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Jugend und Politik heute Soziale und politische Einstellungen und Verhaltensweisen im Spiegel neuerer Untersuchungen in der Bundesrepublik Deutschland | APuZ 39-40/1976 | bpb.de

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APuZ 39-40/1976 Jugend und Politik heute Soziale und politische Einstellungen und Verhaltensweisen im Spiegel neuerer Untersuchungen in der Bundesrepublik Deutschland Zur Lebenssituation arbeitsloser Jugendlicher. Ergebnisse eines sozialpädagogischen Projekts Artikel 1

Jugend und Politik heute Soziale und politische Einstellungen und Verhaltensweisen im Spiegel neuerer Untersuchungen in der Bundesrepublik Deutschland

Walter Jaide

/ 39 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

An der Spitze der jugendlichen Interessengebiete stehen nicht politische Probleme im engeren Sinne, sondern solche der persönlichen Entfaltung und Befriedigung in Schule, Beruf, Familie, Freizeit und Freundeskreis. Politische Zielsetzungen — besonders Sicherheit und Frieden innen und außen — werden gleichsam als Flankenschutz bewertet. Darin zeigen sich u. a. Zurückhaltung und Überdruß gegenüber einer starken bzw. extremen Politisierung der Jugend, wie sie sich in kleinen Minderheiten vollzieht. Daß dazu im Bewußtsein der meisten Jugendlichen keine besonderen Anlässe vorliegen, erweisen ihre hohen Quoten von Zufriedenheit bzw. Zustimmung zu Schule, Beruf und Arbeit, Wirtschaftssystem und Staatsgesellschaft der Bundesrepublik Deutschland. Diese Zufriedenheiten bedürfen zwar umsichtiger, vielschichtiger Deutungen; sie lassen sich jedoch nicht als Meinungsverkehrungen aus Unwissenheit, Desinteresse oder Entfremdung bagatellisieren. Den Zufriedenen stehen in unterschiedlichen Minderheiten Unzufriedene und skeptisch „Verdrossene" sowie „Systemveränderer" gegenüber, wobei die letzteren meist zu den Schülern und Studenten gehören. Ähnlich verschieden, wie sich Zustimmung und Opposition auf die Jugendlichen und ihre sozialstrukturellen Gruppen verteilen, halten sie die mannigfachen politischen Aktionsweisen — legale, konventionelle, unkonventionelle, illegale — für akzeptabel oder wirksam bzw. sind sie zur Teilnahme an solchen bereit. Eine Prognose muß die Relevanz und evtl. Balance der verschiedenen Politikbereiche einkalkulieren, ferner die Stabilität oder Instabilität aufgrund von Zufriedenheiten und Unzufriedenheiten, die Partnerschaft zwischen Eltern und Jugendlichen und die zunehmende soziale Aufstiegsmobilität breiter Jugendkreise und deren ideologische Beeinflussung. Eine solche Prognose dürfte ein stärkeres Wiedereinpendeln zwischen verschiedenen konservativen und progressiven, „normalen" und „extremen" Einstellungen innerhalb der Jugend in Aussicht stellen.

I. Zur Thematik der Meinungsbildung

Abbildung 1

Man könnte zunächst thematisch fragen: Worüber denkt die Jugend nach, worüber äußert sie sich? Das wissen wir allerdings nur anhand der Fragen oder Probleme, die in den einschlägigen Untersuchungen angeschnitten worden sind. Deren Auswahl hängt ab von der wissenschaftlichen Tradition und der internationalen Zusammenarbeit, von den Interessen der Untersucher bzw. Auftraggeber — und weniger von den Jugendlichen selbst. Sie behandeln, wenn auch mit verschieden dichter und gründlicher Bereichsabdekkung: — Familie, Gleichaltrige, weitere Bezugspersonen und -gruppen;

— Schule, Berufseinmündung, Berufsausbildung, Berufslaufbahn;

— Freizeit und Tourismus, Mediennutzung, Konsum-und Sparverhalten;

— soziale und politische Partizipation, Organisationszugehörigkeit, Meinungsbildung, Information und Engagement;

— Lebenspläne und Zukunftsvorstellungen;

— Verhaltensnormen und Wertsetzungen.

Uber einige dieser Bereiche soll hier berichtet werden, und zwar besonders über die soziale und politische Meinungsbildung innerhalb der letzten Jahre.

Relevanter als die Forschungslage über die Jugend ist die Themenauswahl und -relevanz auf seifen der Jugendlichen selber. Was gilt bei den jungen Menschen in der Bundesrepublik Deutschland als aktuell, kontrovers, im Wandel begriffen oder erhaltenswert? In der Infratest-Studie 1971 1) beispielsweise figurieren die Wünsche:

— glückliches Famil beispielsweise figurieren die Wünsche:

— glückliches Familienleben, — interessanter Beruf mit vielen Abwechslungen, — Freunde, auf die man sich verlassen kann (neben finanzieller Alterssicherung) auf den oberen Rängen. . Familienleben'und . Freunde'spielen bei den geringer Vorgebildeten eine größere Rolle als bei Studenten und Schülern in weiterführenden Schulen. Dementsprechend würden „im Leben am schwersten treffen": der Verlust eines geliebten Menschen, Krankheit, Verlust der persönlichen Freiheit, soziale Isolierung, beruflicher Mißerfolg. Sogar unter den als dringlich genannten „politischen" Aufgaben — nur etwa 50 °/o vermochten solche zu nennen — stehen Probleme des sekundären Sozialbereiches auf den oberen Rangplätzen: Bildungsreform und soziale Chancengerechtigkeit neben Gesundheitsvorsorge und Umweltschutz. Bei einer speziell erfragten Rangordnung der Interessengebiete hat sich folgende Plazierung bei den 15-bis 24jährigen ergeben: Musik — Mode und Kleidung — Sport — technische Fragen — Wirtschaftsfragen — Haushalt — politische Fragen — psychologische und soziologische Fragen — Literatur und Kunst — religiöse Fragen. Die Differenzen innerhalb dieser Infratest-Stichprobe sind herkömmlich alters-und geschlechtsspezifischer Art (bei den 19-bis 24jährigen Frauen Mode und Kleidung auf Platz 1, Politik auf Platz 8, bei den gleichaltrigen Männern Mode und Kleidung auf Platz 8, Politik auf Platz 3).

In der internationalen EMNID-Untersuchung 1973 2) ergaben sich bei der Stichprobe 18-bis 24jähriger Jugendlicher der Bundesrepublik Deutschland in der Frage nach den persönlichen Lebenswünschen/Zielen folgende Häufigkeitsrangfolgen:

— Wahrhaftigkeit und Liebe zwischen mir und meinen Mitmenschen — Verdienst und berufliche soziale Position (viel höher als bei der Jugend anderer Länder) — eine Arbeit, die es wert ist, und mit Abstand auf den unteren Plätzen:

— , Freiheit von Beschränkungen — Hingabe an Nation und Gesellschaft — Hingabe an internationale Zusammenarbeit — Erfüllung durch religiösen Glauben.

Bei der Frage nach den politischen Aufgaben des eigenen Landes:

— soziale sowie innere und äußere Sicherheit, und mit erheblich geringeren Nennungen:

— Aufbau einer friedvollen Gesellschaft — wirtschaftliches Wachstum — Umweltschutz — das Werthalten von Tradition und Kultur — internationales Ansehen.

In einer Jugenduntersuchung der „KonradAdenauer-Stiftung" 1974/75 wurde durch eine Checkliste von ausdrücklich politischen Aufgaben folgende Rangstufung errechnet: Umweltschutz — Preisstabilität — Verhinderung der Arbeitslosigkeit — Verbesserung der Bildungsmaßnahmen — Verbrechensbekämpfung — Mitbestimmung — Reform des § 218 — Bekämpfung des Drogenmißbrauchs — Entspannung mit der DDR.

In der EMNID-Untersuchung 1975 stehen ebenfalls unter den Zielen, die man zu erreichen sich zutraut, sowie unter den Anlässen zu Freude oder Schmerz oder Arger obenan „bürgerliche" Anliegen:

— Familienglück — Soziale Sicherung und Vorsorge — Bildung und Berufslaufbahn, berufliche „Aussichten", Erfolge und Befriedigung — Freizeitleben und Verkehrskreis.

Erst weiter unten figurieren soziale und karitative Probleme und speziell die Teilnahme an Politik.

Diese Rangstufungen scheinen eine Zweiteilung nach höherrangigen „privaten" und minderrangigen öffentlichen Anliegen zu ergeben. Eine solche Unterbewertung der letzteren könnte verstanden werden als Abgrenzung eines gleichsam apolitischen Raumes der persönlichen Lebensschicksale. Dafür spräche z. T. auch die Betonung . bürgerlicher’, internaler Tugenden für den Lebens-erfolg: Fleiß, Leistung, Zuverlässigkeit, gute Vorbildung, Sparsamkeit etc. (Infratest 1971 EMNID 1975). Aber dagegen spricht die Tatsache, daß bei besonders darauf abgestellten Befragungen ein relativ höheres Interesse an Politik und ein zunehmend besserer Informationsstand über politische Fragen bekundet wird

Selbst wenn manche Autoren finden, daß Probleme der Menschenrechte, der liberalen Bürgerrechte und der freiheitlich demokratischen Gesellschafts-und Staatsordnung bei Jugendlichen seltener als dringlich bezeichnet werden, so scheinen sie doch in modifizierter Form wieder auf in den sogenannten postaquisitorischen Anliegen der Bürgersouveränität, der vielseitigen Entscheidungspartizipationen und der weitreichenden Ermöglichung solcher Teilnahme („Demokratisierung"). Zum anderen könnte man in den erwähnten Prioritäten einen Rückzug ins Private (in höchst entwickelten Gesellschaften) oder in eine enger umschriebene Subkultur erkennen.'Die als intakt und ergiebig bezeichnete Beziehung zur Herkunftsfamilie (EMNID 1975) weist ein wenig in diese Richtung. Doch zeigt dieselbe Untersuchung bei genauer darauf abgestellten Fragen, die zwischen Interesse, Behagen, Zurechtfinden im engeren Lebenskreis und im öffentlichen Leben unterscheiden, ein Übergewicht beim letzteren. In bezug auf die Bezugspersonen werden guter Zusammenhalt, Gesprächskontakte, Meinungsübereinstimmungen und Freundschaften mit respektablen Quoten genannt, ohne daß man dies als Über-Integration in eine Subkultur der Gleichaltrigen interpretieren dürfte — und schon gar nicht als wüsten Konkurrenzkampf untereinander. Eine ausgewogene Gewichtung zwischen persönlichen und öffentlichen Anliegen und Aktivitäten bietet auch einen Schutz der Jugendlichen vor fehlgehender Politisierung dar. Die außerordentliche Betonung von öffentlicher Sicherheit und Befriedung innen und außen sowie politischer Respektierung der Individuen und Gruppen legt die Vermutung nahe, daß viele Jugendliche Politik als Flankenschutz für den persönlichen Lebensvollzug ansehen und bewerten.

In derartige Rangstufungen können auch Zukunftserwartungen über die Machbarkeit, Aktualität und Hautnähe von möglichen, gewünschten oder befürchteten Veränderungen hineinwirken. Soweit es die dabei angewandten Verfahren transparent machen, stehen auch hierbei die Fragen der persönlichen Sphäre stärker im Vordergrund. Die diesbezüglichen Erwartungen und Wünsche liegen in einem intensiveren Widerstreit als bei den eher einseitig skeptisch beurteilten politischen Problemen und den optimistisch eingeschätzten, aber weniger dringlich gewünschten technologischen und zivilisatorischen Fortschritten

II. Problem-Prioritäten

Abbildung 2

Die Beurteilung von Problem-Prioritäten ist eine komplizierte Angelegenheit: Zunächst besteht das bisher ungelöste metrische Problem der Rangplätze und Stellenwerte darin, ob die oberen Ränge wirklich als „höhere“ Anliegen oder eher als Voraussetzungen für die (nicht als minder wichtig eingeschätzten) weiteren Anliegen anzusehen sind. Auch wären dabei Intensität und Reichweite zu unterscheiden: „oben" können intensive Anliegen stehen, zu denen man eventuell weniger Zugang hat, und dagegen „unten" allgemeine Anliegen, denen man täglich gegenübersteht — oder auch genau umgekehrt! Auch Moden und Publizität können — kaum dringliche — Anliegen nach oben spielen.

Bei den befragten westdeutschen Jugendlichen dürften die Zugänglichkeit der Probleme durch das Individuum und seine soziale Gruppe sowie das Gefühl potenter und kompetenter Zuständigkeit wichtige Komponenten in der Rangzuweisung sein. Damit sind die weiteren Fragen verbunden, ob sich nach Meinung der betreffenden Jugendlichen überhaupt an solchen Problemen viel ändern lasse bzw. Verbesserungen dank der politischen Legislative und Exekutive zu erwarten seien. Und schließlich wäre konkret zu fragen, ob sich darin effektive Veränderungen dank der Leistungen der gegenwärtigen Regierung oder bestimmter Parteien und Institutionen vollzogen haben. Mit einem Thermometer-Test könnte man pro Thema die Grade und Gradunterschiede für möglich, erwartet, gewünscht oder realisiert angeben lassen. Ne-ben der Zugänglichkeit und Zuständigkeit gegenüber Problembereichen stehen auf Seiten der Jugendlichen individuelle, alters-und lebenslaufspezifische Interessen bzw. Sensibilitäten. Je nach Lebensphase, Begabung, Lei-stung oder Milieu mögen Probleme der sozialen Nahräume oder solche der weiteren Lebensfelder (z. B.der Politik) näher oder ferner stehen, d. h. in einer Rangliste höher oder niedriger erscheinen

Damit steht man vor der Problematik der is-sue-Kompetenzen deren Konzepten zufolge zu unterscheiden wären:

— Probleme genereller Zustimmung (z. B. Demokratie)

— Probleme spezieller Kontroversen (Chancengerechtigkeit)

— Probleme struktureller Art (Wirtschaftssystem)

— Probleme aktueller Art (Preisstabilität)

— Probleme der Zielsetzungen (Wachstum) — Probleme der Mittel-und Methoden-Wah-len (Wirtschaftspolitik)

— Kenntnisse der bisherigen Praxis auf seifen von Regierungen, Parteien, Verbänden und deren weiterer Intentionen und Kompetenzen

— Kenntnisse der (erfüllten bzw. nicht erfüllten) Möglichkeiten und Kalkulationen künftiger Möglichkeiten — das Durchschauen der Vorwandund Illusionierungsrolle von Problemen und deren künstlicher Aufbauschung bzw. Bagatellisierung — das Vorausschauen neuer Aktualitäten und der Verflechtungen der voran aufgeführten Problemkategorien.

Aus allen diesen Gründen kann man die angegebenen Prioritäten nur vorsichtig deuten, etwa als die „natürliche" Kaprizierung der „normalen" Jugendlichen auf ihre näherliegenden und leichter greifbaren Anliegen und Lebensziele, besonders, wenn man diese im Sinne einer Vorab-Erfüllung oder aktuellen Vorausbedingung gegenüber einer späteren politischen Teilnahme auffassen darf. Diese Deutung dürfte besonders zutreffen für die — oft vergessene, jedoch ca. ein Fünftel ausmachende — Teilgruppe derjenigen Jugendlichen, die aus verschiedenen Gründen (Vererbung, Sozialisation und eigener Mitverantwortung) bisher in Schule, Berufsausbildung, Arbeit, Fortbildung oder Vereinsleben nur geringe Leistungen gezeigt bzw. mit der Erfüllung ihrer nächstliegenden Aufgaben vollauf zu tun haben.

Aber auch bei den Leistungstüchtigen und Aufgeschlossenen darf eine ähnliche Interessenabfolge angenommen werden: In EMNID 1973 bekennen von der deutschen Stichprobe 73 0/0: „Verlaß sei nur auf sich selbst" (USA 78 °/o, Japan 74 °/o, Frankreich 51 °/o, Schweiz 45%, England 34°/o). In EMNID 1975 meinen 48 % der Befragten, daß sie ihre beruflichen und sozialen Pläne vollständig oder im wesentlichen erreichen werden. Im Hintergrund und als Bestätigung stehen die bekannten Da-ten über Geldverwendung, Sparverhalten, finanzieller Vorsorge bis zur Lebensversicherung auf Seiten der westdeutschen Jugendlichen

Wahrscheinlich hat man es dabei u. a. mit einem Typus der stillen Aktiven zu tun, die zum Teil durchaus in begrenzten Verhältnissen aufwachsen, aber doch aufgrund von Persönlichkeitseigenschaften und Sozialisationsbedingungen wählerisch und kontinuierlich das zu suchen und zu betreiben verstehen, was sie bzw. ihre soziale Gruppe fördert und voranbringt, während sie sich öffentlich und politisch weniger bemerkbar und wirksam machen. Dabei sollte man allerdings auch die sogen. Rückprallefiekte einkalkulieren, die eine zunehmend kontroverse politische „Beurteilung" und eine Politisierung vieler Lebensbereiche durch z. T. unkonventionelle, z. T. illegale, z. T. nicht delegierte Aktivitäten und deren fragwürdige Effekte bzw.deren Publizierung während des vergangenen Jahrzehnts mit sich geführt haben mögen. Solche Enttäuschungen und überdrüssigkeiten — selbst bei den bisherigen Mitläufern — und eine damit verbundene Reaktivierung von Politikdistanz werden übersehen unter der neuen Jugendschelte (Duckmäuser, Anpasser, Mitläufer, Jasager), wie sie in ähnlicher Form etwa alle zehn Jahre in der Bundesrepublik im Schwange gewesen ist. Es gehört schon viel politische Oberlehrernaivität dazu, „Passivität der Schüler am Unterricht" nur den Schülern anzulasten. Und es gehört nicht viel Weltund Menschenkenntnis dazu, um sich bewußt zu bleiben, daß es immer Streber mit Ellenbogen und (zugleich) politisch Indifferente oder Opportunisten gegeben hat, die je nach Lage oder auch nur nach der Optik etwas stärker auffallen.

Nur bei einem Teil der privilegierten Primaner und Studenten und daneben bei einem geringen Teil der werktätigen Jugend, der es mehr um soziale Probleme geht, haben politische Probleme — besonders solche struktureller Art — längerfristig einen höheren Stellenwert. In EMNID 1973 konzedierte die Hälfte, die außer dem Wähler keine andere sinnvolle politische Aktivität sieht, daß politische Probleme außerhalb der Reichweite der Individuen lägen.

III. Zufriedenheiten und Zustimmungen

Tabelle 2

Man kann die politische Meinungsbildung aufgrund der Datenlage am besten durch eine Polarisierung auf der Dimension „zufrieden versus unzufrieden“ erfassen. So weit Kontinuität und Stabilität eines Systems (auch) an den Meinungskonstellationen und -trends innerhalb der Jugendbevölkerung abzulesen sind, muß man vorab nach Symptomen bzw. Äußerungen von Zustimmung und Zufriedenheit Ausschau halten. Dies um so mehr, als es Mode geworden ist, vor allem Unzufriedenheiten und Ablehnungen zu beachten oder zu fördern. Und dies wiederum, obwohl in einer Reihe von Umfragen über Einstellungen hohe Quoten von „Zufriedenheit" mit oder vielleicht besser: „Zustimmung" zu den gegenwärtigen Lebensverhältnissen in der Bundesrepublik ermittelt worden sind. Sie beziehen sich u. a. auf vier Lebensbereiche oder Lebensstufen der Jugendlichen bzw. Heran-B wachsenden: Schule — Betrieb, betriebliche/duale Ausbildung, Berufstätigkeit und Arbeitsplatz — Aussichten für die weitere Be-rufslaufbahn und damit zusammenhängend Einschätzungen des Subsystems von Arbeit und Wirtschaft — Einschätzungen des politischen Gesamtsystems

Diese Staffelung nach jeweils umfassenderen Bereichen und d. h. Kontext-Variablen des Sozialsystems weist eine auffällige „Dichte" und Kohärenz der Zustimmungen auf. Das ist für die Interpretation dieser Phänomene wichtig [s. u.), wobei einer positiven Deutung i. S. von Normalität und Stabilität im Bewußtsein (und Verhalten) der jungen Menschen der Vorrang kaum streitig gemacht werden kann. 1. Die Schule wird bei aller Kritik am öffentlichen allgemeinbildenden Schulwesen von immerhin der Hälfte (Infratest 1971; EMNID 1975; sogar von drei Vierteln: EMNID 1973) — zum Teil im Rückblick — als zufrieden-stellend beurteilt. Ihr wird wesentlich mehr zugesprochen als die Vermittlung sozialer Chancen, lebensfernen Wissens oder Stereo-typisierung der Ansichten und Fähigkeiten. 40 bis 50 % attestieren der Schule eine gute Vorbereitung für das Berufsleben, während 36% den Lebenserfolg als „abhängig" von ih-rer Schulbildung und weitere 41 % diese als „wichtig" dafür klassifizieren. 61 % sind zufrieden mit dem erreichten Schulabschluß. 51 % (bei 10% keine Antwort) stellen in Abrede, daß die „Klassenlage" über Schullaufbahn und -erfolg entscheide. Das hindert die Befragten andererseits nicht, die übliche Schulschelten, . mechanische Vermittlung von Gedächtnis-und Examenswissen dominiere über Produktivität und Eigeninteressen der Schüler', zu 45 bis 70 % mitzumachen (EMNID 1973). 2. Selbst angesichts von Jugendarbeitslosigkeit im Jahre 1975 gibt nur ein Fünftel der Befragten Behinderungen bei der Berulswahl an. Berufliche Ausbildung und Arbeit werden im allgemeinen (noch) günstiger beurteilt als die Schule: mindestens 60% der Hauptschüler mit Berufsausbildung (EMNID 1975) und (in EMNID 1973) sogar 80 °/o von allen Jugendlichen bezeichnen ihre Arbeit als zufriedenstellend oder sehr zufriedenstellend — und ähnlich ihren Arbeitsplatz. In der vom Bundesarbeitsministerium in Auftrag gegebenen Studie „Qualität des Arbeitslebens" 1973 haben sich die jüngeren (18-bis 24jährigen) Arbeitnehmer als ähnlich zufrieden deklariert wie die älteren. Die Zufriedenheitsquoten bei den einzelnen Kriterien sind die folgenden: Und dies alles, obwohl die Hälfte die Anfor-

derungen als hoch (IJF 1972; EMNID 1975) bzw. ein weiterer Teil als sehr hoch (IJF 1974) einschätzt. Diese Belastung wird wohl ein wenig ausgeglichen durch die starke Betonung der berufsspezifischen Befriedigung, besonders bei den deutschen Jugendlichen. Selbstverständlich wird Einkommen und Position als Hauptmotiv der Berufsarbeit zugegeben; daneben taucht jedoch auch Selbsterfüllung (15 °/o) sowie Erfüllung sozialer Aufgaben (11 °/o) auf, während jeweils Mehrheiten verneinen, daß die Arbeit zu simpel oder mechanisch sei oder sich unter zu starkem Konkurrenzdruck abspiele. 66 °/o sind zu Überstunden bereit (EMNID 1973). In EMNID 1975 sind die Quoten für Befriedigung und Aufgabenerfüllung noch höher ausgefallen (s. Tab. 1. und 2. im Anhang).

3. Die Zufriedenheit mit Ausbildung und Arbeit ist eingebettet in die überwiegende Zustimmung zum gegenwärtigen 'Wirtschaftssystem der Bundesrepublik Deutschland (70%), das man zwar verbessern, aber nicht durch ein anderes ablösen sollte (lieber Kapitalismus statt Sozialismus: 62 zu 190/0; IJF 1974).

Sie hängt ferner zusammen mit den praktischen Erfahrungen des sozialen Aufstiegs der eigenen Familie (70 %) und der Anerkenntnis der persönlichen Aufstiegsmöglichkeiten (68 %: EMNID 1975) sowie des gerechten Austausches von Leistungen und Entlohnungen (72 °/o: IJF 1972). Sogar in der Hamburger Lehrlingsstudie sprechen sich nur 45 % der Befragten dahin gehend aus, daß Interessengegensätze zwischen Unternehmern und Lehrlingen bestehen Diese Zufriedenheiten werden allerdings eingegrenzt durch eine seit 1971 zunehmend kritische Einstellung zur Chancenverteilung bei etwa der Hälfte der Stichproben (Infratest 1971; IJF 1972; EMNID 1975) (s. a. Tab. 3. und 4. im Anhang).

Zum nächsten Kontext-Bereich (Staat und Gesellschaft)

leitet über die Frage nach der Lei-stung des Staates für Ausbildungs-und Arbeitsmöglichkeiten, die von ca. 60 °/o der Heranwachsenden als gut bzw. als sehr gut eingeschätzt wird (Kaase, a. a. O.). Die Zustimmung zum „Klassenkampf" korreliert dagegen positiv mit einer begünstigten Stellung im Bildungssystem (Allensbacher Berichte), übrigens sprachen sich von den 16-bis 29jährigen gegen staatliche Investitionslenkung 51 0/0 aus, 17% waren unentschieden und 32% dalür (Allensbacher Berichte, 1976, Nr. 13).

4. Affirmative und optimistische Zustimmungsbereitschaft der überwiegenden Mehrheit zum Subsystem von Arbeit und Wirtschaft (auch im Jahre 1975 und offenbar zunehmend für das Jahr 1976) hängt zusammen mit einer Status-quo-Einstellung zum Gesamtsystem der westdeutschen Staatsgesellschaft. Zwei Drittel bis drei Viertel der Jugendlichen äußern Zufriedenheit (einschließlich teilweiser Zufriedenheit) mit dem politischen System und halten die westdeutsche Form der Demokratie für die relativ beste Staatsform (EMNID 1953 1964; Adenauer-Stiftung 1974/75; Neven du Mont 1975). Sie wären bereit, die-sen Staat — verbal und auch real mit Hilfe der Bundeswehr — zu verteidigen (EMNID 1975 u. a.). In der internationalen Vergleichsumfrage (EMNID 1973) bescheinigten 83 0/0 der Regierung, die Rechte und Wohlfahrt der Bevölkerung voll/mehr oder weniger voll zu schützen, Damit gehen die Äußerungen von i fast drei Vierteln einher, unbedingt/überwiegend: „Stolz darauf, ein Deutscher zu sein" (Allensbach, September 1974) — gegenüber einer Minderheit (10 bis 15 °/o), die lieber in einem anderen Land leben bzw. auswandern möchte (Infratest 1971; Baerwald Damit : hängt zusammen eine Ausgewogenheit zwischen konservativen und reformerischen Tendenzen bzw. das vorherrschende Verlangen nach partiellen Reformen gegenüber grundlegenden Veränderungen und keiner Änderung i des Grundgesetzes (Allensbacher Berichte 1972/32, 1974/19; IJF 1974; EMNID 1975).

Die permanenten, erheblichen Verbesserungen im Sozialund Bildungssystem in den letzten zehn Jahren werden offenbar von den Jugendlichen anerkannt. Allerdings werden auch hohe Erwartungen an den Staat in bezug auf soziale und politische Sicherheit im Inneren und Frieden nach außen gestellt (EMNID 1973: 49 % und 17%).

Zwei Drittel akzeptieren die gegenwärtigen Parlamentsparteien als mögliche Ziele ihrer Wahl-und Mitgliedspräferenzen, von Sympathie und Kompetenzzuweisung (AdenauerStiftung 1974/75; EMNID 1975). Die Entsprechung zur Legitimitätserwartung der Bürger ist das Legalitätsverhalten der Regierungen. In der internationalen Studie 1973 wurde da-et-nach gefragt, ob die Regierung nicht oft was ganz anderes in Gang setzt, als was die Bevölkerung wirklich will. Diese Frage ist von den deutschen Jugendlichen, wenn auch mit knapper Hälfte, so doch mit einer viel ge-ringeren Quote beantwortet worden als in den übrigen Ländern (z. B. in England mit 90 °/o) (s. Tab. 5 im Anhang)

IV. Zur Interpretation der hohen Zufriedenheitsquoten

Tabelle 3

Es besteht also ein sehr deutliches, massives Übergewicht der positiven Voten, und zwar übereinstimmend in vielen Umfragen über viele Themen, die sich gegenseitig abstützen. Man soll dieses hohe Maß an Zufriedenheitsbekundungen zwar nicht in naiver Umfragegläubigkeit für „bare Münze" nehmen, aber auch nicht aus ideologischer Besserwisserei als falsche Münze zurückweisen. Man muß eine difierenzierte Deutung zur Diskussion stellen, und zwar etwa in Kürze in folgender Gliederung:

1. Die Äußerungen zur Zufriedenheit über die erfragten Bereiche sind so lange fragwürdig in ihrer Glaubwürdigkeit, als man nicht den einschlägigen Informationsstand der Befragten überprüft. Wer z. B. als Auszubildender seine Rechte und Pflichten im Betrieb nicht oder wenig kennt, dessen Äußerungen über die Legalität oder Qualität der Ausbildung und damit auch über seine Zufriedenheit sind fragwürdig. Dasselbe gilt für geäußerte Unzufriedenheiten, Beanstandungen und Mängel. Urteilskompetenz und Kritikfähigkeit hängen davon ab, ob man über Kriterien, Maßstäbe, Alternativen, Vergleichsmöglichkeiten verfügt. Dieser Informationsstand ist im Zusammenhang mit den Bekundungen von Zufriedenheit versus Unzufriedenheit bisher in keiner Untersuchung überprüft worden. Allerdings darf man damit rechnen, daß die Befragten entsprechende primäre Erfahrungen haben und auch sonst über einschlägige Informationen verfügen. In der erwähnten EM-NID-Untersuchung 1975 wird den Jugendlichen bzw.den Heranwachsenden eine mittlere (zu 60 °/o) und eine hohe (zu 27 °/o) Informationsdichte zugesprochen. In schulischen und beruflichen Fragen messen sich „nur"

52 °/o „genaues" Bescheidwissen zu, in politischen Entscheidungen stellen 53 0/0 Unsicherheit in Abrede.

2. Befriedigungen wollen gemessen werden an den Erwartungen oder Ansprüchen der Jugendlichen.

Solche Erwartungen muß man überprüfen oder auch abschätzen von der Ausgangslage her: Schulabschluß, Berufswünsche und -Vorstellungen, Stellenangebot, familiäre Aspirationen, Organisationszugehörigkeit, Förderung durch die Familie, Freisetzung im Sozialisationsprozeß usw. Wer nur bescheidene Ansprüche stellen kann, wird sich eher mit unbefriedigenden Verhältnissen arrangieren als der höher Qualifizierte. Die relativ hohe Zufriedenheit der Ungelernten ist dementsprechend zu interpretieren Auch die Unzufriedenheit bei höher Qualifizierten und Privilegierten unterliegt dieser Relation, wobei die Angemessenheit dieser Ansprüche und Erwartungen zur Debatte steht. Wer sich selber an einer unbefriedigenden Berufseinmündung mitschuldig fühlt und an Uber-oder Unteroder Fehlanforderung leidet, wird dies nicht gern in Unzufriedenheit manifestieren. Soziale und politische Indifferenz und Apathie können sich teils durch Zufriedenheit kaschieren, teils auch aus als unbefriedigend empfundener politischer Kompetenz und Potenz herleiten

3. Vermutlich wirken sich auch Skepsis und Ohnmacht, bestimmte Verhältnisse verändern oder sich andere, bessere aussuchen zu können, die sowie Scheu, aufzufallen und Anstoß zu erregen, dahin gehend aus, daß man sich mit den Gegebenheiten arrangiert und sich kurzschlüssig als zufrieden deklariert. Auch mögen hier und da trotz der Rechtsstellung der Arbeitnehmer in den Betrieben Repressionen gegen Unzufriedene ausgeübt werden.

4. Schließlich hat ein junger Mensch noch viele andere Interessen (Sport, Hobbies, Partnerbeziehungen, Urlaub etc.), die ihn vorläufig stärker beschäftigen als seine beruflichen, sozialen und politischen Verhältnisse und ihn auch eher geneigt machen, sich auf den Feldern geringeren Stellenwertes als zufrieden zu äußern.

5. Manche Forscher halten die Bekundung von Zufriedenheit für den Ausdruck einer „doppelt entfremdeten“ Einstellung zur Arbeit, das heißt von eigentlicher und tatsächlicher Unzufriedenheit, die in Zufriedenheitsbekenntnisse transponiert werde. Für den Nachweis einer derartigen Beantwortungstendenz auf Seiten bestimmter Teilgruppen könnten folgende Bedingungen herangezogen und überprüft werden: Informationsmängel, niedrige Erwartungen, Passivität bei innerbetrieblichen Aktionsmöglichkeiten, Skepsis gegenüber Innovationsmöglichkeiten, Immobilismus in politischen (und speziell wirtschafts-und sozial-politischen) Einstellungen, geringer Stellenwert von Arbeit und Beruf unter den gegenwärtigen Lebenszielen der Jugendlichen, Mißerfolg in Berufswahl und -ausbildung, Hang zu gesellschaftlich erwünschten Antworten und Verhaltensweisen und kognitiver Konsonanz. Allerdings müßten diese Variablen, die „angepaßte" gegenüber kritischen Stellungnahmen begünstigen, überprüft und korreliert werden, bevor man von einem sol-chen Typus „entfremdeter" Zufriedenheit re-den kann. Der Spielraum zwischen objektiven Gegebenheiten und subjektiven Erfahrungen und Deutungen muß empirisch hinreichend und vielseitig ausgeleuchtet werden. Das ist bisher in keiner einschlägigen Untersuchung geschehen.

Als „falsches Bewußtsein" könnte man eher die Meinungsbildung in Richtung „Unzufriedenheit"

auffassen und überprüfen: In der Internationalen Vergleichsuntersuchung 1973 bekundeten gerade die Jugendlichen in günstigeren Lebensverhältnissen (Schweiz, Schweden, USA, Bundesrepublik Deutschland, Japan) häufiger Unzufriedenheiten als die übrigen sind gerade Privilegierte, die dies 17 Es häufiger tun, was wohl nur aus einem fehlangesetzten Erwartungsniveau und der Distanz zu den erfragten Lebensbereichen zu erklären ist.

6. Da also für eine generelle Entwertung und Bagatellisierung der Zufriedenheiten keine empirischen Verifizierungen vorliegen, darf man vermuten, daß ein beachtlicher Teil der Zufriedenen tatsächlich in befriedigenden Verhältnissen lebt und diese angemessen zu den eigenen Leistungen und Möglichkeiten einschätzt.

7. Außerdem darf man damit rechnen, daß ein weiterer Teil der Jugendlichen bei aller Kritik im einzelnen doch zu einer Zustimmung im ganzen neigt und damit zu einer räsonablen Inkaufnahme alles dessen, was nun einmal zum modernen Arbeitsleben und zu einer Ausbildung gehört: Unterordnung, Abhängigkeit, Leistungsanforderungen, Fremdbestimmtheit, Unbequemlichkeit, Frustrationen usw., wie sie bei jeglicher Ausbildung oder zu Beginn einer Berufslaufbahn (in altständischen und erst recht in industriegesellschaftlichen Verhältnissen) zu bestehen sind — auch in durchaus anders gearteten, z. B. sozialistischen Systemen! Die weiter unten erörterte Differenzierung zwischen manifest Unzufriedenen und eigentlich Verdrossenen kann zur Bestärkung dieser Annahme beitragen.

Diese Art von „Einsicht in die Notwendigkeiten" dürfte Zusammenhängen mit den erwähnten Zustimmungen zu den übergreifenden Verhältnissen und Kontext-Variablen in den Subsystemen von Bildung und Wirtschaft wie auch zum Gesamtsystem unserer gegenwärtigen Gesellschaft. Die Zufriedenen neigen wahrscheinlich auch zu einer Anerkenntnis dessen, was das marktwirtschaftliche System ihnen an Spielräumen von Verdienst und Konsum, von Aufstieg und Berufswechsel, von Freizeit und besonders von Freiheit in politischer Betätigung bietet. Weder Umfragen noch explorative Intensiv-Interviews stützen die Vermutung, daß Jugendliche dies nicht zu sehen und zu würdigen vermögen.

Für die m. E. wichtigste und interessanteste Gruppe der „normalen" und stabilen Jugendlichen, die Mängel in Kauf zu nehmen verste-hen, ohne im ganzen unzufrieden zu werden, gelten wahrscheinlich auch noch folgende überprüfbare Merkmale: positive Realerfahrung in der Familie und unter Gleichaltrigen ohne tiefergehende Einfluß-und Norm-Differenzen und Generationsspannungen (s. u.), Stabilität, Selbstvertrauen, Eigenkompetenz und positive Soziabilität sowie die Selbst-zurechnung von Erfolgen und Mißerfolgen im Sinne von Rotter.

Die Beachtung solcher psychologischen Variablen ist unerläßlich, will man den jugendlichen Akteur nicht zum bloßen Reakteur degradieren und seine Mitwirkung an seinen Einstellungen, Leistungen, Problemlösungen, Konsequenzen — kurz, seinen Beitrag von Selbststeuerung (Selbstsozialisierung) an seinem Leben und seine Einwirkungen auf Bezugspersonen und -gruppen und „Systeme" — vergessen. Ferner zeigt die hier unterstellte Giuppe von Zufriedenen mehr integrative und kontinuierliche Wertpräferenzen für Fleiß, Tüchtigkeit, Leistungsund Bildungsstreben, Gesundheit und Fairneß. Daß derart unverdrossen aktive und mobile Jugendliche sich mehr auf die „Forderung des Tages" konzentrieren und weniger von „Politik" erwarten, so wie sie Tagespflichten und Politik erleben und auffassen, muß man ihrem Typus zugute halten und weniger ihnen ankreiden als einem Teil der politischen Praxis und Publizistik. Einer weniger polarisierenden Politik in ruhiger Fahrt würden sie sich nicht verschließen, denn die Breite der erwähnten Zustimmungen reicht quer über die jugendlichen Sympathisanten aller Parlamentsparteien.

8. Aus der Einstellung derart Zufriedener dürften Kontinuität, Zustimmung und Unterstützung zum „System“ und zu praktikablen Reformen folgen —-weitab von Krankbetern, Konfliktstrategen und utopischen Innovatoren. Solchen Jugendlichen bzw. ihren Chronisten „Selbstgefälligkeit" zu unterstellen, verkennt offenbar die Notwendigkeiten von Gesellschaften, speziell der westdeutschen im Europa und in der Welt von 1976. Derart Zufriedene entwickeln Abwehreinstellungen gegen übertriebene Schwarz-Weiß-Malerei der Verhältnisse. Sie reagieren mit solcher Zustimmung auf allzu lamentöse Totalkritik, die in Schule und Berufsausbildung, in Staat und Gesellschaft nichts Positives gelten läßt und die Welt in Böse und Gute zweiteilt, wodurch man womöglich vom Regen in die Traufe geringerer Freiheiten und strengeren Leistungsdruckes geriete, wie es jedem Lese-willigen z. B. das neue Jugendgesetz der DDR von 1974 und der IX. Parteitag der SED demonstriert. Die von vielen Jugendlichen bei uns geäußerte Kritik und Protestbereitschaft im einzelnen schließt offenbar bei der Mehrheit Einverständnis und gedämpften Optimismus im ganzen ein. Darin liegt ein großes Kapital von Vertrauen und Stabilität und andererseits ein hoher aktueller Anspruch an die Verantwortlichen!

V. Unzufriedenheiten

Tabele 4

Gegenüber den „Zufriedenheiten" darf man allerdings die Kehrseite, nämlich die Quoten für Unzufriedenheiten, nicht übersehen; auch muß man die mögliche Zunahme der Unzufriedenen im Zuge von Berufsausbildungs-und -einmündungsschwierigkeiten in Rechnung stellen. Dabei handelt es sich um:

— von der Schule Enttäuschte, — von der Berufsberatung nicht Erreichte oder nicht hinreichend Beratene, — in der Berufsausbildung und Arbeit Unzufriedene (sei es im gewählten Beruf oder im Betrieb oder in der Art der Ausbildung, in ih-rer Systematik, ihrer Breite, Aktualität und Stil sowie ihrer Konzentration auf die eigentlichen Ausbildungsaufgaben nebst Beachtung der einschlägigen Ausbildungs-, Arbeitsschutz-und Jugendschutzbestimmungen), — mit dem Wirtschaftssystem, seinen Chancen und Satisfaktionen Unzufriedene, — und schließlich um diejenigen, die Staat und Gesellschaft in ihrer aktuellen westdeutschen Ausgestaltung ablehnen oder radikal verändern möchten oder sich resignierend abseits stellen. * Nach den Ergebnissen der hier herangezogenen Untersuchungen muß man je nach Themenbereich mit Quoten von ca. 10 bis 3O°/o Unzufriedener rechnen. Die Jugendlichen dieser Kategorie müssen allerdings sorgfältig differenziert werden. Neben konkret Unzufriedenen und wahrscheinlich real Benachteiligten (besonders aus den unteren Sozial-schichten) finden sich zwei genauer umschreibbare und beachtenswerte Gruppen oder Typen:

1. Zunächst findet sich eine Einstellungsgruppe, die man ^Verdrossene" nennen kann

sie ist aufgrund der Daten der EMNID-Untersuchung 1975 ermittelt worden Sie hat sich als eine zusammenhängende Gruppierung von Jugendlichen herausgestellt, die nicht nur mit Schule, Arbeit, Arbeitsplatz und Wirtschaftsordnung extrem unzufrieden sind, sondern sich zugleich von seifen der Eltern, Lehrer, peers", älteren Erwachsenen in hohem Maße benachteiligt, verkannt, isoliert und gegängelt empfinden. Damit zusammenhängend schätzen sie ihre Lebens-und Berufschancen pessimistisch ein. Ebenso distanzieren sie sich von den Ansichten und Werteinstellungen ihrer Eltern und der sie umgebenden Gesellschaft und sind dementsprechend nicht bereit, das System zu akzeptieren. Diese nachweisbare Kumulation von sozialer Abgrenzung und Isolierung, von (zu Recht oder Unrecht) fru-

stierend empfundenen Nachteilen und als external und passivierend aufgefaßten Einschränkungen mit Normen-und Systemnegierungen läßt sich für etwa 10% der Stichprobe errechnen. Diese Verdrossenen dürften die am stärksten gefährdete Gruppe innerhalb der Jugendbevölkerung darstellen.

2. Wichtiger und aufschlußreicher ist ein weiterer Typus von „Unzufriedenheit", der besonders unter Schülern und Studenten anzutreffen ist. Darüber liegt u. a. eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung 1975 (Kalteflei-

ter, Does) vor, auf die hier zusammen mit anderen Daten nur knapp Bezug genommen werden kann. In einer weiterhin — trotz Aufholerfolgen des RCDS und liberaler Gruppen — vornehmlich zur linken Mitte bis extremen Linken tendierenden Studentenschaft leidet die politische Meinungsbildung offenbar unter einer unkalkulierten, sowohl traditionellen wie auch „innovatorischen“ Überhöhung der Erwartungen und Ansprüche an ihre aktuellen Möglichkeiten und künftigen Positionen. Sie leidet außerdem an den Widersprüchen zwischen der Selbstdelegierung hochrangiger öffentlicher Verantwortung (besonders zwecks Durchsetzung systempolitischer Anliegen) einerseits und dem Verlangen nach mehr individuellem Glück, Lebensgenuß, Entfaltung und Freiheiten im privaten Umfeld andererseits. (Daß beides nicht vereinbar ist, würden die geflissentlich vermiedenen Vergleiche mit existierenden sozialistischen Systemen aufzeigen.)

Innerhalb der Spannungen, Frustrationen und „Krisen", die sich aus diesen Diskrepanzen ergeben, hat sich bei einem kleinen, militanten Teil der Schüler und Studenten seit einem Jahrzehnt eine Subkultur des Protestes entwickelt, die jene Schwierigkeiten — trotz ihrer günstigen Lebenslage — als „Deprivationen" und „Repressionen" interpretiert und für hoch bedeutsam, vermeidbar und korrigierbar hält und mit viel Sophistikation ins kollektive Bewußtsein ihrer Konventikel und Mitläufer erhebt. Dabei weisen sie an sie selbst gestellte Anforderungen als überhöht, verkehrt oder obsolet ab.

Information und Engagement kreisen permanent um diese artifiziellen Unzufriedenheiten und suchen sich in Lektüreauswahl, Fächer-präferenz, Sprachgebrauch, Verhaltensweise, Kleidung etc. sowie in endlosen Auseinandersetzungen und Spaltungen ihren Ausdruck. Anhand überhöhter spekulativer Erwartungen werden dem „System" bzw.den Subsystemen die „systematische" Verantwortung für alle qualitativen und quantitativen Mängel zugesprochen. Auf diese Vorgeschichte treffen die neuerlichen — nicht unerwartbaren, aber nicht gewärtigten — Ausbildungs-und Berufsschwierigkeiten, die in der Masse (und wohl auch in jenem Kern) zu verschiedenen Reaktionsweisen (beruflicher Pessimismus — Kaprizierung auf Studium und persönliche Leistung — Abwendung von prinzipiellen Makro-Problemen — mehr Neigung für das bestehende System im ganzen bei schärferer Sachund Wertkritik im Detail — Radikalisierung) in verschiedenen Etappen des Bildungsganges führen

VI. Politische Verhaltens-und Aktionsweisen

Tabelle 5

Weitergehende Auskünfte über Zufriedenheiten bzw. Unzufriedenheiten an den Verhältnissen und damit über Stabilität oder Instabilität eines Systems ergeben sich aus einer Analyse der bevorzugten politischen Parlizi-pations- und Aktivitätsformen. Wer am Status quo Genüge findet, wird eher zu konventionellen und legalen demokratischen Verhaltensweisen neigen als umgekehrt. Deshalb seien hier zur Charakterisierung der Verdrossenen, Oppositionellen und Unzufriedenen die verschiedenen politischen Aktionsmöglichkeiten in Betracht gezogen. Man kann sie folgendermaßen einteilen, wobei man konventionelle Aktivitäten in reguläre bzw. rezeptive und in spontane bzw. zusätzliche aufgliedern kann sowie die unkonventionellen in legale und illegale

Konventionelle Aktivitäten:

— Teilnahme an Wahlen (regelmäßig);

— häufiges Sich-Informieren (Nachrichtensendungen, Zeitungen);

— Diskussionen über Politik im Bekannten-und Freundeskreis, in Schule und Betrieb (Freunde überzeugen);

— Mitgliedschaft in einer Partei oder einem Verband (Gewerkschaft);

— Besuch von Parteiveranstaltungen, Diskussionsabenden, Versammlungen;

— regelmäßige oder gelegentliche Funktionen in Partei oder Verband;

— aktive Beteiligung am politischen Geschehen in der eigenen Gemeinde;

— Kontakt zu Politikern;

— Leserbriefe.

Unkonventionelle Aktivitäten: —Bürgerinitiativen (Unterschriftensammlungen etc.);

— genehmigte Demonstrationen (genehmigte Streiks);

— Anschreiben von Parolen;

— Boykott;

— Mietstreik;

— Aufhalten des Verkehrs, Störungen der öffentlichen Ordnung;

— wilder Streik;

— Besetzung von Gebäuden und Fabriken;

— Eigentumsbeschädigungen;

— Gewalt gegen Personen;

Die seit etwa zehn Jahren zunehmende Ausübung unkonventioneller Aktivitäten ist angesichts der Skepsis einzuschätzen, mit der viele Jugendliche die Wechselbeziehung und Transparenz zwischen Regierung und Regierten und die Möglichkeiten der formalen Einflußnahme der Bürger und besonders des „kleinen Mannes" beurteilen (Wildenmann/Kaase 1969; Jaide 1970; Adenauer-Stiftung 1974/75; EMNID 1973). Allerdings wird in der EMNID-Studie 1975 die Mythologie von „denen da oben, die doch machen, was sie wollen" nur von 17°/o geteilt. Obwohl diese Skepsis seit jeher glaubwürdiger und stärker von den weniger Privilegierten innerhalb der Jugendbevölkerung ausgesprochen wird, neigen gerade die privilegierten Schüler und Studenten zu unkonventionellen Aktionsweisen

In der internationalen Vergleichsstudie EM-NID 1973 ergibt sich folgende Aufteilung: * — Wählen und nichts weiter: 49 °/o;

— unkonventionelle, aber legale Aktivitäten: 33 0/0;

— Bereitschaft zu Gewalt und anderen illegalen Maßnahmen, falls notwendig: 6, 2 °/0;

— drop out from society: 7, 8 °/o.

Die erste Aussage ist z. B. bei den jungen Schweizern und Franzosen geringer besetzt, dagegen die zweite stärker, die dritte ähnlich stark und die vierte erheblich stärker. 6, 2 °/o Bereitwilligkeit zu illegalen und gewalttätigen Maßnahmen würde hochgerechnet eine Masse von etwa 300 000 jungen Menschen in der Bundesrepublik bedeuten.

über die Befürwortung unterschiedlicher politischer Aktionsweisen gibt auch die „Demokratie-Skala" Auskunft, die Kaase entwickelt und in mehreren Studien modifiziert und ausgearbeitet hat Sie enthält Thesen über die Rolle der Parteien, der Opposition, des Bundestages, des Bundesverfassungsgerichts und über die Freiheitsrechte der Bürger und deren Grenzen etc. In den Ergebnissen zeigt sich eine weitgehende Internalisierung demokratischer (auch informeller) Regeln und die Ablehnung von Gewalt auf selten der Bevölkerung wie der Jugend, wobei die letztere die Grenzen politischer Partizipation etwas weiter auslegt. Die'Studenten gehen mit der Einkalkulierung von Störungen der öffentlichen Ordnung und von Gewalt bedeutsam großzügiger um als die übrigen Jugendlichen oder die Erwachsenen.

In diesen Daten zeigen sich Unterschiede zwischen den Generationen, die wahrscheinlich auf unterschiedliche Prägungserfahrungen und Erfahrungshorizonte auf Seiten der Erwachsenen zurückzuführen sind, weshalb diese mehr einer legalistischen Denkund Verhaltensweise zuneigen. Vielleicht hat sich inzwischen auch bei den Jugendlichen herumgesprochen, daß zwar viele Basisaktivitäten unter systemkonträrer Flagge, Klassenkampf-parolen und arroganter Weltverbesserung gelaufen sind und z. T. mit Gewalttätigkeiten gegen Sachen oder Personen verbunden waren, ohne daß sie in der Sache und im Gefühl relativer Ohnmacht auf selten des einzelnen viel zu ändern vermochten.

Wichtiger ist die Beantwortung der Frage, welche Absichten und Einstellungen mit der Nutzung der verschiedenen Aktionsmöglichkeiten innerhalb der Jugend zusammengehen. Daß ein Teil der engagierten und informierten Studenten und Schüler (und Werktätigen) zunehmend Übung, Kompetenz, Spielraum — und Enttäuschungen — sowohl in konventionellen wie auch unkonventionellen Aktivitäten gewonnen hat, ist sehr wahrscheinlich. Bei den oben erwähnten Verdrossenen und den schlechthin Unzufriedenen allerdings dürften, so weit es vorkommt, die Bevorzugung und das Mitmachen von überwiegend (oder ausschließlich) unkonventionellen und illegalen Aktionismen nicht mit politischen Interessen und Informationen Zusammenhängen. Jene dürften eher als Zuschauer oder Zu-läufer bei Krawallen, Störungen, Gewalttätigkeiten in Betracht kommen, die von anderen in ihrem Umkreis angezettelt worden sind. So legt es eindrücklich eine internationale Studie über unkonventionelles politisches Verhalten nahe

VII. Generationskluft

Um die Alternativen „Zufriedenheit versus Unzufriedenheit", „Unterstützung versus Opposition" auf einer weiteren Dimension anzugehen, ist hier das Problem des sogenannten Generationskonfliktes zu erörtern. Gemeint ist dabei meist die große Generationsdistanz von ca. 20 Lebensjahren zwischen Eltern/Erziehern und Kindern/Jugendlichen. übergangen wird dabei die kleine Generationsdistanz von fünf bis zehn Jahren gegenüber älteren Geschwistern, Jugendführern, Betriebskollegen etc., die bei Generationszäsuren, , Tendenzwenden', Übersättigungen, Anti-Attitüden vermutlich eine wichtigere Rolle spielt als das Verhältnis zwischen Jugendlichen und ihren dekadenälteren Erziehern. Was die ersteren Unterschiede, Abgrenzungen und Verständnisschwierigkeiten zwischen den Generationen betrifft, so werden sie in den neueren Untersuchungen Infratest 1971, EMNID

1973, EMNID 1975) von etwa zwei Dritteln der

Jugendlichen in Abrede gestellt Wenn man diese Generationsrelationen speziell auf Differenzen zwischen Eltern und Kindern abstellt, so entkleidet sich der Generationsgegensatz in den Familien — von Minoritäten abgesehen — als Fabel. Gegenüber den Eltern bekunden (in EMNID 1975) 26 °/o Bewunderung und Verehrung, 88 °/o Achtung und Anerkennung. Vertrauensund Identifikationspersonen werden — sofern überhaupt — wie jeher vorwiegend aus der Herkunftsfamilie genannt. Mißtrauen und Gegensätze werden von 60 bis 70 °/o in Abrede gestellt. Das verwundert nicht, wenn man die Dichte des Gedankenaustausches mit den Eltern und den Grad der Übereinstimmung der Ansichten, den partnerschaftlichen Erziehungs-und Umgangsstil heranzieht, wie er sich in den Daten manifestiert, sowie auch gegenseitige Angleichungen und Kompetenzzuweisungen, z. B. in Fragen des Konsums. Das bedeutet, es bestehen wesentlich seltener Divergenzen oder gar Brüche als viel häufiger Kontinuität (eventuell eine modifizierte, ausgefolgerte Kontinuität) in den Lebensanschauungen und Werteinstellungen (z. B. bezüglich beruflicher Leistungen und Zuverlässigkeit, Sparsamkeit und Vorsorge, ehelicher Treue, Parteipräferenzen). Die Veränderung in den Werthaltungen ist viel geringer als modische Änderungen in Auftreten und Rhetorik. 51 °/o wollen sogar ihre eigenen Kinder so erziehen, wie sie selbst erzogen worden sind.

In der EMNID-Umfrage 1975 bekannten 80 0/0 der Befragten, mit dem Familienleben sehr bzw. überwiegend zufrieden zu sein, in der internationalen EMNID-Studie 1973 betrug diese Zahl bei der deutschen Stichprobe 89 °/o. Das wird nicht dadurch entwertet, daß nur etwa 35 °/o genau so leben möchten wie ihre Eltern, während 51 °/o einmal anders leben möchten, wobei allerdings mehr an Kleidung, Möbel, Freizeit, Reisen gedacht wird. Eine ausgesprochene Nesthockertendenz zeigt sich im „Wohlfühlen" im gegenwärtigen Jugendstatus und besonders in der Tatsache, daß von den Ledigen unter 25 Jahren nur ca. 350 000 (etwa 8 °/o) über einen eigenen Ein-Personen-Haushalt verfügen (1970).

Nur eine Minderheit (ca. 10 °/o; so auch Adel-son) bezeichnet sich im Verhältnis zur Herkunftsfamilie als unzufrieden, beziehungslos, konfliktbehaftet, womöglich haßerfüllt oder zumindest als sehr andersartig im Verhalten und in den Ansichten.

Diese Verhältnisse gelten etwas abgeschwächt bei der Generationenkonfrontation in Schule, Betrieb, Verband, Partei und Kirche. In der EMNID-Umfrage 1975 werden generelles Mißtrauen gegenüber den Älteren und Nicht-verstanden-Werden nur von etwa 10 bis 20 % der Jugendlichen geäußert.

Die herkömmliche Übereinstimmung zwischen Eltern und heranwachsenden Kindern in der Wahlentscheidung lag bei CDU/CSU-Wählern stets höher (über 80 °/o) als bei Wählern der SPD (ca. 70 °/o) und erst recht der FDP. Dabei war die Übereinstimmung bei den CDU/CSU-Wählern besonders groß mit den Müttern, bei den SPD-Wählern mit den Vätern. Veränderungen im Wahlverhalten und in den Wahlpräferenzen der Eltern (s. Allensbach-Umfrage März 1976 mit Mehrheiten für CDU/CSU unter den 30-bis 59jährigen Wählern) könnten sich im Zuge des zunehmend partnerschaftlichen Gedankenaustausches in den Familien auch über Politik als bestätigend für eine relativ erhöhte konservative Wahlpräferenz bei den Jugendlichen auswirken. Denn die Übereinstimmung in politischen Fragen mit den besten Freunden erscheint nur geringfügig höher als mit den El-tern (56 zu 53 %; EMNID 1975). Dies widerspricht früheren Befunden (Analyse der Bundestagswahl 1965 durch Scheuch und Wilden-mann; Infratest 1971), nach denen Schul-und Arbeitskollegen, Bekannte und Freunde (im Gegensatz zur Familie) bei SPD-Präferenten viel zahlreicher analog wählten und eventuell häufiger bestärkend wirkten als bei CDU/CSU-Präferenten.

Immerhin muß man damit rechnen, daß auch heute weiterhin die Jugendlichen beim Eintritt in das Arbeitsleben und in die höhere Schulbzw. Hochschulbildung eher in Richtung „Mitte links" beeinflußt werden, wobei ihre Reaktionen ein weites Spektrum zwischen Anpassung — Integration — Innovation — Opposition — Systemveränderung umfassen. In diesem sekundären Sozialbereich haben sie es weniger mit den Eltern, sondern mit außerfamilialen Bezugspersonen und auch stärker mit der kleineren, intergenerativen Altersdistanz zu den älteren Partnern in Schule, Vertrieb, Verein, Verband etc. zu tun. Zu dieser geringeren Generationendistanzverfügt man nicht über derart präzise Daten, die etwa zwischen 18jährigen und 25jährigen unterscheiden und ihre Beziehun-gen genauer erfassen Auch ist man nicht in der Lage, etwa durch Längsschnittuntersuchungen die heute 25jährigen seit ihrem 18. Lebensjahr zu begleiten und deren Entwicklung den heute 15-bis 18jährigen gegenüberzustellen. Was immerhin darüber zu vermuten ist, findet sich im folgenden unter den prognostischen Erörterungen.

Noch schwieriger und noch weniger gelöst ist das Problem einer intragenerativen bewußten Zusammengehörigkeit, Prägung oder Homogenität in Verhalten und Einstellungen bei denselben Altersgruppen. Vieles spricht dafür, daß sich hierbei die internen Differenzen als größer erweisen als solche zwischen soge-nannten Generationen, falls man diese global beschreiben könnte oder wollte. Statt dessen sollte man sich in einer soziopsychologischen Zeitgeschichte der einander folgenden Jugendjahrgänge auf umschriebene Teilgruppen (z. B. ungelernte Arbeiter, Studenten) beschränken und deren Verände-. rungen in Rekrutierungen, Lebensläufen oder Einstellungen etwa seit 1945 beschreiben; nur so sind auch interkulturelle Vergleiche möglich

VIII. Prognosen

Häufig wird die Frage nach Trends bzw. Veränderungen in der politischen Meinungsbildung und Teilnahme nach ihren Ausmaßen, Ursachen und Folgen gestellt — besonders für die Zeit seit der letzten Bundestagswahl 1972. Diese Fragen sind nicht ohne Schwierigkeiten und Risiken zu beantworten. Man muß sie auf verschiedenen Ebenen angehen, die z. T. bereits erörtert worden sind und auf die hier noch einmal knapp zurückgegriffen werden soll:

— Problem-Prioritäten und -Kompetenzen;

— übergreifende Konstanten allgemeiner Zufriedenheiten oder Unzufriedenheiten, der Zustimmung oder Ablehnung, des Vertrauens oder Mißtrauens;

— Entsprechungen zwischen Eltern und Kindern in ihren Parteipräferenzen, Auswirkungen sozio-kultureller Mobilität;

— Wahlanalysen und -Simulationen;

— Veränderungen der politischen „Großwetterlage", Pro-und Anti-Attitüden. 1. Unter Beachtung der oben vorgetragenen Vorbehalte gegenüber den issue-Ermittlungen innerhalb der Untersuchungen lassen sich einige wenige Befunde heranziehen:

— Je mehr die Wirtschaftslage der Bundesrepublik als problematisch und kritisch empfunden wird, um so eher ist (bislang) eine Zuwendung zur CDU/CSU (oder auch FDP) zu unterstellen. Ähnliches dürfte für die innere und äußere Sicherheit gelten.

— Je mehr strukturelle Probleme der Demokratie, die Partizipation der Bürger an der Politik oder sogenannte postaquisitorische Wertsetzungen als kritisch und reformbedürftig eingeschätzt werden, um so eher ist (bisher) eine Zuwendung zur SPD und FDP zu erwarten. Da sich die Bedeutungen beider Problemkreise — der Effizienz versus der Legitimation — im ganzen und quer durch die JugeAdbe-völkerung in etwa die Waage halten, ist ein fortbestehendes Übergewicht der SPD-Präferenzen bei einem Aufholen der CDU/CSU-Präferenzen erklärlich, ohne daß es dabei dramatische oder rasche Veränderungen geben dürfte.

— Der Deutschland-und Europa-Politik dürfte (anders als 1972) kurzfristig wenig unterscheidende Bedeutung zukommen. Zu widersprüchlich bieten sich hierbei Maßnahmen und Konsequenzen positiver und negativer Art auf Seiten beider deutscher Staaten dar.

Beunruhigungen durch Vorgänge und Veränderungen im Ausland können sich in verschiedener Richtung auswirken, je nachdem, wie alarmierend und in welchem Sinne alarmierend sie erfaßt werden: Machtzuwachs der sozialistischen Länder, Restabilisierung in den USA, Volksfronttendenzen in Italien und Frankreich, Konflikte innerhalb der Dritten Welt könnten zu mehr Konsensus und evtl, mehr „Konservatismus" im Innern anleiten oder auch zum gedanklichen Transfer aus sozialistischen „Modellen" oder anderen „linken" Experimenten.

— Welche politisierende Bedeutung Jugend-arbeitslosigkeit, Numerus clausus und andere Einschränkungen der beruflichen Entfaltung speziell bei den Betroffenen und den (meisten) übrigen Unbetroffenen haben bzw. haben werden, ist generell weder im Maß noch in der Richtung abzuschätzen. Immerhin war „Chancengleichheit" und „soziale Gerechtigkeit" seit längerem ein gewichtiges Anliegen von jungen Menschen. — Kultur-und Schulpolitik dürften in der Bevölkerung nur für eine Minderheit politisch relevant und transparent sein — ebenso innerhalb der Jugend, auch der akademischen. Nur eine winzige Minderheit erkennt die Ursachen ihrer Zulassungsschwierigkeiten u. a. in einer problematischen Bildungspolitik. 2. Die erörterten Zufriedenheiten können auf eine stabile Kontinuität des westdeutschen Systems hindeuten — zumindest sofern man überprüfen kann, ob es sich um „aufgeklärte" Zufriedenheiten handelt und ob in ihnen genügend Vertrauen in die Legitimität, Legalität, Effizienz und Flexibilität der staatlichen und gesellschaftlichen Organe und deren Funktionsweisen zum Ausdruck kommt. Die hohen Zustimmungsquoten dürften allen vier demokratischen Parteien zugute kommen (eine Reichweite, die sicher politisch sehr positiv zu beurteilen ist) — mit Ausnahme derjenigen Gruppen in den Parteien, die aus Opposition oder auch nur aus Taktik auf Unzufriedenheit und Mißvergnügtheit setzen. Auch unter den Kritikern im Detail finden sich genügend Zustimmende zum ganzen und unter den Unzufriedenen genügend systembezogen innovatorisch Engagierte.

Die Verdrossenen sind der Zahl nach beachtlich; sie dürften in anderen Gesellschaften kaum geringer sein. Immerhin erscheinen sie gefährdet und gefährdend, wobei das letztere weniger von den realen Verhältnissen als dem politisch-ideologischen Klima, den Einwirkungen von Diffamierungskampagnen und illegalen Aktionismen von Mini-Minoritäten abhängen dürfte.

Wohin die apathisch, indifferent Unzufriedenen sich wenden werden, wird eher von der tatsächlichen Lage und deren Bewußtmachung, vom effektiven Funktionieren der Institutionen, vom Greifen entsprechender (innovatorischer) Maßnahmen zu ihren Gunsten und auch zu ihrer Intakthaltung von Seiten der Schulen, Betriebe, Gewerkschaften, Kirchen, Vereine, Jugendämter (und auch Polizei und Justiz) abhängen 3. Die oben erwähnte Partnerschaft zwischen Eltern und Kindern selbst in politischen Fragen dürfte heute wieder etwas stärker zugunsten der Oppositionsparteien im Bundestag ausschlagen. Laut Landtagswahlanalysen haben „Arbeiter" in geringerem Maße SPD gewählt als 1972 — sie haben sich evtl, der Stimme enthalten —, ebenso Familien des neuen Mittelstandes und Großstädter. Selbst wenn Landtagswahlentscheidungen nicht mit Bundestagswahlentscheidungen gleichzusetzen sind und die Jüngeren prozentual nach wie vor etwas weniger zur CDU/CSU tendieren, verbleibt aus der intergenerativen Konsonanz ein gewisser Bonus zugunsten der CDU/CSU.

Offen bleibt die Frage, wieweit und in welcher Richtung sich die seit längerem zunehmende Frequentierung der mittleren und höheren Bildungswege und die damit verbundene soziale Aufstiegsmobilität (bei 60 bis 70 % der Familien: EMNID 1975) auswirken werden. Auf lange Sicht dürften wie bisher innerhalb der Jugend mit sozialem Aufstieg eher progressiv-liberale, emanzipatorische Einstellungen zum Zuge kommen. Seit langem sind in vielen westlichen Gesellschaften (z. T. auch in sozialistischen) Einstellungen, die zur Akzeptierung des Status quo neigen, relativ stärker in Familien der sozio-kulturellen Unter-und Mittelschicht zu finden, von Minderheiten aktiver Gewerkschaftsmitglieder oder konfessioneller Gruppen abgesehen Es sei denn, daß ganz besondere und besonders wirksame Konstellationen oder Ereignisse wie z. B. wirtschaftliche Rezession, berufs-strukturelle Veränderungen, politische oder militärische Krisen oder massive Eingriffe und Bevormundungen in die Wert-und Glaubenssysteme solche Zurückhaltung aufheben. Insofern gab es von jeher und gibt es auch heute in der Bundesrepublik kompakte Sta- tus-quo-Einstellungen, die zur Mitte oder rechts von der Mitte oder nach knapp links von der Mitte tendieren — besonders bei der Arbeitnehmerjugend. Auch werden die breiten mittleren Schichten — und die meisten Gymnasiasten stammen heute aus diesen — mit zunehmendem, egalitärem Wohlstand, verbesserter Ausbildung und bei eventueller Wiederaufwertung der „praktischen Bildung" ihre überschaubaren Errungenschaften gegen fragwürdige Systemveränderungen verteidigen wollen — immerhin im Rahmen einer eher „sozialdemokratischen" Grundeinstellung oder -Stimmung. Die bereits zurückgehende und relativ umgrenzte Jugendarbeitslosigkeit dürfte hieran wenig verändert haben. Die weitere Entwicklung ist allerdings abzuwarten — zumal ein Teil der Schüler und Studenten auf längere Sicht — anders als bisher — durch ihren zunehmenden „kulturrevolutionären''Einfluß in sehr vielen Bildungs-, Publikationsund Kultureinrichtungen stärker als Meinungsbildner auch für die übrige Jugendbevölkerung wirksam werden dürften, falls solche Meinungsbildner nicht inzwischen an sich selbst irre werden Andererseits hat die kritische, oppositionelle Einstellung unter Schülern und Studenten seit 1960 — unter speziellen Extremisierungen und Aktivierungen — stetig zugenommen und besteht auch weiter fort. Darüber dürfen nicht hinwegtäuschen eine gewisse Ruhe an höheren Schulen und Hochschulen (aufgrund erschwerter Zugänge zu den Hochschulen und erschwerter Berufschancen der Absolventen), aktuelle Enttäuschungen auf Seiten der überwiegenden Mitte-Links-Mehrheit und eine gewisse Zunahme der CDU/CSU-Präferenzen unter der Schülerund Studentenjugend. Die nicht ausgebliebenen (und unausbleiblichen)

Frustrationen auf den höheren Schul-und Berufslaufbahnen können für viele in den nächsten Jahren sowohl zur Dämpfung und Ernüchterung der bevorzugten Tendenzen wie auch zur Radikalisierung oder einer Abkapselung in eine „Subkultur“ hinführen. Die letzteren Möglichkeiten könnten eine anachronistische Polarisierung zwischen Arbeitnehmerjugend und Schülerjugend, zwischen „Werktätigen" und „Akademikern" mit sich bringen. Es wird darauf ankommen, welche Partei am besten mit den durch Bildungsreform, . Schülerberge'und Berufsanforderungen gegebenen Problemen fertig zu werden verspricht.

4. Im Rahmen der Trendprognosen spielt auch das Wahlverhalten der jüngeren Wähler (18 bis 25 bzw. 29/30 Jahre) eine wichtige Rolle.

Was man Wahl-Simulationen und Wahl-

Analysen seit der Bundestagswahl 1965 entnehmen kann, ist etwa folgendes :

In der Stimmenverteilung bei den Landtagswahlen seit 1972 hat sich eine Minderung des Abstandes zwischen den Bonner Koalitionsparteien und der CDU/CSU zugunsten der letzteren ergeben. In der Bundestagswahl 1976 dürfte sich unter den jüngeren Wählern beinahe die Relation der Bundestagswahl 1969 wiederherstellen. Also keineswegs ein dramatisches floating, aber doch ein bedeutsames Wiederaufholen zugunsten der CDU/CSU, wie es sich auch in der Zunahme der Mitglieder der Jungen Union, des RCDS und der Schülerunion manifestiert. Falls die bisherige — in den Landtagswahlen verminderte — Stärke der SPD bei der männlichen, norddeutschen, protestantischen, großstädtischen, weitergebildeten Jugendbevölkerung auch in der Bundestagswahl abnimmt und eine gewisse Zunahme bei jungen Ungelernten und Facharbeitern demgegenüber nicht allzu stark ausfällt, können die Oppositionsparteien im Bundestag mit einem wieder etwas günstigeren Potential bei den jüngeren Wählern rechnen. Evtl, kommen ihnen auch Ballungseffekte in Süd-und Südwestdeutschland sowie in den Großstädten zugute 5. Der Anteil der Wechselwähler und Einstellungswechsler ist, wie erwähnt, unter den Jugendlichen und den jüngeren Wählern relativ größer als bei den älteren. Dieses Hin und Her könnte weniger aus Änderungen im Ziel-bild als vielmehr aus Änderungen der Ab-wehrrichtung resultieren. Vielfach wissen Jugendliche genauer, was sie nicht billigen, als was sie für erstrebenswert halten. Auch kalkulieren sie die möglichen Konsequenzen der abgelehnten Maßnahmen anscheinend sicherer und präziser als die Folgen von befürworteten Programmen und Reformen. Diese Pro-versus Anti-Attitüden (neben indifferenten Non-Attitüden) bedürfen noch der genaueren Erforschung. Sie sind zwar demokratisch legitim, doch sind Zielvorstellungen und Alterna-tiv-Programme für eine Demokratie fruchtbarer und stabilisierender als bloße Negationen. Das gilt sicher besonders für die Meinungsbildung der Jugend. Der Widerstand gegen vorherrschende Meinungen sollte bei ihnen durch eigenständige Gegenkonzepte, die Sorge vor Fehlentwicklungen und Verlusten an bisherigen Errungenschaften durch differenzierte und praktikable Gegenmaßnahmen ausbalanciert werden. Darüber liegen bei den zur „Mitte" bzw. nach „rechts" orientierten Jugendlichen m. E. noch keine aktuellen Informationen vor.

Für dieses Konzept von Ziel-versus Abwehr-Einstellungen ist auch ein in der Sozialpsychologie üblicher Aspekt der „Sättigung" oder Übersättigung einzubeziehen. Obwohl es über solche Erscheinungen des Überdrusses oder Widerwillens gegenüber gleichbleibenden, überakzentuierten, permanent wichtig gemachten Appellen, Informationen, Maßnahmen, Tendenzen im Berufs-und Arbeitsleben, bei Verbands-und Vereinsmitgliedschaften, im Sozial-, Kommunikationsund Informationsverhalten genügend Konzepte und Untersuchungen gibt, ist dergleichen im politischen Meinungsraum m. E. bisher nicht erforscht worden.

Die Penetranz, mit der in speziellen Milieus seit etwa zehn Jahren bestimmte Theorien und Theorie-Kompetenzen mit Totalansprüchen, Sprach-Codes und Verbal-Emphatik, Partial-Aktionismus und Partial-Korporatio-nen, Konflikt-Strategien und Feindbilder offeriert, praktiziert und indoktriniert worden sind, legt den Gedanken nahe, daß demgegenüber bei einem bestimmten Teil der Jugendlichen Übersättigungsprozesse in Gang gekommen sind und daß sich ihnen Wege zum Gegenteil wie praktikabler Gemeinsamkeiten, bruchloser Pragmatik und überschaubaren Engagements für bestimmte Aufgaben und Gruppen eröffnet haben. Soweit diese Vermutung zu Recht besteht, kann man als Korrelat dazu annehmen das bemerkbare generelle Abklingen der Politisierungswelle und des Politikfetischismus und eine Rückkehr zur Normalität einer delegativen Demokratie westlichen Zuschnitts — mit allerdings erheblich verbesserter Kommunikation zwischen Berufs-politikern und Bürgern Zu diesen prognostischen Vermutungen wird die Bundestagswahl im Oktober 1976 ein wichtiges Faktum hinzufügen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Infratest, Jugend und Politik, München 1971.

  2. Sozialwissenschaftliches Forschungsinstitut der Konrad-Adenauer-Stiftung, Die politischen Einstellungen Jugendlicher, Frühjahr 1974; dass., Die politischen Einstellungen Jugendlicher im Zeitvergleich. Ergebnisse der zweiten Wiederholungsbefragung im Frühjahr 1975, Alfter, Juli 1975.

  3. EMNID, Jugend zwischen 13 und 24, Bielefeld

  4. V. Blücher, Die Generation der Unbefangenen, Düsseldorf-Köln 1966; B. Hille, Interessen von Jugendlichen im interkulturellen Vergleich zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 1975, 3, S. 568— 591.

  5. Blücher, a. a. O.

  6. R. Inglehart, The Silent Revolution in Europe: Intergeneration Change in Post-Industrial Societies, in: American Political Science Review, Vol. LXV, No. 4, December 1971.

  7. über die Galtung-Studie informiert am besten Th. Kutsch, Die Welt im Jahre 2000, Kronberg/Ts. 1974. Vgl. ferner: V. Krumm, Das Zukunftsbild der Jugend, Weinheim/Berlin 1967; K. -Ch. Becker, H. E. Wolf, Empirische Untersuchung über Zukunftsvorstellungen bei deutschen Ober-, Mittel-, und Volksschülern, in: Futurum, 1969, 2; Y. van den Auweele, Zukunftsvorstellungen von 15jährigen in der DDR und der BRD, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie nnd Sozialpsychologie, 1975, 3, S. 592— 610; B. Hille, Zukunftsvorstellungen von Jugendlichen in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR, in: Deutschland Archiv, 1975, 8, 1, S. 39— 51.

  8. Vgl. D. Yankelovich, The Changing Values on Campus, Washington 1972.

  9. H. D. Klingemann, Issue-Kompetenz und Wahlentscheidung, in: Politische Vierteljahresschrift, 1973, 14, 2, S. 227— 256.

  10. Institut für Jugendforschung, Jugend und Lebensversicherung. Im Auftrag der Pressestelle des Verbandes der Lebensversicherungs-Unternehmen e. V., München 1975.

  11. Die hier und im folgenden Abschnitt auszugweise vorgelegten Daten stammen aus folgenden Untersuchungen:

  12. W. Laatz, Berufswahl und Berufszufriedenheit der Lehrlinge, München 1974.

  13. F Baerwald, Lebenserwartungen von Lehrlingen und Jungarbeitnehmern in Großstädten, München 1973.

  14. Dabei findet sich unter der deutschen Jugend eine gewisse Dichotomie der Zustimmung bzw.des Vertrauens zwischen staatlicher Verwaltung einerseits und gesellschaftlichen Gruppen bzw. Verbänden andererseits. In einer Reihe von Untersuchungen in der Bundesrepublik aus den letzten sieben Jahren wird die Übermacht der Verbände — auch speziell der Gewerkschaften — beklagt, die Integrität und Fähigkeit der Abgeordneten und Funktionäre in Abrede gestellt — und das in Permanenz von etwa zwei Dritteln der befragten Jugendlichen. Der Frage z. B. „Soll die Belegschaft allein bei der Mitbestimmung ihre Vertreter bestimmen?" haben 62% der 14-bis 29jährigen zugestimmt (nur 19% stimmten für: .... auch die Gewerkschaft").

  15. W. Jaide, Junge Arbeiterinnen, München 1969; E. Höhn (Hrsg.), Ungelernte in der Bundesrepublik, Kaiserslautern 1974.

  16. Die jedem Sozialwissenschaftler vertraute Problematik von overt und covert behavior, von Antwort-Sets (z. B. im Sinne von social desirability, aquiescence) kann hier nicht ausführlich erörtert werden.

  17. E. K. Scheuch, Die Jugend gibt es nicht. Zur Differenziertheit der Jugend in heutigen Industrie-gesellschaften, in: Jugend in der Gesellschaft, München 1975 (dtv), S. 54— 79.

  18. J. P. Guilford, Persönlichkeit, Weinheim 1967; H. J. Eysenck, The Structure of Personality, New York 1953; ders., The Psychology of Politics, London 1954; R. B. Cattel, Die empirische Erforschung der Persönlichkeit, Weinheim 1975; J. B. Rotter, Generalized Expectancies for Internal Versus Ex-ternal Control of Reinforcements, in: Psychol. Monogr., 80, 1966, 1.

  19. Zur Problematik von Zufriedenheit: O. Neuberger, Theorien der Arbeitszufriedenheit, Stuttgart 1974; ders., Messung der Arbeitszufriedenheit, Stuttgart 1974; W. Jaide, Arbeitszufriedenheit bei Jugendlichen in der DDR und der Bundesrepublik Deutschland, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 1975, 3, S. 435— 453; A. Brügge-mann, P. Groskurth, E. Ulrich, Arbeitszufriedenheit, Bern 1975.

  20. W. Jaide, Systemverdrossenheit innerhalb der jungen Generation, in: Die Fachschulinformation 1975, Nr. 5 (Hrsg.: Bundesgrenzschutz, GSK Nord Duderstadt); ders., Verdrossene und Zufriedene — Zielgruppen neuer Untersuchungen, in: EMNID, Jugend zwischen 13 und 24, Vorstudie, Bielefeld 1975.

  21. Errechnet durch Prof. Kaase in ZUMA, Zentrum für Umfragen, Methoden, Analysen, Mannheim 1976.

  22. K. Allerbeck, Soziologie radikaler Studentenbewegungen, München 1974; M. Kaase, Dynamics of Dissatisfaction and Protest Potential in Germany, Paper prepared for the 1975 APSA Convention.

  23. Kaase, a. a. O.; ferner M. Kaase u. A. Marsh, Pathways to Political Action, Part II: Fürther Explorations, ZUMA Mannheim, April 1976.

  24. über diese Aktionsweisen sind in verschiedenen Untersuchungen dreierlei Fragen gestellt worden: — nach der Befürwortung der verschiedenen Aktivitäten; — nach der Einschätzung ihrer Wirksamkeit;

  25. M. Kaase, Demokratische Einstellungen in der Bundesrepublik Deutschland, in: R. Wildemann u. a. (Hrsg.), Sozialwissenschaftliches Jahrbuch für Politik, Bd. 2, München 1971; ders. Jugend und Politik, in: H. Reimann u. H. Reimann (Hrsg.), Die Jugend, München 1975.

  26. Ph. E. Converse und R. Pierce, Die Mai-Unruhen in Frankreich. Ausmaß und Konsequenzen, in: K. R.

  27. BRAVO, Meinungsmacher junger Markt, Untersuchung, durchgeführt vom Contest-Institut, Frankfurt/M. 1971.

  28. J. Adelson, What generation gap?, in: Dialogue, 1976, 9, 1, S. 24— 32.

  29. W. Jaide, Die Herabsetzung des Volljährigkeitsalters aus entwicklungspsychologischer Sicht. Gutachten, erstattet im Auftrag des Bundesministers der Justiz, 1973, in: Informationsrundschreiben 125— 127 der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugend-und Eheberatung, Münster 1974.

  30. Ders., Eine neue Generation?, München 1961; ders. u. B. Hille, über Probleme und Möglichkeiten interkultureller Vergleiche bei Jugendlichen in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozial-Psychologie, 1975, 3, S. 393— 410.

  31. G. C. Behrmann, Politische Einstellungen und Verhaltensweisen Jugendlicher, in: H. -G. Wehling (Hrsg.), Jugend zwischen Auflehnung und Anpassung, Stuttgart 1973.

  32. S. M. Lipset, Political man, New York 1963; W. Jaide, Jugend und Demokratie, a. a. O.

  33. E. K. Scheuch, Die indirekten Konsequenzen sind die wichtigsten, in: 11. Absatzwirtschaftliches Forum der Textilwirtschaft, Frankfurt/M. 1969.

  34. S. u. a. Institut für Demoskopie, Allensbacher Berichte, Juli, September, November 1973, März 1976; oder: Berichte der Forschungsgruppe Wahlen, Mannheim: Wahl in Berlin am 2. März 1975, Wahl in Rheinland-Pfalz am 9. März 1975, Wahl in Schleswig-Holstein am 13. April 1975, Wahl in Baden-Württemberg am 4. April 1976; Statistische Berichte des Bayerischen Statistischen Landesamtes 1973, des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg 1973, des Hessischen Statistischen Landesamtes 1973, des Statistischen Landesamtes der Freien und Hansestadt Hamburg 1974.

  35. Im einzelnen stecken hinter diesen Vermutungen einige statistische Probleme: Unter den 18-bis 24jährigen Wählern 1972 war das Verhältnis zwischen Koalition und Opposition ca. 70 : 25, wenn man die ca 75% Wahlbeteiligten dieser Jahrgänge als Bezugsgruppe nimmt. Nach einer Wahlsimulation der Konrad-Adenauer-Stiftung, Frühjahr 1975, wäre dieses Verhältnis heute bei den 15-bis 23jährigen etwa 60: 30. Nach einer Allensbach-Umfrage (März 1976) lautet das Verhältnis bei den 18-bis 29jährigen mit konkreter Parteiangabe 56 : 42. Gliedert man allerdings die 18-bis 24jährigen bei der BT-Wahl 1972 unter Einschluß der Nichtwähler, so ergibt sich folgendes Bild (in Prozenten): Nichtwähler ca. 25 SPD-Wähler 44 FDP-Wähler 1 10 CDU/CSU-Wähler 16 andere und ungültige Stimmen 5 Die Marge der Nichtwähler und Präferenten anderer Parteien war also relativ hoch und läßt sich auch z. Zt. nur schwer durchleuchten. Auch in Wahl-Simulationen geben nur ca. 90 % eine Wahlpräferenz an: bei der Frage nach der Neigung für eine Partei sind es etwa 70 %; darunter ca. 10 % mit schwachen Neigungen (Infratest 1971). Alles das hängt wahrscheinlich mit einem mehr distanzierten Wahlverhalten ab, das weniger zur „Treue" gegenüber einer Partei und weniger zur Polarisierung oder Verketzerung der Gegenpartei neigt, wie es von Almond und Verba (1963) als open partisanship beschriebenworden ist. Wer sich so verhält, bleibt im Entscheidungsspielraum flexibler, weshalb die jüngeren Jahrgänge auch einen höheren Anteil an Wechselwählern (ca. 25% etwa im Zeitraum zwischen zwei Bundestagswahlen) aufweisen. Mit einer solchen eher „wählerischen" Einstellung hängt es vermutlich zusammen, daß man bei Unentschiedenheit oder Unsicherheit lieber gar nicht zur Wahl geht. Als Gründe für die geringere Wahlbeteiligung kann man ferner anführen: Höheres Mißtrauen gegenüber den Parteien und ihren Funktionären, persönliche Inkompetenz, Desinteresse und Desinformiertheit über die Parteien, ihre Ziele und ihre bisherige Praxis. Immerhin scheint die Zahl der Heranwachsenden zu steigen, die eine der vier Parlamentsparteien als Wahlalternative bejaht (ca. 70 °/o).

  36. W. Jaide, Rechtsruck in den Klassenzimmern?, in: Aspekte, 1975, 6, S. 36— 39; ders., Rückt die Jugend nach rechts?, in: Evangelische Kommentare, 1974, 9, S. 547 ff.

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Walter Jaide, Dr. phil., geb. 1911 in Berlin, Professor für Psychologie an der Pädagogischen Hochschule Hannover, Leiter der Forschungsstelle für Jugendfragen Hannover. Veröffentlichungen u. a.: Die junge Arbeiterin (zus. m. G. Wurzbacher u. a.), München 1958; Eine neue Generation?, München 1961; Die Berufswahl, München 1961; Das Verhältnis der Jugend zur Politik, Neuwied 1963; Die jungen Staatsbürger, München 1965; Leitbilder heutiger Jugend, Neuwied 1968; Junge Arbeiterinnen, München 1969; Jugend und Demokratie, München 1970; Jugend im doppelten Deutschland (Mitherausgeber), in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 1975, 3; zahlreiche Aufsätze zu den erwähnten Themen.