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Die Ziele der Frauenbewegung | APuZ 31/1976 | bpb.de

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APuZ 31/1976 „Zeitsouveränität''durch flexible Arbeitszeit Zum politischen und ökonomischen System des Patriarchalismus Kritik und Ergänzung zum Beitrag von Rosemarie Nave-Herz u. a. in der Ausgabe B 50/75 Die Ziele der Frauenbewegung

Die Ziele der Frauenbewegung

Rosemarie Nave-Herz

/ 11 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Der Beitrag kann nicht die vielen in dem Aufsatz von Hannelore Schröder behandelten Probleme diskutieren; er stellt lediglich eine Antwort auf die Kritik dar, die die von uns durchgeführte Inhaltsanalyse der derzeitigen Emanzipationsliteratur betreffen. Diese beruhen offenbar überwiegend auf Mißverständnissen. Vor allem wird nachgewiesen, daß in die Analyse de facto nur „Emanzipations" -Literatur einbezogen wurde und die „Reaktions" -Literatur unberücksichtigt geblieben ist. Aus diesem Sachverhalt kristallisieren sich daher mehrere, Kritikpunkte von Frau Schröder als gegenstandslos heraus. Weiterhin wird u. a. eingegangen auf die Bezeichnung „bürgerliche Frauenbewegung", auf die Bewertung der Hausarbeit und abschließend auf die „Grenzziehung zwischen den Geschlechtern", wie sie im Aufsatz von Frau Schröder vorgenommen wurde.

Eine Replik

Die vorstehende Replik von Hannelore Schröder zu unserem Aufsatz „Die Ziele der Frauen-bewegung — Eine Inhaltsanalyse der Emanzipationsliteratur von 1968— 1973" (B 50/75) stellt einen interessanten Beitrag zu einigen Problemen dar, die in einer quantitativen Inhaltsanalyse nur kurz herausgestellt werden können und sollen. Ferner wird durch diesen Artikel in eindrucksvoller Weise das Konzept veranschaulicht, das wir als das ridakal-feministische Konzept bezeichneten. Soweit der Beitrag Kritik an unserer Untersuchung enthält, beruht diese allerdings zum überwiegenden Teil auf Mißverständnissen.

I.

Zunächst ist es notwendig, noch einmal kurz das Ziel der Analyse herauszustellen und auf die Literaturauswahl einzugehen. Unser erkenntnisleitendes Interesse haben wir auf Seite 4 betont; wir wollten nicht erneut das Thema der Diskriminierung der Frau in der Bundesrepublik behandeln, so wichtig uns auch das immer wieder erneute Erinnern an diesen Sachverhalt in der Öffentlichkeit erscheint. Wir wollten in dieser Analyse darüber hinausgehen und — wie im Titel angekündigt — nach vorhandenen Zielvorstellungen zur Veränderung der sozialen Lage der Frau in unserer Gesellschaft fragen. Wir schrieben: „Bewußte Veränderungen können . . . immer nur im Hinblick auf ein genau formuliertes Ziel durchgeführt werden. Das klingt zwar banal, ist aber dennoch zu erwähnen, weil einerseits bei vielen Autoren, Politikern, Betroffenen usw. Veränderungen proklamiert werden, aber exakte Zielangaben fehlen, und weil an-

dererseits trotz aller Einigkeit in dem Wunsche nach Veränderung die Zielvorstellungen der einzelnen Autoren stark divergieren. Insofern ist es wissenschaftlich nunmehr an der Zeit, einen Überblick über die vorhandenen Zielvorstellungen zu geben. Die vorliegende Arbeit will versuchen, diese Lücke zu schließen" (S. 4). Dazu haben wir zunächst die Ziele der organisierten Frauenbewegung beschrieben und dann durch eine quantitative Inhalts-analyse die Zielvorstellungen auf dem Büchermarkt zu erfassen versucht, um ein möglichst breites Spektrum von Zielvorstellungen aufzugreifen. Wir haben damit keineswegs unterstellt, daß die Autoren Mitglieder der organisierten Frauenbewegung wären oder diese Bücher gerade von Angehörigen der Neuen Frauenbewegung gelesen würden (vgl.

S. 17 der Kritik und S. 11 unseres Artikels).

Unseres Erachtens ist es nicht einmal möglich, einen prozentualen Anteil anzunehmen •— wie es die Verfasserin unternimmt —, da die vielen locker strukturierten Gruppen der Neuen Frauenbewegung keine Mitgliederverzeichnisse erstellen. Ferner erscheint es uns nicht legitim, den Begriff „Frauenbewegung" nur auf die Neue Frauenbewegung anzuwenden, wie es der Verfasserin immer wieder unterläuft (vgl. hierzu etwa S. 30). Denn einerseits gibt es innerhalb der heutigen organisierten Frauenbewegung auch noch die traditionellen Verbände, die sich — entsprechend dem eigenen Selbstverständnis — ebenso für eine Veränderung der sozialen Lage der Frau in unserer Gesellschaft einsetzen, wenn auch mit anderen Zielvorstellungen und Strategien (vgl. S. 10 unseres Artikels) Andererseits wird eine „Bewegung" — so schrieben wir — auch immer von jenen getragen, die sich nicht oder noch nicht entsprechenden Organisationen angeschlossen haben. So umfaßt eine „Bewegung" auch jene Frauen, die zwar kei-ner der neuen oder der etablierten Frauen-gruppen angehören, aber gleiche oder ähnliche Interessen mit ihnen teilen und Veränderungen auf Mikro-und/oder Makro-Ebene, z. B. durch Massenkommunikationsmittel, fordern.

über den Selektionsmechanismus der Buchindustrie waren wir uns hierbei durchaus bewußt. So formulierten wir das Ziel des zweiten Abschnittes folgendermaßen: „Mit ihren Forderungen (nämlich der Buchautoren, d. Verf.) erstreben sie bestimmte Veränderungen. Ob de facto das Massenkommunikationsmittel Buch’ sozialen Wandel schaffen kann, ist bisher innerhalb der Wirkungsforschung noch ungeklärt. Der folgende Bericht. . . will lediglich aufzeigen, welche Zielvorstellungen während einer bestimmten Epoche auf dem Büchermarkt vorherrschen und darüber hinaus: ob und welche Trends in dem Untersuchungszeitraum zu erkennen sind, wobei immer mitzubedenken ist, daß die quantitative Verbreitung eines bestimmten gesellschaftlichen Konzepts auf dem Büchermarkt nicht durch die mögliche Zahl der Autoren, sondern durch die Absatzüberlegungen der Verleger, der Buchindustrie, durch die , gate keepers'(Kurt Lewin), gesteuert wird. Die quantitative Verbreitung läßt aber Rückschlüsse zu auf die Bedarfskalkulation der Verleger, also auf ihre Vermutung eines Bedürfnisses, das sich in Absatz umsetzen läßt. Das Bedürfnis aber kann wiederum als Indikator für bewußtes oder unbewußtes Unbehagen an der eigenen sozialen Lage, für ein Suchen nach Lösungswegen aus individuellen Schwierigkeiten oder für die Einsicht in gesellschaftliche Antagonismen gelten. Außerdem kann vermutet werden, daß die Rezipienten über ähnliche Primärerfahrungen verfügen wie die Kommunikatoren und daß die Letzteren für eine Kategorie von Rezipienten schreiben, deren soziale Lage und Primärerfahrung ähnlich ihrer ist und die ihre Erfahrung und Lösungswege an ein breites — wenn auch anonymes — Publikum weiterreichen wollen zum Zwecke genereller Veränderungen" (S. 11).

Wenn Hannelore Schröder die Antithese zur Diskussion stellen will, „daß vielmehr die Ziele der Reaktionäre, die der veröffentlichten Autoren und der Manager des Buchmarktes weitestgehend konvergieren" (S. 18 der Kritik), so wäre das zwar eine interessante Forschungsfrage, jedoch keine antithetische zu unserer. Denn diese Literatur blieb in unserer Analyse unberücksichtigt. Auch die Gegenüberstellung von „Reaktions-Literatur" und „Emanzipations-Literatur" wäre eine interessante — aber völlig andere — Aufgabe. Denn wir stimmen mit der Autorin darin völlig überein, daß beide Arten von Literatur auf keinen Fall subsumiert werden dürfen, und wir haben uns entsprechend unserer Fragestellung auch nur mit der Emanzipations-Literatur beschäftigt. Frau Schröder hätte am fehlenden Stern im Literatur-Verzeichnis übrigens erkennen können, daß die von ihr angegebenen Bücher (Faster, Vilar, Tiger; Mailer und Boschmann wurden überhaupt nicht erfaßt) in unsere Analyse nicht mit einbezogen wurden. Es blieben überhaupt viele Bücher, die zunächst vom Titel her relevant für das gestellte Thema erschienen, unberücksichtigt, da nur solche Literatur zur Inhaltsanalyse herangezogen worden ist, die „eine Veränderung der sozialen Lage der Frau in unserer Gesellschaft fordern" (S. 12). Insofern ist die Kritik auf S. 21 f. ihrer Antwort gegenstandslos.

Ebenso ungerechtfertigt ist der Vorwurf auf S. 22, daß wir „Emanzipations-Literatur" analysiert hätten, ohne diesen Begriff vorher zu definieren. Das haben wir getan (vgl. S. 12). Wir haben es dagegen nicht unternommen, den Begriff „Emanzipation" als solchen zu untersuchen. Der Hinweis auf die Spezialliteratur sollte den Schwierigkeitsgrad eines solchen und im Rahmen dieser Untersuchung nicht notwendigen Unterfangens deutlich machen. Die Autorin gibt im übrigen in diesem Zusammenhang eine interessante und eindrucksvolle qualitative Analyse über die zitierte Spezialliteratur (S. 23 ihrer Kritik), der nur zuzustimmen ist.

Die weitere Kritik der Autorin, die sich gegen die vier Grundkonzepte richtet, ist wegen des bereits dargelegten Mißverständnisses über die herangezogene Literatur ebenfalls gegenstandslos. Ihre weiteren Ausführungen unterstützen und ergänzen die Beschreibung der Konzepte, stellen sie also keineswegs in Frage und münden schließlich in eine inter-essante Prognose über die Entwicklung der Neuen Frauenbewegung (S. 30 f.der Kritik). Gleiches gilt für die Beschreibung der Frauenbewegung des 19. Jahrhunderts (S. 24 ff.der Kritik); denn auch hier ergeben sich keine Wiedersprüche zu unserem Text. Die Abfassung des Artikels als eine Entgegnung auf unsere Analyse ist aber insofern pro-43 lematisch, als sie beim Leser, der unseren Artikel nicht kennt, den Verdacht aufkommen lassen könnte, daß wir die vielen Behauptungen vertreten hätten, die sie an den verschiedensten Stellen kritisiert (z. B. auf S. 28). Ihr Beitrag — das sei nochmals betont — stellt eine eigenständige Erörterung bestimmter Probleme dar, weniger eine Kritik an unseren Bericht.

In ihrem Artikel fordert die Autorin, nicht mehr von „bürgerlicher Frauenbewegung" zu sprechen (dies haben wir getan), da die Bezeichnung ein Mittel wäre, die Eigenständigkeit der Bewegung zu diffamieren. Dem kann ich nicht zustimmen; denn das Wort „bürgerlich" wurde im Hinblick auf die proletarische Frauenbewegung gewählt (die Bezeichnung wurde natürlich nicht von uns erdacht), und beide Richtungen unterschieden sich sehr wohl im Ziel wie in der Strategie und wollten ihre Andersartigkeit betont wissen (vgl. z. B. Clara Zetkin) — trotz aller Gemeinsamkeit, was das gemeinsame Wort „Frauenbewegung" ja markiert! Darüber hinaus bestand jedoch die bürgerliche Frauenbewegung aus sehr unterschiedlichen politischen Gruppierungen und Einzelpersönlichkeiten, so daß die Bezeichnung „bürgerlich" höchstens eine zu starke Gemeinsamkeit aller derjenigen Frauen betont, die sich nicht zur proletarischen Frauenbewegung zählen. Diese Überlegung wäre meines Erachtens eine gerechtfertigte Kritik an dem Begriff. Da die Bezeichnung jedoch das feministische Moment unterschlagen würde und ihre Vertreterinnen zu stark als Vertreterinnen des Bürgertums und weniger stark als Vertreterinnen der Frauen bzw.der Frauenbewegung apostrophiert und damit die gleiche Lage aller Frauen geleugnet und eine künstliche Trennung geschaffen würde, geht diese Annahme von einem Ansatz aus, der meines Erachtens das Ungleiche (Klassenlage, Ausbildungsniveau usw.) gegenüber dem Gleichen (Frau zu sein in unserer Gesellschaft) überbetont. Dies ist jedoch innerhalb der Frauenbewegung eine strittige und ungelöste Frage und hat hier bereits zu positionalen Unterschieden geführt An diesem Problem müßten gezielte empirische Untersuchungen einsetzen, die zumindest erst einmal die realen Lagen und die subjektiven Befind. von Frauen erfassen sollten, um Trennendes und Gemeinsames aufzuspüren. Zur Richtigstellung des Gleichberechtigungs-

Konzeptes sollen noch drei kurze Anmerkungen angefügt werden: Mit dem Satz, daß das Gleichberechtigungs-Konzept als das „gemäßigte Konzept" angesehen werden könnte (S. 15 unseres Artikels und S. 30 der Kritik), ist natürlich nur ein Vergleich zu den anderen Konzepten gezogen worden. Außerdem scheint das Wort „selbstverständlich" im Zusammenhang mit dem Gleichheitsanspruch der bürgerlich-patriarchalischen Gesellschaft (vgl. S. 25 der Kritik) in unserem Bericht irreführend zu sein; es bezog sich auf die logische (theoretische) Ableitbarkeit; jedoch war keineswegs damit gemeint, daß de facto sowohl die Theoretiker als auch die Praktiker in der damaligen Zeit diese gedankliche Fortführung so „selbstverständlich" vollzogen hätten. Ferner ist das Gleichberechtigungs-Konzept auch „systemüberschreitend" (S. 30 der Kritik), aber — so wurde von uns betont — das ist eine Folge, keine primäre Absicht der Autoren.

III.

Zum Vorwurf der „Mätressen-Ideologie" (S. 31 der Kritik) sei folgendes kurz angemerkt: Es wurden in diesem Absatz nicht Fragen der Strategie behandelt, sie sollten auch nicht einmal angedeutet werden (es gibt im übrigen wohl weit mehr Möglichkeiten, auf politische Entscheidungsprozesse informell Einfluß zu nehmen, als die Verfasserin aufzeigt, und zwar sehr wohl in „kritischer Offenheit und Kompromißlosigkeit" und nicht nur durch „demütiges Buhlen und sklavisches Schmeicheln"). Es sollte hier lediglich darauf verwiesen werden, daß sich die Vertreterinnen der alten und der heutigen Frauenbewegung (und zwar die Mitglieder der neuen und etablierten Gruppen) nicht isoliert (wie Robinson Crusoe auf einer einsamen Insel) leben, sondern Mitglieder familiärer und anderer sozialer Interaktionsbeziehungen sind, und daß dadurch ihre Einstellungen zur Frauenfrage, ihr Verhalten usw. nicht nur zur Kenntnis genommen wird, sondern auch zu Auseinandersetzungen zwingen kann, die für eine Veränderung förderlich, aber u. U. sogar auch hinderlich sein können. Die auf diese Weise eingeleiteten Prozesse sind kaum erfaßbar, was aber nicht mit Wirkungslosigkeit gleichzusetzen ist. Frau Schröder bringt im letzten Kapitel eine polit-ökonomische Analyse der Hausarbeit. Hierzu sei nur kurz folgendes richtiggestellt: Die Verfasserin hat in diesem Zusammenhang unsere Ausführungen über die Hausfrauentätigkeit gedanklich insofern verkürzt, als wir nur dann von einem sich anbahnenden Konservativismus in der Frauenbewegung sprechen wollten, wenn eine Zunahme der Forderungen nach Anerkennung der Hausfrauentätigkeiten und Aufwertung der Hausarbeit sich abzeichnet ohne gleichzeitige Zunahme der Forderungen nach Veränderungen der traditionellen Rollenmuster und/oder der traditionellen geschlechtsspezifischen Arbeitseinteilung. Im übrigen zeigte diese Untersuchung ja gerade, daß beide Forderungen in zunehmendem Maße gestellt werden. Wir schrieben: „Dieser mögliche Konservativismus bahnt sich jedoch in der Literatur bisher nicht an" (S. 22). Ferner implizierten unsere Äußerungen nicht, daß die Hausfrauentätigkeit als

Abschließend möchten wir betonen, daß wir — ähnlich wie die Frau Schröder — die Auffassung vertreten, daß noch immer viele patriarchalische Strukturen die Gleichheit der Geschlechter behindern und daß der Patriarchalismus noch lange nicht überwunden ist. Dennoch ist es m. E. nicht gerechtfertigt, aus den historischen Gegebenheiten monokausale Unterdrückungsmechanismen für die heutige Zeit abzuleiten. Auch Männer beginnen, ihre historische Rolle als überholt und sogar als repressiv zu empfinden Dieses Konzept verleitet jedoch dazu, Personen aufgrund ihres Geschlechts, weniger aufgrund ihres Verhaltens und ihrer Einstellung zu beurteilen, aber gerade das sollte verändert und nicht ins Gegenteil verkehrt werden. Denn eine vorschnelle Grenzziehung zwischen den Geschlechtern verführt zu einem Freund-FeindBild, das differenziertere Betrachtungen versperrt, Veränderungen u. U. nicht wahrnimmt und möglicherweise sogar den Konflikt auf falscher Ebene ansiedelt. Denn — darauf wies L. A. Coser bereits hin — ein Konflikt hat gruppenbildenden und gruppenfestigenden

IV.

eine „unproduktive Arbeit" zu betrachten wäre, und wir haben auch nicht behauptet, daß dieser Tätigkeitsbereich „als nicht mehr vorhanden angesehen werden kann" (S. 37 der Kritik). Ich kann der Verfasserin auch nicht zustimmen, wenn sie den Umfang der Hausarbeit überbewertet und als Beleg die Berechnungen des Instituts für Hauswirtschaft anführt, die sehr undifferenzierte Zahlen aufweisen. Denn: 1. hängt die Arbeitsbelastung der Hausfrau sehr stark vom Familien-rhythmus und von den ökonomischen Mitteln ab; 2. hatte schon Betty Friedan darauf hingewiesen, daß sich Hausarbeit „wie Gummi dehnen ließe“ und der Haushalt bei vielen Frauen die Gefahr liefe, wegen mangelndem Selbstbestätigungsgefühls auf anderen Gebieten zum Selbstzweck auszuarten; 3. haben die technischen und rationelleren Verfahren zweifellos die Hausfrauentätigkeit reduziert, wenn sich auch die Sauberkeitsstandards erhöht haben.

Charakter. Das aber könnte bedeuten, daß diejenigen Männer, die ebenso eine Veränderung anstreben und nicht mehr dem von der Verfasserin skizzierten patriarchalischen Bild entsprechen, ausgeschlossen und zurückgestoßen werden in die Gruppe, von der sie sich bereits lösten. Mögliche Solidaritätspartner gehen auf diese Weise verloren, obwohl eine Veränderung der Rolle der Frau nur möglich ist bei gleichzeitiger Veränderung der dichotomen Geschlechtsrolle, denn es gilt die Polarisation der Geschlechtsrollen zu durchbrechen. Insofern müssen die Bestrebungen zur Veränderung der Geschlechtsrollen bei beiden, der femininen und maskulinen Rolle, ansetzen Eine einseitige Bemühung um Veränderung birgt die Gefahr der gesellschaftlichen Isolierung in sich.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Erst vor kurzem, im April 1976, hat z. B.der Deutsche ’Frauenrat — der Dachverband dieser Organisationen----zu einer öffentlichen Großveranstaltung „Frauen fragen Politiker" in der Stadt-halle von Bad Godesberg aufgerufen, an der 400 Delegierte der Mitgliedsverbände, 400 Vertreter aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens und der Medien teilnahmen und zu der Spitzenpolitiker der vier Parteien des Deutschen Bundestages gebeten worden waren. Die Vorsitzende, Frau I. von Meibom, erklärte als Sinn und Zweck der Veranstaltung: -„Wir wollen mit dieser Veranstaltung Signalwirkungen setzen. Frauen werden weiter fragen. Frauen werden auch in Zukunft und an anderer Stelle die Politiker beim Wort nehmen. Das ist das Ziel dieser Veranstaltung." Und sie schloß die Versammlung mit folgenden Worten: „Wir haben versucht, deutlich zu machen, daß wir uns noch bessere Zeiten bezüglich der Stellung der Frau wünschen, und darum bitte ich die vier Politiker, die hier mit uns diskutiert haben, zu ihrem Teil mit dazu beizutragen, daß es so wird. Und Ihnen allen möchte ich Mut machen, fragen auch Sie Ihre Politiker. Wir werden uns ganz sicher vornehmen, die Politiker beim Wort zu nehmen und das, was wir angesprochen haben, auch fortsetzen. Ich danke Ihnen allen" (Informationen für die Frau, Folge 5, 1976, S. 19).

  2. Dieser radikal-feministische Ansatz wurde vor allem auch von einigen schwarzen Frauen in den USA kritisiert, die stärker die Ungleichheit zwischen ihnen und den weißen Feministinnen spüren als das Gemeinsame.

  3. Vgl. hierzu u. a. H. E. Richter, Lernziel Solidarität, Hamburg 1974, S. 28 ff.

  4. L. A, Coser, Theorie sozialer Konflikte, Neuwied 1965.

  5. Diese Gedankengänge habe ich ausführlich darzulegen versucht in: „Das Dilemma der Frau in unserer Gesellschaft: Der Anachronismus in den Rollenerwartungen", 2. Aufl., Neuwied 1975. — Noch zentraler wurde dieses Problem von mir erörtert in dem Aufsatz: „Veränderungschancen der femininen Rolle — Konsequenzen rollentheoretischer Überlegungen", in: Reform in der Demokratie — Theoretische Ansätze — Konkrete Erfahrungen — Politische Konsequenzen (Willy Strzelewicz zum 70. Geburtstag), hrsg. v. W. Schulenberg, Hamburg 1976, S. 285 ff.

Weitere Inhalte

Rosemarie Nave-Herz, Dr. rer. pol., geb. 1935; nach dem Studium der Soziologie, Wirtschaftswissenschaften, Germanistik und Pädagogik in Köln wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin, dann. Dozentur für Soziologie an der Pädagog. Hochschule Niedersachsen, ab 1971 o. Prof, an der Pädagog. Hochschule Rheinland, Abt. Köln; seit 1975 o. Prof, an der Universität Oldenburg. Veröffentlichungen u. a.: Die Elternschule — 'Entwicklung und Stand im Rahmen der institutionalisierten Elternerziehung in Westdeutschland und West-Berlin, Neuwied 1964; Vorberuflicher Unterricht in Europa und Nordamerika, Studien und Berichte des Instituts für Bildungsforschung in der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin 1966; Modelle zur Arbeitslehre, Weinheim 1971; Womens Careers: Experience from East and West Germany (zus. mit I. Sommerkorn und Ch. Kulke), London 1970; Das Dilemma der Frau in unserer Zeit: Der Anachronismus in den Rollenerwartungen, Neuwied 19752; Beruf — Freizeit — Weiterbildung, Darmstadt 1975; Veränderungschancen der femininen Rolle — Kons. -quenzen rollentheoretischer Überlegungen, in: Wolfgang Schulenberg (Hrsg.), Reform in der Demokratie, Hamburg 1976.