahme der Umweltbeeinträchtigungen, die das anfängliche Problem einer sozialen Minderheit (Fischer, Landwirte) zu einem mit nationalen Ausmaßen werden ließ. Umweltzerstörungen zugunsten von Wirtschaftswachstum wurden — Meinungsumfragen zufolge — immer weniger toleriert. „Das Zeitalter der Kalkulatoren ist vorüber", formulierte einer der bedeutendsten japanischen Ökonomen diesen Sachverhalt und meint damit, daß die Publizierung von Wachstumsraten in der Bevölkerung kaum noch auf Interesse stößt; man fragt vielmehr nach allgemeiner Wohlfahrt

Auch bei den Gewerkschaften und den Oppositionsparteien fand eine partielle Umorientierung statt. Hatte noch zu Beginn des Minamata-Konflikts die Betriebsgewerkschaft von Chisso ihre Mitglieder zu Gewalttätigkeiten gegen die demonstrierenden Betroffenen ermuntert bzw. Prozesse gegen sie initiiert, so schwenkte sie im Laufe des Konflikts teilweise von diesem Konfrontationskurs ab und ergriff für die Unternehmensgegner Partei. Dieser Einzelfall kann aber keinesfalls generalisiert werden. Die Gewerkschaften zeigen sich in diesem Land — und das haben sie mit Gewerkschaften in den meisten anderen westlichen Industriestaaten gemein — als Institutionen, die stets eine Bresche für das forcierte Wirtschaftswachstum (auch in den alten Bahnen) zu schlagen bereit sind. Da sie zudem als Betriebsgewerkschaften organisiert sind und ihre Dachverbände nur geringen Einfluß auf ihre Politik haben, besteht auch in Zukunft wenig Aussicht auf eine umfassende gewerkschaftliche Umweltschutzstrategie. Noch vor kurzem wurde von den beiden größten Dach-verbänden ganz deutlich gesagt, daß die Aufgaben der Gewerkschaften primär im Bereich der Beschäftigungspolitik und nicht auf dem Gebiet der Gesundheitspolitik lägen

Die vier größeren Oppositionsparteien (Sozialisten, Kommunisten, Komeito und Sozialdemokraten) kümmerten sich erst sehr spät um den Umweltschutz; sie sprangen sozusagen auf den fahrenden Zug, als deutlich wurde, daß sich umweltpolitische Forderungen auch in Wählerstimmen umsetzen lassen. Ernsthafte umweltpolitische Forderungen findet man zur Zeit allein bei der Kommunistischen Partei und bei der Komeito-Partei (einer konservativen religiösen Gruppe) wie auch bei einigen wenigen progressiven Präfekturregierungen, die nicht von der Regierungspartei (der Liberalen Partei) dominiert werden Wirtschaftspolitische Alternativen zum Konzept der Regierungspartei hat offenbar keine der Oppositionsparteien anzubieten

Der Umweltschutzgedanke, so ist abschließend festzuhalten, wird in Japan immer noch hauptsächlich von den zahlreichen Bürgerini-tiativen vorangetrieben, die — unterstützt von einem wachsenden Bevölkerungsteil und zahlreichen Massenmedien — durch ihre unentwegte Agitation dafür sorgen, daß die nationale Umweltpolitik nicht zum Stillstand kommt

III. Die japanische Umweltpolitik Sicherung des nationalen Minimums

Bis Ende der sechziger Jahre bestand in Japan die offizielle Umweltpolitik darin, die Interessen der Privatwirtschaft an Profitmaximierung auch angesichts ihrer lebensbedrohenden Effekte zu verteidigen. Das staatliche Machtpotential wurde primär dazu eingesetzt, die Umweltfrage nicht zu einer „öffentlichen Frage" werden zu lassen. Eine differenziertere Form von staatlichem Krisenmanagement begann erst, als die Umweltzerstörung rapide zunahm und zu verstärktem Widerstand wachsender Bevölkerungsteile führte. Die zweite Etappe der staatlichen Umweltpolitik, charakterisiert durch die Politik des Schadensmanagement, setzte mit der Verabschiedung des ersten umfassenden Umweltschutz-gesetzes im Jahre 1967 ein. Sie ist in ihrem weiteren Verlauf gekennzeichnet durch die schrittweise Abkehr von dem Prinzip: „Erst die Industrie, dann die Gesundheit". Hatte noch das Umweltgesetz von 1967 die Formel enthalten, daß Umweltschutz nur in Harmonie mit wirtschaftlichem Wachstum zu verwirklichen sei, so wurde dieser Passus schon wenige später gestrichen.

Ende 1970 begannen dann die Sitzungen des sogenannten Verschmutzungs-Parlamentes (Pollution Diet), in deren Verlauf vierzehn Umweltschutzgesetze verabschiedet wurden. Die Gesetze beeindruckten durch ihre Spannweite und ihre Schärfe — die tatsächliche Entwicklung demonstrierte jedoch bald, daß hier ein Paragraphentiger aus dem Käfig gelassen worden war, der sich rasch die Zähne an den verkrusteten Machtstrukturen des industriell-bürokratischen Komplexes ausbiß. Die gesetzlichen Regelungen krankten vor allem daran, daß sie auf eine Strategie des „peripheren Eingriffs" zugeschnitten waren, d. h., sie waren vor allem wirkungs-und nicht ur-sachenbezogen konstruiert. So wurde eine Vielzahl von Standards, Normen und Regelungen erlassen, die schon deshalb relativ wirkungslos blieben, weil sie zu niedrig angesetzt waren oder das Problem des Synergismus, der Kumulation und der Persistenz von Schadstoffen außer acht ließen. Aber auch ihre Durchsetzung, die primär eine administrative Ressourcen-und politische Machtfrage ist, wurde nur halbherzig betrieben. Zugleich wurde der Spielraum der Kommunen für Eigeninitiativen durch die Zentralisierung der Richtlinienkompetenz stark beschnitten.

Die 1971 geschaffene zentrale Umweltbehörde, der ein Generaldirektor im Ministerrang vorsteht, wird von Kennern als das schwächste Glied innerhalb der politischen Bürokratie Japans bezeichnet Obwohl die Kompetenzen der Zentralregierung im Gegensatz zu föderalistischen Staaten auf dem Gebiet des fast unbeschränkt wurde sind, die Last der Kontrolle und der Durchsetzung von zentral festgelegten Umweltregelungen auf die der Präfekturen -Behörden abge wälzt. Dies hätte theoretisch von Vorteil sein können, wenn man von der größeren „Problemnähe" von Regionalbehörden ausgeht. Doch in Japan wird dieser Vorteil einer dezentralisierten Umweltpolitik durch die aufgrund beschränkter fiskalischer Ressourcen nur geringe Problemlösungskapazität auch „gutwilliger" Kommunalbehörden unterlaufen

Insofern war in die Umweltpolitik von vornherein ein Vollzugsdefizit einprogrammiert worden: Einerseits sollten die Regelungen für die Klientel staatlichen Wohlwollens — die Großindustrie — erträglich bleiben, andererseits konnte der Bevölkerung die mangelnde Effektivität mit Reibungsverlusten und Anlaufschwierigkeiten erklärt werden. Man spekulierte also auf ein Pardon für akzidentelle Schwierigkeiten, die in Wirklichkeit strukturelle Mängel waren. Diese Rechnung ging jedoch nicht auf. Die sich als Schadensmanagement verstehende reaktive Umweltpolitik erzeugte zunehmenden Widerstand und trieb außer diesen politischen Kosten auch die unvermeidlichen faktischen Beseitigungskosten so in die Höhe, daß neue Wege in der Umweltpolitik beschritten werden mußten, sollte die Umweltproblematik nicht zum Nährboden und Katalysator systemsprengender Bewegungen werden.

Die Militanz der Bevölkerung erstreckte sich zunehmend auf Industrialisierungsvorhaben aller Art. Hier war die Ablehnung so massiv, daß sie von den Kommunalbehörden nicht ignoriert werden konnte. Dieser Widerstand, dem die Erfahrung zugrunde lag, daß Industriealisierung oftmals mehr Probleme als positive Effekte schafft, führte zu einer Umwelt-strategie, die — soweit bekannt — in diesem Umfang allein Japan eigentümlich ist: Immer häufiger wurden zwischen Unternehmen und Kommunen wie auch zwischen Unternehmen und Einwohnergruppen sogenannte Umweltschutzvereinbarungen (Pollution Control Agreements) abgeschlossen, in denen Unternehmen Umweltschutzverpflichtungen eingehen, die den gesetzlichen Rahmen überschreiten. Bis Oktober 1973 waren insgesamt 5 097 solcher Umweltschutzabkommen geschlossen worden Eine Einschätzung der Wirksamkeit der Umweltschutzabkommen ist wegen der unzureichenden Informationslage nicht möglich. Aber nicht nur auf lokaler, sondern ebenfalls auf nationaler Ebene wurden einige Regelungen rechtlich verankert, die beispiellos in der Welt sind. Dazu gehören das „Gesetz über die Verteilung der Kosten öffentlicher Umweltschutzmaßnahmen" (Pollution Control Public Works Cost Allocation Law), das „Gesetz zur Schadensersatzregelung bei Gesundheitsschäden durch Umweltverschmutzung" (Pollution-Related Health Damage Compensation Law), die totale Emissionskontrolle für bestimmte Problemgebiete und die Einführung der international schärfsten Kfz-Abgasstandards.

1. Gesetz über die Verteilung der Kosten öffentlicher Umweltschutzmaßnahmen

Nach diesem Ende 1970 verabschiedeten Gesetz sind jene Privatunternehmen, deren Umweltbeeinträchtigungen staatliche oder kommunale Gegenmaßnahmen wie das Anlegen von Grünzonen, das Ausbaggern von kontaminiertem Flußschlamm, die Verlagerung von Wohnhäusern etc. nötig machen, zur Deckung der hierbei entstehenden Kosten je nach ihrem „Verschmutzungsbeitrag" verpflichtet. Der Kostenverteilungsplan wird von einem speziellen Gremium aufgestellt, das auf die wirtschaftliche Situation von Klein-und Mittelbetrieben besondere Rücksicht nehmen soll. Einen Teil der Gesamtkosten trägt allerdings die öffentliche Hand.

Die Problematik dieses Gesetzes liegt vor allem darin, daß seine Wirksamkeit von der Lokalbehörden abhängt, Aktivität Zentral-oder die schon dadurch gewisse Grenzen findet, daß ihnen durch die Kostenverteilung erhebliche finanzielle Belastungen erwachsen. Seit neuestem verstärken sich jedoch die Tendenzen, die Kosten in höherem Maße auf die Unternehmen abzuwälzen; eine staatliche Kommission (Central Pollution Countermeasure Council) kam zu folgender Maxime: „Die Verschmutzer sollten für alle Kosten aufkommen, die durch die Verhinderung von Umweltverschmutzung, die Wiederherstellung von Sachwerten in ihren ursprünglichen Zustand und durch Entschädigungszahlungen entstehen." Bis Februar 1974 wurde das Gesetz in 26 Fällen angewendet. Der Anteil an öffentlichen Mitteln betrug vermutlich zwischen 40 und 50 Prozent.

2. Gesetz zur Schadensersatzregelung bei Gesundheitsschäden durch Umweltverschmutzung

In der offiziellen Begründung heißt es, daß mit dem Gesetz zur Kompensation umweltbedingter Gesundheitsschäden eine raschere Hilfe für die Betroffenen ermöglicht werden sollte, die sonst den langwierigen und ungewissen Gerichtsweg hätten einschlagen müssen. Ausschlaggebend für diese fürsorgliche Haltung war jedoch vermutlich die immense Kostenbelastung gewesen, die durch „Umweltkrankheiten" auf die Träger öffentlicher Sozialleistungen zukam, und die zunehmende Militanz der Betroffenen. Auch wurden die Gerichtsverfahren von den Anwälten der Betroffenen mit Vorliebe als Foren zur Anklage von allgemeinen gesellschaftlichen Mißständen benutzt — eine wirksame Taktik, da die Presse Umweltschutzprozessen hohe Aufmerksamkeit schenkt. Durch die Erfolge dieser Taktik geriet die Regierung in Zugzwang und brachte das Gesetz in einiger Hast durch das Parlament

Das Gesetz sieht in bestimmten, durch Regierungserlaß spezifizierten Gebietseinheiten Kompensationszahlungen und medizinische Leistungen für Gesundheitsschäden durch Luft-oder Wasserverschmutzung vor. Die Zahlungen erfolgen nur an „anerkannte Verschmutzungsopfer", d. h., die Betroffenen sind einer offiziellen Untersuchung unterworfen, durch die ihre Berechtigung als Kompensationsempfänger überprüft wird. Die Höhe des Betrages variiert mit Schadensausmaß und vermutlichem (auch: zukünftigem) Nutzenverlust

Die entstehenden Kosten werden zu einem Großteil auf Schwefeloxide emittierende Unternehmen umgelegt, und zwar proportional zu ihrem „Output". In den festgelegten „Verschmutzungsregionen" haben die Unternehmen eine wesentlich höhere Gebühr zu zahlen. Der Verschmutzungsanteil „mobiler Quellen" wird durch den Transfer von einem Teil der Kfz-Steuereinnahmen in den Kompensationsfonds abgedeckt. 1975 wurden 20 Mrd. Yen allein für Kompensationszahlungen für durch Luftverschmutzung bewirkte Krankheiten benötigt; 1974 waren es erst 4 Mrd. Yen! 80 Prozent des Betrages kommen von stationären Emissionsquellen, der Rest fließt aus den Kfz-Steuereinnahmen zu. Die Kostenbelastung, die insbesonders Großunternehmen trifft, da „Kleinverschmutzer" von der Gebührenzahlung ausgenommen werden wird weiterhin ansteigen, und zwar in solch einem Maße, daß der japanische (Groß-) Untemehmerverband „Keidanren" 1976 den dringenden Appell an die Regierung richtete, das Kompensationssystem zu ändern: „Die Anzahl anerkannter Luftverschmutzungsopfer wird vermutlich auf etwa 80 000 Menschen Ende 1976 anwachsen. Die gesamten Kompensationszahlungen an sie werden vermutlich 44 Mrd. Yen im Jahre 1976 betragen" Besonders hart scheint die (export-orientierte) Stahlindustrie betroffen zu sein; eines der größten Unternehmen dieser Branche hatte 1975 2 Mrd. Yen an Kompensationszahlungen zu leisten, was in etwa 20 Prozent des Gewinns ausmachte

Es ist vorstellbar, daß die Regierung das hier noch durchgehaltene Verursacherprinzip bei einigen besonders belasteten Unternehmen durch die Vergabe langfristiger und zins-günstiger Kredite unterläuft. So hat sie z. B. die Gewährung eines Kredits in Höhe von 6, 5 Mio. Dollar für das Chemieunternehmen Chisso angekündigt. Ein beachtlicher Teil der Kosten wird schon jetzt von der öffentlichen Hand beglichen

Läßt man einmal die Unmöglichkeit, Gesundheitsschäden angemessen durch finanzielle Leistungen zu kompensieren, außer Betracht, so leidet die Effektivität des Gesetzes vor allem darunter, daß nur die schlimmsten Problemgebiete und nur eine geringe Zahl von Krankheitsarten von den Regelungen erfaßt sind.

Außerdem werden ja nur geschätzte Verdienstausfälle und die Rehabilitationskosten kompensiert; ein Schmerzensgeld wird ebensowenig gezahlt wie Sachschäden nicht berücksichtigt werden. In diesen Fällen muß der normale Gerichtsweg beschritten werden. Weiterhin sorgt das engmaschige Anerkennungsverfahren dafür, daß nur sehr eindeutige Fälle als „Verschmutzungsopfer" anerkannt werden. Zusammen mit den nicht-anerkannten Betroffenen machen diejenigen, deren Gesundheitsschäden von ihnen selbst nicht als umweltbedingte wahrgenommen werden, vermutlich eine beträchtliche Dunkelziffer aus. Das Gesetz ist auch desh^’b mangelhaft, weil es nicht schadensvorbeugend konstruiert ist: Erst ab einer signifikanten Zahl von Erkrankungen kommt sein Instrumentarium zum Einsatz. Das gibt z. B. Unter-nehmen in „Verschmutzungsregionen" die Möglichkeit, verschmutzungsintensive Zweige in relativ unbelastete Regionen auszulagern, um die höhere Emissionsgebühr zu umgehen. Die gleiche Überlegung trifft sicherlich auf Neugründungen zu. Trotz der genannten negativen Gesichtspunkte ist jedoch nicht zu übersehen, daß dieses Gesetz auch positive Auswirkungen hat, wie die kontinuierlich sinkenden Schwefeloxid-Immissionsbelastungen beweisen.

3. Totale Emissionsbeschränkung für Schwefeloxide

Die bisherigen Emissionsstandards für Schwefeldioxid waren auf singuläre Verschmutzungsquellen bezogen, so daß z. B.der Bau eines zweiten Schornsteins die Erhöhung des Ausstoßes ermöglichte. Außerdem stellte die alte Regelung auf die Konzentration in einer bestimmten Zeitspanne ab, so daß durch Verlängerung der Emissionszeit der Gesamtausstoß gesteigert werden konnte. Diese und andere Schwächen der Emissionsstandards führten dazu, daß immer weitere Gebiete von der Verschmutzung durch Schwefeloxide heimgesucht wurden. Im November 1974 wählte man deshalb durch Erlaß bestimmte stark industrialisierte Problemgebiete aus, in denen die erlaubte Gesamtmenge an Emissionen festgelegt wird, wobei an die einzelnen Unternehmen sozusagen „Verschmutzungszertifikate" über eine bestimmte erlaubte Gesamtmenge ausgegeben werden. In zehn Präfekturen ist dieses System bis Ende 1975 eingeführt worden. „New-comer" -Industrien werden verschärfte Standards auferlegt, um ihnen den Marktzutritt in Problemgebieten bewußt zu erschweren

Die Wirksamkeit solcher Regelungen hängt ganz entscheidend von der Schärfe der Emissionsstandards und der Kontrolle ihrer Einhaltung ab. Zur Zeit sind Untersuchungen im Gange, die den Weg für eine Einführung des „total emission control" -Konzeptes auch für stark verschmutzte Gewässer und für die Schadstoffe Stickoxid und Staub vorbereiten sollen (die Luftverschmutzung durch mobile Quellen versucht man dagegen durch die stufenweise Verschärfung der Kfz-Abgasstandards in den Griff zu bekommen).

4. Kfz-Abgasstandards

Die Standards für die verschiedenen Schadstoffe in den Abgasemissionen orientierten sich an den schärfsten der Welt — denen der USA —, wo sie inzwischen gelockert wurden In Japan wurde nur der ursprüngliche Standard für Stickoxide bis 1978 hinausgeschoben; dies ist nicht unproblematisch, da gerade diese Schadstoffart entscheidend zur Entstehung von photochemischem Smog beiträgt. Die Kooperation mit der Autoindustrie verlief in Japan wesentlich reibungsloser als in den USA, da die Zusatzkosten weitgehend durch Steuererleichterungen abgefangen wurden. Legitimiert wurde diese Politik mit dem Argument der langfristigen Sicherung der Exportmärkte Als flankierende Maßnahme bei der Bekämpfung der Umweltbelastung durch den privaten Verkehr soll in den zehn größten Städten Japans das gesamte Verkehrsaufkommen um zehn Prozent reduziert werden, und zwar überwiegend durch den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel. In Tokio wurden Kfz-Neuzulassungen außerdem vom Nachweis ausreichenden Abstellraums abhängig gemacht.

Die hier angeführten Umweltregelungen, die einzigartig im internationalen Vergleich sind, lassen sicherlich ein gewachsenes Problembewußtsein der japanischen Regierung und die verstärkte Suche nach einem wirkungsvolleren Regelungsinstrumentarium erkennen

Die japanische Umweltpolitik ist — das zeigen auch die hier nicht behandelten allgemeinen Regelungen für die verschiedenen Umweltmedien — primär dezentral ausgerichtet Hierzu gehört auch die Durchführung von Umweltschutzprogrammen (Pollution Control Programms) in regionalen Schwerpunkten, in denen die Umweltbeeinträchtigungen besonders gravierend sind. Bisher wurden 41 Regionen angewiesen, solche Programme zu entwickeln; in den meisten Fällen laufen sie schon seit längerem Neben dem dezentralen Ansatz zeichnet sich die japanische Umweltpolitik vor allem durch die Strategie der „Verpreisung von Gesundheit” (Kompensationszahlungen) aus. Auch für Vermögensschäden sollen verstärkt Kompensationsregelungen entwickelt werden. Der Markt-mechanismus wird lediglich insofern eingeschränkt, als durch gesetzliche Standards und Auflagen sozusagen eine Untergrenze definiert wird, die das Systemüberleben bei Erhaltung eines — offiziell so bezeichneten — „national minimum" sichern soll.

IV. Finanzielle Aufwendungen für Umweltschutz: Alte Versäumnisse werden teuer

Die Aufwendungen für Umweltschutzmaßnahmen der öffentlichen Hand sowie der Privat-wirtschaft sind von 1971 bis 1976 um mehr als 400 Prozent gestiegen. Man sollte sich von den Steigerungsraten jedoch nicht blenden lassen: Erstens hatte Japan in den letzten Jahren hohe Inflationsraten, zweitens hat Japan im Vergleich zu anderen Industrienationen eine große Lücke zu füllen und schließlich ist der Erfolg, wie die Umweltqualitätstrends zeigen, längst noch nicht gesichert

Der Anteil der Umweltschutzausgaben am Staatshaushalt (Zentralregierung) betrug 1976 rund 1, 5 Prozent. Interessant ist, daß sich die höchste Steigerungsrate im Titel „Hilfsmaßnahmen für Verschmutzungsopfer" findet; zwischen 1975 und 1976 stiegen die Ausgaben hierfür um 70 Prozent. Zusätzlich wurden beträchtliche Summen für staatliche Kredite und Finanzierungsfonds bereitgestellt. Diese Mittel kommen insbesondere Klein-und Mittelbetrieben zugute, die für Umweltschutzinvestitionen Kredite in Höhe von 65 Prozent der Anschaffungskosten zu einem Zinssatz von 2, 7 Prozent bekommen. Die staatliche Finanzhilfe für die Privatwirtschaft, für deren Regelung eine ganze Reihe öffentlicher Körperschaften geschaffen worden ist, umfaßt die Vergabe von Krediten, die Teilfinanzierung von Umweltschutz-maßnahmen, die Kostenbeteiligung bei Kompensationszahlungen für Verschmutzungsopfer und Steuererleichterungen.

Im Privatsektor nahmen die Umweltschutzinvestitionen ebenfalls erheblich zu. Wie die letzte Umfrage (September 1975) des MITI (Wirtschaftsministeriums) bei 1 430 Großbetrieben ergab, haben sie 1975 vermutlich 1 178, 3 Mrd. Yen betragen — gegenüber 1974 eine Steigerung von 27, 8 Prozent. Damit beträgt ihr Anteil an den Gesamtinvestitionen 18, 6 Prozent (1974: 15, 7 Prozent). Vom Gesamtbetrag entfällt der Löwenanteil mit rund 70 Prozent auf die sogenannten Verschmutzungsintensiven (high pollution generating Industries) : Eisen-und Stahlindustrie, Ölindustrie, Heizkraftwerke, Chemie-und Papierindustrie. Geht man davon aus, daß 1975 tatsächlich 1, 4 Billionen Yen investiert worden sind, dann wurde hiervon beinahe ein Viertel als öffentlicher Kredit zur Verfügung gestellt. 1976 wurde zum erstenmal mit einem Rückgang der Umweltschutzinvestitionen der Privatwirtschaft gerechnet. Inzwischen lebt die „Entsorgungsindustrie" zu fast 45 Prozent von öffentlichen Aufträgen.

Was haben diese Aufwendungen an realen Ergebnissen gebracht? Die Entwicklung der Umweltqualität soll hierauf die Antwort geben.

V. Zum Stand der Umweltqualität: Die Probleme werden komplexer

Angaben über die Umweltqualität als ein Basiselement für Lebensqualität lassen sich nicht als eine aggregierte Maßzahl (im Sinne eines „Gesamtindex Umweltqualität") wiedergeben, da längst noch nicht gesichert ist, was alles als Variable in sie eingehen sollte. Daher ist es derzeit nur möglich, für einige wichtige Indikatoren wie Luft, Wasser und Boden Trendentwicklungen anzugeben. Dieses Indikatorennetz ist sehr weitmaschig geknüpft; nur ein minimaler Bruchteil aller Schadstoffe wird gemessen. Auch die Relevanz bisher als wichtig erachteter Indikatoren ist fraglich: Es ist zu vermuten, daß besonders intensiv gemessen wird, was am leichtesten zu verändern ist.

Anhand des 1976 veröffentlichten Umweltreports für das Jahr 1975 werden im folgenden die wichtigsten Trends für die Bereiche Luft-, Wasser-und Bodenverschmutzung sowie für Lärm wiedergegeben

1. Luftverschmutzung

Ganz zu Recht wird im Umweltreport für 1975 festgestellt, daß die Luftverschmutzung zu einem „schrecklichen Problem" geworden ist. Denn trotz partieller Verbesserungen für den Schadstoff Schwefeldioxid nimmt die Häufigkeit von photochemischem Smog weiterhin zu. Dies liegt maßgeblich an den steigenden Stickstoffoxid-Emissionen, die eine Grundvoraussetzung für die Entstehung dieser Smogart bilden.

Seit den ersten bekanntgewordenen Schadensfällen durch photochemischen Smog in Tokio im Mai 1970 wurden auf breiter nationaler Ebene die Einführung von Smog-Alarmplänen und die Errichtung von Meßnetzen beschleunigt. Damit ist das Problem selbst natürlich nicht beseitigt worden.

Allein zwischen April und Oktober 1974 kam es in 22 Präfekturen zu 288 Smogwarnungen. Daß die bisherigen Gegenmaßnahmen nicht zureichend gegriffen haben, beweist die zunehmende regionale Ausdehnung des Smogs:

„Nicht nur die größten Metropolen, auch kleinere Orte in abgelegenen Bezirken werden jetzt vom photochemischen Smog heimgesucht."

Trendangaben über Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoff liegen nur für Tokio und Osaka vor. Hierbei zeigt sich, daß seit 1970 die Kohlenmonoxid-Konzentrationen in verkehrsreichen Gegenden sinken, während sie, auf Stadtgebiete bezogen, nur zum Stillstand gekommen sind. Auch für Kohlenwasserstoff liegen unveränderte Konzentrationswerte seit 1971 vor. Da beide Schadstoffe zu einem Großteil durch Kfz-Abgase verursacht werden, ist zu vermuten, daß die verschärften Abgas-Standards eine positive Wirkung haben werden.

2. Wasserverschmutzung

Hier haben die Umweltschutzmaßnahmen hauptsächlich nur das Tempo der Qualitätsverschlechterung vermindern können. Folgende Merkmale sind für den Zustand der japanischen Gewässer weiterhin kennzeichnend: a) Außerordentlich starke Verschmutzung der Flüsse, die durch Großstädte fließen und der ihnen benachbarten Küstengewässer.

b) Zunahme der durch PCB (Polychlorierte Biphenyle) und ABS (Alkylbenzolsulfonat; ein Bestandteil synthetischer Detergentien) verschmutzten Gewässer.

c) Zunehmende Verschlechterung der Wasserqualität und Eutrophierung in zirkulationsschwachen Buchten, Binnenseen und Marschen

Der im Weltmaßstab vermutlich einzigartige Verschmutzungsgrad japanischer Gewässer mit seinen hohen Kosten für Fischerei, Landwirtschaft und Gesundheit ist nicht zuletzt eine Folge der langjährigen Versäumnisse im Kanalisations-und Kläranlagenbau. Im Vergleich zu anderen Industrienationen, wo zwischen 60 und 90 Prozent der Bevölkerung an ein öffentliches Kanalisationsnetz angeschlossen sind, betrug die Anschlußquote in Japan 1974 nur 20, 5 Prozent. In den Städten liegt sie durchschnittlich bei 26 Prozent Jedoch nicht einmal die Abwässer dieser 20, 5 Prozent der Bevölkerung werden geklärt, über Kläranlagen selbst und ihre Reinigungskapazitäten und -stufen sind keine ausreichenden Angaben erhältlich.

Den Gedanken, durch ökonomische Anreize (Abwasserabgabensystem) ein effektiveres und effizienteres Instrumentarium der Gewässerschutzpolitik zu schaffen, hat man in Japan — wie auch in den meisten anderen Industrienationen — bisher nicht verwirklichen mögen über die Entwicklung der Meeresverschmutzung lassen sich generalisierende Aussagen aufgrund der vorliegenden Daten nicht machen. Es wird nur berichtet, daß die Zahl der aufgedeckten Meeresverunreinigungen in Küstengebieten abgenommen habe. Hieraus kann jedoch keine Aussage über den Grad der Verschmutzung abgeleitet werden, da z. B. das legale Dumping von Industriemüll stark anstieg — eine auch in anderen Industriestaaten beliebte Praxis der Problemverlagerung.

3. Bodenverschmutzung

Die starke Luft-und Gewässerverschmutzung hat auch negative Auswirkungen auf landwirtschaftliche Böden, deren Kontaminierung durch Schadstoffe steigt. Derzeit wird nur ein Bruchteil aller toxischer Substanzen erfaßt. Erst im April 1975 wurde Arsenik als toxische Substanz in das gesetzliche Regelungswerk zur Verhütung von Bodenverschmutzung aufgenommen. Für Experten ist es schon längst ausgemacht, daß die vielfältigen chemischen Substanzen, die weitgehend unkontrolliert den Produktionsbereich verlassen, das Umweltproblem der Zukunft darstellen werden.

Die weite Verbreitung der Schadstoffe PCB und Quecksilber in Gewässern und Böden und ihre besondere Gefährlichkeit für die menschliche Gesundheit durch ihre Akkumulationswirkungen führte 1973 zu landesweiten Untersuchungen, deren Ergebnisse erschrekkend waren: Ein hoher Prozentsatz an Fischen war derart mit beiden Schadstoffen verseucht, daß für zahlreiche Gebiete Abkommen über „freiwillige Fischfangbeschränkungen''geschlossen werden mußten. Besonders problematisch ist die hohe Konzentration im Bodensediment der Gewässer, da sich die Stoffe nur langsam abbauen.

Als Folge dieser Ergebnisse wurden 1973 ein Umweltchemikaliengesetz verabschiedet und die Standards für Quecksilber (Ende 1974) und für PCB (Anfang 1975) verschärft. Die schwierige Beseitigung dieser Giftstoffe aus der Umwelt macht deutlich, daß gerade hier nur eine ursachenbeseitigende Strategie, z. B. durch Produktions-oder Anwendungsverbote, erwünschte Effekte erzielen kann. Verschiedene positive Beispiele für diese Strategie liegen bereits vor; ein im Dezember 1975 veröffentlichter Bericht macht hierzu folgende Aussage: „Abgesehen von einigen Ausnahmen konnten Insektizide wie DDT und BHC sowie andere agrarisch genutzte Chemikalien nicht festgestellt werden. Auch in den Fällen, in denen ihr Vorkommen feststellbar war, lagen die Meßwerte so niedrig, daß davon ausgegangen werden kann, daß sich ihr Vorkommen in der Umwelt verringerte, nachdem ihr Gebrauch für landwirtschaftliche Zwecke verboten worden war."

Der bisherige Grad der Vergiftung läßt keinen Spielraum mehr für halbherzige Maßnahmen, wie es noch die schwachen Kontrollmaßnahmen für PCB waren — es sei denn bei bewußter Inkaufnahme potentieller Gesundheitsschäden. Die kumulativen, schwer abbaubaren und weit übers Land gestreuten Giftstoffe, deren Gesundheitsschädigungen meist erst viele Jahre später erkennbar werden, könnten sich zu dem größten Umweltproblem ausweiten, gegenüber dem sich die bisherigen Probleme noch als relativ einfach ausnehmen. Erste Anzeichen sind schon vorhanden: In vielen Gebieten Japans wurde mit giftigem Hexachrom durchsetzte Schlacke zur Landgewinnung oder zur Bodenaufschüttung verwendet. Inzwischen wurden von der Regierung 30 Tote und über 200 unheilbare Kranke als Opfer von Hexachrom-Kontaminationen ermittelt. Auch die Trinkwasserversorgung ist in manchen Gegenden durch diesen Giftstoff gefährdet. Weiterhin überschreitet die Zahl der Krebskranken in den chromverseuchten Gebieten den Landesdurchschnitt um ein Mehrfaches.

Was im folgenden von der Umweltbehörde zu PCB gesagt wird, könnte auch für eine Reihe anderer toxischer Substanzen stehen: „Eine im Jahre 1972 durchgeführte Untersuchung hat ergeben, daß Polychlorierte Biphenyle (PCB) in allen Gegenden Japans im Boden, in Gewässern, in landwirtschaftlichen Erzeugnis-sen, in Fischen und sogar in der Muttermilch feststellbar sind. Trotz des einstweiligen Produktionsverbotes, der Gebrauchsauflagen und anderer Maßnahmen, die die Verbreitung von PCB in der Umwelt verhindern sollen, scheint es wenig Möglichkeiten zu geben, etwas gegen die sich bereits in der Umwelt befindende große Menge dieses Stoffes zu unternehmen: Es ist außerordentlich schwierig, schädliche Substanzen aus der Umwelt zu entfernen, wenn sie erst einmal emittiert wurden."

4. Müllbeseitigung

Zunehmende Reinigungsleistungen bei Luft und Wasser haben in der Regel, besonders bei der heute vorherrschenden Methode des „end-of-pipe-treatment" anstelle von prozeßtechnischen Änderungen einen verstärkten Schadstoffanfall zur Folge, der irgendwie beseitigt werden muß. Dies geschieht dann häufig in der Form der „Problemverlagerung": Abfälle werden entweder in unzureichenden Deponien gelagert bzw. illegal beseitigt (Giftmüllskandale) oder in zunehmendem Maße ins Meer . verklappt'. Die USA und England sind hier die großen „Vorbilder"; aber auch andere Meeresanrainer sind nicht zimperlich dabei, die große „Müllkippe vor der Haustür" zu

Zu den legalen Methoden der Abfallbeseitigung gehört in Japan vor allem die Nutzung von Abfällen zur Landgewinnung und zur Schaffung „künstlicher Inseln", die dann meistens für Industrieansiedlungen genutzt werden Künstliche Inseln aus Schmutz sind nicht gerade ein Beitrag zur Gewässerreinhaltung. über diese Problematik ist aus dem Umweltreport 1975 nichts zu erfahren, in dem es — wie auch schon in den vorangegagenen Reports — zum Abfallproblem nur sehr lapidar heißt: „Gegenwärtig machen viele Unternehmen keine angemessenen Bemühungen, ihren eigenen Abfall schadlos zu beseitigen. Unzureichende Deponierungen und ungesetzliches Dumping bleiben daher wichtige Ursachen für die Umweltverschmutzung."

Aus der Erkenntnis, daß von den Unternehmen die Kosten für illegale Deponierung immer noch niedriger eingeschätzt werden als für eine geordnete Beseitigung, resultierte die Ausweitung des Gemeinlastprinzips auf die schadlose Beseitigung von Industriemüll: Seit kurzem erhalten Kommunen auch für den Bau von Spezialdeponien für Industriemüll staatliche Subventionen.

5. Lärm

Lärm, oftmals als die „Geißel des 20. Jahrhunderts" bezeichnet, führt auch in Japan zu mehr Klagen als in anderen Bereichen von Umweltbeeinträchtigungen. Einer im Januar 1976 veröffentlichten Meinungsumfrage zufolge fühlen sich 65 Prozent aller Japaner durch Lärm belästigt; davon wiederum fühlen sich 66 Prozent in ihrer Gesundheit beeinträchtigt

Die starken Lärmbelästigungen führten sogar dazu, daß die Japaner ihre traditionelle Hemmung, gegen die Regierung bzw. gegen Behörden zu prozessieren, überwanden: 1969 reichten Bürger eine Zivilklage gegen die Regierung wegen des Fluglärms des Osaka International Airport ein, die im November 1975 mit einem partiellen Erfolg (Lande-und Startbeschränkungen, Kompensationszahlungen) für die Kläger ausging. Da es noch keine gesetzlichen Standards für Fluglärm gab, berief sich das Gericht bei seiner Entscheidung auf ein „human existence right", das durch den Fluglärm beeinträchtigt werde. Wieder einmal durchbrach die Rechtsprechung bisherige Konventionen: „Zum erstenmal in der Geschichte der japanischen Umweltverschmutzungsprozesse wurde eine solche Auflage gegen einen staatlichen Dienstleistungsbetrieb verhängt." 1974 prozessierten einige Bürger gegen den Betreiber des super-schnellen „Skinkansen" -Expreß, die (staatliche) „Japanese National Railways“, wegen des unerträglichen Lärms dieses Schienen-fahrzeuges in manchen Gebieten.

6. Gesundheitsschäden

Allein in den 23 administrativ festgelegten „Verschmutzungsproblemgebieten" stieg die Zahl der staatlich anerkannten Verschmutzungsopfer mit asthmatischer Bronchitis, chro-nischer Bronchitis, Bronchialasthma und Lungenschäden von 13 574 im September 1974 auf 20 665 im März 1975 — eine Steigerung von über 50 Prozent in rund 7 Monaten! (Ein Teil der Steigerungsrate ist allerdings mit der strafferen Durchführung des Anerkennungsverfahrens zu erklären.)

Wenn die vorliegenden Angaben auch keine Aussagen darüber zulassen, ob die Umwelt-schäden die sozial schwächeren Gruppen überproportional treffen (was aber zu vermuten ist), so sind es doch auf jeden Fall die am schwächsten Organisierten, die zu den Haupt-leidtragenden zählen: 46, 5 Prozent der anerkannten (Luft-) Verschmutzungsopfer sind unter 9 Jahre alt; 19, 8 Prozent sind 60 Jahre und älter.

Einschließlich der über 100 000 Nicht-Anerkannten, die bisher Gesundheitsbeeinträchtigungen durch photochemischen Smog beklagt haben, wie auch der vielen Fälle, die nicht offiziell zu Buche schlagen, ist es doch eine erschreckend hohe Zahl von direkten Gesundheitsschäden allein durch Luftverschmutzung: „Nach amtlichen Feststellungen sind in Tokio bislang 43 Menschen an der verunreinigten Luft gestorben, in ganz Japan sind es bereits 1135." 57a)

Hinzu kommen folgende (anerkannte!) Krankheits-und Todesfälle durch andere Formen der Umweltzerstörung:

Das ergibt die traurige Zahl von fast 2 400 staatlich anerkanntnen Krankheitsfällen (die wegen der damit verbundenen Leiden in keiner Weise mit gewöhnlichen Gesundheitsschäden vergleichbar sind) und von über 200 Todesfällen. Zusammen mit den Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Luftverschmutzung sind es über 23 000 Kranke und über 1 300 Todesfälle infolge von Umweltverschmutzung; mit Sicherheit gibt es noch eine beträchtliche Dunkelziffer an Geschädigten, deren Beeinträchtigungen und ihr Zusammenhang mit der Umweltverschmutzung nicht so offensichtlich sind.

Eine statistisch abgesicherte Aussage zur Entwicklung der Gesamtumweltqualität in Japan kann wegen der vielen gegenläufigen Trends in Partialbereichen — sinkende Schwefeldioxid-Immissionen vs. steigende Stickstoff-Immissionen, partielle Verbesserung einiger Flußläufe vs. Verschlechterung der Wasserqualität von Flüssen in Großstadtgebieten etc. — nicht gemacht werden. Für einige signifikante Schadstoffe sind offensichtlich mit dem umweltpolitischen Instrumentarium positive Trendwenden erreicht worden, die sich in Zukunft aller Wahrscheinlichkeit nach in gleicher Richtung weiterentwickeln werden. Nur — und hierin zeigt sich das strukturelle Defizit der bisherigen, sich als Schadensmanagement konstituierenden Umweltstrategie —: die Umweltprobleme werden komplexer und in ihren direkten Auswirkungen immer schwieriger faßbar.

Sollte das Grundmuster dieses Typus von reaktiver Umweltpolitik in Zukunft bestehen bleiben, geraten prophylaktische Maßnahmen gegenüber nachträglichen Reparatureingriffen immer mehr in die Defensive — die technologische Entwicklung bestimmt dann als „challenge“ den „response" staatlicher Institutionen in einer qualitativ neuen Weise. Da sich in Zukunft mit steigenden technologischen Möglichkeiten der „Problemdruck aus dem Reagenzglas" voraussichtlich erhöhen wird, wird die Kapazität des Staatsapparates, den unkontrollierten wissenschaftlich-technischen „Fortschritt gesellschaftlich tragbar zu machen, überproportional schwinden. Das Reparatur-feld wird dann solche Dimensionen annehmen, daß schon allein die fiskalische Krise dem Schadensmanagement eherne Grenzen ziehen wird.

VI. Modernisierung der japanischen Volkswirtschaft: Ein technokratischer Weg der Gesellschaftsreform

Japans Umweltprobleme haben in den letzten Jahren ein solches Ausmaß angenommen, daß der aus den Beseitigungsmaßnahmen resultierende Kostendruck die bisherige Form des Wirtschaftswachstums immer stärker in Frage stellt Die Politisierung dieses Themas infolge der negativen Wachstumserscheinungen hat beschleunigend dazu beigetragen, daß die Strategie der privaten Umweltzerstörung und der kollektiven Kostenverteilung an ihre Grenzen stößt.

Aus der Erkenntnis, daß die Umweltzerstörung eine strukturelle Komponente des ökonomischen Systems in Japan ist und daher nur durch strukturelle Änderungen wirksam unter Kontrolle zu bekommen ist, hat die japanische Regierung in jüngster Zeit Alternativen zur bisherigen Wachstumsform des ökologischen Raubbaukapitalismus entwickelt, die vor allem die Notwendigkeit eines maß-volleren Wachstumsprozesses und die qualitative Änderung der Wirtschaftsstruktur hervorheben Dabei geht es insbesondere darum, den Wandel von einer energie-, ressourcen-und umweltbelastungsintensiven zu einer „knowledge-intensive economy“ zu vollziehen, die der angestrebten Wohlfahrtsgesellschaft keine ökologischen Barrieren setzt

Dieser vorgesehene wohlfahrtsorientierte Strukturwandel findet einen breiten Konsens:

„Die Bevölkerung hält Japan zwar für ökonomisch reich, meint aber, daß es noch ein weiter Weg bis zur Wohlfahrtsgesellschaft ist. Die Verbesserung der sozialen Wohlfahrt wird für die Zukunft für wichtiger als das ökonomische Wachstum gehalten." Daß dieses Wohlfahrtsbewußtsein der Bevölkerung keine unverbindliche Meinungsäußerung ist, beweisen die zahlreichen Aktionen gegen industrielle Expansionsobjekte: „Die Errichtung neuer oder die Erweiterung bestehender Betriebe der Schlüsselindustrien wird oftmals von den Ortsbewohnern abgelehnt — gleichgültig, welche Umweltschutzinvestitionen auch vorgenommen werden sollen."

In einer Studie des MITI (Ministry of International Trade and Industry) ist der Weg für den geplanten Strukturwandel abgesteckt worden. Folgende Markierungspunkte wurden gesetzt:

1. Nullwachstum der energie-und rohstoffintensiven Industrien zugunsten der Förderung des Dienstleistungssektors und der energie-und rohstoffsparenden Industrien.

2. Förderung technologisch fortgeschrittener Industriebereiche.

3. Förderung der internationalen Arbeitsteilung, insbesondere durch verstärkte Uberseeinvestitionen („ , Luxustechnologien’ für die japanischen Inseln — Schmutztechnologien für die ärmeren Nachbarn")

4. Diversifikation der Industriestruktur, d. h. Reduzierung der volkswirtschaftlichen Abhängigkeit von wenigen Schlüsselindustrien durch Förderung der Klein-und Mittelbetriebe.

5. Verstärkte öffentliche Infrastrukturleistungen zugunsten der Lebensqualität.

6. Ausbau der Sozialleistungen.

7. Verstärkte staatliche Förderung des Forschungs-und Entwicklungsbereichs. Die Planer gehen dabei von zukünftigen Wachstumsraten zwischen vier und sieben Prozent aus. Um die benötigten Ressourcen für diesen wohlfahrtsorientierten Kurs zu erhalten, ist unter anderem die Steigerung der öffentlichen Einnahmen durch Steuererhöhungen im Gespräch

Bei der Verwirklichung des Planes werden die staatlichen Instanzen eine sehr aktive Rolle spielen müssen. Im Gegensatz zu den meisten anderen westlichen Industriestaaten bietet das hohe ökonomische Anreizpotential des japanischen Staatsapparates beste Voraussetzungen dafür, daß dieser Plan nicht wegen querliegender ökonomischer Interessengruppen zum Scheitern kommt Insbesondere dadurch, daß der Plan vom industrienahen MITI lanciert wurde, ist die Wahrscheinlichkeit seiner Realisierung hoch. Außerdem ist der Plan wie üblich ein Kompromiß zwischen Regierung und Privatwirtschaft So hatte denn auch ein einflußreicher Unternehmerkreis (Keizai Konwakei) schon relativ früh (Anfang 1973) seine Zustimmung zu einem strukturellen Wandel der Wirtschaft publik gemacht. Wie sich auch endgültig im Wirtschaftsreformplan der Regierung niederschlug, forderte diese Gruppe außerdem eine Wachstumsbeschränkung für energie-und ressourcenintensive Unternehmen und die Förderung technologieintensiver Industriezweige.

Der Plan, Japans Umwelt-und Sozialprobleme durch strukturelle Änderungen im Wirtschaftsbereich in den Griff zu bekommen, ist sicherlich im Vergleich zur bisherigen Umweltpolitik die erfolgsversprechendere Strategie. Problematisch ist dieses Konzept hauptsächlich wegen der darin implizierten Strategie des „ökologischen Imperialismus", der hier unter dem Deckmantel der Forderung nach vermehrter internationaler Arbeitsteilung auftritt und damit nichts anderes im Sinn hat, als den eigenen Schmutz unter den Teppich ärmerer Nationen zu kehren Inzwischen wächst auch schon der Widerstand in einigen Ländern (Korea, Thailand, Singapur) gegen diese neue Form der Ausbeutung Hierdurch könnte das reformierte Wachstumskonzept ernsthaft in Frage gestellt werden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. hierzu Nobutaka Ike, Japan: The new superstate, San Francisco 1974; Yukimoto Iwata, Environmental pollution in a rapidly growing economy, in: The Developing Economies Nr. 4/1974, S. 479— 495; Isoji Ishida, Quantitatives wirtschaftliches Wachstum und Umweltverschmutzung in Japan, in: Karl Hax/W. Kraus (Hrsg.), Krise des Wirtschaftswachstums. Lebensqualität in Japan und der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen u. Basel 1975, S. 237 bis 255; H. Kahn, The emerging Japanese superstate, Englewood Cliffs (N. J.) 1970; Kazushi Ohkawa/H. Rosovsky, Japanese economic growth, London 1973; Kazuo Okochi/Y. Tamanoi (Hrsg.), Wirtschaft Japans. Wachstum und Strukturwandel, Düsseldorf 1973.

  2. Diese Einsicht kam inzwischen auch den „administrativen Wachstumsprotagonisten" in Japan: „Hinter dem Faktum, daß die Entwicklung der Umweltverschmutzung und ihre Schwere Japan die Bezeichnung einer . fortgeschrittenen Verschmutzungsnation'(advanced pollution nation) eingebracht haben, steht unabweisbar die Tatsache, daß innerhalb eines kleinen Landes die industrielle Expansion mit unerhörtem Tempo stattgefunden hat." Economic Planning Agency, Whitepaper on national life 1973: The life and its quality in Japan, Tokio 1973, S. 118.

  3. Einen guten Überblick über die Entwicklung der Umweltproblematik in Japan geben Bo Gunnarson, Japans ökologisches Harakiri oder Das tödliche Ende des Wachstums, Reinbek bei Hamburg 1974; Norie Huddle/M. Reich (unter Mitarbeit von N. Stiskin), Island of dreams. Environmental crisis in Japan, New York u. Tokio 1975; Martin Schwind, Umweltgefährdung und Umweltschutz in Japan, in: Erdkunde Nr. 2/1975; Jun Ui (Hrsg.), Polluted Japan. Reports by the members of the Jishu-Koza Citizen’s Movement, Tokio 1972.

  4. Politökologisch deshalb, weil die Richtung zukünftigen Wachstums nicht nur den ökologischen Kontext berücksichtigen muß, sondern auch der gesellschaftlichen Legitimation bedarf, um einem umfassenden Wohlfahrtsbegriff gerecht zu werden.

  5. Martin Jänicke, Soziale und ökologische Aspekte rückläufiger Lebenserwartung, Forschungsbericht Nr. 2/1975 des Projektes „Politik und Ökologie der entwickelten Industriegesellschaften", Berlin 1975; Peter Cornelius Mayer-Tasch, Umweltrecht und Umweltpolitik, in: Charles F. Doran/M. Hinz/P. C. Mayer-Tasch, Umweltschutz — Politik des peripheren Eingriffs, Darmstadt u. Neuwied 1974, S. 13— 68.

  6. Vgl. hierzu auch Jun Ui, Der japanische Kapitalismus als Vorhut der ökologischen Katastrophe, in: Kursbuch Nr. 33/1973, S. 163— 174.

  7. Anschauliche Beispiele hierzu bei Winfried Flüchter, Neulandgewinnung und Industrialisierung vor den japanischen Küsten, Paderborn 1975.

  8. Vgl. zur Rolle der Technolocie: Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft (Hrsg.), Japans technologische Strategie. Wiedergabe und Kommentar einer Studie des Ausschusses für technologischen Fortschritt des japanischen Wirtschaftsrates, Bonn 1972.

  9. „Eine wesentliche Voraussetzung für die Eindämmung von Umweltverschmutzung ist Sozialkapital (Abwassersysteme, Abfallbehandlungseinrichtungen etc.). Die Umweltprobleme in Japan sind dadurch verschlimmert worden, daß wir den großen Bedarf in diesem Bereich nicht zur Kenntnis genommen haben." Environment Agency, Quality of the environment in Japan 1973, Tokio 1973, S. 21.

  10. Ebd., S. 21 f„ S. 14.

  11. Verschärft wird das Problem dadurch, daß Japan auch an Ressourcengrenzen stößt, denn seine Schlüsselindustrien sind nicht nur — im internationalen Vergleich — überproportional verschmutzungs-, sondern auch energieintensiv. Diese Grenze wurde schlagartig mit der Olpreiskrise sichtbar. Vgl. Economic Planning Agency, Whitepaper on national life 1973, (Anm. 2), S. 122 f.; Donald R. Kelley/K. R. Stunkel/R. R. Wescott, The economic superpowers and the environment. The United States, the Soviet Union, and Japan, San Francisco 1976; S. 56; Yasuo Shimazu, Energy consumption and limits to growth in Japan, in: OECD, Energy and environment, Paris 1974, S. 241— 271.

  12. Shegeto Tsuru, In place of Gross National Product, in: Heide Simonis/U. E. Simonis (Hrsg.), Japan. Economic and social studies in development, Wiesbaden 1974, S. 5— 22.

  13. Regierung und Wissenschaftsinstitutionen haben bereits versucht, „den Schaden oder den Verlust an Wohlstand als Folge der bisherigen Umweltverschmutzung quantitativ zu erfassen ... Modell-rechnungen haben ergeben, daß der Wohlstands-verlust in Japan in der Größenordnung von 6 000 Mrd. Y (ca. 60 Mrd. DM) liegen könnte." Alf Löhndorf, Umweltverschmutzung und Umweltschutz in Japan, Hamburg 1975, S. 92.

  14. Ministry of International Trade and Industry, Direction for Japan's industrial structure, Tokio 1974.

  15. Tadashi Fukutake, Japanese society today, Tokio 1974, S. 108.

  16. Naomi Maruo, Measurement of welfare in Japan. A new basis for social planning, in: Heide Simonis/U. E. Simonis (Hrsg.), Japan. Wirtschaftswachstum und soziale Wohlfahrt, Frankfurt u. New York 1974, S. 315 c—d; vgl. auch Satoshi Kawamoto, Japan's social welfare and public Investment in international context, in: The Developing Economies, Nr. 4/1972, S. 516— 537.

  17. Einen guten Überblick bietet hierzu: Economic Planning Agency, Whitepaper on national life 1973 (Anm. 2); vgl. auch Siegfried Lörcher, zur Problematik der sozialen Wohlfahrt in Japan, in Heide Simonis/U. E. Simonis (Anm. 16), S. 87— 94; Chiaki Nishiyama/G. C. Allen, The price of prosperity. Lessons from Japan, Tonbridge (Kent) 1974; Tschongnae Song, Negative Effekte des Wirtschaftswachstums in Japan. Eine politökonomische Entwicklungsanalyse, in: Heide Simonis/U. E. Simonis (Anm. 16), Masao Takahashi, Accelerated economic growth and balanced human environment — The problems of Japan, in: Dieter Bielenstein (Hrsg.), One World Only. Industrialization and environment. Report No. 9, Tokio 1973, S. 119— 135; Udo Ernst Simonis, Vom Wachstum zum Wohlstand. Japans Wirtschaft an einem Wendepunkt, in: Gewerkschaftliche Monatshefte, Nr. 6/1972.

  18. Vgl. hierzu Jishu-Kozu (Hrsg.), Kogai — The newsletter from polluted Japan, Tokio 1972 ff.; Jishu-Koza (Hrsg.), Special issue 1975: Mercury pollution, Tokio 1975 (2 Ausgaben); K. Kojima, Summary of recent studies in Japan on methyl mercury poisoning, in: Toxicology, März 1973, S. 43— 62; H. Sakabe, Japanese experience on health and industrial growth, in: Health and industrial growth, Ciba Foundation Symposium 32 (new series), Amsterdam 1975; S. 127— 135; Eugene W. Smith/A. M. Smith, Minamata, New York 1975; Donald R. Thurston, Aftermath in Minamata, in: The Japan Interpreter Nr. 1/1974.

  19. Yoshihiro Nomura, Pollution-related injury in Japan: On the impact of the four major cases, in: Environmental Policy and Law, Nr. 1/1975/76, S. 181; Vgl. zum Umweltrecht und zur Rechtsprechung in diesem Bereich weiterhin: Yoshihiro Nomura, Creation and development of Japan's anti-pollution laws, o. O., o. J. (Ms); ders., The development of environmental assessment duty in environmental litigation in Japan, o. O., o. J. (Ms); ders., Japan's pollution litigations, o. O., o. J. (Ms); Akio Morishima, Damage functions from the legal perspective: Japanese legal experience in pollution damages, in: OECD, Environmental damage costs, Paris 1974, S. 253— 263; Kenneth R. Stunkei, New hope in Japan, in: Environment, Nr. 8/1974.

  20. Vgl. Jishu-Koza (Hrsg.), Special issue Nr. 1, Tokio 1975, S. 33.

  21. Vgl. zu den sozialen Spannungen zwischen Bürgern aufgrund von Umweltverschmutzung Norman Glickman, Conflict over public facility location in Japan, in: Area Development in Japan Nr. 6, Tokio 1972; Norie Huddle/Reich, Island of dreams (Anm. 3), S. 215 u. 253 f.

  22. Vgl. Nishioka, Citizens’ movement and environmental ecucation. A report from Numazu City (Japan), Tokio 1975, S. 17.

  23. Zur Entwicklung der japanischen Umweltschutz-Bürgerinitiativen vgl. Neville Grant, Struggle in Japan, in: Environment Nr. 1/1976; Norie Huddle/M. Reich, Pollution and social response. in: Area Development in Japan Nr. 7, Tokio 1973, -Margaret A McKean, The potential for grass-roots democracy in post-war Japan: The anti-pollution movement as a case study in political activism, Ph. D. dissertation, University of California, Berkeley 1974; Bradford L. Simcock, Environmental Pollution and citizens’ movements: The social sources and significance of anti-pollution protest in Japan, in: Area Development in Japan Nr. 5, Tokio 1972; Jun Ui, Anti-pollution movement in badly polluted Japan, in: The Business Community Nr. 9/1975, S. 78-— 85.

  24. Shegeto Tsuru, In place of Gross National Product (Anm. 12), S. 5 f.

  25. Asahi Evening News v. 9. August 1975.

  26. Eine striktere Umweltpolitik wird vor allem in Städten mit „linken" bzw. „reformistischen" Mehrheiten betrieben Vgl. Donald R. Kelley u. a., The economic superpowers and the environment (Anm. 11), S. 185 u. 188; Tokyo Metropolitan Government (Hrsg.), Tokyo fights pollution. An urgent appeal for reform, Tokio 1971.

  27. Vgl. Japan in the 1980. The economic System and its prospects, Published by The Financial Times Limited, London 1974, S. 56; Cynthia H. Enloe, The politics of pollution in a comparative perspective: Ecology and power in four nations, New York 1975, S. 245 ff.

  28. JETRO, The environmental control in Japan, o. O., 1976, S. 6.

  29. Donald R. Kelley/K. R. Stunkel/R. R. Wescott, The politics of the environment: The United States, the Soviet Union, and Japan, Paper delivered for the IPSA IXth World Congress in Montreal 1973.

  30. Vgl. Marshall Goldman, Environmental disruption in Japan: Again the Japanese outdo us, in: Ders. (Hrsg.), Ecology and economics: Controlling pollution in the 70's, Englewood Cliffs (N. J.) 1972, S. 169.

  31. Vgl. hierzu die Angaben in den verschiedenen nationalen Umweltreports (Quality of the environment in Japan, 1973 ff.).

  32. The Daily Yomiuri v. 12. März 1976.

  33. Vgl. Julian Gresser, The 1973 Japanese law for the compensation of pollution-related health damage: An introductory assessment, in: Environmental Law Reporter Nr. 12/1975, S. 233, Anm. 40, Anm. 77.

  34. Vgl. Environment Agency Tokyo, Japan. Environment Summary, Nr. 3/1976, S. 2. (Diese monatlich erscheinenden Informationsbriefe der staatlichen Umweltbehörde sind wertvolle Informationsquellen zur Beurteilung der japanischen Umweltpolitik. Im Rahmen dieser Arbeit wurden die Nummern 7/1974 bis 10/1976 ausgewertet).

  35. The Daily Yomiuri v. 11. März 1976.

  36. Julian Giesser, The 1973 Japanese law for the compensation of pollution-related health damage (Anm. 33), S. 246, Anm. 134.

  37. Ebd., S. 242 f. u. Anm. 106; hier auch Ausführungen zum Kostenverteilungsschlüssel für Privatunternehmen, Zentralregierung und Präfekturen.

  38. Zu dieser Strukturpolitik durch umweltpolitische Maßnahmen, vgl. Environment Agency, Quality of the environment in Japan 1975, Tokio 1976, S. 31.

  39. Ein Vergleich der Abgasstandards für die Stoffe Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoff und Stickoxid in Japan, den USA und Schweden zeigt deutlich, daß die japanischen Standards die weitaus schärfsten sind. Vgl. JETRO, The environmental control in Japan, o. O., 1976, S. 13.

  40. Vgl. Time v. 12. Januar 1976, S. 7.

  41. Zur japanischen Umweltpolitik im Vergleich zu anderen Ländern vgl. Martin Jänicke, Internationaler Umweltschutz. Versuch einer Leistungsbilanz, in: Umwelt Nr. 4/1976, S. 315 ff.

  42. Vgl. hierzu: Ausländisches Umweltrecht IV — Umweltschutz in Japan, Berlin 1975; Environment Agency, Environmental laws and regulations in Japan, Tokio 1976; Environmental Protection Agency (USA), Office of International Activities, Environment Japan, Washington D. C. 1975; Ministry of Foreign Affairs (Japan), Development of environmental protection in Japan, Tokio, o. J.; Helmut Weidner, Die gesetzliche Regelung von Umweltfragen in hochentwickelten kapitalistischen Industriestaaten. Eine vergleichende Analyse. (Schriftenreihe des Projektes „Politik und Ökologie der entwickelten Industriegesellschaften“ Nr. 1), Berlin 1975.

  43. Vgl. Alf Löhndorf, Umweltverschmutzung und Umweltschutz in Japan, Hamburg 1975, S. 76.

  44. Die folgenden Angaben stammen, falls nicht anderweitig zitiert, aus den offiziellen Umwelt-reports „Quality of the environment in Japan", 1973 ff.

  45. Vgl. zur politischen und ökonomischen Problematik der sog. Entsorgungsstrategie: Jürgen Gerau, Verdient die Entsorgungsindustrie ihren Namen?, Schriftenreihe des Projektes „Politik und Ökologie der entwickelten Industriegesellschaften'', Nr. 8/76, Berlin 1976.

  46. Vgl. auch JETRO, The environmental Situation Uday, in: Focus Japan Nr. 12/1974.

  47. Quality of the environment in Japan 1975, S. 79.

  48. Eutrophierung bedeutet die Anreicherung des Wassers mit derart großen Mengen an (Abfall-) „Nährstoffen", daß die für biologisches Leben notwendige Sauerstoffsättigung laufend reduziert wird bis zum sog. Tod bzw. Umkippen des Gewässers.

  49. Vgl. Martin Jänicke, Internationaler Umweltschutz, a. a. O.

  50. Quality of the environment in Japan 1975, S. 42.

  51. Japan Environment Summary Nr. 2/1976, S. 3.

  52. Quality of the environment in Japan 1973, S. 9.

  53. „End-of-pipe-treatment" bezeichnet die Methode, durch dem Produktionsprozeß nachgeschaltete Reinigunqsvorrichtungen (wie Filter, Kläranlagen etc.) Schadstoffe am unmittelbaren Eindringen in die Umwelt zu hindern.

  54. Vgl. Winfried Flüchter, Neulandgewinnung und Industrieansiedlung vor den japanischen Küsten (Anm. 7).

  55. Quality of the environment in Japan 1975, S. 113 f.

  56. Japan Environment Summary Nr. 3/1976, S. 3.

  57. Japan Environment Summary Nr. 12/1975, S. 1.

  58. Vgl. Economic Planning Agency, Economic Survey of Japan 1974/75, Tokio 1975, S. 60; vgl. auch Yasuo Shimazu/K. Sugiyama, Limits to growth by pollution, in: Japanese Economic Studies, Spring 1974, S. 53— 79.

  59. Vgl. Ministry of International Trade and Industry, Direction for Japan's industrial structure, Tokio 1974; Economic Plannig Agency, Basic economic and social plan: Toward a vigorous welfare society 1973— 1977, Tokio 1973.

  60. Zur Realisierungschance dieser Strategie äußerte sich skeptisch während einer Diskussion mit den Mitgliedern des Projektes „Politik und Ökologie der entwickelten Industriegesellschaften" Prof. Sakashita (Osaka University). Er sieht in dem Plan nichts anderes als eine modifizierte Neuauflage des alten Tanaka-Konzeptes, nämlich die Verlagerung von verschmutzungsintensiven Betrieben aus Bevölkerungsballungsgebieten in relativ unbelastete Gegenden. Zum Tanaka-Plan vgl. Kakuei Tanaka, Building a New Japan: A plan for remodeling the Japanese archipelago, Tokio 1973; zur Kritik dieses Konzeptes vgl. Yoshiro Hoshino, Remodeling the archipelago, in: Japan Quarterly Nr. 1, Januar/März 1973; Louis Kraar, Japan sets out to remodel itself, in: Fortune, März 1973; Für die mangelnde Ernsthaftigkeit der neuen Strukturpolitik sprechen auch manche Beispiele neuerer Industrialisierungsprojekte, vgl. Donald R. Kelley

  61. Economic Planning Agency, Economic Survey of Japan 1974/75, Tokio 1975, S. 105.

  62. Ebd., S. 90.

  63. Vgl. Volker Hauff/F. W. Scharpf, Modernisierung der Volkswirtschaft. Technologiepolitik als Strukturpolitik, Frankfurt u. Köln 1975, S. 116.

  64. Vgl. hierzu ausführlich OECD, Economic Surveys: Japan 1975, Paris 1975.

  65. Zur engen Verbindung von Regierung und Großindustrie als positive Voraussetzung für eine Transformation der Industriestruktur vgl. Donald R. Kelley u. a., The economic superpowers and the environment (Anm. 11), S. 281; Zum Verhältnis von Politik und Wirtschaft in Japan vgl. Eugene J. Kaplan, Japan: The government-business relationship, Washington D. C. (U. S. Government Printing Office) 1972; Paul Kevenhörster, Wirtschaft und Politik in Japan, Wiesbaden 1973; Noboru Yamamoto, The economy and society of the new Japan, Tokio 1975.

  66. Donald R. Kelley u. a., ebd., S. 40; vgl. auch OECD, The industrial policy of Japan, Paris 1972, S. 65.

  67. Der Wirtschaftsverband KEIDANREN spricht offen davon, daß die . Empfängerländer“ besonders dann für japanische Anleger interessant sind, wenn sie „mehr Spielraum unter Umweltgesichtspunkten" haben. Zitiert bei Norie Huddle/M. Reich, Island of dreams (Anm. 3), S. 322.

  68. Vgl. Asian Research Bulletin v. 28. Februar 1974, Economic Cooperation and Trade: Japan, S. 250— 57; Jishu-Koza, Kogai Nr. 1/1973, S. 7 ff. sowie Kogai Nr. 7/1975, S. 2 ff.; Michael Reich, Japan. Exporting pollution, in: Environment Nr. 8/1974.

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Helmut Weidner, Dipl. -Pol., geb. 1948; Studium der Politikwissenschaft, Soziologie und Geschichte in Berlin und Kiel; Mitarbeit am Internationalen Institut für Umwelt und Gesellschaft am Wissenschaftszentrum Berlin; seit 1976 Forschungsassistent am Projekt „Politik und Ökologie der entwickelten Industrie-gesellschaften" an der Freien Universität Berlin. Veröffentlichung: Die gesetzliche Regelung von Umweltfragen in hochentwickelten kapitalistischen Industriestaaten. Eine vergleichende Analyse, Berlin 1975.