Der Aufsatz ist das Teilergebnis eines ForschungsProjekts über den Konflikt im südlichen Afrika. Das Projekt wurde von der Wissenschaftlichen Kommission des Katholischen Arbeitskreises Entwicklung und Frieden und von der Deutschen Gesellschaft für Friedens-und Konfliktforschung gefördert. Eine erweiterte und veränderte Form der Studie erscheint im Herbst 1976 im Verlag Grüne-wald und Kaiser, Mainz/München.
Einleitung
Hat Kissingers Afrikareise vom April/Mai die amerikanische Afrikapolitik geändert? Bildete sie ein substantielles Signal für die Staaten des südlichen Afrika, daß die Vereinigten Staaten ihre bisherige Politik des benign neglect aufgeben wollen, oder war sie nur ein einmaliger Fanfarenstoß, der den sowjetisch-kubanischen Sieg in Angola übertönen sollte? Immerhin war es seit 1970 die erste Afrika-reise eines amerikanischen Außenministers; Schwarzafrika war in dieser Beziehung durch Washington nie verwöhnt worden. Man kann also wohl davon ausgehen, daß der amerikanische Außenminister mehr vorhatte als nur diplomatische Kosmetik, daß er das Interesse und die Präsenz der USA demonstrieren wollte. Ob sich dahinter eine wirkliche Änderung der amerikanischen Politik verbirgt oder ob vielmehr die bisherige Politik nur abgesichert werden sollte, läßt sich viel schwerer entscheiden. Zweifellos reagierte Washington auf das Debakel in Angola, bei dem die Sowjetunion stark an Ansehen und Einfluß gewonnen hatte. Ob Moskau bei seinem Engagement den Amerikanern den Rang ablaufen oder nicht vielmehr den chinesischen Einfluß zurück-dämmen wollte, war für Kissinger weniger wichtig. Für ihn war es eine Niederlage, die er auch nicht erfolgreich dem Kongreß in die Schuhe schieben konnte. Amerikanische Militärhilfe hätte den Konflikt höchstens verlängert, seinen Ausgang aber kaum verändert. Denn: Amerika kämpft in Südafrika auf der falschen Seite. Etwas genauer ausgedrückt: es kämpft nicht deutlich genug auf der richtigen Seite. Sein Stern in Angola sank, als die Republik Südafrika in Angola intervenierte. Nachdem der Fehler bemerkt worden war, gelang es Washington zwar, Pretoria zum Rückzug zu bewegen. Der Schaden war jedoch schon eingetreten, Washington sichtlich in eine Linie mit der Republik Südafrika gerückt. Seitdem ging es in Angola weniger um die Frage, ob die Linken oder die weniger Linken gewinnen sollten, sondern um den Einfluß von weißem Rassismus und Kolonialismus. Das ist gegenwärtig und auf absehbare Zeit die Schicksalsfrage im südlichen Afrika, die Frage, auf die alle schwarzafrika-nischen Staaten nur eine einzige Antwort geben. Zaire und Sambia wandten sich von der amerikanischen Position ab; Nigeria lud sogar den amerikanischen Außenminister, der auch Lagos besuchen wollte, wieder aus.
Die eigentliche Bedeutung der Ereignisse in Angola liegt daher für die Vereinigten Staa-INHALT Einleitung I. Die Politik der amerikanischen Regierung 1. Kommunikation mit Pretoria a) politisch b) militärisch c) wirtschaftlich II. Die Politik der amerikanischen Wirtschaft 1. Die amerikanischen Investitionen 2. Der Handel III. Wandel in der amerikanischen Südafrikapolitik? ten weniger im Auftritt der Kubaner. Auch in Angola weiß man die Gefahr solcher Freundschaft richtig einzuschätzen: wer hereinkommt, muß auch wieder hinausgehen, wird man in Abwandlung eines aktuellen Sprich-wortes sagen können. Die Gefahr liegt darin, daß Washington zunehmend vor eine Alternative gestellt wird, die es gern vermeiden würde, nämlich entweder für die weiße oder die schwarze Seite in Südafrika zu optieren. Hinter dem benign neglect verfolgten die USA bislang eine Politik des Sowohl-Als-auch. Sie verurteilten den Rassismus und die weiße Minderheitsherrschaft in Rhodesien und der Republik Südafrika. Sie brachen aber das UN-Embargo gegen Rhodesien, kooperierten intensiv mit der Republik, hatten jahrelang die portugiesische Politik in Angola unterstützt. Sie hofften offensichtlich auf den Erfolg der Bestrebungen Pretorias, mit Hilfe wirtschaftlicher Zusammenarbeit den politischen Konflikt zu mildern, die Alternative abzuschwächen.
All dies ist jetzt weitgehend zerronnen. Die USA stehen damit erneut vor der Frage, wie sie ihre Afrikapolitik einrichten sollen. Letztlich zielt das auf ihr Verhältnis zur Republik Südafrika. Sie hielt den Schlüssel zum Schicksal Angolas in der Hand; sie hält ihn auch für die Position der USA im gesamten südlichen Afrika. Zwar sind ihr Rhodesien und Namibia vorgelagert. Auf sie richtet sich vornehmlich der Druck der schwarzafrikanichen Staaten, weil sie den verhaßten weißen Kolonialismus repräsentieren. Sie sind aber, was Größenordnung und Problematik anbelangt, mit der Republik nicht zu vergleichen.
Diese ist zwar, was auch die Schwarzafrikaner wissen, kein Kolonialstaat, wohl aber ein weißer Minderheitsstaat mit scharf ausgeprägter rassistischer Komponente, der das eigentliche Zentrum des sich verschärfenden Rassenkonfliktes bildet.
Amerikanische Südafrikapolitik ist daher in erster Linie abhängig von den Beziehungen zur Republik Südafrika. An ihnen läßt sich ablesen — und zwar viel deutlicher als an allen Erklärungen, Reisen und Gesten —, welchen Kurs die USA in Afrika verfolgen. Was Kissinger mit seiner Afrikareise wirklich im Sinne hatte — an der Politik gegenüber der Republik wird es sich erweisen. Wenn er wirklich eine Änderung bewirken wollte, so wäre es die zweite und geradezu eine Wende.
Denn mit Kissingers Namen verbindet sich schon ein Wandel der amerikanischen Afrika-politik. Unter Präsident Eisenhower hatte es nur Pflichtübungen rhetorischer Natur gegeben, die sich gegen die zunehmende Kritik in den Vereinten Nationen richteten J. F. Kennedy, der nach dem „Jahr Afrikas'und dem Jahr von Sharpeville an die Regierung kam, hatte versucht, sich den Schwarzafrikanern zu nähern und Druck auf die Republik Südafrika auszuüben, damit sie ihre Rassen-politik ändere. Er besetzte die Afrikaabteilung des State Department mit G. Mennen Williams und Wayne Fredericks, zwei engagierten und hervorragenden Politikern. Williams reiste mehrfach nach Afrika, aber eben nicht in die Republik, der er die Anschauungen der neuen Regierung auf andere Weise, aber „direkt" und „offiziell" übermitteln ließ Die Regierung Kennedy sah sehr genau, daß nicht der Kommunismus in Afrika die Gefahr war, sondern daß Armut und Krankheit, vor allem die Versagung von Selbstregierung und Selbstbestimmung den Kommunismus erst schufen und förderten
Unter der Administration Kennedys kam auch der spektakuläre Beschluß der Vereinigten Staaten zustande, vom 1. Januar 1963 an ein eigenes unilaterales Waffenembargo gegen die Republik zu verhängen. Zwar war dieser Schritt nicht ganz uneigennützig; er wurde aber vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ausdrücklich begrüßt und allen anderen Staaten zur Nachahmung empfohlen. In jedem Fall war der Schritt ein deutliches Zeichen dafür, daß es der Regierung Kennedy ernst war mit dem Versuch, zwar langsam aber entschlossen auf die Republik Südafrika einzuwirken.
Es bleibt Spekulation, ist aber nicht auszuschließen, daß es Kennedy gelungen wäre, die amerikanische Südafrikapolitik aus der Alternative, zwischen Schwarz und Weiß wählen zu müssen, herauszubringen.
Diese Politik verfiel langsam unter der Regierung Johnson. Die Interessen gewannen wieder den Vortritt vor den Idealen Die Administration Nixons formulierte es sogar offen: Der Wandel in der Republik sei vornehmlich eine Sache der Republik selbst Hinter der veränderten Sprache verbarg sich, wie wir heute wissen, eine in der Tat veränderte Politik.
I. Die Politik der amerikanischen Regierung
Im Oktober 1974 wurde der amerikanischen Öffentlichkeit das National Security Study Memorandum 39 (NSSM 39) zugespielt, das vom 15. August 1969 datierte und die Grundlage für eine präsidentielle Entscheidung Anfang 1970 abgab. Die Studie, die aus dem Stab des damaligen Sicherheitsberaters des Präsidenten, Henry Kissinger, stammte, definierte das Dilemma der amerikanischen Südafrika-politik noch einmal sehr genau: Sie stellte der Verabscheuung des rassistischen Systems in Pretoria die beträchtlichen wirtschaftlichen, politischen und militärischen Interessen der dem Vereinigten Staaten gegenüber. Neben hohen Profit, den die amerikanischen Investitionen dort abwerfen, neben der Uran-und der Goldproduktion wurde die geographische Lage Südafrikas hervorgehoben. Sie war nach der Schließung des Suez-Kanals und nach der verstärkten Aktivität der sowjetischen Flotte im Indischen Ozean den Vereinigten Staaten besonders wichtig erschienen. Mit Verständnis wurde registriert, daß Südafrika genau diese sowjetische Aktivität hervorheben und dazu ausnutzen wollte, die „Grundlage für eine gewisse Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten" zu legen, denn „es ist sehr daran interessiert, in die westliche Verteidigung mit eingeschlossen zu werden"
Der Bericht entwickelt dann fünf Optionen für die amerikanische Südafrikapolitik, die von der engeren Zusammenarbeit mit den Weißen bis hin zur totalen Dissoziation von den schwarzen und den weißen Staaten führte. Interessant sind die zweite und die dritte Option. Die dritte sah eine begrenzte Assoziation mit den weißen Staaten und fortgesetzte Assoziation mit den schwarzen Staaten vor, also eine Kombination einer Politik, die den Interessen in den weißen Staaten Rechnung trug, andererseits aber in der Rassenfrage einen eindeutigen, die Schwarzen zufriedenstellenden Standpunkt bezog. In gewisser Weise spiegelte diese Option wider, was in der Administration Kennedys, wenn auch vergeblich, versucht worden war.
Die Administration Nixons wählte bezeichnenderweise die zweite Option. Sie sollte eine breite Assoziierung sowohl mit den schwarzen als auch mit den weißen Staaten vorsehen, Mäßigung in den weißen Staaten ermutigen und eine Kooperation der schwarzen Staaten bewirken. Im Grunde lief es darauf hinaus, die schwarzen Staaten durch verbale Beteuerung der Ablehnung der Apartheid zu beschwichtigen und faktisch die Kooperation mit den weißen Minderheitsregimes zu verstärken. Wörtlich heißt es in der Option 2: „Die Weißen haben die Absicht hierzubleiben, und die einzige Möglichkeit für einen konstruktiven Wandel wird durch die Weißen selbst kommen. Es besteht keine Hoffnung für die Schwarzen, die politischen Rechte, die sie suchen, durch Gewalt zu erreichen. Diese wird vielmehr nur zu Chaos und zu vermehrten Möglichkeiten für die Kommunisten führen. Durch selektive Abschwächung unserer Haltung gegenüber den weißen Regimes können wir eine gewisse Veränderung ihrer gegenwärtigen Rassen-und Kolonialpolitik ermutigen; durch eine substantiellere Wirtschaftshilfe für die schwarzen Staaten (insgesamt ungefähr 5 Millionen Dollar jährlich in technischer Hilfe für die schwarzen Staaten) können wir dazu beitragen, die beiden Gruppen zusammenzubringen und einen gewissen Einfluß auf beide in Richtung des friedlichen Wandels auszuüben. Unsere materiellen Interessen bilden eine Grundlage für unsere Kontakte in dieser Region, und sie können zu akzeptierbaren politischen Kosten beibehalten werden.
Allgemeine Haltung.
Wir würden unsere öffentliche Opposition gegenüber der rassischen Unterdrückung beibehalten, aber die politische Isolierung und die wirtschaftlichen Beschränkungen gegenüber den weißen Staaten einschränken. Wir würden beginnen mit sehr gemäßigten Andeutungen dieser Abschwächung, würden die Breite unserer Beziehungen und Kontakte langsam und in gewisser Weise als Antwort auf substantielle, wenngleich kleine und abgestufte Veränderungen der weißen Politik erweitern. Ohne öffentlich eine Haltung einzunehmen, die Großbritannien und die Vereinigten Nationen hinsichtlich Rhodesiens desavouieren würden, würden wir in unserer Haltung gegenüber dem Smith-Regime flexibler werden. Wir würden die gegenwärtige Politik Portugals so interpretieren als deute sie weitere Veränderungen in den portugiesischen Territorien an. Zur gleichen Zeit würden wir diplomatische Schritte unternehmen, um die schwarzen Staaten der Region davon zu überzeugen, daß ihre gegenwärtigen Bestrebungen nach Befreiung und Mehrheitsherrschaft (majority rule) im Süden durch Gewalt nicht erreicht werden können und daß ihre eigentliche Hoffnung für eine friedliche und prosperierende Zukunft in engeren Beziehungen mit den von Weißen beherrschten Staaten liegen. Wir würden unsere Auffassung betonen, daß engere Beziehungen dazu beitragen werden, auch in den weißen Staaten Wandel hervorzubringen. Wir würden vermehrte und flexible Wirtschaftshilfe den schwarzen Staaten der Gegend geben, um ihre Aufmerksamkeit auf ihre innere Entwicklung zu lenken und sie dazu zu bewegen, bei der Verminderung von Spannungen zu kooperieren. Wir würden Südafrika ermutigen, Wirtschaftshilfe an die sich entwickelnden schwarzen Staaten zu geben.
Diese Option akzeptiert, zumindest über eine Periode von drei bis zu fünf Jahren, die Aussicht auf unerwiderte amerikanische Initiativen gegenüber den Weißen und eine gewisse Opposition von den Schwarzen, um eine Atmosphäre zu entwickeln, die dem Wandel in den Haltungen der Weißen durch Überredung und Erosion förderlich ist. Um diesen Wandel zu ermutigen, würden wir unsere Bereitschaft erklären, politische Vereinbarungen unterhalb des garantierten Fortschrittes zur Mehrheitsherrschaft zu akzeptieren, vorausgesetzt, daß sie eine erweiterte politische Partizipation in der einen oder anderen Form durch die gesamte Bevölkerung sicherstellen.
Die einzelnen Elemente dieser Option würden als ganze bestehen und die Akzeptierung der Option würde nicht bedeuten, daß individuelle Elemente dieses Zusammenhangs als einzelne akzeptiert werden."
Interessant an der Entscheidung der Nixon-Regierung für diese Option 2 ist weniger das Ausmaß der Fehlanalysen, das sie damit einkaufte. Wichtiger ist vielmehr ihre Bereitschaft, ein Konzept zu verwirklichen, das auswärtige Beziehungen in traditioneller Manier als machtpolitische Beziehungen definierte. Dies lag zwar, wie erwähnt, in der generellen Fluchtlinie der Nixon-Doktrin; es überrascht aber doch, wie im südlichen Afrika, sozusagen vor Ort, soziale und herrschaftliche Konfliktformationen in ihrer Bedeutung permanent unterbewertet wurden. Schätzte man die Macht der Vereinigten Staaten so hoch ein, daß sie einen geschichtlichen Prozeß zu ihren Gunsten neutralisieren konnte?
Viel wahrscheinlicher ist es, daß die Berechnungen, die dem neuen Konzept zugrunde lagen, einfacher und simpler gewesen sind. Das südliche Afrika befand sich beim Regierungsantritt Nixons in einem Zustand wachsender Labilität, der durch die portugiesischen Besitzungen und Rhodesien verursacht worden war. Traditionellem diplomatisch-militärischem Denken mochte es geradezu als widersinnig erscheinen, den vorhandenen, stabilen, kräftigen, freundlich gesinnten Machtfaktor Südafrika zu schwächen, nur um damit vielleicht Machtfaktoren sehr viel kleineren Kalibers zu besänftigen, die zur Zusammenarbeit zu gewinnen ohnehin eine keineswegs sichere Aussicht darstellte. Da zwei Jahre zuvor auch noch der Suez-Kanal geschlossen und die Kap-Route sozusagen eben erst aufgenommen worden war, meldeten sich auch die militärischen Interessen zur Wort. Konnte man die strategisch beherrschende Position der Republik vernachlässigen im Tausch gegen politische Einheiten, die weder deren strategische Lage noch die militärische Kapazität besaßen? Nimmt man die allzeit bereite Rechtfertigung konservativen Verhaltens hinzu, daß man zwar weiß, was man hat, aber nicht weiß, was man bekommt, so hat man sicherlich die Grundlage zusammen, auf der das neue Konzept einer Politik der Kommunikation entstand.
1. Kommunikation mit Pretoriat
a) politisch
Einige der Maßnahmen, mit denen Washington unter dem NSSM 39 die politische Kommunikation mit Pretoria verstärken wollte, waren in dem Dokument schon selbst enthalten. Das Waffenembargo sollte zwar fortgeführt, aber liberalisiert werden. Amerikanische Schiffe sollten wieder in südafrikanischen Häfen anlegen, amerikanische Flugzeuge die Flughäfen benutzen dürfen. Die Radarstationen sollten beibehalten, die Einschränkungen der Export-Import-Bank gegenüber Südafrika aufgehoben werden. Darüber hinaus waren der amerikanische Export zu intensivieren und amerikanische Investitionen zu erleichtern, soweit sie mit dem Foreign Direct Investment Program übereinstimmten. Auf dem kulturellen Sektor sollte das Austauschprogramm mit Südafrika in allen Sektoren, den militärischen eingeschlossen, intensiviert werden. Selbst für die Politik gegenüber Südwest-Afrika gab es eine Empfehlung: Die Rechtsposition der Vereinigten Staaten sollte sich hier zwar nicht ändern, sie sollte aber auf ein ruhigeres Niveau abgesenkt werden und es ermöglichen, daß die Vereinigten Staaten eine Annäherung zwischen Südafrika und den Vereinten Nationen beförderten Die Praxis der Nixonschen Südafrikapolitik liest sich wie eine Ausführung dieses Programms. Nixon versuchte, die Republik Südafrika und ihre Rassenpolitik zunächst einmal „sprachlich zu normalisieren"; er sprach. von Bürgerkriegen in Afrika statt von Kolonial-kriegen, wie Kennedy es getan hatte Im Januar 1974 besuchte der südafrikanische Innen-und Informationsminister Mulder die Vereinigten Staaten, wurde von Vizepräsident Ford, führenden Abgeordneten und im Pentagon empfangen. Im Mai 1974 kam der südafrikanische Admiral Biermann, Chef der südafrikanischen Verteidigungskräfte, nach Washington. Außenminister Kissinger überging ausdrücklich die Empfehlung der Afrika-Abteilung, dem Admiral aufgrund der militärischen Embargopolitik kein Visum zu geben Das militärische Embargo gegenüber Südafrika wurde überprüft, beibehalten, aber so interpretiert, daß kleine Flugzeuge für den zivilen Bedarf des Militärs (der aber natürlich auch in einen militärischen verwandelt werden konnte) nach Südafrika geliefert werden konnten. Die Stellungnahmen in den Vereinten Nationen wurden verringert und dem Inhalt nach gemäßigter; die Enthaltungen und Nein-Stimmen häuften sich
Präsident Nixon hatte im Oktober 1970 einen Beirat für afrikanische Angelegenheiten ernannt, dessen Zusammensetzung zwar die wichtigsten Gruppen repräsentierte, die Wirtschaft jedoch eindeutig bevorzugte und im übrigen keinen wirklichen prominenten Kritiker der amerikanischen Afrikapolitik mit einschloß Seine Aufgabe war offensichtlich weniger, eine neue und aktive Afrikapolitik anzuregen, als vielmehr die laufende Politik abzusichern. Der Umschwung von der Kritik zur Kommunikation sollte sich leise vollziehen, und so vollzog er sich auch. Im Wahlkampf 1972 spielte Südafrika so gut wie keine Rolle.
Die amerikanische Regierung verteidigte ihre Politik des „selective involvement", ihrer Wiederbelebten Kommunikation mit der Republik, immer wieder mit dem Hinweis auf den Nutzen für die amerikanischen Interessen und für die Beteiligten in Südafrika selbst. Sie gab sich große Mühe, die von Washington eingeschlagene Politik der Kommunikation gerade als Wunsch der Schwarzen wie der Weißen in Südafrika darzustellen „Kommunikation mit allen Teilen der Bevölkerung" sei das einzige Mittel, um den Wandel der südafrikanischen Sitütion zu erreichen Unter den gegebenen Umständen konnte diese Politik der Kommunikation nichts anderes bedeuten, als daß das'Gespräch mit den Weißen fortgesetzt wurde, gegebenenfalls stärker als \bisher.
Ein interessantes Schlaglicht auf den politischen Inhalt der „Kommunikation" fiel im Herbst 1974, als der von Kissinger neu ernannte Leiter der Afrika-Abteilung^ Easum, nachdem er nur ein DreiVierteljahr amtiert hatte, praktisch am Tage seiner Rückkehr Von einer längeren Afrikareise zum amerikanischen Botschafter in Nigeria ernannt und damit von seinem bisherigen'Posten abgelöst wurde. Als Nachfolger wählte Kissinger Nataniel Davis, Generaldirektor des Diplomatischen Dienstes im amerikanischen Außenministerium. Der Wechsel erregte in Afrika Wie in den Vereinigten Staaten höchstes Aufsehen. Easum hatte sich in seiner kurzen Zeit den Ruf erworben, das Vertrauen sowohl des schwarzen wie des weißen Afrika zu besitzen In den Augen Kissingers war dies nicht unbedingt ein Vorteil. Es gab Mißverständnisse, als Easum zu einer Zeit, in der sich die Vereinigten Staaten im Sicherheitsrat mit dem Ausschließungsanträg gegen Südafrika konfrontiert sähen, auf einer Reise durch das südliche Afrika sehr: dezidierte Antiapartheid-Stellungnahmen abgab. Kissinger hielt das offensichtlich für eine Stärkung der afrikanischen Position, die ihm gerade so viel zu schaffen machte.
Lassen sich die Gründe, aus denen Kissinger Easum abgelöst hat, nicht genau erfassen, so wird die Ernennung Davis'um so klarer, je politisch, unverständlicher sie ist. Davis war zwar, als er zum Nachfolger von Easum ernannt wurde, Generaldirektor des Auswärtigen Dienstes. Diesen Posten hatte er aber erst im Herbst 1973 angetreten, als er aus Chile, wo er amerikanischer Botschafter gewesen war, abgerufen wurde. Er war dort seit 1971 tätig gewesen, also genau in der Zeit, in der das Regime Allende in seinen Untergang gesteuert wurde. Abgesehen davon, daß Davis keine Afrikaerfahrung hatte, mußte dessen Präsenz beim Sturz Allendes, der sicherlich auch der amerikanischen Mithilfe zu verdanken war, bei den afrikanischen Staaten höchstes Befremden auslösen Sollte die amerikanische Chile-Politik auf Afrika übertragen werden?
Die Ernennung von Davis war aber nicht der einzige Mißgriff Kissingers. Im Sommer 1974 war Deane Hinton als Botschafter in Zaire ernannt worden. Hinton hatte von 1967 bis 1969, teilweise unter Botschafter Davis, als Chef der amerikanischen Hilfsmission in Guatemala gearbeitet, später in der gleichen Position in Chile. Im Frühjahr 1975 wurde bekannt, daß die USA William G. Bowdler als neuen Botschafter nach Pretoria entsenden wollten. Bowdler war von 1956 bis 1961 in Kuba tätig gewesen, war dann als Spezialist für Lateinamerika beim National Security-Council tätig und wurde 1971, als Nachfolger von Davis, Botschafter in Guatemala. Erster Botschaftsrat an der Botschaft in Pretoria war bereits Jeffrey Davidow, der sich ebenfalls zur Zeit, als Davis Botschafter in Lateinamerika war, an den amerikanischen Missionen in Guatemala und Chile aufgehalten hatte
War schon die Ernennung von Botschafter Hurd auf die Kritik der Liberalen gestoßen, weil er wieder zur Politik rassisch getrennter Empfänge in der Botschaft zurückgekehrt war und sich im übrigen eindeutig auf die weiße Seite gestellt hatte 18), so mußte diese Häufung lateinamerikanischer Veteranen mit einem ausgesprochenen antikommunistischen Erfahrungshintergrund natürlich alarmierend wirken. Zufällig oder nicht zufällig — alle Neuernannten hatten erhebliche Erfahrungen in der Counterinsurgency-Politik der USA in Lateinamerika. Wollten die USA jetzt diesen Kampfstil nach Afrika übertragen? War das ihre Antwort auf die gesellschaftlichen und politischen Umschichtungen, die sich dort vollzogen? Auch diejenigen, die in ihrer Kritik nicht so weit gingen, konnten zumindest nicht umhin, Kissinger eine ausge-sprochene Rechtslastigkeit in der personellen Ausgestaltung seiner Kommunikationspolitik in Pretoria zu bescheinigen
Die Watergate-Affäre, Nixons Rücktritt und die Folgen dieser Ereignisse für die Gesamt-anlage der amerikanischen Außenpolitik brachten einen gewissen Wandel gegenüber früheren Orientierungen. Davis trat als Leiter der Afrikaabteilung zurück und ging als Botschafter nach Bem. Im April 1975 besuchte Sambias Staatspräsident Kaunda Washington und Nixons Nachfolger Ford. Die Staats-visite war noch unter Easum verabredet worden, wäre aber, solange Nixon im Amt war, kaum zustande gekommen. Die amerikanische Afrikapolitik profitierte davon, daß Ford im In-und Ausland ein großer Vertrauensvorschuß entgegengebracht wurde. Wenige Tage vor dem Besuch Kaundas hatte der neue Präsident in einer Botschaft an den Kongreß wieder die Freundschaft der Vereinigten Staaten zu Afrika betont und die USA als einen treuen und engagierten Freund bezeichnet. Er bat Kaunda, „seinen Landsleuten und allen Afrikanern unser erneutes Versprechen der Freundschaft mitzunehmen" Kaunda zeichnete jedoch ein ganz anderes Bild des amerikanischen Verhaltens. In einem ungewöhnlich offenen Trinkspruch sprach er von der Enttäuschung Afrikas darüber, daß den amerikanischen Worten keine Taten folgten. Afrika spürte ganz genau, daß Washington in seiner Politik der Republik gegenüber sehr viel weicher geworden war, den Widerstand gegen die Apartheid aufgegeben hatte und sich mit ihr einzurichten begann. Aus der Kommunikation mit Pretoria folgte notwendig das Schweigen gegenüber Schwarzafrika.
b) militärisch
Die unter Nixon und Kissinger ausgelöste Verschiebung der amerikanischen Politik betraf freilich nicht nur den Raum verbaler Erklärungen und personeller Besetzungen. Sie setzte vielmehr eine Reihe von Veränderungen auf den substantiellen Sektoren der Militär-und Wirtschaftspolitik in Gang, rechtfer-tigte sie und ordnete sie in den Gesamtzusammenhang der neuen amerikanischen Zielsetzung im südlichen Afrika ein. Die eigentlichen Folgen der intensivierten und in ihrer Richtung veränderten Kommunikation müssen daher auf den Gebieten der Verteidigung und der Wirtschaft gesucht werden.
Hinsichtlich der militärischen . Zusammenarbeit konnten die Vereinigten Staaten ständig auf das von ihnen autonom und initiativ verhängte Waffenembargo von 1963 hinweisen, mit dem sie die Sicherheitsrats-Resolutionen vom 7. August ermöglicht hatten, ihnen gleichzeitig aber auch zuvorgekommen waren. Das Embargo vervollständigte die eingeschränkte Lieferungssperre von 1962. Damals, am 19. Oktober, hatten die Vereinigten Staaten das Special Political Committee der Vereinten Nationen darüber informiert, daß sie ein Waffenembargo gegenüber der Republik Südafrika verhängt hätten. Es bezog sich auf Waffen, die innenpolitisch im Rahmen der Apartheid-Politik eingesetzt werden könnten 1963 erweiterten sie die Sperre auf ein totales Embargo — freilich mit zwei Einschränkungen: Abgesehen davon, daß es erst mit dem 1. Januar 1964 beginnen sollte, waren Lieferungen ausgenommen, die aus bereits abgeschlossenen Verträgen stammten. Darüber hinaus behielten sich die Vereinigten Staaten das Recht vor, diese Politik „im Lichte der Erfordernisse zur Aufrechterhaltung des internationalen Friedens und der Sicherheit zu interpretieren" Kam diese zweite Einschränkung bis 1975 nicht zum Zuge, so höhlte die erste das Waffenembargo in gewisser Weise aus. Nixons Kommunikationspolitik trug dann dazu bei, daß diese Erosion weiter vorangetrieben wurde.
Im Rahmen der Lieferungen, die vor der Verhängung des Embargos verabredet worden waren, verkauften die USA Munition und Ersatzteile bis 1973 im Werte von 23 268, 574 Millionen Dollar an die Republik Allerdings blieb es bei diesen Lieferungen, und die Vereinigten Staaten konnten stets und mit Recht darauf hinweisen, daß sie die Embargopolitik weitgehend konsequent durchhielten. Erst Nixon versuchte, um die Kommunikation zu intensivieren, eine geringe Anzahl von kleinen und unbewaffneten Zivilflugzeugen an das südafrikanische Militär zu verkaufen Er durchbrach damit das Prinzip, das südafrikanische Militär nicht über den bis 1963 verabredeten Umfang hinaus zu beliefern. Zwar kam das Geschäft dann nicht zustande, weil das südafrikanische Militär die Maschinen nicht ankaufte. Das amerikanische Angebot war aber auf dem Tisch und seine kommunikative Bedeutung wurde noch dadurch verstärkt, daß die Vereinigten Staaten der UNO-Resolution, die das Embargo auch auf die Ersatzteillieferungen erweitern wollte, 1970 nicht zustimmten Nixon war bereit, im Rahmen der veränderten Kommunikationspolitik das Embargo seiner Vorgänger abzuschwächen.
Freilich darf das Embargo selbst nicht überschätzt werden. Es bezog sich zwar auf Waffen in striktem Sinne, nicht jedoch auf vielfältig verwendbare Geräte. Lastwagen und Flugzeuge, die an zivile Stellen ausgeliefert werden, sind selbstverständlich kein Kriegsgerät; sie können aber im Bedarfsfall rasch anders eingesetzt werden. Für Gegenstände, die noch stärker in der grauen Zone zwischen friedlicher und militärischer Verwendung eingesetzt werden konnten, hatten die Vereinigten Staaten einen Ausschuß gebildet, der über die Lieferung zu entscheiden hatte. Er ergänzte die Abteilung für Exportkontrolle im Handelsministerium, das Außenministerium, das im speziellen Sinne für Südafrika zuständig war, und das Verteidigungsministerium, das sich unter dem Foreign Military Sales Act von 1968 und unter dem Foreign Assistance Act von 1961 um militärische Hilfslieferungen zu kümmern hatte. Aus dieser reichlich unübersichtlichen Verwaltungsmaschinerie mit ihren zahlreichen Kompetenzschwierigkeiten kam schließlich heraus, daß die Vereinigten Staaten in der Zeit von 1967 bis 1972 an die Republik Flugzeuge im Werte von 273 Millionen Dollar und Radioausrüstungen für Flugzeuge im Werte von 22 Millionen Dollar verkauft haben Nur sieben von insgesamt 33 Anträgen auf Ausnahmegenehmigung für Lieferungen in den „grauen Bereichen" wurden abgelehnt.
Geht man näher ins Detail der etwa für einen Anti-Guerilla-Kampf verwendbaren Mittel, so ergibt sich, daß die Vereinigten Staaten in den vier Jahren von 1969 bis 1972 der Republik Herbizide im Werte von 9, 6 Millionen Dollar verkauft haben
Insbesondere Picloram und Cacodylic, die für Entlaubungsaktionen in Angola und Mozam-bique eingesetzt worden waren, wurden im Rahmen der amerikanischen Exportgesetzgebung bis zum 17. Mai 1973 frei an alle nichtkommunistischen Staaten verkauft. Sie konnten daher auch in die Republik geliefert werden. Erst ab Mai 1973 wurden sie unter Lizenzzwang gestellt.
Von einer Embargopolitik kann also nur in einem begrenzten Sinne gesprochen werden. Wie einer Berechnung der amerikanischen Arms Control and Disarmament Agency zu entnehmen ist, haben die Vereinigten Staaten in den Jahren 1961— 1971, größtenteils also zur Zeit des Embargos, Waffen im Werte von 40 Millionen Dollar an die Republik Südafrika geliefert. Dies ist zwar erheblich weniger als die Lieferrechnungen, die Großbritannien (97 Millionen Dollar) und vor allem Frankreich (145 Millionen Dollar) aufzuweisen haben. Im Vergleich mit diesen westlichen Staaten (Bundesrepublik 1 Million Dollar) nehmen die Vereinigten Staaten in der Tat einen guten Platz ein. Er muß um so besser bewertet werden, als die Zahlungsbilanzprobleme der Vereinigten Staaten beträchtlich und die Interessen der von der Konkurrenz bedrängten amerikanischen Industrie, insbesondere der Raumfahrt-industrie, an der Erweiterung der Rüstungsverkäufe sehr groß waren.
Nichtsdestoweniger kann von einem strikten Embargo nicht die Rede sein. Es war zunächst relativ weich definiert, dann im Rahmen der Kommunikationspolitik Nixons weiter aufgeweicht worden. Wenn auch die Feststellung des Unterausschußvorsitzenden Diggs, daß „drastische Veränderungen stattgefunden hätten" übertrieben ist, so ist doch die neue Akzentuierung der Embargopolitik seit 1969 unverkennbar. Sie setzte nicht nur die ohnehin schon relativ großzügig gehandhabte Politik seit 1964 fort, sondern versuchte auch, genau wie es in dem Memorandum von 1969 gefordert worden war, die militärische Kooperation mit der Republik zu intensivieren.
Sie bezog sich sogar auf die Lieferung von'angereicherten, d. h. für Waffenzwecke verwendbarem Uran. Aufgrund eines Vertrages mit einer Firma, die sich U. S. Nuclear Corporation of Oakridge, Tennessee, nennt, haben die Vereinigten Staaten 228 Pfund hoch angereicherten Urans an die Republik geliefert Da die Republik anerkanntermaßen über die Fähigkeit verfügt, Atomwaffen herzustellen, erweckt diese Lieferung erhebliche Zweifel an der Einhaltung des Waffenembargos. Zwar will die Republik das Material zu Forschungszwecken verwenden; da sie aber den Nichtverbreitungsvertrag nicht unterschrieben, sich also einer Kontrolle zur Sicherstellung der friedlichen Verwendung nicht unterworfen hat, ist die Möglichkeit zum militärischen Gebrauch des Urans nicht auszuschließen. Berechnungen zufolge könnten mit den 97 Pfund, die bis Mitte des Jahres 1975 ausgeliefert waren, sieben Atombomben hergestellt werden.
Die Lieferung ist Teil des bilateralen Abkommens für die Zusammenarbeit in der friedlichen Nutzung von Atomenergie, das die Vereinigten Staaten 1957 mit der Republik abgeschlossen hatten, und das noch bis 1977 in Kraft bleibt Es ist kein Sonderabkommen, sondern steht im Zusammenhang mit 30 anderen Verträgen dieser Art, die die Vereinigten Staaten bisher vereinbart haben. Unter ihnen ist es den USA erlaubt, der südafrikanischen Regierung Kernmaterial zu verkaufen oder für die Forschung und für Kraftwerke zu überlassen. Ebenso können Ausrüstungsgegenstände für friedliche Atomenergieprojekte geliefert werden. Ihre Verwendung steht unter den Kautelen des dreiseitigen Abkommens zwischen den Vereinigten Staaten, Südafrika und der Internationalen Atomenergie-Agentur in Wien dessen Bestimmungen jedoch nicht identisch sind mit den Auflagen unter dem Nichtverbreitungsvertrag. Selbstverständlich haben die Vereinigten Staaten kein Interesse daran, Südafrika zur Atom-macht werden zu lassen; sie würden damit den großen Aufwand, den sie zur Bewahrung des Atomwaffenmonopols getrieben haben, zunichte werden lassen. Auf der anderen Seite können natürlich auch sie nicht übersehen, ob ein militärisch bedrängtes Südafrika in einem Notfall nicht doch militärischen Gebrauch von seinen nuklearen Möglichkeiten machen würde.
Die militärische Kommunikation erstreckte sich freilich nicht nur auf das Waffenembargo und seine Ausnahmen. Sie war überhaupt nicht nur negativ definiert. Zwar gab es noch einige andere Felder, die die Vereinigten Staaten in der militärischen Zusammenarbeit mit Südafrika leer ließen, z. B.den Beitrag zur militärischen Ausbildung oder zur Waffenfor-schung aber es gab auch'positiv besetzte Felder. Die Vereinigten Staaten unterhielten vier Militärattaches in der Republik, die ihrerseits sogar fünf in die Vereinigen Staaten entsandt hatte, über diese Militärattaches lief eine relativ intensive Kommunikation zwischen den beiden Staaten Man tauschte Landkarten und geodätische Informationen, sicherlich auch militärische Nachrichten aus.
Sehr deutlich drückte sich die positive Zusammenarbeit in vier Luft-und Raumfahrtstationen aus, die die Vereinigten Staaten in der Republik unterhalten. Drei davon gehören der NASA, eine der Luftwaffe. Die drei Stationen der NASA waren im Rahmen des Geophysikalischen Jahres 1960 als gemeinsame amerikanisch-südafrikanische Einrichtungen verabredet und anschließend erbaut worden
Die Luftwaffe unterhält ihrerseits eine solche Einrichtung, die sogenannte Station no. 13, in der Nähe von Pretoria. Sie bildet die Endsta•tion der Air Force Eastern Test Range und spielte eine bedeutende Rolle in dem Raumfahrt-und Raketenprogramm der sechziger Jahre Auch sie war 1960 eingerichtet • worden. Zur Versorgung der Stationen ist es den Vereinigten Staaten erlaubt, pro Monat zwei Flugzeuge in die Republik zu schicken.
Darüber hinaus können sie auch Instrumentenflugzeuge nach Südafrika entsenden, wenn dies zu Forschungszwecken erforderlich ist.
Obwohl die Bedeutung dieser Stationen infolge des Rückgangs des Raumfahrt-und Raketenprogramms der Vereinigten Staaten etwas reduziert worden war, blieben sie erhalten. Sie sind kaum ersetzbar. Einerseits liegt die Südspitze Afrikas an einem entscheidend wichtigen Punkt der Raketen-und Raumschiffkurse, andererseits lassen sich solche Radarstationen wegen der erforderlichen Genauigkeit der Messungen nicht auf einem Schiff montieren. Die geographische Lage der Republik ist auf dem Gebiet der militärischen Beziehungen einer ihrer größten Trümpfe. Die Beibehaltung der Stationen gehörte denn auch zu den Forderungen von NSSM 39. Während der militärische Wert dieser Anlagen bis 1970 stets den politischen Problemen der Apartheid untergeordnet wurde, trat er nach der Neuo Während der militärische Wert dieser Anlagen bis 1970 stets den politischen Problemen der Apartheid untergeordnet wurde, trat er nach der Neuorientierung unter Nixon uneingeschränkt in den Vordergrund.
Der strategische Wert Südafrikas war natürlich auch für die Marine außerordentlich groß. Die Häfen der Republik sind praktisch die einzigen zwischen den Vereinigten Staaten und Asien, in denen große Schiffe repariert und aufgetankt werden können. Gerade im Vietnam-Krieg erfuhr die Marine immer wieder, wie wichtig diese Stützpunkte sein konnten. Dennoch haben die Vereinigten Staaten nach 1967, als die Regierung der Republik nur einen rassisch getrennten Land-gang der Besatzung des Flugzeugträgers Franklin D. Roosevelt gestatten wollte, kein amerikanisches Kriegsschiff mehr in südafrikanische Häfen geschickt. Die Ausnahme bildeten fünf Notfälle, in denen es jedesmal um erkrankte Besatzungsmitglieder ging. Auch Südwestafrika war in diesen Verzicht mit einbezogen 38).
Freilich ist die amerikanische Navy nicht nur aus versorgungstechnischen und samaritanisehen Gründen an der Republik Südafrika interessiert. Seit 1968 die ersten sowjetischen Kriegsschiffe kontinuierlich im Indischen Ozean aufzukreuzen begannen, wurde der amerikanischen Marineleitung der Mangel an strategischen Basen in dieser Region, und von daher erneut der Wert Südafrikas bewußt. Sie setzte beim Verteidigungsminister den Beschluß durch, Diego Garcia zum Stützpunkt auszubauen 39).
Schließlich lieferte die Sicherung der Schifffahrtwege, insbesondere der der Öltanker nach der Schließung des Suez-Kanals, der amerikanischen Marine das dritte Stichwort. Südafrika tat alles, um das Interesse wachzuhalten und zu vergrößern. Es bot mehrfach seine Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten und anderen westlichen Ländern an, zeigte auch unverhohlen sein Interesse, mit der NATO zusammenzuarbeiten. Der südafrikanische Verteidigungsminister Bota erklärte öffentlich, daß der Stützpunkt Simonstown allen westlichen Staaten öffenstehe Südafrika ließ sogar Ende 1974 westliche Journalisten einen Blick in die Observations-Einrichtungen der Marinebasis in Simonstown werfen; sie ist, den Berichten zufolge, vorzüglich ausgerichtet — im übrigen durchweg mit westdeutschen Instrumenten
Diese südafrikanischen Bemühungen sind offensichtlich nicht umsonst gewesen. Zeitungsberichten zufolge soll das amerikanische Verteidigungsministerium inzwischen davon überzeugt sein, daß es, zumal nach dem Auszug Englands, einen Zugang zu der Marinebasis in Simonstown braucht. Die bisherige Opposition gegen eine solche militärische Zusammenarbeit sei ausmanövriert worden; das militärisch-strategische Interesse habe die Ober-hand behalten über die politische Einsicht, daß die Verstärkung der militärischen Kommunikation mit Südafrika die schwarzafrika-nischen Staaten weiter enttäuschen und verbittern werde Wie weit sich das Verteidigungsministerium mit dieser Ansicht durchsetzen wird, muß offenbleiben. Ohne Zweifel wird es bestärkt durch die Errichtung der Sowjetbasis in dem Somali-Hafen Berbera
und die langsame Vertreibung Frankreichs aus dem Bogen zwischen Dschibuti, den Komoren und Madagaskar Die NATO betrachtet seit längerem diese Veränderungen sehr aufmerksam, scheint weder ein Engagement südlich des Wendekreises des Krebses noch eine engere Zusammenarbeit mit der Republik Südafrika auszuschließen
Man wird abzuwarten haben, wie weit sich das Militär mit seinen Argumenten, die in der Regel „sauber, präzis, einfach zu verstehen und untermauert (sind) von einer eindrucksvollen Sammlung von Tatsachen und Zahlen" durchsetzen kann. Die sowjetisch-kubanische Intervention in Angola wird ihm dabei sehr behilflich sein; die Hinweise auf die Bedrohung der Schiffahrswege häufen sich beängstigend. Nichts wäre jedoch verfehlter als eine militärische Interpretation des Konfliktes im südlichen Afrika oder die Hoffnung, diesem Konflikt durch militärische Maßnahmen beikommen zu können. Genau dies war aber in der militärischen Kommunikation Washingtons mit Pretoria angelegt. Es ist zwar richtig, daß die USA „ihre Verteidigungsstrategie nicht mit Südafrika koordiniert" haben. Genauso richtig ist jedoch, daß sie den militärischen Boykott der Republik durch eine Politik der Kommunikation auf militärischem Gebiet ergänzt haben.
c) wirtschaftlich
Auf dem wirtschaftlichen Gebiet bedeutete die Administration Nixons keine sonderliche Veränderung. Hier war die Kommunikation mit der Republik Südafrika immer schon sehr intensiv gewesen: die Wirtschaftsbeziehungen waren Grund und Grundlage der politischen Beziehungen.
Washington unterhält zur Republik Südafrika normale Wirtschaftsbeziehungen Soweit die Regierung selbst betroffen ist, handelt es sich nur um wenige Gebiete: Gold, die Zukkerquote, Atomenergie. In der Hauptsache läuft die wirtschaftliche Kommunikation über die Privatwirtschaft, die weiter unten eigens behandelt werden wird. Hier interessiert nur die Frage, wie weit die Regierung das Verhalten der Privatwirtschaft aus politischen Gründen reguliert hat.
Gold Bis zum August 1971, an dem die Golddekkung des Dollar endgültig aufgegeben wurde, spielte die Republik Südafrika als Lieferant von mehr als 80 °/o des verfügbaren Goldes eine beträchtliche Rolle. Andererseits deckte der Goldexport über die Hälfte der südafrikanischen Deviseneinnahmen ab. Südafrika verkaufte sein Gold in den sogenannten London-Pool, von wo es dann in den Internationalen Währungsfonds floß. Der erste Einbruch in dieses System — und damit die erste Schwächung der Republik Südafrika — erfolgte 1968, als die Vereinigten Staaten ihre Gold-zahlungen an Private einstellten, um den offiziellen Goldpreis von 35 Dollar pro Unze retten zu können Südafrika fürchtete um den Goldpreis und damit um seine Einnahmen. Es kam zu erheblichen Auseinandersetzungen mit der amerikanischen Regierung, die Pretoria unterstellte, den Goldpreis unter die 35-Dollar-Marke herunterdrücken zu wollen. Südafrika stellte dementsprechend seine Goldlieferungen ein.
Die Regierung der Vereinigten Staaten beließ es nicht lange bei diesem Zustand. Sie nahm alsbald Verhandlungen mit Pretoria auf, zunächst bilateral, dann im Rahmen des International Monetary Fund. Am 30. Dezember 1969 kam es zu einem neuen Abkommen zwischen den USA und Pretoria. Danach konnte Südafrika Gold an den Fonds verkaufen, wenn der Marktpreis die 35-Dollar-Grenze erreichte und Südafrika Devisen für den Ausgleich der Zahlungsbilanz brauchte. Südafrikas Position war damit stabilisiert, der Goldpreis daran gehindert worden, abzusacken. Als er alsbald in schwindelnde Höhen /hufstieg, drängte sich der spekulative Charakter des Goldbesitzes nach vorn. In dieser Lage hätte es nahegelegen, Gold überhaupt zu demonetisieren und statt dessen die Sonderziehungsrechte als Reserveeinheit einzuführen. Auf der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds 1975 wurde der Goldpreis jedoch freigegeben, was im Endeffekt wieder zu einer Verstärkung der Rolle des Goldes und damit auch zu einer Verstärkung der Position der Republik Südafrika führen wird.
Selbstverständlich wäre es eine verkürzte Sicht, wollte man diese Regelung des Gold-problems ausschließlich auf die Rücksichtnahme auf die Republik Südafrika zurückführen. Die Neuordnung des internationalen WährungsSystems kennt sehr viel größere und schwierigere Probleme als den Zahlungsbilanzausgleich Südafrikas Andererseits sollte man die Rücksicht der Vereinigten Staaten auf die südafrikanischen Goldminen nicht unterbewerten. Der Anstieg des Goldpreises nach 1973 hatte Südafrika einen im wahrsten Sinne des Wortes glänzenden Boom beschert. Daran wird sich kaum etwas ändern, wenn auch die südafrikanische Währung im September 1975 um fast 18% gegenüber dem Dollar abgewertet werden mußte Südafrika kann sich stets einer wohlwollenden Berücksichtigung durch die amerikanische Außenwirtschaftspolitik sicher sein, und sei es auch nur zu dem Zweck, die beträchtlichen amerikanischen Investitionen in der südafrikanischen Wirtschaft nicht unrentabel werden zu lassen.
Zucker Ein Musterbeispiel dafür ist die Aufnahme Südafrikas in die sogenannte Zuckerquote nach dem Boykott Kubas. Die Umverteilung der bevorzugten Zuckereinfuhr von Kuba läßt, gerade weil sie so grotesk ist, die Bevorzugung Südafrikas deutlich erkennen» Vor 1962 exportierte Südafrika keinen Zucker in die Vereinigten Staaten, einen großen und mit Preisvorteilen ausgestatteten Markt. Nachdem Kuba, das bis zur Revolution fast 60 °/o des amerikanischen Zuckerbedarfs gedeckt hatte, von den Vereinigten Staaten boykottiert wurde, verteilten die USA ihre Zukker-Zulassungsquoten neu. Erstmalig — und ohne ersichtlichen Grund — erhielt Südafrika 0, 71 % der für das Ausland vorgesehenen Zuckerquote Die Republik exportierte in dieser Zuteilung 1962 8 000, 1964 schon 20 000 to Zucker in die Vereinigten Staaten. Darüber hinaus erhielt die Republik aber noch einen Anteil aus den für Kuba vorgesehenen und gesperrten Zuckermengen. Rechnet man diese Mengen dazu, exportierte die Republik 1962 93 000, 1963 132 000 und 1964 120 000 to in die USA. Die Vereinigten Staaten nahmen 1965 fast 20 °/o der südafrikanischen Zuckerexporte ab; Südafrika wurde zu einem der größten Zuckerexporteure der westlichen Welt. Die amerikanische Politik bewirkte, daß’ der südafrikanische Zucker-Gesamtexport von knapp 300 000 to 1961 auf fast 1 Mio. to 1968 anstieg. Eine Gesetzesänderung von 1965 korrigierte die Vorteile etwas, die Südafrika aus der Zukkerpolitik der amerikanischen Regierung zog, beseitigte sie aber keinesfalls. Die Regierung hatte es im Kongreß außerordentlich schwer, die Bevorzugung der Republik Südafrika als berechtigt und sinnvoll auszuweisen. Die Abgeordneten wiesen darauf hin,'daß das Zukkergesetz ausdrücklich den Präsidenten in Stand setze, die Quoten für jedes Land auszusetzen, das das nationale Interesse der USA schädige. So sei man im Falle Südrhodesiens verfahren, warum nicht auch gegenüber der Republik?
In sehr viel schärferer Form wurde diese Frage bei der erneuten Beratung des Zuckergesetzes 1971 im Senat gestellt. Senator Edward Kennedy brachte zusammen mit 13 anderen Senatoren einen Abänderungsantrag ein, demzufolge die Zuckerquote für Südafrika zu streichen sei. Das Land verstoße mehrfach gegen amerikanische Interessen und die Interessen amerikanischer Bürger; statt dessen sollte die Zuckerquote, wie es der Kongreß stets ausgeführt habe, den Entwicklungsländern zugute kommen Der Abänderungsantrag wurde jedoch abgelehnt und das Zuckergesetz mit der Quote von 1, 44 °/o für die Republik Südafrika angenommen. Die wirtschaftliche Kommunikation mit der Republik lief weiter.
Die Begünstigung Pretorias war um so grotesker, als der Boykott Kubas gerade damit begründet worden war, daß Kuba konstant gegegen die nationalen Interessen der Vereinigten Staaten verstoße. Es bleibt unverständlich, daß die amerikanische Regierung nunmehr einen Staat unterstützte, dessen internes System sie öffentlich verurteilte und als politische Belastung empfand. Es gab auch keinen entwicklungspolitischen Anreiz für diese Verteilung der Zuckerquote, da die Republik mit einem Bruttosozialprodukt von mehr als 20 Milliarden Dollar nicht zu den Entwicklungsländern zählt. Mauritius, Swasiland, Uganda und Madagaskar wären sehr viel eher berechtigt gewesen, von den Vereinigten Staaten mit Hilfe der Zuckerquote begünstigt zu werden. Dennoch hat sich die amerikanische Regierung dafür entschieden, die Republik zu bevorzugen. Sie widersprach damit auf der wirtschaftspolitischen Seite diametral dem, was sie verbal immer wieder beteuerte, übersetzt man die wirtschaftliche Kommunikation, wie sie sich bei der Zuckerquote zeigt, in politische Sprache, so muß sie eindeutig als massive Unterstützung der Republik gewertet werden.
Atomenergie Das gleiche Bild zeigt sich, wenn auch in etwas verkleinertem Maßstab, auf dem Sektor der Atomenergie. Auch hier bevorzugten die Vereinigten Staaten exklusiv in Afrika die Republik Südafrika, und zwar aufgrund des (schon erwähnten) bilateralen Abkommens von 1957, das zunächst bis 1977 terminiert ist. Es erlaubt den Vereinigten Staaten, der Republik Kernmaterial zu verkaufen oder zu überlassen für Zwecke der Forschung und der Energieerzeugung. Ebenso können Ausrüstungsgegenstände für die Benutzung friedlicher Atomenergie-Projekte geliefert werden
Südafrika spielte schon eine große Role in Eisenhowers Atom-für-den-Frieden-Programm, dementsprechend auch für die beträchtlichen kommerziellen Interessen, die auf amerikanischer Seite dahinter standen. Der Verkauf von Reaktorausrüstungen und Anreicherungseinrichtungen zählte zu den großen Devisenbringern in der amerikanischen Außenhandelsbilanz. Man schätzte 1971, daß der Verkauf solcher Ausrüstungen den Vereinigten Staaten innerhalb der nächsten 15 Jahre 80 Milliarden Dollar einbringen würde. Da die Republik Südafrika als Großabnehmer galt, kam ihr eine entsprechende Bedeutung zu. Auch Radiumisotopen wurden in die Republik verkauft, zumeist, wenn auch nicht ausschließlich, für medizinische Zwecke Der Wissenschaftleraustausch zwischen der Republik Südafrika und den Vereinigten Staaten auf dem Gebiet der Atomenergie war relativ intensiv; zumindest einer der beiden Väter des südafrikanischen Atomprogramms, Professor Grant, hatte eine Ausbildung in den Vereinigten Staaten erhalten
Nicht weniger aufschlußreich als die Zusammenarbeit mit Südafrika auf dem Gebiet der Kernenergie selbst ist die Tatsache, daß sie auf die Republik Südafrika beschränkt blieb. Mit den schwarzafrikanischen Staaten arbeiteten die USA hier nicht zusammen; sie beteiligten sich lediglich an dem Programm der Internationalen Atomenergiebehörde, das die schwarzafrikanischen Staaten mit Ausrüstungen und Experten versorgte Während sie also die Beziehungen zu den schwarz-afrikanischen Staaten multilateral abwickelten, bevorzugten sie die Republik Südafrika durch zweiseitige, direkte Kooperation. Selbstverständlich gibt es dafür Gründe: sie lagen in der kommerziellen und technologischen Kapazität der Republik, die sie von den schwarz-afrikanischen Staaten unterschied. Nichtsdestoweniger muß die bevorzugte Position, die die Republik innerhalb des amerikanischen Kernenergie-Programms einnahm, unter gesamtpolitischen Gesichtspunkten als eindeutige Bevorzugung angesehen werden.
Auch hier wurde der Widerspruch zu den verbalen Beteuerungen Washingtons deutlich, daß es das Apartheidregime verabscheue und an seiner Beendigung interessiert sei. Wenn die amerikanische Regierung gleichzeitig dem Regime zu einem Atomenergieprogramm verhalf, konnte sie nicht gut erwarten, daß ihre Systemkritik ernst genommen wurde. Für die Nixon-Jahre galt dies um so mehr, als sich die Zusammenarbeit zunehmend auch auf Ge-biete erstreckte, die militärisch ausgenutzt werden konnten.
Regulierung der Privatwirtschaft Die allgemeine und immer wiederholte Devise der amerikanischen Regierung für ihr wirtschaftspolitisches Verhalten gegenüber amerikanischen Firmen in der Republik Südafrika lautete, daß sie die amerikanischen Investitionen dort weder fördere noch entmutige. Sie verzichtete ausdrücklich darauf, die Gewaltanwendung oder auch nur den wirtschaftlichen Boykott als Steuerungsinstrument in Erwägung zu ziehen. Sie glaubte vielmehr, daß die Lösung des Rassenproblems in der Republik „in einem konstruktiven Zusammenspiel zwischen den politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kräften liegt, das unvermeidlich zu Veränderungen führen werde" Sie zog sich auf eine Position zurück, die sie als neutral ansah, und rechtfertigte diese mit der allgemeinen Hoffnung, daß die Veränderung der wirtschaftlichen Situation in der Republik, etwa der Anstieg des Lebensstandards, auch die Rassenbeziehungen verändern werde. Sieht man die Devise des „neither encourage nor discourage" näher an, so ergibt sich, daß sie hinsichtlich der Entmutigung sicherlich zutrifft. Im Gegensatz zu Namibia, wo die amerikanische Regierung ihrer Wirtschaft ausdrücklich von Investitionen abriet, hat sie eine solche Empfehlung in Richtung der Republik selbst nie abgegeben. Ob man auf der anderen Seite davon sprechen kann, daß sie die wirtschaftlichen Beziehungen nicht gefördert hat, kann erst nach einer Besichtigung der Einzelheiten festgestellt werden.
Diese Politik ist sich seit den sechziger Jahren durch alle Administrationen hin treu geblieben. Die Devise, weder zu ermutigen noch zu entmutigen, ist nicht erst von Republikanern erfunden worden, sondern galt schon unter Johnson und vermutlich früher War sie in den sechziger Jahren eher ein Eingeständnis der Passivität, so wurde sie in der Administration Nixon ausdrücklich in die Politik der Kommunikation eingebaut, sozusagen zu einer Strategie erhoben. Substantielle Änderungen ergaben sich dadurch freilich nicht.
In erster Linie reflektierte diese Devise den Wert der Republik für die amerikanische Wirtschaft. Schon Mitte der sechziger Jahre rangierte die Republik an 17. Stelle der amerikanischen Auslandsinvestitionen. Sie nahm ungefähr 1 °/o des gesamten amerikanischen Investitionsvolumens im Ausland auf und ungefähr 28 °/o der direkten privaten Investitionen in Afrika Die Tendenz war seit 1962 ununterbrochen steigend; Handel und Investitionen nahmen zu, wenngleich bei den letzteren die Reinvestitionen einen stets größeren Anteil gewannen.
Washington entwarf für die in Südafrika investierende oder Handel treibende Industrie keine besonderen Regulative. Südafrika zählt zur sogenannten Schedule B der Foreign Direct Investment Regulations, also zu den entwickelten Ländern. (A-Länder sind sämtliche Entwicklungsländer; B-Länder solche entwikkelten Länder, deren Kapitalbedarf von den USA als besonders dringlich angesehen wird.) Sie fiel damit unter die allgemeinen Investitionsbeschränkungen zur Sanierung der amerikanischen Zahlungsbilanz. Kapitalabflüsse in die Republik unterlagen der Zinsausgleichssteuer (interest equalization tax) oder dem freiwilligen Investitions-und Anleihebeschränkungsprogramm (the President's Program of Voluntary Restraint in Private Corporate Investment and Banklending Abroad) Freilich fiel die Refinanzierung von amerikanischen Investitionen in der Republik nicht unter diese Beschränkung.
Diese Ambivalenz der Regierungspolitik war sehr verbreitet. Die Export-Import-Bank gab keine direkten Anleihen zu Investitionszwekken Sie bot aber eine Fülle von Kredit-versicherungen und anderen Leistungen, die den amerikanischen Export in die Republik förderten Wenngleich die dafür aufgewandte Summe nicht sehr hoch war — sie belief sich von 1934 bis 1974 auf knapp 700 Millionen Dollar •—, so wurde ihre Wirkung doch vervielfacht dadurch, daß sie die Kredite amerikanischer Banken und vor allem die der Foreign Credit Insurance Association versicherte. Zusammengefaßt ergibt sich, daß die Republik wie jedes andere entwickelte Land behandelt wurde. In der Administration war man sich sehr wohl darüber im klaren, daß Südafrika einen besonders profitablen Platz für die amerikanische Industrie darstellte Man vermied es aber, nach den Gründen für die außerordentlich hohe Rendite von 14% zu fragen, also nach den sozialen Folgen der Apartheid. Die einzige Konsequenz, die die Administration daraus zog, bestand darin, nicht unmittelbar fördernd die amerikanischen Investitionen zu begünstigen. Die Vereinigten Staaten veranstalteten daher keine Messen und Ausstellungen in der Republik, setzten ihre Handelsattaches nicht zur Förderung wirtschaftlicher Interessen ein. Eine gewisse Verringerung der üblichen Förderung ist also festzustellen.
Das Handelsministerium bemühte sich auch, das amerikanische Wirtschaftsinteresse in Afrika zu diversifizieren, es von den beiden traditionellen Zentren Republik Südafrika und Liberia ab-und auch auf das schwarzafrikanische Gebiet hinzulenken. Zu Beginn der siebziger Jahre entfaltete die Administration einen Feldzug zur Intensivierung der Handelsbeziehungen zu Gesamtafrika. 1972 wurde das Regional Trade Development Center in Lagos eröffnet, andere folgten
Diese Ausweitung der amerikanischen Handelspolitik wurde freilich nicht durch die Absicht motiviert, die Republik zu schwächen und auf diese Weise zur Aufgabe ihrer Apartheidpolitik zu bewegen; vielmehr war der Wunsch maßgebend, auch in Schwarzafrika Fuß zu fassen, dort die ökonomischen Interessen der Vereinigten Staaten zu fördern und gleichzeitig politisch ausgleichend in dem Schwarzen Erdteil zu wirken. Darauf, und nicht etwa auf das Interesse, die Republik zu beeinflussen, reagierte die amerikanische Administration.
Freilich hat sie ein solches Interesse nicht völlig vernachlässigt. Sie hat eine Reihe von Initiativen unternommen, das Verhalten der amerikanischen Industrie in Südafrika in Richtung auf den sozialen Fortschritt zu lenken. Während in Frankreich und der Bundesrepublik keinerlei Regungen in dieser Richtung zu verzeichnen sind, haben die Vereinigten Staaten auch Großbritannien, das einer solchen Absicht zumindest aufgeschlossen gegenüberstand, zweifellos überrundet.
Seit 1970 ist der Versuch der amerikanischen Administration erkennbar, die amerikanischen Firmen auf „fortschrittliche Arbeitsbe_ dingungen für alle südafrikanischen Beschäftigten" festzulegen In allgemeinen Wendungen machte das Handelsministerium auf dieses Desiderat aufmerksam. Es stellte eine Verbindung her zwischen dem sozialen Fortschritt und der Höhe des Gewinns, versuchte also auch von der ökonomischen Seite her einen gewissen Anreiz für die Berücksichtigung seiner Anregungen zu geben. Um es den amerikanischen Firmen zu erleichtern, diesen Anregungen auch nachzukommen, wurden im Büro für Arbeitsstatistik des amerikanischen Arbeitsministeriums zahlreiche Informationen über die Arbeitsgesetzgebung in Südafrika und über die Möglichkeit, sie auszunutzen, gesammelt Der amerikanische Investor wurde auf diese Weise darüber informiert, wie hoch die Minimallöhne, wie einschränkend die Politik der jobreservation und wie hoch die Beschäftigungsmöglichkeiten für Schwarze waren.
Die Administration ließ es damit nicht bewenden. 1972, also unter der Nixon-Administration, startete das Afrika-Büro des Außenministeriums eine Aktion, die die amerikanischen Firmen in der Republik konkret auf die Möglichkeiten aufmerksam machen sollten, die Arbeitsbedingungen der Schwarzen zu verbessern. 1973 veröffentlichte das Büro eine Information über die Beschäftigungspraxis amerikanischer Firmen in der Republik, wobei sie die Möglichkeiten progressiven Verhaltens darstellte und darunter diejenigen Firmen mit konkreten Angaben nannte, die diese Möglichkeiten ausschöpften oder ausnutzten Dies muß als ein erheblicher Fortschritt angesehen werden, da die amerikanische Industrie über das Mögliche informiert und durch den Vergleich mit ihren Konkurrenten auch dazu angereizt wird, es zu verwirklichen.
Im Spätherbst 1974 forderte das Außenministerium die amerikanischen Firmen in Südafrika auf, die Kommunikation mit ihren schwarzen Angestellten zu intensivieren und auch Kollektivverhandlungen mit Vertretern nicht zugelassener schwarzer Gewerkschaften zu führen. Es betonte „die Wünschbarkeit von Diskussionen und Verhandlungen mit legitimen Vertretern der schwarzen Arbei-ter" Bemerkenswert ist, daß diese Aufforderung nicht nur im inneramerikanischen Kommunikationssystem erfolgte, sondern offiziell durch einen amerikanischen Beamten bei der Jahrestagung des Trade Union Council Südafrikas vorgetragen wurde.
Es fällt nicht leicht, diesen Versuch der Regierung, auf die Wirtschaft einzuwirken, in die Politik der wirtschaftlichen Kommunikation einzuordnen. Er könnte durchaus als Strategie gewertet werden, die das Ziel verfolgt, die Politik der Kommunikation durch Beseitigung der schlimmsten Mißstände abzusichern. Wahrscheinlicher ist jedoch, daß es sich um Einzelmaßnahmen besonders fortschrittlicher Leiter der Afrika-Abteilungen im Außenministerium, wie etwa Easum handelt, die demzufolge nur temporären Charakter tragen. 1975 war jedenfalls keine neue Aktivität dieser Art zu verspüren; statt dessen haben sich die amerikanischen Investitionen in der Republik erheblich gesteigert. Sie bilden die eigentlichen Früchte der Politik der wirtschaftlichen Kommunikation.
II. Die Politik der amerikanischen Wirtschaft
Unter den westlichen Industriestaaten, die mit der Republik Südafrika Wirtschaftsbeziehungen unterhalten, nehmen die Vereinigten Staaten durchweg den zweiten Platz ein. Sie rangieren, wenngleich mit großem Abstand, hinter Großbritannien, das an der Spitze steht. Lediglich als Abnehmer südafrikanischer Waren stehen die Vereinigten Staaten auf dem drjtten Platz, überlassen den zweiten Japan. Der wichtigste Indikator für das Ausmaß und die politische Qualität des wirtschaftlichen Engagements in der Republik sind die Investitionen. Während der Handel die interne Struktur der Partner nur oberflächlich berührt, greifen Investitionen unmittelbar in diese Struktur ein. Der Betrieb, der in der Republik investiert, nimmt teil am Apartheidsystem, an der rassistisch instrumentierten Ausbeutung. Von dem Handelspartner hingegen kann das gleiche nicht gesagt werden. Auch er unterstützt zwar durch den Wirtschaftsaustausch das betreffende Regime. Er wird aber nicht zu dessen Teil. Handel und Investitionen müssen also deutlich auseinandergehalten werden.
1. Die amerikanischen Investitionen
Rund 340 amerikanische Firmen haben in der Republik Südafrika investiert, sei es als Alleineigentümer, als Partner oder sogar als Bürger der Republik Die Gesamtzahlen sind insofern etwas irreführend, als sie nicht die Größenordnungen der Firmen angeben. Zieht man sie heran, so ergibt sich, daß zwölf große Korporationen ungefähr 70 0/0 des ge-samten Investitionsvolumens in der Republik bestreiten Es handelt sich um folgende Firmen: (siehe Seite 18)
Andere Berechnungen sprechen von 30 amerikanischen Firmen, die politisch oder finanziell von Bedeutung für die Republik sind Insgesamt dürfte das Volumen der amerikanischen privaten Direktinvestitionen in der Republik Südafrika 1973 etwa 900 Millionen Dollar betragen haben, 1975 ca. 1, 3 Milliarden. Auffällig dabei ist die kontinuierliche Steigerung des Investitionsvolumens und auch die Steigerungsrate. 1943 betrug der gesamte Buchwert des amerikanischen Kapitals in Südafrika 50 Millionen Dollar. 1953 waren es 140 Millionen, 1960 284 Millionen und 1970 800 Millionen Während sich in der letzten Zeit der Anteil des reinvestierten Kapitals gegenüber dem importierten ständig vermehrte, hat in den Jahren 1973 und 1974 der Kapital-export aus den Vereinigten Staaten wieder zugenommen (1973 120 Millionen Dollar, 1974 380 Millionen Dollar)
Auch die Verteilung der Investitionen änderte sich: Lag der Schwerpunkt traditionell auf dem Bergbau, so verlagerte er sich seit den sechziger Jahren immer stärker auf die Industrie.
1950 bis 1959 hatte der Bergbau 27 % des amerikanischen Investitionskapitals auf sich gezogen; in den sechziger Jahren sank es auf 11 °/o ab. Dafür stieg der Anteil der Industrie von 34 auf 48 °/o an. Eine beträchtliche Rolle spielten immer die Investitionen in der Ol-Industrie, die sich auf einen Anteil von 21 bis 24 °/o der Gesamtinvestitionen beliefen In dieser Veränderung reflektierte sich natürlich der steigende Grad der Industrialisierung in Südafrika, insbesondere die Ausbildung des sekundären und tertiären Sektors. Innerhalb der Industrie war es wiederum die Auto-Industrie, die die Hauptrolle spielte. Sie bewirkte auch die Zunahme der Investitionen in den dem Auto benachbarten Industrien wie den Raffinerien, den Reifen-und Ersatzteilherstellern. Die wichtigsten Plätze in diesen Industrien werden eingenommen von den Firmen General Motors, Ford, Chrysler, Mobil, Texaco, Standard Oil, Goodyear und Firestone. Unter den nicht in engerem Sinne dem Auto zuzurechnenden Industrien haben vor allen Dingen General Electric und ITT in der Republik investiert, ferner IBM, Singer und Xerox, schließlich Coca Cola
Hatte traditionell die Republik den größten Teil der amerikanischen Investitionen in Afrika auf sich gezogen, so verschob sich diese Proportion langsam. Zwar blieb die Republik nach wie vor ein bevorzugter Anlageplatz; doch gewannen andere afrikanische Länder zunehmend an Gewicht. Die amerikanischen Investitionen in Afrika außerhalb der Republik stiegen in den Jahren 1963 bis 1973 wie die Rate für die Republik: um 180, 5 0/0 gegenüber 198, 8 °/o Natürlich waren die Investitionen nicht gleichmäßig über den Kontinent gestreut; sie konzentrierten sich auf einige wenige Länder, vornehmlich Liberia, Libyen und, vor allem, zunehmend Nigeria. Auch hier lag das Schwergewicht auf dem industriellen Sektor, dichtauf gefolgt vom Ol. Allerdings handelt es sich hier um Erdölförderung, während in der Republik die Investitionen ausschließlich der Verarbeitung zugute kamen. Ol wird in Südafrika so gut wie nicht gefunden.
Die sich hier andeutende Ausweitung der amerikanischen Investitionen auf Gesamtafrika reicht selbstverständlich nicht aus, um den hervorragenden Wert der Republik abzuschwächen. Immerhin ist eine Tendenz erkennbar, die den bis dahin ausschließlichen Schwerpunkt in Südafrika zunächst zu ergänzen und später dann vielleicht auch zu verschieben scheint. Während in der Dekade von 1959 bis 1968 der Anteil Südafrikas an allen amerikanischen Auslandsinvestitionen konstant bei 1, 1 °/o blieb, stieg der Anteil Afrikas von 2, 8 auf 4, 1 % an Nimmt man für die-sen Vergleich das mit den Investitionen erzielte Einkommen zur Grundlage, so wird die Verschiebung noch deutlicher: Die südafrikanischen Investitionen konnten ihren Anteil an dem Gesamteinkommen aus allen Auslandsinvestitionen nur unmerklich steigern; von 1, 40/0 auf 1, 70/0 in der Dekade 1960 bis 1970. Afrika hingegen brachte 1968 9, 6 °/o aller im Ausland erzielten Investitionseinkommen, nachdem es 1960 nur 0, 9% erzielt hatte. Sein Anteil hat sich also praktisch verzehnfacht. Auch in absoluten Zahlen ausgedrückt, ergibt sich das gleiche Bild: 1960 erbrachte Afrika 33 Millionen Dollar und die Republik noch 50 Millionen Dollar; 1968 erzielte die Republik nur noch 120 Millionen, Afrika hingegen 671 Millionen Dollar aus den amerikanischen Investitionen
Das Bild ändert sich freilich, wenn man nur das südliche Afrika und die letzten beiden Jahre anschaut. Die Republik Südafrika zog noch 1972 nur etwas mehr als ein Drittel der rund 3 Milliarden Dollar auf sich, die die USA südlich der Sahara investierten. 1974 sprang dieser Anteil jedoch plötzlich auf 56 %, und er steigt weiter Gerade Nigeria bekam diese Verschiebung deutlich zu spüren, weil die amerikanischen Olkonzerne ihre Investitionen plötzlich scharf beschnitten
Die Gründe für diese Änderung sind nicht ohne weiteres ersichtlich; man wird sie aber in den Ereignissen in Angola sowie in der erneuten Instabilität Nigerias vornehmlich zu suchen haben. Ihnen gegenüber schlugen die hohen und gesicherten Gewinnspannen in der Republik Südafrika vorteilhaft zu Buch.
Generell kann gelten, daß es die hohen Gewinnspannen gewesen sind, die die amerikanische Industrie zur Investition in der Republik veranlaßt haben. Standortvorteile und insbesondere die extrem niedrigen Arbeitskosten trugen dazu bei, Südafrika zu einem der gewinnträchtigsten Länder werden zu lassen.
Während die durchschnittliche Rendite amerikanischer Auslandsinvestitionen bei rund 11 % lag, lag sie in Südafrika -zwischen 17 und 20 % In einzelnen Industriezweigen lag sie jedoch sogar erheblich höher. Im Bergbau wurde 1965 eine Rendite von 50 %, 1970 noch immer eine von 46 % erzielt. In der 'Ölindustrie waren es 1970 nur 12%, 1968 hingegen 17 % Die Rendite in der Industrie schwankte zwischen (1965) 20% und (1970) 16%. Das Hauptmotiv der amerikanischen Investitionen in der Republik ist damit eindeutig erkennbar. Gleichzeitig wird einsichtig, warum sich die Investitionen der USA in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre und zunehmend gegen Ende dieser Dekade auf ganz Afrika ausgeweitet haben. Die Rendite stieg hier von 3, 6% 1960 auf 25, 1 % 1968 an, also beträchtlich über den Durchschnitt, der in der Republik Südafrika erzielt werden konnte
Natürlich war die Rendite in der Republik Südafrika nicht stets so hoch; die Konjunktur schwankte erheblich, auch schwankten die Einnahmen einzelner Firmen innerhalb der verschiedenen Branchen sehr deutlich. Es ist nicht zu bezweifeln, daß gerade im Industrie-sektor auch Renditen hingenommen werden mußten, die weit unterhalb des Durchschnitts lagen, vornehmlich in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre. Dieser Niedergang ist aber zweifellos nur konjunkturzyklisch bedingt, wird in jedem Boom wieder in das Gegenteil überdurchschnittlich hoher, im Bereich des Bergbaus extrem hoher Renditen zurückkehren. Zwar haben die amerikanischen Firmen, als sie vom Diggs-Ausschuß gefragt wurden, als Motiv für ihre Investitionen in der Regel nicht die Rendite angegeben, sondern deren Höhe in einigen Fällen sogar niedriger eingeschätzt, als sie in den Vereinigten Staaten ist Man wird dieses Understatement dem normalen Gebaren der Wirtschaft mehr zuzurechnen haben als einer exakten Profitberechnung. Mag es in einzelnen Fällen in der Tat sogar zu Verlusten gekommen sein, so brachte in der Mehrzahl der Fälle die Investition in der Republik eine der höchsten, in vielen Fällen sogar die höchste Rendite ein, die amerikanische Firmen bei Auslandsinvestitionen erzielten.
Das Investitionsinteresse, soweit es in den hohen Renditen begründet war, war damit unmittelbar verknüpft mit dem rassistischen System in der Republik. Die wirtschaftliche Diskriminierung des Schwarzen zusammen mit seiner politischen und gesellschaftlichen Diskriminierung ermöglichte es, die Kosten des Faktors Arbeit so niedrig zu halten, wie sonst nirgends in einem industrialisierten Land. Sicherlich ist es zu einfach, die hohe Rendite nur in diesem Zusammenhang zu sehen-, man müßte auch andere Faktoren, wie Rohstoffversorgung, Standortvorteile etc., hinzu-ziehen. Nicht zu bezweifeln ist jedoch, daß eine Annäherung der in der Republik gezahlten Löhne etwa an das in den USA herrschende Niveau einen der ausschlaggebenden Kostenvorteile und damit eine der wichtigsten Ursachen für die hohe Rendite zunichte machen würde.
Die realen wirtschaftlichen Interessen traten damit unweigerlich in Widerspruch zu den politischen Zielen, die die Politik der Kommunikation verkündete. Er hat sich in den letzten Jahren etwas verringert, und zwar aufgrund von Anstrengungen, die die amerikanische Industrie in der Republik unternahm, die Arbeitsbedingungen und die Lohnverhältnisse zu verändern. Den Beginn machte das berühmte „Polaroid-Experiment" 1971. Es begann im Herbst 1970, nachdem sich in Cambridge das Polaroid Revolutionary Worker's Movement gegründet hatte und öffentlich Polaroid beschuldigte, durch seine Paßbilder das Identifikationssystem für Schwarze in der Republik direkt zu unterstützen Die Firma entschloß sich zu einem spektakulären Schritt. Sie entsandte eine kleine Kommission nach Südafrika und befolgte deren Empfehlungen: 1. ein einjähriges Reformprogramm zu starten und nach dessen Scheitern sich gegebenenfalls zurückzuziehen; 2. die Verkäufe an die afrikanische Regierung einzustellen;
3. die Gehälter und Sozialleistungen für ihre schwarzen Angestellten drastisch zu verbessern; 4. ein Ausbildungs-und Schulprogramm für die schwarzen Arbeitnehmer und ihre Familien zu erstellen
Als Folge dieser Empfehlungen wurden die Gehälter bei Polaroid um 22 % angehoben, die Beförderungsmöglichkeiten für schwaze Arbeitnehmer etwas verbessert. Gleichzeitig gab die Firma ein Drittel ihrer Gewinne in Südafrika an einen von den Schwarzen kontrollierten Erziehungsfonds ab. Wenngleich die absoluten Wirkungen nicht sehr groß waren, weil Polaroid nur über einen Verkaufsagenten in der Republik tätig war, der nicht mehr als 150 schwarze Arbeiter beschäftigte, erregte das Experiment erhebliches Aufsehen. Immerhin hatte zum ersten Mal eine amerikanische Firma offen eingeräumt, daß sie mit ihren Leistungen hinter den Möglichkeiten erheblich zurückblieb; immerhin hatte sich eine amerikanische Firma zum ersten Mal der Alternative gestellt, entweder ihr Verhalten grundsätzlich ändern zu können oder aber die Republik zu verlassen. Der Eindruck war derart, daß das South African Institute of Race Relations das Polaroid-Experiment als nachahmenswert empfahl, freilich ohne die Alternative zu erwähnen
Das Polaroid-Experiment löste in den Vereinigten Staaten eine heftige Debatte zwischen denen aus, die es für reine Augenwischerei hielten, und denen, die es als eine Möglichkeit ansahen, in der Republik zu bleiben, sich aber von dem Ausbeutungssystem zu lösen. Während die Firma Polaroid natürlich ihr Experiment als einen beträchtlichen Beitrag zum Ende des Apartheid-Systems ausgab, lehnte genauso natürlich die revolutionäre Arbeiterbewegung von Polaroid das Experiment total ab, forderte das Ende der Investitionen und den Rückzug. Zwischen diesen beiden extremen und relativ seltenen Positionen spannte sich das breite Band derjenigen, die das Experiment, wenn es radikaler durchgeführt, von den großen und wichtigen amerikanischen Firmen mitgemacht-und auch zu Gesetzesänderungen in der Republik führen würde, für wertvoll hielten Andere verkannten diesen Wert nicht, waren aber doch besorgt, daß darüber die eigentliche Größe des Problems des Rassismus in der Republik vergessen würde
Die durch das Polaroid-Experiment ausgelöste Veränderung des Verhaltens der amerikanischen Firmen in der Republik war beträchtlich, erfaßte aber längst nicht sämtliche Firmen und erreichte keinesfalls das Maß des Möglichen. Die wichtigsten Firmen erklärten sich zumindest bereit, zunächst einmal über ihr sozialpolitisches Verhalten in der Republik zu informieren Vor allem auf Druck der amerikanischen Kirchen veröffentlichten bis 1973 13 maßgebende amerikanische Unternehmen Zahlen über ihre Löhne, ihre Ausbildungssysteme, ihre innerbetrieblichen Sozialleistungen Das Corporate Information Center war im Herbst 1973 aufgrund solcher und anderer Informationen in der Lage, eine umfassende Übersicht über das unternehmeri-sehe Verhalten amerikanischer Firmen in der Republik zu geben
Daraus ergibt sich zwar kein vollständiges, aber doch ein eindrucksvolles, im Durchschnitt sicher repräsentatives Bild. Amerikanische Firmen bewegten sich in ihrer Politik gegenüber schwarzen Arbeitnehmern in der Regel an den untersten Grenzen des Möglichen. Dies hat sich nach 1972 für einige maßgebende Firmen geändert, die sich seitdem an den oberen Grenzen des Möglichen auihalten. General Motors und IBM beispielsweise zahlten Löhne, die den minimum etfective level erreichten, also auf dem vom Institute of Race Relations geforderten und weit über dem von der Regierung festgesetzten Mindeststandard lagen. Ähnliches gilt für die Sozialleistungen, einschließlich der Erziehungsbeihilfen und der Beförderungspolitik. Während Firmen wie die Reifenfabrik Firestone sich ganz am untersten Ende bewegten, sind andere amerikanische Unternehmen, vor allem in der Autobranche, aber auch wiederum IBM, in einigen Fällen bis an die Grenzen vorgedrungen, die von der südafrikanischen Regierung gezogen wurden. Ein ähnliches Bild zeigte sich in der Beschäftigungspolitik, wo das Prinzip des gleichen Lohns für gleiche Arbeit nur von einigen Firmen angestrebt wurde. Sie gehören gleichzeitig zu der Firmengruppe, die auch schwarze Arbeiterausschüsse als Gesprächspartner für die Gestaltung der Lohn-und Arbeitsbedingungen akzeptiert.
Das Bild des betrieblichen Verhaltens der amerikanischen Firmen in der Republik ist also sehr heterogen Es fällt nicht leicht, einen einheitlichen Bewertungsrahmen dafür zu entwerfen. Unter diesem Vorbehalt kann gelten, daß einige amerikanische Firmen einige gravierende Folgen des rassistischen Systems in ihren Betrieben abgewendet und durch Strukturen ersetzt haben, die der Kritik standhalten können. Die breite Masse der amerikanischen Unternehmen dagegen hat es bestenfalls zu kosmetischen Veränderungen, in vielen Fällen nicht einmal dazu gebracht. Sie verweigern die Information über ihr Gebaren — und werden Grund dafür haben. 1969 ergab eine Umfrage, daß drei Viertel aller amerikanischen (und kanadischen) leitenden Angestellten amerikanischer Firmen in der Republik das System der Apartheid akzeptier-ten, nur 20% lehnten es ab Es ist denkbar, aber nicht sehr wahrscheinlich, daß sich in den vergangenen sechs Jahren diese Einstellung grundsätzlich geändert hat.
Wenn das richtig ist, fällt ein gedämpftes Licht auf die Reformen, die seit 1971 vorgenommen worden sind. Sie dürften dann kaum dem Versuch gegolten haben, das Apartheid-System von der Seite der amerikanischen Investitionen aus zu durchbrechen, diese Investitionen als Hebel zu benutzen, die wirtschaftlichen Folgen des Rassismus zu beseitigen. Eher dürften diese Reformen auf inneramerikanische Pressionen reagiert und dazu gedient haben, die Weiterführung der Investitionen zu ermöglichen und abzusichern.
Der Nexus, der die amerikanischen Investitionen an das Apartheid-System bindet, liegt weniger im Gewinn als solchem als in der Tradition amerikanischer Firmenführung. Sie bewerten den lokalen Manager nach der Höhe des von ihm erwirtschafteten Profits — und nach nichts anderem. Er ist daher, auch wenn er über die langfristigen politisch-wirtschaftlichen Folgen seines Verhaltens weiß, immer geneigt, diesen Ausweis seiner Tüchtigkeit so hoch wie möglich zu halten. Es ist denkbar, aber ungewiß, daß die Mutterfinnen anders entscheiden würden, wenn sie besser von den lokalen Unternehmensleitern informiert würden. Bis jetzt hat nicht die in den Zentralen zweifellos vorherrschende langfristige Perspektive eine Veränderung der Unternehmenspolitik eingeleitet, sondern lediglich der handfeste, vornehmlich von den Kirchen ausgeübte Druck in den Aktionärsversammlungen. Nur ihm ist zu danken, daß einige amerikanische Firmen in der Republik ein aufgeklärtes, sozial fortschrittliches Verhalten gegenüber den schwarzen Arbeitnehmern an den Tag gelegt haben. Die übrigen haben sich, soweit es ging, dem System eingepaßt, weil sie im Hinblick auf die Höhe der Gewinne von diesem System profitieren. Die kurzfristige Bindung der amerikanischen Investitionen — direkt oder indirekt — an die ProfPhöhe, die das Apartheid-System ermöglicht, ist unverkennbar.
2. Der Handel
Im amerikanischen Außenhandel spielt Afrh ka, eingeschlossen die Republik Südafrika, keine sehr große Rolle. Es hat 1973 3, 1 °/o der amerikanischen Exporte und den gleich n Satz an amerikanischen Importen auf sich gep-zogen, wenngleich im ersten Halbjahr 1974 die amerikanischen Importe aus dem Kontinent eine steigende Tendenz aufwiesen Der Anteil der Republik Südafrika am amerikanischen Welthandel bewegte sich ungefähr um 1 0/0. Trennt man die Republik vom übrigen Afrika, so ergibt sich, daß der schwarzafrikanische Anteil an den amerikanischen Exporten und Importen doppelt so hoch war wie der südafrikanische. Gemessen an den geographischen Größenverhältnissen zeigt dies natürlich die besondere Relevanz der Republik für den amerikanischen Handel mit Afrika. Wenngleich die Bedeutung Algeriens, Nigerias, Libyens und (bis 1974) Angolas nicht zu verkennen ist, so stand sie doch eindeutig hinter der der Republik zurück. Lediglich Nigeria hat auf der Importseite der USA die Republik überflügelt — eine Folge des nigeria-nischen Erdöls. Allgemein importieren die Vereinigten Staaten aus Afrika außer O 1 vornehmlich Kaffee, Kakao, Diamanten und Fische. Die USA ihrerseits exportieren nach Afrika im wesentlichen Maschinen, Flugzeuge, Ersatzteile und Lebensmittel
Die Republik ist also ein wichtiger Handelspartner, verliert aber, bezogen auf Gesamt-afrika, an Gewicht
Diese Einsenätzung kann natürlich nur unter großem Vorbehalt gegeben werden. Präziser wäre es zu sagen, daß die Relevanz der Republik Südafrika für die amerikanischen Handelsbeziehungen unverändert bleibt, wohingegen die Afrikas zunimmt. Freilich ist dabei qualifizierend zu berücksichtigen, daß die Handelsbilanz der Vereinigten Staaten mit der Republik konstant positiv ist, was 1970 nur noch mit zehn anderen Ländern der Fall war
Schließlich müssen die amerikanisch-südafrikanischen Handelsbeziehungen auch unter dem Aspekt der Rohstoffversorgung der Vereinigten Staaten gesehen werden. Sie waren immer fast vollständig auf Importe angewiesen, wenn es um Zinn, Nickel und Platin ging. Darüber hinaus konnten sie ihren Verbrauch an Asbest, Chrom, Graphit, Mangan und Tungsten zum größten Teil nur durch Import decken. Unter diesem Aspekt waren die Handelsbeziehungen mit der Republik Südafrika immer schon interessant, denn die Republik produzierte einen großen Teil der Weltförderung solcher Rohstoffe. Ein Viertel bis sogar ein Drittel der Weltförderung von Chrom, Vanadium, Antimon, Platin und Schiefersilikaten kommen aus der Republik. Ihr Anteil an der Goldproduktion lag 1969 knapp unter 70 °/o Die Vereinigten Staaten bezogen 1969 fast drei Viertel ihres Uranimports aus der Republik Südafrika, 28, 2 % des Antimons, 23, 9 °/o der Schiefersilikate und 22, 9 ü/o des Chroms Die Relevanz der Republik fällt etwas ab, wenn man ihre Importe auf den realen Verbrauch in den Vereinigten Staaten bezieht. Nur ein Viertel des Chromverbrauchs in den Vereinigten Staaten, stammte 1969 aus der Republik, nur 16°/o des verbrauchten Antimons, 8 0/0 des Urans und 6, 2 °/o des Asbests
Verglichen etwa mit der Bundesrepublik Deutschland und Japan sind die Vereinigten Staaten noch am wenigsten abhängig von der Republik; sie könnten noch am ehesten die Rohstoffimporte aus Südafrika durch solche aus Schwarzafrika oder anderen Teilen der Welt substituieren. Berücksichtigt man aber den Wert, den traditionelle und verläßliche Versorgungsquellen haben, berücksichtigt man die Interessen, die sich im Laufe der Zeit um solche Handelsbeziehungen gruppieren, so schlägt die Republik als Lieferant von Rohstoffen sicher schon zu Buche. Eine Umstellung der Versorgung auf andere Quellen wird nicht leicht sein — das Debakel der Wiederaufnahme der Chrom-Importe aus Rhodesien, trotz einer Sanktionsverhängung durch den Sicherheitsrat, zeigt, wie stark die Lobby in den Vereinigten Staaten sein kann.
Für den wirtschaftlichen Akteur also ist die Republik ein interessanter und lukrativer Partner. Vornehmlich die Investitionen, aber auch die Handelsbeziehungen profitierten davon, daß die Republik Charakteristika der Hochindustrialisierung und der Unterentwicklung miteinander kombinierte. Zusammen mit der politischen Stabilität, die das Regime zu verbürgen vorgibt, sind damit Möglichkeiten der Wirtschaftstätigkeit gegeben, wie sie nicht leicht ein zweites Mal auftreten werden.
IIII. Wandel in der amerikanischen Südafrikapolitik?
Das Ergebnis dieser mittelfristigen Analyse I läßt keinen Wandel der amerikanischen Süd-I afrika-Politik erwarten, jedenfalls nicht unter der gegenwärtigen Regierung. Für sie, wie für die Regierung Nixon, liegt das amerikanische Interesse in erster Linie in der Republik Südafrika, und zwar wirtschaftlich wie militärisch-politisch. Dieses Interesse hat, wie das Ver-I haltensmuster der USA zeigt, durchaus strukI turelle Qualität. Sie wurde unter der Ägide j Kissingers noch verstärkt. Seine Politik der Kommunikation war darauf gerichtet, die Einschränkungen dieses Interesses langsam abzuschwächen. Die Reserven gegenüber einer Zusammenarbeit mit der Republik auf militärisch-politischen Gebiet, die die demokratische Administration Kennedys verdeutlicht I hatte, wurden unter Kissinger aufgebaut; die j wirtschaftliche Interaktion wurde beibehalIten, nähm in der Mitte der siebziger Jahre noch zu. (Insgesamt war eine gewisse Annäherung zwischen Washington und Pretoria festzustellen, die auf der sich verstärkenden wirtschaftlichen Zusammenarbeit beruhte, aber offen-I sichtlich auch die Einschätzung der Lage im [südlichen Afrika, insbesondere der militäf rischen Bedrohung durch die Sowjetunion, mit I umfaßte. Sie wurde von Pretoria benutzt, um die Interessenidentität noch zu vergrößern.
: Kissingers Personalpolitik trug dazu bei, sie I zu erleichtern.
I Diese Einschätzung läuft Gefahr, die militä[. rischen Möglichkeiten der Konfliktlösung I überzubetonen und den Konflikt selbst als f eine Auseinandersetzung zwischen Kommunismus und Nichtkommunismus fehlzuinterpretieren. Die Gefahr ist um so größer, als dieses Mißverständnis der Konfliktstruktur in Entkolonialisierungsprozessen für die USA typisch zu sein scheint. Sie haben in Latein-i amerika, vor allem aber in Vietnam gezeigt, 1 daß dieses Mißverständnis ihre Standardreaktion auf Herrschaftsumschichtungen in der Dritten Welt ist;, man hat mehrfach nachge[wiesen, wie dieses erwartbare Verhalten gerade in Lateinamerika immer wieder zugun'sten reaktionärer Herrschaftsinteressen ausgenutzt worden ist.
I Der Vietnamkrieg, dieses unendlich teure I Lehrstück, hat zumindest beim Kongreß die zu einer Verhaltensänderung ! ausgelöst. Sie ist radikal und ungerichtet, [. pauschalisiert die Erfahrung des Vietnam-Krieges und könnte eventuell sogar in eine übertriebene Reaktion umschlagen. Im Fall Angolas aber hat der Kongreß durchaus richtig entschieden und dem Außenminister, der erneut auf (wenn auch zunächst verdeckte) militärische Eingriffe vertraute, eine Absage erteilt. Kissinger .denkt offenbar nach wie vor in den Klischees europäischer Großmachtpolitik, denen die spezifische Konfliktstruktur in den Autonomisierungsprozessen der Dritten Welt entgeht. Aus diesem Grund hat er die portugiesische Kolonialpolitik in Angola bis zum bitteren Ende unterstützt, obwohl es den Vereinigten Staaten relativ leichtgefallen wäre, dieser Politik zu einem früheren Ende zu verhelfen. Aus diesem Grund hat er in der nachkolonialistischen Auseinandersetzung in Angola mit der Unterscheidung zwischen pro-westlichen und pro-kommunistischen Gruppierungen eine Dichotomierung herbeigeführt, die in dieser Form niemals vorhanden gewesen war. Es gibt die durchaus ernst zu nehmende These, daß erst die militärische Unterstützung der FNLA durch die USA die Sowjetunion auf den Plan gerufen und damit die kubanische Intervention möglich gemacht habe
Diese Intervention war selbstverständlich ein militärisches Faktüm, das eine militärische Reaktion nahezulegen und zu rechtfertigen schien. Dabei darf aber nicht vergessen werden, daß der entscheidende Fehler sehr viel früher gemacht worden war und durch Militärhilfe, möglicherweise sogar noch durch einen erneuten Einsatz amerikanischer Truppen, nicht mehr repariert werden konnte. Wie in Vietnam konnte auch in Angola durch militärische Aktionen nicht mehr bewirkt werden, was zuvor an Beeinflussung des wirklich politisch-gesellschaftlichen Konflikts und an Parteinahme für die richtige Seite versäumt worden war.
Angola kann damit als Paradigma der amerikanischen Südafrikapolitik gelten. Bisher ist nicht erkennbar, daß Kissinger die axiomatischen Grundlagen, die die Politik der Kommunikation bestimmt haben, geändert hat. Seine Blitztour durch das südliche Afrika reicht als Beleg nicht aus; sie muß vielmehr bislang als Oberflächenerscheinung gewertet werden, als diplomatische Geste. Wäre sie mehr, so müßte sich die amerikanische Afrikapolitik in dreifacher Hinsicht verändern. Erstens müßte sie eine eindeutige Parteinahme für die Rechte der schwarzen Mehrheit enthalten, und zwar nicht nur in Rhodesien, sondern auch in der Republik. Bislang ist die amerikanische Position unzweideutig nur hinsichtlich Namibias. Kissinger forderte in Lusaka die majority rule für Rhodesien. Hinsichtlich der Republik war er sehr viel zurückhaltender, sprach nur davon, daß „die amerikanische Politik auf die Prämisse gegründet (sei), daß wir innerhalb eines vernünftigen Zeitraums eine klare Entwicklung zur Chancengleichheit und zu den menschlichen Grundrechten für alle Südafrikaner sehen" 105a). Diese Formulierung stellt sicher, gemessen an der bisherigen Zurückhaltung im Zeichen der Politik der Kommunikation mit Pretoria, einen Fortschritt dar, reicht aber nicht aus, zumal sie von den politischen Rechten der Südafrikaner nicht spricht. Washington müßte zunächst einmal verbal klare Fronten beziehen.
Zweitens müßte die eindeutige Parteinahme für die Rechte der Schwarzen (die die der Weißen natürlich einschließt) instrumentalisiert werden mit einer aktiven Hilfspolitik für die schwarzen Staaten Südafrikas. Sie zählen zu den ärmsten der Welt überhaupt. Ganz Afrika hat 1975 von den USA 333 Millionen Dollar Wirtschaftshilfe erhalten, das meiste freilich rückzahlungsfrei Fast den gleichen Betrag erhielt Kambodscha allein Malawi bekam 700 000 Dollar, Sambia 200 000 Dollar Wirtschaftshilfe Das ist nicht ein-mal der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein. Tansania erhielt 40 Millionen Dollar, sicherlich entschieden mehr, aber ebenfalls nicht ausreichend angesichts des Bedarfs. Hier müßte schnelle Abhilfe durch großzügige Wirtschaftshilfe geschaffen werden. Kissinger hat in Lusaka die Kernprobleme auch deutlich benannt; was er dort aber, und vor allem dann in Nairobi vor der UNC-TAD konkret an amerikanischer Hilfe angeboten hat, läuft eher auf eine Investitionserleichterung für multinationale Firmen als auf wirkliche Entwicklungshilfe hinaus. Das ist vielleicht etwas übertrieben, trifft aber sicher den Kern.
Erst mit dezidierter Parteinahme und substantieller Hilfe für die Schwarzafrikaner wäre ein Wandel der amerikanischen Südafrika-Politik vollzogen. Hinzu kommen müßte aber, drittens, noch die politische Einwirkung auf die Republik und auf die amerikanische Wirtschaft in ihr. Ohne diese Einwirkung wird der Rassismus dort nicht schnell genug überwunden werden können. Er bildet aber den Kern der politischen Konflikte im südlichen Afrika. Wenn die Vereinigten Staaten (und, natürlich, die ganze westliche Welt, die Bundesrepublik eingeschlossen) von den Niederlagen in diesem Konflikt nicht betroffen werden wollen, müssen sie aktiv zur Überwindung der Rassentrennung in Südafrika beitragen.
Erst die Erfüllung dieser drei Forderungen, zumindest der Anfang dazu, würde es erlauben, von einem Wandel der amerikanischen Südafrika-Politik zu sprechen. Die Reise Außenminister Kissingers läßt kaum etwas davon erkennen.