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Protest von links. Die Studentenbewegung in der Bunderepublik Deutschland 1967- 1976 | APuZ 12/1977 | bpb.de

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APuZ 12/1977 Protest von links. Die Studentenbewegung in der Bunderepublik Deutschland 1967- 1976 Abschied vom Protest oder Ruhe vor dem Sturm? Studenten und Politik in der Bildungskrise

Protest von links. Die Studentenbewegung in der Bunderepublik Deutschland 1967- 1976

Gerd Langguth

/ 48 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Unbestreitbar gehört die studentische Protestbewegung — ein Phänomen der gesamten westlichen Welt — zu den wichtigsten Ereignissen deutscher Nachkriegsgeschichte. Sie veränderte die politische Kultur sowohl in der Bundesrepublik als auch in anderen westlichen Ländern nicht unmaßgeblich. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich ausführlich mit der Entstehung der Studentenrevolte und ihren Ursachen und weist nach, daß die einstige Protestbewegung, deren Motor der SDS war, eine Gemeinschaft mit relativ vagen politischen Vorstellungen darstellte, daß die revolutionäre Sprengkraft des SDS durch die Ablehnung der bestehenden Gesellschaftsordnung und nicht durch eine Vorstellung über das „Wie" und „Wohin" einer möglichen Veränderung der kritisierten Gesellschaft zu erklären ist. Die vorwiegend von Oberschülern und Studenten geprägte Protestbewegung, die hinsichtlich ihrer Wertvorstellungen sehr stark von romantischen, antiindustriellen und antitechnischen Zügen bestimmt war, löste sich in die folgenden wichtigsten ideologischen Gruppierungen auf: dogmatisch-marxistisch-leninistische Gruppen maoistischer Couleur, dogmatisch-kommunistische Gruppen Moskauer Couleur, die Vertreter des „langen Marsches durch die Institutionen“ (Dutschke), Subkultur und eine terroristische Richtung. Dabei sind die unterschiedlichen politischen Positionen nicht immer klar voneinander ab-grenzbar. Die Protestbewegung hatte auch Momente einer Modebewegung. Die Herausforderung durch die „außerparlamentarische Opposition" (APO) hat auch ein tiefes normatives Defizit der westlichen Demokratien und speziell der Bundesrepublik nachgewiesen, die eine in weiten Teilen der jungen Generation zu findende Sehnsucht nach Werten nicht befriedigen konnten.

I. Einige Gründe des Protestes

Abbildung 1

Die studentische Protestbewegung stellte ein Phänomen aller westlichen Länder dar. Sie nahm ihren Ausgang von Berkeley/Kalifori men, verbreitete sich eruptiv in allen Ländern des Westens und stellte zumindest für die Bundesrepublik in der zweiten Hälfte der e sechziger Jahre wohl das wichtigste innenpolitische Ereignis langfristiger Bedeutung dar , über den SDS, den eigentlichen Promoter dieser Bewegung, und die „antiautoritäre Phase" bis in das Jahr 1970 gibt es eine Fülle von Veröffentlichungen

Aber die Zeit nach der Auflösung des SDS am i 21. März 1970 fand nur in sehr wenigen UnI tersuchungen Berücksichtigung Die Studien, die sich mit der Zeit nach 1970 auseinander-setzen, haben in der Regel nur Einzelaspekte aufgegriffen.

So wichtig die Frage nach dem Verlauf der Protestbewegung und ihrer einzelnen Stationen ist, so hat auch heute nach wie vor die Frage brennende Aktualität, warum weite Teile der jungen Generation in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre „auf die Barrikaden" gingen, warum beispielsweise nach einer Meinungsumfrage des Bielefelder Emnid-Instituts als potentieller Resonanzboden für Aktionen des SDS der Bereich der „jungen Intelligenz" (Oberschüler, Abiturienten, Studenten im Alter von 17 und 25 Jahren) von 70% der Befragten angesehen wurde

In der gleichen Umfrage wurde festgestellt, daß um die Jahreswende 1968/69 immerhin nahezu zwei Drittel dieser „jungen Intelligenz" dem Parteiensystem in gewisser Weise mit Mißtrauen gegenüberstanden und von ihm unbefriedigt waren, daß auch marxistische bis hin zu kommunistischen Sympathien im Juli 1968 bei einem Drittel, im Dezember 1968 noch bei 28 % der Befragungsgruppe festzustellen waren — trotz des inzwischen erfolgten Einmarsches Warschauer Pakt-Truppen in die CSSR. Allerdings muß berücksichtigt werden, daß diese Umfrage im Umfeld von Oberschülern und Studenten vorgenommen wurde, während im nichtakademischen Bereich eindeutig andere Umfrageergebnisse zustande kamen

Während sich beispielsweise 36 0/o der Studenten im Januar/Februar 1968 und sogar 53 % im Juni/Juli 1968 an Demonstrationen beteiligten, waren lediglich 5 °/o der nichtakademischen Jugend zu diesem Zeitpunkt an einer politischen Demonstration beteiligt. Zwar wurde seinerzeit in den Medien immer wieder von einer „Revolte der Jugend" gesprochen, dabei aber meist vergessen, daß es sich bei den entsprechenden Aktivitäten vielfach lediglich um Studenten und Oberschüler handelte, wobei die rund 300 000 Studenten an den wissenschaftlichen Hochschulen im Jahre 1968 noch keine 10 % der gesamten Altersgruppen ausmachten, aus denen sie sich rekrutierten Es kann jedoch davon ausgegangen werden, daß die Bereitschaft zur Teilnahme an politischen Demonstrationen im Bereich der nichtakademischen Jugend in den darauffolgenden Jahren zunahm. Interessanterweise gibt es zwar eine Fülle von Meinungsumfragen, die sich mit Fragestellungen in der Studentenschaft und auch der jungen Generation insgesamt befassen, jedoch gibt es noch keine überzeugende wissenschaftlich-empirische Analyse über den soziologischen Background der an der Protest-revolte Beteiligten. Es liegen nur ungenügende und teilweise im Bereich der Spekulation sich bewegende Aussagen über Fragen des sozialen Status wie familiärer Hintergrund etc. vor. % der gesamten Altersgruppen ausmachten, aus denen sie sich rekrutierten 6). Es kann jedoch davon ausgegangen werden, daß die Bereitschaft zur Teilnahme an politischen Demonstrationen im Bereich der nichtakademischen Jugend in den darauffolgenden Jahren zunahm. Interessanterweise gibt es zwar eine Fülle von Meinungsumfragen, die sich mit Fragestellungen in der Studentenschaft und auch der jungen Generation insgesamt befassen, jedoch gibt es noch keine überzeugende wissenschaftlich-empirische Analyse über den soziologischen Background der an der Protest-revolte Beteiligten. Es liegen nur ungenügende und teilweise im Bereich der Spekulation sich bewegende Aussagen über Fragen des sozialen Status wie familiärer Hintergrund etc. vor. Die jedenfalls häufig vorgetragene Äußerung, die studentische Protestbewegung sei eine Art neuer Jugendbewegung, ist insoweit nicht zutreffend, als die empirischen Daten ein hohes Maß politischer Übereinstimmung zwischen Studenten und ihren Eltern nachweisen. Somit läßt sich die Studentenrevolte nicht mit Generationskonflikttheorien allein erklären 7). Die für die Vereinigten Staaten gefundenen empirischen Daten 8) lassen ebenfalls keine Unterstützung für die These finden, daß studentische Rebellion ein Aufstand gegen die Elterngeneration sei. Vielmehr stellt die studentische Rebellion bei vielen Beteiligten eher das Bemühen dar, die politische Tradition des Elternhauses in einer anderen Zeit, mit anderen Methoden, aber doch insgesamt fortzusetzen. Sicher wäre es falsch, diese These zu generalisieren, da es sehr häufig Beispiele für solche Studentenrevolutionäre gab, die in einem ausgesprochenen politischen und persönlichen Gegensatz zum Elternhaus standen, ja, die teilweise sogar ihre politische Betätigung als einen bewußten Protest auch gegen die durch das Elternhaus erfahrene vorgebliche Unterdrükkung empfanden. Max Kaase spricht zu Recht davon, daß die bisher vorliegenden Umfrageergebnisse, wonach mehr als 60 °/o der Studenten über Auseinandersetzungen mit ihren Vätern berichten, noch keine Aussage darüber erlaubt, ob es sich bei der studentischen Protestbewegung um einen Generationenkonflikt handelt. Kaase hält es für klar erkennbar, „daß sich hier keine Anti-Reaktion der Jungen gegen die Alten aufgebaut hat, in der die Jungen immer gerade die Gegen-Werte des Elternhauses übernehmen: Die statistischen Beziehungen zwischen den jeweiligen Variablen sind ja nicht negativ, sondern eher insignifikant." 9)

Die Protestbewegung überrannte förmlich die gesamte westliche Welt und kam auch gerade für Jugendsoziologen außerordentlich überraschend. So erklärte Schelsky noch 1963, die junge Generation würde sich kaum als anfällig für radikale und revolutionäre Ideologien erweisen: „Aber was sich auch ereignen mag, diese Generation wird nie revolutionär in flammender kollektiver Leidenschaft auf die Dinge reagieren. Sie trägt kein Bedürfnis in sich, elitäre Gemeinschaften zu stiften oder Ordnungsprinzipien zu verwirklichen. Sie wird alles Kollektive ablehnen, ohne daraus ein Gegenprogramm zu machen." 10)

Auch Ludwig von Friedeburg meinte noch 1965 zum Thema Jugend: „überall erscheint die Welt ohne Alternativen, paßt man sich den jeweiligen Gegebenheiten an, ohne sich zu engagieren und sucht sein persönliches Glück in Familienleben und Berufskarriere. In der modernen Gesellschaft bilden Studenten , kaum mehr ein Ferment produktiver Unruhe.

Es geht nicht mehr darum, sein Leben oder gar die Welt zu verändern, sondern deren Angebote bereitwillig aufzunehmen und sich in ihr, so wie sie nun einmal ist, angemessen und distanziert einzurichten.'

Zwar war die Studentenrevolte sozusagen aus Amerika „importiert", doch waren für die Bundesrepublik noch eine Reihe eigener Faktoren maßgebend, die insgesamt dazu führten, daß hier die Auseinandersetzung zum Teil sehr viel deutlichere Formen annahm, als dies beispielsweise in den Vereinigten Staaten der Fall war. Denn die Protestrevolte in der Bundesrepublik muß auch vor dem Hintergrund einer politischen Situation gesehen werden, die als Folge des Zweiten Weltkrieges interpretiert werden muß. Diese Situation war gekennzeichnet besonders durch eine Entpolitisierung weiter Teile der Bevölkerung, ferner auch durch ein aus dem notwendigen Wiederaufbau heraus resultierendes und an materialistischen Vorstellungen orientiertes Effizienzdenken. Insbesondere aber mußte das Fehlen einer demokratischen Tradition konstatiert werden. Das mangelnde Selbstverständnis hinsichtlich demokratischer Traditionen führte so beispielsweise zu vagen Vorstel. wie Rätedemokratie und zur Ablehnung bestimmter im Grundgesetz vorgesehener institutioneller Formen der Demokratie — dies, obwohl sehr viele Anhänger der Protestbewegung durchaus von der subjektiven Überzeugung getragen waren, daß sie durch ihre Beteiligung an Protestaktionen der Demokratie nutzten. Dieses Fehlen einer demokratischen Tradition zeigte sich vor allem bei einer jungen Generation, die keine eigenen Erfahrungen mit dem Totalitarismus rechter oder linker Couleur machen konnte, die also auch sehr viel unbefangener den Ländern des Ostblocks gegenüberstand. Gleichwohl war die Protestrevolte zumindest in den sechziger Jahren nicht — wie ihr in Diskussionen häufig vorgeworfen wurde — eine Bewegung, die die Verhältnisse im Ostblock verherrlichte, sondern die sich gleichermaßen vom westlichen Lebensstil und westlicher Gesellschaftsordnung wie vOm östlich-kommunistischen System distanzierte.

Die breiteste Basis erhielt die Protestbewegung zu Zeiten der Bildung der Großen Koalition im Jahre 1967, die bei vielen stark links orientierten Studenten zu der Auffassung führte, daß die SPD keine grundsätzliche Alternative zur CDU, die schon zwanzig Jahre die politische Macht besaß, darstelle. Viele dieser linksorientierten Studenten verloren deshalb ihren Glauben an politische Veränderungen auf dem dafür im Grundgesetz vorgesehenen parlamentarischen Wege. Nachweisbar führte die Bildung der Großen Koalition bei einer Reihe einflußreicher Mitglieder der Protestbewegung zu einer Radikalisierung, zu einer Abkehr von der im Grundgesetz vetankerten Demokratie. So sind auch die Aussagen von Erdmann Linde, der aus dem früheren Sozialdemokratischen Hochschulbund (SHB)) kommt, zu verstehen, der die Auswirkungen der Großen Koalition wie folgt beschreibt: „Jene Teile der außerparlamentarischen Opposition, die schon immer der absoluten Verdammung der SPD das Wort geredet hatten, sahen sich nun in ihrer Meinung bestätigt, daß diese Partei sich nun als Agentur der CDU/CSU und der von ihr betriebenen Formierungspolitik enthüllen werde."

Ein spezielles Moment für die Bundesrepublik stellte jedoch im Vergleich z. B. zu den Vereinigten Staaten die Tatsache dar, daß in der Bundesrepublik eine marxistische Tradition aus der Zeit der Arbeiterbewegung noch teilweise lebendig ist, die in anderen Ländern in diesem Ausmaß nicht bekannt ist. Aus diesem Grunde konnten von Seiten der bundesrepublikanischen Protestbewegung Versuche unternommen werden, an diese marxistische Tradition — speziell der Arbeiterbewegung — anzuknüpfen.

Generell zeigt das rasche Entstehen der Protestbewegung, daß offensichtlich die in der Bundesrepublik verankerte Demokratie nicht in genügendem Maße in der Lage war, weiten Teilen der jungen Generation eine Wertorientierung zu bieten. Der Berliner Politologe Richard Löwenthal führte hierzu treffend aus: „Die kämpferische Haltung der jungen deutschen Intellektuellen von heute, ihre radikale Kritik an der modernen Industriegesellschaft entwickelt sich . . . auf dem Boden eines nur allzu deutlich durchscheinenden Kulturpessimismus. Hinter der Erneuerung der radikalen Utopie wird eine Grund-Stimmung von Verzweiflung erkennbar, hinter der Glaubenssehnsucht nicht selten ein Nihilismus, dem die humanistischen Werte unserer Zivilisation als bloße Heuchelei erscheinen." Es fand ein weitgehender Umbruch tradierter Wertvorstellungen in den verschiedenen Bereichen statt, der zudem durch zunehmenden Leistungsdruck als einer Erscheinung einer modernen Industriegesellschaft vorangetrieben wurde

Diese Umdeutung der Werte, die auch zu einer Relativierung des Einflusses spezifischer christlicher Normen und damit auch der Institution Kirche führte, traf die führenden Repräsentanten unserer Gesellschaftsordnung zumeist unvorbereitet, was zusätzlich zu einer Autoritätskrise führte. Für den Hochschulbereich speziell kam hinzu, daß die Hochschulen dem Massenansturm nicht mehr gewachsen waren und vor allem Lehrende „unpolitischer" Fachwissenschaften sich häufig vor Fragen politischer Verwertung der Forschungsergebnisse gestellt sahen, ohne darauf antworten zu können.

Da die Frage nach dem Minimalkonsens in unserer modernen Gesellschaft nicht befriedigend beantwortet werden konnte, wurden viele intellektualisierte Jugendliche auf die Seite eines zunächst noch sehr vagen Marxismus gebracht. Denn mit dem Marxismus wurde ein geschlossenes Wertesystem geboten, eine Wertevermittlung, wie sie durch die bisherigen politischen Eliten nicht vorgenommen wurde. Die große Ausstrahlungskraft der Protestbewegung war nicht zuletzt auch deshalb möglich, weil die meisten führenden Repräsentanten unserer Gesellschaft zu einer Grundwertediskussion nicht in der Lage waren. Vor allem gelang es ihnen nicht, auf einen Minimalkonsens — jener gemeinsamen Grundlage aller demokratischen Kräfte — überzeugend hinzuweisen. Es gelang nicht der Nachweis auf die geistigen Grundlagen unserer Demokratie, die von den Ideen der Volkssouveränität, Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit ausgeht und die von daher auch das Prinzip des gesellschaftlichen Pluralismus als konstitutives Moment anerkennt. Es wurde weiten Teilen der jungen Generation nicht überzeugend aufgezeigt, daß unsere Demokratie aufbaut auf dem Konfliktmodell von der Gesellschaft, d. h., daß der Konflikt, die politische Auseinandersetzung verschiedener Weltanschauungen, Voraussetzung für gesellschaftlichen Fortschritt darstellt. Es gelang nicht darzustellen, daß erst eine offene Gesellschaft, die von dem Gedanken des politischen Wettbewerbs ausgeht, Freiheit und soziale Gerechtigkeit gewährleistet.

Zweifelsohne hatten diese Fragen zu Zeiten des Wiederaufbaus der Bundesrepublik, in denen die gemeinsamen Zielsetzungen eines überwiegenden Teiles der bundesrepublikanischen Bevölkerung jedermann offensichtlich waren, nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Die Studentenrevolte brach erst nach der Phase des Wiederaufbaus der Bundesrepublik aus — zu einem Zeitpunkt zudem, als ein offensichtlicher Rückgang der Ost-West-Spannungen sichtbar schien.

Insofern war die studentische Revolution keine Revolution von Angehörigen eines . Proletariats', zumal die Protestbewegung gerade während einer Zeit des sogenannten Wohlstandes ausbrach. So erklärte Frank von Auer, früherer Bundesvorsitzender des Liberalen Studentenbundes Deutschlands (LSD), der sich zeitweise ganz mit der antiautoritären Position des SDS identifizierte: „Aber die Neue Linke hier steht vor anderen Problemen als die Befreiungsbewegungen in Asien oder Lateinamerika. Unsere Aufgabe ist die Befreiung in einer Überflußgesellschaft." Die meisten studentischen Revolutionäre mußten hinsichtlich ihrer eigenen ökonomischen Ausgangsposition keineswegs eine Verelendung befürchten. Insofern war der Studentenprotest keine Revolution Von Angehörigen unterprivilegierter Gruppen. Viele an der Protestbewegung Beteiligte waren vielmehr von einem sozialen Idealismus geprägt, der zumindest zeitweilig ein außerordentlich intensives politisches Engagement hervorrief.

Eine wichtige Rolle spielte der Vietnamkrieg und ein daraus entstehender Antiamerikanismus. Der Vietnamkrieg hatte zwar innerhalb der Neuen Linken in den Vereinigten Staaten eine noch viel größere Bedeutung — dort mußten die Studenten eine Einberufung zum Kriegsdienst befürchten —, doch lieferte er auch innerhalb der Studentenschaft der Bundesrepublik zahlreiche Mögliphkeiten der Mobilisierung. Natürlich war eine Motivation zu dieser Mobilisierung auch eine Form eines rigiden Humanismus, die durchaus in den spezifisch intellektuellen Bereichen ihre Tradition hat. In der gemeinsamen Ablehnung des Vietnamkrieges, damit in der Solidarisierung des vergeblichen Kampfes gegen Unterdrückung, Ausbeutung und Leiden der Menschheit, war der größte gemeinsame Nenner innerhalb der linken Bewegung gegeben. Dieser Antiamerikanismus war jedoch gleichzeitig gepaart mit der Kritik an den Erscheinungen einer modernen Industriegesellschaft, da die Vereinigten Staaten als Inbegriff einer solchen verachtungswürdigen Gesellschaft gesehen wurden. Die Vereinigten Staaten wurden also in den Diskussionen der Neuen Linken weniger mit den liberalen Freiheitsrechten der amerikanischen politischen Tradition, als mit Leistungswillen, Effizienzdenken, Vermassung und Unterdrükkung identifiziert. Insofern stellte die Anti-Vietnamkriegs-Bewegung gleichzeitig eine 1 Emanzipationsbewegung von bestimmten Er-> scheinungsformen einer modernen Leistungs> gesellschaft dar.

Die Protestbewegung ist alles in allem auch vor dem Hintergrund sozial-psychologischer Deutungen zu interpretieren. Selbst Haberi mas, einer der wichtigsten Mentoren der studentischen Protestbewegung, schrieb: „Weil das Potential der Unzufriedenheit nicht aus 5 ökonomischer, sondern aus einem psycholo-2 gisch bedingten Unbehagen in der Kultur hervorgeht, verdanken sich die Definitionen des . gegenwärtigen Zustandes nicht einem evidenten Pauperismus, sondern einer eher esoterischen Kulturkritik." Habermas nahm also szu Recht an, die Studenten-und Schüllerbewegung gehe „aus einem Potential her/vor, das keine ökonomische, sondern eine soszial-psychologische Erklärung verlangt"

Dies wird auch sehr deutlich bestätigt in der linken theoretischen Zeitschrift „Kursbuch" vom Oktober 1971, in der eine Reihe von Antworten auf die Frage veröffentlicht wurde, warum sich Befragte der Protestbewegung angeschlossen hatten. Einige der dort wiedergegebenen Antworten bestätigen durchaus, daß die Protestbewegung auch eine sozial-psychologische Erklärung verlangt. Einige Antworten lauten — „Ich hatte Depressionen, Arbeitsstörungen, Kontaktschwierigkeiten, war einfach kaputt, und dann plötzlich die Osterdemonstrationen, die neuen Kontakte, die ganze Aktivität im SDS: Es war wie eine Befreiung." (Student) — „Das kam so nach und nach. Mein Vater ist nämlich CDU-Anhänger und furchtbar autoritär. Da gab es schon immer Reibereien. Ich glaube, es war einfach ein Protest gegen das Elternhaus, durch meine ganze Lebensweise: Ich wollte unabhängig sein, auch in meinem politischen Denken ..." (Studentin)

— „Meine Politisierung begann schon im Elternhaus, das ziemlich liberal war, sozialdemokratisch. Zunächst die moralische Entrüstung über den Vietnamkrieg, dann die aktive Teilnahme an politischen Aktionen, der Erfolg dieser Aktionen ..." (Student) — „Noch zwei Ostermärsche, und der neue, politisch bewußtere Freundeskreis, dann aber auch schon die Springer-Aktionen in Frankfurt — das sind die Stationen, die einen Bewußtseinssprung produzierten." (Angestellter) — „Am Anfang war es nur ein vager Protest, eigentlich gegen alles. Ich glaube, ich hatte mir vom Studium eine falsche Vorstellung gemacht, Alma mater und so, und merkte dann, daß die Uni das Gegenteil war, grausam, kalt, versagend, wie die ganze Gesellschaft. Erst langsam habe ich dann — über Identifikationsfiguren wie Ho und Che, vielleicht auch Dutschke — begreifen gelernt, wo meine Probleme liegen, daß sie im Grunde politische Probleme sind und nur politisch gelöst werden können." (Student).

Wie wenig häufig originär politische Motivation eine Rolle spielte, weist ein berühmter Ausspruch von Kunzelmann aus der früheren „Kommune I" nach: „Mich interessiert nicht der Vietnam-Krieg, sondern meine Orgasmusschwierigkeiten."

II. Entwicklungsstadien der Protestbewegung

Die Entwicklung der Protestbewegung ist im wesentlichen in eine Vorphase und in fünf Phasen zu unterteilen.

Vorphase 1960 bis 1965

Nach den Bundestagswahlen vollzog am 6. November 1961 die SPD einen Beschluß, dessen Konsequenz zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehbar war: Die Mitgliedschaft im damaligen SDS und in der Fördergesellschaft des SDS wurde als nicht vereinbar mit einer gleichzeitigen Mitgliedschaft in der SPD erklärt. Die Trennung von SPD und SDS kam zustande, weil die SPD kommunistische Unterwanderung des SDS und negative Auswirkungen auf den Ausgang der Bundestagswahlen befürchtete. Die frühere „rechte Fraktion" des SDS gründete im Mai 1960 den „Sozialdemokratischen Hochschulbund". 1961 erschien die berühmte Hochschuldenkschrift des SDS, die als eine der Grundlagen der Protestbewegung an den Hochschulen angesehen werden kann

Trotz intensiver Strategiediskussion in dem Verbandsorgan „Neue Kritik" konnte der SDS zunächst keinen großen Zulauf verbuchen. Die aus der Trennung von SPD und SDS herrührende Isolation konnte für den SDS im Mai 1964 durch das „Hoechster Abkommen" teilweise überwunden werden, das zwischen SDS, SHB, der Humanistischen Studenten-union (HSU), dem Liberalen Studentenbund Deutschlands (LSD) und dem Bundesvorstand Deutsch-Israelischer Studenten (BDIS) geschlossen wurde. Zwar hatte dieses Abkommen hinsichtlich der weiteren Zusammenarbeit der daran beteiligten Organisationen keine nennenswerte Bedeutung, doch ermöglichte es dem SDS, seine Isolation zu verringern.

Erste Phase: Zentrum Berlin (ab Mai 1965)

Die Aktionen der ersten Phase waren weitgehend auf Berlin beschränkt und hatten trotz der Vietnam-De'monstrationen vorwiegend hochschulinternen Charakter. Die ersten Aktionen richteten sich vor allem gegen die Maßnahmen der Verwaltung der Freien Universität Berlin. Der Rektor der FU wollte z. B. am 7. Mai 1965 die Teilnahme von Erich Kuby an einer Podiumsdiskussion durch Hausverbot verhindern, was zu entsprechenden Demonstrationen und zur Anwendung neuer Demonstrationstechniken wie Sit-ins, Go-ins führte. Diese Demonstrationstechniken wurden in bewußter Anlehnung an studentische Vorbilder aus Berkeley aus dem Jahre 1965 übernommen, die später dann auch in anderen Universitätsstädten der Bundesrepublik zum Einsatz kamen.

Zweite Phase: Tod Benno Ohnesorgs (2. Juni 1967)

Mit dem Tod des Studenten Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 bei einem Tumult vor der Deutschen Oper in Berlin anläßlich des Schah-Besuches begann die zweite Phase der Protest-bewegung. Es fanden Demonstrationen in zahlreichen Universitätsstädten der Bundesrepublik statt

Die zweite Phase war also gekennzeichnet durch ihre Ausweitung auf die ganze Bundesrepublik, die mit der Notstandskampagne im Mai 1968 ihren Abschluß fand. Die Osterunruhen 1968 — nach dem Mordanschlag auf Rudi Dutschke am 11. April 1968 —, die mit der Studenten-und Arbeiterrevolte in Frankreich zeitlich zusammenfielen lassen die explosive Stimmung der jungen Generation deutlich erkennen. Die zweite Phase war auch durch zahlreiche Aktionen vor allem gegen die Springer-Presse und die Große Koalition bestimmt. Sie war mithin gekennzeichnet durch ihre Öffnung auf die gesamte Bundesrepublik und zu Themenstellungen hin, die außerhalb des Hochschulbereichs lagen, wobei durch entsprechende Vorlesungsstörungen vor allem mißliebige Professoren Zielpunkte radikaler Kritik waren. Bereits in dieser Phase kam es sehr häufig zu Gewaltanwendungen, wobei die Frage, inwieweit Gewaltanwendung legitim sei, eine der wichtigsten Auseinandersetzungspunkte innerhalb der Linken darstellte

Welche Ausmaße die gewaltsamen Aktionen nahmen, wies der damalige Bundesinnenminister Ernst Benda in der Bundestagsdebatte vom 30. April 1968 nach: Zwar hätten seit dem Attentat auf Dutschke zahlreiche friedliche Demonstrationen stattgefunden, „zugleich aber auch Aktionen mit Gewaltanwendung, deren Ziel im wesentlichen Einrichtungen im Verlagshause Springer waren". Nach dem Dutschke-Attentat fanden in fünf Tagen in 27 Städten Demonstrationen statt. In insgesamt 26 Fällen waren sie nach Aussagen Bendas mit Ausschreitungen, Gewaltakten und schwerwiegenden Rechtsverletzungen verbunden. Dabei gab es eine große Zahl an Verletzten.

Dritte Phase: Resignation (ab März 1968) Trotz deutlich spürbar gewordener Zeichen der Resignation wurde im Wintersemester 1968/69 für 1969 ein „heißer Sommer" angekündigt. Die Aktionen zerfielen jedoch immer mehr, was nicht zuletzt auf die Verabschiedung der Notstandsgesetze zurückzuführen sein dürfte, die zunächst zu einer Aktionseinheit aller linken Kräfte geführt hatte, deren vollzogene Verabschiedung die resignativen Züge innerhalb der Linken aber deutlich verstärkte. In dieser dritten Phase fand eine Rückbesinnung auf die Hochschule als Agitationsfeld statt. Die Resignation zeigte sich innerhalb des SDS am deutlichsten, dessen Bundesvorstand seiner Führungsfunktion immer mehr beraubt wurde und der zum Schluß bestenfalls noch eine Clearing-und Informationsstelle abgab. Das Auftreten von „Roten Zellen" in Berlin und an anderen Orten und die dann am 21. März 1970 vollzogene Auflösung des SDS als Bundesverband verliehen den unterdessen eingetretenen Spaltungstendenzen beredten Ausdruck. Nur noch in einigen wenigen Orten, so in Heidelberg bis zum Ableben des dortigen SDS durch Verbot der Landesregierung am 24. Juni 1970, existierten einzelne SDS-Gruppen weiter.

Welche Gründe gibt es nun für die Spaltungstendenzen innerhalb der Linken? Warum zerfiel der SDS, der ja die eigentliche Führungsfunktion innerhalb der Protestbewegung inne-hatte? Der SDS selbst war außerordentlich heterogen. Die zahlreichen Massenaktionen haben nach außen hin ein Bild der Einheitlichkeit vorgetäuscht, das als solches nicht zutreffend war. Wichtigster Konflikt innerhalb des SDS war der zwischen den „Antiautoritären" und den „Traditionalisten", der heutigen DKP-Linie. So wurden im September 1968 auf der 22. Delegiertenkonferenz des SDS fünf Angehörige der „KP-Fraktion"ausgeschlossen, weil sie „spalterisch die Aktionseinheit des SDS" gefährdet, hätten.

Die beginnenden Fraktionierungen und Spaltungen hatten u. a. folgende Gründe: 1. Es setzte sich immer mehr die Einsicht durch, daß die bisherige Strategie des SDS den tatsächlichen revolutionären’ Elan völlig überschätzte, zumal auch eine politische Verbrüderung mit dem vielbeschworenen Proletariat nicht stattfand. 2. Der SDS war mit seinen Aktionen in erster Linie eine „negative Gemeinschaft", die sich weitgehend nur in der Ablehnung der bestehenden Gesellschaft einig war. Als die Bewegung jedoch gezwungen wurde, positiv aufzuzeigen, mit welchen Mitteln sie welche Ziele erreichen wollte, war sie dazu als einheitliche Kraft nicht mehr in der Lage. 3. Darüber hinaus war eine Realitätsferne der führenden Funktionäre zur angeblichen „Massenbasis", eine Entfremdung der revolutionären Führungsschicht von ihren eigenen Anhängern festzustellen. 4. Die für Deutschland zunächst ungewohnten Demonstrationstechniken (mit dem Prinzip der „begrenzten Regelverletzung") verloren ihren Neuigkeitswert. Auch die staatlichen Ordnungskräfte reagierten flexibler auf entsprechende Aktivitäten; dadurch wurden weniger Gründe für eine Solidarisierung geliefert. 5. Die Protestbewegung hatte auch modische Züge. Erfahrungsgemäß läßt die Faszinationskraft gerade von Modebewegungen vor allem auf „Mitläufer" sehr bald nach. Diese „Mitläufer" bildeten aber häufig in der Strategie der führenden Repräsentanten des SDS eine notwendige Kulisse. 6. Manche Sympathisanten des SDS wurden nachdenklich, nachdem es immer zur mehr Eskalation der Gewalt kam. 7. Als Folge der Protestbewegung kam es auch zu einer Beschleunigung der Hochschulreform, die den Nachweis lieferte, daß das politische System in der Bundesrepublik zu Selbstreformen fähig ist Auch der Regierungswechsel des Jahres 1969 zeigte den Studenten, daß eine politische Kräfteverlagerung in der Bundesrepublik möglich ist. 8. Es fehlte der Neuen Linken in der Bundesrepublik an Persönlichkeiten mit charismatischer Ausstrahlungskraft. Vor allem der Tod von Hans Jürgen Krahl, der durch einen Autounfall im Februar 1970 ums Leben kam, stellte für die Protestbewegung einen kaum ersetzbaren Verlust dar.

Die vierte oder leninistische Phase (März 1970)

Die linke Szenerie hatte sich indessen immer mehr in die Richtung eines Marxismus-Leninismus entwickelt, da sich jetzt die einzelnen zerstrittenen Gruppierungen jeweils als den Kern einer neuen, zu bildenden Kaderpartei verstanden, die nach den leninschen Parteivorstellungen strikt am Prinzip des demokratischen Zentralismus zu orientieren war, wobei die Forderung nach revolutionärer Disziplin sehr stark im Vordergrund stand. Ideologisch unterschied sich diese Phase auch von früheren Phasen dadurch, daß nicht mehr der Student als revolutionärer Vorkämpfer für das unterdrückte Proletariat, das seine eigenen Interessen nicht zu erkennen in der Lage war, interpretiert wurde. Vielmehr wurde „das Proletariat", „der Ausgebeutete" selbst, als das eigentliche revolutionäre Subjekt angesehen. In dieser Zeit wurden eine Reihe vor allem maoistischer „Parteien* oder Parteiansätze gegründet, die heute teilweise nicht mehr bestehen. Damals gegründete Gruppen hatten u. a. folgende Namen: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), früher noch mit dem Zusatznamen „Aufbauorganisation", verschiedene Gruppen des Namens Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten (KPD/ML), bzw. Abspaltungen der am 31. Dezember 1968 gegründeten KPD/ML von Ernst Aust, Proletarische Linke/Parteiinitiative (PL/PI), Kommunistischer Bund/Marxisten-Leninisten (KB/ML) oder in Hamburg das Sozialistische Arbeiter-und Lehrlingszentrum (SALZ). Darüber hinaus konnten in verstärktem Maße die „Traditionalisten" an den Hochschulen an Boden gewinnen, also der Marxistische Studentenbund (MSB) Spartakus und DKP-Hochschulgruppen. Der Spartakus, der früher Assoziation Marxistischer Studenten Spartakus hieß, gründete sich auf seinem 1. Bundeskongreß vom 20. bis 22. Mai 1971 in Bonn als Marxistischer Studentenbund Spartakus Die Aktivitäten dieses DKP-orientierten Studentenverbandes zeigten sehr deutlich die langfristige Strategie der DKP auf, die die führungslos gewordene frühere antiautoritäre Studentenrevolte unter eine stärkere Kontrolle zu bringen sich bemühte. Diese und weitere Aufgaben hatten auch eigene DKP-Hochschulgruppen.

Bei der vierten Phase handelt es sich um eine Übergangsphase, in der sich die einzelnen Gruppen — wie bereits aufgeführt — immer mehr dem Leninismus und damit dem Partei-aufbau verschrieben haben. Neben den genannten marxistischen Parteien und Parteiansätzen gab es zahlreiche Rote Zellen, die die wichtigsten Übergangsorganisationen darstellten. Zum Teil lieferten diese auch die personelle Basis für die maoistischen Parteien. 1970 gab es mindestens 61 Rote Zellen in der Bundesrepublik, davon mindestens wiederum 19 in Berlin. Diese Roten Zellen waren lokale Gruppierungen, die häufig nach Fach-bereichen organisiert waren und nicht in Zusammenarbeit mit überregionalen oder anderen lokalen Organisationen standen. Zunächst wurde eine solche überregionale Zusammenarbeit deshalb abgelehnt, weil der Zeitpunkt des Aufbaus einer wahren kommunistischen Partei noch nicht gekommen zu sein schien, wenngleich die Roten Zellen in verstärktem Maße die Verwirklichung bestimmter Prinzipien des Leninismus, so des Demokratischen Zentralismus mit der Forderung nach eindeutiger Disziplin, forderten. Es gab einige wenige Rote Zellen, von denen wichtige Mitglieder sich später mehr auf eine Linie Moskauer Richtung orientierten. Die meisten Roten Zellen waren eindeutig maoistisch orientiert und gingen von der Forderung nach straffer Organisation aus. Teilweise wurden die Roten Zellen auch Basisgruppen genannt. Zeitweilig hatten sie in der Studentenschaft einen außerordentlich starken Einfluß. Dieser Einfluß fand vor allem in Berlin seine stärkste Ausprägung, wo laut einem Bericht des Berliner Senats alle Roten Zellen und die ihnen verwandten Gruppen an den Berliner Hochschulen 1970 ca. 500 Mitglieder gehabt haben sollen wobei für das Jahr 1971 noch von einer höheren Zahl, mindestens 600 bis 700 Mitglieder, ausgegangen werden dürfte Ein weiteres Zentrum der Roten-Zellen-Bewegung stellte zweifelsohne auch München dar, vor allem die „Liste der Fachschaften und Basisgruppen“ (LFB) spielte zeitweilig eine große Rolle. -

Die leninistische Phase ist also zugleich auch eine Phase der Zersplitterung und Fraktionierung, da sich die einzelnen Gruppen untereinander heftig bekämpften. Aus dem Bericht über die Tätigkeit links-und rechtsradikaler Gruppen vom 5. April 1971 geht hervor, daß der Bundesregierung im Jahre 1971 rund 250 linksradikale Gruppen im Bundesgebiet einschließlich West-Berlin mit etwa 84 300 Mitgliedern bekannt waren. Nach diesem Bericht gehörten rund 81 000 Mitglieder 130 or-thodox-kommunistischen Gruppen (DKP-nahe) an

1971 erschienen 420 linksradikale Blätter mit einer Gesamtauflage von rund 2 Millionen Exemplaren. Dabei sollen die orthodox-kommunistischen Gruppen über ca. 320 Blätter mit einer Gesamtauflage von rund 1 650 000 Exemplaren verfügt haben.

Fünfte Phase: Zentralisation (ab Juni 1971)

Wichtiger Markierungspunkt der fünften Phase ist die Umbenennung der früheren Kommunistischen Partei Deutschlands/Aufbauorganisation (KPD/AO) in Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). Immer mehr Gruppen schlossen sich zusammen und gaben sich als Kommunistische Parteien im Leninschen Sinne aus — so neben der KPD die bereits erwähnte Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten (KPD/ML), die zwar bereits am 31. Dezember 1968 vor allem durch Emst Aust gegründet wurde, jedoch im Verfolg dieser Gründung zahlreiche Spaltungen über sich ergehen lassen mußte. Im Juni 1970 kam es zur ersten Abspaltung einer neuen KPD/ML mit Sitz in Bochum (Zentralorgan: Rote Fahne). Im Herbst 1970 erfolgte eine weitere Abspaltung dieser zweiten KPD/ML zu einer dritten Partei gleichen Namens. Darüber hinaus entwickelten sich weitere Kommunistische Parteien und Parteiansätze, so der Kommunistische Bund Westdeutschland (KBW), der sich unterdessen mit zur führenden maoistischen Gruppierung entwickelt hat. Der Zusammenschluß des KBW fand im Juni 1973 in Bremen statt, als sich verschiedene Organisationen aus Bremen, Göttingen, Osnabrück, Wolfsburg, Heidelberg, Mannheim, und Freiburg zu einer Organisation vereinigten und sich etwa 20 weitere kleine örtliche Gruppen im Laufe des Jahres 1973 eingliederten. Von regionaler Bedeutung sind in Süddeutschland vor allem auch noch der Kommunistische Arbeiterbund Deutschlands (KABD) mit Sitz in Tübingen und der Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (München und Umgebung), sowie für Norddeutschland der Kommunistische Bund (Hamburg).

III. Die gegenwärtigen linksextremen Richtungen

Zwar ist die seit Mitte 1971 einsetzende Phase der Zentralisation nach wie vor nicht abgeschlossen, doch ist inzwischen das Erscheinungsbild der einzelnen linksextremen Organisationen übersichtlicher. Dennoch ist eine säuberliche Abgrenzung nicht bis ins letzte möglich. Neben den einzelnen Parteien und Parteiansätzen maoistischer Couleur und den DKP (nahen) -Organisationen gibt es als weitere Entwicklungslinien: — Die alte „antiautoritäre" Richtung, die sich in zahlenmäßig unbedeutenden Gruppierungen manifestiert (z. B. auf Kongressen wie in Frankfurt zu Fragen der „Emanzipation" in Hannover beispielsweise wurde ein SDS-Hannover neugegründet. Auch die „Sozialistische Fraktion" des früheren Sozialdemokratischen Hochschulbundes (SHB) trug Zeichen deutlicher Rückbesinnung auf SDS-Traditionen. — Die „Subkultur" Die Grenze zwischen alter antiautoritärer Richtung und der Subkultur ist fließend. Ein Teil des Protestpotentials, das sich früher dem SDS angeschlossen hatte oder hätte, setzt den Protest in einer alles in allem recht unpolitischen Welt der Subkultur fort. Am deutlichsten zeigen sich Momente der Subkultur in Berlin. Eine Fülle von zumeist unregelmäßig erscheinenden Publikationsorganen, die zum Teil nach kurzer Zeit wieder eingehen, ist das Ergebnis einer Subkultur bzw. von Gegenkultur-Bemühungen, so die. Zeitschriften „Päng", „Germania", „love" oder „Hundert Blumen". In einigen Fällen sind auch deutliche Sympathien für die Aktionen terroristischer Gruppen spürbar. — Die terroristische Richtung. Ohne den politischen Hintergrund der einst antiautoritären Revolte ist beispielsweise die Entstehung der . Roten Armee-Fraktion (RAF)“ nicht zu ver-stehen (nähere Ausführungen in Abschnitt IV dieser Arbeit). — „Langer Marsch durch die Institutionen*. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß der einst von Dutschke angekündigte „lange Marsch durch die Institutionen" insoweit verwirklicht wurde, als manche (ehemalige) SDS-Aktivisten oder Sympathisanten in einigen Berufen und Bereichen besonders stark vertreten sind. Auch parteinahe Jugendorganisationen wie Jusos und Judos wurden in ihrer politischen Ausrichtung sehr stark durch Angehörige der Protestbewegung beeinflußt. Dabei sollte durchaus anerkannt werden, daß viele dieser ehemaligen SDS-Aktivisten oder -Sympathisanten nach der Berührung mit der Berufswelt früheren SDS-Positionen weitgehend abgeschworen haben.

Außer den genannten maoistischen und DKP-nahen Organisationen sind darüber hinaus noch zu nennen: — Trotzkistische Organisationen. Die Trotz-kisten, die in einem wesentlichen politischen Gegensatz zu Maoisten wie zu Kommunisten Moskauer Couleur stehen, machten jedoch 1975 keine wesentlichen Fortschritte. (Nähere Angaben dazu auf den folgenden Seiten). — „European Labour Committees" (ELC). Diese nennen sich auch „Europäische Arbeiter-fraktionen" (ELC) und „Europäische Arbeiterpartei" (EAP). Diese Organisation umfaßt laut Verfassungsschutzbericht von 1975 lediglich ca. 300 Mitglieder. Es handelt sich um eine Organisation mit einer außerordentlich wirren und konfusen politischen Ideologie. Als Hauptfeind wird der CIA und der amerikanische Politiker Rockefeller genannt. ELC/EAP versuchte auch, in Jusos und SPD hineinzuwirken. Bedeutung gewonnen hat diese Organisation in erster Linie durch eine umfangreiche publizistische Tätigkeit.

Eine Übersicht über die Mitgliedsentwicklung in den Organisationen der Linken seit dem Jahre 1971 vermittelt die nachfolgende Tabelle Von dem aus obiger Tabelle ersichtlichen I Konzentrationsprozeß profitierten DKP-• Organisationen und maoistische Gruppen am meisten. Den deutlichsten Zugewinn im maoistischen Bereich hatte der KBW.

Als besonders wichtig haben sich in den letzf ten Jahren folgende Organisationen herauskristallisiert:

Maoisten

Die maoistischen Gruppierungen beklagen die revisionistische „Entartung" der KPdSU und berufen sich dabei auf den XX. Parteitag der KPdSU im Jahre 1956, auf dem Chruschtschow Stalin heftig angriff. Die einzelnen maoistischen Organisationen ringen alle um die Anerkennung durch die Volksrepublik China. Bisher hat die KPCh noch keine maoistische Gruppe in der Bundesrepublik als ihren alleinigen Ansprechpartner anerkannt. In der Vergangenheit — d. h. vor dem Tode Mao Tse-tungs — gab es allerdings einen gewissen Vorzug für die KPD/ML um Ernst Aust. Im Mai 1975 war eine Abordnung der KPD nach China gereist, die lediglich auf der Staatsebene empfangen wurde, während die Abgesandten der KPD/ML, die sich zum gleichen Zeitpunkt in China aufhielten, immerhin durch ein Mitglied des Büros der KPCh empfangen wurden Nach dem Besuch dieser beiden Dele-gationen waren in den Publikationsorganen von KPD und KPD/ML offensichtlich auf Druck der KPCh Bemühungen zu einer stärkeren Zusammenarbeit zu verspüren. Die ideologischen Auseinandersetzungen nahmen danach jedoch noch an Heftigkeit zu. Die politischen Divergenzen der einzelnen maoistischen Gruppen entzünden sich vor allem an der Frage, wer von den Supermächten — USA oder Sowjetunion — der gefährlichste Feind sei. Von Seiten der KPD wird die Sowjetunion als der gefährlichere Gegner angesehen. Die KPD will den Hauptstoß ihres politischen Kampfes gegen die Supermacht Sowjetunion gerichtet sehen Die KPD/ML hingegen ist nicht bereit, zum Hauptfeind generell eine jeweilige Supermacht zu erklären; sie hat mit dieser Position eine sehr starke ideologische Annäherung an den Kommunistischen Bund Westdeutschland (KBW) vollzogen.

Die unterschiedliche Einschätzung des Haupt-feindes — die KPD erklärte: „Die beiden Supermächte sind die Hauptfeinde der Völker der Welt. Der sowjetische Sozialimperialismus ist der gefährlichere der beiden Supermächte" — veränderte bei der KPD die Haltung zur Militärpolitik, d. h.der Einsatz der Bundeswehr wird von der KPD für notwendig erachtet — soweit sich dieser zumindest gegen eine mögliche Aggression durch die Sowjetunion richtet. Diese veränderte Einstellung gegenüber der Militärpolitik wird von der KPD/ML hingegen heftig kritisiert

Es kann aber kein Zweifel daran bestehen, daß der KBW hinsichtlich der Mitgliederentwicklung und entsprechender Aktivitäten (z. B. vorgeblicher „überparteilicher" Komitees) erheblich aufgeholt hat.

Als wichtigste maoistische Gruppen sind gegegenwärtig in der Bundesrepublik anzusehen:

Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten (KPD/ML)

Diese Organisation wurde bereits am 31. Dezember 1968, also in der Zeit der antiautoritären Protestrevolte, gegründet. Diese KPD/ML unterlag zahlreichen Spaltungen im Laufe ihrer kurzen Parteigeschichte, wobei der Gründer Emst Aust, früher Chefredakteur der ein-37) stigen KPD-Zeitung „Blinkfüer“, nach wie vor wichtigster Funktionär ist Zulauf erhielt die KPD/ML eigentlich erst, als sie die mehr oder weniger offizielle Anerkennung durch die Partei der Arbeit Albaniens als Bruderpartei erhalten hatte. Gegen Ende des Jahres 1973 dürfte sie etwa 700 Mitglieder gehabt haben, außerdem etwa 300 weitere Mitglieder der Jugendorganisation „Rote Garde" Neben der „Roten Garde" ist auch der Studentenverband Kommunistischer Studentenbund/Marxisten-Leninisten (KSB/ML) eine offizielle Organisation der KPD/ML, die jedoch in der Studentenschaft nur eine sehr geringe Resonanz hat. Am 22. März 1975 gründete die KPD/ML ferner die „Rote Hilfe Deutschlands (RHD)" Uber besonders enge Verbindungen scheint die KPD/ML nach Albanien zu verfügen. Ernst Aust nahm am 6. Parteitag der Partei der Arbeit Albaniens teil; er sprach ein Grußwort

Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

„Diese ultralinks maskierte Gruppe mißbraucht Namen und Tradition der Arbeiterbewegung und verfälscht deren Ziele." Mit diesem harten Urteil bewertete der frühere KPD-Vorsitzende und jüngst verstorbene DKP-Ehrenvorsitzende Max Reimann die maoistische KPD Diese ist jedoch keineswegs mit der Vorgängerorganisation der DKP in Verbindung zu bringen. Sie ging hervor aus der Kommunistischen Partei Deutschlands/Aufbauorganisation (KPD/AO), die im Febru-ar 1970 in Berlin gegründet wurde. Die KPD/AO ihrerseits war das Ergebnis eines Zusammenschlusses von Resten der ehemaligen antiautoritären SDS-Revolte in Berlin. Zur KPD, die im Juni 1971 in einer „Programmatischen Erklärung" ihre Gründung als Partei bekannt-gab gehören weitere Organisationen und Hilfsorganisationen wie Kommunistischer Jugendverband Deutschlands (KJVD), Kommunistischer Studentenverband (KSV), Kommunistischer Oberschülerverband (KOV) und Revolutionäre Gewerkschaftsopposition (RGO). Als Hilfsorganisationen sind anzusehen: Liga gegen den Imperialismus, Nationales Vietnamkomitee (besteht nicht mehr), Komitee „Hände weg von der KPD" (besteht nicht mehr) und Rote Hilfe e. V.

Während im Verfassungsschutzbericht für das Jahr 1972 die Zahl der KPD-Mitglieder, „die im Verkehr untereinander Vor-oder Decknamen verwenden", noch auf 300 geschätzt, die Anhängerschaft jedoch als erheblich größer angesehen wird hieß es bereits im Verfassungsschutzbericht für 1973, „die Zahl der Kandidaten und Mitglieder der KPD erreichte schätzungsweise 700, die Zahl der Mitläufer ist erheblich höher, was sich z. B. bei zentralen Kundgebungen der Partei zeigte, für die sie bis zu 5000 Personen mobilisieren konnte" Während einige Gründer der KPD/ML ehemalige (Alt-) KPD-Genossen waren, was-sich auch in der soziologischen Schichtung und in der Altersstruktur niederschlug, hatten die meisten Gründungsmitglieder der KPD führende Funktionen innerhalb des SDS inne, so: Christian Semler, Jürgen Horlemann, Peter Neitzke, Wilhelm Jaspers, Wolfgang Schwierzik. Die KPD beteiligte sich inzwischen bei einer Reihe von Landtagswahlen, wobei sie im Vergleich zu anderen linksextremen Gruppen, die sich ebenfalls an solchen Wahlen beteiligten, relativ viel Stimmen erhielt. Dies dürfte aber nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen sein, weil die Wähler sie mit der früheren KPD verwechseln. Die Beteiligung an Wahlen ist jedoch keine Anerkennung des Parlamentarismus, denn immer wieder brachte die KPD zum Ausdruck, „daß der bürgerliche Parlamentarismus nichts mit Volksvertretung zu tun hat ... Die Parlamente sind reine Schwatzbuden und Theaterbüh -nen des Betrugs und Schwindels" Die KPD zeichnet sich durch eine besondere Militanz aus, was sich auch in ihren programmatischen Schriften niederschlägt: „Der Repressionsgewalt des bürgerlichen Staates gegenüber ist die revolutionäre Gewalt der Massen notwendig und unvermeidlich. Die Ablösung des bürgerlichen Staates durch den proletarischen ist ohne Gewalt nicht möglich."

Kommunistischer Bund Westdeutschland (KBW)

Der KBW wurde am 12. Juni 1973 gegründet und erhielt gerade von Studenten und Intellektuellen außerordentlichen Zulauf.

Der KBW ist die maoistische Organisation mit der differenziertesten Argumentation. Er wurde nach einer zum Teil mehr als einjährigen praktischen Zusammenarbeit verschiedener Gruppen gegründet, nämlich durch einen Zusammenschluß des Bundes Kommunistischer Arbeiter Freiburg, des Kommunistischen Bundes Bremen, Göttingen, Osnabrück und Wolfsburg sowie der Kommunistischen Gruppe (Neues Rotes Forum) Mannheim/Heidelberg. Führender Ideologe ist nach wie vor „Joscha" Schmierer (Heidelberg). Nach Angaben des KBW gehörten ihm am 25. März 1974 rund 1 250 Mitglieder an, die in 36 Ortsgruppen und Ortsaufbaugruppen organisiert seien und in 36 Städten arbeiteten Den überregionalen selbständig arbeitenden Studenten-verband des KBW gibt es noch nicht. Es gibt aber lokale Studentenorganisationen des KBW mit unterschiedlichen Namen wie:

„Kommunistischer Studentenbund (KSB)" oder „Kommunistische Hochschulgruppe (KHG)". Auf einer Sitzung des Zentralen Komitees des KBW am 12. /13. Januar 1974 wurde eine Gesellschaft zur Unterstützung der Volkskämpfe (GUV) gegründet, deren Aufgabe in erster Linie darin besteht, „fortschrittliche Intellektuelle" zu sammeln. Außerdem gibt es einen Kommunistischen Arbeiterjugendbund (KAJB), der zwar nicht im Statut des KBW verankert, jedoch faktisch als eine auf lokaler Ebene arbeitende Jugendorganisation des KBW anzusehen ist.

Kommunistischer Arbeiterbund Deutschlands (KABD)

Der Kommunistische Arbeiterbund Deutschlands (KABD) ist ein Zusammenschluß von zwei früher selbständigen Organisationen: dem Kommunistischen Arbeiterbund/Marxisten-Leninisten und einer Abspaltung der KPD/ML um das theoretische Organ „Revolutionärer Weg", dessen Schriftleiter Willi Dickhut war. Der KABD ist weitgehend auf den süddeutschen Raum beschränkt, ebenso die Arbeit der Jugendorganisation Revolutionärer Jugendverband Deutschlands (RJVD) und der Studentenorganisation Kommunistische Studentengruppe (KSG). Am 5. /6. August 1972 hatten sich der KAB/ML und die KPD/ML — Revolutionärer Weg zu einer einheitlichen Organisation zusammengeschlossen Spaltungen im Bereich des KABD gab es im Mai 1976, als sich ehemalige Ortsgruppen des KABD und des RJVD im Saarland und in Hessen spalteten.

Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (ehemals Arbeiter-Basis-Gruppen)

Der Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD ging aus den vorwiegend in München und in Bayern konzentrierten Arbeiter-Basis-Gruppen (ABG) hervor, die im wesentlichen ein Produkt der ehemals antiautoritären Münchner Rote-Zelle-Bewegung darstellten. Im Mai 1973 wurde ein Kongreß durchgeführt, der eine Überführung der Arbeiter-Basis-Gruppen in den Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD vornahm und ein Statut des Arbeiterbundes für den Wiederaufbau der KPD beschloß Politisch untergeordnet sind dieser Organisation der Kommunistische Hochschulbund/Marxisten-Leninisten (KHB/ML) und die Rote-Schülerfront (RSF). Dieser Arbeiterbund zeichnet sich vor allem durch einen schwülstigen Nationalismus aus. So erklärte der Arbeiterbund: „Die Befreiung der Arbeiterklasse und der breiten Volksmassen in der DDR vom Joch des Sozialimperialismus schaffen die Voraussetzung, daß die Einheit der deutschen Nation, brüderlich umschlun-gen aus Werktätigen aus Ost-und Westdeutschland, wiederhergestellt wird, daß der Weg frei wird für die lichte und blühende Zukunft, für ein freies, einigendes und sozialistisches Deutschland."

Kommunistischer Bund (KB)

Dem Kommunistischen Bund, der sich weitgehend auf Aktivitäten im norddeutschen Raum beschränkt, ist es gelungen, auch außerhalb der Studentenschaft Anhänger zu finden. Er ging aus dem Sozialistischen Arbeiter-und Lehrlingszentrum (SALZ) und aus dem Kommunistischen Arbeiterbund (KAB) hervor, die Ende 1971 nach etwa einjähriger Zusammenarbeit den KB gründeten. Als Studentenorganisation dient dem Kommunistischen Bund faktisch der Sozialistische Studentenbund (SSB), der seinerseits aus dem Kommunistischen Hochschulbund/Marxisten-Leninisten (KHB/ML) hervorging. Der KB betreibt eine Politik auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus „und seiner Weiterentwicklung durch Mao-Tse-tung" Er steht der Lehre Mao-Tse-tungs insgesamt differenzierter gegenüber, vor allem beobachtet er die Fortsetzung der Politik Stalins mit ausgesprochener Skepsis. Der KB kritisierte mitunter deutlich auch Linie und Entscheidungen der KPCh, so etwa die an Franz-Josef Strauß ergangene Einladung nach China.

Trotzkismus in der Bundesrepublik

Trotzkistische Positionen haben ganz wesentlich die Studentenrevolte beeinflußt. Trotzkisten, die sich auf die am 3. September 1938 in der Nähe von Paris von Trotzki gegründete IV. Internationale berufen, werden von den Kommunisten Moskauer Couleur entschieden bekämpft und als „Instrument des Imperialismus in seinem Kampf gegen die revolutionäre Arbeiterbewegung" bezeichnet. Der Trotzkismus interpretiert die kommunistischen Systeme des Ostblocks als stalinistische, bürokratisierte Regime, wo zwar die Produktionsmittel in der Hand des Staates seien, der jedoch der Bürokratie gehöre. Gleichzeitig bekämpfen die Trotzkisten die „stalinistischen" Positionen des Maoismus. Die Schlagkraft der trotzkistischen Bewegung wird weitgehend dadurch eingeschränkt, daß sie in eine Reihe von Fraktionen zersplittert ist, wobei die sogenannten „Frankisten", genannt nach dem einstigen Sekretär Trotzkis, Pierre Frank, die wichtigste Fraktion darstellen. Zu dieser Richtung des „Vereinigten Sekretariats" gehört vor allem Ernest Mandel. Die Mitgliederorganisation dieses „Vereinigten Sekretariats" der IV. Internationale ist die Gruppe Internationaler Marxisten (GIM). Neben den Frankisten gibt es noch die Lambertisten, die Healyisten, die Posadisten und die Pabloisten — jeweils benannt nach führenden Vertretern des Trotzkismus.

Gruppe Internationaler Marxisten (GIM)

Die bedeutendste Organisation des Trotzkismus in der Bundesrepublik stellt zweifelsohne die Gruppe Internationaler Marxisten (GIM) dar, die Pfingsten 1969 gegründet wurde. Zeitweilig war der GIM als Jugendorganisation die Revolutionär-Kommunistische Jugend (RKJ) als Sympathisantengruppe zugeordnet, doch vereinigten sich GIM und RKJ zum Jahreswechsel 1972/73 in Kassel als einheitliche Organisation unter dem Namen Gruppe Internationaler Marxisten — Deutsche. Sektion der IV. Internationale (GIM). Die Nähe des Trotzkismus zu Theorien der Studentenrevolte zeigt sich vor allem darin, daß die GIM von einer „Theorie der neuen Avantgarde” ausgeht — diese übernimmt die Führung des Klassenkampfes, in dem die studentische Intelligenz eine besondere Stellung im revolutionären Kampf einnimmt.

Spartacusbund Ebenfalls eine trotzkistische Organisation ist der Spartacusbund, der am 2. /3. Februar 1974 gegründet wurde und dessen Vorläuferorganisation, die Internationalen Kommunisten Deutschlands (IKD), bis Mitte 1969 zeitweilig mit der GIM zusammenarbeitete. Die IKD war Teil des Spartacus, dessen Anfänge zu Zeiten antiautoritärer Studentenrevolte in Berlin lagen, wo vor allem die Schülergruppe „Neuer Roter Turm" eine wichtige Rolle spielte. Im Laufe der Jahre kam es dann zu einem erheblichen Spaltungsprozeß. Am 27. /28. März 1971 wurden in Frankfurt/Main die bestehenden Spartacus-Gruppen in die Kommunistische Jugendorganisation (KJO) —: Spartacus umgewandelt. Im Anschluß an die zweite Bundes-konferenz am 11. /12. Dezember 1971 in Frankfurt entstand eine neue Organisation als Ab-spaltungmit dem Namen Spartacus (Bolschewiki-Leninisten). Im Juni 1973 wurde dann eine Kommunistische Organisation (KO) Spartacus geschaffen. Am 2. und 3. Februar 1974 schließlich fand eine Fusionskonferenz von KO-Spartacus und Spartacus Bolschewiki-Leninisten zum Spartacusbund statt. Der gravierende Unterschied zwischen GIM und Spartacus liegt in der Frage der Einschätzung, inwieweit die von Trotzki initiierte IV. Internationale existiert. „Nur eine neue, die Vierte Internationale, kann der Arbeiterbewegung ihr neues Programm und ihre neue Führung geben. Für den Aufbau einer internationalen Klassenführung! Für den Wiederaufbau der IV. Internationale", hieß es in einer Erklärung des Spartacusbundes zu den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus

Einschätzungsunterschiede bei der GIM und Spartacus liegen auch in der Frage der SPD vor, die vom Spartacusbund als eine „Agentur der Großbourgeoisie in den Reihen der Arbeiterklasse" bezeichnet wird

Weitere trotzkistische Organisationen Zeitweilig existierte als wichtige trotzkistische Organisation auch noch die Junge Garde. Darüber hinaus gab und gibt es trotzkistische Gruppen um die Internationale Arbeiter-korrespondenz, Bund Sozialistische Arbeiter und Sozialistischer Jugendbund, Trotzkistische Liga Deutschland und die Sozialistische Arbeitergruppe (SAG), die jeweils den verschiedenen Richtungen des Trotzkismus zuzurechnen sind.

Kommunistische Linke Moskauer Couleur Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß ein wesentliches Ergebnis der studentischen Protestbewegung auch das Wiedererstarken des Kommunismus Moskauer Couleur darstellt — wenn auch in der Anfangszeit der Protestbewegung vor allem dem in der DDR praktizierten Sozialismus eine deutliche Absage erteilt wurde. Die Gründung der DKP im Jahre 1969 ist nicht nur das Ergebnis einer flexibler gewordenen Deutschland-und Ostpolitik, sondern liegt auch dem Bemühen der DDR zugrunde, die „antiautoritäre" Bewegung im dogmatisch-kommunistischen Sinne zu kanali-sieren. Neben dem Bereich der Großindustrie war also somit vor allem der Hochschulbereich Hauptagitationsfeld der DKP.

Die DKP selbst ist inzwischen ausführlich in der Literatur beschrieben worden weshalb an dieser Stelle nicht näher auf sie eingegangen werden muß. Hingewiesen werden soll lediglich darauf, daß die Bundesregierung bereits eindeutig zu erkennen gegeben hat, daß sie „die Ziele der DKP für verfassungsfeindlich hält": „Die Verfassungsfeindlichkeit der Bestrebungen der DKP erweist sich bei einem Vergleich ihrer Ziele — sozialistische Revolution und Diktatur des Proletariats — mit den Aussagen des Bundesverfassungsgerichts im KPD-Verbotsurteil vom 17. August 1956. Sie wird ferner belegt durch den Vergleich der programmatischen Äußerungen der DKP mit den tragenden Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, wie sie das Bundesverfassungsgericht definiert hat. Die verfassungsfeindiiche Zielsetzung der DKP ergibt sich schließlich aus ihrer politischen Identifizierung mit dem in der DDR bestehenden Staats-und Gesellschaftssystem."

Die DKP hat sich jedoch eine Reihe von Organisationen geschaffen, die — sehr stark zielgruppenorientiert — für ihre Agitation eine erhebliche Bedeutung haben und die gemeinsam versuchen, die durch die Protestbewegung in einigen Bereichen der Gesellschaft mitbewirkte Agitationsbasis für die DKP zu nutzen. Diese Organisationen sind freilich nicht in den Statuten der DKP aufgeführt. Die durch die führenden Funktionäre sichergestellte politische Linie dieser Organisationen kann aber keinen Zweifel aufkommen lassen, daß sie eindeutig politisch der DKP zuzuordnen sind. Hierbei handelt es sich um:

Junge Pioniere (JP)

Die Jungen Pioniere wurden als Bundesorganisation am 1. Juni 1974 in Bottrop gegründet Zum Zeitpunkt der Gründung existierten bereits etwa 100 Kindergruppen in der Bundesrepublik. Das Mitgliedsalter liegt zwischen sechs und vierzehn Jahren. Aufgabe der Jungen Pioniere ist die frühzeitige Agitation im DKP-Sinne sowie das Heranbilden von Mitgliedern für die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) und später der DKP. Die Gründung der JP ist die Konsequenz eines Parteitagsbeschlusses der DKP vom 2. bis 4. November 1973

Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ)

Bereits vor der Gründung der DKP bestand die SDAJ. Sie wurde am 4. /5. Mai 1968 auf Schloß Borbeck bei Essen gegründet. Diese Gründung fiel also noch voll in die antiautoritäre Phase der Schüler-und Studentenbewegung, was zu erheblichen Konflikten z. B. mit dem SDS-nahen Aktionszentrum Unabhängiger und Sozialistischer Schüler (AUSS) führte. Zwar wurde bei der Gründung der SDAJ darauf geachtet, daß nur „linientreue" Jugendliche Führungsfunktionen wahrnehmen konnten, doch kam es zeitweilig zu erheblichen Differenzen, als die SDAJ-Bundesführung den Einmarsch von Warschauer-Pakt-Truppen in die CSSR begrüßte. Es wurde hart gegen Mitglieder vorgegangen, die sich von diesem Einmarsch distanzierten. Zu Auseinandersetzungen mit Konsequenzen kam es in Mannheim, wo ein Vorstand, der den Einmarsch guthieß, abgewählt wurde. Der neue Vorstand deutete diesen Einmarsch als „ein Eingeständnis der politischen Schwäche": „Die Bürokratien des erstarrten Sozialismus in der Sowjetunion sehen sich nicht in der Lage, historisch bedingte Impulse zu erkennen, geschweige denn, sie politisch zu konkretisieren." Durch diese militärische Intervention sei der gesamten sozialistischen Bewegung in der Welt in den Rücken gefallen worden. Daraufhin wurden von dem unterlegenen Vorstand Altkommunisten zu Hilfe gerufen. Bei einer späteren Versammlung wurden die neuen Vorstandsmitglieder von den KP-Anhängern aus dem Saal heraus-geprügelt

Inzwischen dürfte jedoch innerhalb der SDAJ die Gefahr von Fraktionierungen längst gebannt sein. Alle politischen Aussagen der SDAJ deuten auf eine unverbrüchliche Soli-darität mit der DKP sowie mit der DDR und der Sowjetunion hin.

Während sich die SDAJ in ihrer Anfangszeit vorwiegend im Bereich der Arbeiterjugend betätigte, konzentrierten sich später ihre Bemühungen auch im Bereich der Schülerarbeit. Manche DKP-nahen Schülergruppen entstanden aus einem Spaltungsprozeß ehemaliger „ antiautoritärer" Schülergruppen — ähnlich wie dies auch im Hochschulbereich geschah Um die Schülerarbeit zu koordinieren, wurde am 17. Juli 1973 in Dortmund parallel zur 6. Bundesvorstandssitzung der SDAJ der „Arbeitskreis Schüler beim Bundesvorstand der SDAJ" gebildet. Eine eigenständige Schülerorganisation — ähnlich wie der SDSnahe „AUSS" oder die der Jungen Union nahe „Schüler-Union" — wurde offensichtlich deshalb nicht gegründet, weil in Schüler-Organisationen, naturgemäß ein hohes Maß an personeller Fluktuation zu verzeichnen ist und eine durchgreifende politische Kontrolle schwierig ist.

Marxistischer Studentenbund (MSB) Spartakus

Zwar ist der Marxistische Studentenbund (MSB) Spartakus ideologisch als ein Teil der „alten Linken" anzusehen; sein gegenwärtiger Einfluß an den Hochschulen der Bundesrepublik wäre ohne die studentische Protestbewegung nicht vorstellbar, zumal ein erheblicher Teil der Gründungsmitglieder des Spartakus auf dem Wege über ihre Teilnahme an der antiautoritären Studentenrevolte zur Organisation des Spartakus gelangten.

Daß sich der Spartakus in einem gewissen Sinne bewußt in die Tradition der Studenten-revolte stellt, weisen Aussagen von Spartakus-Funktionären nach, wie zum Beispiel des führenden Funktionärs Paul Schäfer aus Marburg: „Spartakus begreift sich als Nachfolgeorganisation des inzwischen historischen antiimperialistischen SDS, jenes SDS, der es verstand, die Widersprüche zwischen der gerade der Intelligenz indoktrinierten freiheitlich-demokratischen Ideologie und den Realitäten in der Welt manifest zu machen, und der es verstand, diese Widersprüche in massenhafte Protestbewegungen umzusetzen." überhaupt zeigte der Gründungsprozeß des Spartakus auf, von welch langer Hand entsprechende Aktivitäten der DKP (und ihr nahestehender Kräfte) vorbereitet werden.

Wie bereits ausgeführt, gab es innerhalb des SDS eine KP-Fraktion, die sich in der Anfangszeit zunächst im „SDS-Spartakus", dann in der „Assoziation Marxistischer Studenten (AMS) Spartakus" und schließlich im MSB Spartakus wiederfanden. Der Gründungskongreß des -MSB Spartakus fand vom 20. bis 22. Mai 1971 in Bonn statt

In einigen SDS-Gruppen hatten sich die . Traditionalisten'gesammelt, so im SDS-Köln, der auch die Zeitschrift „Facit" herausgab. Der Facit-Herausgeberkreis stellte dann auch den Kern des späteren Spartakus dar. Die Konflikte zwischen , Antiautoritären'und . Traditionalisten'hatten auf den Weltjugendfestspielen a) Die ersten Aktionen der RAF fanden in der auslaufenden Phase der Studentenrevolte statt. In gewissem Sinn kann das Jahr 1968 als Ursprungsjahr für die Organisierung der RAF angesehen werden — wobei es einen . Gründungsakt'der RAF im eigentlichen Sinne nie gab. Am 2. April 1968 legten Baader und Ensslin mit zwei weiteren Komplicen in zwei Frankfurter Kaufhäusern Brandsätze. In den folgenden Jahren fanden eine Reihe weiterer gewaltsamer Aktionen — u. a. gegen amerikanische und israelische Einrichtungen — statt, wobei nicht alle Aktionen auf das Konto der RAF gingen. Die wichtigste Gruppe war aber zweifelsohne die RAF mit ihren führenden Köpfen Ulrike Meinhof, Andreas Baader, Horst Mahler. Letzterer distanzierte sich später von der RAF und wechselte zur maoistischen KPD über. Der größte Teil der Terroristen ist zwar verhaftet, doch sollte der ungebrochene Wille zur Aktion bei terroristischen Gruppen nach wie vor unterstellt werden. b) Die Aktionen der RAF und anderer terroristischer Gruppierungen wären ohne die aktive Unterstützung eines im ganzen Bundesgebiet vorhandenen Netzes von Sympathisanten nicht möglich und denkbar gewesen.

c) Darüber hinaus bedienen sich die Terroristen nach wie vor einer Reihe legaler Hilfsmittel. Zum einen ist dies die Wahl der Vertretung vor Gericht durch einen „Gesinnungs" -Anwalt; dadurch läßt sich auch erklären, daß immer wieder aus den Gefängnissen Kassiber geschmuggelt wurden. Zum anderen nutzen auch Organisationen wie „Rote Hilfe" oder „Schwarze Hilfe" alle legalen Möglichkeiten aus, Indem sie etwa Demonstrationen — z. B. anläßlich des Hungertodes von Holger Meins — selbst vorbereiten bzw. in ihre Zielrichtung passende Aktivitäten unterstützen. d) Der Terrorismus entwickelte sich immer mehr zu einem internationalen Phänomen, wobei auffallend gute Kontakte deutscher Terroristen zu anderen terroristischen Organisationen im Ausland festgestellt werden konnten. Immer häufiger sind deutsche Terroristen an entsprechenden Aktionen im Ausland beteiligt — beispielsweise beim Anschlag gegen die OPEC-Konferenz im Dezember 1975 in Wien. Gute Kontakte bestehen offensichtlich auch zu der internationalen Terrorgruppe des Venezolaners Ramirez Sanchez (genannt „Carlos”). e) Außerdem gibt es eine Reihe publizistischer Organe, die den Aktivitäten terroristischer Gruppen mit Sympathie begegnen. Nicht alle der hier genannten Blätter existieren mehr: Agit 883, Fizz, Der Metzger, Berliner Anzünder, Wir wollen alles, Der lange Marsch, Frankfurter Gemeine. Fast alle Blätter erschienen bzw. erscheinen in Berlin, wo sich besonders günstige Bedingungen für eine Subkultur entwickelt haben.

Daneben gibt es noch Publikationen anarcho-marxistischer, räte-anarchistischer und anarcho-syndikalistischer Orientierung. Nicht alle, die sich dem „Anarchismus" verschrieben haben, identifizieren sich jedoch völlig mit der terroristischen Linie einer RAF. Zu jenen anarchistischen Publikationsorganen gehören die Zeitschriften „Befreiung", „Revolte", „Schwarze Protokolle" u. a.

V. Rückblick auf zehn Jahre Protestbewegung

Die Protestbewegung in der Bundesrepublik Deutschland — immerhin das wichtigste innenpolitische Ereignis in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre — existiert heute als solche nicht mehr. Allerdings gibt es zahlreiche Nachfolgeorganisationen, deren Existenz nur vor dem Hintergrund dieser Protestrevolte verständlich ist.

Die Protestbewegung konnte deshalb sehr viele Anhänger und Sympathisanten auf sich vereinigen, weil sie sich in erster Linie als eine moralische Empörung gegen bestimmte Verhältnisse und Bedingungen einer modernen Industriegesellschaft verstand. Sie war jedoch auch eine Bewegung, die über kein klar definiertes politisches Programm verfügte, ja, deren Kennzeichen sogar in erster Linie darin bestand, daß sich ihre Anhänger in der Ablehnung der bestehenden Verhältnisse einig wußten, nicht jedoch über gemeinsame politische Perspektiven über das „Wie" und „Wohin" der Veränderung der abgelehnten Gesellschaft verfügten. Das Wesen der Protestrevolte bestand in ihrem spontanen, zum Teil unberechenbaren Charakter, deren Emotionalität als solche auf viele junge Mitbürger mitreißend wirkte. Unter dem Eindruck einer wirtschaftlichen Tendenzwende hat sich jedoch heute innerhalb der jüngsten akademischen Generation eine andere Atmosphäre entwickelt, die infolge eines sich immer mehr verschärfenden Numerus clausus und anhaltender Arbeitslosigkeit die heutige Wohlstandsgesellschaft keineswegs mehr als eine Selbstverständlichkeit betrachtet.

Nach Auflösung des SDS im Jahre 1970 wurden von den meisten Nachfolgeorganisationen des SDS die ideologischen Vorstellungen der Protestbewegung vehement abgelehnt. An die Stelle der innerhalb des SDS feststellbaren Organisationsfeindlichkeit trat zeitweilig ein wahrer „Organisationsfetischismus" — an die Stelle freiwilliger und spontaner Aktivität der Aufruf zu revolutionärer Disziplin. Als revolutionäres Subjekt wurde jetzt nicht mehr der Student oder der „Intellektuelle" als Agent z. B.der Befreiungsbewegung der Dritten Welt angesehen, sondern das Industrieproletariat selbst, das bisher für völlig unfähig angesehen wurde, Einsicht in seine wahre soziale und politische Lage nehmen zu können. Der Aufbau kommunistischer Kaderorganisationen, verbunden mit dem jeweiligen Absolutheitsanspruch auf alleinige politische „Wahrheit", ließ die Protestrevolte in eine Unzahl sich bekämpfender Organisationen zerfallen.

Gleichwohl darf nicht vergessen werden, daß trotz des Ausbaus marxistisch-leninistischer Kaderorganisationen auch solche Gruppierungen weiterhin am Leben blieben oder teilweise sich neu bildeten, die die „antiautoritären" Positionen des SDS weiter verfolgten.

Darüber hinaus war aber auch als ein wichtiges Ergebnis der antiautoritären Protest-bewegung ein Anwachsen einer unpolitischen Underground-Kultur festzustellen. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß die Faszinationskraft der antiautoritären Protestrevolte nicht zuletzt auch durch die Tatsache begründet wurde, daß mit ihr eine von der Erwachsenenwelt abgeschirmte Teilkultur entstand, die eigene Normen entwickelte. Ein erheblicher Teil des Protestpotentials wanderte ab in den weiten Bereich der Subkultur, ohne darüber hinaus noch originär „politisch" aktiv zu sein. Auch die sogenannte „Hasch-Welle" ist im Zusammenhang mit der Protestbewegung zu sehen. In nicht zu unterschätzendem Ausmaß gewannen mit dem Ende der Protest-bewegung aber auch religiöse Gruppen und Sekten innerhalb der jungen Generation an Bedeutung.

Grundlegend gewandelt hat sich der Kampf der Linken in und außerhalb des Hochschulbereiches, wobei zweifelsohne die Hochschule nach wie vor das Hauptagitationsfeld einer vielzersplitterten Linken darstellt. Diese grundlegende Veränderung der einstigen antiautoritären Revolte, die auf dem Minimalkonsens der Ablehnung der bestehenden Gesellschaftsform basierte, zeigt sich u. a. an folgenden Kennzeichen: a) Dogmatismus: Kennzeichen der Protestrevolte war eine ständige Diskussion grundsätzlicher Fragestellungen, zwar sehr stark ideologisch vorgeprägt, doch nicht mit dem gleichen Absolutheitsanspruch auf alleinige ideologische und politische Richtigkeit versehen, wie dies die einzelnen Parteien — und Partei-ansätze — tun.

b) Bejahung der Organisation: Die antiautoritäre

Revolte lebte von spontanen Aktionsformen (wie Sit-ins, Go-ins) und von einer ausgeprägten Organisationsfeindlichkeit. Jetzt wird der Ausweg in revolutionärer Disziplin'gut geschulter und straff organisierter Kader-organisationen gesehen.

c) Rückkehr zum tagespolitischen Kampl: Die

nebulöse und sehr generalisierende Argumentation, mit der „die Herrschenden" in der antiautoritären Phase bekämpft wurden, wich einer weitgehenden Rückkehr zum tagespolitischen Kampf, d. h. einem Eingehen auf konkrete tagespolitische Probleme. Dies führte im übrigen auch dazu, daß eine Mitarbeit in „bürgerlichen" Gremien wie Studentenparlament, Stadtrat (siehe KBW in Heidelberg) oder Beteiligung an Landtags-und Bundestagswahlen wiederaufgenommen wurde.

d) Die Arbeiterklasse als Führer der Revolution:

Zumindest verbal bekunden fast alle studentisch geprägten Gruppen die Notwendigkeit, daß „das Proletariat" an der Spitze der Revolution zu stehen habe und nicht — wie zu SDS-Zeiten argumentiert wurde — die Intelligenz einen „stellvertretenden Kampf" für das seine eigenen Interessen nicht erkennende Proletariat zu führen habe.

Darüber hinaus sind noch einige weitere abschließende Anmerkungen wichtig: — Wichtigstes Ergebnis der Studentenrevolte ist aber zweifelsohne die Tatsache, daß durch diese die Agitation der DKP vor allem innerhalb des Hochschulbereiches vorbereitet und ermöglicht wurde. Die Konfrontation mit der Ideologie der DKP zwang die einzelnen politischen linken Gruppen häufig in eine ideolo-gische Defensive — zumindest aber sind fast alle politischen Schriften der linken Organisationen gleichzeitig eine Auseinandersetzung mit der DKP-Politik. Die DKP-Konkurrenz zwang auch die einzelnen linken Organisationen zu einer stärkeren Zusammenarbeit, bzw. zu Zusammenschluß, wenn sie nicht völlig bedeutungslos werden wollten. — Zwar ist die Mitgliedszahl in den einzelnen linksextremen Organisationen teilweise sehr gering, dennoch kann auch diesen Organisationen eine erhebliche Bedeutung nicht abgesprochen werden. Zum einen ist der Einsatz-wille bekanntlich in extremistischen Organisationen immer groß, so daß auch wenige Personen relativ groß angelegte Aktionen tragen und vorbereiten können, zum anderen gelingt es solchen Organisationen vielfach, mit Hilfe von Sympathisanten z. B. Demonstrationen mit einer erheblichen Breitenwirkung durchzuführen. Unbestreitbar stellen nach wie vor in einem sehr wichtigen Bereich unserer Gesellschaft, nämlich im Bereiche der Hochschulen, linke Gruppierungen im weitesten Sinne — das Spektrum reicht hier von Juso-Hochschulgruppen bis hin zu Maoisten und Spartakus — in den meisten Fällen die Mehrheit im Studentenparlament. In diesem Sinne gibt es zwar nur wenige Gruppierungen, die heute noch unverändert die politische Position der Protestbewegung vertreten, doch gibt es eine Fülle von Nachfolgeorganisationen, die ihre Existenz letztlich einer studentischen Bewegung verdanken, deren mitreißende Sprengkraft in weiten Teilen der jungen Generation heute vielen nicht mehr gewärtig ist. — Kennzeichen jener Nachfolgeorganisationen ist aber auch, daß sie in der Regel nicht mehr isoliert im Hochschulbereich politisch wirken wollen. Die Beteiligung einer ganzen Reihe linksextremer Organisationen an Landtags-und Bundestagswahlen zeigt dies deutlich auf — wobei Ziel einer solchen Wahlbeteiligung ist: Anerkenntnis als politische Partei (Erwerb eines Parteienprivilegs"), erhöhte Agitationsmöglichkeiten innerhalb der Bevölkerung und politische Nutzbarmachung von Sendezeiten in den Massenmedien. — Wer das Spektrum der politischen Linken in der Bundesrepublik analysiert, wird dabei an vielfache Ähnlichkeiten der Orientierungen und Entwicklungen in der Weimarer Zeit erinnert — Abschließend sei nochmals darauf verwiesen, daß die Faszinationskraft der antiautoritären Revolte nicht zuletzt deshalb eine solche Breitenwirkung hat ausüben können, weil die Protestbewegung letztlich das Ergebnis einer Krise westlicher Demokraten darstellt, „einer Krise ihrer Fähigkeit, ihre grundlegenden Werte inmitten stürmischen technologischen und sozialen Wandels der eigenen Jugend wirksam weiterzugeben und sie den nicht-westlichen Ländern glaubhaft zu machen, deren eigene traditionelle Kulturen zu Opfern der wirtschaftlichen und politischen Expansion des Westens geworden sind" Die Existenz der Protestbewegung zeigte ein tiefes normatives Defizit in unserer pluralistisch verfaßten Gesellschaftsordnung auf. Aus diesem Grunde erweist sich auch die Grundwertediskussion in unserer Gesellschaft als außerordentlich wichtig.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Eine ausführliche Thema hat der Autor vorgelegt in seiner Studie: Die Protest-I bewegung in der Bundesrepublik Deutschland 1968— 1976, Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 1976

  2. S. u. a. Rene Ahlberg, Die politische Konzeption des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes, in: Schriften der Bundeszentrale für Politische Bildung, Bonn 1968; Klaus R. Allerbeck, Rosenmayr, Leopold, Aufstand der Jugend? Neue Aspekte der I Jugendsoziologie, München 1971; Hans Dollinger, Revolution gegen den Staat? Bonn/München/Wien 1968; Gerd Langguth, Protestbewegung am Ende I— Neue Linke als Vorhut der DKP, Mainz 1971;

  3. Siehe hierzu vor allem: Bernd Guggenberger, Wohin treibt die Protestbewegung, Freiburg i. Br. /Basel/Wien 1975: Klaus R. Allerbeck, Soziologie radikaler Studentenbewegungen, München-Wien 1973; Jürgen Klüver/Friedrich W. Wolf, Wissenschaftskritik und sozialistische Praxis, Frankfurt 1973; Margaret Kukuck, Student und Klassenkämpf - Studentenbewegung in der BRD seit 1967, Hamburg 1974; Bilstein/Binder/Elsner/Klose, Organisierter Kommunismus in der Bundesrepublik Deutschland, Opladen 1974; Hartmut Weyer, MSB Spartakus - Von der studentischen Protest-bewegung zum Klassenkampf, Stuttgart 1973; Hans Josef Horchern, Extremisten in einer selbstbewußten Demokratie - Rote Armee-Fraktion - Rechtsextremismus - der lange Marsch durch die Institutionen, Freiburg/Basel/Wien 1975; Hans Manfred Bock, Geschichte des „linken Radikalismus" in Deutschland, Frankfurt 1976.

  4. Emnid, Bielefeld, Junge Intelligenzschicht, 1968/1969, Bielefeld, Juni 1969.

  5. Siehe hierzu entsprechende Statistiken in: Max Kaase, Die politische Mobilisierung von Studenten in der Bundesrepublik, in: Klaus R. Allerbeck/Leopold Rosenmayr (Hrsg.), Aufstand der Jugend München 1971, S. 171 ff.

  6. Ebd., S. 161.

  7. Helmut Schelsky, Die skeptische Generation. Eine Soziologie der deutschen Jugend, Düsseldorf-Köln 1963, S. 381.

  8. Ludwig von Friedeburg, Jugend in der moder nen Gesellschaft, Köln/Berlin 1965, S. 18.

  9. Erdmann Linde, SPD und Außerparlamentarische Opposition, in: Der Monat, Heft 239, August 1968.

  10. Richard Löwenthal, Der romantische Rückfall, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1970, S. 13.

  11. Siehe hierzu: Rene Ahlberg, Ursachen der Revolte, Stuttgart 1972, S. 25.

  12. Neue Linke — Fragmente zu einer kritischen Theorie, 1/70, S. 10.

  13. Jürgen Habermas, Protestbewegung und Hochschulreform, Frankfurt 1969, S. 23.

  14. Ebd„ S. 192.

  15. Alle nachfolgenden entnommenen Antworten aus: Karl Markus Michel, Wer wann warum politisch wird — und wozu. Ein Beitrag für die Unwissenheit der Wissenschaft, in: Kursbuch, Nr. 25/Oktober 1971, S. 3 ff.

  16. Zitiert nach: Götz Eisenberg/Wolfgang Thiel, Fluchtversuche, Gießen 1973, S. 40.

  17. Als Vorphase der Protestbewegung wird an dieser Stelle der Zeitraum der Trennung der SPD vom SDS 1960/61 bis Mai 1965 definiert.

  18. Nachdruck, Verlag Neue Kritik, Frankfurt/M. 1972.

  19. Zu dieser Phase siehe u. a.: Jens Hager, Die Rebellen von Berlin, Köln/Berlin 1967 (Vor allem S. 39— 133); Ernst Richart, Die radikale Linke von

  20. Zum 2. Juni siehe u. a.: Friedrich Mager/Ulrieh Spinnarke: Was wollen die Studenten, Frankfurt/M. und Hamburg 1967, S. 110f.; Uwe Bergmann, Einleitung, in: Rebellion der Studenten oder die Neue Opposition, Reinbek b. Hamburg, 1968, S. 30; Jens Hager, a. a. O., S. 142 f.; Knut Nevermann/Verband Deutscher Studentenschaften (Hrsg.), Der zweite Juni 1967, Studenten zwischen Notstand und Demokratie, Dokumente zu den Ereignissen anläßlich des Schah-Besuchs, Köln 1967.

  21. Siehe hierzu u. a. Malte J. Rauch/Samuael H. Schirmbeck, Die Barrikaden von Paris — Der Aufstand der französischen Arbeiter und Studenten, Frankfurt 1968; Emil-Maria Claassen/Louis-Ferdinand Peters, Rebellion in Frankreich -— Die Manifestation der europäischen Kulturrevolution 1968, München 1968.

  22. So erklärte der führende frühere SDS-Funkionär Peter Neitzke anläßlich einer Protestdemonstration am 14. Dezember 1968, der Kampf gipfele in der „Zertrümmerung des kapitalistischen Staatsapparates" und der „Errichtung der Diktatur des ganzen arbeitenden Volkes über seine Peiniger", in: Neue Kritik Nr. 51/52, Februar 1969, S. 116.

  23. Aus diesem Grunde lehnte der SDS auch eine Reformpolitik ab, da die Reformen an der Hochschule nicht den Bedürfnissen der Revolte nach grundsätzlicher Veränderung der Gesellschaft Rechnung trage. Vielmehr wurde u. a. „das systematische Stören des Lehrbetriebes“ als beständiges Problematisieren der Verwertungszusammenhänge von Wissenschaft als notwendig erachtet, in: Neue Kritik, Heft 51/52, Februar 1969.

  24. Siehe hierzu auch: Gerd Langguth, Volksfront im Hörsaal, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, Nr. 28, 9. Juli 1971.

  25. Bericht über die Situation an den Berliner Hochschulen, Senatsbericht Nr. 1300/5. Wahlperiode, ausgegeben am 16. Oktober 1970, Drucksachen des Abgeordnetenhauses von Berlin.

  26. Volker Benke, Strategie und Taktik der Roten Zellen in Berlin, in: Die studentische Protestbewegung, Analyse und Perspektiven, Schriftenreihe der Konrad-Adenauer-Stiftung, Mainz 1971. Etwa 2— 3 0/0 der Berliner Studenten dürften Mitglieder der Roten Zellen gewesen sein, allerdings darf diese relativ geringe Mitgliederzahl nicht als alleiniges Anzeichen für politischen Einfluß und Anhängerschaft gewertet werden. Beispielsweise stimmten im Fachbereich Germanistik 42, 6 %, im Fachbereich Neuere Fremdsprachliche Philologie 35, 7%, im Fachbereich Mathematik 31, 8%, im Fachbereich Politische Wissenschaft 31, 2% oder im Fachbereich Geschichtswissenschaft immerhin 30, 7 % für die Kandidaten der Roten Zellen (Senatsbericht) a. a. O., S. 9.

  27. Bundestagsdrucksache VI/2074.

  28. Die 120 anderen Gruppen verteilten sich auf 5 trotzkistische Gruppen mit rund 400 Mitgliedern, 20 maoistische Gruppen mit rund 800 Mitgliedern, 5 anarchistische Gruppen mit rund 80 Mitgliedern und rund 90 sonstige linksradikaler Gruppen mit rund 2 000 Mitgliedern. Die Gesamtzahl der Personen, die linksradikalen Gruppen angehörten, betrug zu diesem Zeitpunkt nur etwa 65 000, da viele Personen gleichzeitig bei mehreren Organisationen Mitglied waren.

  29. Siehe hierzu: Frankfurter Seminar April 1973, Politische Arbeit und Emanzipation — Aufsätze und Protokolle einer Tagungsreihe, Köln 1974.

  30. Siehe hierzu: Walter Hollstein, Der Untergrund, Neuwied und Berlin 1970; Rolf Schwendter, Theorie der Subkultur, Köln 1973; Theodore Roszak, Gegenkultur, Düsseldorf, Wien 1971; Rolf-Ulrich Kaiser, Underground, Pop? Nein! Gegenkultur, Köln, Berlin 1969. Zum Bereich „SubkulturGegenkultur“ gibt es aber bereits eine Reihe von Untersuchungen, wobei in Sonderheit auf Rolf Schwendter (a. a. O.) hingewiesen werden soll.

  31. Betrifft: Verfassungsschutz 1975 (Hrsg. Bundesministerium des Inneren Bonn), S. 90.

  32. Ebd. S. 44, außerdem Verfassungsschutzbericht 1973, Bonn August 1974.

  33. Roter Morgen Nr. 27, 5. Juli 1975. Einen wichtigen Indikator für den jeweiligen politischen Standort der einzelnen maoistischen Organisationen stellt die Einschätzung der politischen Situation in China nach dem Tode Mao Tse-tungs dar. So beglückwünschte das Zentralkomitee der KPD in einem Telegramm (siehe „Rote Fahne" Nr. 43 vom 27. Oktober 1976) Hua Kuo feng zu seiner Ernennung als Vorsitzender des ZK der KPCh. Im November 1976 hielt sich eine Delegation der DKP unter der Leitung des Parteivorsitzenden Christian Semler in der Volksrepublik China auf, die am 9. November von Geng Biao, Mitglied des ZK der KPCh und Leiter der Abteilung für internationale Verbindungen beim ZK der KPCh, empfangen wurde. Ähnlich kritiklos verhielt sich der KBW gegenüber den politischen Veränderungen in China. Ein Glückwunschtelegramm des KBW an Hua Kuo feng übertrug Radio Peking in seinem englischsprachigen Programm. Hingegen steht die KPD/ML der neuen Führung in China sehr kritisch gegenüber, doch wurde Albanien durch den KPD/ML-Vorsitzenden Ernst Aust zum großen Leuchtfeuer des Sozialismus nicht nur für Europa, sondern für die ganze Welt (siehe „Roter Morgen", Nr. 46 vom 13. 11. 1976) erklärt. Der Kommunistische Bund (KB) sprach sogar von einem „Rechtsputsch“ („Arbeiterkampf" Nr. 92 vom 1. November 1976), durch den die chinesische Revolution einen sehr schweren Rückschlag erlitten habe. — Offensichtlich wollen sich KPD und KBW noch stärker der KPCh unterordnen, währenddessen sich die KPD/ML politisch sehr viel stärker nach Albanien orientierte. (Siehe ausführlicher hierzu: Innere Sicherheit, Bonn, Nr. 36, 17. Dezember 1976.)

  34. Gerd Langguth, Die Protestbewegung in der Bundesrepublik Deutschland, 1968— 1976, a. a. O., S. 162 ff.

  35. Rote Fahne, Nr. 5, 3. März 1976.

  36. Roter Morgen Nr. 1, 3. Januar 1976 (Grußadressen des ZK der KPD/ML).

  37. Ernst Aust wurde am 12. April 1923 geboren.

  38. Bundesministerium des Innern, Betrifft: Verfassungsschutz 1973, Bonn 1974, S. 74.

  39. Zur Gründungsgeschichte der KPD/ML siehe: Schlomann/Friedlingsstein, Maoisten, Pekings Filialen in Westeuropa, Frankfurt/M. 1970, S. 248 f. und Gerd Langguth, Die Protestbewegung in der Bundesrepublik Deutschland 1968— 1976, a. a. O., S. 108 ff.

  40. Roter Morgen Nr. 14, 22. November 1971. Wie sehr die KPD/ML die Partei der Arbeit Albaniens als Vorbild ansieht, läßt sich einer Grußadresse der KPD/ML an das Zentralkomitee der PdA Albaniens anläßlich des 31. Jahrestages der PdA entnehmen: „Als Vorkämpferin gegen den modernen Revisionismus weist die Arbeiterpartei Albaniens allen Kommunisten den Weg, unterschütterlich am Marxismus-Leninismus festzuhalten. Durch ihren unversöhnlichen Kampf gegen den Imperialismus, heute besonders gegen die beiden Supermächte, hat sich die Partei der Arbeit Albaniens in der kommunistischen Weltbewegung, am internationalen Proletariat, bei den um ihre Befreiung kämpfenden Völkern großes Ansehen und Autorität erworben.“ Roter Morgen Nr. 46, 16. November 1970.

  41. Die Welt, 24. April 1973.

  42. Rote Pressekorrespondenz, Nr. 126/127, 30. Juli 1971; Rote Fahne Nr. 21.

  43. dieser wurde im Herbst 1975 in den KJDV überführt.

  44. Bundesministerium des Inneren, betrifft: Verfassungsschutz '72, Bonn, September 1973, S. 89.

  45. Bundesministerium des Inneren, betrifft: Verfassungsschutz ’ 73 Bonn, August 1974, S. 73.

  46. Aufruf der Zentralen Leitung des KSV, Beilage: „Dem Volke dienen“, Nr. 4, 28. Februar 1975, S. 3.

  47. Programm und Aktionsprogramm der KPD, Wien 1974, S. 42.

  48. Politischer Bericht des Zentralen Komitees des Kommunistischen Bundes Westdeutschland an die erste ordentliche Delegiertenkonferenz, Mannheim April 1974, S. 67.

  49. Roter Pfeil, Nr. 6, September/Oktober 1972, S. 28.

  50. Kommunistische Arbeiter-Zeitung Nr. 36, Juni 1973.

  51. Programmentwurf, Juni 1973, S. 28.

  52. Statut des Kommunistischen Bundes, KAB, Arbeiterzeitung, 11/12, S. 12.

  53. Siegfried Wolff, Ausstellung eines Totenscheins, in: Rote Korrespondenz Extra 9 (hrsg. v. Spartakus-Assoziation Marxistischer Studenten; [heute: Marxistischer Studentenbund Spartakus]), o. D.

  54. Spartacus Nr. 1, Wahlextra, Hrsg, von der Ortsgruppe West-Berlin, o. D., S. 4.

  55. Ergebnisse und Perspektiven Nr. 2, November 1974, S. 36.

  56. Siehe vor allem: Helmut Bärwald, Deutsche Kommunistische Partei, Köln 1970; Winfried Ridder/Joseph Schollmer, Die DKP — Programm und Politik, Bonn 1970; Helmut Bilstein, Sepp Binder/Manfred Elsner, Hans-Ulrich Klose, Organisierter Kommunismus in der Bundesrepublik Deutschland, Opladen 1974; Manfred Rowold, Im Schatten der Macht, Düsseldorf 1974.

  57. Bundestagsdrucksache 7/4231 (29. 10. 1975).

  58. Siehe hierzu ausführlicher: Gerd Langguth, Klassenkampf im Sandkasten, Politische Studien, Heft 221, Mai 1975.

  59. Siehe hierzu auch: UZ 30, Oktober 1974.

  60. Siehe hierzu: Presseerklärung des Mannheimer SDAJ-Vorstandes, in Rhein-Neckar-Zeitung, 6. 9. 1968.

  61. So erklärte der SDAJ-Bundesvorsitzende Gehrcke auf dem IV. Bundeskongreß der SDAJ am 18. /19. Mai 1974 in Hannover: „Erfolgreich ist die Arbeiterjugend der BRD, wenn sie mit der Partei der Arbeiterklasse, der Deutschen Kommunistischen Partei, kämpft. Die DKP will alles für die arbeitenden Menschen. Die DKP hat konstruktive Vorschläge für die Lösung der Alltagsprobleme und der Zukunftsfragen ... Die DKP ist die Partei, die die Grundrechte der Jugend zu ihrem Programm gemacht hat. Wer seine Forderungen durchsetzen will, muß sich mit der fortschrittlichsten Kraft verbünden. Das ist die kommunistische Weltbewegung, in der die DKP zusammen mit 50 Millionen Kämpfern für Frieden, Demokratie und Sozialismus streitet. Dafür kämpft auch die SDAJ. Deshalb fühlen wir uns eng verbunden mit der DKP und sagen: „Stärkt die Deutsche Kommunistische Partei"; zitiert nach Protokoll des IV. Bundeskongresses der SDAJ, Dortmund 1974, S. 39. Wie sehr die Sowjetunion als Vorbild von der SDAJ angesehen wird, zeigen auch Formulierungen der „Fünf Grundrechte der Jugend" im „Kampfprogramm der SDAJ: „In der Sowjetunion sind die Voraussetzungen für die freie Entwicklung der Jugend geschaffen. Dort sind die Grundrechte der Jugend gesichert. Dort werden demokratische Bildungssysteme geschaffen, die beispielhaft sind. Dort ist die Jugend frei von Sorgen um ihre soziale Sicherheit, sie entwickelt sich in einer gesunden, kulturvollen Umgebung. Die Jugend nimmt dort verantwortungsbewußt und engagiert an der staatlichen Leitung, an der Gestaltung der komplizierten gesellschaftlichen Prozesse und der Lösung der Probleme beim Aufbau der sozialistischen Gesellschaft teil. Die Politik ihrer Länder ist von Aufgaben der Friedenssicherung bestimmt."

  62. Siehe hierzu ausführlicher: Gerd Langguth, Schulkampf als Klassenkampf, Protestbewegung und Schülerbewegung in der Bundesrepublik, Bonn 1975, S. 94 ff.

  63. Marburger Blätter, Nr. 133, Jg. 21 1970.

  64. Siehe hierzu: Gerd Langguth, Die Entwicklung der Protestbewegung, a. a. O., S. 285 ff.; ders., Volksfront im Hörsaal, in: Deutsche Zeitung/Christ und Welt, Nr. 28, 9. Juli 1971.

  65. Siehe hierzu: Hans Manfred Bock, Geschichte des . linken Radikalismus'in Deutschland, Frankfurt 1976.

  66. Richard Löwenthal, Der romantische Rückfall, Stutgart 1970, S. 9.

Weitere Inhalte

Gerd Langguth, Dr. phil„ geb. 1946 in Wertheim/Main; Studium der Politischen Wissenschaft, Soziologie, Staatsrecht und Geschichte in Bonn; 1970— 1974 Bundesvorsitzender des Ringes Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS); 1971— 1977 Mitglied des Bundesvorstandes der CDU; 1975 Lehrbeauftragter für Soziologie an der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung in Stuttgart; seit 1975 Leiter des Stuttgarter Bildungswerks der Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.; seit 1976 Mitglied des Deutschen Bundestages (Wahlkreis Eßlingen/Baden-Württemberg). Veröffentlichungen u. a.: Aspekte zur Reformpolitik, Mainz 1971; Protestbewegung am Ende, Mainz 1971; Offensive Demokratie, Stuttgart 1972; Bildungsreform — konkret (zus. m. P. Hintze), München-Wien 1973; The , Anti-Zionist". New Left in West Germany, in: The Wiener Library Bulletin, London und Reading 1973/1974; Schulkampf als Klassenkampf, Bonn 1975; Die Protestbewegung in der Bundesrepublik Deutschland 1969— 1976, Köln 1976.