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Lokalpolitik in einer Landgemeinde. Entscheidungsstrukturen und Partizipationsmöglichkeiten | APuZ 3/1977 | bpb.de

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APuZ 3/1977 Artikel 1 Restriktionen kommunaler Sozialverwaltung Lokalpolitik in einer Landgemeinde. Entscheidungsstrukturen und Partizipationsmöglichkeiten

Lokalpolitik in einer Landgemeinde. Entscheidungsstrukturen und Partizipationsmöglichkeiten

Herbert Schneider

/ 50 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

„Die Gemeinden sind wichtige Partizipationsfelder“ — Eine solche allgemein gehaltene Aussage unterscheidet jedoch nicht ausreichend zwischen Metropolen und Kleinstädten, industriellen Schwerpunkten und ländlichen Siedlungen. Die Vermutung spricht am ehesten noch dafür, daß die besten Möglichkeiten einer Bürgerbeteiligung in den überschaubaren und gewachsenen Landgemeinden bestehen. Erweist sich aber hier nicht die Partizipation als trivial, weil sie nur einen geringen Teil der gesellschaftlichen Umwelt zu gestalten vermag? Beide Annahmen werden am Beispiel einer außerhalb der Ballungsräume liegenden Landgemeinde überprüft. Diese Untersuchung führt zu dem Ergebnis, daß das feststellbare erhebliche lokalpolitische Interesse nicht zu verwechseln ist mit einer ständigen Partizipation: Sie beschränkt sich auf die Mitglieder des Gemeinderates. Lokalpolitik in den Landgemeinden ist trotz des Vordringens der Parteien noch immer stärker personen-als organisationsbezogen. Ihre Themen haben sich aber weithin denen der Städte angeglichen; das macht sie für den Bürger undurchsichtiger. Gleichzeitig führt der Urbanisierungsprozeß zu einer größeren Außenabhängigkeit und damit zu einem geringeren eigenständigen Gestaltungsspielraum. Dies wird von dem Bürger nicht immer so empfunden, weil in seinen Augen die von der Gemeinde zu entscheidenden Fragen nach wie vor einen verhältnismäßig hohen Stellenwert besitzen. Um zu Verallgemeinerungen in Form von Tendenzen bzw. Hypothesen zu gelangen, werden die in der Untersuchungsgemeinde gesammelten Erfahrungen mit Befunden in anderen Orten verglichen. Davon ausgehend entwickelt der Verfasser Vorschläge zur Verbesserung der lokalen Berichterstattung, ausreichenden Informationen von Gemeinderäten und Beteiligung der Landgemeinden an einem „Gegenstromverfahren" im Sinne einer Mitwirkung in überlokalen Planungsund Entscheidungsgremien.

„Mit wachsender Größe der politischen Einheit werden Mitwirkungsmöglichkeiten des einzelnen Bürgers geringer, während bei kleineren Einheiten die Gefahr besteht, daß die politische Partizipation sich als trivial erweist, weil sie nur einen ganz geringen Teil der gesellschaftlichen Umwelt zu gestalten vermag." *)

I. Vorbemerkung

Abbildung 2

Problemaufriß . Lokalpolitik steht in dem Ruf, besonders bürgeroffen und daher auch mitwirkungsfreundlich zu sein Erlaubt und begünstigt nicht der im Vergleich zur Bundes-und Landespolitik überschaubare Gemeinderahmen eine sachgerechte Beteiligung aller Mitbürger? Die politische Didaktik konnte daher kaum der Versuchung widerstehen, die Gemeinde als das demokratische Partizipationsfeld anzupreisen: Hier seien die Probleme noch übersichtlich und durchschaubar, die Entscheidungswege verhältnismäßig kurz und die Einflußchancen einigermaßen gleichmäßig verteilt. Wie im Verlauf dieser Analyse noch zu sehen sein wird, läßt sich, dagegen manches einwenden. Auf die irreführende Grundannahme dieser Auffassung sei aber schon jetzt hingewiesen: Der Gleichsetzung der Gemeinden. Ein öffentlich-rechtlicher Gemeindebegriff schließt jedoch Metropolen und Trabantenstädte, industrielle Schwerpunkte und landwirtschaftliche Siedlungen, Städte und Landgemeinden ein Von einer überschaubaren Lokalpolitik kann aber in einer Metropole wie München nicht mehr die Rede sein, wenn man bedenkt, daß sie allein über 35 000 Bedienstete zählt. Aber auch in den wissenschaftlich einigermaßen durchleuchteten mittleren und kleineren Städten ist die Überschaubarkeit weithin fragwürdig geworden. Lokalpolitik löst sich in den Augen ihrer irritierten Bürger in eine Vielzahl von anschei-nend zusammenhanglosen Projekten auf, auf die die Betroffenen — wie die Bürgerinitiativen zeigen — nur noch gelegentlich in Form von spontanen Aktionen reagieren. Es liegt daher die Vermutung nahe, daß Überschaubarkeit, Unmittelbarkeit und Teilnahmechancen am ehesten noch in kleineren Orten anzutreffen sind

Das „alte Dorf"

Vor nicht allzu langer Zeit hätte man für diese noch ohne Bedenken den im Gegensatz zur Stadt stehenden Begriff „Dorf" verwandt, mit dem sich die Vorstellung eines zwar in sich sozialdifferenzierten, jedoch nach außen verhältnismäßig abgeschlossenen Gemeinwesens verband. Untersuchungen aus allen Teilen Deutschlands belegen, daß dieses von der bäuerlichen Lebensweise durchdrungene Dorf keine ländliche Idylle Gleichgestellter, sondern eine vielschichtig angelegte und hierarchisch geordnete „Kastengesellschaft" war: An der Spitze der sozialen Pyramide befanden sich die großen Bauern, der Mittelbau wurde von den sogenannten Halbbauern gebildet, ihnen folgten die Häusler, während ganz unten die Taglöhner und das Gesinde standen Sie alle waren eingebunden in die stützenden und schützenden sozialen Institutionen der überlieferten Sitten, der mehrere Generationen umfassenden Großfamilie, der geschlossenen Nachbarschaft und der normsetzenden bzw. normüberwachenden Kirche Um in einer von unberechenbaren Naturkräften abhängigen und von habgierigen Machthabern bedrohten Welt überleben zu können, brauchte man die Solidarität. Sie einigte das Dorf vor allem dann, wenn es von „draußen" mit Forderungen bedrängt wurde, etwa vom zinseintreibenden Grundherrn oder einer jagdfreundlichen Forstverwaltung. Dieses Dorf besteht nicht mehr! Von Dorfpolitik kann nur noch rückblickend oder einschränkend — im Sinne der Entwicklung bäuerlich geprägter Orte — die Rede sein. Die von Marx geforderte und von Kommunisten propagierte Überwindung des Unterschieds zwischen Stadt und Land ist in weiten Teilen der Bundesrepublik schon weiter vorangeschritten als in Osteuropa. Die Soziologen beschreiben diese Entwicklung als Stadt-Land-Kontinuum; Industrialisierung, Verkehrserschließung und Massenkommunikation haben die Dörfer geöffnet! Wenn wir heute von Verstädterung sprechen, meinen wir nicht nur die überall wahrnehmbaren Veränderungen in ihrem äußeren Erscheinungsbild, sondern auch die Wandlungen ihrer Lebensgrundlage und ihres Normgefüges. Die Veränderungen im Erscheinungsbild sind zum Leidwesen vieler nicht mehr zu übersehen. Wo sich einst Fachwerkhäuser duckten, erheben sich heute Betonsilos. Und Millionen fleißiger Wochenendwerker tun ihr übriges, um die Dörfer zu „modernisieren". Wenn die Industrialisierungswelle ihren Wohnort noch nicht erreicht hat, pendeln sie werktags zu den auswärtigen Arbeitsstätten. Dieser durch die modernen Massenkommunikationsmittel und den PKW-Verkehr noch verstärkte Kontakt zur Außenwelt führt zu einer früher in diesem Umfang nie gekannten überlokalen Orientierung der Dorfbevölkerung, die überdies durch die im Zuge der kommunalen Gebietsreform aus mehreren Ortschaften gebildeten Gesamtgemeinden noch verstärkt worden ist. Sie hat die in vielen Teilen der Bundesrepublik noch vorhandene Identität von Gemeinde als politischer Einheit und Gemeinde als sozialem Wirkungsfeld weithin aufgehoben. Als Folge dieser vielschichtigen Entwicklung hat sich das traditionelle Dorf in eine Vielzahl von Gemeindetypen aufgelöst. Je nach der Erwerbsstruktur wird daher unterschieden zwischen

Gewerblichen Gemeinden Arbeiterwohngemeinden und Wohnsiedlungen Arbeiterbauerngemeinden Kleinbäuerliche Gemeinden Bäuerliche Gemeinden.

Diese Typologisierung reicht jedoch nicht aus,'dem verschiedenartigen Charakter der Gemeinden gerecht zu werden. Als weitere Klassifizierungsmerkmale dienen daher u. a. Bevölkerungsgröße, soziale Wirklichkeit und Raumbezogenheit Wenn daher im folgen-den von Landgemeinde die Rede ist, so soll darunter ein Gemeinwesen außerhalb der industriellen Ballungsräume mit einer Bevölkerung von unter 7 500 verstanden werden, d. h. die Einwohnerzahl bewegt sich in der Höhe oder unterhalb der von den Gemeinde-reformen genannten Richtzahlen für Mindestgemeindegrößen von 5 000 bis 7 500 Einwohnern. Trotz des Kahlschlags der kommunalen Gebietsreform bestehen heute noch zahllose Landgemeinden Eine von ihnen — die Arbeiterwohngemeinde N. — soll im folgenden etwas näher betrachtet werden.

Untersuchungsgegenstand: Landgemeinde N. Die nur 2 400 Einwohner zählende Gemeinde liegt in einer Verdichtungszone zwischen den Ballungsräumen unterer und mittlerer Nekkar; der Abstand zu den nächsten großstädtischen Zentren beträgt 45 bzw. 35 km. In diesen werden vor allem Einkäufe des längerfristigen Bedarfs getätigt, während die Vorrats-besorgungen in den benachbarten Kleinstädten E. und M. erfolgen. Da am Ort nur 45 Gewerbebetriebe mit rd. 500 Arbeitsplätzen vorhanden sind, ist ein großer Teil der Erwerbstätigen gezwungen, als Pendler außerhalb der Gemeinde sein Brot zu verdienen. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, daß noch immer ein Teil der Bevölkerung in der Binnenschiffahrt sein Auskommen findet. Trotz dieser intensiven Außenkontakte hat sich die politische Gemeinde N. ihre soziale Wirklichkeit lebendig erhalten können, d. h. sie ist noch immer eine Verdichtungszone sozialer Beziehungen und zahlreiche innerörtliche Interaktionen grenzen sie deutlich nach außen ab. Zur Erhaltung ihrer rechtlichen Selbständigkeit war sie allerdings gezwungen, die Eingliederung der nahegelegenen Ar-beiterbauern-Gemeinde G. zu suchen. Obwohl diese kirchlich mit dem kath. bzw. ev. Pfarramt in N. verbunden ist, blieben die sozialen Interaktionen zwischen N. und G. in der Vergangenheit gering. Von dem Hauptort N. durch den Neckar getrennt, bewahrt G. auch heute noch sein soziales Eigenleben. Die politische Integration beider Orte wird aber auch deshalb erschwert, weil hier ein „MittelGroßer" einem „Kleinen" gegenübersteht, der von dem Gefühl des Benachteiligtseins durchdrungen ist. Ein inzwischen in Angriff genommener Brückenbau dürfte aber in absehbarer Zeit die beiden Orte nicht nur verkehrsmäßig, sondern auch sozial, z. B. auch durch gemeinsame Vereine, einander näherbringen.

Es liegt die Frage nahe, warum gerade N. als Beispiel gewählt worden ist. Dafür waren zwei Gründe bestimmend: Der Verfasser hat Gelegenheit, als Gemeinderat die Lokal-politik in N. unmittelbar zu beobachten. Da diese Form der beobachtenden Teilnahme nicht frei von der Gefahr einer Identifizierung mit dem Untersuchungsgegenstand ist, bemühte ich mich von vornherein um kritische Distanz. Die eigenen Erfahrungen wurden ergänzt durch statistische Auswertungen, Protokolleinsichten und Gespräche. Außerdem wurde nach Vergleichen gesucht, um etwaige generelle Tendenzen besser erkennen zu können, und deshalb auch Gespräche mit lokal-politischen Beobachtern in anderen Gemeinden geführt.

Eine Vergleichsmöglichkeit bot sich u. a. an in der bereits 1961 veröffentlichten Studie von R. Plaum Diese analysiert ebenfalls die Politik in einer größeren Pendlergemeinde, wobei sie jedoch den Vorteil hat, ihre Ausführungen in eine umfangreiche gemeindesoziologische Untersuchung einbetten zu können. Allerdings berührt sie die Probleme der Kommunikation und Entscheidungsthemen nur am Rande. Dieser auch heute noch lesenswerten Studie sind kaum weitere Darstellungen der Lokalpolitik in Landgemeinden gefolgt. Das wissenschaftliche Interesse wandte sich stattdessen den Kleinstädten zu, deren Politik vor allem unter machttheoretischen Aspekten untersucht worden ist Es wird daher im Folgenden zu prüfen sein, inwieweit die dabei gewonnenen Erkenntnisse auch auf Landgemeinden übertragen werden können.

Die Politik einer Gemeinde läßt sich von verschiedenen Wegen aus erschließen Im Folgenden soll dafür eine Kombination von Entscheidungsstruktur, Entscheidungsthemen, Kommunikation und politische Beteiligung gewählt werden. Auf Grund der wenig zufrie-denstellenden Literaturlage dient dieses Vorgehen vor allem dem Zwecke, die im Eingangszitat von Dahl aufgestellten Behauptungen über die a) größeren Mitwirkungsmöglichkeiten in kleinen politischen Einheiten und b) über den geringen Gestaltungsspielraum dieser Partizipation am Beispiel einer Landgemeinde zu überprüfen und durch empirisch vorläufig belegte eigene Hypothesen zu ergänzen.

II. Entscheidungsstruktur

Vom „Bauernschultes" zum hauptamtlichen Bürgermeister Die Gemeindeordnungen weisen dem Gemeinderat die „Richtlinienkompetenz" zu, während der Bürgermeister (Gemeindedirektor) die Verwaltung zu leiten hat. Doch, gerade an diesem Punkt zeigt es sich, daß auch in den Kommunen eine Kluft zwischen „Verfassungsrecht" und „Verfassungswirklichkeit" bestehen kann. Ist es doch in der Regel der Bürgermeister, der die Fäden in der Hand hält, Initiativen ergreift und neue Richtungen einschlägt. Einst ein „Bauernschultes", übt er heute dieses Amt auch in ländlichen Gemeinden hauptberuflich aus. Dies verschafft ihm einen erheblichen Informations-und Kompetenzvorsprung gegenüber „seinem" Gemeinderat, vor allem im Bereich der immer wichtiger werdenden Außenbeziehungen. Als „Außenminister" seiner Gemeinde führt er die notwendigen Verhandlungen mit dem aufsichtführenden Landratsamt, den Verkehrsträgern wie Bundesbahn oder Bundespost oder auch mit an der Gründung von Niederlassun-gen interessierten Unternehmern. Verfügt er über überörtliche Beziehungen, kann es ihm leichter gelingen, an die Finanzierungstöpfe des Bundes oder Landes heranzukommen. In der Gemeinde N.setzte er sich dafür ein, an Stelle eines störanfälligen und deshalb kaum jemanden zufriedenstellenden Fährbetriebs einen Brückenbau — auf Kosten des Landes — durchzusetzen. Damit trug er der Erwartungshaltung der Bevölkerung Rechnung, die sich nicht nur einen Bürgermeister mit Fachkompetenz, sondern auch mit Initiative wünscht. Um als „Außenminister" möglichst viel für seine Gemeinde erreichen zu können, empfiehlt sich für ihn der Anschluß an eine der überregional organisierten etablierten Parteien. Das verschafft ihm einen leichteren Zugang zu Ministern, Abgeordneten und Landräten. Doch wird er eine Parteimitgliedschaft seine Bürger möglichst wenig spüren lassen, erwarten doch diese von ihm, daß er für alle in gleicher Weise ansprechbar und handlungsbereit ist. Das bleibt nicht ohne Folgen für seine politische Stellung. Pfizer beklagt, daß der Bürgermeister größerer Städte häufig Gefangener seines Apparats sei mit dessen wohlwollender Unterstützung er allein seine Pläne verwirklichen könne. In Landgemeinden mag er diesen im allgemeinen aus wenigen hauptamtlichen Mitarbeitern bestehenden Apparat für seine Vorstellungen rasch gewinnen können, fast unmöglich erweist es sich aber für ihn — besonders wenn er aus dem Orte selbst stammt — dem engmaschigen Netz sozialer Bindungen zu entschlüpfen und auf persönliche Distanz zu gehen. Auf Schritt und Tritt wird er angesprochen, beobachtet und beurteilt. Diese Art von sozialer Kontrolle kann sich politisch als fast ebenso wirkungsvoll erweisen, wie die dem Gemeinderat zugedachte Kontrollfunktion. Dessen nebenberufliche Mitglieder verfügen als „Feierabendpolitiker" nicht über die Zeit, um mit dem Bürgermeister konzeptionell und fachlich einigermaßen Schritt zu halten. Im Unterschied zu größeren Städten kann sich in Landgemeinden kaum eine Zwischenschicht von (Teilzeit-) „Berufs" -Politikern herausbilden, deren Kennzeichen darin besteht, daß sie das Ratsmandat mit einem politiknahen Beruf verbindet. In N. ist daher genauso wie in der Kleinstadt die Neigung vorhanden, die wegweisenden Initiativen dem Bürgermeister zu überlassen. Bevor er aber diese im Gemeinderat entwickelt, berät er sich ebenfalls mit „Vorentscheidern", deren Kreis allerdings etwas anders zusammengesetzt ist als in größeren Kommunen Da die Kategorie der leitenden Mitarbeiter in der Verwaltung geringer vertreten ist, muß er stärker auf außerhalb des Gemeinderates stehende, aber fachlich kompetente Mitbürger zurückgreifen. Er sichert sich damit nicht nur deren Sachverstand für den Beratungsgegenstand, sondern auch deren Unterstützung bei der in kleineren Gemeinden für unabdingbar gehaltenen breiten Konsensbildung. Gerade weil hier die persönliche Distanz so gering ist und damit die Gefahr von Reibereien, ja aufbrechenden Feindschaften im Hintergrund lauert, besteht auf allen Seiten ein beachtliches Konsensbedürfnis.

Feierabendpolitiker im Gemeinderat Der Bürgermeister wird es sich daher mehr als einmal überlegen, eine Vorlage gegen starken Widerstand im Gemeinderat oder in der Bevölkerung durchzusetzen. Dieser Gemeinderat besitzt aber nicht nur eine Veto-macht, sondern nimmt auch Anregungs-und Korrekturaufgaben wahr. Die Anregungsfunktion ist darin zu sehen, daß über die Fraktionsgrenzen hinweg der Verwaltung Initiativen — z. B. Förderungen des Fremdenverkehrs — oder Einzelmaßnahmen nahegelegt werden, während die Korrekturaufgabe darin besteht, Maßnahmen der Verwaltung zu überprüfen und gegebenenfalls auch zu verändern. In N. nimmt sich dieser Korrekturaufgabe vor allem die SPD-Opposition an, die sich keine Gelegenheit entgehen läßt, dem Bürgermeister Verfahrensmängel vorzuhalten oder Unterlassungssünden anzukreiden. Demgegenüber hat es die CDU-Mehrheitsfraktion nicht so leicht, eine ihr gemäße politische Rolle zu finden. Da der Bürgermeister ihrer Partei angehört, verbietet es allein Solidarität, ihn öffentlich in allzu große Schwierigkeiten zu bringen oder bei Auseinandersetzungen mit der „Opposition" im Stiche zu lassen. Dieses Verhalten kann aber leicht als einfallslose Duckmäuserei mißverstanden werden, so daß sie deshalb genötigt ist, ihre Eigenständigkeit gegenüber der Verwaltung durch eigene Initiativen nachzuweisen. Dieser Ansatz für ein konkurrierendes Zweiparteiensystem läßt sich aber nicht ohne weiteres verallgemeinern. In anderen Gemeinden wird der Bürgermeister von einer Allparteienkoalition getragen; auch kann der Fall eintreten, daß er sich mit einer ihm fernstehenden Mehrheitsfraktion arrangieren muß.

Aufgrund der bisherigen Ausführungen könnte der Eindruck entstanden sein, als ob die Gemeinderatsarbeit — vom Bürgermeister einmal abgesehen — vorwiegend von den erst anfang der 70er Jahre gebildeten Fraktionen getragen würde. Das ist jedoch nur bedingt der Fall. Die Fraktionen haben sich als Mittel der politischen Arbeitsteilung bewährt: Nicht jeder der 12 Gemeinderäte ist nach der Tagesmühe noch in der Lage, alle anstehenden Probleme mit der gleichen Intensität zu bearbeiten. Es bedeutet für ihn daher schon eine Entlastung, wenn er sich bei komplizierr ten Themen auf den Sachverstand bestimmter

Kollegen stützen kann. Bei der Mehrzahl der Beratungsgegenstände wird aber noch immer individuell gearbeitet und entschieden, d. h. die Fraktionen haben die Willensbildung und Abstimmungen keineswegs monopolisiert. Das ist vor allem auf das Rollenverständnis der Gemeinderäte zurückzuführen, die sich in N. — wie an vielen anderen Orten — als unabhängige Vertreter der Gesamtbürgerschaft sehen. Sie haben sich daher erfolgreich dagegen gewehrt, auf Fraktionsbeschlüsse festgelegt oder an Parteiempfehlungen gebunden zu werden, wenn auch die gemeinsame Fraktionsarbeit solidaritätsverstärkend wirkt. Dieses traditionelle Rollenverständnis der Gemeinderäte kann durch das Wahlrecht noch abgestützt werden, wenn dieses — wie in Baden-Württemberg — dem Wähler erlaubt, durch Panaschieren und Kumulieren die von den Parteien vorgelegten Listen zu verändern Die Gemeinderatswahlen sind dann noch immer Persönlichkeitswahlen! Wollen die amtierenden Gemeinderäte wiedergewählt werden, müssen sie sich auch als einzelne für möglichst viele sichtbar um die gemeindlichen Angelegenheiten kümmern. In N.sehen daher einige Gemeinderäte ihre Aufgabe darin, die in ihren Augen stiefmütterlich behandelten Anliegen des Ortsteils G. wirkungsvoll zu vertreten. Andere bemühen sich um die Jugend oder auch die Wasserversorgung. Diese bürger-und problemnahe Arbeit setzt den Gemeinderat in die Lage, der Verwaltung laufend Anregungen und Anstöße zu geben. So wünschenswert der enge Kontakt zwischen Wählern und Gewählten grundsätzlich ist, so wenig ist doch zu übersehen, daß er sich auch als Hemmschuh für notwendige Entscheidungen erweisen kann. Es ist nicht jedermanns Sache, sich am Morgen nach einer Sitzung der Kritik unzufriedener Nachbarn und besserwisserischer Kegelbrüder zu stellen. Gemeinderäte schrecken daher oft davor zurück, unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Auf der Suche nach einem möglichst breiten Konsens ziehen sich deshalb ihre Sitzungen manchmal endlos lange hin, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, daß anders als in Groß-und Mittelstädten mit ihrem vergleichsweise ausgebildeten Fraktions-und Ausschußwesen die Vorlagen vielfach ungefiltert von vorhergehenden Ausschuß-und Fraktionssitzungen sogleich vom Gesamtgemeinderatskollegium beraten und entschieden werden müssen. Die Diskussionen im Gemein-derat können daher zuweilen noch offen und kontrovers sein! Dieser geringe Grad von politischer Arbeitsteilung ist auch in anderen Landgemeinden anzutreffen, er kann jedoch in aus mehreren Ortschaften bestehenden Gesamtgemeinden durch eine andere Form der Arbeitsteilung — Ortschaftsräte — vergrößert werden.

Januskopf der Ortsparteien In der von R. Pflaum beschriebenen Landgemeinde im Westerwald wurden zwar Partei-gruppierungen in der Weimarer Republik festgestellt, doch „ein Großteil der Kandidatenlisten für die Gemeindewahlen bis 1933 galten offiziell nicht als Parteilisten, sondern liefen unter dem Namen der Spitzenkandidaten" Erst nach dem 2. Weltkrieg setzte sich die Praxis durch, daß Kandidatenlisten allein von den am Ort bestehenden Parteigruppen aufgestellt werden. Begünstigt durch das geltende kommunale Wahlrecht konnten sich die stark von Honoratioren gefärbten Wählervereinigungen oder Bürgergemeinschaften in den kleineren Landgemeinden weitaus länger halten. Erst im Zuge der größere Einheiten schaffenden kommunalen Gebietsreform bzw.der politischen Polarisierung ist es den Parteien gelungen, auch in den Landgemeinden Fuß zu fassen. In N. besitzen sowohl die CDU als auch die SPD eine Ortsvereinigung. Bei den verhältnismäßig hohen Mitgliederzahlen von rd. 60 bzw. 40 dienen sie offensichtlich der Mobilisierung von „Opinionleadern" und Wählern für die Landtags-und Bundestagswahlen. Vor diesen Wahlen leben die Orts-gruppen auf, sie aktivieren ihre Mitglieder, kleben Plakate und halten Versammlungen ab. Dabei können sie sich auf die Unterstützung ihrer überlokalen Organisationen verlassen. Bei den Kommunalwahlen sind sie hingegen weitaus mehr auf sich allein gestellt. Sie müssen Kandidaten aussuchen, Wahlprogramme aufstellen und eine eigene Wahlkampagne führen. Nach dieser Kraftanstrengung fallen sie aber wieder in einen Dämmerzustand zurück, denn ihre sonstigen Aktivitäten in der Lokalpolitik bleiben gering G. Lehmbruch spricht nicht grundlos vom Januskopf der Ortsparteien, er will damit ausdrücken, daß deren beide Gesichter in verschiedene Richtungen blicken: Im Blick auf die „Große Politik" sind sie bemüht, dem Wähler spezifisch parteipolitische Kriterien für die Wahlentscheidung zu vermitteln, im Blick auf die Lokalpolitik passen sie sich hingegen den vorherrschenden parteilosen Urteils-und Selektionskriterien an

Auch der Wähler in N. wünscht keine Politik (sprich: Parteipolitik) auf dem Rathaus. An dieser Einstellung kann man sicher manches aussetzen: Etwa das dahinterstehende Bild von der unpolitischen Honoratioren-Selbstverwaltung. Gerechterweise muß man aber auch hinzufügen, daß in Gemeinden von der Bevölkerungsgröße und sozialen Zusammensetzung Ns.dem Bürger Parteien noch nicht als Instrumente der lokalen Orientierungshilfe und Interessenorganisation nötig erscheinen, weil er sich auf Grund der räumlichen Nähe selbst informieren und direkt an den Bürgermeister bzw. an die Gemeinderäte wenden zu können glaubt. Die Lokalpolitik ist daher in N. noch immer stärker personen-als organisationsbezogen, selbst wenn man die noch zu erörternden Vereine in Betracht zieht. Eine Aussage wie „Die politischen Parteien stellen heute in der Kommunalpolitik einen der entscheiden-sten Faktoren dar” kann daher allenfalls für die Verhältnisse in den Großstädten zutreffen

Nadelöhr Kandidatenaufstellung Die Parteien haben eine große Stunde in der Lokalpolitik: Es ist die Auswahl der Gemeinderatskandidaten. Beim Fehlen von Wähler-vereinigungen stellen sie das Nadelöhr dar, durch das sich der Kandidat hindurchzwängen muß, bevor er sich den Wählern stellen kann. Er braucht daher die Parteien als institutioneilen Rahmen für die angestrebte lokal-politische Betätigung, vor allem aber beim Wahlkampf, den er als einzelner auch in einer Landgemeinde wie N. kaum mehr im Stile der Honoratiorendemokratie, allein vertrauend auf sein Ansehen in der Bürgerschaft, führen könnte. Die Parteien wiederum sind auf zugkräftige Kandidaten angewiesen, wenn sie aus allgemeinpolitischen Gründen bei der Kommunalwahl einigermaßen gut abschneiden wollen. Diese wurden auch in N. bis in die 50er Jahre hinein vor allem aus der örtlichen Honoratiorenschicht rekrutiert, die damit ihrer Forderung auf kommunale Führungsaufgaben Geltung verschaffte. Das ist heute anders: Beruflicher Leistungsdruck und Demokratisierungsvorstellungen haben auch in N. die Honoratioren gezwungen, ihren Führungsanspruch aufzugeben. Die auch hier einstmals sehr einflußreichen Landwirte sind im Gemeinderat seit 1975 nicht mehr vertreten. Die durch den Gemeinderat dargestellte politische Führungsschicht von N.setzt sich jetzt aus Angehörigen folgender Berufe zusammen: 2 Selbständige 2 Angestellte 2 Arbeiter 3 Lehrer/Hochschullehrer 3 Mittlere und gehobene Beamte Parteiverdienste sind bei der Kandidatenaufstellung wenig gefragt. Im Unterschied zu den von Matthee untersuchten bäuerlichen Gemeinden spielen bei ihr mit Rücksicht auf das Wahlverhalten der Bevölkerung weniger der Besitzstand als vielmehr Bekanntheitsgrad (Verwandtschaft), öffentliche Tugenden und Sachkompetenz eine Rolle. Einen hohen Bekanntheitsgrad kann man durch Beruf, Familie und ehrenamtliche Tätigkeit erlangen, doch reicht er allein nicht aus, um sich für eine Aufstellung zu empfehlen. Der Kandidat muß auch den Ansprüchen auf die Erfüllung öffentlicher Tugenden entsprechen. Darunter wird in N. u. a. verstanden: Verantwortungsbewußtsein, Hilfsbereitschaft (freundliches Wesen), Einsatzfreudigkeit und geordnetes Familienleben. Doch hat sich in den vergangenen Jahren mehr und mehr die Auffassung durchgesetzt, daß diese Tugenden zur Gestaltung einer urbanisierten Lokalpolitik nicht mehr ausreichen. In den Augen der Wähler müssen sie ergänzt werden durch Amtskompetenz, worunter man die Fähigkeit verstehen mag, seine Ansichten im Gemeinderat gewandt zu vertreten und sachlich zu untermauern. Da ein Zusammenhang von beruflicher Tätigkeit und den gewünschten Qualifikationen zu erkennen ist, haben Beamte oder Lehrer eine größere Chance, aufgestellt und auch gewählt zu werden als Arbeiter, die allerdings durch die Tätigkeit in Vereinen oder kirchlichen Ehrenämtern den Nachweis ausreichender Amtskompetenz erbringen können. Was bereits in Bretten und Wertheim festgestellt wurde gilt ganz allgemein auch für N.: Die erfolgreiche Arbeit in Vereinen und Kirchengemeinden wirkt sich kandidatur-und wahlfördernd aus! Insofern ist die politische Führungsschicht des Gemeinderats eng mit dem weiteren Kreis der Aktivbürger verzahnt, zu dem aber nicht nur Vereinsfunktionäre, Kirchenräte und Schulbeiräte gehören, sondern auch jene, die bereit sind, in einem Festausschuß mitzuwirken oder Fahrten für Senioren zu organisieren. Diese Aktivbürger kennen sich untereinander; nach gemeinsamen Sitzungen trinkt man gelegentlich auch , mal ein Bier'zusammen und bei festlichen Anlässen begegnet man sich auf den ersten Plätzen der Festhalle wieder. Sie bilden aber keine geschlossene Gruppe, die sich gegenseitig die Bälle zuschieben und auch miteinander privat verkehren würde. Das wird nicht nur durch die unterschiedliche Parteiorientierung, sondern auch durch die verschiedenartige soziale Zusammensetzung verhindert. Hinzu kommt, daß in diese Schicht einander sich befehdende Familienlager hineinreichen. Die geringe persönliche Distanz erweist sich zunächst als konsensfördernd: wenn aber Konflikte erst einmal entstehen, können sie sich in den engen Verhältnissen einer Landgemeinde von Generation zu Generation weiter vererben. Die Verbindung von Parteigruppen mit familiären Konstellationen kann daher auch in sozial wenig differenzierten Landgemeinden zur Herausbildung einer pluralistischen Machtstruktur führen

III. Entscheidungsthemen

Urbanisierung der Dorfpolitik Der sich überall abzeichnende Urbanisierungsprozeß macht auch vor den Themen der Dorfpolitik nicht halt. Diese waren bis in unsere Zeit hinein relativ statisch: Es galt vor allem den Gesamtbesitzstand der Gemeinde zu wahren, u. a. Fischereirechte, Verfügung über das Allmendeland oder Waldnutzung. Deren Ertrag konnte geschmälert werden durch das Eindringen von Bettlern und die Zunahme von Armenhäuslern; es lag daher im Interesse der Gemeinde, beides zu verhindern. Es galt aber auch die Grundlage des Wirtschaftens auf dem Lande, den Individualbesitz an Grund und Boden, zu sichern und dessen Nutzung zu erleichtern, d. h. Grenzsteindelikte waren zu ahnden, Wege zu bauen und Zuchttiere zu halten. Eine weitere und in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzende Aufgabe bestand darin, über die Moral ihrer Bürger zu wachen. Dies geschah auf Grund eines engmaschigen Normensystems, dessen Einhaltung nicht nur den Bestand der Gemeinde sichern sollte, sondern auch die Kommunikation erleichterte In den verhältnismäßig begrenzten Verhältnissen einer Land-gemeinde wird heutzutage noch „angeprangert", etwa der rücksichtslose Geschäftsmann, die geschwätzige Frau oder der über die Stränge schlagende Jugendliche. Das alles äußert sich im mißbilligenden Gespräch oder anderen Formen der sozialen Kontrolle wie etwa dem „aus dem Wege gehen". Die politische Gemeinde ist jedoch nicht mehr Hüter der Dorfmoral! Geblieben ist aber ein Restbestand der zuerst genannten Aufgaben. Die Gemeinde N. verfügt beispielsweise über einen beträchtlichen Grund-und Waldbesitz, mit dem die rechtliche Verpflichtung der pfleglichen Behandlung verbunden ist. Es entspricht aber darüber hinausgehenden älteren Denkgewohnheiten, wenn man sich mit Händen und Füßen dagegen sträubt, Grundbesitz der Gemeinde zugunsten anderer Vermögenswerte zu veräußern. Obwohl in N. die haupt-und nebenberuflichen Landwirte längst zu einer verschwindenen Minderheit zusammengeschmolzen sind, nahm es bisher die Bevölkerung stillschweigend hin, daß die Ausgaben für Gemeindewaage und Zuchttierhaltung weit über den Benutzungsgebühren lagen. Diese Probleme werden aber überschattet von den immer umfangreicher werdenden modernen Gemeindeaufgaben. Die Bevölkerung erwartet heute genauso wie in der Stadt eine ausreichende Straßenbeleuchtung oder Sozialeinrichtungen. Wo aber die zeitgemäßen Erfordernisse nicht berücksichtigt werden, greift gelegentlich die Aufsichtsbehörde ein. Sie kann u. a. die Gemeinde bedrängen, endlich eine Kläranlage zu bauen. Dieser Urbanisierungsdruck spiegelt sich auch im Umfang und in den Themen der Tagesordnungspunkte des Gemeinderats in N. innerhalb der 9 Sitzungen eines Jahres wieder: Brückenbau, Schulwesen, Kläranlage, Friedhof, Jugendbe23) gegnungsstätte, Altenbetreuung, Baulanderschließung u. a. Welchen Stellenwert haben die einzelnen Bereiche in der Gemeindepolitik? Ist es richtig, daß dieser vor allem von den staatlichen Zuschüssen abhängt

Themenliste und Interessenartikulation Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die gemeindlichen Aufgaben einzuteilen, man kann z. B. zwischen Weisungs-, Pflicht-oder freiwilligen Aufgaben unterscheiden. Im folgenden soll jedoch nicht auf rechtliche Gesichtspunkte, sondern auf die Eigenart der Tätigkeitsbereiche abgehoben werden wenn eine Einteilung in Daseinsvorsorge, Wirtschafts-und Hausbauförderung, soziale Aufgaben, Freizeit und Kultur vorgenommen wird. Um dem Leser ein anschauliches Bild von den Themen der Lokalpolitik zu vermitteln, soll im folgenden die Tätigkeit der Selbstverwaltungsorgane in N. etwas ausführlicher dargestellt werden.

Wehe dem Bürgermeister, wenn die Wasserversorgung ausfällt! N. ist in der glücklichen Lage, daß seine Quellen auch in Trockenjahren ausreichend Wasser abgeben. Es muß nur die Zuleitung in absehbarer Zeit ausgebaut und das Rohrleitungssystem erneuert werden. Die Bürgerschaft ist offensichtlich bereit, einem solchen Vorhaben auch finanziellen Vorrang einzuräumen. Anders ist es mit der Entwässerung: Sie soll wohl funktionieren, aber die Gemeinde möglichst wenig kosten. Die Gemeinde N. hat in den vergangenen Jahren zwar sehr viel investiert, aber kaum daran gedacht, die in den 50er Jahren errichtete Kläranlage der Bevölkerungszunahme anzupassen. Erst eine Auflage des Wirtschaftsministeriums zwang den Gemeinderat dazu, die Erweiterung der Kläranlage in sein Investitionsprogramm aufzunehmen. Des langen und breiten wurde dabei über die Finanzierung diskutiert; sollte man dem Beispiel eines benachbarten Zweckverbandes folgen und die Kosten auf die Hausbesitzer umlegen oder nach dem Verursacherprinzip handeln, d. h. alle Haushalte entsprechend ihrem Wasserverbrauch heranziehen? Ohne daß darüber eine Meinungsumfrage oder eine Bürgerversammlung stattgefunden hätte, setzte sich in N. die zweite Lösung durch. Sie wurde auch von der SPD bejaht, in deren Reihen nicht wenige Hausbesitzer zu finden sind. Eine Landgemeinde unterhält zwar keine eigenen Verkehrsbetriebe, muß sich aber mit Rücksicht auf seine Bevölkerung um eine gute öffentliche Verkehrsanbindung kümmern. Im vergangenen Jahre hatte sich daher der Gemeinderat mit der beabsichtigten Zurückstufung des mit mehreren Beamten besetzten Bahnhofs in eine unbemannte Haltestelle zu beschäftigen. Doch nicht nur die öffentlichen, sondern auch die privaten Dienstleistungen können zum Gegenstand der Sorge einer Gemeindeverwaltung werden, z. B. die Niederlassung eines zweiten Arztes, die Verpachtung einer Gaststätte an einen qualifizierten Wirt oder die Eröffnung eines unentbehrlichen Fachgeschäfts. Alle diese wichtigen Bemühungen wurden jedoch überragt von einem Projekt: dem Brückenbau. Wie bereits mitgeteilt wurde, ist N. vom Teilort G. durch den Neckar getrennt, der durch eine Autofähre und einen Nachen überquert wird. Beide Einrichtungen sind aber nicht nur kostspielig, sondern auch störanfällig und vom Hochwasser bedroht. Es bildete sich deshalb schon vor Jahren eine Art Bürgerinitiative, die allerdings ohne Erfolg das Land zu einem Brückenbau bewegen wollte. Der neugewählte S Bürgermeister knüpfte an diese schon halb-verschütteten Bemühungen an, sicherte sich finanzielle Zusagen von Land und Kreis und gewann seinen Gemeinderat für die Bauträgerschaft. Jetzt kann mit dem Bau begonnen werden, von dem man sich auch eine Aufwertung als Wohnort und eine Belebung des Fremdenverkehrs verspricht. Um den hohen Pendleranteil zu verringern, waren Bürgermeister und Gemeinderat schon in den 60er Jahren darum bemüht, Industrie anzusiedeln.

Ein größerer Erfolg wurde ihnen aber durch den Einspruch des Landes verwehrt, das N. in seinen Entwicklungsplänen als Naherholungsgebiet ausgewiesen hat. Die darin liegende Chance ist aber von Privaten kaum erkannt und genutzt worden. Im Gegenteil, trotz verbaler Beteuerungen der Bürger siechte der vor dem Zweiten Weltkrieg recht lebendige l Fremdenverkehr dahin. Das durch rückläufige Ubernachtungszahlen gefährdete Prädikat „Erholungsort“ bewog daher Bürgermeister und '3 einige interessierte Gemeinderäte, die Gründung eines Fremdenverkehrsvereins in die Wege zu leiten. Die Initiative kam in diesem I Fall eindeutig von „oben". Da man in N. kein 'Glück mit der Industrieansiedlung hatte und ) der Fremdenverkehr zunächst wenig erfolgversprechend erschien, suchte N. sich als Wohnort auszuweisen. Aufgrund der gegebei nen topographischen Lage brauchte man ihn nicht darüber zu streiten, in welcher Richtung die Baulanderschließung erfolgen soll. Es bedurfte auch keines Drucks der Grundeigentümer, dieses Bauland auszuweisen. Bürgermeister und Gemeinderat antizipierten die Forderungen der Grundstückseigentümer und der Baulustigen, von Personengruppen, die in diesem Falle weitgehend identisch waren.

Nur bedingt kann man von artikulierten Interessen im sozialen Bereich sprechen, etwa von Anträgen der Kirchengemeinde auf Bezuschussung eines Ausbaus des Kindergartens. Die Parteien hatten bei den letzten Gemeinderatswahlen die Altenbetreuung und die Förderung der Jugend in ihr Programm aufgenommen; es blieb aber dem Gemeinderat überlassen, in freier Entscheidung diese Programmpunkte in Form von Alten-nachmittagen und einer Jugendbegegnungsstätte zu konkretisieren. Wenig später artikulierte der Vorstand des neugeschaffenen Jugendclubs seine Forderungen im Hinblick auf eine laufende Unterstützung durch die Gemeinde; seinen Forderungen wurde zum Teil entsprochen. Er reihte sich damit in die Schar der Vereine ein, die von der Gemeinde einen jährlichen Zuschuß erhalten. Dabei kommt es gelegentlich zu einem Gerangel mit dem vor allem Fußball betreibenden Sportverein, dem von den anderen vorgehalten wird, auf ihre Kosten bevorzugt unterstützt zu werden. Alle diese Vereine — mit einer Ausnahme — beteiligten sich mit einer erstaunlichen Einsatzfreude an der von der Gemeindeverwaltung ausgerichteten 1000-Jahrfeier. Diese Ausnahme war ein in G. beheimateter Verein, der damit gegen die von der Schulaufsichtsbehörde beabsichtigte Schließung der Grundschule in diesem Teilort protestieren wollte. Wie schon viele Male zuvor, hatte sich der Gemeinderat wieder mit den von seinen aus G. stammenden Mitgliedern vorgebrachten Klagen über die angebliche Nichteinhaltung des Fusionsvertrags zu beschäftigen. Es spricht viel dafür, daß diese Art von Integrationsaufgaben kein Einzelfall sind, sondern Zeit und Energie vieler anderer Gemeinderäte in den durch die kommunale Gebietsreform neugeschaffenen Landgemeinden in Anspruch nimmt.

Finanzielle Außenabhängigkeit?

Die vorhergehende Themenskizze bestätigt zunächst die Annahme von der Urbanisierung der Dorfpolitik: Wasserversorgung, Entwässerung, Brückenbau und Industrieansiedlung gehören ebenso dazu, wie die Planung eines Hallenbads. Diese in den Bereich der Infrastrukturpolitik fallenden Projekte erfordern einen hohen finanziellen Aufwand, der in der Regel nur mit Hilfe staatlicher Zuschüsse zu decken ist. An den Brückenbau hätte N. kaum denken können, wenn nicht Land und Kreis zu weitgehenden Zusagen bereit gewesen wären. Andererseits scheiterte die Realisierung des in Aussicht genommenen Projekts Schwimmbad bislang an den fehlenden Zuschüssen. Es ist daher durchaus richtig gesehen, daß der Stellenwert der projektbezogenen Lokalpolitik infolge der mangelhaften eigenen Finanzausstattung im starken Maße vom Staat und seinen zweckbestimmten Zuschüssen bestimmt wird. Allerdings muß diese generelle Aussage etwas relativiert werden. Kommunalpolitik unterscheidet sich zwar von der mehr richtungweisenden Bundes-und Landespolitik durch ihre größere Projektbezogenheit doch äußert sie sich auch in vielen Einzelfragen und Einzelentscheidungen. Dabei handelt es sich zunächst um Verwaltungsentscheidungen im Rahmen enggezogener rechtlicher Grenzen, wie z. B. Baugenehmigungen oder Auftragsvergaben. Einen weitaus größeren Gestaltungsspielraum besitzen hingegen solche Entscheidungen, die sich u. a. mit Personalfragen, Wirschaftsförderung oder Dienstleistungen befassen. Sie sind insofern politisch, als sie in einer Land-gemeinde wie N. auf reges öffentliches Interesse stoßen und alternative Lösungen erlauben, wie z. B. die Veräußerung eines gemeindeeigenen Hauses und die Verwendung des Verkaufserlöses. Die Anregungen für derartige Entscheidungsfragen können durchaus aus der Mitte des Gemeinderats stammen, wie u. a. die Anlage einer Uferpromenade, doch deren weitere Bearbeitung ist in der Regel Sache des die Gemeinde nach außen vertretenden Bürgermeisters. Er ist vor allem federführend für die Vorbereitung von Projekten. Auf die Projektausführung haben aber beide — Gemeinderat und Bürgermeister — nur einen geringen Einfluß, weil diese entweder von der Ministerialbürokratie in den Zuschuß-Richtlinien im einzelnen vorgeschrieben wird, oder bei der Kompliziertheit der Materie den Technikern überlassen werden muß. Beide können sich aber damit trösten, daß im kommunalpolitischen Willensbildungsprozeß einer Landgemeinde die organisierten Interessen nur eine untergeordnete Rolle spielen d. h.dessen Katalog wird durch die vom Bürgermeister und den Gemeinderäten artikulierten Themen und Probleme beherrscht. Es ist damit aber noch nicht garantiert, daß auch alle Interessen erkannt und aufgegriffen werden, z. B. die Probleme der Gastarbeiter. Ihre Nichtbeachtung ist vermutlich darauf zurückzuführen, daß sie noch kein Wahlrecht besitzen bzw. noch nicht ein anerkannter Teil des auf Konsens und Solidarität bedachten Kommunikationssystems sind; insofern unterscheidet sich die Politik der Interessenartikulation recht wesentlich von der in Großstädten, wo es — um gehört zu werden — vor allem auf die Organisations-und Konfliktfähigkeit von Interessen ankommt.

IV. Kommunikation und Öffentlichkeit

Kommunikationsbedingungen oder Dorföffentlichkeit „Ade“

In einer Landgemeinde kommen Bürgermeister und Gemeinderäte mit ihren Mitbürgern noch am Stammtisch, bei der Chorprobe oder bei Familienfesten zusammen; es ist unvermeidlich, daß sie bei diesen Gelegenheiten deren Sorgen und Wünsche unmittelbar und manchmal anschaulicher als ihnen lieb ist erfahren. Dieser Kommunikationsfluß ist jedoch nicht identisch mit einer Dorföffentlichkeit, die alles in der Gemeinde Vorfallende mit Hilfe eines überkommenen Normensystems zur Kenntnis nehmen und beurteilen würde.

In der verhältnismäßig abgeschlossenen Welt eines traditionellen Dorfes blieb kaum etwas unbemerkt; Privates und Politisches ging ineinander über. Die Geburt eines unehelichen Kindes erregte nicht nur die Gemüter, sondern stellte auch ein lokalpolitisches Ärgernis deshalb dar, weil die Gemeinde gegebenenfalls für dessen Unterhalt zu sorgen hatte. Obwohl in den vergangenen hundert Jahren überlokale Orientierung und Normenverfall auch in den Landgemeinden zu einer beachtlichen Ausweitung der Privatsphäre geführt haben, stehen sich doch hier Privatheit und Öffentlichkeit nicht so unvermittelt gegenüber wie in den Großstädten. Die Politik hat sich noch nicht verselbständigt! Das hat verschiedene Gründe: Zunächst ist die bekannte Erscheinung der Personalisierung der Lokal-politik zu nennen, d. h. Politik wird mit Führungspersönlichkeiten identifiziert. Ähnliches ist auch in der Bundes-und Landespolitik zu verzeichnen, wo die Personalisierung durch Wahlkämpfe und Massenkommunikationsmittel augenfällig verstärkt wird. Im Unterschied zu den im Fernsehen auftretenden Bundespolitikern ist aber bei Bürgermeistern und Gemeinderäten die persönliche Distanz zu den Bürgern gering Sie begegnen einander auf Schritt und Tritt. Da man sich zudem von Kindesbeinen an kennt, sind die persönlichen Biographien jedem einigermaßen vertraut. Eine kritiklose Identifizierung mit der von Bürgermeister und Gemeinderat vertretenen Politik kommt daher recht selten vor. Es ist jedoch ebenfalls zu beobachten, daß persönliche Animositäten oder gar Familienkonflikte den Blick für Sachentscheidungen trüben können. Im Zusammenhang damit ist die Rollen-differenzierung in der Lokalpolitik wenig entwickelt: Ein Bürger wird noch nicht in verschiedene Funktionen aufgespalten: Gerade aufgrund der persönlichen Nähe unterscheidet man z. B. kaum zwischen den Rollen des Gemeinderats, Vereinsvorsitzenden und Firmeninhabers. Diese geringe Rollendifferenzierung und die schon geschilderte Personalisierung erklären, warum in der Lokalpolitik Politisches und Privates noch immer stark miteinander vermischt sind. Auf eine schärfere Trennung wirken jedoch verschiedene Erscheinungen hin, wie etwa der veränderte Charakter der Dorfpolitik: Sie hat nicht mehr den Lebenswandel ihrer Angehörigen zu überwachen, um das moralische und soziale überleben der Gemeinde zu sichern. Die Trunksucht von X. mag als ärgerlich und störend empfunden werden, für ihre Folgen braucht aber die Gemeinde nicht mehr gerade zu stehen. Es ist auch der erweiterte Rahmen der Landgemeinden in Betracht zu ziehen. Durch die Bildung großflächiger Gesamtgemeinden nimmt die persönliche Distanz zu, was eine Versachlichung der Lokalpolitik zur Folge haben kann.

Es ist noch gar nicht so lange her, daß sich die Frauen zum Wasserholen am Dorftrog oder -brunnen trafen. Diese Form der ritualisierten Kommunikation ist aber inzwischen ebenso weggefallen wie der gegenseitige Besuch an langen Winterabenden. Die Nachbarschaften sind im Fernsehzeitalter auf Distanz gegangen. Gehalten haben sich aber die unverbindlichen Stammtische, bei denen auch Ortsneuigkeiten ausgetauscht und lokalpolitische Ereignisse diskutiert werden Ihre Bedeutung als Kommunikationsfaktor läßt sich jedoch schwer abschätzen. Wer sich eingehender aus erster Hand informieren möchte, kann die öffentlichen Gemeinderatssitzungen aufsuchen. Sie finden in N. in der Regel einmal monatlich statt und erfreuten sich auch eines regen Besucherinteresses, 40 oder 50 Zuhörer sind keine Seltenheit. Häufig blickt man aber in dieselben Gesichter, so daß ihre Kommunikationswirkung dennoch begrenzt erscheint. Die beobachtenden Veränderungen lassen daher zweifeln, ob von dem, was in der Gemeinde geschieht, der größere Teil der Bevölkerung auch noch immer in kürzester Zeit erfährt Ein rascher Informationsaustausch wird zudem durch die aufgelockerte Baustruktur in den sich um den Ortskern lagernden Neubaugebieten erschwert. Anders als in den Wohngemeinden der Ballungsräume mit ihrem unverhältnismäßig hohen Prozentsatz von hinzugezogenen Pendlern spart aber dieser langsamer fließender Informationsstrom nur ganz geringe Bevölkerungsteile — so etwa manche der abgekapselt lebenden Hinzugezogenen — aus Auch N. weist einen erheblichen Prozentsatz von Pendlern auf, doch diese stammen zumeist aus dem Orte selbst, dem sie sich daher auch gefühlsmäßig verbunden fühlen. Er ist ihre Heimat! Diese Identifikation wird noch durch die von Fremden gerühmte schöne Lage ihrer Gemeinde, den Stolz auf die Erfolge „ihrer" Sportvereine und das örtliche Freizeitangebot verstärkt. Man interessiert sich daher für das Gemeindegeschehen, wenn auch einer langsamer fließende innerörtliche Kommunikation die in den vergangenen Jahren erst bebauten Hanglagen nicht immer erreicht. Es ist daher zu fragen, ob die entstandenen Kommunikationslücken durch die Vereine geschlossen werden können.

Kommunikationsstellen: Vereine Entgegen aller Vermutungen ist der direkte Einfluß der Vereine auf die Lokalpolitik gering. Er äußert sich vor allem dann, wenn diese von der Gemeinde Zuschüsse oder sonstige Hilfeleistungen fordern. Sie brauchen aber in diesen Fällen kaum die Trommel zu rühren. Bürgermeister und Gemeinderat kommen ihnen im Rahmen ihrer Möglichkeiten weit entgegen, wohlwissend, daß das Freizeitangebot ihrer Gemeinde im wesentlichen von den Vereinen bestimmt wird Diese sind aber auch Kontaktstellen, indem sie Angehörige unterschiedlicher Lebenskreise zusammenführen. Voraussetzung dafür ist allerdings eine die schichtspezifische Exklusivität überwindende Offenheit, die in N. durchaus gegeben ist, d. h. die Angehörigen aller Schichten sind in ihren Reihen anzutreffen. Die Sportvereine haben sich sogar der sonst an den Rand des Gemeindegeschehens verbannten Gastarbeitern geöffnet. In ihnen überwiegt aber ansonsten das Element der neuen Mittelschichten; Angestellte, Facharbeiter und untere Beamte geben dort den Ton an, wenn man von dem als Unternehmer tätigen Vorsitzenden des „Fußballclubs" absieht. So wichtig die Vereine für Kontakte sind, so wenig können sie doch heute die für die Teilnahme an der Kommunalpolitik notwendigen Informationen vermitteln. Diese sind auch nicht vom amtlichen Mitteilungsblatt zu erwarten, das sich damit begnügt, offizielle Bekanntmachungen, kirchliche Nachrichten und Vereinstermine abzudrucken. Im Hinblick auf die bereits bemerkten Lücken im örtlichen Kommunikationsnetz und der noch zu behandelnden zunehmenden Komplexität der kommunalpolitischen Probleme ist daher die Presse aufgerufen, dem Leser durch Informationen, Analysen und Hintergrundinformationen Orientierungshilfen an die Hand zu geben, unterrichtet sie doch als einziges Medium den Bürger über die Lokalpolitik. Einsichtige Lokalredakteure haben dies auch richtig erkannt. H. J. Schlüter schreibt z. B. „Es hieß Abschiednehmen von der bloßen, unreflektierten Berichterstattung über die lokale Szenerie, vom reinen Termin-Journalismus also, weg von den Terminen, die den Lokalredaktionen von außen aufgezwängt werden . . . Statt dessen Ellbogenfreiheit schaffen für die Analysen der kommunalpolitischen Zusammenhänge . . .“

Lokale „Hof-Berichterstattung Die Lokalpresse ist zum Gegenstand wissenschaftlichen Interesses geworden. Schon Os-wald machte auf ihre Bedeutung zur Formulierung der öffentlichen Meinung in den Kommunen aufmerksam Ob sie dieser wichtigen Aufgabe gerecht wird, muß aber nach den bislang in Kleinstädten gewonnenen Untersuchungsergebnissen stark bezweifelt werden. So schreibt z. B. Zoll: „Die Lokalteile üben besonders Enthaltsamkeit in der Kritik an den Honoratioren, unter den . politischen Organen’ bleiben Exekutive und Legislative, besonders aber die Interessenverbände, von der Kritik verschont" Ähnlich urteilen auch Haenisch/Schröter: „Bei der Informationsbeschaffung und Informationsverarbeitung entwickeln die Lokalteile keine Selbständigkeit. Sie greifen nicht auf autonome Instanz in den Meinungsbildungsprozeß ein. Sie sind bloße Sprachrohre und ähneln darin ihren Vorläufern, den Hofbulletins. Wie diese dienen sie nicht der Information, sondern der Repräsentation" Diese Kritik braucht nicht überall ins Schwarze zu treffen. Es gibt zahlreiche Lokalredakteure, die sich trotz schwieriger Arbeitsbedingungen bemühen, möglichst umfangreich über das lokale Geschehen zu berichten, notwendige Kritik zu üben und Verständnis fördernde Hintergründe aufzuzeigen. Gelten diese Beobachtungen auch für die Berichterstattung aus den Landgemeinden? Merkwürdigerweise liegen darüber noch keine Untersuchungen vor, obgleich ein nicht unerheblicher Prozentsatz der bundesdeutschen Bevölkerung in ihnen zu Hause ist. Bei dem Versuch, diese Frage zu beantworten, kann ich mich daher nur auf eigene, begrenzte Beobachtungen stützen. Uber die Geschehnisse in den Landgemeinden — wie z. B. Gemeinderatssitzungen, Feuerwehrfeste, Jubiläen — informieren von Fall zu Fall die ortsansässigen nebenberuflichen Korrespondenten. Nur bei besonderen Anlässen fährt der in der Stadt amtierende Redakteu.selbst an den Ort des Geschehens, um über den Besuch eines Ministers oder die Abhaltung einer 1000-Jahrfeier in Großaufmachung zu berichten. Es ist für den Außenstehenden nicht ganz deutlich, nach welchen Kriterien der Platz in den Lokalseiten auf die nach Publicity drängenden Gemeinden vergeben wird: Ist es der vom Redakteur zu beurteilende politische Stellenwert eines Ereignisses, die aus Verkaufsgründen empfundene Notwendigkeit alle im Einzugsbereich liegenden Gemeinden gleichmäßig zu berücksichtigen oder ganz einfach der tägliche Zwang, den vorhandenen Platz zu füllen? Welche Kriterien auch immer angewandt werden, das Ergebnis der redaktionellen Bemühungen läuft vielfach auf eine Selbstdarstellung der lokalen Größen hinaus: Es werden Namen herausgestrichen, Verdienste gefeiert und Aktionen vermeldet. Kritische Anmerkungen verirren sich selten in derartige Berichte, die dem Leser daher ein etwas aufpoliertes Bild von der Lokalpolitik vermitteln. Wie ist diese Art von Berichterstattung zu erklären? Die Rücksichtnahme auf Anzeigekunden dürfte dabei kaum eine große Rolle spielen, denn im ländlichen Bereich besitzen die Zeitungen vielfach ein Anzeigen-monopol. Eine Erklärung ist darin zu finden, daß die Berichte oft von den Betroffenen selbst stammen. Weder Redaktionen noch Leser finden etwas dabei, daß Bürgermeister selbst zur Feder greifen und über die letzte Gemeinderatssitzung schreiben. Es fehlt offensichtlich ein Problembewußtsein dafür, daß die zu Kontrollierenden die Kontrollaufgabe der Presse nicht auf diese Art unterlaufen sollten. Kann man sich dann eigentlich noch wundern, daß die Lokalspalten von Selbstbeweihräucherung angefüllt sind? Wenn die Berichte von den Betroffenen nicht selbst verfaßt wurden, stammen sie vielfach von einem Korrespondenten, der noch stärker als der Lokalredakteur in das örtliche Geschehen eingebunden ist und unter dessen Konsenszwang steht. Er zieht sich den Zorn seiner Mitbürger zu, wollte er es wagen, einen Gemeinderat namentlich zu kritisieren oder einen heimischen Büttenredner zu verreißen. Nur ab und zu wird diese Konsensdecke in der Lokalpolitik zur Seite geschoben, nämlich dann, wenn die Ortsvereinigungen der Parteien glauben, einen Streit in der Presse fortsetzen zu müssen. Doch auch in diesem Falle dient die Lokalpresse weniger der Information als vielmehr der politischen Selbstdarstellung.

V. Bürgerbeteiligung

Partizipation und Trivialität Die bisherigen Ausführungen erlauben, auf das erkenntnisleitende Interesse dieser Analyse zurückzukommen: Am Beispiel der Land-gemeinde N. soll überprüft werden, ob sich die Annahme von Dahl als begründet erweist, daß zwar a) in kleinen politischen Einheiten die Mitwirkungsmöglichkeit größer, aber b) aufgrund der geringen Gestaltungsmöglichkeiten von der Trivialität gefährdet sind Was heißt trivial? Folgen wir dem Duden, so kann darunter das Abgedroschene, Seichte oder Alltägliche verstanden werden. Trivial wäre es dann, wenn sich — wie ich es erlebt habe — ein Gemeinderat des Langen und Breiten mit der Frage beschäftigt, ob und wie eine die Nachtruhe störende Kirchturmsuhr abgestellt werden kann. Ein über grundsätzliche gesellschaftspolitische Probleme nachdenkender Intellektueller mag über einen solchen Tagesordnungspunkt belustigt lächeln. Anders wird aber vermutlich die Reaktion eines lokal-politisch interessierten Durchschnittbürgers ausfallen, der durch Beruf und Familie daran gewöhnt ist, Alltagsfragen zu lösen. Das Problem der Kirchturmsuhr ist genauso wie das der Wasserversorgung oder das der Anlage eines Kinderspielplatzes Teil seiner Erfahrungswelt. Wenn man unter tri-vial das Alltägliche versteht, so gehört diese Art von Kommunalpolitik dazu. Trivial hat aber im Wortgebrauch von Dahl noch einen anderen Sinn: Es ist das Unbedeutende. Kommunalpolitik wäre demnach unbedeutend, weil sie nur noch einen geringen Teil der gesellschaftlichen Umwelt zu gestalten vermag. Auch der Bürger einer Landgemeinde ist sich heute darüber im Klaren, daß die sogenannten Vitalentscheidungen in Bonn fallen, d. h. Schutz nach Innen und Außen, Wirtschafts-und Arbeitsmarktpolitik, Gesundheitswesen. Alles Fragen, denen er neben der in der Verantwortung der Länder verbliebenen Schulpolitik Priorität einräumt. Das erklärt vielleicht auch, warum in N. — wie in vielen anderen Landgemeinden — die Beteiligung an den Bundestagswahlen etwas größer ist als die an den Gemeinderatswahlen. Es fällt aber auch auf, daß sich in dieser Gemeinde ein höherer Prozentsatz von Bürgern als in den Großstädten an den Kommunalwahlen beteiligt. Eine ähnliche Beobachtung hat schon R. Plaum in ihrer Untersuchungsgemeinde gemacht Wie aber Oel herausgefunden hat, ist das lokale Interesse bzw. die lokalpolitische Orientierung in diesen Gemeinden nicht gleichmäßig verteilt, sie erweist sich u. a. in landwirtschaftlichen und Arbeiterwohngemeinden größer als in Gewerbegemeinden Eine Er-klärung für dieses Verhalten kann wahrscheinlich darin gefunden werden, daß für den nach außerhalb fahrenden Pendler seine Gemeinde eine Art von Rückzugsgebiet darstellen kann. Hier ist er nicht anonymen Kräften ausgeliefert, sondern Teil eines kleinen vertrauten Kosmos Die Umwelt hat daher für ihn noch eine andere Bedeutung als für den Großstädter, vor allem auch dann, wenn er landgebunden ist, d. h. ein Haus oder noch ein Stück Land besitzt. Hinzu kommt aber noch etwas anderes: Wie verschiedene Untersuchungen festgestellt haben, teilen die Bürger in kleineren Gemeinden noch immer die Überzeugung, daß sie auf ihrem Rathaus etwas bewirken können Diese Überzeugung würde nicht entstehen oder sich für längere Zeit halten, wenn ihr nicht auch eigene oder mitgeteilte Erfahrungen zugrunde lägen.

Erhebliches lokalpolitisches Interesse Im überschaubaren Rahmen einer Landgemeinde wie N. kann der Bürger noch selbst seine Interessen zur Geltung briigen. Er bevorzugt dabei das persönliche Gespräch mit Bürgermeister oder einzelnen Gemeinderäten, das je nach Sachlage auch zu Eingaben führt. Bei alledem braucht er sich nicht auf die Unterstützung von Parteien oder Interessenorganisationen zu verlassen. Entsprechend älteren liberalen Demokratietheorien handelt er noch immer als einzelner, als Bürger. Obgleich der Gestaltungsspielraum der Gemeinden zunehmend eingeschränkt und fremdbestimmt wird durch den Staat, Investoren u. a., ist er subjektiv nach wie vor der Auffassung, daß er über eben diese Gemeinde seine Umwelt mitgestalten kann. Anteilnahme und Interessen-wahrnehmung sind aber nicht identisch mit Partizipation, die den Anspruch einer ständigen aktiven Beteiligung stellt. Im Gegensatz hierzu bedeutet sie, daß der Bürger gelegentlich seine Interessen wahrnimmt. Beschäftigung kann aber auch ausdrücken, daß er ständig das Lokale (einschließlich des lokal-politischen) verfolgt. In N. identifizieren sich die Bürger im starken Maße mit ihrer Gemeinde, d. h. sie interessieren sich auch dafür, was in ihr vorgeht. Das wird ihnen dadurch erleichtert, daß die Zahl der handelnden Personen ebenso überschaubar ist, wie die der zur Debatte stehenden Entscheidungsfragen. In Groß-und Mittelstädten kann die Über-sicht über die in Angriff genommenen Projek-te verloren gehen, nicht so in einer Gemeinde, wo z. Zt. nur folgende Projekte anstehen: Brückenbau, Kläranlage, Baulanderschließung. Selbst wenn man die’ anderen Entscheidungsfragen und die vorhandenen Kommunikationsschwierigkeiten berücksichtigt, bleibt die Lokalpolitik noch einigermaßen übersichtlich und scheinbar auch zugänglich. Gerade weil sie privat daran gewöhnt sind, Alltagsfragen zu beantworten, nehmen viele Bürger für sich auch in Anspruch, lokalpolitische Probleme lösen zu können. Ihre auf Erfahrung und Information beruhende Kompetenz mag noch ausreichen, kleinere Einzelvorhaben — wie z. B. Anlage eines Wegs oder Renovierung eines Gebäudes — fachmännisch zu beurteilen, sie genügt jedoch nicht mehr, Groß-projekte, wie z. B. einen Brückenbau, zu durchschauen und in die Gesamtentwicklung einzuordnen. Interesse und Sachverstand stehen daher nahe neben Nörgelei und Kleinka-riertheit. In einer solchen Atmosphäre gedeiht der im Vordergründigen bleibende oder im Privaten wühlende Tratsch. Eine größere Versachlichung der Diskussion wäre daher zuweilen vonnöten, vor allem wenn man bedenkt, welch erheblicher Einfluß der politischen Kommunikation auf die lokalpolitischen Entscheidungen zukommen kann. Um dies zu erreichen, müßte u. a. die Presse mehr als bisher Analysen liefern und auch der Gemeinderat Orientierungshilfen anbieten. Vor allem wäre es angebracht, noch eine größere Anzahl von Mitbürgern an der Lokalpolitik direkt zu beteiligen.

Geringe ständige Partizipation Der Bedarf an politischem Personal ist an und für sich heute schon recht groß: Auf 200 Einwohner kommt bereits ein Gemeinderat. Dies günstige Verhältnis erklärt auch z. T. die beachtliche PersonenbeZogenheit der Lokalpolitik. Zählt man zu den 12 Gemeinderäten und 12 „Nachwuchskandidaten''noch die am Ort ansässigen Kreisräte, Partei-und Vereins-funktionäre, Kirchengemeinderäte u. a. hinzu, so ergibt sich ein Kreis von etwa 60 politisch Aktiven, d. h. 2, 5 0/0 der Einwohnerschaft. Das ist von einem Demokratisierungsstandpunkt aus gesehen wenig genug. Es gilt aber zu bedenken, daß die Partizipationsbereitschaft unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht allzu groß ist. Dies steht im merkwürdigen Gegensatz zu dem festgestellten Interesse an lokalpolitischen Fragen. Kann dieses nicht auch eine — wie Dahl meint — Flucht vor der „großen" Politik sein Die Bürger in N. sind aber bereit, in Notfällen helfend einzugreifen; es ist dann ein überraschend großes Maß an dörflicher Solidarität festzustellen, wobei offenbleibt, ob hierbei ein Erbe aus früheren Jahrhunderten auflebt, oder man ganz einfach aus der Not — Fehlen von bürokratischen Organisationen wie Berufsfeuerwehr — eine Tugend macht. An Beteiligung fehlt es auch nicht, wenn die Gemeinde ein Fest feiert, gilt es doch dann, N. nach außen im besten Licht zu zeigen. Bei der Vorbereitung und Durchführung der 1000-Jahrfeier waren daher mehr als 200 ehrenamtliche Helfer — Junge und Alte, Beamte und Arbeiter, zur Stelle. Diese Motivation fehlt aber für eine ständige politische Beteiligung. Warum sich engagieren, wenn im Grunde genommen alles gut läuft? Gerade weil auch für den aktiv Veranlagten noch viele andere Möglichkeiten bestehen, sich selbst zu verwirklichen, sei es beim Bau eines Eigenheimes oder der Pflege eines Hobbys, verringert sich die politische Partizipationsbereitschaft, obgleich die politischen Gratifikationswege in einer kleineren Gemeinde zunächst verhältnismäßig kurz erscheinen Sieht man von der Möglichkeit partizipationsfördernder Konflikte — etwa im Ortsteil G. — ab, dürfte sich diese Ausgangssituation in den nächsten Jahren wenig ändern, d. h. es bedürfte gewisser Anstrengungen, um den Partizipantenkreis zu erweitern.

Partizipationsförderung und Machtverteilung Unkenntnis kommunalpolitischer Faktoren und Probleme kann partizipationserschwerend sein; deshalb wäre es denkbar, daß über Informationsveranstaltungen, d. h. Vermittlung kognitiver Orientierung, die Handlungsbereitschaft gefördert wird. So uneinig die Wissenschaft über den Stellenwert von Partizipationsgründen ist, so einig zeigt sie sich doch darin, daß die bloße Information nicht ausreicht Betrachtet man die bereits lokalpolitisch Aktiven in N., so stellt man fest, daß diese durch eine Mischung von Persönlichkeitsmerkmalen (Aktivität), Wertorientierung (Bürgerpflicht) und Erfahrungen (positiv und negativ) motiviert worden sind, wobei der ausschlaggebende Faktor schwer isoliert wer-den kann. Eine ähnliche Mischung ist auch bei den „politischen Reservisten" gegeben, die sich aus verschiedenen Gründen nur von Fall zu Fall engagieren. Setzte eine zielbewußte politische Bildung bei ihnen ein, wäre es denkbar, durch ein Mehr an Selbstvertrauen stärkender Information zusätzliches politisches Potential zu wecken. Der naheliegende Begriff „Rekrutieren" ist hier absichtlich vermieden worden, setzt doch dieser ein auswählendes Subjekt voraus, etwa die Parteien. Es hat sich aber gezeigt, daß die Parteien zwar Kandidaten anbieten, doch die Bürger über Panaschieren und Kumulieren . eine eigene Wahlliste aufstellen können.

Zusammenfassend bleibt daher festzustellen, daß dem Bürger in einer Gemeinde wie N. ein ganzes Arsenal an Mitwirkungsmöglichkeiten zu Gebote steht, auch die ständige politische Partizipation, vorausgesetzt, daß er über einen institutioneilen Rahmen (Parteien, Kirchen u. a.) ein öffentliches Ehrenamt erlangt. Auf diese Einschränkung muß deshalb hingewiesen werden, weil in der untersuchten Gemeinde lokalpolitische Partizipationsinstrumente in Gestalt von Parteien nur eine geringe Rolle spielen oder in Form der Bürgerinitiativen kaum in Erscheinung treten. Erlaubt nicht aber soziale Macht — z. B. als Unternehmer — eine ständige politische Einflußnahme genauso wie ein Ehrenamt? Aus der Tatsache, daß zwei von drei am Ort befindliche Unternehmer Ehrenämter bekleiden, läßt sich schließen, daß soziale Macht nicht automatisch in ständige politische Einflußnahme umgemünzt werden kann. Gleichzeitig wird dadurch aber auch eine Kumulierung an Macht erkennbar. Die zahlreichen Mitwirkungsmöglichkeiten in N. schließen nicht aus, daß die Macht dort recht ungleich verteilt ist. Allein von seiner Position her hat der Bürgermeister mehr Macht als ein einfacher Wähler; aber auch der Unternehmer S., Vorsitzender des Verkehrsvereins und 2. Vors. einer Partei-gruppierung, dürfte über mehr Macht verfügen, als etwa ein nur seinem Berufe nachgehender Hauptschullehrer. Einer Überziehung des Machtanspruchs wirkt aber das in der Gemeindekommunikation wirksame Egalitätsprinzip entgegen, d. h. die Betonung der Gleichgestelltheit Sie rührt weniger von gesamtgesellschaftlichen radikaldemokratischen Vorstellungen, als vielmehr von dem Bewußtsein gleicher Herkunft und des Aufeinanderangewiesenseins in Notlagen her.

VI. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

Reiz, aber auch Schwierigkeit einer verallgemeinernden lokalpolitischen Betrachtung liegen darin, daß Gemeinde und Gemeinde nicht ohne weiteres gleichzusetzen sind. Sie unterscheiden sich u. a. nach Einwohnerzahl, Raumbezogenheit und Verhältnis politischer Einheit zum sozialen Wirkungsfeld. Ihr vielfältiges Erscheinungsbild läßt daher Verallgemeinerungen der in der Arbeiterwohngemeinde N. gewonnenen Erkenntnisse nur bedingt — im Sinne von Tendenzen und Hypothesen — und nicht ohne Vorbehalt — im Hinblick auf weitere empirische Befunde — zu. Diese Tendenzen deuten darauf hin, daß trotz eines weit um sich greifenden Urbanisierungsprozesses die Lokalpolitik in Landgemeinden sich von der in Groß-und Mittelstädten unterscheidet. Ihre charakteristischen Merkmale sind aber kaum mehr thematisch bestimmt: Der Urbanisierungsdruck hat die Themen der Landgemeindepolitik sowohl verändert (u. a. projektbezogene Infrastrukturpolitik) als auch erweitert (u. a. Freizeitangebot), womit sich diese denen der Städte angleichen. Die Politik in den Landgemeinden ist daher heutzutage vor allem durch Art und Umfang der politischen Partizipation, der politischen Arbeitsteilung und des politischen Stils gekennzeichnet.

Partizipationsmöglichkeiten a) Dahl unterstellt, daß in kleineren politischen Einheiten die Mitwirkungsmöglichkeiten größer seien Auf die Landgemeinden übertragen, müßte dies bedeuten, daß in ihrem Rahmen die Bürger umfassendere Mitwirkungsmöglichkeiten als z. B. in Großstädten besitzen. Dies trifft jedoch nur eingeschränkt zu. Richtig ist, daß der Bürger in kleineren Gemeinden seine Interessen unmittelbar wahrnehmen kann. Will er auf dem Rathaus etwas erfahren oder auch erreichen, wendet er sich direkt an Bürgermeister oder Gemeinderäte. Voraussetzung einer ständigen politischen Mitarbeit ist jedoch ein Gemeinderats-mandat. Dieses ist nicht länger den Honora-tionen vorbehalten; Hofgröße und Bildungsgrad stellen keine Freikarte für den Eintritt in den Gemeinderat mehr dar! Dieser ergänzt sich vorwiegend aus den Sozialaktiven in Vereinen, Kirchengemeinden und anderen Bereichen. Eine erfolgreiche Kandidatur erfordert einen hohen Bekanntheitsgrad und ausreichende Sachkompetenz. Ein Lokalpolitiker wird aber auch noch immer daran gemessen, ob er den Kriterien der öffentlichen Tugenden (u. a. Verantwortungsbewußtsein, Hilfsbereitschaft) entspricht. b) Der Romantisierung des Landlebens im 19. Jahrhundert sollte keine Verklärung der Partizipationsbereitschaft in den heutigen Landgemeinden folgen. Aus verschiedenen Gründen — Arbeitsüberlastung, Desinteresse, Komplexität — bleibt auch hier der Kreis der politisch Aktiven begrenzt; einer aus Angehörigen verschiedener Berufe zusammengesetzten politischen Oligarchie überläßt der Bürger die ständige Gestaltung des Gemeindegeschehens. Er selbst begnügt sich in der Regel damit, die Lokalpolitik aufmerksam und kritisch zu verfolgen. Dieses lokalpolitische Interesse ist in überschaubaren und gewachsenen Landgemeinden nach wie vor verhältnismäßig groß Obwohl sich in den durch die kommunale Gebietsreform geschaffenen Gesamtgemeinden ein „Wir" -Gefühl nur schwer entwickeln kann, braucht das nicht immer ein Nachlassen des kommunalpolitischen Interesses zur Folge zu haben. Es ist sogar möglich, daß dieses vorübergehend zunimmt, weil man sich in einem Teilort aus Kosten der Nachbarn benachteiligt fühlt. Der Neidkomplex kann sich daher ebenso als eine Triebfeder lokalpolitischer Anteilnahme erweisen wie die Gemeinde-Identifikation oder die Überzeugung, in diesem vertrauten Rahmen noch etwas bewirken zu können.

c) Die Anteilnahme am lokalpolitischen Geschehen setzt zweierlei voraus: Einmal ein einigermaßen funktionierendes Kommunikationsnetz; zum anderen die Fähigkeit zur Informationsverarbeitung. Mit beiden ist es aber in den Landgemeinden nicht zum besten bestellt. Eine zwischen Privatem und Politischem keinen Unterschied machende Dorföffentlichkeit bröckelt auseinander. Die auch in Landgemeinden zu beachtende Differenzierung zwischen beiden kommt zunächst einer Versachlichung der Lokalpolitik zugute; gleichzeitig zerfallen aber die überlieferten ritualisierten Formen der Kommunikation, ohne daß neue an ihre Stelle treten würden. Da auch die Zeitungen über das lokale Geschehen nur lückenhaft und manchmal gar noch entstellt berichten, kann es vorkommen, daß der Bürger über überörtliche Ereignisse besser informiert ist als über das, was sich vor seiner Haustür politisch tut. Selbst wenn ein intaktes Kommunikationsnetz noch vorhanden sein sollte, bedeutet dies noch nicht, daß er auch in der Lage wäre, die ihm zugehenden Informationen zu verarbeiten. Daran hindern ihn vielfach die noch aus dem „alten Dorf" stammenden Denkraster, die zur Bearbeitung der urbanisierten Lokalpolitik-Themen nicht immer ausreichen.

Politische Arbeitsteilung a) Kleineren Gemeinden wurde zurecht mangelnde politische Strukturierung nachgesagt Ortsvereinigungen der Parteien erschienen überflüssig, weil die vorhandenen Interessen und Präferenzen allen bekannt waren. Kandidatenversammlungen wurden nicht für notwendig gehalten, weil jeder jeden kannte. Nachdem aber die honorationenbestimmten Wählervereinigungen durch die auf dem Vormarsch befindlichen Parteien zurückgedrängt oder aufgesaugt werden, bietet sich in den bevölkerungsmäßig gewachsenen Landgemeinden ein etwas ande. es Bild: Auch bei den Kommunalwahlen ringen die Parteien miteinander um Stimmen. Dennoch bleibt die politische Arbeitsteilung in ihnen weniger entwickelt als in Klein-und Mittelstädten, von den Großstädten ganz zu schweigen Das Fraktions-und Ausschußwesen besteht nur in Ansätzen und auf die Lokalpolitik fixierte Organisationen — wie etwa Bürgerinitiativen — haben Seltenheitswert. Vereine und Kirchengemeinden nehmen sich nur gelegentlich lokalpolitischer Fragen an; vor allem aber glaubt der Bürger noch immer auf die Parteien als lokalpolitisches Orientierungsund Artikulationsinstrument verzichten zu können. Ohne Zwischenschaltung einer Partei oder eines Vereins nimmt er selbst seine Interessen in die Hand. Die Entscheidungsstruktur in Landgemeinden ist daher weniger organisations-als vielmehr personenbezogen; in ihrem Mittelpunkt stehen Bürgermeister und Gemeinderäte.

b) Mit dem hauptamtlichen Bürgermeister hat die professionelle Verwaltung in den Landgemeinden Einzug gehalten. Da er mehr als sein ehrenamtlicher Vorgänger über Sachkompetenz verfügt und die für die Bezuschussung notwendigen Außenverhandlungen führt, hat sich das Kräfteverhältnis Bürgermei-ster—Gemeinderat zugunsten des Verwaltungschefs verschoben. Die Gemeinderäte sind im Unterschied zum Bürgermeister „Feierabendpolitiker". Es kann von ihnen kaum erwartet werden, daß sie sich in der Gesetzes-und Verordnungsflut ohne weiteres zurechtfinden. In aus mehreren Ortschaften zusammengewürfelten Gemeinden fehlt ihnen zudem noch der Gesamtüberblick. Das alles wirkt sich zugunsten der Machtstellung des Bürgermeisters aus. Dennoch spricht manches gegen die gelegentlich geforderte Machtbeschneidung des Bürgermeisters (Verwaltungschefs).

In dem verhältnismäßig engen Rahmen einer Landgemeinde verbinden sich häufig Bürger-nähe mit Kleinkariertheit, Ortsidentifikation mit Beharrungsvermögen. Ein über die Kirchturmsspitzen seiner Gemeinde hinausblickender Bürgermeister kann sich in einem solchen politischen Klima als ein Element der Erneuerung und des Wandels bewähren. Was wäre heute manche Gemeinde ohne den Weitblick ihres Bürgermeisters, der den widerstrebenden Bürgern den Anschluß an die überörtliche Wasserversorgung oder die Erschließung eines Gewerbegebiets geradezu aufzwingen mußte? Ein „starker Bürgermeister" benötigt jedoch als Gegengewicht auch einen „starken Gemeinderat", wer viel Macht hat, sollte auch wirksam kontrolliert werden. c) Der Begriff „Basisarbeit" mag manchen Gemeinderat wenig besagen; es ist aber gerade die Stärke der Gemeinderäte, daß sie in der Regel noch an eben dieser Basis zu Hause sind. Unabhängig von Parteien, Verbänden und Vereinen stehen sie in einem engen Kontakt mit ihren Wählern, deren Sorgen, Nöte und Wünsche ihnen vertraut sind. Diese geringe persönliche Distanz verstärkt die demokratische Entscheidungslegitimierung. Sie kann sich aber auch lähmend auf die Entscheidungsbereitschaft auswirken, indem man dazu neigt, notwendig gewordene Entscheidungen auf die lange Bank zu schieben. Der Stolz auf die unbestreitbaren Vorzüge ihrer Volksnähe mag manche Gemeinderäte auch dazu verleiten, die Außendimension der Lokalpolitik dem Bürgermeister zu überlassen. In ihrer Kontrollfunktion beschränken sie sich dann auf Alltagsfragen und Einzelprobleme. Sicherlich ist es für die ehrenamtlichen Gemeinderäte schwierig, das an Umfang und Bedeutung wichtige Feld der Verflechtungen mit Kreis, Land und Bund zu überblicken oder gar zu durchschauen. Ihre Kontrolle kann aber nicht an seinem Rande halt machen. Damit sie dazu befähigt werden, noch einen Schritt weiterzugehen und auch die Außenbe-Ziehungen in ihre Kontrolltätigkeit aufzunehmen, sollten ihnen u. a. Weiterbildungsseminare angeboten werden. Wäre dies nicht eine wichtige Aufgabe für die politische Erwachsenenbildung, die immer wieder auf der Suche nach dem richtigen Adressatenkreis für ihre Bemühungen ist?

Politischer Stil a) Ein sich auf alle Lebensgebiete erstreckender Generalkonsens ist auch in Landgemeinden abgebaut worden. Dennoch besteht nach wie vor ein beachtliches politisches Konsens-bedürfnis, durch das notwendig gewordene Entscheidungen verzögert werden können. Dies ist einer der Gründe, warum die partizipationsfördernde Gratifikation, d. h. ein verhältnismäßig rascher Austausch zwischen Aktivität und Anerkennung/Erfolg, nicht immer so kurzgeschlossen ist, wie es zunächst für den Beobachter den Anschein haben mag Ein anderer Grund ist in der immer enger werdenden Außenverflechtung zu suchen, durch die Entscheidungswege nicht nur unübersichtlicher, sondern auch langsamer werden. b) Das Konsensbedürfnis wird u. a. mit der Personalisierung der Lokalpolitik erklärt. Gegen eine solche Erklärung könnte jedoch eingewandt werden, daß die Erscheinung der Personalisierung auch in anderen politischen Bereichen anzutreffen ist. Im Unterschied zu Bund, Land und Großstadt entfällt aber in einer Landgemeinde das Schutzschild der persönlichen Distanz: Bürgermeister, Gemeinderäte und Bürger leben in Tuchfühlung miteinander. Sachliche Meinungsunterschiede können daher leicht in unversöhnliche persönliche Zwistigkeiten umschlagen. Der Konsens erfüllt daher auch eine soziale Schutzfunktion Es ist jedoch nicht zu verkennen, daß die Verdrängung von Konflikt und Konkurrenz oligarchische Verhärtungstendenzen verstärken kann.

Triviale Lokalpolitik?

a) An eine Feststellung sei nochmals erinnert: Die lokalpolitisch Aktiven sind auch in Landgemeinden verhältnismäßig dünn gesät. Man könnte jedoch daran denken, die im Gemeinderat zentrierten Aktiven durch „Nachwuchskandidaten" oder beratende Ausschußmitglieder zu vermehren Dies hätte eine Erweiterung der Rekrutierungsbasis des Gemeinderats zur Folge. Das Demokratieproblem kann jedoch, wie in anderen Bereichen auch, in einer Landgemeinde nicht auf die aktive Partizipation reduziert werden, sondern sollte auch die bereits erwähnte Kontrollaufgabe mit einbeziehen. Dem Selbstverständnis einer gemischten Verfassung folgend ist an ihr auch der Bürger zu beteiligen. Dessen nach wie vor erhobenen Kompetenzanspruch in Sachen Lokalpolitik stehen sich aber immer komplizierter werdende Entscheidungsfragen gegenüber. Lokalpolitik ist zwar in Landgemeinden noch einigermaßen überschaubar, jedoch kaum mehr durchschaubar! Damit eine kontrollbewußte Gemeindeöffentlichkeit entstehen kann, sollte sie daher durchsichtiger gemacht werden.

b) Zur Orientierungshilfe bieten sich in Landgemeinden u. a. öffentliche Gemeinderatssitzungen, Bürgerversammlungen und andere Informationsveranstaltungen an. Da aber an diesen Zusammenkünften immer nur ein kleiner Teil der Bürgerschaft teilnimmt, muß auch an schriftliche Informationen gedacht werden. Wenn eine objektive Information gesichert ist, könnten auch die amtlichen Mitteilungsblätter kurze Berichte aus Gemeinde-ratssitzungen bringen. Vor allem aber bleibt die Lokalpresse aufgerufen, an Stelle von „Hofberichten" zur Selbstdarstellung lokaler Größen sachgerechte Information und Hintergrund aufhellende Analysen über das lokal-politische Geschehen zu bringen. Das wird allerdings durch die Einbindung der lokalen Berichterstatter in die örtlichen Beziehungs-und Abhängigkeitsverhältnisses erschwert. Es sollten deshalb nur solche Berichterstatter eingesetzt werden, die sich einer gewissen Unabhängigkeit erfreuen; Selbst diese werden aber mit Rücksicht auf die örtlichen Gegebenheiten nicht immer jeder Frage nachgehen können. Deshalb sind die Lokalredakteure in ihrer Absicht zu bestärken, derartige Lücken durch eigene Analysen auszufüllen. c) Haben Partizipation und Kontrolle in der Lokalpolitik noch einen Sinn? Diese Frage ist zu stellen, wenn man sich des Dahlschen Eingangszitats erinnert: Danach könnten die Gemeinden nur noch einen geringen Teil der gesellschaftlichen Umwelt selbst gestalten. Industrialisierung, Urbanisierung und Sozial-staatlichkeit führen zu einer Einebnung der regionalen und gesellschaftlichen Besonderheiten, so daß viele der früher von den Kommunen selbständig behandelten Problemen verallgemeinert werden können, d. h. sie gelangen in die Entscheidungskompetenz von Bund und Ländern Der dadurch bewirkte Autonomieverlust der Gemeinden ist kaum zu übersehen, wenn er auch von den Bürgern nicht immer als solcher wahrgenommen und empfunden wird. Viele von ihnen wiegen sich noch in dem Glauben, über die Gemeinden einen erheblichen Teil der gesellschaftlichen Umwelt gestalten zu können. Andere verschließen sich nicht der Einsicht, daß diese Umwelt immer mehr dem Zugriff von überörtlichen Mächten ausgesetzt ist. Gerade aber dies mag ein starker Beweggrund für sie sein, sich der personennahen und damit bergenden Landgemeinde zuzuwenden, von der Schutz und Hilfe gegenüber den anonymen überörtlichen Bürokratien erhofft wird. d) Diese Patronatsfunktion ersetzt jedoch keinen eigenen Gestaltungsbereich. Es ist zwar über die kommunale Gebietsreform versucht worden, auch den Landgemeinden wieder mehr Zuständigkeiten zu verschaffen, doch im Zeichen der Sozialstaatlichkeit und der Urbanisierung kann kaum erwartet werden, daß diese ihre Selbstbestimmung zurückgewinnen. Deshalb erscheint es überlegenswert, die kommunale Selbstverwaltung im Sinne eines größeren Entscheidungsspielraums bei der Projektumsetzung bzw. eines institutionalisierten Gegenstromverfahrens — Ein-und Mitwirkung auf überlokale Planungsund Entscheidungsgremien — fortzuschreiben

Fussnoten

Fußnoten

  1. Kommunalpolitik soll im folgenden als die makroanalytische Ebene verstanden werden, d. h.der rechtliche Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung und die Gesamtheit der auf ihn bzw. in ihm wirkenden Kräfte. Im Unterschied hierzu bezeichnet Lokalpolitik die mikroanalytische Ebene, d. h. die in einer Gemeinde sich abspielende Politik.

  2. Siehe auch die kritische Auseinandersetzung mit diesem Ansatz in H. Schneider, W. Glashagen, B. und F. Nonnenmacher, Kommunalpolitik im Unterricht, in: Gegenwartskunde, 4/1976.

  3. Dazu auch: D. Kappe, Th. Knappstein, M. Schulte-

  4. „Die Chance der Beteiligung des Bürgers an den politischen Angelegenheiten ist nirgendwo so groß wie in der kleinen Gemeinde. Politische Entscheidungen können gewissermaßen an Ort und Stelle überprüft und oft auch korrigiert werden." A. Leclaire, Probleme der kleinen Gemeinde, in: H. Rausch/Th. Stammen (Hrsg.): Aspekte und Probleme der Kommunalpolitik, München 1972, S. 275. 5) U. a.: H. Schwerdt, Abschied von der Dorfidylle, in: Der Bürger im Staat, 2/1973, S. 116 ff.

  5. W. Teuscher, Klassenstruktur und Initiative in einer sich wandelnden ländlichen Gemeinde, in: R. König (Hrsg.) Soziologie der Gemeinde, Sonderheft 1/1966 Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, S. 105 ff.

  6. G. Wurzbacher, Der Übergang zur personen-und organisationsbestimmten Gesellschaft, in: G. Wurz-bacher/R. Pflaum, Das Dorf im Spannungsfeld industrieller Entwicklung, Stuttgart 1961, S. 280.

  7. P. Hesse, Grundprobleme der Agrarverfassung, Stuttgart 1949, S. 21.

  8. H. Kötter, Die Gemeinde in der ländlichen Soziologie, in: R. König (Hrsg.), Soziologie der Gemeinde, Sonderheft 1/1966, Kölner Zeitsdirift für Soziologie und Sozialpsychologie, S. 12 ff.

  9. Statistisches Jahrbuch 1976, Stuttgart 1976, S. 57. Ihre genaue Zahl läßt sich aber nach Auskunft des Statistischen Bundesamts nicht feststellen.

  10. R. Plaum, Politische Führung und politische Beteiligung als Ausdruck gemeindlicher Selbstgestaltung, in G. Wurzbacher/R. Plaum, a. a. O., S. 232 ff.

  11. U. a.: B. Luckmann, Politik in einer deutschen Kleinstadt, Stuttgart 1970.

  12. Agger u. a. unterscheiden zwischen a) bevorzugten Entscheidungsweisen, b) politischer Beteiligung, c) politischen Einfluß, d) Machtstrukturen, e) formales Institutionengefüge, f) die sich aus den Funktionen der Machtstrukturen typischer Weise ergebenden Entscheidungsmuster, g) verschiedene Re-gimetypen (R. Agger/D. Goldrich/B. E. Swanson, The Rulers and the Ruled, Political Power and Impotence in American Communities, New York 1964).

  13. Th. Pfizer, Kommunalpolitik und politische Bildung, in: ders. (Hrsg.), Bürger im Staat — Politische Bildung im Wandel, Stuttgart 1971, S. 99.

  14. Auf Verhältnisse in größeren Kommunen bezieht sich hier offensichtlich: W. Holler/K. H. Naßmacher, Rat und Verwaltung im Prozeß kommunal-politischer Willensbildung, in: Aus Politik und Zeit-geschichte B 4/1976, S. 17— 19.

  15. Der Wähler kann innerhalb der insgesamt zulässigen Stimmenzahl einem Bewerber bis zu drei Stimmen geben (Kumulieren) und er kann darüber hinaus Bewerber aus anderen Wahlvorschlägen übernehmen (Panaschieren).

  16. R. Pflaum, Politische Führung und politische Beteiligung als Ausdruck gemeindlicher Selbstgestaltung, in: G. Wurzbacher/R. Pflaum: a. a. O., S. 247.

  17. H. Kaack, Die Basis der Parteien, Struktur und Funktion der Ortsvereine, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 1/1971, S. 29.

  18. G. Lehmbruch, Der Januskopf der Ortsparteien, in: Der Bürger im Staat, 1/1975, S. 6/7.

  19. M. Bormann/G. Regenthai, Kommunalpolitik — Ein didaktisches Modell, in: Die Deutsche Schule, 4/1976, S. 264.

  20. U. Matthee, Elitenbildung in der kommunalen Politik, Eine Untersuchung über die Zirkulation der politischen Führungseliten am Beispiel des Kreises Seegeberg, Phil. Diss. 1967.

  21. S. u. a. die Hinweise von B. Luckmann, a. a. Ot S. 137, S. 172.

  22. Diese Beobachtung relativiert die Annahmen von T. N. Clark, Power und Community Structure: Who Governs, Where, and When?, in: Ch. M. Bonjean/T. N. Clark/R. L. Lineberry (ed.) Community Politics, New York 1971, p. 187; auch Mathe bringt dafür einige Beispiele, a. a. O., S. 65 ff.

  23. A. Jacob: Das Ende der Dorfpolitik, in: Der Bürger im Staat, 1/1975, S. 26.

  24. Bund und Länder gewähren zweckgebundene Zuschüsse, u. a. für Schulhausbau, Sportstättenerrichtung und Wegeerschließung.

  25. O. Haussleitner unterscheidet zwischen herrschaftssichernder Ordnungsverwaltung, einer stark expandierenden Betreuungsverwaltung und einer fast durchgängig an unternehmerischen Kriterien orientierten Leistungsverwaltung, Art. Öffentliche Verwaltung, in: W. Bernsdorf (Hrsg.), Wörterbuch der Soziologie, Stuttgart 19682, S. 755— 757.

  26. M. Hättich, Kommunalpolitik — ein politisches Seitengebiet? in: H. Rausch/Th. Stammen (Hrsg.), Aspekte und Probleme der Kommunalpolitik, München 1972, S. 295; danach wollen Entscheidungen im Bereich der Bundes-und Landespolitik Richtungen festlegen, z. B. Krankenhausversorgung. Diese Globalentscheidungen werden auf lokaler Ebene in Projekte umgesetzt, z. B. Krankenhausneubau.

  27. Im Vergleich R. Zoll u. a., a. a. O. S. 92.

  28. M. Hättich, a. a. O. S. 295/296.

  29. Dazu auch Th. Ellwein/G. Zimpel, Wertheim I — Fragen an eine Stadt, München 1969, S. 147.

  30. Einen raschen Kommunikationsfluß in der dicht überbauten Altstadt von Bretten stellte fest: B. Luckmann, a. a. O. S. 22.

  31. S. auch H. G. Wehling/A. Werner, Kleine Gemeinden in Ballungsräumen, Gelnhausen/Berlin 1975.

  32. S. auch E. M. Wallner, Die Rezeption des stadt-bürgerlichen Vereinswesens durch die Bevölkerung auf dem Lande, in G. Wiegelmann (Hrsg.), Kultureller Wandel im 19. Jahrhundert, Göttingen 1973.

  33. H. J. Schlüter, Die Buchsbaumhecke schützt nicht mehr, in: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 9. 11. 1975, II.

  34. H. Oswald, Die überschätzte Stadt, Freiburg 1966, S. 164.

  35. R. Zoll u. a., a. a. O. S. 196.

  36. H. Haenisch/K. Schröter, Zum politischen Potential der Lokalpresse, in: R. Zoll (Hrsg.) Manipulation der Meinungsbildung. Zum Problem hergestellter Öffentlichkeit, Köln 1971, S. 261 ff.

  37. R. A. Dahl, The City in the Future of Demo-cracy, a. a. O. S. 957; ähnlich F. Naschold, Organisation und Demokratie, Stuttgart 19723 S. 57: „Tendenziell gesehen ist die Mitgliederbeteiligung in großen Organisationseinheiten minimal, in kleinen Einheiten, wo große Mitgliederbeteiligung möglich ist, jedoch trivial."

  38. R. Plaum, Politische Führung und politische Beteiligung als Ausdruck gemeindlicher Selbstgestaltung, in: G. Wurzbacher/R. Plaum, a. a. O., S. 263.

  39. P. Oel, Die Gemeinde im Blickfeld ihrer Bürger, Stuttgart 1972, S. 47. Danach bedeutet lokales Interesse Anteilnahme am örtlichen Geschehen. Kommunalpolitische Orientierung will hingegen ausdrük-

  40. B. Luckmann, a. a. O. S. 6/7.

  41. R. Plaum, a. a. O. S. 261.

  42. R. A. Dahl, Who governs? Democracy and Power in an American City, New Haven and London 1963, S. 280.

  43. Der Austausch zwischen lokalpolitischer Aktivität und greifbaren Erfolgen kann in den zuschußunabhängigen Bereichen relativ rasch erfolgen. Doch in den mit überörtlichen Stellen verflochtenen Gebieten muß ebenso wie in der Bundes-und Landes-politik mit langen und unübersichtlichen Entscheidungswegen gerechnet werden.

  44. Die einzelnen Positionen zeigt auf der von G. Zimpel herausgegebene Reader: Der beschäftigte Mensch, München 1970.

  45. S. auch G. Wurzbacher, Die berufliche Gliederung in ihrem Wandel und ihre Auswirkungen auf die gemeindliche Verbundenheit der Bevölkerung, in: G. Wurzbacher/R. Pflaum, a. a. O., S. 61.

  46. R. A. Dahl, The City in the Future of Demo-cracy, a. a. O., S. 957.

  47. S. P. Oel, Die Gemeinde im Blickfeld ihrer Bürger, Stuttgart 1972, sowie die Ergebnisse der Kommunalwahlen.

  48. A. Jacob, Das Ende der Dorfpolitik, in: Der Bürger im Staat, 2/1975, S. 26.

  49. Die Ortschaftsverfassung in den neuen Gemeinden kann allerdings den Grad der politischen Arbeitsteilung erhöhen, indem zwischen Gemeinderat und Bürger Ortschaftsräte zwischengeschaltet werden.

  50. U. a. bei H. J. Benedikt, Kleinbürgerliche Politisierung, in: H. E. Bahr (Hrsg.), Politisierung des Alltags — gesellschaftliche Bedingungen des Friedens, Neuwied 1972, S. 90.

  51. Auf Grund von Beobachtungen in einer Kleinstadt urteilen ähnlich R. Zoll u. a., a. a. O., S. 107 ff.

  52. Nachwuchskandidaten könnten an den Fraktionssitzungen beteiligt werden. Die Gemeindeordnungen erlauben die Berufung von sachkundigen Einwohnern in die beratenden Ausschüsse, wie z. B. Bauausschuß (s. GO Ba. Württ. § 41).

  53. M. Zöller hat diese Verallgemeinerung deutlich herausgearbeitet. Ich kann mir aber im Hinblick auf die Landgemeinden nicht ohne weiteres seiner Schlußfolgerung anschließen, nach der es deshalb immer schwerer werde, die Partizipationsangebote in Selbstverwaltungseinheiten festzumachen. (M. Zöller, Erwiderung auf Fritz Vilmars Demokratisierungskonzept, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 39/75, S. 37.

  54. Hier stimme ich weithin überein mit L. Reuter, Kommunalpolitik im Parteienvergleich, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 34/76, S. 14.

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Herbert Schneider, Dr. phil., Dr. rer. pol., geb. 1929 in Karlsbad. Studium der Politik-und Wirtschaftswissenschaften in Freiburg, Tübingen, Oxford und Genf; 1966— 1973 Hauptgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft „Bürger im Staat" bzw. Direktor der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg; seit 1971 Prof, für Politikwissenschaft und Didaktik der politischen Bildung an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg; Gemeinderat und stellv. Bürgermeister in einer Landgemeinde. Veröffentlichungen u. a.: Die Interessenverbände, München-Wien 19654; Großbritanniens Weg nach Europa, Freiburg 1968; Zur Außenpolitik der Bundesrepublik — Ein Reader für den historisch-politischen Unterricht (mit U. Uffelmann), Paderborn 1976; Pluralismus und politische Bildung, in: Civitas-Jahrbuch für Sozialwissenschaften 1974; Der Landtag — Möglichkeiten und Grenzen des Länderparlamentarismus, in: H. Bausinger/Th. Eschenburg u. a.: Baden-Württemberg — Eine politische Landeskunde, Stuttgart 1975; Kommunalpolitik im Unterricht (mit W. Glashagen/B. und F. Nonnenmacher), in: Gegenwartskunde 4/1976.