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Die Aprilkrise in China. Vorgeschichte, Verlauf und Auswirkungen des Sturzes von Teng Hsiao-p’ing und der Unruhen in Peking | APuZ 30/1976 | bpb.de

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APuZ 30/1976 Artikel 1 Die Politik der USA im südlichen Afrika Die Aprilkrise in China. Vorgeschichte, Verlauf und Auswirkungen des Sturzes von Teng Hsiao-p’ing und der Unruhen in Peking

Die Aprilkrise in China. Vorgeschichte, Verlauf und Auswirkungen des Sturzes von Teng Hsiao-p’ing und der Unruhen in Peking

Jürgen Domes

/ 38 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Das plötzliche Auftreten von Vizepräsident und Sicherheitsminister Hua Kuo-feng als neuer amtierender Premierminister Chinas am 7. Februar dieses Jahres und seine endgültige Ernennung zum Premierminister und Ersten Stellvertretenden Vorsitzenden des ZK der Kommunistischen Partei am 7. April haben überall in der Welt unter den Kennern der chinesischen Szene Überraschung ausgelöst. Hua setzte sich gegen den Stellvertreter Chou En-lais, Teng Hsiao-p’ing, durch und ist damit nach dem ehemaligen Staatspräsidenten Liu-Shao-ch’i, der in der Kulturrevolution . gesäubert'wurde, dem im September 1971 von der Bildfläche verschwundenen ehemaligen Verteidigungsminister Lin Piao und dem im Januar 1976 verstorbenen, langjährigen Premierminister Chou En-lai der vierte designierte Nachfolger Maos geworden. Der neue Premier Chinas genießt im Westen bisher nur einen geringen Bekanntheitsgrad und erschien offenbar deshalb vielen auch als unbedeutend. Er wurde vor allem von den westlichen Journalisten in Peking als ein „Mann der Mitte", also als Garant der seit 1971/72 gültigen chinesischen Politik ausgegeben. Aber schon die unmittelbaren Umstände, die am 7. April zu seiner Ernennung führten, deuten auf das Gegenteil hin. In den ersten Apriltagen hatten sich Tausende von zumeist jüngeren Leuten vor dem Tor , des himmlischen Friedens'auf dem weiten Aufmarschplatz im Herzen Pekings eingefunden, um dem verstorbenen Premier Chou En-lai zum Totengedenktag besondere Ehren zuteil werden zu lassen. Versuche der Regierung, die immer umfangreicher werdende Demonstration der Totenehrung für Chou zu unterbinden, führten zu heftigen Zusammenstößen zwischen der Menschenmenge und den Sicherheits-und Ordnungskräften. Die Parolen der Demonstranten ließen keinen Zweifel mehr daran, daß die Mengen in dem Aufstieg der von Hua Kuo-feng geführten Fraktion innerhalb der Kommunistischen Partei und in der massiven Kampagne, die sie nur wenige Wochen nach dem Tode Chou En-lais gegen Vizepremier Teng Hsiao-p’ing eingeleitet hatten, die Gefahr einer neuerlichen einschneidenden Korrektur des innenpolitischen Kurses sahen. Zum ersten Male sprachen sich damit die von Partei und Regierung so oft zitierten „Massen" tiir alle Welt wahrnehmbar gegen Maßnahmen und Entscheidungen aus, die von Mao Tse-tung gebilligt worden waren. Sie begehrten also gegen den Parteivorsitzenden selber auf. Das transitorische Krisensystem der Volksrepublik China, das sich seit 1959 aus in immer kürzerer Abfolge auftretenden Konflikten rivalisierender Gruppen innerhalb der Kommunistischen Partei entwickelt hat, läßt damit heute eine neue Dimension erkennen: den offenen Konflikt zwischen den herrschenden Eliten und qroßen Teilen der Bevölkerung.

Seit dem plötzlichen Sturz des in der Kultur-revolution zum Nachfolger Mao Tse-tungs de-signierten, ehemaligen Verteidigungsministers Lin Piao haben keine Nachrichten aus der Volksrepublik China (VR China) mehr so viel Überraschung unter den Beobachtern der chinesischen Politik in aller Welt ausgelöst, wie die Meldungen, die uns Anfang April dieses Jahres erreichten.

Als Premierminister Chou En-lai am 8. Januar 1976 starb, schien-seine Nachfolge gesichert: Der erste Vizepremier und Vizevorsitzende des Zentralkomitees (ZK) der Kommunistischen Partei Chinas (Kung-ch'an tang; KCT), Teng Hsiao-p'ing — in der Kulturrevolution als „zweiter kapitalistischer Machthaber in der Partei" angegriffen und . gesäubert', im April 1973 jedoch rehabilitiert —, hatte bereits seit der Erkrankung Chous im Mai 1974 die Funktionen des Leiters des Staatsapparates wahrgenommen. Nichts schien selbstverständlicher, als daß Teng, Symbolfigur einer an pragmatischen Entwicklungs-und Sicherheitserwägungen orientierten Politik der Konsolidierung, jetzt auch formell das Amt des Premiers übernehmen würde. Doch dann wurde plötzlich am 7. Februar der bisher an sechster Stelle im Präsidium des Staatsrates rangierende Vizepremier und Minister für öffentliche Sicherheit, Hua Kuo-feng, als „amtierender Premierminister" genannt ein wahrscheinlich etwa 63jähriger Altfunktionär mit umfassenden Erfahrungen in den unteren und mittleren Ebenen der Parteiorganisation, in der Landwirtschaftspolitik und im Apparat der Geheimpolizei, der erst nach dem Sturz Lin Piaos eine führende Position in der Zentrale übernommen hatte Wenige Tage später begann in den chinesischen Massenmedien eine intensive Kampagne der Kritik an einem zunächst nicht namentlich genannten „unverbesserlichen kapitalistischen Machthaber in der Partei" der rasch als Teng Hsiao-p’ing identifiziert werden konnte.

Die parteiamtliche Nachrichtenagentur „New China News Agency“ (NCNA) nahm diese Identifizierung allerdings erst am Abend des 7. April mit folgender Erklärung vor: „In der um 14. 10 Uhr gesendeten Meldung sind die Worte Jener unverbesserliche kapitalistische Machthaber in der Partei'durch die Worte , der unverbesserliche kapitalistische Machthaber in der Partei, Teng Hsiao-p'ing', zu ersetzen."

Nur wenige Minuten später teilte Radio Peking der Welt den Sturz Tengs sowie die Ernennung Hua Kuo-fengs zum Ersten Vizevorsitzenden des ZK der KCT und zum Premierminister mit. Beide Beschlüsse seien, so hieß es, „einstimmig" vom Politbüro des ZK der KCT, „auf Grund eines Vorschlages des großen Führers, des Vorsitzenden Mao", gefaßt worden

Die Ernennung Huas verstieß sowohl gegen Art. 9 des Parteistatuts der KCT vom 28. August 1973, der die Wahl der Vizevorsitzenden des ZK durch dessen Plenum vorschreibt, als auch gegen Art. 17 der Verfassung, der VR China vom 17. Januar 1975, nach dem der Premierminister vom Nationalen Volkskongreß auf Vorschlag des ZK der KCT gewählt werden soll. Aber statuarische Verfahrensfragen haben die Führungsgruppe in Peking schon seit den frühen sechziger Jahren kaum noch bekümmert. Der China-Wissenschaft würde so nur ein weiteres Mal die Sinnlosigkeit des Studiums chinesischer Parteistatute und Verfassungen vor Augen geführt.

Von erheblich größerer Bedeutung war der Wortlaut des Politbüro-Beschlusses über die Säuberung Teng Hsiao-p’ings: „Das Politbüro des ZK der KCT diskutierte den konterrevolu- tionären Zwischenfall, der auf dem Platz vor dem T'ienanmen ausbrach, sowie das Verhalten Teng Hsiao-p'ings in letzter Zeit. Es vertritt die Auffassung, daß das Problem Teng Hsiao-p'ing bereits den Charakter eines antagonistischen Widerspruchs angenommen habe. Auf Vorschlag des großen Führers, des Vorsitzenden Mao, beschloß das Politbüro einstimmig, Teng Hsiao-p'ing aller Ämter innerhalb und außerhalb der Partei zu entheben, seine Parteimitgliedschaft (jedoch) vorbehaltlich einer späteren Prüfung aufrechtzuerhalten."

Damit bestätigte die chinesische Führung offiziell, was westliche Nachrichtenagenturen bereits am 5. April und Hongkonger Zeitungen am 6. April gemeldet hatten, daß nämlich im Herzen Pekings, auf jenem Platz, auf dem Mao Tse-tung am 1. Oktober 1949 die Gründung der VR China proklamiert hatte, an der Stätte der großen Massenkundgebungen des Regimes, Unruhen ausgebrochen waren.

Die Reaktion der Führung auf dieses Ereignis zeigte deutlich Erschrecken und Verwirrung. Mehr als drei Wochen lang lasen sich Berichte in der Pekinger „Volkszeitung" (Jen-min jih-pao-, JMJP) wie die Kampfreportagen rotgardistischer Blätter zur Zeit des Höhepunktes der Fraktionskämpfe in der Kulturrevolution. Noch nie in der Geschichte der VR China haben die offiziellen Medien so detailliert und umfassend von Opposition und Widerstand gegen die KCT berichtet.

Innerhalb von drei Wochen nach dem Tode Chou En-lais war also dessen designierter Nachfolger gestürzt und ein den oberflächlichen Beobachtern der chinesischen politischen Szene weitgehend unbekannter Mann an die zweite Stelle der Parteiführung sowie an die Spitze des Apparats der Staatsverwaltung vorgerückt. Auseinandersetzungen über diese Entscheidungen innerhalb der Führung hatten offenen Widerstand im Zentrum der Hauptstadt bewirkt.

Noch ist die Zeit für eine umfassende Analyse der dramatischen Ereignisse des Frühjahrs 1976 nicht reif. Aber eine erste, vorläufige Darstellung und Wertung kann anhand des jetzt vorliegenden Materials bereits vorgenommen werden. Sie wird für spätere Korrekturen offen sein müssen; Schlußfolgerungen werden nur mit dem Vorbehalt ausgesprochen werden können, daß diese der Ergänzung wie der Verdeutlichung durch die Ergebnisse langfristig angelegter Untersuchungen bedürfen. Unter diesen Voraussetzungen soll versucht werden, — die Vorgeschichte des neuen innenpolitischen Konflikts in China zu beleuchten;

— den Verlauf der Ereignisse im April dieses Jahres zu schildern; und — nach den Folgerungen zu fragen, die sich für das Studium der chinesischen Politik wie auch für den politischen Umgang mit der VR China aus diesen Ereignissen ergeben.

I.

Chinas innenpolitische Entwicklung hat sich in den letzten eineinhalb Jahrzehnten im wesentlichen als eine Abfolge von in immer kürzeren Zeitabständen auftretenden Krisen und innerparteilichen Konflikten vollzogen. Im Vordergrund der Auseinandersetzungen stand und steht bis heute das Problem der personellen Nachfolge für Mao Tse-tung sowie einer programmatisch auf die Durchsetzung seiner gesellschaftspolitischen Vorstellungen festgelegten Generationsnachfolge. Das politische System Chinas nahm so die Züge eines transitorischenKrisensystems an, eines Systems also im Übergang von der unbestrittenen, charismatischen Führerschaft Maos in den fünfziger Jahren zu einem wahrscheinlich erst nach dem Tode des Parteivorsitzenden erreichbaren System der institutionalisierten Führung 9). So unterschiedlich die Konflikte im einzelnen verliefen, so deutlich war ihnen in der Vorbereitungsphase die Herausbildung von Meinungs-und funktionalen Gruppen innerhalb der KCT gemeinsam, die sich über jeweils begrenzte Sachkonflikte in wechselnden Koalitionen zusammenschlossen und Kompromisse über personelle wie politische Entscheidungen eingingen. Die Verdichtung solcher Koalitionen zu Fraktionen, kohärenten Zirkeln, die sich auf umfassende alternative Sachprogramme stützten, signalisierte in allen Fällen den Beginn der Krise, den offenen Konflikt Unmittelbar nach dem X. Parteitag der KCT (24. — 28. August 1973), nach einer Phase, die ganz im Zeichen der Überwindung der Lin Piao-Krise vom September 1971 gestanden hatte, wurde für den aufmerksamen Beobachter wiederum die Herausbildung solcher Mei-nungs-und funktionaler Gruppen erkennbar: 1. Die Gruppe jener Kader des diplomatischen und Vefwaltungsapparats, die in der Kulturrevolution ihre Position hatte halten können. Sie wurde von dem damaligen Premier Chou En-lai bis zu dessen Erkrankung geführt und umfaßt etwa 45 Vollmitglieder des ZK. Dieser Kreis, dessen wichtigster Vertreter heute der Zweite Vizepremier Li Hsiennien ist, unterhielt allem Anschein nach enge Beziehungen zu 2.der Gruppe der rehabilitierten Kader, die als Angehörige der anti-maoistischen Fraktion im Parteiapparat während der Kulturrevolution . gesäubert'worden waren und seit 1972, vor allem aber in den Jahren 1974 und 1975, erneut aktiv werden konnten. Unter der Führung Teng Hsiao-p'ings gehörten ihr mindestens 14 Vollmitglieder des ZK an.

3. Die Gruppe der kulturrevolutionären Linken unter der Führung der Frau des Parteiführers, Chiang Ch'ing, des'heutigen Ersten 8 Vizepremiers Chang Ch'un-ch’iao und des Parteitheoretikers Yao Wen-yüan. Sie setzt sich aus dem engsten Kreis der Mitarbeiter Maos und aus jenen ehemaligen Funktionären der maoistischen Massenorganisationen zusammen, die inzwischen Eingang in den Parteiapparat gefunden haben. Mit etwa 40 Voll-mitgliedern des ZK kontrolliert sie den Propagandaapparat der KCT und damit die zentralen Massenmedien, aber auch die Gewerkschaften, die städtischen Arbeitermilizen in Peking und Shanghai sowie die Kommunistische Jugendliga. Mit dieser Gruppe arbeitet eine weitere eng zusammen, die von den meisten Beobachtern bis heute als Teil der kulturrevolutionären Linken verstanden wird, in der Tat jedoch von ihr zu unterscheiden ist:

4. die Geheimpolizei-Linke, deren Einfluß seit dem Sturz Lin Piaos, vor allem aber seit Anfang 1973 bemerkenswert zugenommen hat. Ihre maßgeblichen Vertreter, allen voran der neue Premierminister Hua Kuo-feng und der zweite Vizevorsitzende des ZK, Wang Hung-wen, waren vor der Kulturrevolution meist in untergeordneten oder mittleren Positionen des Sicherheitsund des zivilen Partei-apparats tätig und übernahmen seither die Kontrolle über die Sicherheitsorgane. Dieser Gruppe sind 18 oder 19 Vollmitglieder des ZK zuzurechnen. 5. Die Vertreter der Streitkräfte in der Füh-rungsgruppe, zu denen etwa 70 Vollmitglieder des ZK gehören, die jedoch seit dem Tode Lin Piaos keine anerkannte Führerpersönlichkeit hervorgebracht haben und sich in den Auseinandersetzungen der letzten Zeit außerordentliche Zurückhaltung auferlegten. Von dieser Gruppe, die im politischen Entscheidungsvorgang eine Schlüsselstellung einnehmen würde, wenn es ihr gelingen sollte, zu einem geschlossenen Auftreten zurückzufinden, beginnt sich ein weiterer Kreis abzuheben, nämlich 6. die Gruppe der rehabilitierten Militärs, die während der Kulturrevolution . gesäubert'worden waren und seit 1974 in den zentralen Organen der Volksbefreiungsarmee (VBA) eine starke Stellung gewannen, vor allem in der Führung der technisierten Truppenteile sowie im Bereich der Entwicklung von Nuklear- und Raketenwaffen

Während die Gruppen der im Amt verbliebenen und der rehabilitierten Kader gemeinsam mit den beiden Gruppierungen der Linken im Dezember 1973 eine Beschränkung der Machtbefugnisse regionaler Militärkommandanten durchsetzten, bewirkten Militärs und Kader gemeinsam und gegen den Widerstand der kulturrevolutionären Linken den De-facto-Abbruch der „Bewegung zur Kritik an Lin Piao und Konfuzius" im Juli und August 1974. Diese Kampagne hatte als ein Versuch begonnen, Doktrin und Ergebnisse der Kulturrevolution vor einer unter der Führung Chou Enlais unternommenen Rückkehr zu Maßnahmen zu schützen, die auf die Senkung des Kollektivierungsniveaus in der Landwirtschaft und auf eine deutliche Herabsetzung der Führungsansprüche an die Bevölkerung hinäusliefen

Doch die Politik Chou En-lais setzte sich auf der 1. Sitzung des IV. Nationalen Volkskon-gresses wie schon auf dem ihr vorangegangenen 2. Plenum des X. ZK vom 8. bis 10. Januar 1975 durch. Teng, der in Abwesenheit des Premiers dessen Neuen Kurs in der Innenpolitik mit Nachdruck vertrat, wurde anstelle des mit der kulturrevolutionären Linken zusammenarbeitenden Generals Li T-27 sheng Fünfter Vizevorsitzender des ZK, Mitglied des Ständigen Ausschusses des Politbüros und Erster Vizepremier des Staatsrates —• also des Kabinetts —, unter dessen 39 Mitgliedern sich 15 befanden, die in der Kultur-revolution entweder , gesäubert'oder zumindest angegriffen wo befanden, die in der Kultur-revolution entweder , gesäubert'oder zumindest angegriffen worden waren. Kurz nach der Sitzung des Volkskongresses meldeten westliche Nachrichtenagenturen, daß Teng auch das Amt des Generalstabschefs der VBA übernommen habe 13) und daß der damalige Zweite Vizepremier Chang Ch'un-ch’iao zum Leiter der Allgemeinen Politischen Abteilung der Streitkräfte ernannt worden sei. Während jedoch Changs Ernennung im Oktober 1975 offiziell bestätigt wurde 14), haben die chinesischen Medien Tengs Berufung zum GeneralStabschef nie bekanntgegeben, so daß bezweifelt werden muß, ob sie wirklich vollzogen wurde.

In seinen Sachentscheidungen bestätigte der Volkskongreß die Grundzüge der Gesellschafts-und Entwicklungspolitik Chous und Tengs. „Im Rahmen der Erfordernisse der Kollektivwirtschaft" garantierte die neue Verfassung den Bauern in den ländlichen Volks-kommunen kleine Privatgrundstücke und privaten Nebenerwerb. Die kleinste landwirtschaftliche Produktionseinheit, die Produktionsgruppe mit etwa 15 Familien, wurde zur „Basis" des ländlichen Eigentumsystems und zur „grundlegenden Rechnungseinheit" erklärt 15). Der von Liu Shao-ch'i 1960 proklamierte Vorrang der Entwicklung der Landwirtschaft fand Eingang in den Verfassungstext . Vor allem aber billigten ZK-Plenum und Volkskongreß Chou En-lais Forderung, China müsse sich bis zum Ende dieses Jahrhunderts der „umfassenden Modernisierung von Landwirtschaft, Industrie, Landesverteidigung sowie Wissenschaft und Technik" verschreiben Dieses Programm, später in dem Schlagwort „Vier Modernisierungen"

(Ssu-ke hsien-tai-hua) zusammengeiaßt, kann als Kernstück der Politik Chous und Tengs angesehen werden.

Mao Tse-tung jedoch demonstrierte unmißverständlich, daß er mit den Ergebnissen des 2. Plenums und des Volkskongresses nicht einverstanden war. Er blieb nicht nur diesen beiden Sitzungen fern, sondern versagte ihnen offenbar auch ein Grußwort

Am letzten Tag der Sitzung des Volkskongresses empfing er in Hangchou/Chekiang seinen deutschen Besucher Franz Josef Strauß. Am 9. Februar erschien in der „Volkszeitung" eine neue Direktive (Chih-shih) des Parteiführers, in der dieser darauf hinwies, daß Geldverkehr und das Lohnstufen-System in der Industrie „kapitalistische Charakteristika" seien, die in der sozialistischen Gesellschaft weiterbestünden. Insofern unterscheide sich die sozialistische nur wenig von der „alten Gesellschaft". Es gelte deshalb jetzt, die „kapitalistischen Rechte" schrittweise „einzuschränken" Deutlicher konnte Maos Kampfansage gegen die Beschlüsse des 2. Plenums und des Volkskongresses kaum ausfallen. Sie wurde im März und April von den führenden Politikern der kulturrevolutionären Linken, Yao Wen-yüan und Chang Ch’un-ch’iao, in zwei Artikeln in der theoretischen Monatsschrift der Partei, „Hung ch'i“ (Rote Fahne; HC) eingehend erläutert. Yao stellte fest, daß „politische Schwindler wie Lin Piao" und „bourgeoise und Grundbesitzer-Elemente in der Gesellschaft ... in Wahrheit den jungen Arbeitern , Anreize'geben, um sie dazu zu verführen, den kapitalistischen Weg zu gehen . . . Deshalb können sie als politische Verführer bezeichnet werden. Unerfahrene neue bourgeoise Elemente brechen offen das Gesetz, während schlaue alte bourgeoise Elemente sie aus dem Hintergrund dirigieren — dies ist alltäglich im Klassenkampf in der heutigen Gesellschaft."

Chang wurde in seinen Warnungen vor einer grundlegenden Revision der Politik Maos noch drängender: „Wir müssen uns ganz nüchtern darüber klar sein, daß China immer noch in der Gefahr steht, revisionistisch zu werden. Das ist nicht nur deshalb der Fall, weil Imperialismus und Sozialimperialismus immer wieder Aggression und Subversion gegen uns planen und weil die alten Grundbesitzer und Kapitalisten, mit ihrer Niederlage unversöhnt, noch da sind, sondern auch, weil eine neue Bourgeoisie, wie Lenin sagte, , täglich und stündlich geboren wird'." I Während die kulturrevolutionäre Linke auf diese Weise in den Medien ihre Mißstimmung I über die von Teng vertretene Politik Chous I zum Ausdruck brachte, blieb die wirtschaftsund gesellschaftspolitische Praxis jedoch unverändert durch den Neuen Kurs bestimmt.

So vertiefte sich zunehmend die Kluft zwiI sehen dem revolutionären Anspruch, der in den Medien erhoben wurde, und dem Alltag I in den Dörfern und Städten Chinas.

Hinzu kam, daß seit Anfang 1975 zahlreiche I Kader und Militärs, die in der Kulturrevolution als Gegner Maos , gesäubert'worden waI ren, rehabilitiert Wurden und erneut führende Positionen übernahmen Von noch größerer j Bedeutung erwies sich, daß Teng, um seine 'Politik ideologisch zu rechtfertigen, drei aus Zeiten und aus unterschied-I liehen Zusammenhängen stammende Aus-Sprüche Maos als „Bindeglied" oder auch j als „Grundprinzip" (Kang) „aller Arbeit in der i ganzen Partei und im ganzen Lande" bezeichnete Auf dem Empfang am Vorabend des I Nationalfeiertages, am 30. September 1975, zitierte er diese Sätze als „Direktiven" (Chihishih) des Vorsitzenden: „Studiert die Theorieder Proletarischen Diktatur, widersteht dem I Revisionismus und verteidigt Euch gegen den I Revisionismus! Haltet Ruhe und Ordnung und seid einig! Laßt die nationale Wirtschaft vor-J ankommen!" 'Am nächsten Tage bezeichnete ein Bericht in der „Volkszeitung" über die Feiern zum 120. Jahrestag der Gründung der Autonomen Region Sinkiang diese drei Sätze als „Drei Direktiven San hsiang chih-shih) -, einen Monat später wurden diese drei Sätze ausgerechnet von der von Chang Ch’un-ch'iao gei leiteten Allgemeinen Politischen Abteilungder VBA in einem Rundschreiben, zum ersten-mal öffentlich zum „Bindeglied" (Kang) erklärt

Es bedurfte schon einiger Kenntnis der chinesisch-kommunistischen Scholastik, um den Konfliktherd identifizieren zu können. Mao selbst — oder jene Gruppe, die heute seine Aussprüche produziert — ließ ihn deutlich werden, als im Februar 1976 der Angriff auf Teng voll einsetzte. Gegen die einzelnen Teile dieser „Drei Direktiven" gab es wenig einzuwenden. Aber Mao stellte klar: „Was soll denn das heißen: Drei Direktiven als Bindeglied (Kang)? ... Der Klassenkampf ist das Bindeglied, alles andere hängt von ihm ab! (Mu)"

Damit war die Alternative formuliert, welche den Konflikt innerhalb der Partei seit dem Sommer 1975 bestimmte: Sollten Studium — wenn auch das Studium der Theorie der Proletarischen Diktatur! —, Ruhe und Ordnung sowie Einigkeit und wirtschaftliche Entwicklung oder sollte der Klassenkampf bestimmendes Prinzip der Politik sein?

Teng hatte sich für das Programm der „Vier Modernisierungen" Chou En-lais, für die materielle Entwicklung und gegen den Klassenkampf entschieden.

Vom Juli bis September 1975 begann er, wie wir heute wissen, dieses Programm auch in die bis dahin von der kulturrevolutionären Linken kontrollierten Bereiche von Kultur und Erziehung hineinzutragen. Wandzeitungen in Peking zitierten Ende März 1976 einige seiner Bemerkungen, mit denen er einer größeren künstlerischen Vielfalt sowie einer stärkeren Betonung sachlicher Erziehungsinhalte gegenüber politischer Indoktrinierung das Wort redete:

„Früher sprachen wir von Plündert Blumen, die blühen müßten (Pai hua ch'i fang), heute ist es eine Blume, die alleine blüht (I hua tu fang)!" „Die größte Gefahr heute ist, daß nicht studiert wird, daß es keine wirkliche Erziehung gibt!"

„Die Erziehungsbehörden sollten wirklich viel mehr betonen, daß wissenschaftliche Forschung der bedeutendste Aspekt der Vier Modernisierungen ist!“

Teng, fand bei seinen Bemühungen die Unterstützung des Erziehungsministers Chou Junghsin, eines rehabilitierten Kaders, der im Herbst 1975 mehrmals darauf hinwies, daß 27 fachliches Wissen in der Erziehung wieder stärker in den Vordergrund treten müsse. Damit aber war der Angriff auf die vorwiegend an revolutionärer Politik orientierten Errungenschaften der Kulturrevolution eröffnet.

Heute wird dieser Angriff in der VR China als „Rechter Sturm des Rückgängigmachens von (kulturrevolutionären, d. Verf.) Entscheidungen" (Yu-ch'ing fan-an-feng) bezeichnet. Er fand besonders prononcierten Ausdruck, als der Vizevorsitzende des Revolutionskomitees der Nationalen Ch’inghua-Universität, Liu Ping, Anfang Oktober 1975 in einem Brief an das ZK die Erziehungspolitik Maos und seiner engsten Mitarbeiter — wie es heute heißt, „im Namen einer Minderheit an dieser Universität" — scharfer Kritik unterzog und dabei den Parteiführer persönlich angriff

Die kulturrevolutionäre Linke und wahrscheinlich auch Mao selbst setzten sofort zum Gegenangriff an. Eine enge Mitarbeiterin Chiang Ch’ings, Hsieh Cheng-yi (Mitglied des ZK), begann, in der Ch’inghua-Universität Studenten gegen Liu Ping und Chou Junghsin zu mobilisieren. Am 3. November erschienen dort die ersten Wandzeitungen mit Angriffen auf den Erziehungsminister und auf all jene, die sich in irgendeiner Form für Revisionen in der Erziehungspolitik eingesetzt hatten und seit Mitte Dezember riefen die von der Linken kontrollierten zentralen Medien immer lauter zur Kritik an den Gegnern der kulturrevolutionären Politik auf.

Damit war die Szene für den neuen innerparteilichen Konflikt gestellt. Kulturrevolutionäre und Geheimpolizei-Linke bildeten eine Fraktion, die seit Mitte Januar 1976 die Initiative im Kampf gegen Teng Hsiao-p’ing und jene rehabilitierten Kader ergriff, die ihn unterstützten. Die Vertreter der Streitkräfte bewahrten zunächst eine neutrale Haltung.

Die programmatische Alternative der konfligierenden Fraktionen offenbarte sich vor allem in folgenden vier Bereichen:

— im Bereich der grundlegenden Entwicklungsstrategie, in dem Mao Tse-tungs Konzept der Massenmobilisierung und des revolutionären Enthusiasmus mit den Prinzipien des individuellen Anreizes, der Konzessionen an die Eigenintiative der Bauern und der Anwendung herkömmlicher volkswirtschaftlicher Kriterien beim Aufbau des Landes konfrontiert wurde; — im Bereich des Erziehungswesens, in dem die Forderung nach dem Vorrang der politischen Indoktrinierung der Forderung nach dem Vorrang der fachlichen Ausbildung gegenüberstand; — im Bereich der Literatur, der bildenden Kunst und Musik, in dem sich ein einheitlicher Stil der sogenannten revolutionären Romantik gegen den Ruf nach größerer Vielfalt der Stil-richtungen zu behaupten hatte;

— im Bereich von Wissenschaft und Technik, in dem es um die politische Priorität von Revolutionierung oder Modernisierung Chinas ging.

Die massive Kritik an Teng als „jenem unverbesserlichen kapitalistischen Machthaber in der Partei", die Mitte Februar dieses Jahres in den zentralen Medien voll einsetzte und am 10. März in einem ungezeichneten Leitartikel der „Volkszeitung" die Billigung der Parteizentrale fand, traf in den Provinzen des Landes nur auf gedämpfte Zustimmung. Nur sechs von 29 Verwaltungseinheiten beriefen bis Anfang April besondere Konferenzen zur Kritik an Teng ein, in drei weiteren nahm der Erste Sekretär, in vier weiteren wenigstens ein Sekretär die Kampagne auf. Acht Provinzen überließen die Kampagne zunächst den Massenorganisationen und ebenso viele Verwaltungseinheiten reagierten überhaupt nicht auf sie So war es der Linken gelungen, Teng in der Zentrale weitgehend zu isolieren. Im Propagandaapparat, den Sicherheitsorganen, den Massenorganisationen sowie den Führungen der städtischen Arbeiter-milizen von Shanghai und Peking stand ihm eine machtvolle Koalition gegenüber. In den Provinzen aber schien seine Stellung weiterhin stark zu sein.

Die Pekinger Aprilkrise ist von der jetzigen Parteiführung zweifellos zutreffend mit dem Hinweis analysiert worden, daß das Problem des Konflikts nicht so sehr die Existenz von „Machthabern in der Partei, die den kapitalistischen Weg gehen", sei, sondern vielmehr deren Zusammenwirken mit „neuen und alten Kapitalisten", mit „gegenrevolutionären Gelehrten" und mit „Dämonen und Schlangen-geistern in der Gesellschaft" In der Tat, im Gegensatz zur Kulturrevolution, in der die Fraktion um Mao und Lin Piao zunächst die Initiative zur Mobilisierung städtischer Massen ergriff, die dann allerdings ihrer Kontrolle entglitt, im Gegensatz aber vor allem zur Lin Piao-Krise, die sich unter völligem Aus-Schluß der chinesischen Öffentlichkeit vollzog, griffen jetzt die von Mao so oft beschworenen „Massen" spontan — und. dabei nicht auf der Seite des Vorsitzenden! — in die Auseinandersetzungen zwischen den Eliten ein.

Anzeichen für einen solchen Eingriff hatte es schon früher gegeben. Im November 1974 schrieben drei ehemalige Rotgardisten unter I-che" Kanton dem Pseudonym „Li in eine Wandzeitung, in der die Rückkehr zur „sozialistischen Gesetzlichkeit" und die Gewährung von Meinungsfreiheit gefordert wurden

Im Sommer 1975 kam es zu einer Streikbewegung der Industriearbeiterschaft in Hangchou, Wuhan, Wuhsi und Kanton, gegen die vor allem in Hangchou Truppen eingesetzt werden mußten

In den Dörfern breiteten sich im Laufe des vergangenen Jahres — wie Radio Peking berichtete —• „der Einfluß kleiner Privatproduktion, Korruption und Spekulantentum" aus, die Anzeichen dafür sein sollten, „wie scharf und kompliziert der Klassenkampf" sei

Ende April gelangte der Text einer Wandzeitung des Fachbereichs Mathematik und Angewandte Physik der Wuhan-Universität vom 13. März 1976 ins Ausland, auf der Chiang Ch'ing in außerordentlich scharfer Form angegriffen und als „Sproß einer heruntergekommenen Gutsbesitzerfamilie" sowie als „Oberklassen-Prostituierte“ bezeichnet wurde

Die „Volkszeitung" teilte am 18. April mit, die „Klassenfeinde" hätten „schon im Juli, August und September vergangenen Jahres konterrevolutionäre Gerüchte verbreitet und sehr harte konterrevolutionäre Erklärungen abgegeben". Anfang 1976 hätten sie sich dann „von allen vier Himmelsrichtungen vereinigt und geheime Pläne geschmiedet, Briefe an die Parteizentrale zu schreiben .... weil sie wollten, daß Teng Hsiao-p'ing Premierminister werde"

Doch all dies blieb vereinzeltes Wetterleuchten, bis die Bevölkerung Anfang April in der Hauptstadt der VR China zur direkten Aktion schritt.

II.

Der traditionelle chinesische Totengedenktag, das „Fest, an dem man die Gräber fegt" oder auch das „Fest des klaren Glanzes" (Ch'ing-ming), wird seit der Einführung des gregorianischen Kalenders regelmäßig am 4. April begangen. An diesem Tage besuchen die Chinesen in der VR China ebenso wie in T aiwan und Hongkong bis heute die Gräber ihrer Verwandten und Freunde, um dort Kränze, Blumen, Schriftrollen und gelegentlich auch Speisen niederzulegen. Während sich im Laufe des März 1976 die Angriffe auf Teng Hsiao-p'ing — weiterhin ohne Nennung seines Namens — in den zentralen Medien verschärften, wurden in Peking „politische Gerüchte" verbreitet, „. . . mit denen die Parteizentrale unter der Leitung des Vorsitzenden Mao angegriffen und gespalten werden sollte“.

Ende März und Anfang April wurde die Parole in Umlauf gebracht, daß es „um das Ch’ingming-Fest herum sicher sehr fröhlich zuge-hen" werde Eine japanische Zeitung berichtete später, Einwohner der Hauptstadt hätten bereits am 29. März begonnen, zum Andenken des verstorbenen Premiers Chou En-lai vor dem „Ehrenmal der Helden der Revolution" an der Südseite des Platzes am „Tor des himmlischen Friedens" (Tienanmn) im Zentrum Pekings Kränze niederzulegen Texte der Schleifen an den Kränzen, die vor allem die Parole der „Vier Modernisierungen" aufnahmen und dazu aufforderten, Chous Politik „ernsthaft fortzusetzen", zeigten, daß die so kundgetane Verehrung für den verstorbenen Premier als Demonstration gegen die Politik Maos und der Parteilinken gedacht war.

Am Sonnabend, dem 3. April, nahm die Zahl der Besucher des Ehrenmals ständig zu, ebenso die Zahl der niedergelegten Kränze und der Gedenktafeln mit Bildern Chous Schon an diesem Tage kam es zu ersten handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen den Besuchern und Arbeitermilizen, die das Niederlegen von Kränzen unterbinden wollten. Dabei wurde am frühen Abend die Milizonärin Yang Ming-t'ao schwer verletzt Am Ch’ing-ming-Fest selbst füllte sich der T’ienanmen-Platz mit noch mehr Menschen, und das Ehrenmal war bald nahezu von Kränzen und Gedenktafeln bedeckt Im Laufe des Tages begann „eine kleine Handvoll von Klassenfeinden" — wie es später hieß — „offen konterrevolutionäre Reden zu halten, konterrevolutionäre Gedichte und Schlagworte zu plakatieren und entsprechende Flugblätter zu verteilen sowie Transparente zu entfalten, auf denen Teng Hsiao-p’ing unterstützt wurde" Am Nachmittag näherte sich eine Gruppe Jugendlicher dem Soldaten Yang Shang-ch’un, der die am 1. Oktober 1949 von Mao selbst aufgezogene erste Fahne der VR China bewachte, und forderte ihn auf, diese Fahne auf Halbmast zu senken — wahrscheinlich zu Ehren Chou En-lais. Doch dies ist die einzige Fahne in der VR China, die nie auf Halbmast gesetzt wird. Der Soldat weigerte sich; die Jugendlichen zogen ab; die Wache an der Fahne wurde verstärkt. Am frühen Abend kehrte die Gruppe zurück und versuchte, die Fahne herunterzuziehen; dies wurde jedoch von der Wache im Handgemenge mit den Jugendlichen verhindert

Nach Einbruch der Dunkelheit erschienen Arbeitermilizen, Volkspolizisten und Soldaten des Pekinger Garnisonkommandos auf dem Platz und räumten während der Nacht alle Kränze, Transparente, Plakate und Gedenktafeln am Ehrenmal ab

Gegen 7 Uhr morgens am Montag, dem 5. April, kamen erneut zunächst ältere Frauen und dann Gruppen von Jugendlichen mit Kränzen und Gedenktafeln zum Ehrenmal und stellten fest, daß die in den letzten Tagen dort niedergelegten Zeichen der Verehrung entfernt worden waren

Diese Nachricht muß sich wie ein Lauffeuer in Peking verbreitet haben; denn in kurzer Zeit strömten Tausende von Einwohnern der Hauptstadt auf den T'ienanmen-Platz. Um 8 Uhr kam es zu ersten Zusammenstößen mit Polizisten und Soldaten; ein Lautsprecherwagen der Garnison wurde angezündet und zerstört. Kurz nach 9 Uhr hatten sich) bereits über 10 000 Menschen auf dem Platz eingefunden, die jetzt versuchten, in das Gebäude des Nationalen Volkskongresses einzudringen. In heftigem Handgemenge, das sich über mehr als eine Stunde hinzog, wurden sie daran durch zwei Kompanien der Pekinger Garnison gehindert. Als Volkspolizisten und Sicherheitstruppen in größerer Zahl auf dem Platz eintrafen, begrüßte sie die Menge mit dem Ruf: „Schlagt sie tot! Schlagt sie tot!"

Gegen Mittag hatte die Zahl der Demonstranten etwa Hunderttausend erreicht. Im Laufe der zweiten Tageshälfte wurden vier Fahrzeuge der Polizei und der Garnison von der Menge umgestürzt und in Brand gesteckt, die Feuerwehr an ihrem Einsatz behindert. Am frühen Nachmittag hielten an verschiedenen Stellen des Platzes Jugendliche und Intellektuelle Ansprachen an die Menge, die zu dieser Zeit den Platz offenbar völlig besetzt hielt. Flugblätter und Transparente tauchten auf, die vor allem scharfe Angriffe auf Mao und Chiang Ch'ing enthielten. Einige Beispiele seien hier für viele zitiert:

— „Nieder mit der Kaiserin-Witwe" (Ta-tao Hsi-t’ai-hou!)

— „Die Zeiten Ch’in Shih-huangs sind vorbei!"

— „China ist nicht mehr das alte China — Ch’in Shih-huangs Feudalsystem kann nicht wieder errichtet werden!"

— „Die jetzige Anti-Rechts-Kampagne ist die Kampagne einer kleinen Handvoll von Ehr-geizlingen zum Rückgängigmachen von Entscheidungen!" „Wir wollen wirklichen Marxismus-Leninimus, nicht falschen Marxismus-Leninismus!" — „Ein Hoch den Vier Modernisierungen!"

— „Teng Hsiao-p'ing soll die Arbeit der Parteizentrale leiten!"

— „Dies ist die Kraft der Massen!"

Als ab 14 Uhr der Platz von Arbeitermilizen, Polizisten und Soldaten der Garnison umstellt und die Zahl der Sicherheitskräfte verstärkt wurde, nahmen die Auseinandersetzungen an Heftigkeit zu. Polizei, Milizen und Militär wurden von der Menge mit den Rufen empfangen: „Wir fürchten weder zerschlagene Köpfe noch Blutvergießen! Wer will mit uns fertig werden? Schickt doch ein Regiment, schickt ein Armeekorps — das hilft Euch alles nicht!"

Die Sicherheitskräfte, die mit Schlagstöcken gegen die Demonstranten vorgingen, wurden in vielen Fällen umringt, man riß ihnen die Uniformen vom Leib und schlug sie nieder.

Gegen 17 Uhr griff eine größere Gruppe meist jugendlicher Demonstranten die dreistöckige Kaserne des Wachbataillons in der Südost-Ecke des Platzes an. Nach heftigem Handgemenge wurde das Gebäude von Demonstranten besetzt und in Brand gesteckt, nachdem geheime Dokumente entwendet worden waren.

Vor dem Gebäude verbrannten Demonstranten Werke von Marx, Engels, Lenin, Stalin und Mao.

Erst jetzt entschlossen sich die Pekinger Führer endgültig, die Unruhen gewaltsam zu unterdrücken.

Gegen 18 Uhr waren über 20 000 Polizisten und Soldaten sowie — wie es später hieß — „mehrere Zehntausende" von Arbeitermilizen im Einsatz, insgesamt also mindestens 50 000 Mann Sicherheitskräfte. Die Leitung der Aktion lag in den Händen der Vizekommandeure der Pekinger Miliz, Ma Hsiao-liu und Chang Shrh-tsung, beide Kandidaten des ZK der KCT. Um 18 Uhr griff auch der Parteiführer der Stadt Peking, Wu Te (Mitglied des Politbüros), in das Geschehen ein. Vom T ienanmen aus hielt er die folgende Ansprache an die Menge:

„Genossen!

In den letzten Tagen, gerade als wir die bedeutungsvollen Direktiven des großen Führers, des Vorsitzenden Mao, studierten, die Gegenoffensive gegen den rechten Sturm des Rückgängigmachens von Entscheidungen antraten, die Revolution ergriffen und die Produktion förderten, da mißbrauchte eine Minderheit von üblen Leuten das Ch’ing-ming-Fest. Sie erfinden bewußt politische Gerüchte, sie richten die Speerspitze des Kampfes gegen den Vorsitzenden Mao, gegen die Parteizentrale. Sie verdrehen planvoll die allgemeine Richtung der Kritik an der revisionistischen Linie des unverbesserlichen kapitalistischen Machthabers in der Partei, Teng Hsiao-p'ing, und der Gegenoffensive gegen den rechten Sturm des Rückgängigmachens von Entscheidungen. — Wir müssen klar den konterrevolutionären Charakter dieses politischen Zwischenfalls erkennen, ihre Verschwörungspläne zerschlagen, die revolutionäre Wachsamkeit erhöhen. Ihr dürft Euch nicht an dem Zwischenfall beteiligen! — Revolutionäre Massen und revolutionäre Kader der ganzen Stadt! Erhebt Euch und schreitet zur Tat, mit dem Klassenkampf als Bindeglied (kang). Schützt mit klaren Taten den Vorsitzenden Mao, schützt die Parteizentrale, schützt die revolutionäre Linie des Vorsitzenden Mao, schützt die große Hauptstadt unseres sozialistischen Vaterlandes! Ergreift die Gegenoffensive gegen konterrevolutionäre Sabotage, vereinigt Euch und stärkt weiter die Diktatur des Proletariats, auf daß sich eine rundum gute Situation entwickle! Laßt uns — vereint um die Parteizentrale unter der Führung des Vorsitzenden Mao — noch größere Siege erringen! — Heute haben üble Leute auf dem T'ienanmen-Platz Sabotage und Unruhen angestiftet, sie haben konterrevolutionäre Sabotageakte verübt. Revolutionäre Massen, verlaßt sofort den Platz, laßt Euch von ihnen nicht verführen!"

Obgleich über weite Strecken in der Terminologie der derzeit in China gängigen Rhetorik gehalten, verrät der Text dieser Ansprache doch die Sorge der Parteiführung über die Unruhen, ja, den Schock, den sie offenbar 1 ausgelöst haben.

Erst nachdem die jetzt in großen Massen eingesetzten Sicherheitskräfte mehrere Hundert Demonstranten verhaftet hatten, konnten sie schließlich am späten Abend den Platz wieder völlig unter ihre Kontrolle bringen. Arbeiter-miliz, Polizei und Militär hatten insgesamt über hundert Verwundete, von denen 17 schwer verletzt waren Uber die Verluste der Demonstranten gaben die chinesischen Medien keine Auskünfte

Die Unruhen blieben nicht allein auf die Hauptstadt beschränkt. Der Erste Sekretär des Provinzkomitees der KCT von Honan, Liu Chien-hsün, teilte auf einer Versammlung am 10. April mit, daß am Ch'ing-ming-Fest in Honan „konterrevolutionäre Sabotage von der gleichen Art wie der Zwischenfall auf dem T'ienanmen-Platz verübt" worden sei, dabei habe in Chengchou ein Angestellter des Telegrafenamtes den Tod gefunden Auch aus Amoy wurden — allerdings nicht näher bezeichnete — „konterrevolutionäre Zwischenfälle wie auf dem T'ienanmen-Platz" gemeldet

Am 3. Mai gab der Sekretär des Provinzkomitees der KCT von Kiangsi, Pai Tung-ts’ai, bekannt, daß in Nanch’ang ebenfalls „konterrevolutionäre Sabotageakte in großem Umfang verübt" worden seien

Berichte aus Hongkong, daß es außerdem in Nanking und Wuhsi zu Demonstrationen und Zusammenstößen gekommen sei, und Meldungen aus T'aiwan über derartige Ereignisse in Shanghai und Lanchou sind bisher von den Medien der VR China ebensowenig bestätigt worden wie die Nachricht eines chinesischen Besuchers der VR China aus Hongkong, daß am 7. April bei Straßenkämpfen in K'aifeng/Honan über dreißig Tote und mehr als zweihundert Verletzte zu verzeichnen gewesen seien

Diesen Informationen gegenüber ist also Zurückhaltung geboten.

Die Unruhen im Zentrum Pekings haben auch ohnedies die Führungsgruppe wirksam getroffen. Ihre Reaktionen waren dementsprechend umfassend, aber auch hastig, ja, nervös. Schon am 6. April, einen Tag nach dem T‘ienanmen-Zwischenfall, wies ein Leitartikel der „Volkszeitung" darauf hin, daß „der unverbesserliche kapitalistische Machthaber in der Partei" völlig isoliert sei, aber weiter hieß es:

„Wir müssen die Klassenfeinde daran hin-dem,Gerüchte zu verbreiten, Zwischenfälle zu provozieren, Massen gegen Massen aufzuhetzen, die Revolution zu zerstören und die Produktion zu sabotieren. Eine kleine Handvoll von Klassenfeinden hat politische Gerüchte fabriziert, die Herzen der Menschen verstört und die Parteizentrale unter der Führung des Vorsitzenden Mao angegriffen und zu spalten versucht. Wir müssen gegen sie die Diktatur des Proletariats anwenden."

War hier der Hinweis auf die Unruhen in der Hauptstadt noch verhüllt, so gab die Zentrale Volksradiostation Peking am 7. April um 20 Uhr zusammen mit den Nachrichten über die Ernennung Hua Kuo-fengs und den Sturz Teng Hsiao-p'ings einen ersten umfassenden und sehr offen gehaltenen Bericht über die Ereignisse des 5. April. Von diesem Augenblick an bis zu dem Zeitpunkt, an dem dieser Bericht geschrieben wurde ist kein Tag vergangen, an dem die Medien der VR China nicht ausführlich zu dem Stellung genommen haben, was jetzt „der konterrevolutionäre politische Zwischenfall auf dem T’ienanmen-Platz" genannt wird.

Am 8. April veranstaltete die Führung der KCT eine Großkundgebung mit mehr als einer Million Teilnehmer auf dem T'ienanmen-Platz Schulen, die Belegschaften von Betrieben und Truppeneinheiten wurden geschlossen herangeführt, um die Unterstützung der Parteizentrale durch die Massen zu demonstrieren. Bis Anfang Mai folgten ähnliche Kundgebungen in allen Provinzen und Städten Chinas. Die Provinz-Parteikomitees der 29 Verwaltungseinheiten des Landes und die Oberkommandos der zehn Wehrbereiche sahen sich am 10., 11. und 12. April veranlaßt, einzeln in Telegrammen den Parteiführern und der Zentrale ihre Loyalität zu versichern Die Kommentare der zentralen Medien aber brachten erhebliche Besorgnis zum Ausdruck. Schon am 10. April stellte die „Volkszeitung" in einem Leitartikel fest, die Unruhen seien „vorbedacht, geplant und organisiert" gewesen

In einem weiteren Leitartikel zog die „Volkszeitung" eine Parallele zu den Ereignissen 1956 in Ungarn und verlangte, die „Klassenfeinde" müßten „unterdrückt" (chen-ya) werden Am 20. April begann Radio Peking, Teng als den „Imre Nagy Chinas" zu bezeichnen

Die Ereignisse in Peking haben aber auch bewirkt, daß die Linke unmittelbar nach dem Sturz Tengs auf umfassende Säuberungen unter den rehabilitierten Kadern verzichten mußte. Von den leitenden Männern des Apparats der Staatsverwaltung fehlte auf der Namensliste der Feiern zum l. Mai 1976 nur der Vizepremier und Vorsitzende der Plankommission Yü Ch’iu-li. Zwar meldeten ausländische Journalisten von einem Besuch in K'un-ming Wandzeitungs-Attacken aut den Ersten Sekretär des Provinzkomitees der KCT von Yünnan, Chia Ch'i-yün im übrigen aber sind bisher keine Säuberungen unter den Provinzführern der Partei bekanntgeworden, von denen viele langjährige Mitarbeiter Tengs im zivilen Parteiapparat waren.

Am 1. Mai demonstrierte die Parteiführung Einigkeit: Unter der Leitung Hua Kuo-fengs traten außer Mao und dem greisen, erblindeten Marschall Liu Po-ch’eng alle Mitglieder und Kandidaten des Politbüros gemeinsam auf

Die Vermutung, daß der Schock der Pekinger Unruhen zunächst den intra-elitären Konflikt gedämpft habe, kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß dieser Konflikt andauert. Die Linke hat dies seit dem 5. April auch mehrmals deutlich werden lassen.

Als die Parteiführung am 26. April Delegierte der an der Niederwerfung der Unruhen beteiligten Verbände von Arbeitermiliz, Polizei und Armee empfing, um ihnen für ihren Einsatz zu danken, waren außer dem Parteiführer der Hauptstadt, Wu T, sowie den beiden Militärs Ch'en Hsi-lien und Su Chen-hua nur jene Mitglieder und Kandidaten des Politbüros zugegen, die als Vertreter der vereinigten linken Fraktion bezeichnet werden können: Hua Kuo-feng, Wang Hung-wen, Chang Ch'un-ch’iao, Chiang Ch’ing, Yao Wen-yüan, Chi Teng-k’uei, Wang Tung-hsing, Ch'en Yung-kuei, Wu Kuei-hsien und Ni Chih-fu

Zusammen mit Mao stellen sie jetzt die Hälfte der 22 noch amtierenden Vollmitglieder und Kandidaten im Politbüro.

Angesichts dieser Situation wird man davon ausgehen müssen, daß bei den Entscheidungsvorgängen in Peking zur Zeit die Linke meistens in der Lage ist, eine Mehrheit zu bilden. Aus eben diesem Grunde konnte Teng Hsiao-p’ing trotz seiner für oberflächliche Beobachter stark erscheinenden Position gestürzt werden. Seit Mitte Februar dieses Jahres hatte die Linke um den Parteiführer ihre Angriffe völlig auf Teng konzentriert. Dies wurde dadurch verdeutlicht, daß die zentralen Medien nur noch im Singular von „jenem (na-ke) unverbesserlichen kapitalistischen Machthaber in der Partei" sprachen. Doch schon der Leitartikel der „Volkszeitung" vom 18. April insinuierte, daß es auch noch andere gäbe, indem er Teng als „größten unverbesserlichen kapitalistischen Machthaber in der Partei" bezeichnete und „kapitalistische Machthaber von der Art Teng Hsiao-p’ings" kritisierte

Gleichzeitig kündigte „Chih Heng" scharfe Unterdrückungsmaßnahmen an, um in Zukunft Unruhen wie jene am T'ienanmen zu verhindern: „Marxisten erkennen klar den Nutzen der revolutionären Gewalt. . . Als wir den konterrevolutionären Aufruhr (pao-luan) auf dem T'ienanmen-Platz zerschlugen, haben wir die Methode der revolutionären Gewalt gegen jene der konterrevolutionären Gewalt gesetzt.. . Wir müssen ihre (der Sicherheitskräfte am 5. April, d. Verf.) Erfahrungen nutzen, gegen die Konterrevolution, gegen Schläger, Brandstifter und Gewalttäter müssen wir umfassende Unterdrückung (chen-ya) anwenden."

Abschließend erläuterte er der chinesischen Bevölkerung den Charakter der Redefreiheit, wie sie im Art. 28 der Verfassung der VR China vom 17. Januar 1975 garantiert wird:

„In entschlossener Weise werden wir nirgendwo und zu keiner Zeit die Freiheit konterrevolutionärer Propaganda dulden. Politische Gerüchte und Klatsch dürfen wir nicht nur nicht glauben und nicht weiterverbreiten, wir müssen sie vielmehr auch ausmerzen, müssen kontinuierlich gegen sie Untersuchungen durchführen. Die Freiheit der Rede gibt es nur innerhalb des Volkes!"

„Ch’ih Heng" teilte allerdings nicht mit, wer denn bestimme, was „politische Gerüchte und Klatsch", vor allem aber, wer das „Volk" sei. Zwei Jahrzehnte der Beobachtung chinesischer Politik haben uns jedoch gelehrt, daß dies gelegentlich von der Mehrheit des Politbüros, gelegentlich allein von jenen entschieden wird, die jeweils militärisch die Hauptstadt und politisch die zentralen Medien kontrollieren. Die Linke scheint also weiterhin eine Säuberungsaktion vorzubereiten. Ob es ihr gelingen wird, sich durchzusetzen, ob gar der am 3. Mai gemeldete Tod des Erziehungsministers Chou Jung-hsin durch „Gehirnschlag" schon ein Teil dieser Säuberungsaktion war, läßt sich zur Stunde noch nicht eindeutig ermitteln. Daß die angekündigten scharfen Unterdrükkungsmaßnahmen auch jetzt nicht ausreichen, um Widerstandsakte aus der Bevölkerung zu verhindern, beweist der von einem Sprecher des chinesischen Außenministeriums bestätigte Bombenanschlag eines Selbstmordkommandos von Jugendlichen auf die Botschaft der UdSSR in Peking am Nachmittag des 29. April, bei dem zwei Angehörige der Sicherheitstruppen den Tod fanden

Wir werden auf jeden Fall davon ausgehen müssen, daß in Zukunft die repressiven Züge des politischen Systems in der VR China noch stärker als bisher zum Ausdruck kommen werden.

Dies ist aber nicht die einzige und wahrscheinlich nicht einmal wichtigste Konseguenz der Pekinger Aprilkrise. Für mittel-und langfristige Überlegungen erscheint es bedeutsamer, daß am 3., 4. und 5. April auf dem T’ienanmen-Platz zum erstenmal seit 1957 wieder für die Außenwelt unüberhörbar ein China sprach, das wir weder aus den Organen des Propagandaapparats der Partei noch aus den Elogen westlicher Propagandisten Pekings kennen.

III.

Eine vorläufige Wertung der Ereignisse in China in der ersten Aprilhälfte 1976 muß von der Frage ausgehen, ob erkennbar geworden sei, aus welchen Bevölkerungsgruppen sich die Teilnehmer an den Demonstrationen rekrutierten.

In T’aiwan sprach man von „anti-maoistischen, anti-kommunistischen Massen" in der UdSSR von „immer neuen Gruppen von Werktätigen . . ., die gegen die Politik der maoistischen Führung auftreten" Diese beiden Behauptungen geben jedoch wenig Aufschluß und mögen auch wohl vor allem dem eigenen Wunschdenken entwachsen sein. Die chinesischen Kommunisten selbst beschränken sich auf eine Serie von abwertenden Darstellungen. Sie bezeichneten die Demonstranten als „eine kleine Handvoll von Klassenfeinden" (I hsiao-tso chieh-chi ti-jen), „schlechte Elemente" (Huai ien-tzu), „Aufrührer" (Pao-t'u) „Gangster" (Chia-huo) sowie „Dämonen und Monster" (Niu-kuei she-shen; wörtlich: „Kuhteufel und Schlangengeister"). Während die chinesischen Medien seit dem Abend des 7. April täglich darauf hinweisen, daß die Unruhen durch die Existenz „neuer und alter Kapitalisten innerhalb und außerhalb der Partei" sowie von Grundbesitzern", reichen Bauern, Konterrevolutionären, schlechten Elementen und Rechtsabweichlern, die sich mit ihrer Niederlage nicht abgefunden haben", bewirkt worden seien, fehlen eben diese Epitheta — abgesehen von dem vagen Begriff der. „schlechten Elemente" — in den parteiamtlichen Berichten über die Unruhen selbst.

Aus dieser Tatsache kann geschlossen werden, daß Angehörige der sogenannten „fünf schwarzen Kategorien" (Hei-wu-lei) und andere Personen, die außerhalb des „Volkes" stehen, überhaupt nicht oder höchstens in geringer Zahl an den Demonstrationen beteiligt waren. Für diese Feststellung spricht auch die Tatsache, daß die meisten Angehörigen der „fünf schwarzen Kategorien" schon seit der Kulturrevolution aus der Hauptstadt ausgesiedelt wurden und die dort Verbliebenen besonders gründlich überwacht werden. Wenn aber diese Gruppe bei den Unruhen gar nicht oder kaum in Erscheinung trat, dann muß die überwiegende Mehrheit der Demonstranten aus jenen gesellschaftlichen Schichten gekommen sein, die nach chinesisch-kommunistischer Definition zur Kategorie des „Volkes" gehören. In der Tat zeigen die wenigen Fotografien, die von den Pekinger Unruhen ins Ausland gelangten, daß etwa die Hälfte der Demonstranten Oberschüler und Studenten waren, angesichts der Zulassungspraxis zu weiterführenden Bildungsanstalten in der VR China also mit Sicherheit überwiegend Kinder von Arbeitern, Bauern, Soldaten und Parteikadern. Außer Jugendlichen sind auf den Bildern in größerer Zahl Arbeiter, jüngere Frauen und Intellektuelle, ja, sogar einzeline Kader zu erkennen.

Auf die Beteiligung von Angehörigen der Intelligenz läßt auch die von den Organen der Partei benutzte Bezeichnung „Dämonen und Monster“ schließen, die in der VR China für kritische Intellektuelle reserviert ist.

Wie Teilnehmer an den Demonstrationen in Peking kamen also aus allen wesentlichen Gruppen der städtischen Bevölkerung, wobei Jugendliche Intellektuelle nach den bisher vorliegenden Daten wahrscheinlich über-repräsentiert waren.

An diese Feststellung schließt sich die Frage nach den Motiven des Protests an. Die parteisamtlichen Quellen bezeichnen übereinstimmend Teng Hsiao-p'ing als „Drahtzieher" der Unruhen, die von ihm und seinesgleichen langfristig geplant und vorbereitet worden seien. Dafür spricht, daß in den Demonstratio-Inen Plakate und Spruchbänder mitgeführt , wurden, die forderten, Teng solle die Leitung [der Arbeit in der Parteizentrale übernehmen.

Andererseits scheint die Tatsache, daß zu den Parolen der Demonstranten auch die Fordeung nach „echtem Marxismus-Leninismus"

gehörte, auf mögliche Einflüsse sowjetischer [Agenten hinzudeuten. Die überwiegende Zahl [der Schlagworte, Plakate und Spruchbänder [äußerte jedoch unspezifizierte, allgemeine Kritik an Mao Tse-tung, dessen engsten Mitarbeitern und der von ihnen vertretenen Politik. [Die Behauptung der Pekinger Führung, Teng [Hsiao-p’ing habe die Unruhen angestiftet, muß schon deshalb bezweifelt werden, weil es ihm, der von der „Volkszeitung" am 6. April als „vollständig isoliert" bezeichnet Wurde, mit Sicherheit nicht möglich war, unoeobachtet jene , Vorbereitungen zu treffen, [die nötig gewesen wären, um Demonstrationen dieses Ümfanges zu veranlassen. Alle bisher bekanntgewordenen Daten weisen [vielmehr darauf hin, uau ule Protestbewegung in Peking aus einer Anzahl unterschiedlicher, zunächst nicht miteinander verbundener Motive entstand:

— Rehabilitierte Kader der unteren und mittleren Organisationsebene mögen einen Versuch unternommen haben, Teng Hsiao-p'ings Sturz zu verhindern, um auf diese Weise der Einleitung einer neuen Säuberungskampagne entgegenzuwirken.

— Schüler und Studenten befürchteten, daß ein Sieg der Linken im innerparteilichen Konflikt eine erneute Verschärfung der Politik der Verschickung jugendlicher Intellektueller in die Dörfer (Hsia-fang) zür Folge haben wurde.

— Lehrer und Dozenten fanden sich im Widerspruch zu dem erziehungspolitischen Programm der Linken,, das politischer Indoktrinierung den Vorrang vor fachlich orientiertem Unterricht einräumt.

— Höher bezahlte Facharbeiter, Vorarbeiter und Ingenieure wandten sich gegen die von Mao und der Parteilinken angestrebte Abschaffung des Leistungslohn-und Prämiensystem in der Industrie.

— Künstler und Schriftsteller sahen die durch Teng vertretene Tendenz gefährdet, größere Ausdrucksfreiheit und Vielfalt im außerpolitischen Raum zuzulassen.

— Alle Gruppen der städtischen Bevölkerung hatten sich durch die Parole von den „Vier Modernisierungen" angesprochen gefühlt und vermuteten, daß ein Sieg der Linken von neuem revolutionären Mobilisierungsversuchen Priorität gegenüber der materiellen Entwicklung Chinas verschaffen könnte.

Die schrittweise Eskalation der Unruhen vom 29. März bis zu den Ereignissen des 5. April läßt nur den Schluß zu, daß die Demonstrationen entweder von einer hochgradig effizienten und dichten Organisation geplant wurden oder aber spontan entstanden sind. Da eine solche Organisation unter den Bedingüngen strikter Kontrolle durch die Sicherheitsorgane in der Hauptstadt kaum aufgebaut werden konnte, muß davon ausgegangen werden, daß es sich um eine spontane Massenbewegung handelte, in der sich erst im Laufe der Ereignisse die unterschiedlichen Motive der Teilnehmer zu einem einheitlichen, in seinen Grundzügen deutlichen Programm vereinigt haben.

In jenen Motiven und in diesem Programm sind aber in der Gesellschaft auf dem chinesischen Festland Gegensätze zutage getreten, die offenbar schon seit einer Reihe von Jahren keimten. Innerparteiliche Konflikte in der VR China haben sich nie im luftleeren Raum abgespielt. Liu Shao-ch'i und die Mehrheit der zivilen Parteiführung konnten 1959/60 ihre Politik der Readjustierung nach der Politik des „Großen Sprungs nach vorn" gegen Mao durchsetzen, weil der Protest gegen die verschärfte Kollektivierung in den Volkskommunen die Dörfer des Landes erfaßt hatte. In der Kulturrevolution mobilisierten Mao Tsetung, Lin Piao und ihre Fraktion zunächst die Studenten und Oberschüler, die unter einem starren Prüfungssystem litten und wegen des Überangebots an Hochschulabsolventen ihre berufliche Zukunft gefährdet sahen. Später nutzten Kulturrevolutionäre und Opposition die Gegensätze zwischen Facharbeitern einerseits sowie Hilfs-und Saisonarbeitern andererseits, die sich in den Fabriken seit Anfang der sechziger Jahre immer deutlicher bemerkbar gemacht hatten. Lin Piao wurde nicht zuletzt deshalb gestürzt, weil Angehörige des Apparats der Staatsverwaltung und regionale Militärkommandeure auf den wachsenden Widerstand der chinesischen Bauern gegen seinen Versuch einer Rückkehr zum Kollektivierungs-und Mobilisierungskonzept des . Großen Sprungs" von 1958 mit einer Senkung der Herrschaftsansprüche an die Land-bevölkerung zu beantworten bereit waren.

Aber in all diesen Konflikten traten die Bürger außerhalb der Führungsgruppe nicht spontan mit Rudimenten eines eigenen Programms auf. Das gilt auch für die Kulturrevolution, in der die von der Fraktion um Mao zunächst mobilisierten Massen intellektueller Jugendlicher erst während des Höhepunktes und vor allem in der Endphase des Konfliktes außer Kontrolle gerieten.

In der Aprilkrise hingegen gewann der Konflikt mit der Konkretisierung seit langem wirksamer gesellschaftlicher Gegensätze eine neue Dimension und mit dem spontanen Eingriff der Bevölkerung in die intra-elitären Auseinandersetzungen eine neue Qualität.

Aus dieser Feststellung müssen sowohl für das Studium der chinesischen Politik als auch für dem politischen Umgang ausländischer Regierungen mit der VR China Konsequenzen gezogen werden, die schon jetzt eine gewiß noch vorläufige Formulierung finden können. Typologische Ansätze zur Analyse innerparteilicher Konflikte, die aus der Beobachtung der chinesischen Politik in den letzten zwei Jahrzehnten entwickelt worden sind, können auch weiterhin zum Verständnis der Gruppenbildung und der Beziehungen innerhalb der Führungselite beitragen. Sie bedürfen jedoch einer Ergänzung durch Arbeiten an einer Typologie der unkontrollierten Massenbewegung. Dabei gilt es insbesondere, ein vertieftes und differenziertes Verständnis für die Probleme der chinesischen Gesellschaft zu entwickeln. Dem Studium sozialer Gegensätze und der Äußerung sozialen Protests gebührt in Zukunft der Vorrang vor der Untersuchung von Tendenzen, Programmen und Konfrontationen der Elite.

Viele China-Reisende, denen die Regierung in Peking in den letzten Jahren gerade deshalb Einlaß gewährte, weil sie von der Ahnungsusigkeit und Gutgläubigkeit dieser gezielt aus-! gewählten Gäste ausgehen konnte, sollten endlich erkennen, daß ihre Berichte über lauter glücklich lächelnde Chinesen irreführen. Die meisten von ihnen haben die bittere Erfahrung machen müssen, daß sie in einem Land, dessen Sprache und Schrift sie nicht beherrschen und dessen historisch-kulturelle und politisch-soziale Entwicklung sie nicht kennen, für viele Wahrnehmungen blind und) taub sind. Sie sollten nach ihrer Heimkehr also nicht vergessen, daß die zumeist gestellten Momentaufnahmen auf ihren ohnehin von den staatlichen Behörden völlig vorprogrammierten Reiserouten sie nicht wirklich sehend und die freundlichen Dolmetscherdienste ihrer ständigen chinesischen Reisebegleiter sie nicht wirklich hörend gemacht haben.

Die Regierungen, die mit der VR China politisch umgehen müssen, können aus den jüngsten Ereignissen zumindest vier Schlüsse ziehen: 1. Zu den kontroversen Fragen des innerparteilichen Konflikts wie des Konflikts zwischen der Elite und der Bevölkerung zählte nicht Chinas Politik gegenüber der Sowjetunion. Mindestens bis zum Tode Mao Tsetungs, aller Wahrscheinlichkeit jedoch noch darüber hinaus, ist kaum mit einer grundlegenden Änderung im chinesisch-sowjetischen Verhältnis zu rechnen. Eine solche Änderung darf mittelfristig trotzdem nicht ausgeschlossen werden, und es sollten schon jetzt Überlegungen für den Fall angestellt werden, dal?

sie in den achtziger Jahren eintritt. 2. In den nächsten Monaten, vielleicht sogar über die nächsten zwei oder drei Jahre hindurch, wird die Parteilinke den intra-elitärer Entscheidungsvorgang in Peking maßgeblich beeinflussen. Das bedeutet wahrscheinlich ein Abgehen von der Tendenz der letzten Jahre in denen sich die VR China in umfassender Weise auf den Import westlicher Technologien verließ. Der Handel mit China wird deshalb zwar nicht erheblich zurückgehen müssen, eine bemerkenswerte Ausweitung dieses Handels ist in nächster Zeit jedoch nicht mehr zu erwarten. 3. Die erneute Hinwendung zu einer mobilisatorischen Entwicklungspolitik, mit der gerechnet werden muß, wird noch zu Lebzeiten des Parteivorsitzenden auf den wachsenden Widerstand großer Teile der Bevölkerung und wahrscheinlich auch vieler Kader der unteren und mittleren Organisationsebenen stoßen. Deshalb sind in der nächsten Zeit weitere krisenhafte Zuspitzungen von Opposition und Widerstand zu erwarten, die jedoch nicht notwendigerweise die gleichen Formen annehmen müssen wie in Peking Anfang April dieses Jahres.

4. Es ist nicht mehr auszuschließen, daß die Aprilkrise ein Vorzeichen für noch umfassendere, das politische System selbst bedrohende Auseinandersetzungen über die personelle Nachfolge, über die noch wichtigere Generationennachfolge sowie über die langfristigen Perspektiven der chinesischen Politik ach dem Ausscheiden Maos darstellt. Heutiges politisches Verhalten westlicher Regierungen gegenüber der VR China könnte daher über spätere, gesicherte Handlungsmöglichkeiten entscheiden.

Die Regierungen der westlichen Welt — und übrigens auch jene des europäischen Ostblocks — wären angesichts dieser Aussichten gut beraten, wenn sie die VR China in den nächsten Jahren nicht als konsolidierten, verläßlichen Faktor in ihre Überlegungen einbezögen, wenn sie auf der Grundlage der bestehenden Kontakte jene Vorsicht des Umgangs entwickelten, die gegenüber hochgradig variablen, noch keineswegs stabilisierten weltpolitischen Größen geboten ist. Detaillierte Eliten-und Generationsstudien führen zu dem Ergebnis, daß solche Vorsicht die China-Politik anderer Staaten zumindest bis in die Mitte der achtziger Jahre bestimmen sollte

Der Sturz Teng Hsiao-p'ings hat es uns wieder einmal vor Augen geführt, wie schwierig es ist, über die Entwicklung der intra-elitären Kräfteverhältnisse eines transitorischen Krisensystems Voraussagen zu treffen, und wie gefährlich es ist, auf solche Voraussagen politische Verhaltensweisen zu gründen.

Die Pekinger Unruhen haben deutlich gezeigt, daß der Konflikt in China über die Auseinandersetzungen innerhalb der Führungselite hinausgewachsen ist. Er trägt langfristigen und grundlegenden Charakter. Seine Ursache liegt in dem fürwahr antagonistischen Widerspruch zwischen dem erzieherischen Anspruch der Ideologie und dem Verlangen offenbar doch großer Teile der Bevölkerung nach verbesserten Lebensbedingungen in einer weniger reglementierten Gesellschaft. Wieder einmal ist bereits dieses elementare Verlangen von der Mehrheit der Parteiführung als der Wunsch nach einer „Restauration des Kapitalismus" disqualifiziert und zurückgewiesen worden. Die Möglichkeiten zur Lösung des chinesischen Grundwiderspruchs sind damit von neuem erheblich eingeschränkt worden, genaugenommen auf die einzige Möglichkeit, die die maoistische Theorie für die Lösung antagonistischer Widersprüche vorsieht: die Anwendung physischer Gewalt.

Fussnoten

Fußnoten

  1. New China News Agency (NCNA), Peking, 7; 2. 1976.

  2. Zur Biographie Huas vgl. u. a.: Chu Wen-lin, über Hua Kuo-feng, in: Fei-ch’ing yüeh-pao/Chinese Communist Affairs Monthly, Taipei, Bd. XVIII, Nr. 9, 5. 3. 1976, S. 7— 11, und Fang Tan, Wie hat Hua Kuo-feng avanciert?, in: Ming-pao (Das Licht), Hongkong, 29. 1. 1976.

  3. So z. B.: Jen-min jih-pao (Volkszeitung; JMJP), Peking, 22. 2. 1976

  4. NCNA, Peking, 7. 4. 1976, 19. 47 Uhr.

  5. Zentrales Volksradio (ZVR), Peking, 7. 4. 1976, 20 Uhr.

  6. Ebenda (Hervorhebung durch d. Verf.).

  7. Agence France Press (AFP) und Reuter, P 5. 4. 1976.

  8. Ming-pao (Das Licht), Hongkong, 6. 4. 1976.

  9. Ebenda.

  10. Ebenda, S. 252 ff. Die sechste Gruppe der rehabilitierten Militärs wurde erst im Laufe des zweiten Halbjahres 1975 deutlicher erkennbar.

  11. Vgl. hierzu: Jürgen Domes, New Course in Chinese Domestic Politics: The Anatomy of Readjustment, in: Asian Survey, Berkeley, Bd. XIII, Nr. 7, Juli 1973, p. 633— 646.

  12. Verfassung der VR China vom 17. Januar 1975, Art. 7.

  13. Ebenda, Art. 10. En-lai,

  14. Chou Bericht über die Arbeit der Regierung, in: Chung-hua jen-min kung-he-kuo ti-ssuchieh ch'üan-kuo jen min tai-piao ta-hui ti-i-tz'u hui-i wen-chien (Dokumente der 1. Sitzung des IV. Nationalen Volkskongresses der VR China) Peking 1975, S. 35.

  15. JMJP, 9. und 22. 2. 1975.

  16. Die Kommuniques berichten nicht, daß Mao ein Grußwort gesandt hbe.

  17. Yao Wen-yüan, über die gesellschaftliche Basis der Lin-Piao-Clique, in: Hung ch'i (Rote Fahne, HC), Nr. 3/1975.

  18. Chang Ch'un-ch'iao, Uber die Ausübung umfassender Diktatur über die Bourgeoisie, in: HC, Nr. 4/1975.

  19. Die folgenden Daten stützen sich vor allem auf die Zusammenstellung von: Li Ming-hua, The Chi* nese Communist Leadership Reorganisation, in: Issues & Studies, T'aipei, Bd. XII, Nr. 3, März 1976, S. 37— 56. Dort finden sich ausführliche Quellenangaben für die einzelnen Ernennungen, meist aus NCNA.

  20. Ch’eng Yüeh, Ein allgemeines Programm für die Restauration des Kapitalismus: über die „Grund-I linie aller Arbeit in der ganzen Partei und im ganzen Land", in: HC, Nr. 4/1976 (NCNA, Peking, 15. 4. 1976). Der Pseudonym-Autor setzt sich hier mit einem unveröffentlichten Artikel Tengs auseinji ander, der offenbar im Frühherbst 1975 in der Partei zirkulierte.

  21. JMJP, 1. 10. 1975.

  22. Ebenda.

  23. JMJP, 2. 11. 1975.

  24. U. a.: JMJP, 14. 2. 1976.

  25. Gemeint ist hier der von Chiang h’ing geförderte Stil der „revolutionären Remantik".

  26. Alle Zitate aus: Yomiuri Shinbun, Tokio, 7. 4. 1976.

  27. JMJP, 18. 4. 1976. Der Name Liu Pings wird hier nicht genannt, sondern erschien nur auf Wand-zeitungen in Peking.

  28. JMJP, 3. 3. 1976.

  29. Daten nach: China News Analysis, Hongkong, Nr. 1035 vom 2. 4. 1976.

  30. JMJP, 18. 4. 1976, S. 110— 148.

  31. Englische Übersetzung der Wandzeitung von Li I-che in: Issues & Studies, Bd. XII, Nr. 1, Januar 1976, S. 110— 148.

  32. Volksradio Chekiang, 21. und 26. 7. 1975, jeweils 18. 30 Uhr.

  33. Kommentar von Chi Yen, Warum verbreitete Teng Hsiao-p'ing die Theorie von der Abschwächung des Klassenkampfes, gesendet von ZVR Peking, 20. 4. 1976, 18 Uhr.

  34. Chung-yang jih-pao (Zentralzeitung), T’aipe. i, 1. 5. 1976.

  35. JMJP, 18. 4. 1976.

  36. Generalkommando der Arbeitermiliz der Hauptstadt, Kämpft für die Stärkung der Diktatur des Proletariats!, in: JMJP, 27. 4. 1976, und: HC, Nr. 5/1976.

  37. Yomiuri Shimbun, 16. 4. 1976.

  38. JMJP, loc. cit. 10 Uhr. 8.4.1976, und: Generalkommando ...

  39. JMJP, 9. 4. 1976, und: ZVR Peking, 17. 4. 1976

  40. Vgl. ein Foto des Denkmals vom 4. April in: Time, New York, 26. 4. 1976, S. 13.

  41. JMJP, 9. 4. 1976, und: ZVR Peking, 16. 4. 1976 11. 30 Uhr.

  42. Ebenda.

  43. Ming-pao, 6. 4. 1976.

  44. Die Darstellung der Ereignisse des 5. April 1976 in Peking beruhen — soweit nicht anders angezeigt — auf den nachstehend aufgeführten Quellen, die im folgenden nicht mehr besonders zitiert werden: JMJP Arbeiter-Bauern-Soldaten-Korrespondenten und Reporter, „Der konterrevolutionäre politische Zwischenfall auf dem T’ienanmen-Platz, ZVR Peking, 7. 4. 1976, 20 Uhr, und: JMJP, 8. 4. 1976; „Ein großer Sieg", JMJP-Leitartikel, 10. 4. 1976-NCNA Peking, 10., 11. und 12. 4. 1976; ZVR Peking, 16. 4.

  45. Gemeint ist die Kaiserin-Witwe Tz'u Hsi, die von etwa 1865 bis zu ihrem Tode 1908 den maßgeblichen Einfluß auf die chinesische Politik ausübte — eine deutliche Anspielung auf Chiang Ch'ing.

  46. Ch’in Shih-huang, der erste Kaiser der Ch’in-Dynastie (221— 207 v. Chr.), gilt als besonders grausamer Tyrann. In der Propaganda von Widerstandsgruppen in China wird Mao Tse-tung oft mit ihm verglichen. Diese Parole richtete sich also unmittelbar gegen den Parteiführer und wurde von den chinesischen Medien auch so interpretiert.

  47. ZVR Peking, 14. 4. 1976, 10 Uhr.

  48. Generalkommando .. ., loc. cit. Der Begriff „mehrere Zehntausende" (chi wan) bedeutet im Chinesischen auf jeden Fall mehr als 30 000.

  49. JMJP, 8. 4. 1976'.

  50. ZVR Peking, 9. 4. 1976, 6. 30 Uhr.

  51. Ein Vergleich drängt sich auf: Wie hätten die Freunde der KCT in der Bundesrepublik es wohl aufgenommen, wenn Presse und Rundfunk in Berlin nach dem 2. Juni 1967 zwar die Verletzung eines Polizisten, nicht aber den Tod des Studenten Benno Ohnesorg gemeldet hätten?

  52. Volksradio Hunan, 11. 4. 1976, 18 Uhr, und: ZVR Peking, 12. 4. 1976, 10 Uhr.

  53. Volksradio Fukien, 9. 4. 1976, 8 Uhr.

  54. Volksradio Kiangsi, 4. 5. 1976, 18. 30 Uhr.

  55. Ming-pao, 6. 4. 1976.

  56. Lien-he pao (Vereinigte Zeitung), Taipei, 7. 4. 1976.

  57. Chung-yang jih-pao, Taipei, 4» 5. 1976.

  58. JMJP, 6. 4. 1976.

  59. 5. Mai 1976.

  60. JMJP, 9. 4. 1976.

  61. NCNA, Peking 10., 11. und 12. 4. 1976.

  62. JMJP, 10. 4. 1976 (Hervorhebung d. Verf.).

  63. JMJP, 18. 4. 1976.

  64. „Chi Yen", loc. cit.

  65. AFP, K'unming, 21. 4. 1976.

  66. NCNA, Peking, 1. 5. 1976.

  67. NCNA, Peking, 26. 4. 1976.

  68. JMJP, 18. 4. 1976 (Hervorhebung d. Verf.).

  69. „Ch ih Heng", loc.cot. (Hervorhebung d. Verf.).

  70. Reuter, Peking, 3. 5. 1976.

  71. AFP, Peking, 30. 4. 1976.

  72. U. a.: Chung-yang jih-pao und Lien-he pao, 8. 4. 1976.

  73. TASS, 6. 4. 1976, zitiert in: Neues Deutschland, Berlin-Ost 7. 4. 1976.

  74. Die „fünf schwarzen Kategorien" (Hei-wu-lei) umfassen Grundbesitzer, reiche Bauern (beide nach den Kategorien der Bodenreform von 1950/53), Konterrevolutionäre, schlechte Elemente und Rechtsabweichler. Sie erhalten ihre Kategorienbezeichnung in den Personalausweis eingetragen, haben kein •Vahlrecht, werden besonders überwacht, ihre Kinder haben in aller Regel Schwierigkeiten, auf weiterführende Schulen zu gelangen.

  75. Vgl. Jürgen Domes, Innenpolitische Voraussetzungen: Aspekte der Organisation und Führung, in: Die Außenpolitik Chinas. Entscheidungsstruktur, Stellung in der Welt, Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland, München 1975, S. 83— 162.

Weitere Inhalte

Jürgen Domes, Dr. phil., geb. 1932 in Lübeck; seit 1975 Prof, für Politikwissenschaft und Leiter der Arbeitsstelle „Politik Chinas und Ostasiens" an der Universität des Saarlandes. 1962/63 Gastprof, an der National Cheng-chih Universität in Taipei/Taiwan; 1968 Gastprof, an der Columbia Universität/South Carolina; 1967— 1975 Prof, und Leiter der Arbeitsstelle „Politik Chinas und Ostasiens" am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin; 1964— 1975 insgesamt 13 Forschungsaufenthalte in Ostasien. Veröffentlichungen u. a.: Politik und Herrschaft in Rotchina, Stuttgart 1965; Vertagte Revolution — Die Politik der Kuomintang in China, 1923— 1937, Berlin 1969; Die Ara Mao Tse-tung. Innenpolitik in der Volksrepublik China, Stuttgart 19722; China nach der Kulturrevolution — Politik zwischen zwei Parteitagen, München 1975.