Der IV. Session der Welthandels-und Entwicklungskonferenz (UNCTAD) welche vom 3 bis 31 Mai 1976 in Nairobi stattfand, lag eine außerordentlich umfassende Tagesordnung vor, die insbesondere folgende Punkte umfaßte: Rohstoffprobleme (Vorschlag eines nIntegrierten Rohstoffprogramms" mit einem „Gemeinsamen Fonds'), handelspolitische Maßnahmen (vor allem Marktöffnung in den Industrieländern zugunsten von Fertig-und Halbfertigwaren), Regelung des Schuldenproblems der Entwicklungsländer Technologie-Transfer in die Entwicklungsländer, Zusammenarbeit zwischen Entwicklungsländern, Handel zwischen Entwicklungsländern und Ostblockstaaten, Sondermaßnahmen für die ärmsten Entwicklungsländer. Das Rohstoffproblem beherrschte die Konferenz völlig. Für diesen Fragenbereich sowie den der Schuldenregelung wurden nach überaus harten Verhandlungen Kompromißergebnisse überwiegend prozeduralen Charakters erzielt, über die anderen Verhandlungspunkte kam es zu vorwiegend in die Zukunft gerichteten Empfehlungen sowie zu Weiterverweisungen an bestehende oder neu zu errichtende Gremien. Bezüglich des komplexen Rohstoffproblems versuchten die Entwicklungsländer, die Session zu einem massiven Durchbruch im Sinne ihres Konzepts einer „Neuen Internationalen Wirtschaftsordnung" zu benutzen. Die Rohstoffpolitik soll unter dem Stichwort des „globalen Managements der Weltressourcen" zum „Angelpunkt" und „umfassenden Werkzeug der Handels-und Entwicklungspolitik" werden. Das „Integrierte Rohstoffprogramm" soll zunächst 17 bis 18 Rohstoffe einbeziehen. Für etwa zehn dieser Rohstoffe sollen im Rahmen von internationalen Rohstoffabkommen Ausgleichslager zur Stabilisierung der Preise und zur Sicherstellung der Lieferungen geschaffen werden. Als Kernstück des integrierten Programms ist ein „Gemeinsamer Fonds" gedacht, eine multilaterale Institution, die mit beträchtlichen finanziellen Mitteln (Größenordnung anfangs 3 bis 6 Mrd. Dollar) und umfassenden Vollmachten zu Eingriffen auf dem Rohstoffsektor ausgestattet werden soll (u. a. Anlage von Ausgleichslagern, Stabilisierung der Exporterlöse, Förderung der Verarbeitung von Rohstoffen in Entwicklungsländern, Rationalisierung der Marketing-und Vertriebssysteme). Im Rahmen des integrierten Programms und mit Hilfe des „Gemeinsamen Fonds" soll auf dem Rohstoffsektor das Spiel der Marktkräfte weitgehend ausgeschaltet werden. Maßgebend soll ein spezifisch auszuhandelndes neues Preisniveau sein. Die führenden Industrieländer (insbesondere die USA, Japan, Großbritannien und die Bundesrepublik Deutschland) lehnen den Fonds in der vorgeschlagenen Form als superdirigistisch ab. Andere westliche Länder sind zu gewissen Konzessionen an die Entwicklungsländer bereit. /Trotz starken politischen Drucks kam es in Nairobi nicht zur Errichtung des „Gemeinsamen Fonds". Es wurde lediglich in einer Resolution Einigung darüber erzielt, daß „Schritte in Richtung auf das Aushandeln eines Gemeinsamen Fonds unternommen werden" sollen. Mit dieser Kompromißformel wurde ein Scheitern der Konferenz vermieden. Die substantielle Lösung des Problems ist freilich nur aufgeschoben. Entscheidungen werden in den kommenden Monaten und Jahren fallen.
Gefahr der Konfrontation nicht gebannt
Das dicke Ende wird nicht dadurch dünner, daß es später kommt. (Eine wohl auf Konfuzius zurückgehende Bonner Bürokratenweisheit)
I. Schlagzeilen über ein entwicklungspolitisches Ereignis
Abbildung 2
Jährliche Durchschnittspreise für wichtige Rohstoffe 1960— 1975 Jahr Kakao Kaffee Zucker cents je 1b
(Quelle: UNCTAD Monthly Commodity Price Bulletin) Kautschuk Sisal $je t Kupfer £je t Zinn Malays. $je Pical
Jährliche Durchschnittspreise für wichtige Rohstoffe 1960— 1975 Jahr Kakao Kaffee Zucker cents je 1b
(Quelle: UNCTAD Monthly Commodity Price Bulletin) Kautschuk Sisal $je t Kupfer £je t Zinn Malays. $je Pical
Wie bisher kein anderes entwicklungspolitisches Ereignis hat die Vierte Session der Welthandels-und Entwicklungskonferenz (United Nations Conference on Trade and Development — UNCTAD) in Nairobi auch in der deutschen Presse Schlagzeilen gemacht. Sie hat darüber hinaus zu lebhaften Kontroversen in den entwicklungspolitisch engagierten Kreisen geführt — und sie war Gegenstand einer ins Polemische auswuchernden Bundestagsdebatte, an der sich der Bundeskanzler und zwei Bundesminister beteiligten. Nichts konnte besser die These bekräftigen, welche Egon Bahr noch vor der Konferenz vertreten hatte: „Entwicklungspolitik wird zunehmend von einer Fachfrage zu einer Angelegenheit zentralen politischen Interesses."
Die Urteile über die Konferenzergebnisse sind sehr uneinheitlich, wobei die offizielle deutsche Haltung in Nairobi aus völlig entgegengesetzten Gründen in das Kreuzfeuer der Kritik geraten ist. Den einen war sie zu starr-dogmatisch, den anderen zu nachgiebig. Typisch sind folgende Schlagzeilen bzw. Kurz-thesen: „Umfassender Sieg der Entwicklungsländer" (Handelsblatt); „Bonn beugt sich dem Druck — Dritte Welt setzt sich durch" (Die Welt); „Keim für neue und bittere Auseinandersetzungen zwischen Industrie-und Entwicklungsländern gelegt" (MdB Hans Roser, Stellvertretender Entwicklungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion); „ein weiterer gefährlicher Schritt in Richtung auf eine Weltplanwirtschaft im Rohstoffbereich" (MdB H. Jürgen Todenhöfer, Entwicklungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion); „Fauler Kompromiß .. . Hinhaltetaktik der bundes-deutschen Delegation" (UNCTAD-Informationsund Aktionskampagne); „eine der komplizier-testen und zähesten Wirtschaftskonferenzen der vergangenen Jahre .. . Niemand hat Grund zum Jubel" (Hans Friderichs, Bundesminister für Wirtschaft); „Nairobi markiert den Ort, an dem die Gefahr einer Konfrontation vermieden wurde, an dem alle Beteiligten einen Schritt vorangegangen sind" (Egon Bahr, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit); „äußerst mühsamer — aber damit noch nicht fauler — Kompromiß, welcher der Gesamtanlage nach auch für die Bundesrepublik unvermeidbar war und weder für die eine noch für die andere Seite einen Sieg bedeutet" (Frankfurter Allgemeine Zeitung).
Trotz einiger — aus Opportunismus abgegebener — „Erfolgsmeldungen" sind die Entwicklungsländer mit den Ergebnissen der UNCTAD in ihrer Gesamtheit nicht zufrieden. Typisch dafür ist z. B. eine gemeinsame Erklärung der Vertreter der 19 an der Pariser Nord-Süd-Konferenz beteiligten Entwicklungsländer, in welcher über die bescheidenen Ergebnisse von Nairobi Klage geführt wird. Das komplexe Thema wird in absehbarer Zeit nicht zur Ruhe kommen, zumal der UNCTAD IV eine ganze Serie von Anschlußverhandlungen vor allem auf dem Rohstoffgebiet folgen wird. Die zu treffenden Entscheidungen werden, so oder so, für alle Beteiligten Länder einschneidende Auswirkungen haben. Mit den Grundsatzproblemen, die sehr in die entwicklungspolitische sowie die handels-und wirtschaftspolitische Substanz gehen, sind fachlich, diffizile Sachfragen untrennbar verbunden. Sie können durch ideologische Schlagworte allenfalls zeitlich verdeckt, aber nicht überspielt werden. Gerade diejenigen, welche — gleichgültig aus welchen Motiven — aufrichtig für die Interessen der Dritten Welt kämpfen, dürfen sich der tief in Details gehenden Sachdiskussion nicht entziehen, auch wenn es bequemer erscheinen könnte, spezielle Probleme mit generellen Phrasen abzutun. Hier kann nur — auch auf Grund von Eindrücken, die auf der Konferenz in Nairobi gewonnen wurden — der Versuch unternommen werden, durch Darstellung von Fakten und Zusammenhängen die Hauptprobleme dem nichtspezialisierten Leser so verständlich zu machen, daß er dem weiteren Gang der Dinge folgen kann.
II. Was ist UNCTAD?
Abbildung 3
Terms of Trade der Entwicklungsländer für Rohstoffe (ohne Erdöl)
Quelle: UNCTAD-Dokument 5. 3. 76, S. 7 Weltbank (34 Rohstoffe) 118 TD/184/Supp. 2 vom
Terms of Trade der Entwicklungsländer für Rohstoffe (ohne Erdöl)
Quelle: UNCTAD-Dokument 5. 3. 76, S. 7 Weltbank (34 Rohstoffe) 118 TD/184/Supp. 2 vom
Auf Grund einer Initiative der Entwicklungsländer beauftragte die UNO-Generalver-Sammlung im Dezember 1961 den UNO-Generalsekretär mit der Prüfung der Frage, ob die Mitgliedsländer an der Einberufung einer internationalen Handelskonferenz interessiert seien. Dem Ergebnis der Prüfung entsprechend beschloß der Wirtschafts-und Sozialrat der UNO (ECOSOC) im August 1962 die Einberufung einer solchen Konferenz, und die UNO-Generalversammlung bestätigte Ende 1962 diesen Beschluß. Die erste UNCTAD-Session fand von März bis Juni 1964 in Genf statt. Zu den Ergebnissen der Session gehörte der — Ende des gleichen Jahres von der UNO-Generalversammlung angenommene — Vorschlag, die UNCTAD als ein ständiges Organ der UNO-Generalversammlung (nicht als Sonderorganisation!) einzurichten.
Die UNCTAD verfügt über ein ständiges Sekretariat (Sitz Genf mit Verbindungsbüro in New York), ist aber haushaltsmäßig im Budget der UNO verankert (während die Sonder-organisationen ihr eigenes Budget besitzen). Das aus etwa 400 Bediensteten bestehende Sekretariat wird von einem Generalsekretär geleitet (gegenwärtig Gamani Corea, Sri Lanka). Mitglieder der UNCTAD sind die Mitglieds-länder der UNO und ihrer Sonderorganisationen. Das zentrale Organ der UNCTAD ist der Rat für Handel und Entwicklung (Trade and Development Board), welcher die Kontinuität der Arbeit zwischen den bisher nur clle vier Jahre stattfindenden Sessionen gewälrleisten soll (Genf 1964, Neu Delhi 1968, Santiago de Chile 1972). Dem Rat gehören gegenwärtig 68 (ursprünglich 55) Mitgliedsländer auf rotierender Basis an. 21 Sitze entfallen auf entwikkelte marktwirtschaftliche Länder, 7 auf Ostblockstaaten, die verbleibenden 40 auf die Entwicklungsländer (einschließlich Jugoslawiens). Der Rat tritt mindestens einmal im Jahre zusammen. Ihm sind folgende Haupt-ausschüsse angegliedert: Rohstoffe, Halb-und Fertigwaren, unsichtbare Transaktionen und Finanzierungsfragen, Schiffahrt, Technologie-transfer.
Zu den Aufgaben der UNCTAD gehörte von Anfang an die Funktion als Koordinierungszentrum der Industrie-und Entwicklungsländer zur Förderung des internationalen Handels und ganz allgemein die Beschleunigung der Entwicklung der Dritten Welt. Die UNC-TAD bildete ferner ein Forum innerhalb des Bereichs der UNO zum Aushandeln von spezifischen Abkommen über den internationalen Handel („a major forum within the United Nations for negotiation in respect of specific agreements and commitments on international trade and related issues of international economic Cooperation . .."). Die Session von Nairobi beschloß, diese Funktionen zu verstärken („these functions need to be strengthened"), um die Effizienz der UNCTAD als einem Organ der Generalversammlung der UNO für die Erörterung, das Aushandeln, die Überprüfung und die Durchsetzung von Maßnahmen auf dem Gebiet des internationalen Handels und der dazu gehörigen Fragenkomplexe zu erhöhen 2). Dazu soll die UNCTAD die erforderlichen Mittel erhalten. Eine Anhebung des Status der UNCTAD zu einer UNO-Sonderorganisation wurde in Nairobi nicht beschlossen. Die vagen Formulierungen über die . Stärkung" der Stellung der UNCTAD laufen allenfalls auf eine stärkere Akzentuierung bereits bestehender Funktionen hinaus, nicht auf eine wirkliche Neuerung. Eine Erklärung der Gruppe der Industrieländer zu der zitierten Resolution verwahrt sich ausdrücklich dagegen, daß die Stärkung der Funktionen der UNCTAD „die Unabhängigkeit des GATT oder des Internationalen Währungsfonds beeinträchtigt oder die Errichtung eines Dazu soll die UNCTAD die erforderlichen Mittel erhalten. Eine Anhebung des Status der UNCTAD zu einer UNO-Sonderorganisation wurde in Nairobi nicht beschlossen. Die vagen Formulierungen über die . Stärkung" der Stellung der UNCTAD laufen allenfalls auf eine stärkere Akzentuierung bereits bestehender Funktionen hinaus, nicht auf eine wirkliche Neuerung. Eine Erklärung der Gruppe der Industrieländer zu der zitierten Resolution verwahrt sich ausdrücklich dagegen, daß die Stärkung der Funktionen der UNCTAD „die Unabhängigkeit des GATT oder des Internationalen Währungsfonds beeinträchtigt oder die Errichtung eines neuen intergouvernementalen Apparats beinhaltet". Der künftige Status der UNCTAD dürfte wesentlich durch die Ergebnisse der insbesondere unter ihrer Ägide nunmehr aufzunehmenden Rohstoffverhandlungen beeinflußt werden 3).
III. Die Session in Nairobi
Abbildung 4
Abbildung 4
Abbildung 4
Die Nairobi-Session war die vierte der Serie. Sie war für die Zeit vom 3. bis 28. Mai 1976 anberaumt, verlängerte sich dann aber bis in die Morgenstunden des 31. Mai. Sie fand unter Beteiligung von 139 Mitgliedsländern in einer Weltszenerie statt, welche sich grundlegend von der der drei vorhergehenden Sessionen unterscheidet. Hier seien in diesem Zusammenhang nur die folgenden Stichworte in Erinnerung gebracht: die weltweite Inflation, die Rezession in den Industrieländern, die weitere Vergrößerung des Wohlstandsgefälles zwischen Nord und Süd und — vor allem — das verstärkte Selbstbewußtsein der Entwicklungsländer seit der Ölkrise.
Auch auf den vorhergehenden UNCTAD-Sessionen waren die Armen nicht bereit gewesen, das gewaltige Wohlstandsgefälle zwischen Nord und Süd als schicksalhafte Gegebenheit für immer hinzunehmen, hatten sich aber wegen ihrer schwachen Verhandlungsposition mit sehr mageren Konzessionen oder auch nur Lippenbekenntnissen seitens der Reichen abspeisen lassen müssen Spätestens in Santiago haben die Industrieländer eine Gelegenheit verpaßt, gewisse Konzessionen (z. B. handelspolitischer Art) zu gewähren, die entwicklungspolitisch überfällig waren. Nunmehr liegen die alten und noch viel weiter reichende neue Forderungen auf dem Tisch 4). Die Tagesordnung von Nairobi umfaßte einen so großen Katalog von Forderungen, daß von vornherein feststand, daß er selbst in einer Konferenz von einmonatiger Dauer nicht bewältigt werden konnte: Rohstoffprobleme im weitesten Sinne (insbesondere ein „Integriertes Rohstoffprogramm", d. h. ein Netz von Rohstoffabkommen für mindestens zehn entwicklungspolitisch wichtige Rohstoffe, Preisindexierung, ein System zwischenstaatlicher Liefer-und Abnahmeverpflichtungen mit Höchst-und Mindestpreisen, Ausgleichslager, finanziert aus einem Fonds mit einem Anfangskapital von mindestens 3— 6 Milliarden Dollar); Fertig-und Halbiertigwaren; Markt-öflnung bei den „Reichen“ durch ein Bündel tarifärer und nicht-tarifärer Maßnahmen (u. a. durch Verbesserung des Allgemeinen Präferenzsystems, ferner durch Revision des GATT-Statuts; Reform des internationalen Währungssystems im Sinne erhöhter internationaler Liquidität und eines verstärkten Mitspracherechts der Entwicklungsländer; weltweite Entschuldungsaktion-, Verstärkung der Finanzhilte (einschließlich Maßnahmen zur Deckung „außergewöhnlicher" Defizite); Technologietransfer; Sondermaßnahmen zugunsten der ärmsten Länder; Zusammenarbeit zwischen Entwicklungsländern; Handel zwischen Ländern mit verschiedenen wirtschaftlichen und sozialen Systemen.
IV. Einige entwicklungspolitisch relevante Grunddaten
Wenn man die Forderungen der Entwicklungsländer verstehen will, so setzt das die Kenntnis einer Serie von Grunddaten voraus, welche üblicherweise in diesem Zusammenhang angeführt werden und von denen hier die folgenden erwähnt seien:
— Auf die Entwicklungsländer entfallen etwa 70 Prozent der Weltbevölkerung, aber nur rund 30 Prozent des Welteinkommens. Die Kluft wird ständig größer.
— „Im Jahre 1970 hatte ein Individuum, welches im reichsten Teil der Welt lebte — der etwa ein Zehntel der Weltbevölkerung umfaßt —, ein dreizehnfach höheres Realeinkommen als ein im — ebenso definierten — ärmsten Teil der Welt lebendes Individum." — Nach dem OECD-Bericht von 1975 lagen die Pro-Kopf-Einkommenszuwachsraten der Hälfte der 46 ärmsten Entwicklungsländer (Jahres-pro-Kopf-Einkommen von weniger als 200 US-Dollar) im Zeitraum 1960— 1972 bei unter 1 Prozent (gegen 3 Prozent bei den meisten Nicht-Ol-Entwicklungsländern mit einem Pro-Kopf-Jahreseinkommen von über 375 US-Dollar (In diesem Zusammenhang darf freilich nicht übersehen werden, daß die Entwicklung der Pro-Kopf-Sätze in erster Linie durch den anhaltend starken Bevölkerungszuwachs bestimmt wird — ein nicht in das Ausbeutungskonzept passender, entscheidend wichtiger Gesichtspunkt, der in der entwicklungspolitischen Diskussion oft nicht ausreichend beachtet wird. In Nairobi war er wie auf den meisten UNO-Konferenzen tabu — Viele Entwicklungsländer hängen wirtschaftlich stark von der Entwicklung ihrer Rohstofiexporte ab. In den Jahren 1971— 1973 machte der Anteil ihrer Rohstoffexporterlöse an den Gesamtexporterlösen durchschnittlich (ohne Erdöl) 75 % aus. Diese Erlöse sind starken Schwankungen unterworfen, mit entsprechenden Auswirkungen auf die (gesamtwirtschaftlich wichtigen) Devisenerlöse und die Zahlungsbilanz (wie die Tabelle auf S. 6 zeigt, erreichte der Ende 1972 einsetzende Preisboom im letzten Vierteljahr 1974 seinen Höhepunkt).
— Die Bedeutung der starken — z. T. chaotischen — Preisfluktuationen wird besonders transparent, wenn man auf die terms of trade abstellt, d. h. die realen Austauschrelationen zwischen den von den Entwicklungsländern exportierten Rohstoffen und den von ihnen importierten Industriegütern. Vereinfacht ausgedrückt werden bei der Berechnung der terms of trade die Preisindices für die exportierten Rohstoffe denen der importierten Industrieprodukte gegenübergestellt. Trotz all seiner Problematik ist das Konzept der terms of trade für die Beurteilung mittel-und langfristiger Trends von einem gewissen Interesse. Eine vom UNCTAD-Sekretariat für die Nairobi-Session ausgearbeitete Tabelle zeigt für die zwei Dekaden von 1953 bis 1972 eindeutig die Verschlechterung der terms of trade für die Entwicklungsländer. Die Tabelle stellt die Ergebnisse der UNCTAD-und Weltbankberechnungen gegenüber.
Im Interesse der Sache wäre es opportun gewesen, wenn das UNCTAD-Sekretariat die Tabelle bis in das Jahr 1975 fortgeführt hätte, statt die Boom-Jahre 1973 und 1974 wegzulassen. Man hat es vorgezogen, in dem zitierten Dokument im Text zu bemerken, daß die Steigerung der Exporterlöse der Entwicklungsländer (ohne Olländer) in den Jahren 1970 bis 1974 um nominell 27 Prozent angesichts der weltweiten Inflation in realer Kaufkraft nur 6 Prozent ausgemacht habe
— Nach UNCTAD-Berechnungen ist der Realwert der offiziell gewährten Entwicklungshilfe, welche die marktwirtschaftlich gesteuerten entwickelten Länder geleistet haben, in der vergangenen Dekade um etwa 3 Prozent zurückgegangen. Dadurch sind viele Entwicklungsländer gezwungen worden, sich stärker zu verschulden.
V. Eine „Revolte der Massen“ und ihr ideologischer Hintergrund
Das Wohlstandsgefälle zwischen den „Reichen" und den „Armen", wie es durch die stichwortartig erwähnten und viele andere Daten illustriert wird, hat zu einer „Revolte der Massen" geführt. Diese haben durch die „Gruppe der 77" ihre „Knüppel ergriffen und fordern radikale Veränderungen, an deren Zustandekommen auf internationaler Ebene sie voll und gleichberechtigt beteiligt werden wollen" Die Grundforderung geht letztlich auf ein „globales Management der Weltressourcen durch eine Disziplinierung der Marktkräite“
Die UNCTAD-Session in Nairobi bestätigte die Voraussagen derjenigen, welche nach der fast flitterwochenhaften Euphorie der VII.
UNO-Sondergeneralversammlung im September 1975 angesichts der tiefen und unüberbrückten Meinungsverschiedenheiten und des seit einigen Jahren wesentlich gestiegenen Selbstbewußtseins der meisten Entwicklungsländer eine aggressive Haltung und harte Töne erwartet hatten. Die Entwicklungsländer hatten sich im Februar 1976 als Gruppe der 77 in der — nach dem Ort ihres Zustandekommens benannten — sogenannten Manila-Deklaration auf einen Forderungskatalog festgelegt Dabei hatte das primitive Aufaddieren der von einzelnen Ländern oder Ländergruppen gestellten Forderungen zu einem Maximai-Forderungskatalog wieder einmal dazu gedient, ernste Unstimmigkeiten innerhalb der Gruppe wenigstens formell zu verdecken.
Schon in der Manila-Deklaration kündigten die „ 77" an, daß sie ihre Verhandlungsmacht in Nairobi voll zur Durchsetzung ihrer Forderungen gebrauchen würden. Nach der Deklaration haben die Unterprivilegierten ein Recht auf materielle Besserstellung, zumal die Industrieländer die Hauptverantwortung für die Schwierigkeiten der Entwicklungsländer tragen
Die Geltendmachung von „Rechten“ der Ar-men gegen die Reichen basiert auf Ideologien, welche in vielen Nuancen von dem verstaubten Konzept der Wiedergutmachung für Ausbeutung (und daraus herzuleitender Reparationen oder Tributzahlungen) bis zu dem der sozialen Gerechtigkeit auf weltweiter Ebene reichen. Das — auch für den Hausgebrauch zur Erklärung von Mißständen und von mangelnden eigenen Leistungen nach wie vor beliebte — Ausbeutungskonzept richtet sich kollektiv an die Adresse der marktwirtschaftlichen Industrieländer und schont den Ostblock. Für die Scharfmacher in der „Gruppe der 77" stellt das Konzept auch heute noch die Hauptmotivation für ihre Forderungen auf einen umfassenden und direkten Netto-Ressourcen-Transfer dar. Eine Variante der radikalen Gruppe hält den Ausbeutungsprozeß mit der politischen und militärischen Dekolonialisierung nicht für beendet, sondern rechnet mit einer noch weitere Jahrzehnte anhaltenden Phase der „wirtschaftlichen Dekolonialisierung“. Die Unterentwicklung ist z. B. für den ägyptischen Planungschef Abdalla nichts anderes als „das Ergebnis (die andere Seite der Medaille) des Prozesses der Entwicklung des Weltkapitalismus". Abdalla hält sich zwar etwas dafür zugute, daß er das Wort „Ausplünderung" nicht verwendet, aber es steht für ihn fest, daß der Marktmechanismus immer zum Nachteil der Entwicklungsländer funktioniert: „Im abstrakten Modell des perfekten Wettbewerbs werden sich alle marginalen Produzenten nicht halten können." Nach dieser — von Theorie und Praxis längst widerlegten — These, die das Konzept der komparativen Vorteile ignoriert, müssen die Entwicklungsländer im freien Wettbewerb stets unterliegen.
Anders argumentiert eine gemäßigte Gruppe, für die der jetzige Generalsekretär des Com-15 monwealth und frühere Außenminister von Guyana, Shridath S. Ramphal, ein typischer Wortführer ist 17). Nach ihm sollte man aufhören, sich über die Vergangenheit zu streiten. Die Entwicklungsländer müßten ihre eigenen Entwicklungsmodelle unabhängig von denen der Industrieländer bilden, da Selbstverantwortung („seif reliance") d Nach ihm sollte man aufhören, sich über die Vergangenheit zu streiten. Die Entwicklungsländer müßten ihre eigenen Entwicklungsmodelle unabhängig von denen der Industrieländer bilden, da Selbstverantwortung („seif reliance") die Grundvoraussetzung jeder Entwicklung darstelle. Unter dem Motto sozialer und wirtschaltlicher Gerechtigkeit besteht für Ramphal das zentrale Problem der Entwicklungspolitik in der Bekämpfung der Armut mit allen ihren Facetten (Hunger, Obdachlosigkeit, Analphabetismus, Krankheit und wirtschaftliche Abhängigkeit). Hier setzt das Konzept von der Interdependenz aller Staaten ein, welche Ramphal als „planetare Konvergenz unserer nationalen Schicksale" wertet und aus der er folgende beachtenswerte Konsequenz zieht: „Die Forderung auf eine neue Ordnung ist als Bitte der Entwicklungsländer zu verstehen, auf die Weltgemeinschaft diejenigen Grundsätze anzuwenden, welche innerhalb der nationalen Grenzen der entwickelten Länder für selbstverständlich gehalten werden." Ramphal verweist auf die Systeme von Ressourcentransfer innerhalb einzelner und zwischen einer Mehrzahl reicher Länder. Im Klartext bedeutet das nichts anderes als die Forderung, die innerhalb einzelner • Industrieländer oder zwischen Gruppen von Industrieländern funktionierenden Systeme sozialer Sicherheit oder der Sicherstellung gewisser Realeinkommen auch weltweit zu praktizieren. Das unglückselige dirigistische und einkommensstabilisierende Agrarkonzept der EG schwebt vielen Entwicklungsländern als Modell vor, wenn sie an ihre eigenen ernsten Rohstoffprobleme denken. Sie halten es den „Reichen" gern als Beispiel für eine substantielle Abweichung vom marktwirtschaftlichen Konzept entgegen 18).
VI. Die Neue Internationale Wirtschaftsordnung
„Die alte Wirtschaftsordnung bricht zusammen. Was die Lösung des Problems der Unterentwicklung angeht, so hat eine solche in Form der Hilfe ihre völlige Nutzlosigkeit erwiesen . . .
Es ist unannehmbar, daß die wohlhabenden westlichen Länder, die für sich selbst ein ausschließlich durch Maximumprofite für private kapitalistische Unternehmen und multinationale Gesellschaften motiviertes System geschaffen haben, passive Zuschauer der ständigen Verschlechterung der Lebensbedingungen in den Entwicklungsländern sind."
(Aus der Rede des algerischen Ministers für Handel, Layachi Yaker, in Nairobi am 7. Mai 1976)
Hinter allen diesen Erwägungen steht das von der UNO-Sondergeneralversammlung im Mai 1974 verkündete, unausgegorene Konzept einer „Neuen Internationalen Wirtschaftsordnung", deren Verwirklichung sich die „Gruppe der 77" auf die Fahne geschrieben hat. Als ein algerischer Minister in Nairobi die gesamte bisher geleistete Entwicklungshilfe als „völlig" nutzlos einstufte — ohne freilich auf sie sofort verzichten zu wollen —, erhob sich aus der „Gruppe der 77" kein Wort des Widerspruchs. Die „Neue Internationale Wirtschaftsordnung“ soll zu einer „fundamentalen Änderung der Verhaltensweise führen und eine Anhebung der Lebensqualität der gesamten Weltgemeinschaft" bewirken. Angesichts der Radikalität der Thesen der „ 77" -— für welche noch erheblich extremere Beispiele zitiert werden könnten — überrascht es kaum, wenn der Redenschreiber von Bundesaußenminister Genscher die neue Ordnung „insgesamt gesehen (als) eine einseitige Ordnung" qualifiziert 19): „Sie proklamiert die schrankenlose Souveränität der Entwicklungsländer über ihre wirtschaftlichen Ressourcen, erlegt aber umgekehrt den Industrie-ländern Beschränkungen in der Verwendung ihrer Ressourcen auf." Nicht unbedingt dazu in Widerspruch steht es, wenn Entwicklungsminister Egon Bahr das Konzept des Gewaltverzichts aus dem Ost-West-Konflikt auch auf das Nord-Süd-Verhältnis übertragen will und daher die These vertritt, daß „keine Seite der anderen ihr Ordnungssystem aufzwingen „Mein Land betrachtet die Neue Internationale Wirtschaftordnung als einen radikalen Vorschlag, welcher eine fundamentale Änderung der Verhaltensweisen anstrebt, und zwar vor allem beiden reicheren Ländern . . . Oberflächliche Veränderungen werden keine wirklich gerechte Welt schaffen . . . Die Alternative (zu einer neuen Ordnung) kann nur in Frustration, Scheitern und Konfrontation bestehen . . . Letztlich muß sich die neue Ordnung auf die Lebensqualität der gesamten Weltgemeinschaft beziehen . . .
Wir können nicht fortfahren, nur Superstrukturen für eine hochgezüchtete Entwicklung in der Hoffnung zu schaffen, daß daraus letztlich den armen Massen der Bevölkerung Vorteile erwachsen werden . . .
Fundamentaler und zentraler Teil jedes sinnvollen Entwicklungsprogramms muß der direkte Angriff gegen die Armut sein . . .
Die Versuche, den Lebensstandard und die Chancen der Armen durch direkte Methoden zu ändern, erfordern eine wesentliche Umverteilung des Vermögens, des Einkommens und der Chancen auf nationaler Ebene."
(Aus der Rede des Industrieministers von Jamaika, Percival J. Patterson, im Mai 1976 in Nairobi) „Eine internationale Ordnung kann nur dann stabil sein, wenn alle Nationen sie als im Grunde gerecht empfinden und überzeugt sind, daß sie einen Anteil an ihr haben . . . Die Taktik des Drucks und der Akzent, welchen man bei Konferenzen auf verbale Siege legt, haben so oft die Atmosphäre der Konfrontation geschaffen. Solche Verhaltensweisen verdunkeln die fundamentale Tatsache, daß Entwicklung ein schwieriges, langfristiges Unternehmen darstellt . . . Entwicklung ist ein tief umwälzender Prozeß, welcher Dekaden braucht . . . Künstliche Mehrheiten in internationalen Konferenzen verwirren die Zusammenhänge. Konfrontationstaktiken werden allmählich in den Industrie-ländern die innenpolitische Unterstützung für eine vorausschauende Politik zerstören, deren die Entwicklungsländer so dringend bedürfen . . . Diese Länder brauchen nicht unser Schuldgefühl, sondern realistische Vorschläge, welche den Interessen beider Seiten in einer wachsenden Weltwirtschaft Rechnung tragen ..."
(Henry Kissinger in einer Vorlesung — Alastair Buchan Memorial Lecture — beim International Institute for Strategie Studies, London, 25. 6. 1976) kann und will" Für Bahr besteht die Aufgabe vielmehr darin, „das Nebeneinander unterschiedlicher Wirtschaftssysteme so reibungslos wie möglich zu organisieren". Der dahin gehende Versuch ist für ihn „weltwirtschaftliche Entspannung". Hier zeigt sich ein Kontrast — aber nicht unbedingt ein unüberbrückbarer Widerspruch — zu dem Gedankengebäude, wie es Bundeswirtschaftsminister Hans Friderichs in seiner Nairobi-Rede vom 7. Mai 1976 skizzierte: „Wir sind der An-sicht, daß wir durch den konsequenten Ausbau und die wirkungsvollere Anwendung des marktwirtschaftlich orientierten Weltwirtschaftssystem zu einer Verbesserung der Weltwirtschaftsstrukur zugunsten der weniger entwickelten Länder finden müssen . . . Wir verdanken unseren eigenen wirtschaftlichen Aufbau nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs einem auf Freiheit beruhenden Wirtschaftssystem ..."
VII. Nebeneinander verschiedener Ordnungen
„Die zunehmend straffer geführte und nach einem Gesamtkonzept arbeitende Gruppe der 77 hat in dieser Konferenzserie die Initiative und spielt eine, wie mir scheint, auch in ihrem eigenen Interesse unheilvolle Rolle, indem sie jeweils Maximalforderungen aller Art mit der Absicht kombiniert, das bestehende Weltwirtschaftssystem zu sprengen. Ohne irgendeine auch nur im Modell bessere oder wirksamere Weltwirtschaftsordnung anbieten zu können, verhindert sie sogar, daß auf Sicht auch nur ein Teil ihrer eigenen Forderungen erfüllt werden könnte. Diese Gruppe begreift nicht, daß jede Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Weltwirtschaftssystems gleichbedeutend ist mit dem Sägen am entwicklungspolitischen Ast, auf dem sie selbst sitzt. Diese Gruppe scheint inzwischen Opfer ihrer eigenen Agitation und Schlagworte geworden zu sein. Zur Strategie dieser Gruppe gehört auch die politische Konzentration ihres Angriffs auf die Industriestaaten der OECD unter deutlicher Verschonung des Ostblocks und bei gespielter Gleichgültigkeit gegenüber den großen Unterschieden zwischen den Interessen der der OPEC angehörenden Olproduzenten in ihren eigenen Reihen und denen der eigentlichen Entwicklungsländer.“
(So der CDU-Abgeordnete Narjes in der Bundestagsdebatte vom 2. Juni 1976 — Deutscher Bundestag, Stenographischer Bericht über die 246. Sitzung)
Das, was in Nairobi — insbesondere bezüglich des dort alle anderen Probleme überschattenden Rohstoffproblems — geschah oder unterblieb, kann nicht voll gewürdigt werden, wenn man den im vorstehenden kurz skizzierten ideologischen Hintergrund ignoriert. Es wäre völlig unrealistisch annehmen zu wollen, daß die ernsten ideologischen Gegensätze in absehbarer Zeit überbrückbar wären. Es kann nicht einmal als selbstverständlich unterstellt werden, daß allseits die These von Egon Bahr akzeptiert wird, wonach keine Seite der anderen ihr Ordnungssystem aufzwingen kann, so daß es daher darauf ankäme, das reibungslose Nebeneinander unterschiedlicher Wirtschaftssysteme zu organisieren. Eine konsequente Anwendung dieses Konzepts würde z. B. bezüglich des besonders kontroversen „Integrierten Rohstoffprogramms" nebst „Gemeinsamen Fonds" bedeuten, daß es den Entwicklungsländern völlig frei stünde, im Sinne ihrer planwirtschaftlich-dirigistischen Überzeugung ein solches Programm zu verwirklichen. Logischerweise dürften nach diesem Konzept diejenigen Industrieländer, welche andere ordnungspolitische Vorstellungen haben, nicht unter moralischen Druck gesetzt werden, sich aktiv an einem solchen Programm zu beteiligen. Ein solches Postulat des Nebeneinanders unterschiedlicher Wirtschaftssysteme entspräche auch völlig dem Konzept der seif reliance, gleichgültig, was immer man auch unter diesem schillernden Schlagwort versteht. Bemerkenswerterweise hat einer der prominentesten Vorkämpfer des Gedankens der seif reliance, Samir Amin, dieses Konzept bis zu Ende durchdacht und sich im Anschluß an die Nairobi-Konferenz dafür ausgesprochen, daß der für das „Integrierte Rohstoffprogramm" entscheidende „Gemeinsame Fonds" „ausschließlich von der Dritten Welt finanziert" werden soll
Die „Gruppe der 77" hat freilich Amins Konzept nicht übernommen, und es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß sie es in absehbarer Zeit übernehmen wird. Sie hält die (vor allem finanzielle) Beteiligung der Industriestaaten für unerläßlich, und hier prallen die kontrastierenden Ideologien bzw. ordnungspolitischen Konzepte aufeinander. Wenn gelegentlich gesagt wird, die Industriestaaten hätten in Nairobi versäumt, „überzeugend zu argumentieren" und statt dessen „Glaubensbekenntnisse" abgegeben so erfordert das eine Einschränkung: Wenn es den — sehr v-ohl zur Detaildiskussion bereiten — Industrieländern nicht gelang, außer (ordnungspolitischen) „Glaubensbekenntnissen“ konkret zu argumentieren, so lag das in er-ster Linie daran, daß die andere Seite es entschieden ablehnte, sich überhaupt auf einen fachlich-konkreten Dialog einzulassen. Die „Gruppe der 77“ hielt auf dem Rohstoffgebiet in allen wesentlichen Punkten starr an der Manila-Deklaration fest, hörte auf konkrete Sachargumente überhaupt nicht und zeigte sich nur in prozeduralen Fragen flexibel.
VIII. Ein „Integriertes Rohstoffprogramm"
Die geballte ideologische Kraft der „Gruppe der 77" konzentrierte sich während der UNC-TAD IV auf das Rohstoffproblem. Die Entwicklungsländer, deren Devisenerlöse überwiegend aus dem Export von Rohstoffen stammen, sind an möglichst stabilen Export-preisen interessiert. Dabei kommt es ihnen auch darauf an, daß sie — ausgedrückt in realer Kaufkraft — Preise erzielen, welche „lohnend und gerecht" für die Produzenten und angemessen für die Verbraucher sind. Die marktwirtschaftlich ausgerichteten Länder plädieren statt dessen für ein Preisniveau, welches „lohnend für die Produzenten und fair für die Verbraucher" und „vereinbar mit dem langfristigen Gleichgewicht auf dem höchstmöglichen Produktions-und Verbrauchsniveau" ist. Die Ostblockstaaten sprachen sich in Nairobi für „wirtschaftlich gerechtfertigte, lohnende und für die Produzenten faire Preise" aus und forderten gleichzeitig die Bekämpfung der Inflation und eine Kontrolle der multinationalen Unternehmen.
Die Entwicklungsländer wollen die Rohstoff-politik zum „Angelpunkt der Handels-und Entwicklungspolitik" (so der indische Chef-delegierte in Nairobi) machen, oder, wie es der Industrieminister von Jamaika formulierte, zu einem „umfassenden Werkzeug der Entwicklungspolitik zur Unterstützung schnellen sozialen und wirtschaftlichen Wachstums in der Dritten Welt“. In dieser Formel liegt die Quintessenz des vom UNCTAD-Sekretariat konzipierten und von den Entwicklungsländern übernommenen „Integrierten Rohstoffprogramms" mit seinem „Gemeinsamen Fonds". Angesichts ihrer ideologischen Ausgangspunkte und ihrer Überzeugung von der ausschlaggebenden Bedeutung der Rohstoffe als Vehikel der Umverteilung des Wohlstands blieben -die Entwicklungsländer während der ganzen Konferenzdauer starr auf dieses Programm fixiert und werteten vor allem den Fonds als eine magische Formel zur Korrektur des für untauglich erachteten marktwirtschaftlichen Konzepts der Industrieländer. Das integrierte Programm — nach dem Namen des UNCTAD-Generalsekretärs, Gamani Corea, auch als „Corea-Plan" bekannt — stand in seiner ersten Fassung erstmals im September 1974 zur Erörterung und ist seitdem mehrfach geändert worden. Folgende Kernpunkte des Programms in der bei Beginn der Nairobi-Konferenz maßgebenden Fassung sowie die — nicht zufällige — Reihenfolge ihrer Präsentierung verdienen festgehalten zu werden
1. Schaffung eines. „Gemeinsamen Fonds"
(Größenordnung anfangs 3— 6 Milliarden Dollar) zur Finanzierung von Rohstoff-Ausgleichslagern („Bufferstocks"). Finanzierung des Fonds durch Ein-und Ausfuhrländer.
2. Schaffung einer Anzahl („a series") internationaler Ausgleichslager im Rahmen internationaler Rohstoffabkommen (bestehender oder noch abzuschließender). Zweck dieser Lager: Stabilisierung der Preise und Sicherstellung von Lieferungen.
3. Vereinbarung anderer Stützungsmaßnahmen im Rahmen von Rohstoffabkommen, und zwar u. a. über folgende Aspekte: Produktions-und Lieferkontrolle (Steigerung oder Drosselung), multilaterale Ankaufs-und Verkaufsverpflichtungen („um Absatzmärkte und die Belieferung zu sichern und rationelle Investitionen zu fördern"), Verarbeitung von Rohstoffen (einschließlich Agrarprodukten) in den Entwicklungsländern zwecks Förderung der Diversifizierung ihrer Wirtschaften, Maßnahmen mit dem Ziele eines freieren Zugangs zu den Märkten der entwickelten Länder.
4. Verbesserung der Maßnahmen zur Ausgleichsfinanzierung zwecks Stabilisierung der Exporterlöse. In diesem Zusammenhang: Liberalisierung und Erweiterung des Systems der Ausgleichsfinanzierung beim Internationalen Währungsfonds, wobei aber die Möglichkeit eines völlig neuen und wesentlich umfassenderen Ausgleichssystems nicht ausgeschlossen werden soll 25).
Die Zahl der in das „Integrierte Rohstoffprogramm" einzubeziehenden Rohstoffe war ursprünglich mit 17 in Aussicht genommen. Die in Nairobi angenommene Rohstoff-Resolution* umfaßt 18: Bananen, Bauxit, Kakao, Kaffee, Kupfer, Baumwolle nebst Baumwollgarnen, Hartfasern und Produkte daraus, Eisenerz, Jute und Produkte daraus, Mangan, Fleisch, Phosphate, Kautschuk, Zucker, Tee, tropische Hölzer, Zinn, Pflanzenöle einschl. Olivenöl und Ölsaaten. Es ist ausdrücklich vorgesehen, daß weitere Rohstoffe einbezogen werden können. Für zehn der in der obigen Liste enthaltenen Rohstoffe („core Commodities"), die lagerfähig sind, werden Ausgleichslager in Betracht gezogen: Kakao, Kaffee, Kupfer, Baumwolle, Jute, Kautschuk, Sisal, Zucker, Tee und Zinn
Das integrierte Programm legt die „Neue Internationale Wirtschaftsordnung", die es verwirklichen möchte, klar im dirigistischen Sin-ne aus und will das Spiel der Marktkräfte weitgehend ausschalten. Nicht die durch den Markt, d. h. durch Angebot und Nachfrage, gebildeten Preise sollen die Produktion und den Absatz regeln, sondern maßgebend soll ein „neues Preisniveau sein, welches spezifisch ausgehandelt wird, um bestehenden Ungleichgewichten und Ungerechtigkeiten entgegenzuwirken und die Exporterlöse der Entwicklungsländer anzuheben“ 27). Es kommt der „Gruppe der 77" (und dem sie führenden UNCTAD-Generalsekretariat) darauf an, das Problem der Erzielung angemessener Preise direkt anzugehen, und zwar durch umfassende Lenkung und Kontrolle der Marktkräfte (von der Produktion bis zum Absatz und Verbrauch).
Die Verfechter des integrierten Programms sind fest davon überzeugt, daß die bisherige internationale Rohstoffpolitik an dem traditionellen „piece meal approach" gescheitert ist, d. h. daran, daß man Rohstoff für Rohstoff an die Probleme herangegangen ist. Sie wollen das Problem nunmehr auf „breiter Front" lösen.
IX. Der „Gemeinsame Fonds"
In diesem Sinne soll der vorgeschlagene „Gemeinsame Fonds" die Rolle des Katalysators erhalten, welcher „eine neue Dynamik in die internationale Rohstoffpolitik" bringen soll, u. a. indem er schwache Rohstoffmärkte stützt und durch geeignete Maßnahmen für einen Ausgleich von Angebot und Nachfrage sorgt. De. r Fonds soll zur Bildung eines neuen „Entscheidungs-Mechanismus" („decision-makingmachinery") führen Wichtigste Funktion des Fonds soll freilich die finanzielle Hilfestellung bei der Errichtung von internationalen Rohstoff-Ausgleichslagern im Rahmen von Rohstoff-Abkommen sein. Bisher hing die Schaffung solcher Ausgleichslager in der Re-gel von Ad-hoc-Finanzierungsmaßnahmen im Zusammenhang mit dem einzelnen Rohstoffabkommen ab. überwiegend hatten die Produzenten die finanzielle Last zu tragen, und deshalb scheiterten manche Abkommen. Die Schaffung des „Gemeinsamen Fonds" als einer zentralen Finanzierungsquelle soll insofern Abhilfe schaffen.
Weit entfernt von den Thesen Samir Amins (siehe oben VII.) fordern die „ 77" entsprechend den Vorschlägen des UNCTAD-Sekretariats von den Industrieländern die Mittragung — sprich Übernahme des Hauptteils — der Finanzierungslasten. Darum ging es vor allem in Nairobi. Zur Begründung wurde angeführt, daß die vorgesehene Marktordnung für Rohstoffe im Interesse aller läge. Von den OPEC-Ländern wird hinsichtlich der Finanzierung des Fonds die Gewährung langfristiger Kredite erwartet.
Die Schätzungen über den Finanzbedarf des Fonds bewegen sich zwischen beträchtlichen Größenordnungen. Das insofern sicherlich nicht übertreibende UNCTAD-Sekretariat nennt Zahlen zwischen 3 bis 6 Milliarden Dollar, von denen 2 Milliarden sofort einzuzahlen wären, während der Rest auf Abruf bereitzuhalten wäre Andere — vielleicht realistischere — Schätzungen veranschlagen den Finanzbedarf der ersten Jahre auf noch wesentlich höhere Beträge
Besonders bemerkenswert ist es, daß in der Sicht seiner Befürworter die Errichtung des Fonds den Verhandlungen über einzelne Rohstoffe voranzugehen hat, um dadurch bereits über die erforderliche finanzielle Manövriermasse verfügen zu können. Die in Nairobi oft zitierte „Magik" des Konzepts des „Gemein-samen Fonds" besteht wohl darin, daß man glaubt, mit seiner Hilfe die erheblichen Schwierigkeiten überspielen zu können, welche nach den jahrzehntelangen Erfahrungen beim Aushandeln von Abkommen über einzelne Rohstoffe aufzutauchen pflegen. Es bleibt allerdings dunkel, inwiefern das „integrierte" Herangehen an die Probleme tatsächlich dazu beitragen kann, die Lösung der jedem einzelnen Rohstoff inhärenten und komplexen Sonderproblematik zu erleichtern. Es fällt nicht leicht, sich des Eindrucks zu erwehren, man wolle manche Probleme gar nicht echt lösen, sondern durch massive finanzielle Injektionen überrollen. Eine solche Mentalität verkennt nicht nur die Substanz der Probleme, sondern sie beruht ganz offenbar auch auf der Annahme, daß die „Reichen" in der Lage seien, praktisch unbeschränkte Mittel für den Fonds freizumachen.
Dem „Gemeinsamen Fonds" sind umfassende Finanzierungsaufgaben u. a. bei folgenden Maßnahmen zugedacht: Anlage von Rohstoff-Ausgleichslagern, Stabilisierung der Exporterlöse, Förderung der Verarbeitung von Rohstoffen in Entwicklungsländern, Rationalisierung oder Reform der Marketing-und Vertriebssysteme, Förderung des Zugangs zu ausländischen Märkten (weitere Einzelheiten siehe unter VIII).
In der Sicht der Entwicklungsländer besteht eine Analogie zwischen dem Konzept des „Gemeinsamen Fonds" und dem der EG-Agrarmarktordnung. So wie die Agrarmarktordnung mit riesigem Aufwand durch straffe, den Marktgesetzen widersprechende, staatliche Interventionen die wirtschaftliche Lage europäischer Landwirte sichert, fordern sie für sich eine weitgehende Außerkraftsetzung der marktwirtschaftlichen Spielregeln für ihre Rohstoffe. Eine solche Forderung entspricht ihrer Auffassung nach dem Postulat der Durchsetzung sozialer und wirtschaftlicher Gerechtigkeit auf weltweiter Ebene.
Den Einwand, daß mit dem System der EG-Agrarmarktordnung schlechte Erfahrungen gemacht worden seien und daß dieses System eine beträchtliche Fehlleitung von Ressourcen mit sich bringe, läßt man nicht gelten. Man konstatiert, daß die Regierungen am EG-Agrarkonzept festhalten; man hat auch nicht überhört, daß selbst ein sich im übrigen als Liberaler und als Anhänger der Marktwirtschaft gebender Landwirtschaftsminister, nämlich Josef Ertl, mehr als einmal mit Verve erklärt hat, daß das gegenwärtige System für ihn „nicht negotiabel" ist.
Hier liegt einer der Punkte, der die Glaubwürdigkeit vieler Industrieländer fragwürdig erscheinen läßt, welche den Entwicklungsländern unter Ausmalung der negativen Aspekte dirigistischer Eingriffe für die Rohstoffmärkte das Konzept der freien Marktwirtschaft empfehlen wollen. Der eklatante anti-marktwirtschaftliche Sündenfall der EG-Länder wird von den Entwicklungsländern als um so schwerwiegender empfunden, weil er sich nicht in einem massiven internen Ressourcen-Transfer erschöpft, sondern die Entwicklungsländer durch die Abschließung der Märkte für die meisten Agrarprodukte, vor allem in verarbeiteter Form, hart trifft.
Im Grunde gibt es auf diese Fragen keine wirklich befriedigende, widerspruchsfreie Antwort. Am ehrlichsten ist es wohl noch, wenn man — abgesehen von den unten in Abschnitt XL dargelegten Gesichtspunkten — eingesteht, daß das, was die EG für ihre Bauern finanziell verkraften könne, auf weltweiter Ebene finanziell eine Utopie darstellt
X. Die umstrittene Rohstoff-Resolution
„Ich spreche nicht nur für meine Delegation, sondern ich glaube, daß ich die Meinung der Entwicklungsländer insgesamt wiedergebe, wenn ich sage, wie dankbar wir sind über die volle Anerkennung unserer Grundforderungen durch einige wenige entwickelte Länder. Jene Länder sehen die Sache der Neuen Internationalen Wirtschaftsordnung richtig als einen Ausdruck oder die Weiterentwicklung ihrer eigenen Bestrebungen an, wie sie im Herangehen an ihre eigene nationale Entwicklung zum Ausdruck kommen. Wie wir, erkennen sie, daß sich die Neue Internationale Wirtschaftsordnung letzten Endes auf die Lebensqualität der ganzen Weltgemeinschaft beziehen muß. Diese Länder — und ich möchte im besonderen die Niederlande, Norwegen und Schweden nennen — verdienen für ihre Haltung und ihre Taten höchstes Lob. Wir hoffen, daß ihr Beispiel andere beeinflussen wird."
(So der Industrieminister von Jamaika im Mai 1976 in Nairobi)
Die Industrieländer litten in Nairobi verhandlungstaktisch darunter, daß sie dem von der „Gruppe der 77" in der Manila-Deklaration formulierten Konzept — einen Maximalforderungskatalog — nicht mit einem geschlossenen Gegenvorschlag begegnen konnten Vor allem in grundsätzlichen ordnungspolitischen Fragen herrschte starke Zerrissenheit. Der Bruch ging auch durch die EG. Eine kleine Gruppe von marktwirtschaftlich argumentierenden Ländern (insbesondere die USA, Großbritannien, Japan und die Bundesrepublik Deutschland) erklärte zwar ihre grundsätzliche Bereitschaft zum Abschluß von einzelnen Rohstoffabkommen auf einer Ad-hoc-Basis, lehnte aber den „Gemeinsamen Fonds" als superdirigistisch ab. Eine andere Gruppe (vor allem die Niederlande und die skandinavischen Länder) plädierten für die Annahme des „Gemeinsamen Fonds“. Zwischen den beiden Gruppen stand ein gutes Dutzend von Ländern, welche den Gedanken eines irgendwie zentralisierten Fonds nicht grundsätzlich verwarfen. Die Niederlande, Norwegen und Schweden wurden von den Entwicklungsländern wegen ihrer „Fortschrittlichkeit" enthusiastisch gefeiert
Angesichts der Unvereinbarkeit der Auffassungen drohte die Konferenz zu scheitern, da die Entwicklungsländer mit ausgesprochenem Fanatismus an der Forderung festhielten, die Errichtung des „Gemeinsamen Fonds" bereits in Nairobi fest zu beschließen. Den Industrie-ländern, die dies kategorisch ablehnten, blieb der Vorwurf der „bewußten Sabotage" nicht erspart, und den Deutschen wurde von dem Koordinator der „Gruppe der 77" (H. Walker, Jamaika) wegen ihrer unbeugsamen Haltung sogar gesagt, daß sie sich „schämen" sollten. Die Entwicklungsländer steigerten ihren Druck aufs äußerste, indem sie am ursprünglich vorgesehenen letzten Tag der Konferenz einen Resolutionsentwurf einbrachten, welcher im wesentlichen an dem Konzept des integrierten Programms festhielt. Erst danach wurde in einer kleinen Spitzengruppe unter dem Vorsitz des UNCTAD-Generalsekretärs und unter Beteiligung der beiden bei Konferenzschluß in Nairobi weilenden deutschen Minister Bahr und Friderichs nach männermordendem Ringen eine Kompromißformel vereinbart, welche eine Konfrontation vermied. Die Kompromiß-Resolution, welche mit Be-stimmtheit auch ohne deutschen Konsens angenommen worden wäre, war noch am letzten Konferenztag Gegenstand scharfer Kritik innerhalb der „ 77". Viele afrikanische Länder wollten sie als „Augenwischerei" ablehnen; es bedurfte erheblicher Anstrengungen, diese Kritiker und andere radikale Wortführer von der Notwendigkeit eines Kompromisses zu überzeugen
Die Rohstoff-Resolution enthält einen Zielkatalog mit sieben Punkten, deren wesentlicher Inhalt folgender ist (Wortlaut der sieben Punkte s. Kasten S. 17):
1. Erreichung stabiler Verhältnisse im Rohstoffhandel durch „lohnende und gerechte“ Produzentenpreise, die für die Verbraucher „angemessen" sind, wobei die Weltinflation zu berücksichtigen ist und gleichzeitig ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage sichergestellt werden soll.
2. Verbesserung der Realeinkommen der Entwicklungsländer durch Erhöhung der Exporterlöse und Schutz gegen Schwankungen dieser Erlöse.
3. Verbesserter Marktzugang und gesicherte Bezugsmöglichkeiten für Rohstoffe und daraus erzeugte Fertigwaren.
4. Diversifizierung der Produktion in den Entwicklungsländern und Steigerung der Verarbeitung von Rohstoffen mit dem Ziel der Förderung der Industrialisierung.
5. Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Entwicklungsländer und Bemühungen zur „Harmonisierung“ („soweit als möglich") der Erzeugung von synthetischen und Naturprodukten. 6. Verbesserung der Marktstrukturen.
7. Verbesserung des Systems für Marketing, Vertrieb und Transport.
Die vorerwähnten Zielpunkte müssen erst durch die in Aussicht genommenen Verhandlungen mit konkretem Inhalt erfüllt werden.
Insofern sind die Klauseln über das vereinbarte weitere Vorgehen von entscheidender Bedeutung.
— Bezüglich des äußerst umstrittenen „Gemeinsamen Fonds" lautet der Resolutionstext:
„Es wird vereinbart, daß Schritte in Richtung auf das Aushandeln eines Gemeinsamen Fonds unternommen werden."
In diesem Zusammenhang wird der UNC-TAD-Generalsekretär „vorbereitende Treffen"
und spätestens im März 1977 eine Verhandlungskonferenz einberufen. Die vorbereitenden Treffen sollen sich insbesondere mit den Aufgaben des Fonds und seiner Verfahrensweise befassen.
— Was den Abschluß einzelner Rohstoffabkommen angeht, so soll der UNCTAD-Generalsekretär ab Dezember 1976 nach Konsultation mit den einschlägigen internationalen Organisationen vorbereitende Sitzungen einberufen, denen gegebenenfalls („as and when required") Rohstoff-Verhandlungskonferenzen folgen sollen, welche ihre Arbeit nicht später als bis Ende 1978 abzuschließen haben.
Angesichts der z. T. kritischen Bewertung im eigenen Lager der „ 77" überrascht es, wenn Gamani Corea sofort nach Ende der Nairobi-Session von einer „entscheidenden Wende im Verhältnis zwischen armen und reichen Ländern" sprach und sogar hinzufügte, daß die Dritte Welt in der Rohstoff-Frage" weitgehend ihr Ziel erreicht“ habe. Ein solches Urteil läßt sich nur aus der Euphorie — ja, dem Wunschdenken — des ehrlichen Maklers erklären, welchem es in pausenlosen und zermürbenden Erörterungen gerade eben noch gelungen war, eine Kompromißformel in der die ganze Konferenz beherrschenden Rohstofffrage zu finden und dadurch ein Scheitern der Session und damit auch „seines" Plans zu vermeiden. Corea nimmt mit seinem Urteil den Gang der nunmehr erst konkret beginnenden Verhandlungen in dem von der „Gruppe der 77" erhofften Sinne vorweg — eine von seinem Standpunkt aus vielleicht taktisch kluge Haltung, die aber die weiteren Schritte nicht präjudizieren kann.
Wenn Worte — noch dazu solche, um die erbittert gerungen worden ist — überhaupt einen Sinn haben, so ergibt eine nüchterne Prüfung des Gesamttexts der, in ihrem Aufbau nicht gerade allzu transparenten, Resolution, daß die beteiligten Länder bisher zwar ein Netz grundsätzlicher Absichtserklärungen geschaffen haben, jedoch noch keine konkreten Bindungen substantieller Art eingegangen sind. Alle weiteren Entscheidungen in der Sache hängen von dem Ergebnis der in Aussicht genommenen Verhandlungen ab. Das gilt insbesondere für die Verpflichtung, über die Errichtung eines „Gemeinsamen Fonds" zu ver- Aus der Resolution 93 (IV) : „Intergriertes Rohstoifprogramm'.
, 1.
Zielsetiung.
. . . Folgende Ziele werden vereinbart:
1. Herstellung stabiler Preisverhältnisse im Rohstofthandel einschließlich der Vermeidung übermäßiger Preisschwankungen, und zwar auf einem Niveau, welches a) lohnend und gerecht für die Erzeuger und fair für die Verbraucher ist;
b) die weltweite Inflation und die Veränderungen in der internationalen Wirtschafts-und Währungslage berücksichtigt;
c) das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage in einem wadisenden Weltrohstoffhandel fördert.
2. Verbesserung und Erhaltung des realen Einkommens der einzelnen Entwicklungsländer durch erhöhte Exporteinnahmen und Schutz gegen Schwankungen in den Exporteinnahmen, insbesondere bei Rohstoffen.
3. Bemühungen zur Verbesserung des Marktzugangs und der Zuverlässigkeit der Lieferungen bei Grundstoffen und daraus hergestellten Erzeugnissen unter Berücksichtigung der Bedürfnisse und Interessen der Entwicklungsländer.
4. Diversifizierung der Produktion einschließlich der Nahrungsmittelerzeugung in den Entwicklungsländern und Erweiterung der Verarbeitung von Grundstoffen in den Entwicklungsländern mit dem Ziel, ihre Industrialisierung zu fördern und ihre Exporteinnahmen zu erhöhen.
5. Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und Förderung von Forschung und Entwicklung bei Naturprodukten, die mit synthetischen Produkten und Ersatzstoffen im Wettbewerb stehen, und gegebenenfalls Prüfung von Möglichkeiten, die Erzeugung von synthetischen Stoffen und Ersatz-stoffen in den Industrieländern und die Lieferung von Naturprodukten aus den Entwicklungsländern zu harmonisieren.
6. Verbesserung der Marktstrukturen im Bereich der Rohstoffe und Waren, die von Exportinteresse für die Entwicklungsländer sind.
7. Verbesserung der Systeme für Vermarktung, Verteilung und Transport der Rohstoffexporte der Entwicklungsländer einschließlich Erweiterung von deren Beteiligung an diesen Tätigkeiten und an den sich daraus ergebenden Einnahmen.
II. Rohstofiliste.
(Siehe Abschn. VII)
III. Internationale Maßnahnien.
1. Es wird vereinbart, die in Abschnitt IV, Absatz 1 bis 3 unten beschriebenen Schritte zu Verhandlungen über einen gemeinsamen Fonds zu unternehmen.
2. Es wird weiterhin vereinbart, im Lichte der besonderen Verhältnisse und Probleme bei jedem Rohstoff und der speziellen Bedürfnisse der Entwicklungsländer einzeln oder im Verbund folgende Schritte zu ergreifen, zu denen auch konkrete Maßnahmen im Zusammenhang mit internationalen Rohstoffvereinbarungen zwischen Erzeugern und Verbrauchern gehören können . . .
IV. Verfahrensweisen und Zeitplan.
1. Die Konferenz ersucht den'Generalsekretär der UNCTAD, bis spätestens März 1977 eine Verhandlungskonferenz über die Errichtung eines Gemeinsamen Fonds einzuberufen, die allen Mitgliedsländern der UNCTAD offensteht.
2. Sie ersucht den Generalsekretär der UNCTAD weiterhin, vor der in Ziffer 1 erwähnten Konferenz vorbereitende Sitzungen einzuberufen, auf denen unter anderem folgende Punkte verhandelt werden sollen:
a) Definition der Zielsetzungen;
b) Finanzbedarf und Struktur des Gemeinsamen Fonds;
c) Finanzierungsquellen;
d) Arbeitsweise;
e) Beschlußfassung und Verwaltung des Fonds.
3. Sie fordert die Mitgliedsländer auf, dem Generalsekretär der UNCTAD bis spätestens 30. September 1976 Vorschläge zu den vorgenannten und damit zusammenhängenden Punkten zu übermitteln.
4. Sie ersucht den Generalsekretär der UNCTAD weiterhin, im Einvernehmen mit den betroffenen internationalen Organisationen in der Zeit ab 1. September 1976 vorbereitende Sitzungen für internationale Verhandlungen über bestimmte Erzeugnisse einzuberufen."
(Inoffizielle Übersetzung, auszugsweise entnommen aus DAS PARLAMENT, Nr. 24/12. 6. 1976) handeln, eines Fonds, bezüglich dessen es nicht einmal ausreichend klare Konturen hinsichtlich des Aufgabenbereichs und der Finanzierung sowie sonstiger wichtiger Aspekte gibt. Ein Zugzwang zur Vereinbarung bestimmter Maßnahmen besteht bisher nicht, sondern nur die Verpflichtung zum konstruktiven und detaillierten Ausdiskutieren von gegebenenfalls noch zu treffenden Maßnahmen
Die deutsche Haltung Die deutsche Delegation gab bei der Verabschiedung der Resolution im Plenum der Konferenz eine interpretierende Erklärung ab. Danach hält die Bundesrepublik am marktwirtschaftlichen Konzept fest, und es wird ausdrücklich klargestellt, daß man „nicht nachträglich einer neuen Weltwirtschaftsordnung zustimmt, sondern praktischen Schritten, die die Struktur der Weltwirtschaft verbessern sollen". „Die Bundesrepublik wird sich aktiv an den vorbereitenden Treffen und Verhandlungen beteiligen. Von deren Ergebnis wird es abhängen, welche Rohstoffabkommen wir erreichen können und ob ein gemeinsamer Fonds das beste Mittel ist, um Ausgleichslager zu finanzieren. Wir bleiben bei unserer Auffassung, daß es auch nicht im Interesse der Länder der Dritten Welt wäre, einen dirigistischen Mechanismus für zentrale Lenkung zu schaffen. Wir lehnen die Indexierung weiterhin ab .. . Wir haben heute eine Grundlage für eine Atmosphäre der Sachlichkeit geschaffen, um nun im einzelnen und konkret diskutieren zu können." In einer von den USA abgegebenen Erklärung wird ebenfalls hervorgehoben, daß die Verpflichtung zum Verhandeln noch nicht eine Verpflichtung hinsichtlich der Substanz des Integrierten Rohstoffprogramms und zur Errichtung des Fonds bedeute. Die sich in wesentlichen Punkten mit der deutschen deckende USA-Erklärung wurde aus rein konferenz-taktischen Erwägungen in der chaotischen Hektik der letzten Konferenzstunden getrennt abgegeben.
Eine einschränkende Interpretation der Rohstoffresolution wurde auch in einer Erklärung Großbritanniens zum Ausdruck gebracht.
In Form und Substanz positiver hinsichtlich des integrierten Programms ist der Text einer Erklärung, welche 16 andere Industrieländer abgaben (Belgien, Dänemark, Finnland, Griechenland, Irland, Italien, Kanada, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, die Schweiz, Spanien und die Türkei). Danach stellt die Resolution eine „Basis für einen Prozeß" dar, „der zu einer neuen und gerechteren Struktur in den Wirtschaftsbeziehungen zwischen Entwicklungs-und entwickelten Ländern führen kann". Die 16 wollen mit allen zusammenarbeiten, um ein „wahres und umfassendes integriertes Rohstoffprogramm" zu verwirklichen und damit einen Schritt in Richtung auf eine „gerechtere und ausgeglichenere internationale wirtschaftliche Ordnung" zu machen
Transparenz der Gegensätze In der Sache ist hinsichtlich des Rohstoffproblems im Grunde alles offengeblieben, insbesondere auch die Frage der Errichtung eines gemeinsamen Fonds. Es wäre Selbsttäuschung, annehmen zu wollen, daß die insofern bestehenden scharfen konzeptuellen Kontraste in Nairobi irgendwie gemildert worden seien Immerhin waren die Gegensätze wohl noch nie so transparent wie heute: Die Entwicklungsländer halten in allen substantiellen Punkten am integrierten Programm nebst dem Fonds fest, während die Industrieländer vor allem in grundsätzlichen ordnungspolitischen Fragen in ihrer Haltung gespalten sind. Auch wenn bei den nunmehr bevorstehenden Verhandlungen mit einem hohen Grad von Solidarität der Entwicklungsländer zu rechnen ist, so darf doch nicht übersehen werden, daß die Interessenlage dieser Länder alles andere als einheitlich ist, insbesondere soweit es sich um die Schaffung des „Gemeinsamen Fonds" handelt. Schon in Nairobi bedurfte es mehrfacher Appelle an die Solidarität, um eine Anzahl von Ländern auf dem Kurs der Manila-Deklaration zu halten. Manchen Entwicklungsländern, die ihre echten eigenen Interessen erkennen, könnte es dringlicher erscheinen, möglichst schnelle Fortschritte beim Abschluß einzelner Rohstoffabkommen zu erzielen. Einige besonders finanzkräftige und an einer effizienten Weltwirtschaft interessierte Olländer, die im Falle der Errichtung des Fonds schwer zur Kasse gebeten würden, haben in Nairobi Zurückhaltung gezeigt Von besonderer Bedeutung ist es, daß eine Anzahl von Entwicklungsländern durch die Anhebung der Rohstoffpreise ernst betroffen werden könnten, ähnlich wie das bereits durch die Olpreiserhöhungen im Herbst 1973 der Fall war (siehe unten XI 3).
XL Rohstoffpolitische Grundsatzfragen
Das Konzept der „Gruppe der 77", wonach die Rohstoffpolitik ein „umfassendes Werkzeug der Entwicklungspolitik", ja sogar den „Angelpunkt der Handels-und Entwicklungspolitik“ darstellt (so die Chefdelegierten Jamaikas und Indiens in Nairobi — siehe Abschnitt VIII), bedeutet eine bedenkliche Verkennung des Stellenwerts der Rohstoffe, wenn man einen weltweiten und mittel-bis langfristigen Maßstab anlegt. Der gegenwärtige relative Rang der Rohstoffe in der Wirtschaft der Entwicklungsländer ist natürlich höher, als es im Weltdurchschnitt zum Ausdruck kommt (siehe Abschnitt IV). Aber: Abgesehen von den vorübergehenden Verknappungserscheinungen während der Korea-Krise und des letzten Booms in der Weltwirtschaft gehörte der Rohstoffbereich — weltweit gesehen — zu den am wenigsten dynamischen Sektoren. Die Entwicklung der Rohstoffnachfrage wie der -exporte bleibt weit hinter dem kontinuierlich steigenden Industriegüteraustausch zurück Die folgende, auf Daten des GATT beruhende Tabelle illustriert das drastisch:
Wenn auch die entwicklungspolitische Bedeutung der Rohstoffe für die Entwicklungsländer nicht zu unterschätzen ist, so zeigen die genannten Zahlen doch, daß der Sektor der Fertig-und Halbwaren auch für die Entwicklungsländer auf mittlere und lange Frist wichtiger ist, wenn sie an der weltwirtschaftlichen Dynamik teilhaben wollen. Die Über-schätzung des Rohstoffsektors führt zu einer Fixierung auf die vorhandenen Strukturen und bringt damit die Gefahr der Fehlleitung gewaltiger Ressourcen mit sich.
Der nun auf verschiedenen Ebenen in Aussicht genommene Dialog eröffnet die Möglichkeit, das Pro und Kontra des „Integrierten Rohstoffprogramms" und des „Gemeinsamen Fonds" nochmals gründlich abzuwägen, auch wenn der in Nairobi beschlossene Zeitplan einen gewissen Druck auf die Gespräche ausüben dürfte. Es sind angesichts der starken ideologischen Gegensätze und der außerordentlichen Komplexität der Probleme schwere Diskussionen zu erwarten. Der Zeit-„Die Rohstoffentschließung bedeutet nicht eine Abkehr von unseren bisherigen weltwirtschaftspolitischen Leitlinien; wir treten für marktwirtschaftliche Lösungen ein. Ich will aber auch dies ganz deutlich sagen: Es ist ganz klar, daß wir in dieser Frage am Schluß der Konferenz über unsere Ausgangspositionen hinausgegangen sind. Wenn niemand bereit wäre, sich von seinen Ausgangspositionen aus auf einen gemeinsamen Konsensus hin zu bewegen, käme niemals eine Überein-stimmung zustande, schon gar nicht auf einer Konferenz wie dieser, auf der mehrere Tausend Personen_ überflüssigerweise — eine kleine Stadt bevölkern und zu einer psychotischen Situation beigetragen haben, die sich in den Zeitungen der ganzen Welt niedergeschlagen bat. Ich will Ihnen aber auch noch sagen, daß unsere Zustimmung zu dieser Resolution über ein integriertes Rohstoffprogramm, wie sie jetzt vorliegt, allerdings unsere Bereitschaft ausdrückt, den Entwicklungsländern bei ihrem Bemühen erstens um stabile Konditionen im Handel mit Rohstoffen, zweitens um eine Verbesserung ihres Realeinkommens durch stabilere Exporterlöse, drittens um eine Verbesserung des Marktzugangs und der Produktionsdiversifizierung, viertens um eine Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit, fünftens um eine Verbesserung ihrer Marktstrukturen und sechstens um eine Verbesserung ihres Marketing-, ihres Transport-, ihres Verteilungssystems zu helfen. Was mm aber die Maßnahmen und Instrumente im einzelnen angeht, die zu diesen Zielen führen können, so gibt es in der Tat noch erhebliche internationale Meinungsunterschiede. Die Bundesrepublik Deutschland wird sich aktiv an den vorbereitenden Treffen und Verhandlungen beteiligen . . . Wir bleiben bei unserer Auffassung, daß es auch nicht im Interesse der Länder der Dritten Welt wäre, einen dirigistischen Mechanismus für zentrale Lenkung zu schaffen."
(Bundeskanzler H. Schmidt im Bundestag am 2. 6. 1976) druck und die Fixierung der Diskussionsteilnehmer auf die eigenen Konzepte dürfen aber in den kommenden Gesprächen ein sorgfältiges Eingehen auf die Substanz und damit die Details der Probleme nicht weiter verhindern. Der bloße Abtausch von Schlagworten wie . marktwirtschaftliche" Lösung einerseits und . globales Management der Weltressoureen" andererseits kann nicht mehr genügen, sondern es muß mit kühlem Kopf und konkret gesprochen und verhandelt werden. Die Entwicklungsländer können nicht weiterhin — wie in Nairobi — einfach weghören, wenn Einzelprobleme aufgeworfen werden. Solidaritätsdenken und stramme politisch-ideologische Haltung können Sachargumente nicht ersetzen. Die einzelnen Länder müssen sich ihrer echten Interessenlage bewußt werden und dabei auch an das übermorgen denken. In diesem Zusammenhang verdient die von Konrad Seitz vertretene These Unterstreichung, daß sich eine Abkehr der Dritten Welt von radikalen Forderungen nicht immer dadurch erreichen läßt, daß man sie von der theoretischen Unrichtigkeit ihrer Konzepte überzeugt. Worauf es vielmehr ankommt, ist es, ihnen den „größeren Nutzen einer anderen Politik" darzulegen (siehe dazu Abschn. XI. 5).
Manche Anzeichen sprechen dafür, daß die Olländer und die Industrieländer sich immer stärker der Konvergenz ihrer mittel-und langfristigen Interessen bewußt werden, während andererseits die Divergenz der Interessen zwischen den Olländern und vielen Entwicklungsländern zunehmend deutlich geworden ist. Für die kommenden Monate ist es Von entscheidender Bedeutung, ob sich die politischen Bindungen zwischen den Olländern als stärker erweisen werden als ihre wirtschaftlichen Interessen.
1. Es geht um das „Wie“
Wie sich aus der Erklärung von Bundeskanzler Schmidt im Bundestag ergibt, ist die Bundesrepublik bereit, den Entwicklungsländern bei der Lösung des Rohstoffproblems zu helfen. Aber völlig offen ist es, auf welche Weise das geschehen soll. Darüber und nicht um das „Ob" muß in den nächsten Monaten und Jahren gerungen werden. Die Lösung der Probleme wird dadurch erschwert, daß die Industrieländer unfähig sind, sich auf ein einheitliches Konzept zu einigen. Henry Kissinger hat mit seiner These recht, daß Kooperation zwischen den entwickelten Ländern nicht schon gleichbedeutend mit Konfrontation zwischen Nord und Süd ist, wie es manche Entwicklungsländer groteskerweise darzustellen pflegen Die Industrieländer brauchen ebenso eine mittel-und langfristige Entwicklungsstrategie wie die Entwicklungsländer. Es wäre aber ein zu hoher Preis für die anzustrebende Solidarität — auch im Rahmen der EG —, wenn sie durch sachlich falsche Zugeständnisse erkauft werden müßte.
Als durchschlagende Kriterien für die Ausrichtung des Kurses der bevorstehenden Verhandlungen kommen vor allem zwei in Betracht, welche als unverzichtbar anzusehen sind: Aus einem Interview der Süddeutschen Zeitung mit Egon Bahr (1. Juni 1976):
Bahr: Ich habe mir sehr große Mühe gegeben, die EG zusammenzuhalten, und ich bin wirklich bis an den Rand des Möglichen gegangen. Aber es hat in diesem Falle nicht geklappt. Wir haben mit Amerika zum Beispiel ähnlichere Interessen als mit Frankreich. Frankreich vertritt eine andere Haltung als England. Wir sind den Engländern näher als den Niederländern. Unterschiedliche Interessen und Auffassungen haben es der EG nicht gestattet, zu einer Haltung zu kommen, die andere hätte veranlassen können, mitzugehen. Ich bedaure das sehr, aber das ist eine Tatsache, der man ins Auge sehen muß.
SZ: In welche Richtung kann die EG jetzt gemeinsam gehen?
Bahr: Ich sehe nicht die Möglichkeit zu einer gemeinsamen Position. Ich darf nur deutlich machen, die Bundesrepublik hat ihre Zustimmung zu dem Rohstoffabkommen erläutert. Und zwar hat sie erläutert, daß sie nicht die Marktwirtschaft abschreibt.
SZ: Was geschieht, wenn sich Bonn innerhalb der EG nicht durchsetzt?
Bahr: Das könnte passieren. Wir werden uns große Mühe geben, uns nicht in die Isolierung zu begeben. In dem einen oder anderen Fall könnte es passieren, aber wir sollten große Anstrengungen machen, um mit unseren Partnern mitgehen zu können. — Die zu treffenden. Maßnahmen müssen in erster Linie im echten Interesse der Entwicklungsländer liegen, wobei vor allem die Belange der ärmsten Länder im Vordergrund zu stehen haben.
z— Keine Maßnahme (ordnungspolitischer oder finanzieller Art) darf die Leistungsfähigkeit der Geberländer so stark beanspruchen, daß ihre künftige Kapazität für Hilfeleistungen in Frage gestellt wird.
2. Ordnungspolitische Probleme Zu den kontroversen Hauptproblemen gehören vor allem die ordnungspolitischen und unter ihnen die Frage, ob es dem von den Entwicklungsländern angestrebten „Gemeinsamen Fonds" als oberster weltweiter Institution für Rohstoffe überhaupt gelingen kann, das komplizierte Rohstoffproblem in den Griff zu bekommen. Hier können dazu nur wenige Stichworte gebracht werden:
a) Ziel des gesamten integrierten Programms ist nach der Formulierung des Leiters der Rohstoffabteilung im UNCTAD-Sekretariat, B. T. G. Chidzero, ein „neues Preisniveau, welches spezifisch ausgehandelt wird, um bestehenden Ungleichgewichten und Ungerechtigkeiten entgegenzuwirken und die Exporterlöse der Entwicklungsländer anzuheben''
Der „richtige" oder besser gesagt der „gerechte" Preis wird in den Augen der Befürworter des neuen Systems natürlich niemals unter dem Marktniveau liegen. Die im Grunde banale Forderung nach dem sogenannten „gerechten" Preis für alle Rohstoffe verschiebt die Frage auf eine moralische Ebene, so als ob es darum ginge, dem „Guten" und „Gerechten" zum Siege zu verhelfen. Generationen von Nationalökonomen, Philosophen, Theologen und Soziologen (und auch die Mitglieder des UNCTAD-Sekretariats) haben bisher keine überzeugende Formel zur Bestimmung des „gerechten" Preises gefunden. Selbst wenn man heute für entwickelte Länder eine einigermaßen befriedigende Formel vorweisen könnte, so wäre ihre Anwendung auf die meisten Entwicklungsländer ein hoffnungsloses Unternehmen. Es genügt in diesem Zusammenhang, an so komplexe Kosten-faktoren wie Bodenpreis und Grundrente zu erinnern.
b) Interventionen — vor allem Preisstützungsmaßnahmen — erfolgen durch Ankauf und Abgabe aus den Ausgleichslagem. Da Preisanhebungen ein verstärktes Angebot zur Folge zu haben pflegen und da kein Ausgleichslager unbeschränkt aufnahmefähig ist, setzt das Funktionieren eines solchen Lagers die Regelung des Angebots und damit auch der Produktion (und zwar sowohl bezüglich der Schaffung neuer als auch der Erweiterung bestehender Kapazitäten) voraus. (Ähnlich liegt der Fall von an sich marktmäßig gebotenen Preissenkungen.) Produktions-und Exportquoten müssen fest-und durchgesetzt werden. Um eine interne Überproduktion zu vermeiden, wäre eine wirksame Kontrolle über jede Erweiterung der Produktionskapazitäten bzw. ihrer Nutzung erforderlich. Das gilt für Alt-und Neuproduzenten. Tiefe dirigistisch-bürokratische Eingriffe wären die Voraussetzung jeder halbwegs wirksamen Produktionskontrolle — und die Produktionsstrukturen würden immer starrer werden. Inhaber von Produktions-„Konzessionen" würden bemüht sein, das Aufkommen leistungsfähiger neuer Konkurrenten zu verhindern. Die Festsetzung von Exportquoten bedarf der Einigung zwischen den beteiligten Ländern. Da es objektive Kriterien, für Quotenfestsetzungen kaum gibt, würde es laufend zu harten Kämpfen um die Quotenzuteilungen kommen. Die „arrivierten" Produktionsländer pflegen dabei zum mindesten den Status quo zu verteidigen, während aufstrebende newcomers neue bzw. steigende Quoten fordern. Die Erfahrung hat gelehrt, daß bei den meisten Rohstoffen die Einhaltung von Exportquoten nur dann einigermaßen unter Kontrolle gehalten werden kann, wenn die Importländer mitwirken. Wie das Kaffee-Abkommen gezeigt hat, sind aber selbst dann Umgehungsversuche an der Tagesordnung.
c) Wollte der Fonds die Probleme durch unbegrenzte Aufnahme der ihm angebotenen Waren „lösen", so bedürfte es dazu finanzieller Mittel von einer astronomischen Größenordnung.
d) Unterstellt man einmal, daß das Finanzierungsproblem lösbar ist, so bleibt die Frage zu beantworten, in welcher Weise die Überschüsse abgebaut werden können. Preissenkungen — das einzige wirksame Mittel — dürften angesichts der hinter dem integrierten Programm stehenden Ideologie als ketzerisch und abweichlerisch wohl kaum jemals auch nur in Betracht gezogen werden. Viel eher würde man sich wohl noch zur Vernichtung von Überschüssen entschließen.
e) Eine Anhebung bzw. Festschreibung der Rohstoffpreise auf einem höheren als dem Marktniveau stellt bei vielen Rohstoffen einen Anreiz für die Erzeugung von Substitutionsprodukten dar. Grob vereinfacht heißt das, daß synthetische Produkte das Naturprodukt verdrängen könnten (z. B. synthetischer Kautschuk den Naturkautschuk oder synthetische Fasern die Jute oder den Sisal). In der Rohstoff-Resolution (15) wird das Problem erkannt und erwogen, die Möglichkeit zu prüfen, ob die Erzeugung von synthetischen Stoffen in den Industrieländern und die Lieferung von Naturprodukten „harmonisiert" werden können, um die Wettbewerbsfähigkeit der Natur-Rohstoffe zu erhalten. Die Annahme, daß man das „Harmonisierungs" -Problem in praktikabler Weise lösen könne, gehört zu einer der Utopien im Rohstoffbereich f) Die auch im integrierten Programm ausdrücklich als entwicklungspolitisch wichtig anerkannte Diversifizierung der Produktionsstrukturen wird durch Preisanhebungen für Rohstoffe mehr gehindert als gefördert, da die „incentives" für Strukturveränderungen abgeschwächt werden. Es besteht sogar die Gefahr der Ausweitung der Produktion von Erzeugnissen, welche in das Stützungsprogramm einbezogen sind (typisches Beispiel Baumwolle). g) Selbst wenn man einmal unterstellt, daß echte Lösungen für die vorstehend nur kurz angedeuteten Probleme gefunden werden könnten, so bleibt u. a. noch ein anderes fundamentales Problem: Nach welchen Kriterien soll ein gemeinsamer Fonds seine Mittel verteilen? Da ein Fonds mit unbeschränkter Zuschußpflicht kaum in Betracht kommt, müßte irgendein Konzept entwickelt werden, um die Größenordnungen der Mittelverteilung im einzelnen zu bestimmen. Beispielsweise müßte entschieden werden, welche Anteile auf die Finanzierung von Ausgleichslagern oder auf Maßnahmen der Exporterlös-Stabilisierung oder der Diversifizierung entfallen sollen. Selbst wenn es gelingen sollte, trotz der Interessenkonflikte zwischen den Beteiligten, sich insofern auf globale Zuteilungen zu einigen, bliebe immer noch die Frage nach dem Schlüssel für die Zuteilung der Mittel im einzelnen unbeantwortet. Z. B. würde sich das Problem stellen, nach welchen Kriterien die global für Ausgleichslager bestimmten Mittel auf die einzelnen Rohstoffe unterzuverteilen sind. Wieviel z. B. für Jute oder Hartfasern oder Kaffee? Es gehört wenig Phantasie dazu, um sich hier geradezu vorprogrammierte wilde Tnteressentenkämpfe auszumalen
Zu den nicht „machbaren" Maßnahmen gehört auch die Indexierung der RohstoffpreiseMit der Indexierung streben die Entwicklungsländer die Bindung der Rohstoffpreise an die Preisentwicklung der von ihnen importierten Fertigwaren an. Das Hauptbedenken gegen sie ist — neben dem Argument der Verschärfung des inflationistischen Trends und zahlreichen anderen Einwänden mehr technischer Art — das folgende: Die Indexierung würde auf eine Zementierung der Preisrelationen hinauslaufen, während die „Wir sind nicht bereit, einen Fonds zu akzeptieren, der sozusagen ein Super-General-Manaqement, eine zentrale Planungs-und Entwicklungsbehörde für die Welt errichtet."
(Egon Bahr in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung, 1. Juni 1976)
— „Man mußte in Nairobi durchaus in aller Deutlichkeit darauf hinweisen, daß die starre Errichtung einer internationalen Planungs-und Bewirtschaftungsbürokratie wahrscheinlich für alle Beteiligten, vor allem aber für die ärmsten Länder katastrophale Folgen haben könnte "
(Werner Holzer, Chefredakteur der „Frankfurter Rundschau" in „Forum", Juni 1976.) wirtschaftliche Dynamik eine laufende Änderung gerade dieser Relationen bewirkt. Veränderungen auf der Nachfrage-sowie Angebotsseite (z. B. unterschiedliche Zuwachsraten der Produktivität bei einzelnen Rohstoffen und Fertigwaren) können in einer nicht total geplanten Wirtschaft (auf nationaler und internationaler Ebene) nur durch Umschichtungen im Preisniveau aufgefangen und ausgeglichen werden. Starre Preisrelationen würden nicht nur inflationistisch wirken, sondern wären gleichbedeutend mit vorprogrammierter Fehlleitung von Ressourcen.
i) Die planerische und administrative Bearbeitung der angedeuteten und vieler anderer Probleme, welche das „Integrierte Rohstoff-programm" stellt, würde die Errichtung einer riesigen, wuchernden und sich immer mehr Rechte anmaßenden internationalen Planungs-, Exekutiv-und Kontrollbürokratie erforderlich machen Tausende begehrter Jobs mit Honoraren nach dem UNO-Standard wären zu schaffen, und die neuen Funktionäre müßten versuchen, dem wohl größten, weltweiten Experiment der Planwirtschaft zum Erfolg zu verhelfen Die anderweitig mit Planwirt-schaften gemachten Erfahrungen sind alles andere als ermutigend. Niemand kann freilich die Entwicklungsländer daran hindern, sich — wie die Lemminge ins Meer — in ein Planungschaos zu stürzen. Sie sollten aber nicht verlangen, daß andere Länder, welche den „Gemeinsamen Fonds" für eine utopische Wunschvorstellung halten, ihnen dabei nicht nur gegen besseres Wissen folgen, sondern auch noch erhebliche Mittel dafür aufwenden. 3. Nutzen für wen?
Der Reigen der Probleme ist mit der Aufzählung der erwähnten ordnungspolitischen und institutioneilen Fragen nicht erschöpft. Ein weiteres ernstes Problem besteht darin, daß es bis heute kein klares Bild darüber gibt, wem letztlich die Anhebung der Preise für die in das System einbezogenen Rohstoffe wirklich zugute kommen würde (unterstellt, daß die aufgeworfenen Fragen eine Lösung gefunden haben).
1. Die Kernfrage geht dahin, ob von einer Stabilisierung (über das Marktniveau hinaus) „Ein Mehrproduktprogramm wie das integrierte Programm würde nach dem Anlaufen sehr bald eine Eigendynamik entwickeln und wegen der Verzerrungen zwischen geregelten und nicht geregelten Märkten und aus „Gerechtigkeitsgründen" weitere Produkte in die Verwaltung einbeziehen. Bekanntestes Beispiel für die zwangsläufige Entwicklung ist die EG-Agrarpolitik, ein ebenfalls integriertes Programm, ein logisch in sich geschlossenes System.
Ursprünglich beschränkten sich die EG-Marktordnungen auf die wichtigsten pflanzlichen und tierischen Produkte. Bis Mitte 1966 bestand für 90% der Agrarprodukte eine gemeinsame Politik, die notwendigerweise auch Folgeprodukte mit erfassen mußte. Die ersten Agrarregulierungen im Jahre 1962 konnten noch in 103 Verordnungen kodifiziert werden. Innerhalb von 10 Jahren wuchsen sie um das Dreißigfache. Allein im Jahre 1973 wurden aufgrund von 20 Marktveroidnungen und 3 Handelsregulierungen 3 318 Verordnungen der EG-Kommission erlassen. Der EG-Agrarmarkt ist heute bis auf einige wenige Produkte (Kartoffeln, Schafe, Esel, landwirtschaftlicher Alkohol, Pferde, Honig und Kaninchen) vollständig gemeinsamen Regeln unterworfen; aber auch für diese noch nicht geregelten Märkte werden Ordnungsvorschriften ausgearbeitet.
Mit der schrittweisen Ausdehnung und Vertiefung der gemeinsamen Marktorganisation wuchsen auch die Ansprüche an den gemeinsamen Agrarfonds, der für Ausfuhrsubventionen und Marktinter ventionen immer mehr beansprucht wurde als für Strukturmaßnahmen, für die lediglich nur ein Viertel des Fonds zurückgestellt war."
(Siehe Deutscher Industrie-und Handelstag (Hrsg.), Rohstoffpolitik ohne Illusion . . ., a. a. O.) „Wir beziehen 40 Prozent unserer Rohstoffe aus Entwicklungsländern, d. h. 60 Prozent aus anderen Ländern. Wir haben gar kein Interesse daran, Preisstabilisierungsmaßnahmen oder Preiserhöhungen zu akzeptieren, damit die Amerikaner und Russen mehr einnehmen. Die Abkommen müssen den Entwicklungsländern zugute kommen. Wie das funktioniert oder zu machen ist, weiß Zur Zeit niemand in der Welt."
(Egon Bahr in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung, 1. Juni 1976) nicht nur eine relativ kleine Gruppe von Entwicklungsländern profitieren würde und ob bei manchen Rohstoffen nicht sogar Industrieländer wie die USA, Kanada, die Sowjetunion, Australien, Neuseeland und Südafrika die Hauptnutznießer sein würden. In diesem Zusammenhang müssen trotz aller Bagatellisierungsversuche einige Fakten immer wieder in Erinnerung gebracht werden:
— Der größte Teil des Rohstoffhandels findet nicht zwischen Entwicklungs-und Industrie-ländern, sondern zwischen Industrieländern statt.
— Es ist daher ein Irrtum annehmen zu wollen, daß Preisanhebungen für Rohstoffe in jedem Falle vorwiegend den Entwicklungsländern helfen würden.
— Nur wenige Produkte wie Kaffee, Tee, Kakao, Jute und Zinn werden ausschließlich in Entwicklungsländern produziert.
— Bei wichtigen Industrierohstoffen ist der Netto-Exportanteil der Entwicklungsländer begrenzt: z. B. bei Kupfer 53 °/o, Eisenerz 32 °/o, Bauxit 30, 4 °/o, Baumwolle 44 0/0 und Wolle 6 °/o.
Bisher fehlt es an einschlägigen, verläßlichen und der Öffentlichkeit zugänglichen sowie ausreichend in die Tiefe gehenden Untersuchungen zu der Frage. Das vom UNCTAD-Sekretariat verwendete Kriterium für die Würdigung der Interessenlage eines einzelnen Entwicklungslandes stellt darauf ab, ob ein Land Netto-Exporteur oder -Importeur von Rohstoffen ist. Dieses Kriterium ist zu grob und kann irreführen. Immerhin stellt aber auch die UNCTAD-Untersuchung fest, daß selbst bei Anwendung dieses Kriteriums 20 Entwicklungsländer (unter ihnen sieben mit einem Nahrungsmitteldefizit) nach dem Stande von 1970/1972 Netto-Importeure der in das integrierte Programm einzubeziehenden Rohstoffe waren 52). 2. Zu den — von mancher Seite gern ignorierten — Fakten, welche im vorerwähnten Zusammenhang relevant sind, gehören z. B.
die folgenden: Bei Einbeziehung von Kupfer würden aus der Gruppe der Entwicklungsländer vorwiegend Chile, Sambia, Zaire, Peru und die Philippinen Vorteile ziehen. Bei Jute und Hartfasern ausschließlich Indien und Bangladesh. Bei Baumwolle Indien, Pakistan, Brasilien und Ägypten. Bei Kautschuk Malaysia, Indonesien und Thailand. Bei Bauxit Jamaika, Surinam, Guyana und Guinea.
Es macht stutzig, daß das UNCTAD-Sekretariat, welchem viele kluge Köpfe angehören und das an Studien und Papier nicht zu sparen pflegt, dem fundamental wichtigen Aspekt des cui bono bisher nur überaus dürftige Betrachtungen gewidmet hat — jedenfalls soweit sie dem Außenstehenden zugänglich sind. Das gilt natürlich auch für die Frage, welche Industrieländer durch das integrierte Programm direkt oder indirekt begünstigt werden. Merkwürdig mutet es auch an, daß man zwar ankündigt, das aufgeworfene Problem überprüfen zu wollen, aber erst, wenn das integrierte Programm ein konkretes Verhandlungsstadium erreicht hat! 53) Damit fehlen gerade in der Prüfungsphase wichtige Elemente zur Beurteilung der Gesamtlage. Spielt in diesem Zusammenhang Leichtsinn oder Taktik die Hauptrolle?
Bonner Untersuchungen, auf die sich Bundeskanzler Helmut Schmidt bei der Gipfelkonferenz in Puerto Rico im Juni 1976 bezog, lassen trotz der Problematik der den Untersuchungen zugrunde liegenden Methodologie erkennen, daß im Falle einer generellen An-* hebung der Rohstoffpreise die Entwicklungsländer nicht automatisch die Gewinner und die Industrieländer nicht notwendigerweise die Verlierer sein würden. Die Trennungslinie würde mitten durch die beiden Gruppen hindurchgehen. Die Untersuchung analysiert die Handelsströme von 17 ausgewählten, unter das integrierte Programm fallenden Rohstoffen auf der Grundlage der Statistiken von 1972. Sie unterstellt eine lineare (d. h. gleichmäßige) Preiserhöhung von lO°/o (2, 7 Mrd. Dollar). Nach der Untersuchung — immer entsprechend dem Stande von 1972 — waren von den 87 erfaßten Entwicklungsländern 71 Länder Netto-Exporteure, die übrigen 16 Netto-Importeure. Den 71 Netto-Exporteuren zusammen würde die Preisanhebung zusätzliche Nettoeinnahmen in Höhe von 1 409 Mio. Dollar erbracht haben.
Der springende Punkt ist nun, daß von dieser Netto-Mehreinnahme zwölf Entwicklungsländer mehr als die Hälfte, nämlich 808 Mio. Dollar, vereinnahmt hätten, unter ihnen allein Brasilien 229 Mio. Dollar. Die zwölf Länder hatten nach dem Stande von 1972 eine Einwohnerzahl von 340 Mio. Die weiteren 59 Netto-Exporteure unter den Entwicklungsländern mit etwa 1 255 Mio. Einwohnern hätten Mehrerlöse in Höhe von etwa 600 Mio. Dollar. Wenn die vorstehenden Angaben auch auf der völlig unrealistischen Annahme einer linearen Preisanhebung der einbezogenen Rohstoffe beruhen, so lassen sie doch gewisse Größenordnungen erkennen. Eine verläßlichere Schätzung müßte Faktoren wie z. B. die Nachfrage-Elastizität bei nichtlinearen Preissteigerungen und die Möglichkeit der Substitution von Naturprodukten durch synthetische Erzeugnisse berücksichtigen. Solange in diesem Zusammenhang nicht umfassendere und auf den neuesten Stand gebrachte Analysen vorliegen, ist es unmöglich, die Konsequenzen des Abschlusses einer größeren Anzahl von Rohstoffabkommen auch nur annähernd abzuschätzen. Falls das UNCTAD-Sekretariat diesem Erfordernis (Ausarbeitung von ins einzelne gehenden Studien) nicht schnellstens entsprechen sollte, müßte eine andere Institution mit der Aufgabe betraut werden.
3. Befremdend, aber typisch für die Mentalität der Befürworter des integrierten Programms ist ein anderer Punkt: Ebenfalls erst im Verhandlungsstadium soll genauer auf ein mit dem Programm engstens verbundenes Problem eingegangen werden, nämlich auf die Frage, welche Hilfsmaßnahmen zugunsten derjenigen Entwicklungsländer zu beschließen wären, welche als Rohstoffimporteure durch Preiserhöhungen negativ betroffen werden. Es hapdelt sich um einen entwicklungspolitischen Schildbürgerstreich: Zunächst bittet man die Industrieländer im Rahmen des integrierten Programms zur Kasse. Da aber bereits feststeht, daß die Verwirklichung des Programms negative Auswirkungen für eine Anzahl von Entwicklungsländern haben wird, soll schon heute für die betroffenen Länder ein neues Hilfsprogramm erwogen werden, ohne daß man in der Lage ist, Verläßliches über den Kreis dieser Länder und über das Ausmaß der für sie zu erwartenden Nachteile auszusagen. Auf eine Kurzformel gebracht läuft dieses kuriose „Konzept" darauf hinaus, daß man sozusagen ins Blaue Hilfe plant, und zwar zur Eindämmung von Schäden, die durch geplante Hilfe entstehen werden. Nichts könnte deutlicher den Dilettantismus illustrieren, mit welchem versucht wird, das integrierte Programm durchzuziehen. Es ist schwer, sich des Verdachts zu erwehren, daß eine Anzahl von Entwicklungsländern diese Zusammenhänge gar nicht durchschaut und sich blind auf die Führung des UNCTAD-Sekretariats verläßt. Auch dieses „Unter" -Problem sollte durch eine objektive Untersuchung vor Aufnahme der geplanten Verhandlungen transparent gemacht werden.
4. Konzentration der Entwicklungshilfe auf den Rohstoffsektor? x Sieht man einmal von.den vorerwähnten Bedenken gegen das integrierte Programm ab, so stellt sich die Finanzierungsfrage. Bisher fehlt es an seriösen Schätzungen, die über die Gründungs-und unmittelbar anschließende Phase hinaus eine Finanzplanung auf mittlere und lange Sicht vorzunehmen versuchen. Bei einer solchen Planung müssen natürlich auch die finanziellen Aspekte der Exporterlös-Stabilisierung, der Diversifizierung und der anderen Ziele des integrierten Programms miteinbezogen werden. Alle Anzeichen sprechen dafür, daß der Mittelbedarf so gewaltig wäre, daß er die Leistungskraft der Industriestaaten auf das äußerste beanspruchen, wenn nicht übersteigen würde. In jedem Falle sollte es selbstverständlich sein, daß auch die OPEC-Länder und der Ostblock angemessen an der Mittelaufbringung beteiligt werden.
Unterstellt man, daß die Aufbringung der Mittel — unter Beteiligung aller — gelingen könnte, so würde das eine einseitige Konzentration der weltweit verfügbaren — knappen — Ressourcen auf den Rohstoffsektor bedeuten, die zu wesentlichen Einschränkungen in der sonstigen Entwicklungshilfe führen müßte. Die rohstoffarmen Länder würden die Hauptbetroffenen sein. Nicht ignoriert oder bagatellisiert werden darf in diesem Zusammenhang auch die Gefahr, daß eine Überforderung der Industrieländer durch direkte (finanzielle) und indirekte (durch Preiserhöhungen bewirkte) Zuwendungen an die Rohstoff-länder zu einer wirtschaftlichen Schwächung der Geber führen könnte, die sich weltweit auswirken müßte.
5. Was machbar wäre Das „Integrierte Programm" und vor allem der „Gemeinsame Fonds" werfen mehr Probleme auf als sie lösen Für das Rohstoff-problem — insbesondere das des Ausgleichs starker Schwankungen der Exporterlöse — müssen daher andere Lösungskonzepte gefunden werden. Dabei sind die beiden oben (XI 1) erwähnten Kriterien (echtes Interesse der Entwicklungsländer und insbesondere der ärmsten unter ihnen einerseits und Leistungsfähigkeit der Geberländer andererseits) stets im Auge zu behalten. Hier können nur stichwortartig einige mögliche Maßnahmen erwähnt werden:
— Förderung der Diversifizierung der Produktionsstrukturen, um die Risiken von Monokulturen abzuschwächen. Dabei sind sowohl die horizontale als auch die vertikale Diversizifierung in Betracht zu ziehen Zusätzlich zu allen üblichen Instrumenten der bilateralen und multilateralen Entwicklungshilfe (Bereitstellung ausreichenden Investitionskapitals und Gewährung technischer Hilfe) kommt in diesem Zusammenhang auch handelspolitischen Maßnahmen ausschlaggebende Bedeutung zu. Der letzterwähnte Gesichtspunkt bezieht sich ganz besonders auf di Förderung der vertikalen Diversifizierung.
Während Rohstoffe in unverarbeiteter Form weitgehend zollfrei und ohne mengenmäßige Beschränkungen importiert werden können, gelten für viele Halbfertig-und Fertigwaren, je nach Verarbeitungsstufe, weiterhin erhebliche Restriktionen tarifärer und nichttarifärer Art. Wenn die Industrieländer es mit dem Stichwort (vertikale) Diversifizierung wirklich ernst meinen, so müssen sie über Lippenbekenntnisse hinaus substantielle handelspolitische Konzessionen machen (siehe Abschnitt XIV).
— Im Zusammenhang mit dem auf dem Rohstoffsektor bestehenden erheblichen Investitionsbedarf, welcher weit über die Aspekte der Diversifizierung hinausgeht, verdient der in Nairobi unterbreitete USA-Vorschlag zur Errichtung einer „International Resources Bank" (IRB) volle Beachtung. Der Vorschlag ist auf der Konferenz nur nebenbei behandelt worden und wurde ganz am Schluß unter befremdenden Umständen „niedergeschmettert" Der Kernpunkt des Vorschlags besteht in der Teilnahme der IRB (welche der Weltbank zu assoziieren und mit einem Anfangskapital von 1 Mrd. Dollar auszustatten wäre) an Abkommen zwischen ausländischen Kapitalgebern und Entwicklungsländern betreffend Investitionen auf dem Rohstoffgebiet. Hauptziel ist die Förderung des Empfänger-landes hinsichtlich sämtlicher Aspekte des Management, der Technologie und des Marketing. Die IRB würde als „Drittpartei" den beiden anderen Vertragsparteien gegenüber eine von Fall zu Fall zu vereinbarende Erfolgsgarantie geben. Dadurch sollen insbesondere auch nichtkommerzielle Risiken abgesichert werden. Wie der Stellvertretende USA-Außenminister Robinson dazu erklärte, hat nicht zuletzt die politische Unsicherheit zu einem Rückgang des Flusses von Investitionskapitalien, Technologietransfer und Management-Erfahrung in die Entwicklungsländer geführt Im Rahmen der Einzelabkommen wird auch das Konzept der Beteiligung an der Produktion („production sharing") in Betracht gezogen, d. h. einer prozentualen Beteiligung des Kapitalgebers an der Erzeugung.
Die meisten Entwicklungsländer betrachteten in Nairobi den USA-Vorschlag ganz zu Unrecht als „Ablenkungsmanöver" vom eigentlichen Rohstoffproblem, als ob der auf dem Rohstoffsektor bestehende gewaltige Investitionsbedarf ein Problem wäre, welches von den anderen Aspekten getrennt behandelt werden könnte.
Wenn überhaupt der Gedanke eines „gemeinsamen" Fonds einen Sinn hat, dann sollte der von den Amerikanern mit ihrem Vorschlag gemachte Denkanstoß einen Ansatzpunkt für einen solchen Fonds geben. Die USA sind offenbar auch bereit, die IRB als zusätzliche Finanzierungsquelle für ein spezifisches Rohstoff-Ausgleichslager („supplemental channel for financing a particular buffer stock") in Betracht zu ziehen
— Abkommen über einzelne Rohstoffe. Die Bemühungen um den Abschluß von Rohstoff-Abkommen müssen fortgesetzt werden, auch wenn die in den letzten Jahrzehnten gemachten Erfahrungen die Grenzen für die „Machbarkeit" derartiger Abkommen aufgezeigt haben. Wie Bundeskanzler Helmut Schmidt in Puerto Rico erklärt hat, steht die Bundesrepublik zu der in Nairobi in der Rohstoffresolution gegebenen Zusage, eine aktive Rolle zu spielen, soweit es sich um die Einzelprüfung aller vorgeschlagenen Rohstoffe bezüglich ihrer Geeignetheit als Gegenstand von Rohstoffabkommen handelt. Schmidt fügte auch bei dieser Gelegenheit freilich hinzu, daß man weiterhin ernste Zweifel habe, ob eine so große Anzahl von Rohstoffabkommen wirklich im wohlverstandenen Interesse der Produktions-und Verbrauchsländer liege. Er erwähnte ferner, daß Rohstoffabkommen in manchen Fällen dazu führen könnten, das Ungleichgewicht mancher Märkte noch weiter zu verschärfen. Im Gegensatz zu der von ihnen noch vor kurzem eingenommenen Haltung, die durch betont skeptische Zurückhaltung auch gegenüber einzelner Rohstoffabkommen gekennzeichnet war, sind die USA heute bereit, „an Konferenzen über einzelne Rohstoffe teilzunehmen, um festzustellen, welche Maßnahmen am besten geeignet sind, um Handel und Märkte für diese Rohstoffe zu fördern" Sie haben freilich bei gleicher Gelegenheit betont, daß sie „nicht bereit sind, an Abkommen teilzunehmen, welche den Zweck verfolgen, Preise über dem langfristigen Marktniveau zu halten". Zu den schwierigsten zu lösenden Problemen beim Abschluß von Rohstoffabkommen gehört das der Festsetzung der Preismarge. Rohstoffabkommen, die funktionieren sollen, können nicht gleichzeitig als Instrument für den direkten Transfer von Ressourcen dienen
— Stößt schon der Abschluß von Einzelabkommen auf große Schwierigkeiten, so gilt das erst recht für Vereinbarungen über die Anlegung von Ausgleichslagern (Bufferstocks). Freilich muß auch insofern erneut jede Möglichkeit wohlwollend geprüft werden. Bundeskanzler Schmidt warf in diesem Zusammenhang in Puerto Rico die Frage der Finanzierung von Ausgleichslagern auf. Er scheint eine Finanzierung über den Staatshaushalt im Falle der Bundesrepublik schon wegen der Größenordnung für nicht akzeptabel zu halten. Damit bliebe nur die Alternative der Finanzierung durch die Rohstoffverbraucher, d. h. über die Rohstoffpreise. Die von Schmidt offengelassene Frage, ob eine Finanzierung über den Staatshaushalt grundsätzlich überhaupt — d. h. unabhängig von dem Problem der Größenordnung — in Betracht gezogen werden sollte, müßte — abgesehen von allgemeinen ordnungspolitischen Erwägungen — schon unter dem pragmatischen Gesichtspunkt verneint werden, daß der Konsument der am ehesten in Betracht kommende Adressat für die Tragung höherer Kosten ist.
— Ein erweitertes System der Ausgleichsfinanzierung (Exporterlös-Stabilisierung). Zu den im „Integrierten Rohstoffprogramm" komplementär in Aussicht genommenen Maßnahmen gehört auch ein verbessertes System der Ausgleichsfinanzierung (s. Abschnitt VIII). Manche Verfechter des integrierten Programms zeigen sich fast irritiert, wenn das Thema Ausgleichsfinanzierung berührt wird Helmut Schmidt erwähnte in der Bundestagsdebatte, über Puerto Rico, daß man deutscherseits ein „Modell der Erlös-Stabilisierung anstelle einer Vielzahl von Rohstoff-abkommen mit hochentwickelten Interventionsmechanismen erneut zür Diskussion" gestellt habe Man scheint dabei an das so-genannte STABEX-System des Lome-Abkommens in modifizierter Form zu denken.
Seit 1963 besteht beim Internationalen Währungsfonds ein — inzwischen mehrfach (zuletzt im Dezember 1975) verbessertes — System der Ausgleichsfinanzierung bei Export-schwankungen („Compensatory Financing of Export Fluctuations"). Ferner trat am 1. April 1976 das im Lome-Abkommen der EG vereinbarte System der Exporterlös-Stabilisierung (STABEX) in Kraft, welches für die 46 AKP-Länder (alle im afrikanischen, karibischen und pazifischen Raum gelegen) gilt. Das System des IWF ist im Ansatz gut, bedarf aber des weiteren Ausbaus. Das Lome-System gibt in der geltenden Form zu ernsten Bedenken Anlaß
Die Stabilisierung der Rohstoff-Exporterlöse durch ein System der kompensatorischen Finanzierung darf nur Anpassungs-und Start-beihilfe sein. Den Entwicklungsländern wird nicht nachhaltig geholfen, wenn man ihnen unter einem nicht die Eigenleistung stimulierenden Konzept Ressourcen zuführt oder gar die Nicht-Effizienz prämiert. Ein sinnvoll konzipiertes und nicht zur Verfestigung unhaltbar gewordener Handels-und Wirtschaftsstrukturen beitragendes System der Ausgleichsfinanzierung muß so ausgestaltet sein, daß es das Eigeninteresse der Empfänger an einer Exportsteigerung stimuliert. Ein markt-wissenschaftlich nicht neutrales System der Erlös-Stabilisierung wäre im günstigsten Falle nichts anderes als ein bedenkliches Vehikel für den zusätzlichen Netto-Transfer von Ressourcen.
Als solide Ausgangspunkte für ein reformiertes Stabilisierungs-System kommen das reviaierte System des IWF und die Vorschläge der USA auf der VII. Sonderkonferenz der UNO (September 1975) in Betracht. Folgende Minimalforderungen sind zu stellen:
a) Die Zahlungsbilanzlage und damit die Hilfsbedürftigkeit des Empfängerlandes ist in jedem Fall im Zusammenhang mit einer Hilfe-leistung zu berücksichtigen.
b) Unerläßlich ist eine multilateral, d. h. im Namen der Völkergemeinschaft geübte Ver-Wendungskontrolle. c) Die Gewährung der Hilfe sollte grundsätzlich nur auf Kreditbasis, d. h. mit Rückzahlungspflicht, erfolgen.
d) Verlorene Zuschüsse sollten nicht pauschal ganzen Ländergruppen — auch nicht den verschiedenen Gruppen von armen Ländern —, sondern nur in besonderen Ausnahmefällen gewährt werden. Keinesfalls dürfte schon bei der Hilfsgewährung Dispens von der Rückzahlungspflicht gegeben werden.
e) Hinsichtlich der Kreditbedingungen, insbesondere der Verzinsung, können für die ärmsten Länder Vorzugsbedingungen eingeräumt werden.
— Zu dem „Machbaren" gehört last but not least eine umfassende Strategie zur Ausweitung des Exports von Fertig-und Halbiertig-waren. Wie bereits zum Stichwort Diversifi-zierung bemerkt wurde, kommt in diesem Zusammenhang handelspolitischen Maßnahmen im Sinne der Marktöffnung in den Industrieländern fundamentale Bedeutung zu. Auf Ab-schnitt XIV. wird verwiesen. Sonntagsreden und Lippenbekenntnisse reichen nicht aus, um das Spannungsverhältnis zwischen Handeis- und Entwicklungspolitik abzubauen
XII. Erleichterung der Schuldenlast der Entwicklungsländer
„Diese Zusammenhänge sind im Lager der Entwicklungsländer nicht unbeachtet geblieben. Namentlich Staaten wie Brasilien, Mexiko, Taiwan oder Südkorea — Staaten also, welche im Aufbau der wirtschaftlichen Produktivkräfte schon ein gutes Stück Weges vorangekommen sind — wissen um die Bedeutung eines kontinuierlichen Zuflusses von ausländischem Kapital und um die Gefahren, welche ein Moratorium heraufbeschwören würde. Sie haben kein Interesse, durch kurzsichtige Aktionen ihre Kreditwürdigkeit aufs Spiel zu setzen und sich den Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten oder anderen privaten Kapitalquellen auf absehbare Zeit hinaus zu verbauen. Die Vorschläge des UNCTAD-Sekretariats stützen sich denn auch keineswegs auf eine „unite de doctrihe" innerhalb der Dritten Welt, sondern reflektieren vorab die Meinung jener Länder, denen der Zugang zu den privaten Kapitalmärkten bisher ohnehin verschlossen blieb."
(Jean Pierre Blancpain in Neue Zürcher Zeitung, Fernausgabe Nr. 101, 2. /3. Mai 1976)
Nach Schätzungen der Weltbank beliefen sich die öffentlichen Auslandsverbindlichkeiten der Entwicklungsländer Ende 1973 auf etwa 119 Mrd. Dollar gegen 9 Mrd. Ende 1956. Im Jahre 1974 haben sich die Auslandsschulden um etwa weitere 10 Mrd. Dollar erhöht. Viele Entwicklungsländer wenden für Zinszahlungen und Schuldentilgung von früher empfangenen Krediten Beträge auf, die dem Zufluß an neuer Hilfe fast gleichkommen über den Ernst des Schuldenproblems war man sich in Nairobi völlig einig, und das Problem nahm daher dort den zweitwichtigsten Platz ein. Unterschiedlich'waren dagegen die Meinungen darüber, mit welchen Maßnahmen dieses Problem gelöst werden könnte. In der Manila-Deklaration hatten die Entwicklungsländer radikale Forderungen auf Stun-dung und auf Streichung des Zinsendienstes für öffentliche Auslandsverbindlichkeiten gestellt. Für die ärmsten Länder wurde ferner eine Schuldenstreichung überhaupt verlangt, überdies sollten die multilateralen Kreditinstitutionen ersucht werden, künftig allen Entwicklungsländern Hilfe mindestens in Höhe des vom Empfängerland jährlich zu leistenden Zinsen-und Tilgungsdienstes zu gewähren. Bezüglich kommerzieller Schulden ging die Forderung auf Umschuldung (für 25 Jahre) durch Einschaltung einer multilateralen Finanzinstitution. In sehr harten und zähen Verhandlungen wurden diese außerordentlich weitgehenden Forderungen auf realistischere Dimensionen zurückgeschraubt. Es ist weder eine globale noch eine gruppenweise Schuldenstreichung oder Aussetzung des Schuldendienstes vorgesehen. In der einschlägigen Resolution „verpflichten sich die entwickelten Länder, im multilateralen Rahmen.. . schnell und konstruktiv .. . individuelle Forderungen" zwecks einer Schuldenregelung zu prüfen. Dabei sollen vor allem die ärmsten Länder berücksichtigt werden. Die in Betracht kommenden internationalen Gremien werden ersucht, vor Ende 1976 Kriterien herauszuarbeiten, welche für die Schuldenregelung im Einzelfall als Richtschnur dienen können. Das Trade und Development Board der UNCTAD wird in seiner Sitzung auf Ministerebene im kommenden Jahr die Lage überprüfen und dabei, soweit erforderlich, durch eine vom UNC-TAD-Generalsekretär einzuberufende intergouvernementale Sachverständigengruppe unterstützt werden. (Die Mitglieder dieser Gruppe sind an Weisungen ihrer Regierungen gebunden.)
Die Forderung nach Einberufung einer weltweiten Schuldenkonferenz ist in Nairobi ebensowenig durchgedrungen wie das Verlangen, die multilateralen Finanzinstitutionen zu zusätzlichen Ausleihungen mit dem Ziele der Kompensation des Schuldendienstes zu verpflichten. Aus einem Interview des „Vorwärts" (10. Juni 1976) mit Egon Bahr:
VORWÄRTS: Die Forderung, zwanzig der ärmsten Entwicklungsländer die Schulden generell zu erlassen, wurde fallengelassen. Wäre das aber nicht im Endeffekt doch auch für die westlichen Industrieländer vorteilhaft gewesen?
BAHR: Diese Forderung ist für uns ohne große praktische Bedeutung. Wir geben den am meisten zurückgebliebenen 'Ländern Kredite zu Bedingungen, mit denen sie sehr zufrieden sind: Kredite mit 0, 75 Prozent Zinsen und einer Laufzeit von 50 fahren bei zehn Freijähren. Wir sind jedoch grundsätzlich der Auffassung, daß wenn jemand Geld leiht, er dafür auch etwas leisten soll. In einer großen Anzahl von Fällen sind wir heute und in der Vergangenheit im gegenseitigen Einvernehmen zu Umschuldungen bereit gewesen. Wir haben uns bereit erklärt, solche Wünsche auch in Zukunft schnell zu behandeln.
Die USA haben im Rahmen der Konferenz für internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit (Nord-Süd-Konferenz) die Auffassung vertreten, daß dieses Gremium im Sinne der UNCTAD-Resolution ein geeignetes internationales Forum für die Weiterbehandlung der Schuldenfrage darstellt Nach Pressemeldungen kam es Mitte Juni 1976 im Arbeitsausschuß für Finanzen der Nord-Süd-Konfe-renz zu heftigen Diskussionen. Die Entwicklungsländer erhoben erneut Maximalforderungen einschließlich einer generellen Schulden-streichung für die ärmsten Länder. Die Industrieländer lehnten unter Hinweis auf den in Nairobi erreichten Konsens eine globale Regelung ab. Das Thema wird in der für Dezember 1976 auf Ministerebene in Aussicht genommenen Schlußkonferenz einen besonders wichtigen Platz einnehmen.
XIII. Die Übertragung von Technologie
Hilfe zu technischem Wissen und technischen Fertigkeiten — im Fachjargon Technologie-Transfer — hat im Rahmen der Entwicklungshilfe einen hohen Stellenwert Auf diesem Gebiet wurden in Nairobi drei Resolutionen verabschiedet, ohne daß es freilich zu einem wirklich substantiellen Fortschritt kam. Treffend sagte der Vorsitzende der zuständigen Verhandlungsgruppe (J. Kühn vom Bundes-wirtschaftsministerium), daß die Entscheidungen „in die Zukunft gerichtet" sind Für die Gegenwart wird die Situation gegenüber dem Status quo ante sachlich nicht gefördert, es sei denn, daß man die Schaffung neuer Institutionen und Gremien bereits als eine Förderung ansieht. Zunächst einmal werden mehrere Gremien und eine weitere Konferenz sich mit dem Themenkreis erneut befassen.
— Eine Resolution sieht die Fortsetzung der in Nairobi nicht beendeten Arbeiten am Entwurf eines internationalen Verhaltensko-dex für den Technologie-Transfer in einer neu zu bildenden Expertengruppe vor, mit dem Ziel, bis Mitte 1977 einen neuen Entwurf zu formulieren. Die zu bildende intergouvernementale (also weisungsgebundene) Expertengruppe steht für alle Mitgliedsländer offen. Mit Massenbeteiligung kann daher wohl gerechnet werden, es sei denn, es würde ein besonders unkomfortabler Tagungsort gewählt werden. Die Gruppe soll noch im Jahre 1976 eine und im Jahre 1977 weitere Sitzungen („so viele wie nötig") abhalten, wodurch ausgiebige Gelegenheit zur Fortsetzung des Palavers gegeben ist. Die Expertengruppe soll vor allem eine Lösungsformel für die in Nairobi offengebliebene, stark kontroverse Frage finden, inwieweit die einzelnen Klauseln des Kodex verpflichtenden oder freiwilligen Charakter haben. Es ist kennzeichnend für das durch eine planerisch-superdirigistische Men-
talität geprägte Wunschdenken des UNC-TAD-Sekretariats und vieler Entwicklungsländer, daß man auf dem delikaten Gebiet des Technologie-Transfer die Illusion hat, durch obligatorische Klauseln Nützliches erreichen zu können. In der Resolution wird ferner die Empfehlung ausgesprochen, daß die nächste UNO-Generalversammlung unter den Auspizien der UNCTAD eine bis Ende 1977 abzuhaltende Sonderkonferenz einberuft, welche entsprechend den durch die Expertengruppe erarbeiteten Empfehlungen über die Endfassung des Verhaltenskodex (einschließlich der Frage seines rechtlichen Charakters) entscheiden soll. — Eine fast neunseitige Resolution schafft weitere Gremien, die sich mit der „Stärkung der technologischen Kapazität der Entwicklungsländer" befassen sollen. In vielen Worten bringt sie vor allem Trivialitäten, wie z. B. die Empfehlung, wonach die Entwicklungsländer einen „Technologie-Plan als untrennbaren Teil ihres nationalen Entwicklungsplans" ausarbeiten unf für entsprechende interne Koordinierungsmaßnahmen sorgen sollen. Die Entwicklungsländer werden ferner dahin beraten, einen „angemessenen institutioneilen Apparat" zu errichten, wobei auch an die Schaffung „nationaler Zentren für die Entwicklung und den Transfer von Technologien" gedacht ist. Ähnliche, sich auf rein institutioneller Ebene bewegende Empfehlungen werden für die Zusammenarbeit zwischen den Entwicklungsländern ausgesprochen und die Errichtung weiterer Institutionen, nämlich sub-regionaler und regionaler Zentren, empfohlen. Soweit es sich um die Zusammenarbeit mit den entwickelten Ländern handelt, enthält die Resolution nicht weniger als 17, sich zum Teil überschneidende Empfehlungen, von denen hier nur die folgenden angeführt seien: Förderung von Unternehmen und Institutionen in den entwickelten Ländern zur Entwicklung von Technologien, die den Bedürfnissen der Entwicklungsländer entsprechen; Veranstaltung von Ausbildungsprogrammen; Unterstützung von Technologie-Zentren in den Entwicklungsländern und in den Regionen; Unterstützung internationaler Maßnahmen zur Kontrolle restriktiver Geschäftspraktiken, welche den Transfer von Technologien in die Entwicklungsländer direkt behindern. Diese kasuistische — aber trotzdem nicht erschöpfende — Aufsplitterung des allgemeinen
Postulats, wonach die „Reichen" den . Armen" auch in bezug auf den Technologie-transfer jede mögliche Hilfe gewähren müssen, ist eher verwirrend. Sicherlich nimmt sie den Empfehlungen nichts von ihrem unverbindlichen Charakter. Der sterile Geist nationaler und internationaler amtlicher Planer, welche schon in der Schaffung neuer Institutionen substantielle Fortschritte zu sehen belieben, durchdringt die Resolution 87, in deren Vokabular Begriffe wie kreative Kraft des Individuums (welcher letztlich alle großen technologischen Durchbrüche zu verdanken sind) oder Innovation völlig fehlen, um von dem verteufelten Reizwort „Privatinitiative" gar nicht zu reden.
Aus der Flut von Worten sei noch das in der Resolution gestreifte Problem des „brain drain" herausgegriffen: Alle Mitgliedsländer werden aufgefordert, Maßnahmen zu unterlassen, welche „den Exodus ausgebildeten Personals aus den Entwicklungsländern fördern könnten". Die Resolution spricht damit eine Forderung aus, welche im Prinzip allseits anerkannt ist. Ihre Aufnahme in die Resolution einer Mammutkonferenz trägt nichts Konkretes zur praktischen Lösung des seit Jahrzehnten erkannten Problems bei, solange nicht gleichzeitig praktikable Einzelmaßnahmen zur Erreichung des Ziels spezifiziert werden können. Trotz dieser und anderer Schwächen hebt die Resolution 87 die Arbeiten des UNCTAD-Sekretariats an einem „umfassenden Aktionsprogramm" auf dem Technologie-Gebiet lobend hervor, und sie billigt die Einrichtung eines neuen „Beratenden Dienstes" (Advisory Service ) für Technologie im UNCTAD-Sekretariat. Der neue „Dienst", für den die UNO-Generalversammlung zusätzliche Haushaltsmittel bewilligen soll, hat die Aufgabe, Hilfeersuchen von Entwicklungsländern auf dem Gebiet des Technologietransfers zu bearbeiten. Es bleibt unklar, inwiefern diese Aufgaben nicht in der Technologie-Abteilung direkt und voll wahrgenommen werden könnten. Diese Abteilung braucht zwar eine Aufrüttelung und viel frischen Wind. Aber die fehlende Praxisbezogenheit kann nicht schon durch die zusätzliche Einstellung von Personal und durch institutioneile Ausweitung ersetzt werden.
— Eine wortreiche dritte Resolution über „Gewerbliches Eigentum" spricht Empfehlungen im Zusammenhang mit der im Gange befindlichen Reform der Pariser Übereinkunft (Internationale Konvention zum Schutze des gewerblichen Eigentums aus dem Jahre 1883) aus. Bei der Reform soll den Entwicklungslän-dem der Zugang zur modernen industriellen Technologie auch unter den Aspekten des Patentrechts erleichtert werden (so schon die Empfehlung der VII. UNO-Sondergeneralver-Sammlung vom 16. September 1975). Unter den kasuistisch aufgezählten Einzelempfehlungen befindet sich auch die, wonach eine „angemessenere Regelung zur Vermeidung des Mißbrauchs von Patentrechten" anzustreben ist Die Resolution bringt substantiell nichts Neues gegenüber dem Stande vor der Nairobi-Konferenz. Bezeichnend ist auch in diesem Zusammenhang, daß die Rolle des UNCTAD-Sekretariats in bezug auf das Problem des gewerblichen Eigentums verstärkt werden soll. „Die menschliche Bedeutung des Handels wird bei der rein quantitativen Betrachtung zu oft übersehen. Auf allen Gebieten sind Handelsbeziehungen zwischen Völkern mit verschiedenen Kulturen und Gebräuchen — weit entfernt davon, sich nur auf die materiellen Aspekte des Austausches zu beschränken — auch das Vehikel für menschliche Werte gewesen. Im allgemeinen haben die durch die Kaufleute geschaffenen Verbindungen die Völker in die Lage versetzt, gegenseitig ihre Auffassungen über Politik, Kultur, Kunst und Wissenschaft und sogar ihre Religionen zu verstehen."
(Aus der Erklärung des Chefdelegierten des Vatikans am 14. Mai 1976 in Nairobi)
XIV. Handel
Zum Tagesordnungspunkt Handel verabschiedete UNCTAD IV drei Resolutionen:
1. „Die multilateralen Handelsverhandlungen". 2. „Ein Bündel von miteinander verbundenen und sich gegenseitig unterstützenden Maßnahmen für die Ausweitung und Diversifizierung der Exporte der Entwicklungsländer von Fertig-und Halbfertigwaren".
3. „Transnationale Gesellschaften und Ausweitung des Handels von Fertig-und Halbfertigwaren"
Zu 1): Die erste Resolution (91) enthält eine Anzahl von Empfehlungen im Zusammenhang mit den seit Herbst 1973 im Rahmen des GATT laufenden multilateralen Handelsverhandlungen. Die Empfehlungen entsprechen den seit Jahren von den Entwicklungsländern erhobenen Forderungen auf Sonderbehandlung und sind daher im wesentlichen eine Wiederholung von Wünschen, die schon in anderen Gremien mehrfach vorgetragen wurden bzw. bereits in der Tokio-Erklärung vom September 1973 als grundsätzlich berechtigt anerkannt worden sind. Es bleibt abzuwarten, ob die nunmehr in Nairobi beschlossene Resolution, welche ja nur Empfehlungen enthält, den Druck auf die Industrieländer zu substantielleren und schnelleren Konzessionen verstärken wird. Die Entwicklungsländer haben zu diesem Punkt in Nairobi nicht das gleiche Temperament gezeigt wie hinsichtlich des Rohstoffproblems. Sie nehmen die weiterhin eher hinhaltende Taktik der Industrieländer mit ziemlicher Gelassenheit hin. Ein klassi-sches Beispiel bietet das Stichwort „Tropische Produkte“. In der Tokio-Erklärung war diesem Sektor im Interesse der Entwicklungsländer hohe Priorität zugestanden worden. Die Resolution 91 drängt nunmehr auf Abschluß der diesbezüglichen Verhandlungen bis Ende 1976. Welcher Geist in diesem Zusammenhang noch herrscht, wird an zwei Beispielen besonders deutlich: Der Ministerrat der EG sah sich in seinem (vertraulichen) Angebot betreffend die Behandlung der tropischen Produkte nicht einmal in der Lage, für so ausgesprochen exotische und tropische Produkte wie Ananas (ach in verarbeiteter Form) oder Orchideen und Strelizien (Storchenschnäbel) die völlige Beseitigung der Zölle in Betracht zu ziehen. Vielmehr will man bei Ananas u. a. die Sonderinteressen gewisser französischer Ex-Kolonien, bei den Blumen eine Anzahl von Produzenten in den Niederlanden, Dänemark und der Bundesrepublik schützen — Produzenten, welche für ihre Treibhauskulturen zudem noch staatlich subventioniertes Dieselöl erhalten. Wenn auch diese Beispiele — die für viele andere stehen — nicht überbewertet werden sollten, so sind sie doch symptomatisch. Hier hätten die auf dem komplexen Rohstoffgebiet so fanatischen Vertreter der „Gruppe der eher Grund gehabt, den Reichen ernste Vorwürfe zu ma-chen, und sie hätten dafür auch weltweit breite Publizität finden können. Doch niemand griff solche extremen Beispiele auf 77).
Zu 2): Auch das vom UNCTAD-Sekretariat unterbreitete Konzept „Einer umfassenden Strategie zur Ausweitung des Exports von Fertig-und Halbfertigwaren der Entwicklungsländer" nahm auf der Konferenz nicht annähernd den Rang ein wie das Röhstoffproblem. In seiner Grundsatzerklärung bei Konferenzeröffnung hat UNCTAD-Generalsekretär Gamani Corea zwar die unter seiner Leitung konzipierte Exportstrategie an erster Stelle der Probleme von „fundamentaler und weitreichender Bedeutung" erwähnt. Aber er gab dem Rohstoffprogramm und Schuldenproblem wegen ihres (erhofften) unmittelbaren operationellen Charakters absolute Spitzenpriorität. Corea, der angesichts der besonderen Bedeutung des Rohstoffproblems für sein Heimatland über einschlägige Erfahrungen verfügt, verkennt nicht die entwicklungspolitische Bedeutung des Exports von verarbeiteten Produkten, glaubt jedoch nicht an die Möglichkeit schneller Auswirkungen.
Eine nüchterne Abwägung muß zu der Erkenntnis führen, daß einer Exportstrategie für Fertig-und Halbfertigwaren mittel-und langfristig wegen des Diversifizierungs-und Beschäftigungseffekts mindestens gleiche, wenn nicht entwicklungspolitisch noch erheblich größere Bedeutung zukommt als der Förderung des Rohstoffsektors Auch in Nairobi wurden daher mit Recht Empfehlungen im Sinne des Abbaus der Einfuhrschranken ausgesprochen. Sie beziehen sich u. a. auf eine Verbesserung des Systems der Allgemeinen Präferenzen (z. B. Erweiterung des diesbezüglichen Warenkreises, Verfahrensvereinfachungen, Fortgeltung des Präferenzsystems über die ursprünglich vorgesehene Zehnjahresperiode hinaus Stillstand hinsichtlich der Zollbelastung gegenüber den Entwicklungsländern (d. h. keine direkten oder indirekten Zollerhöhungen), Maßnahmen auf nicht-tarifärem Gebiet (u. a. Abbau administrativer und sonstiger Einfuhrbeschränkungen sowie Nichtverlängerung sogen, „freiwilliger" Exportbeschränkungen)
Die Resolution 96 fordert ferner eine systematische Förderung der industriellen Entwicklung der Entwicklungsländer im Rahmen einer internationalen Zusammenarbeit. Dabei Die Offnunq der Industrieländer für Waren aus der Dritten Welt ist die Antwort, mit der wir über die Glaubwürdigkeit unserer Forderungen auf einen liberalen Welthandel selbst entscheiden. (Peter Hermes, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, in: Mehr Gerechtigkeit und allgemeiner Wohlstand auf der Erde, Vereinte Nationen 2/76) wird an die entwickelten Länder die Forderung zu Anpassungsmaßnahmen mit dem Ziele gerichtet, solche Produktionszweige einzuschränken, in welchen sie international weniger konkurrenzfähig sind. Sie sollen solche Industriezweige vorzugsweise den Entwicklungsländern überlassen, soweit diese mit komparativ günstigeren Kosten produzieren.
Ein besonderer Abschnitt der Resolution gilt der Eindämmung restriktiver Geschäftspraktiken, wobei selbstverständlich das Stichwort „Transnationale Unternehmen" fällt. Gefordert werden u. a. Maßnahmen zur Erhöhung der Transparenz solcher Praktiken und die Ausarbeitung von Modell-Gesetzen, um die Entwicklungsländer bei eigenen gesetzgeberischen Maßnahmen zu unterstützen.
Die Resolution 96 folgt einem völlig richtigen Konzept, indem sie einen Zielkatalog von im Prinzip in die gebotene Richtung gehenden Maßnahmen aufstellt. Ihre Verwirklichung hängt aber fast ausschließlich von der Haltung der entwickelten Länder ab. Hier sollten und könnten diese substantielle Konzessionen anbieten, wenn es zu vernünftigen Entscheidungen auf dem Rohstoffsektor kommt.
Zu 3): Die Resolution 97 betreffend „Transnationale Unternehmen" wurde mit 84 Stimmen gegen keine Gegenstimme, aber mit 16 Enthaltungen angenommen Ihre wichtigste Empfehlung geht dahin, daß auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene Maßnahmen ergriffen werden, um die Tätigkeit transnationaler Gesellschaften dahin neu aüszurichten, daß sie sich stärker als bisher mit der Verarbeitung von Rohstoffen für den Innen-und den ausländischen Markt in den Entwicklungsländern selbst befassen. Die entwickelten Länder sollen unter diesem Gesichtspunkt ihre Zollpolitik, ferner ihre nichttarifären Einfuhrbeschränkungen sowie ihre Finanzpolitik ausrichten Außerdem wird gefordert, daß Maßnahmen getroffen werden, um in den Entwicklungsländern eine stärkere Beteiligung transnationaler Gesellschaften zu erwirken, insbesondere, soweit es sich um die Ein-und Ausfuhr von Fertigwaren handelt.
XV. Handel zwischen den Entwicklungsländern und dem Ostblock
Die Fixierung der Nairobi-Konferenz auf die Probleme Rohstoffe und Schuldenregelung und die dadurch erzeugte Spannung zwischen den Industrie-und den Entwicklungsländern lenkte die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit etwas von der Veränderung des Klimas zwischen den Entwicklungsländern und dem Ostblock ab. Auf keiner Weltkonferenz war es für die Öffentlichkeit bisher so transparent geworden, wie „kläglich" die von den kommunistischen Ländern geleistete Entwicklungshilfe ist. Die Entwicklungsländer wollen sich von diesen Staaten nicht länger mit der bekannten Formel abspeisen lassen, daß der Ostblock die Entwicklungsländer nicht ausgebeutet habe und schon daher nicht zur Hilfe verpflichtet sei. Der Chefdelegierte des Sudan in Nairobi, Osman Hashim, erwähnte zwar, daß die Entwicklungsländer den kommunistischen Staaten nicht die Schuld für ihre Armut gäben, stellte aber klar, daß sie von ihnen eine substantielle Beteiligung an der Entwicklungshilfe erwarten. Der Generalsekretär der Organisation für Afrikanische Einheit, William Eteki, warf den Ostblockstaaten vor, daß sie sich vom gemeinsamen Streben nach einer globalen Strategie der Zusammenarbeit fernhalten. Der Hinweis auf die kapitalistische Wirtschaftskrise und ihre Auswirkungen auf die Entwicklungsländer sei keine Entschuldigung für dieses Verhalten.
Noch massiver wurde der Vize-Außenhandelsminister Chinas, der die Russen als „Supermacht des Sozialimperalismus" und Wucherer einstufte, die sich in der Sache von den anderen Imperialisten nicht unterscheide. (China spielte auch in Nairobi die übliche Sonderrolle, indem es keiner Ländergruppierung angehörte, sich aber als Teil der Dritten Welt ansah.) Nairobi hat insbesondere der Sowjetunion gezeigt, daß sie — um eine Formulierung von Immo Stabreit zu gebrauchen — nicht „die beste aller Welten'(haben kann), in der ihr anti-imperialistische Rhetorik in der Dritten Welt Sympathiedividenden einbringt, ohne daß sie in nennenswertem Maße zur Entwicklungskasse gebeten" wird
In einer besonderen Resolution haben sich zwar die Ostblockländer nicht auf die Gewährung substantieller Vorteile in den Bereichen Handel und Entwicklungshilfe festlegen lassen. Aber immerhin enthält die Resolution eine Anzahl von Empfehlungen an die Ostblockstaaten, darunter z. B. die folgenden: Abschluß von mittel-und langfristigen Handelsabkommen; gradueller Abbau der Einfuhrschranken; Unterbindung des Re-Exports von Waren aus Entwicklungsländern in Drittländer; Lockerung der Praxis, wonach sich in allen Fällen Ein-und Ausfuhren ausgleichen müssen; Prüfung von Maßnahmen, um Guthaben von Entwicklungsländern konvertibel zu machen. Ferner ist eine Intensivierung des Informationsflusses sowie die Einsetzung von zwei Sachverständigengruppen vorgesehen, welche sich mit sämtlichen Problemen des Ost-Süd-Handels befassen sollen:
— Der Generalsekretär der UNCTAD soll mit den Comecon-Ländern Konsultationen abhalten, um zusätzliche Handelsmöglichkeiten zugunsten der Entwicklungsländer zu schaffen.
— Auf der Grundlage dieser Konsultationen soll er nach Abstimmung mit der UNIDO und der FAO spätestens in der ersten Hälfte des Jahres 1977 eine beratende intergouvernementale Sachverständigengruppe einberufen, in der alle interessierten Länder vertreten sind. Die Gruppe soll die Ergebnisse der Konsultationen evaluieren und dem Handels-und Entwicklungsrat der UNCTAD Empfehlungen für das weitere Vorgehen unterbreiten.
— Eine andere im Jahr 1977 einzuberufende Expertengruppe soll speziell die Frage eines multilateralen Zahlungssystems zwischen den Ostblockländern und den Entwicklungsländern prüfen. Dabei soll auch über die Möglichkeit eines „transferierbaren Rubels"
gesprochen werden (Grundgedanke: Die Guthaben eines Entwicklungslandes gegenüber einem Ostblockstaat — z. B.der Sowjetunion — sollen auch in einem anderen Ostblock-staat — z. B. DDR — verwendbar sein).
Die zuständige Abteilung des UNCTAD-Sekretariats, welche bisher von Funktionären aus dem Ostblock dominiert wird, soll verstärkt werden. Ihr obliegt die Ausarbeitung weiterer einschlägiger Studien.
Wenn auch die östlichen Staatshandelsländer in Nairobi nur überaus dürftige Zugeständnisse gemacht haben, so können doch die Entwicklungsländer für die Zukunft auf der einschlägigen Resolution weiter bauen. Der im Zusammenhang mit der Tätigkeit der beiden einzusetzenden Sachverständigengruppen zu erwartende gegenseitige Austausch von Infor-mationen wird die einschlägigen Probleme etwas transparenter machen und die Ostblockstaaten stärker als bisher in das kritische Blickfeld — und damit auch unter den Druck — der Entwicklungsländer bringen.
Der „Gemeinsame Fonds" im Rahmen des „Integrierten Rohstoffprogramms“ wird von den Ostblockstaaten nicht unterstützt, da nach ihrer Philosophie das Rohstoffproblem eine Folgeerscheinung der Krise des kapitalistischen Systems ist. Rumänien und Jugoslawien sprachen sich als Mitglieder der „Gruppe der 77“ für die Errichtung des Fonds aus.
Eine überaus pikante, in Nairobi nicht ventillierte Frage ist es, welche Folgen eintreten würden, wenn es den nichtkommunistischen Industrieländern einfallen sollte, eigene Hilfsmaßnahmen an die Dritte Welt von angemessenen Beiträgen des Ostblocks abhängig zu machen, um sie dadurch in Zugzwang zu bringen. Die Finanzierung des „Gemeinsamen Fonds" könnte ein brisantes Beispiel werden.
XVI. Wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Entwicklungsländern
In einer besonderen Resolution verpflichten sich die entwickelten marktwirtschaftlichen und die Staatshandelsländer, die Bemühungen der Entwicklungsländer zu unterstützen, welche in Richtung auf eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit und die Diversifizierung ihrer Strukturen gehen Sie werden insbesondere bestehende und neue interregionale Programme der wirtschaftlichen Zusammenarbeit unterstützen, einschließlich solcher, welche eine völlige oder teilweise wirt-schaitliche Integrierung anstreben. Die entwickelten Länder sollen u. a. auch die Gründung von multinationalen Unternehmen zwischen Entwicklungsländern mit Mitteln der technischen Hilfe fördern (z. B. durch Projektstudien und durch Erleichterung des Technologie-Transfers). Die entwickelten marktwirtschaftlichen Länder haben ferner die Unterstützung von Präferenzregelungen für den Handel zwischen Entwicklungsländern zugesagt. Die Staatshandelsländer werden die Bemühungen der Entwicklungsländer u. a. durch technische Hilfe bei der Errichtung von staatlichen Ein-und Ausfuhrunternehmen fördern. Es ist auch die Herstellung einer Verbindung zwischen dem System des transferierbaren Rubels (bei der International Bank for Economic Co-operation des Comecon) und regionalen Zahlungssystemen der Entwicklungsländer in Aussicht genommen.
Die „Gruppe der 77" informierte die Konferenz in Nairobi, daß das Thema der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Entwicklungsländern Gegenstand einer Sonderkonferenz in Mexico-City (6. — 14. September 1976) sein wird.
XVII. Sondermaßnahmen für die ärmsten Entwicklungsländer
Die längste Resolution von UNCTAD IV (23 Seiten!) befaßt sich mit Sondermaßnahmen für die ärmsten Entwicklungsländer, für Insel-Entwicklungsländer und für küstenfeme Ent-wicklungsländer Sie unterstreicht die Notwendigkeit, Sondermaßnahmen verschiedenster Art zugunsten der ärmsten und der durch ihre geographische Lage benachteiligten Entwicklungsländer zu treffen.
Die LLDC's (siehe Fußnote 89) sollen im Rahmen der technischen Hilfe einen höheren Anteil der gesamten Hilfe erhalten. (Die zu diesem Punkt nicht sehr präzise formulierten Klauseln scheinen bei konstant bleibendem Hilfsvolumen eine Erhöhung des Anteils zu Lasten der weniger armen Entwicklungsländer ausschließen zu wollen!) Die entwickelten Länder sollen einen Sonderfonds („special fund") finanziell „stark unterstützen". Die Hilfe an die LLDC's soll grundsätzlich in Form verlorener Zuschüsse gewährt werden.
(Einige Klauseln zur globalen Schuldenstreichung zugunsten der LLDG’s, die inhaltlich zu der in Abschnitt XII. erwähnten Resolution 94 in Widerspruch steht, sind aus der Resolution 98 nicht entfernt worden. Sie sollen in der nächsten Sitzung des UNCTAD-Handels-und Entwicklungsrates weiter behandelt werden.) Der besonderen Lage der LLDC's soll ferner auf dem Gebiet des Handels Rechnung getragen werden (z. B. im Rahmen von Rohstoffabkommen, in den Allgemeinen Präferenzsystemen bei den GATT-Verhandlungen, bei der Exporterlös-Stabilisierung). Sondermaßnahmen werden außerdem empfohlen auf dem Gebiet der Schiffahrt und hinsichtlich des Technologie-Transfers.
Der UNCTAD-Generalsekretär soll baldmöglichst eine Sondersitzung zur Abschätzung der Bedürfnisse der LLDC's einberufen. Die Ergebnisse dieses Treffens werden der Intergouvernementalen Gruppe für die LLDC’s bei UNCTAD unterbreitet werden. Ferner soll eine noch einzuberufende Ad-hoc-Expertengruppe sich mit der Untersuchung der besonderen Handelsprobleme der LLDC's befassen. Zahlreiche Sondermaßnahmen sind für die Insel-Entwicklungsländer u. a. auf den Gebieten Schiffahrt, Luftfahrt, Telekommunikationen, Rohstofferlöse, Handelspolitik, Tourismus in Aussicht genommen. Für die küstenfernen Entwicklungsländer befassen sich die einschlägigen Klauseln der Resolution insbesondere mit Maßnahmen auf den Gebieten Handel, Transport, Telekommunikationen, wirtschaftliche Restrukturierung, Hafenvergünstigungen, Luftfahrt und Tourismus. Der UNC-TAD-Generalsekretär soll Vorschläge organisatorischer Art für die Errichtung des von der UNO-Generalversammlung im Dezember 1975 in Aussicht genommenen Sonderfonds für küstenferne Entwicklungsländer ausarbeiten.
Keine verbindliche Einigung konnte zwischen den Entwicklungsländern über den Zugang küstenferner Entwicklungsländer zum und vom Meere erzielt werden. Die Resolution enthält daher keine diesbezügliche Empfehlung. Während die küstenfernen Länder ihr Recht auf freien Zugang proklamierten, machte eine Anzahl von „Transit" -Entwicklungsländern insofern Vorbehalte geltend. Ähnlich wie schon bei anderen UNCTAD-und sonstigen Mammutkonferenzen ist anläßlich der Nairobi-Konferenz erneut die Frage nach dem Wert oder Unwert solcher Veranstaltungen aufgeworfen worden. In seiner Rede im Bundestag Anfang Juni d. J. äußerte Helmut Schmidt Zweifel an der Effizienz solcher Konferenzen mit mehreren tausend Teilnehmern, und er steht mit seiner Skepsis nicht allein.
Die eigentlichen Entscheidungen — seien sie substantieller oder prozeduraler Art — werden nicht in Riesengremien getroffen, sondern von einigen Dutzend Persönlichkeiten. So war es auch in Nairobi. Effizienz sollte allerdings nur eines von mehreren Kriterien für die Bewertung von Großkonferenzen sein. Die Tatsache. daß solche Konferenzen für alle Länder der Welt zur Teilnahme offen sind, behält ihr Gewicht, auch wenn, wie in Nairobi, Dutzende von Ländern nur eine Art Kulisse, um nicht zu sagen den Konferenztroß bildeten. Es muß dem einzelnen Land überlassen bleiben, ob es die Kosten für seine Teilnahme tragen will, übrigens schaltete sich in Nairobi gerade manches kleine Land dynamisch in den Konferenzverlauf ein. Alle Länderdelegationen hatten Gelegenheit, sich vor und hinter den Kulissen aus erster Hand informieren zu lassen und auch der eigenen Meinung Ausdruck zu geben, wobei allerdings die kommunistischen Länder eine Sonderkategorie darstellten. Der vor der Weltöffentlichkeit geführte Dialog machte trotz allen verbalen Leerlaufs die Kontraste zwischen und innerhalb der verschiedenen Ländergruppen transparent und trug teilweise zu ihrer Entschärfung bei. Solange weltweite Konferenzen wie die UNCTAD nur alle drei/vier Jahre stattfinden, ist ihnen die Funktion eines nützlichen Ventils nicht abzusprechen. Es ist nicht gering zu veranschlagen, daß in Nairobi eine abrupte Konfrontation letzten Endes vermieden werden konnte, auch wenn die substantiellen Ergebnisse überaus dürftig sind. Die Einigung über das weitere prozedurale Vorgehen ermöglicht eine Fortführung des begonnenen Dialogs in den nächsten Monaten und Jahren in zahlreichen bestehenden und neu geschaffenen Gremien.
Otto Matzke, Dr. jur., Dipl. -Volkswirt, geb. 1911; von 1962 bis Anfang 1974 Stellvertretender Direktor bzw. Direktor der Project Management Division im UN/FAO World Food Programme, Rom; vorher im auswärtigen Dienst der Bundesrepublik Deutschland, gegenwärtig ständiger Mitarbeiter der Neuen Zürcher Zeitung, insbesondere für Welt-Rohstoff-Fragen, für Probleme der Welternährung und -landwirtschaft sowie die damit verbundenen entwicklungspolitischen und institutioneilen Fragen. Veröffentlichungen u. a.: Hunger und Überschuß (Überschußprobleme und Weltemährung — Die Rolle der Nahrungsmittelhilfe), Bonn 1969; Plündern die Reichen die Armen aus? — Die entwicklungspolitische Bedeutung der Rohstoffe, Bonn 1971; Entwicklungspolitik ohne Illusion (zusammen mit Hermann Priebe), Stuttgart 1972; Die Dritte Welt und die Agrarpolitik der EG-Länder, Frankfurt 1974; Der Hunger wartet nicht — Die Probleme der Welternährungskonferenz 1974, Bonn 1974; Parkinson und die Welternährungshilfe — Ein Beispiel für die internationale Bürokratisierung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 7/76; Problematische Exporterlös-Stabilisierung — Lome-Abkommen kein Vorbild, in: Beiträge zur Konfliktforschung, Köln 1976; zahlreiche Zeitungs-und Zeitschriftenartikel, u. a. in der Neuen Zürcher Zeitung, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dem Europa-Archiv und in Das Parlament.
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