Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Neue Formen der Kooperation im Betrieb. Selbstbestimmung und Beteiligung der Mitarbeiter | APuZ 22/1977 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 22/1977 Neue Formen der Kooperation im Betrieb. Selbstbestimmung und Beteiligung der Mitarbeiter Arbeitnehmerkammern und Wirtschafts-und Sozialräte als Instrumente gesamtwirtschaftlicher Mitbestimmung Die Rolle der Sozialpartner im Entscheidungssystem der Europäischen Gemeinschaften

Neue Formen der Kooperation im Betrieb. Selbstbestimmung und Beteiligung der Mitarbeiter

Michael Lezius

/ 22 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Nahezu jeder Unternehmer sieht sich heute zur Auseinandersetzung mit seinen Mitarbeitern über das unüberhörbar gewordene Postulat einer humanen Arbeitswelt gezwungen. Kann sich ein wirtschaftlich arbeitendes Unternehmen, das auf Gewinn und Rentabilität angewiesen ist, weitgehende humanitäre Rücksichtnahmen und Einsichten überhaupt leisten? Die Beteiligungsunternehmen bejahen diese Frage und treten den Beweis durch Schaffung neuer Strukturen und Verhaltensweisen im Betriebe an. Arbeitsstrukturierung, Organisationsentwicklung, gemeinsame Zielformulierung, Erfolgs-und Kapitalbeteiligung sowie eine ausgebaute Mitbestimmung sollen dabei helfen, die Konzeption der betrieblichen Mitarbeiterbeteiligung in die Praxis umsetzen. Etwa 300 Partnerschaftsunternehmen orientieren sich an der Definition der Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der Partnerschaft in der Wirtschaft e. V. (AGP): „Betriebliche Partnerschaft ist eine vertraglich vereinbarte Form der Zusammenarbeit zwischen Unternehmensleitung und Mitarbeitern (I). Sie sollen allen Beteiligten ein Höchstmaß an Selbstentfaltung ermöglichen (II) und durch verschiedene Formen der Mitwirkung (III) und Mitbestimmung (IV) bei entsprechender Mitverantwortung einer Fremdbestimmung (V) entgegenwirken. Notwendiger Bestandteil dieser Partnerschaft ist die Beteiligung der Mitarbeiter am gemeinsam erwirtschafteten Erfolg, am Kapital des Unternehmens oder an beiden (VI)." Eine aktive betriebliche Gesellschaftspolitik ist also die Integration von Humanisierung der Arbeitswelt, Mitbestimmung und Vermögensbeteiligung. Die Soziale Marktwirtschaft ist als unsere Wirtschaftsordnung verfassungsmäßig nicht verankert, so daß es immer wieder gilt, die Bürger dieses Landes für diese Wirtschaftsordnung zu gewinnen. Die breite Durchdringung der Unternehmen mit Kapitalbeteiligungsmodellen ist daher notwendig. Die Polarität zwischen den Sozialpartnern auf makroökonomischer Ebene kann nicht das Spiegelbild mikroökonomischer Zusammenarbeit im Unternehmen zwischen kapitalbeteiligten Mitarbeitern und kapitalgebenden, geschäftsführenden Gesellschaftern sein. Der historische Ausgleich zwischen Kapital und Arbeit kann nur dann realisiert werden, wenn die Unternehmen eine diesem demokratischen Rechtsstaat entsprechende Beteiligungsstruktur aufweisen. Ohne die Gewerkschaften ist dies nicht zu erreichen.

I. Humanität und Produktivität im Unternehmen

Nahezu jeder Unternehmer sieht sich heute zur Auseinandersetzung mit den Arbeitnehmern seines Unternehmens über das unüberhörbar gewordene Postulat einer humanen Arbeitswelt gezwungen. Dabei werden häufig Begriffe wie Arbeitsplatzgestaltung, Ausgleich zwischen Kapital und Arbeit, Fremdbestimmung, Entfremdung, Demokratisierung oder betriebliche Partnerschaft als Schlagworte benutzt. Alle diese Begriffe verweisen auf die Frage einer humanen Verantwortung des Unternehmers im betrieblichen Alltag. Zweifellos ist in den letzten Jahren bereits eine Vielzahl anthropologischer Denkansätze in die Sozialgesetzgebung und in die Tarifverträge und damit allmählich auch in die Arbeitswirklichkeit eingegangen, wobei man sich stets darauf beruft, daß der in Artikel 1 des Grundgesetzes garantierte Schutz der Menschenwürde auch und gerade dort Geltung haben müsse, wo die meisten Menschen rund ein Drittel ihres Lebens verbringen — nämlich an ihrem Arbeitsplatz in den Betrieben und Verwaltungen. Die Verwirklichung der Menschenwürde im Betrieb müßte, so gesehen, sogar als ein vorrangiges Ziel unternehmerischen Handelns überhaupt gelten.

Doch hier stellt sich sehr unmittelbar die Frage nach der Vereinbarkeit von Humanität und Produktivität. Kann sich ein wirtschaftlich arbeitendes Unternehmen, das auf Gewinn und Rentabilität angewiesen ist, weitgehende humanitäre Rücksichtnahmen und Einsichten überhaupt leisten? Diese vor Jahren noch kritisch gestellte Frage kann heute eindeutig positiv beantwortet werden. Konkrete Erfahrungen von Unternehmern, die ihre gesellschaftspolitischen Experimente wissenschaftlich haben untersuchen lassen, geben eine eindeutige Antwort. Aus dem In-und Ausland kennen wir zahllose Berichte, die aufzeigen, daß neue Formen der Arbeitsorganisation, der Mitbestimmung und der Mitbeteiligung wesentlich zu Produktivitätssteigerungen beigetragen haben. Die (betroffenen'Arbeitnehmer stehen voll hinter den neuen Strukturen und Verhaltensweisen im Unternehmen.

Eine Antwort auf diese komplexe Thematik versuchen die Partnerschaftsunternehmen zu geben, die in ihrem Unternehmen Mitarbeiter-beteiligung eingeführt haben. Diese Unternehmen behaupten, daß bei gleichzeitiger Befriedigung individueller beruflicher und betrieblicher Ziele und Bedürfnisse sehr wohl und gerade dadurch eine optimale Leistung des Unternehmens möglich ist, langfristig also auch die Wahrung der Menschenwürde in einer weithin arbeitsteiligen Gesellschaft gesichert werden kann. Durch die Einführung neuer Fertigungsmethoden, menschengerechterer Gestaltung von Arbeitsplätzen und Arbeitsinhalten, durch die Befreiung von rein mechanischen, stupiden, entfremdenden Tätigkeiten, insbesondere aber auch durch die gemeinsame Formulierung betrieblicher Ziele und durch die unmittelbare Mitbestimmung des einzelnen am Arbeitsplatz wird den Bedürfnissen der arbeitenden Bevölkerung Rechnung getragen und als Folge größere subjektive wie objektive Arbeitszufriedenheit und eine stärkere Identifizierung des Arbeitnehmers mit seinen Aufgaben erreicht. Eine positive Auswirkung auf Produktivität, Wirtschaftlichkeit und Rentabilität geben den Versuchen recht.

Es geht also um den Abbau gleichgültigen Arbeitnehmerverhaltens, der Job-Mentalität oder, mit anderen Worten, um die Einführung einer aktiven betrieblichen Gesellschaftspolitik. Diese soll selbstverständlich die Arbeitnehmerstellung des Mitarbeiters erhalten, nur seine Persönlichkeit optimal zur Entfaltung kommen zu lassen. Der Aufbau eines parallelen gleichgewichtigen Gesellschaftsrechts, in das die Mitarbeiter einbezogen werden, ist dabei . angestrebt. Die moderne Industriepädagogik und die Erfahrungen der Verhaltenswissen-schäften und der Unternehmensführung erkennen die Forderung nach einer emanzipatorischen Unternehmensgestaltung an, in der die Mitarbeiterführung der unterschiedlichen Individualität des einzelnen Mitarbeiters zu entsprechen hat. Je nach der Entwicklung, der Erziehung und der Umgebung des einzelnen Menschen ist es zu unterschiedlichen Einstellungen, Verhaltensweisen und Fertigkeiten gekommen. Die Leistungsmotivation jedes einzelnen hängt daher von sehr unterschiedlich gewichteten

Faktoren ab. Während der eine eine gute Leistung aufgrund formaler Erziehung bei einer straffen Führung erbringt, ist der andere Mitarbeiter eher bei einem kooperativen Führungsstil bereit, optimale Leistungen zu erbringen. Aus diesem Grund müssen in allen Unternehmen individuelle Mitarbeiterbeteiligungsmodelle im materiellen wie im immateriellen Modell gestaltet werden. Die Mitarbeiter sollten daran einen wesentlichen Anteil haben.

II. Elemente der betrieblichen Mitarbeiterbeteiligung

Wie sieht nun diese partnerschaftliche Arbeitsgestaltung in der Praxis aus? In den ca. 300 sehr unterschiedlichen Partnerschaftsunternehmen versucht man, sich an folgende Definition zu halten: „Betriebliche Partnerschaft ist eine vertraglich vereinbarte Form der Zusammenarbeit zwischen Unternehmensleitung und Mitarbeitern (I). Sie soll allen Beteiligten ein Höchstmaß an Selbstentfaltung ermöglichen (II) und durch verschiedene Formen der Mitwirkung (III) und Mitbestimmung (IV) bei entsprechender Mitverantwortung einer Frembestimmung (V) entgegenwirken. Notwendiger Bestandteil dieser Partnerschaft ist die Beteiligung der Mitarbeiter am gemeinsam erwirtschafteten Erfolg, am Kapital des Unternehmens oder an beidem (VI)."

Dieser Grundsatz wurde vor gut 20 Jahren von der Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der Partnerschaft in der Wirtschaft e. V. (AGP) formuliert. Entsprechend den sich wandelnden gesellschaftspolitischen Vorstellungen außerhalb und innerhalb der Unternehmen ist er im Laufe der Zeit entscheidend weiterentwikkelt worden. Wer früher die vertrauensvolle Zusammenarbeit als Bedingung voraussetzte — also das Gemeinsame in den Mittelpunkt der Bemühungen um die betriebliche Partnerschaft stellte —, beschäftigt sich nun verstärkt mit jenen Bereichen, wo scheinbare und echte Gegensätze im Unternehmen auftreten. Die Betonung des Gemeinsamen und die Negierung unterschiedlicher Bedürfnisse von Menschen und Unternehmen rühren aus dem damaligen Erkenntnisstand der Verhaltensforschung her. Man versteht heute die betriebliche Partnerschaft als eine kanalisierte Konfliktregelung von Beziehungen im Unternehmen, wobei die partnerschaftliche Zusammenarbeit als Ziel angesehen wird, die in einem dynamischen Prozeß erreicht werden soll. Eine aktive betriebliche Gesellschaftspolitik ist also die Integration der Humanisierung der Arbeitswelt mit der Mitbestimmung und der Vermögensbeteiligung.

Auf diese Weise kann eine dem politisch-demokratischen Selbstverständnis der Bürger adäquate Unternehmens-konzeption entwickelt werden.

Bei der betrieblichen Partnerschaft geht es nicht darum, einmal festgeschriebene Machtverhältnise zu stabilisieren, also z. B.den Aufsichtsrat zwingend in der einen oder anderen Weise zu besetzen, sondern um einen pädagogischen Prozeß, der der Entwicklung der Persönlichkeit dienen soll, um die Eigendynamik des einzelnen zur Wirkung kommen zu lassen. Für diesen Prozeß gelten sicher gewisse Voraussetzungen, um den Mitarbeiter aus seiner Objektstellung in die Subjektstellung sich entwickeln zu lassen. Dieser Prozeß der partnerschaftlichen Entwicklung unterliegt voll dem Verantwortungsbewußtsein der Herrschenden in einem Unternehmen. Mit der betrieblichen Partnerschaft soll nicht eine Entmachtung der bisher Verantwortlichen einhergehen, sondern es soll sich an die Stelle der win-lose-Konzeptiondie win-win-Strategie durchsetzen. Die Vorstellung, daß bei einer Interessenkollision immer nur einer gewinnen kann und einer verlieren muß, muß abgelöst werden von der Überlegung, daß es langfristig ergiebiger ist, Strukturen und Verhaltensweisen zu schaffen, kooperativ zusammenzuarbeiten, da dadurch eine höhere Produktivität ereicht werden kann. Die heutigen komplexen Probleme der Gesellschaft sind nicht mit Klassenkampfparolen von oben oder von unten zu lösen. Daher sind Partnerschaftsunternehmen politische Modelle, weil sie von einer nicht-polarisierten Gesellschaft ausgehen, wenn sie meinen, daß die Probleme Umweltverschmutzung, Zivilisationskrankheiten, Bildungsprobleme oder die Versorgung mit Rohstoffen nicht mit verkrusteten Verbandsstrukturen, zweifelhaften Schaukämpfen bei Tarifverhandlungen, kurzfristiger politischer Wahlsicht, Verbraucher-ausnutzung oder Verdrängungs-Wettbewerb wie auch einer unbefriedigenden Vermögens-verteilung zu lösen sind, sondern nur durch ein Umdenken in Richtung auf ein kooperatives Verhalten, um gemeinsam die „Teufelskreise" dieser Gesellschaft zu durchbrechen.

Eine nähere Betrachtung der wesentlichen Elemente der betrieblichen Partnerschaft läßt erkennen, daß materielle wie immaterielle Teilaspekte das Spannungsfeld im Unternehmen entkrampfen sollen. Konflikte grundsätzlicher Art zwischen Kapital und Arbeit werden im Partnerschaftsunternehmen voll anerkannt, jedoch werden neue Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt. Alle Beteiligten sind an einer höheren Produktivität und Rentabilität interessiert. Die vertragliche Regelung der betrieblichen Partnerschaft für den einzelnen Arbeitnehmer bedeutet einen Rechtsanspruch, denn nur auf dieser Basis kann er im Laufe der Jahre in eine echte Partnerrolle hineinwachsen. Dieser juristische Anspruch, der in einer Betriebsvereinbarung, einem individuellen Arbeitsvertrag oder einem Gesellschaftsvertrag niedergelegt ist, entspricht den Vorstellungen der Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der Partnerschaft in der Wirtschaft e. V. (AGP) von der Achtung der Menschenwürde im Unternehmen. Dabei ist es erforderlich, die vertragliche Verankerung im Zuge der Weiterentwicklung der vertrauensvollen Zusammenarbeit immer wieder neu zu formulieren, um sie den sich wandelnden Realitäten anzupassen. Ein patriarchalisches Geben ist der betrieblichen Partnerschaft fremd.

Dabei ist allen Vertretern der Partnerschaftsunternehmen klar, daß durch ein Gesetz oder durch einen Rechtsanspruch kein Verhalten geändert werden kann, da dies nur durch Einsicht erfolgt. So soll der Rechtsanspruch auf Achtung der Menschenwürde vor allem die Einsicht in ein bestimmtes Verhalten vermitteln und damit verhindern, daß gewonnene Erkenntnisse unberücksichtigt bleiben.

Allen im Unternehmen Tätigen soll die Selbstentialtung (II) weitestgehend ermöglicht werden, wobei man sich an den Erkenntnissen der Verhaltenswissenschaften orientiert. Man ist bemüht, nicht den Mitarbeiter an die Ziele des Unternehmens anzupassen, sondern die Ziele des Mitarbeiters mit denen des Unternehmens in Einklang zu bringen, so daß er sich mit den gesetzten Zielen identifizieren kann. Es geht also nicht um die bloße Integration des einzelnen in das bisherige Unternehmen. Zur Entfaltung des einzelnen Mitarbeiters gehört u. a. ein ausgebautes innerbetriebliches Informationswesen, da der Ansatz für die Selbstverwirklichung des einzelnen im Wirtschaftsleben nur dann realisiert werden kann, wenn das Unternehmen für ihn transparent ist. Mehr Persönlichkeit kann der einzelne nur durch intensive Bildungsmaßnahmen erreichen, die im Partnerschaftsunternehmen von der Rhetorik über gesellschaftspolitische Seminare, Verhaltenstraining bis hin zur Vermögensbeteiligung als Mittel zur Selbstverwirklichung im Wirtschaftsleben reichen. Die Selbstentfaltung des einzelnen soll jedoch nicht bei der eigenen Person stehenbleiben, sondern ihn auch befähigen, für das Wohl der Allgemeinheit handeln zu können. Sozialpsychologen sprechen hier von der Meta-Selbstverwirklichung.

Unter der Mitwirkung des einzelnen (III) wird im Gegensatz zur Verwendung dieses Begriffes im Betriebsverfassungsgesetz die informelle Mitbestimmung verstanden, also die Teilhabe des einzelnen an Entscheidungen in Gruppen. Man geht hier von der Überzeugung aüs — internationale Erfahrungen belegen dies —, daß durch eine intensive Beteiligung der Mitarbeiter in Gruppen die gemeinsam gefundene Entscheidung produktiver ist als die einer einzelnen Führungskraft, die in der Gruppe mitwirkt. In Gruppen kommt es zu einem Gefüge mit wechselnden Führungsrollen und durch die so mögliche Mobilisierung latenter Leistungsreserven zu einer Erhöhung der Leistungskraft des Unternehmens. Der Einwand, daß diese Mechanismen zu viel Zeit kosten, hat die Praxis widerlegt. Sicherlich dauert die Entscheidungsfindung länger, jedoch ist die Entscheidungsdurchsetzung problemloser, da die Mitarbeiter sich voll mit der Entscheidung — gefunden nach dem Prinzip der Einstimmigkeit — identifizieren. Der traditionelle Entscheidungsmechanismus weist dagegen erhebliche Mängel auf, da die Durchsetzung von Entscheidungen häufig wegen informeller Veränderungen nicht möglich ist oder verzögert wird.

Grundlage dieser neuen Konzeption ist das Modell der Organisationsentwicklung, das Modell einer lebendigen Lernorganisation, das von einem Abbau unnötiger Hierarchien zum Zwecke der Leistungssteigerung ausgeht und durch gruppendynamische Prozesse neue Verhaltensweisen des Menschen schafft. Die er-forderlichen Verhaltens-und Einstellungsänderungen bei Mitarbeitern und Führungskräften können in derartigen Gruppen in einem vier-bis sechsjährigen Lernprozeß erreicht werden. Weitere Impulse sind jedoch immer wieder notwendig. Es bildet sich ein neues Selbstverständnis sowohl der Führungskräfte, die sich als change agents (Gruppenmotivatoren) verstehen, als auch der Mitarbeiter heraus, die sich als Mitunternehmer ansehen. Zahlreiche verschiedenartige Experimente im In-und Ausland beweisen, daß durch die Form der Gruppenentscheidung die Leistungsfähigkeit des Unternehmens bei gleichzeitiger Verstärkung der Selbstverwirklichung des Menschen gestiegen ist. Selbstverwirklichung wird hier immer als Erweiterung des relativen Freiheitsspielraumes des einzelnen verstanden. Die Mobilisierung von Leistungsreserven muß jedoch in einem gesteuerten Prozeß laufen, der nicht . überdreht'werden darf. Als wichtigste Voraussetzung gilt, daß der Lernprozeß bei dem bisherigen Arbeitnehmerverhalten ansetzt, also dort beginnt, wo sich der Mitarbeiter hinsichtlich seines Bewußtseinsstandes befindet.

Der Prozeß der Organisationsentwicklung verändert sicherlich langfristig die Machtverhältnisse im Unternehmen. Das Machtpotential von Unternehmer und Mitarbeitern erhöht sich dabei, da die Leistungskraft des Unternehmens gesteigert wird. In einem Partnerschaftsunternehmen entscheidet die Qualität der Leistung. , Erbhöfe'können in unserer Gesellschaft nicht erhalten werden, da die gesellschaftliche Wirklichkeit mit dem Konkurrenzdruck der großen Unternehmen, dem Druck aus dem Ausland und dem öffentlchen Interesse an den Arbeitsplätzen dies nicht zulassen kann. Eine Isolationspolitik des Unternehmers würde sicherlich zu seinem Untergang führen; daher ist er gut beraten, die gemeinsame Kraft zu nutzen und seine Stellung in der Gesellschaft zu festigen.

Die Mitbestimmung (IV), also das formalisierte Recht des Arbeitnehmers, an Entscheidungen teilzuhaben, muß auf allen Ebenen des Unternehmens institutionalisiert sein. Neben einem Grundrechtskatalog, der die Individualrechte für jeden einzelnen regelt, ist es wichtig, daß die Gruppen entsprechende Rechte erhalten, wie sie heute schon beim Betriebsrat und bei der Unternehmensmitbestimmung vorhanden sind. Es geht hierbei um eine sinnvolle Ergänzung jener verschiedenartigen Rechte, die den unterschiedlichen Vertretungsebenen zugeordnet sind. Das Prinzip der Ausgewogenheit muß hier gelten; keine Mitbestimmungsebene darf so stark ausgebaut sein, daß sie eine andere neutralisiert. Die institutionalisierte Mitbestimmung ist wie ein Netz zu sehen, das die informelle Mitbestimmung vor Entgleisungen bewahrt. Hier liegt eine Sicherung gegen eine mögliche Übertreibung im gruppendynamischen Prozeß der Organisationsentwicklung. Die Konzepte der Mitbestimmung und der Mitwirkung ergänzen sich also gegenseitig.

Mit der Reduzierung der Fremdbestimmung (V) sind unter anderem die Gebiete der Arbeitsstrukturierung (Arbeitsplatzwechsel, Arbeitsvergrößerung, Arbeitsbereicherung, teil-autonome Gruppen), der Ergonomie, der Sozialmedizin und des Unfallschutzes zusammenzufassen. Bei der Anwendung der Arbeitsstrukturierungsmodelle geht es darum, unter Mithilfe der Mitarbeiter ergonomische und sozialmedizinische Erfahrungen in die Praxis umzusetzen. Ergänzt wird dieses Konzept der betrieblichen Reduzierung von Fremdbestimmung durch die Aufstellung einer gesellschaftsbezogenen Kosten-und Nutzenrechnung (betriebliche/außerbetriebliche Reduzierung der Fremdbestimmung), wozu ein gesellschaftsbezogenes Rechnungswesen (gesellschaftsbezogene Berichterstattung) aufgebaut werden muß. Das Ergebnis dieser Datensammlung zeigt sich in der Sozialbilanz, die in Zukunft neben der Wirtschaftsbilanz stehen wird. Erste Versuche bei Partnerschaftsunternehmen und bei Unternehmen außerhalb dieser Gruppe lassen hoffen, marktkonforme Mittel einzusetzen, um nicht einer systemfremden Investitionslenkung anheimzufallen. Die gesellschaftsbezogene Berichterstattung zeigt auf, inwieweit die Unternehmen auf die Arbeitnehmer und die Bürger negative oder positive Einflüsse ausüben. Die Sozialbilanz würde also die Leistungen des Unternehmens für die Gesellschaft ausweisen, wobei sicherlich noch zahlreiche Quantifizierungsprobleme zu lösen sind.

Die Beteiligung (VI) der Mitarbeiter im Rahmen der Erfolgs-und Kapitalbeteiligung kennzeichnet die erfolgsnotwendigen Bemühungen, die Mitarbeiter nicht nur immateriell, sondern auch materiell und möglichst an der Substanz des Unternehmens zu beteiligen. Hier gibt es eine Fülle von Modellen, die in den letzten Jahren in vielen Spielarten praktiziert werden. Gerade dadurch ist eine Reihe von Unternehmen in der aktuellen gesellschaftspolitischen Diskussion der Vermögensbildung bekanntgeworden. Der Anspruch auf materielle Beteiligung leitet sich ganz selbstverständlich aus der partnerschaftlichen Struktur eines Unternehmens ab, zumal es legitim ist, die Mitarbeiter an der erhöhten Produktivität, die von der immateriellen Beteiligung herrührt, partizipieren zu lassen. Hier ist also eine deutliche Abgrenzung gegen die Mehrwerttheorie und gegen jene noch verbreiteten Meinungen zu konstatieren, die den Erfolg allein dem Unternehmer bzw.den bisherigen Kapitalgebern zuordnen. Die partnerschaftliche Konzeption hinsichtlich der Gewinnverteilung hat sich auch in den Parteien durchgesetzt, so daß es heute parteipolitisch unstrittig ist, den unternehmerischen Erfolg bzw. Gewinn auf die im Unternehmen Tätigen zu verteilen.

III. Ordnungspolitische Ziele der Mitarbeiterbeteiligung

Diese Grundlagen einer betrieblichen Partnerschaft gehen von einem Menschenbild aus, das humanistisch geprägt ist, doch hat die Praxis vieler Beteiligungsmodelle trotz nicht zu leugnender einzelner negativer Erfahrungen bewiesen, daß der Mensch fähig ist, kreativ zu sein und zugleich selbständig und verantwortungsbewußt zu handeln. Dem entsprechen die beiden Komponenten, die ein Partnerschaftsunternehmen auszeichnen — die materielle und die immaterielle.

Hauptanliegen der partnerschaftlichen Bestrebungen ist es, den scheinbaren Gegensatz von Kapital und Arbeit durch eine Verzahnung beider Faktoren im Unternehmen aufzuheben bzw. die starren Frontlinien zu durchbrechen. Im Bereich des Faktors Arbeit hat die Organisationsentwicklung dies geschafft. Auf der Kapitalseite versucht man, den Mitarbeiter am Erfolg und Kapital des Unternehmens zu beteiligen.

Die Kapitalbeteiligung der Mitarbeiter beruht auf der Vorstellung, daß wir nur dann unsere Wirtschaftsordnung sichern können, wenn es uns gelingt, aus Arbeitnehmern Mitarbeiter zu machen. Unsere Verfassung und Wirtschaftsordnung geben jedem Unternehmen den freien Raum, seine unternehmerische Funktion im Dienste der Gesellschaft zu erfüllen. Es geht deshalb entscheidend darum, diesen Freiraum zu erhalten und ihn auch auf die Mitarbeiter auszudehnen.

In der modernen Industriegesellschaft treten die Bedürfnisse der Mitarbeiter gleichberechtigt neben die Bedürfnisse des Unternehmers, des Unternehmens und der Gesellschaft. Jede Gruppe wird unsere Wirtschaftsordnung nur solange anerkennen, wie ihre eigenen Bedürfnisse auch befriedigt werden. Diese Überlegungen hat der Eigentümer-Unternehmer zu berücksichtigen, wenn er seine Ziele festlegt, die bisher oft ausschließlich auf Gewinnstreben basierten. Mikroökonomische Überlegungen des Unternehmers müssen eine makro-ökonomische Dimension haben. Das Unternehmen kann nicht als Selbstzweck gesehen werden, sondern hat seine Daseinsberechtigung nur als Dienstleistungsfunktion der Gesellschaft. Der Unternehmer der Zukunft muß in seinen Planungen neue Ziele einführen: Vermeidung von Umweltverschmutzung, Ausbildung, Infrastruktur, soziale Fürsorge, Sicherheit der Arbeitsplätze und Humanisierung der Arbeitswelt.

Diese Verpflichtung stellt besondere Anforderungen an jeden Unternehmer, der aus eigenem wie aus dem Interesse der Gesellschaft darauf angewiesen ist, sich nicht in der betrieblichen Alltagsarbeit zu verschleißen, sondern sich von Linienaufgaben freizumachen im Interesse der sozialen Daseinsfürsorge für das Unternehmertum. Es ist für den mittleren Eigentümer-Unternehmer nicht leicht, in dieser komplexen Welt das Unternehmen erfolgreich von Jahr zu Jahr weiterzuführen. Obwohl sich die meisten Unternehmer dem Gewinnstreben verschrieben haben, erstaunt es immer wieder, daß viele Unternehmer nicht die Optimierung des Gewinns erreichen. Autoritäre und patriarchalische Führungsstrukturen verhindern häufig den Erfolg.

Unternehmer in unserer Wirtschaftsordnung zu sein, heißt Risiken zu übernehmen und Chancen zu nutzen, die Gewinn, aber auch Verlust bringen können. Die Stärken und Schwächen des Menschen haben bisher viel zu wenig Eingang in dieses unternehmerische Denken gefunden. Leistung wird heute einseitig von der Unternehmensleitung oder vom Markt her diktiert, ohne die schöpferische Kraft der menschlichen Schwächen und Stärken zu nutzen. Häufig werden sogenannte Schwächen sofort als wirtschaftliche Mißerfolge dargestellt, wenn z. B. ein Pionierunternehmer, der es bisher gewöhnt ist, sein autoritär geführtes Unternehmen durch die Wogen des Marktes zu steuern, aufgrund verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnisse Kooperationen mit den Mitarbeitern eingeht. Der Vorwurf reicht dann von mangelnder Führungskraft, Verleugnung des Unternehmertums bis hin zu wirtschaftlichen Pressionen. Obwohl wir als Unternehmer in einem demokratischen Staat aufgerufen sein sollten, diesem Staatsgefüge entsprechende Formen im Wirtschaftsleben anzubieten und aus eigener Verantwortung die Weiterentwicklung der freien Gesellschaft in den Mittelpunkt unserer Bemühungen zu stellen, ist es erstaunlich, daß die Vielzahl der Unternehmer die Augen vor den wirtschaftlichen Erfolgen kooperativer Unternehmens-strukturen und Verhaltensweisen verschließen. Zu tief sitzt das Vorurteil, daß unter bestimmten Bedingungen Humanität und Rentabilität nicht zu vereinbaren seien. Humanitäre Ansätze werden häufig als Humanitätsduselei und Weltfremdheit abgetan.

Ausführliche Untersuchungen von Wissenschaftlern und Unternehmern im In-und Ausland haben die Forderung der Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der Partnerschaft in der Wirtschaft e. V. (AGP) bestätigt, daß Gewinn-optimierung für ein Unternehmen in einer sozialverpflichteten Gesellschaftsstruktur nur dann zu erreichen ist, wenn die Mitarbeiter am Erfolg, am Kapital und an der Entscheidung im Unternehmen beteiligt werden.

Die kooperative Wirkung der Kapitalbeteiligung kann nur zur Geltung kommen, wenn die verhaltenspsychologischen Bedingungen erfüllt sind, die zur Motivation der Mitarbeiter führen. Nur durch Verhaltenstraining und Bildungsarbeit der Mitarbeiter ist eine Emanzipation des Menschen möglich. Dieses wiederum ist Voraussetzung, aus Eigenverantwortung die angebotene Kapitalbeteiligungsstruktur im eigenen wie im Sinne des Unternehmertums zu nutzen.

Die Berücksichtigung psychologischer Bedürfnisse des einzelnen ist nur durch die unmittelbare Teilhabe der Mitarbeiter an den Entscheidungsprozessen in Gruppen möglich. Die gemeinsame Zielfindung erhöht die Qualität des Entscheidungsprozesses und erleichtert und verkürzt den Prozeß der Entscheidungsdurchsetzung. Die Beteiligung des Mitarbeiters unter Berücksichtigung seiner menschlichen Verhaltensweisen, der Infragestellung dieser Verhaltensweisen und der Veränderung von Einstellungs-und Verhaltensweisen durch den einzelnen Mitarbeiter nennt man heute Organisationsentwicklung. Besondere Betonung liegt dabei auf dem dynamischen Aspekt der Entwicklung, da Strukturveränderungen angestrebt werden. Der Prozeß der Organisationsentwicklung führt in die Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit im Unternehmen. Die Aufarbeitung der Widersprüche und Konflikte zwischen Menschen verläuft in jedem Unternehmen anders, da jede Gruppe und jedes Unternehmen von anderen Menschen mit unterschiedlichen Verhaltensweisen gebildet werden. Daher ist das Konzept der Organisationsentwicklung nicht gesetzlich diktierbar, sondern muß von den einzelnen Menschen selbst bestimmt, realisiert und immer wieder erneut belebt werden. Auf diese Weise wird eine Entscheidungsunfähigkeit durch Strukturfixierung verhindert, da durch Selbstbestimmung und Teilautonomie der Gruppen im Rahmen abgestimmter Zielfindungsprozesse die Flexibilität des Unternehmens gewährleistet bleibt. Der Willkür des Unternehmers sind Grenzen gesetzt, da der Entscheidungsprozeß kontrollierbar und nachprüfbar ist.

Viele Unternehmer mögen dies als einen Nachteil ansehen. Der größeren Transparenz des Unternehmens stehen jedoch positive Kräfte seitens der Mitarbeiter gegenüber, die sich durch erhöhte Kreativität und Mitverantwortung entscheidend für die Produktivität und Rentabilität des Unternehmens auswirken. Für Mitarbeiter überschaubare Unternehmen tragen wesentlich dazu bei, Innovationen für den Markt des Unternehmens zu schaffen. Gerade bei mittelständischen Unternehmen, die den Konkurrenzkampf mit Großunternehmen zu bestehen haben und denen die Finanzierungsmöglichkeiten der Großunternehmen fehlen, können am Markt mit Hilfe engagierter, kreativer und kapitalbeteiligter Mitarbeiter sehr viel besser Schwierigkeiten meistern. Bisher hat man die geistigen . Kapitalreserven'der Mitarbeiter nur in geringem Maße genutzt. Ein Abbau autoritärer Führungsweisen mobilisiert solche Reserven und führt zu einer freiwilligen Leistungssteigerung. Die Unternehmen sind aufgerufen, . Investitionen'im menschlichen Bereich anzustreben, die oft höhere Renditen als eine Rationalisierung der Fertigungsbereiche erbringen. Verschiedene Untersuchungen haben ergeben, daß qualifizierte Kräfte dann für mittelständische Unternehmen zu gewinnen sind, wenn die Möglichkeit einer breiten Entfaltung erhalten bleiben kann und nicht in eine starre schematische Organisation eingebunden ist.

IV. Materielle Beteiligungssysteme

Kapitalbeteiligung als Teilaspekt moderner Unternehmensführung trägt wesentlich zur Leistungssteigerung und zur Erhöhung der Zufriedenheit des Mitarbeiters bei. Wichtig für die Kapitalbeteiligung der Mitarbeiter ist eine vernünftige Konzipierung des Kapitalbeteiligungsmodelles. Die AGP hat bereits vielen Unternehmen geholfen, solche Beteiligungsmodelle zu schaffen. Die Praxis der Erfolgsbeteiligungssysteme, der Arbeitnehmerstiftungen, der betrieblichen Fonds wie auch die von zwischengeschalteten Gesellschaften sollte unbedingt genutzt werden.

Drei Systeme lassen sich dabei unterscheiden: Bei den Mitarbeiterunternehmen liegen mehr als 50 % des Kapitals in Mitarbeiterhand, wodurch sich dieses Modell von konventionellen Beteiligungsunternehmen unterscheidet. Wesentliches Merkmal dieses Typs ist das Individual-Eigentum. Es ähnelt daher sehr stark den Produktivgenossenschaften. Aus diesem Grund sind diese Unternehmen wirtschaftskonform, da sie zu unserer Wirtschaftsordnung passen, weil hier privates Eigentum mit gleichwertiger Mitsprache sämtlicher Anteilseigner verbunden ist. In den USA gibt es zahlreiche Genossenschaftsunternehmen mit dieser Unternehmensstruktur, was sicherlich für die Systemkonformität dieses Modells mit der sozialen Marktwirtschaft spricht. Überlegungen der deutschen Parteien im Hinblick auf die Arbeitsgesellschaft bzw. Arbeitspartizipation gehen sicherlich in ähnliche Richtungen. Vielleicht weist uns dieses Modell den dritten Weg, den Ota Sik propagiert. Es ist ein konsequenter Versuch, die Interessen der Mitarbeiter und die des Unternehmens in Einklang zu bringen.

Die im Rampenlicht stehenden Mitarbeiterunternehmen mit mehr als 50 °/o Eigenkapital in Mitarbeiterhand stellen in der Palette der Beteiligungsunternehmen jedoch nur eine verschwindend kleine Gruppe dar. Dagegen werden in der zweiten Gruppe jene Unternehmen zusammengefaßt, die das Kapital in einer Stiftung, einem Betriebsfonds (im Gegensatz zum Investmentfonds) oder in einem Kollektiv gesammelt haben, was dem Gemeineigentum nahekommt. Die Mitarbeiter besitzen keinen individuellen Anspruch auf das Kapital, sondern haben nur Nutzungsrechte, durch die ihnen der Wertzuwachs teilweise zukommt. Getragen werden diese Modelle von bestimmten individuellen Wertsystemen früherer Kapitaleigner.

Die dritte und größte Gruppe der Unternehmen mit Mitarbeiterbeteiligungskonzepten bilden jene, bei denen der Altkapitalgeber der bestimmende Faktor im Unternehmen bleibt. Hierzu sind 2 000 Unternehmen zu rechnen, die eine Erfolgsbeteiligung aufgrund des Faktors Arbeit gewähren. Zu unterscheiden sind dabei unter anderem neben der Produktivitäts-, Umsatz-oder Mehrerfolgsbeteiligung vor allem die Ertrags-und Gewinnbeteiligung. Die praktikabelste Form scheint die erfolgsbezogene Leistungsbeteiligung zu sein, da sie in der Praxis zunimmt. Neben den Unternehmen mit Erfolgsbeteiligungen gibt es solche, die eine reine Kapitalbeteiligung praktizieren, ihren Mitarbeitern also allein aufgrund des Faktors Mitarbeiterkapital ein Recht auf materielle Beteiligung einräumen. Dieser Modell-typus wird sich in der Zukunft verstärkt durchsetzen, da er dem Selbstverständnis des Eigentümer-Unternehmers entgegenkommt.

Mitarbeiterbeteiligungsmodelle, die den Faktor Arbeit und den Faktor Mitarbeiterkapital berücksichtigen, bei denen also der Mitarbeiter sowohl aus dem Faktor Arbeit als auch aus dem Faktor Kapital ein Recht auf eine Beteiligung am Erfolg bzw. Gewinn hat, nennt man „laboristische Mitarbeiterbeteiligungsmodelle". Der Mitarbeiter erhält neben seinem Einkommen eine Erfolgsbeteiligung aus dem Faktor Arbeit, die Zinsen auf seinen Kapitalanteil und den Gewinnanteil auf seinen Kapitalstock. Hierzu können bei einer eventuell sukzessiven Rückzahlung des Kapitalanteils entsprechende Auszahlungsbeträge kommen, sofern der Kapitalstock des Unternehmens dies zuläßt. Diese laboristischen Lösungen sind weit in der Überzahl und rekrutieren sich vor allem aus der investiven Anlage der 2 000 Unternehmen, die Erfolgsbeteiligung aufgrund des Faktors Arbeit gewähren. Diese Modelle zeigen par excellence den institutionalisierten Konflikt in einer Person, nämlich Arbeit-und Kapitalinteressen gleichzeitig vertreten zu müssen.

V. Einführung einer Mitarbeiterbeteiligung

Ist der Unternehmer zur Begründung einer betrieblichen Partnerschaft bereit, um sich so den gesellschaftspolitischen Forderungen unserer Zeit zu stellen, wird er sich fragen, welchen Teilbereich er zuerst realisieren soll: Die Vermögensbeteiligungs-, die Arbeitsorganisations-oder die Mitbestimmungskomponente? Die Erfahrungen zeigen, daß die gleichzeitige Einführung der Vermögensbeteiligung und der Arbeitsorganisationskomponente der richtige Weg ist. Denn von hier aus wird sich später zwangsläufig auch eine betriebliche Mitbestimmung ergeben, die über das Betriebsverfassungsgesetz und die Unternehmensmitbestimmung in einer neuen Struktur hinausreichen wird. Bei der materiellen Beteiligung geht es darum, die teilnahmeberechtigten Mitarbeiter und die Aufbringungsseite der Erfolgs-und Kapitalbeteiligung festzustellen. Dies kann in Form von Lohnanteilen, Krediten von Mitarbeitern, einer Zuwendung des Unternehmers oder durch eine Erfolgsbeteiligung geschehen. Bei der Verteilung der Erfolgsbeteiligung geht es darum, von welcher Berechnungsbasis zunächst die notwendigen Abzüge, wie z. B. Zinsen oder Unternehmerlohn, verrechnet werden, bevor man zur Verteilung kommt. Diese kann dann auf ein Zwei-oder Drei-Faktoren-Modell abgestimmt sein, also auf Arbeit und Kapital oder auf Arbeit, Kapital und Disposition. Danach schließt sich die Individualaufteilung auf den einzelnen Mitarbeiter an, wobei die Praxis die Unterscheidung nach der Pro-Kopf-Verteilung oder eine Verteilung nach dem Gehaltsschlüssel mit allen möglichen Kombinationen kennt.

Nun ist die Frage der Verwendungsseite der verteilten Gewinne zu lösen. Diese können bar ausgeschüttet oder investiv angelegt werden. Auch hier gibt es zahllose Kombinationsmöglichkeiten. Neben nicht gesellschaftsrechtlichen Verankerungen, wie z. B.dem Arbeitnehmerdarlehen, der Obligation, Personalobligation und Namensschuldverschreibungen, sind die gesellschaftsrechtlichen Verankerungen in der Form der stillen, atypisch stillen oder in der KG-und GmbH-Beteiligung wie auch der Belegschaftsaktie zu nennen. Die möglichen gesellschaftsrechtlichen Verankerungen können in der Form der direkten Beteiligung oder indirekt über eine Beteiligungsgesellschaft realisiert werden. Die Fragen der Verlustbeteiligung, der zeitlichen Verfügungsbeschränkungen und der Mitentscheidung aus

Kapitalanteilen sind dabei zu lösen. Folgende investive Anlagen sind in der Praxis bekannt: 1. Arbeitnehmerdarlehen, 2. Schuldverschreibungen (Obligation), 3. typisch stille Beteiligung, 4. atypisch stille Beteiligung, 5. formelle Kommanditbeteiligung, 6. volle Kommanditbeteiligung, 7. GmbH-Beteiligung, 8. Belegschaftsaktie von AGs, 9. Belegschaftsaktien von KGaAs, 10. Anteile an Belegschaftsfonds, 11. Beteiligung an Mehrheitsfirmen (Arbeitbeitnehmerbeteiligungsgesellschaft, Mitarbeiterstiftungen) 12. Mitarbeitergenossenschaften.

Diese Aufzählung beweist die Vielgestaltigkeit von Mitarbeiterbeteiligungen. Ein Vergleich der partnerschaftlichen mit einer konventionellen Unternehmensführung zeigt im Endeffekt die Überlegenheit der ersteren, die die Leistungsreserven der Mitarbeiter, die Motivation und das Engagement in ganz anderer Weise zu wecken vermag. Partnerschaftliche Unternehmensführungen haben durchweg bewiesen, daß trotz der im Vordergrund stehenden Bedürfnisbefriedigung der Menschen im Betrieb eine höhere Produktivität und Rentabilität des eingesetzten Kapitals erreichbar ist.

Allerdings sind bei Unternehmern wie bei den Mitarbeitern entscheidende Verhaltensänderungen erforderlich, die nicht durch Gesetz und Vorschriften allein erreicht werden können, sondern zusätzlich durch den kanalisierten Konfliktregelungsprozeß in einem gruppen-dynamischen Ansatz. Verhaltensänderungen werden durch Einstellungsänderungen ereicht. Daher sollte der Unternehmer es wagen, sich auf betrieblicher Ebene zu einer Strukturveränderung im Hinblick auf eine paritätische Mitbeteiligung durchzuringen. Dabei werden zwar die Rechte der Mitarbeiter aus dem Faktor Arbeit und aus dem Faktor Mitarbeiter-kapital garantiert, das Gesamtkapital kann den Faktor Arbeit im Unternehmen immer überstimmen. Zugleich wird aber die paritätische Vertretung von Unternehmensleitung und Mitarbeitern (Faktor Arbeit/Mitarbeiterkapital) erreicht. Durch das neue Unternehmensmitbestimmungsgesetz für Großunternehmen stellt sich hierbei die Frage der Überparität. Sollte es gewünscht werden, könnte hier die Form der zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft gewählt werden, um die Uberparität zu vermeiden. Das Gesamtkonzept aus arbeitsplatznaher, humaner Arbeitswelt (Arbeitsstrukturierung/Organisationsentwicklung, Ergonomie, Sozialme-dizin) und einer betrieblichen paritätischen Mitbeteiligung kann der Anfang für eine betriebliche Gesellschaftspolitik in mittelständisehen Unternehmen bis 2 000 Mitarbeitern sein, die eine echte Alternative zu den über-betrieblichen Vermachtungsplänen etablierter Kräfte darstellen würde.

VI. Gesamtwirtschaftliche Aspekte der betrieblichen Partnerschaft

Die der sozialen Marktwirtschaft entsprechenden ständigen Reformen, wie sie von Partnerschaftsunternehmen vertreten werden, tragen wesentlich dazu bei, die Diskussion um die Investitionslenkung bzw. Vergesellschaftung der Produktionsmittel in neue Bahnen zu leiten. Die Mitarbeiter haben gemäß Art. 14 GG zwar ein Recht auf Entscheidung über Mitarbeiterkapital, unterliegen jedoch auch der Sozialbindung des Eigentums. Diese Form der breiteren Streuung des Produktivkapitals (Unternehmensbeteiligung) würde wesentlich zur Glaubwürdigkeit des Unternehmertums beitragen. Ein möglicher Betriebsegoismus, der zu Lasten der Verbraucher oder der Bürger gehen könnte, wird durch die jährlich aufzustellende Sozialbilanz eingedämmt, durch die die Leistung des Unternehmens für die Gesellschaft dargelegt wird. Es ergeben sich sicher aus der partnerschaftlichen Konzeption einige volkswirtschaftliche Fragen, wie z. B. eine denkbare gesamtwirtschaftliche Produktivitätssteigerung mit der Folge einer erhöhten Ausbringungsmenge, durch die wiederum Absatzprobleme auftreten könnten.

Sicherlich schließen sich Humanität und Produktivität in Grenzbereichen partiell aus. Zu einem Zielkonflikt kommt es jedoch erst sehr viel später, als uns die heutige Realität weismachen möchte. Im Rahmen der Tarifverhandlungen können Beteiligungsmodelle, sei es in Form der investiven Erfolgsbeteiligung oder der Arbeitspartizipation, eine Möglichkeit sein, neue Wege zu finden. Partnerschaftliche Unternehmensformen können über Arbeitslosigkeit und unsichere Wirtschaftsaussichten jedoch nicht hinwegtäuschen. Auch ist mit dem Konzept der betrieblichen Partnerschaft kein Allheilmittel zur Lösung von gesellschaftlichen Problemen gefunden, doch kann durch ein behutsames Vorgehen ein erster Schritt zu einer humaneren Arbeitswelt getan werden. Dabei sollte sich der Unternehmer davor hüten, betriebliche Gesellschaftspolitik allein aus kurzfristigen gewinnorientierten Überlegungen anzuwenden, denn dann wird er in der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung der Verlierer sein. Betriebliche Gesellschaftspolitik bedeutet, eine neue Legitimation des Unternehmers in dieser Gesellschaft zu begründen.

Die betriebswirtschaftlichen Vorteile der Kapitalbeteiligung liegen auf der Hand. Die erheblichen steuerlichen Vorteile erlauben dem Unternehmer schon heute, Angebote des Gesetzgebers zu nutzen und dabei gesellschaftsrechtliche Lösungen anzusteuern, die zu einer wesentlichen steuerlichen Entlastung des Unternehmens führen. Die Stärkung des Eigenkapitals durch haftendes und verlustbeteiligtes Mitarbeiterkapital erhöht die Kreditlinie bei den Banken, so daß günstige Finanzierungsmöglichkeiten genutzt werden können. Durch steuerliche Entlastungen wird die Liquidität positiv beeinflußt, daß es unverständlich erscheint, warum nicht mehr Unternehmer diese steuerlichen Möglichkeiten nutzen. Kapitalbeteiligung der Mitarbeiter hilft deshalb dem Unternehmer, dem Unternehmen und den Mitarbeitern.

Volkswirtschaftlich kann nur dann eine Steigerung des Bruttosozialproduktes durch Vermögensbeteiligungsmodelle erreicht werden, wenn Leistungsreserven mobilisiert und konjunkturell vernünftig eingesetzt werden. Durch die investive Anlage gewinnbezogener Erfolgsbeteiligungsmodelle ist es möglich, die Kostenbelastung zu reduzieren und die Investitionskraft des Unternehmens zu stärken. Das Unternehmen und seine Mitarbeiter haben im Rahmen eines Beteiligungsmodells das gleiche Ziel: eine hohe Rendite ihrer Beteiligung zu erwirtschaften.

Die soziale Marktwirtschaft ist als unsere Wirtschaftsordnung verfassungsmäßig nicht verankert, so daß es immer wieder gilt, die Bürger dieses Landes für diese Wirtschafts-Ordnung zu gewinnen. Die breite Durchdringung der Unternehmen mit Kapitalbeteiligungsmodellen sollte damit Aufgabe jedes Unternehmensverbandes sein. Die Polarität zwischen den Sozialpartnern auf makroökonomischer Ebene kann nicht das Spiegelbild mikroökonomischer Zusammenarbeit im Unternehmen zwischen kapitalbeteiligten Mitarbeitern und kapitalgebenden, geschäftsführenden Gesellschaftern sein. Der historische Ausgleich zwischen Kapital und Arbeit kann nur in einer Selbstbestimmung im Unternehmen zwischen den Beteiligten geschehen. Die soziale Marktwirtschaft wird dann realisiert sein, wenn wir in den Unternehmen eine diesem demokratischen Rechtsstaat entsprechende Beteiligungsstruktur aufweisen.

Arbeitgeber und Gewerkschaften sind aufgerufen, diesen Weg auf breiter Ebene zu gehen. Der bevorstehende Aufschwung sollte am Arbeitnehmer nicht vorbeigehen. Die Lösung des Problems heißt Produktivvermögensbildung der Arbeitnehmer am arbeitgebenden Unternehmen über den Tarifvertrag.

Fussnoten

Weitere Inhalte

s -M ichael Lezius, Dipl. -Kaufmann, geb. 1942; Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der Partnerschaft in der Wirtschaft e. V. (AGP). Veröffentlichungen u. a.: Aktive betriebliche Gesellschaftspolitik, in: AGP-Mitteilungen, Sonderdruck, Köln 1975; Qualität des Lebens und betriebliche Partnerschaft. Humanisierung der Arbeitswelt, hrsg. v. d. AGP, Köln 1975; Für eine neue Legitimation des Unternehmers, in: Soziale Ordnung 4/1975; Aktive betriebliche Gesellschaftspolitik — Humanität und Produktivität in Partnerschafts-Unternehmen, in: Kirche/Wirtschaft, Düsseldorf 1975; Chef und Putzfrau als Partner, in: Frankfurter Rundschau vom 10. März 1976; Materielle Beteiligung der Arbeitnehmer, in: management heute 5/76 (Harzburger Hefte); Das Konzept der betrieblichen Partnerschaft, in: Handbuch der Mitarbeiterbeteiligung, Hrsg.: Guski/Schneider, Köln 1977.