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Lernziel Freiheit. Das Erzieherische, herausgefordert durch die Emanzipationspädagogik | APuZ 28/1976 | bpb.de

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APuZ 28/1976 Artikel 1 Lernziel Freiheit. Das Erzieherische, herausgefordert durch die Emanzipationspädagogik Politische Psychologie und psychoanalytische Soziologie. Überlegungen zur Übertragung Freudscher Kategorien auf Gesellschaftsanalyse und Gesellschaftskritik

Lernziel Freiheit. Das Erzieherische, herausgefordert durch die Emanzipationspädagogik

Hermann Boventer

/ 76 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Mit diesem Aufsatz setzt der Verfasser seine Kritik an der Emanzipationspädagogik fort und fragt gleichzeitig, welche erzieherischen Grundverhältnisse es sind, die wir der „neuen" Erziehung an die Seite stellen wollen, damit sie ihren erzieherischen Auftrag leistet. Als Hintergrund dieses Aufsatzes ist die jüngste Auseinandersetzung mit dem Schulbuchautor und Didaktiker K. G. Fischer angeführt. Fischer hatte den Verfasser in B 10/76 dieser Zeitschrift attackiert. Als Präambel und roter Faden der Darlegungen wird Martin Bubers Rede „Über das Erzieherische" eingeführt. Sie ist in höchstem Maße wieder aktuell, wenn sie Vertrauen und personale Zuwendung als Bestimmungselemente des erzieherischen Grundverhältnisses markiert. Diesem humanistischen Ansatz wird die Erziehungswelt des Habermassehen „emanzipatorischen Erkenntnisinteresses" gegenübergestellt, um zu zeigen, wie der Blick auf das Kind 'eingebüßt worden ist. Was gibt sie her, diese Rede von Emanzipation und Rationalität, für eine Erziehung unserer Kinder? Das zweite Kapitel setzt sich mit dem Politikverständnis und der Schulbuchdidaktik von K. G. Fischer auseinander. Wie die Schüler zu, „Rebellen“ manipuliert und dann geschickt mit der marxistischen Gesellschaftsanalyse indoktriniert werden, ist anhand von Beispielen nachgewiesen. Eine verwandte Problematik zeigen die Politik-Richtlinien Nordrhein-Westfalens, für die Rolf Schörken zeichnet. Seine Thesen werden ebenfalls angefochten in dem Versuch, die geistigen Spuren des emanzipatorischen Potentials deutlicher zu erkennen. Die Frage, warum sich das Freiheitsbewußtsein heute geschwächt zeigt und vielfach der Freiheitsbegriff durch „Emanzipation" substituiert wird,'ist Gegenstand des dritten Kapitels. Die Freiheit wird als Grundwert unserer Lebens-und Pädagogikauffassung postuliert. Wie können wir heute Freiheit neu denken? Verwissenschaftlichung und Intellektualisierung entfremden die Schule von ihrem Auftrag, zu erziehen und zu bilden. Im Sinne eines Sozialausgleichs oder einer Chanceriverbesserung kann die Schule nur sehr begrenzte Wirkungen hervorbringen. Die Reformen, die Schule als Großbetrieb konzipiert haben, sind überholt; familienähnliche Institutionen werden gefordert. Zu fragen ist, was uns Erziehung und Bildung heute bedeuten-für die Menschwerdung. Ist dazu im Grundgesetz der Bundesrepublik eine Wertordnung vorgegeben, die ein Menschenbild enthält? Die Freiheit, zu uns selbst zu finden, aber auch die Fähigkeit zur Liebe dürfen nicht länger ausgeklammert bleiben, als habe dies alles mit moderner Erziehung nichts zu tun. In diesem letzten Kapitel werden einige der erzieherischen Grundverhältnisse, die’sich aus dem Lernziel Freiheit ergeben, skizzenhaft dargelegt, ohne den Anspruch zu erheben, eine Philosophie der Erziehung konstituieren zu wollen.

Vorbemerkung

Martin Buber hat im Jahre 1925 in Heidelberg auf einem Pädagogischen Kongreß den Haupt-vortrag gehalten. Seine Rede „über das Erzieherische" hatte die Entfaltung der schöpferischen Kräfte im Kind zum Gegenstand. Ein halbes Jahrhundert liegt dazwischen, aber nicht wenige der damals geäußerten Gedanken über das Erzieherische haben eine Aktualität, als seien sie gestern geschrieben worden und als hätte dieser jüdische Denker, der vom Erziehungsthema nicht losgekommen ist, den Streit um Emanzipation und Emanzipationspädagogik bereits vorweggenommen, so passend ist manches. Auch damals sprach man von der „neuen" Erziehung. Als deren Prinzip galt der „Eros". Er wurde dem „Machtwillen" der alten Erziehung gegenübergestellt.

Der „alte" Erzieher war der Tradent gesicherter, erbmächtiger Werte, wie es Buber ausdrückt. Er war der Abgesandte der Geschichte und „warf die Werte in das Kind oder zog es in sie". Diese Situation gerät aber leicht in die Gefahr, vom Machtwillen des Erziehers ausgenutzt oder mißbraucht zu werden. Hingegen hat sich der „neue" Erzieher dem Eros verschrieben, dem Mythos des Philosophen, dem männlichen, herrlichen Eros, der eins notwendig einschließt: Menschen genießen wollen. „Eros ist Wahl, Wahl aus Neigung. Erziehertum ist eben dies nicht. Der in Eros Liebende kürt den Geliebten, der Erzieher, der heutige Erzieher findet den Zögling vor. Ich sehe von dieser unerotischen Situation aus die Größe des modernen Erziehers... Eine hohe Askese bedeutet also das Erzieherische."

Bubers Auffassung ist es, daß der Machtwille ebensowenig wie der Eros konstitutiv sein könne für die erzieherische Haltung. Keiner von beiden sei als Prinzip der Erziehung dienlich. Prinzip der Erziehung, das kann nach Buber „nur ein Grundverhältnis sein, das in ihr seine Erfüllung findet. Eros aber wie Machtwille sind Leidenschaften der Seele, denen die Stätte ihrer eigentlichen Auswirkung anderswo bereitet ist." Dem Erzieher sei ein Lebensbereich anvertraut, auf den er zu wirken und in den er nicht einzugreifen habe, „weder machtwillig noch erotisch". Für ihn sei das Da-Sein und So-Sein der zu Erziehenden das entscheidende Faktum. „Denn in der Vielheit und Vielfältigkeit der Kinder stellt sich ihm eben die der Schöpfung dar."

Wie läßt sich dieses erzieherische Grundverhältnis, von dem der Philosoph spricht, näher bestimmen? Buber antwortet: „Vertrauen, Vertrauen zur Welt..." Aber bevor wir zu seiner Rede „über das Erzieherische" zurückkehren, sei kurz erwähnt, wozu sie als Einleitung dienen soll. Wir haben ja heute auch unsere „neue" Erziehung; ihr Grundverhältnis ist ein gesellschaftskritisch-emanzipatorisches, ihr Prinzip ein wissenschaftliches. Vermeintliche Wissenschaftsansprüche werden aufeinander-gestapelt, die Gesellschaft wird als Ordnungsgröße einseitig hervorgehoben. Das Erzieherische wird überhaupt nicht mehr daran gemessen, inwiefern es die Entfaltung der schöpferischen Kräfte im Kind fördert. Es sieht sich instrumentalisiert und einem politischen Nutzen untergeordnet, jedenfalls bei einem Vertreter wie Kürt Gerhard Fischer, der sich als Schulbuchautor einen Namen gemacht hat und den Verfasser dieses Artikels in Heft 10 vom 6. März 1976 von „Aus Politik und Zeit-geschichte" auf das heftigste attackiert hat wegen solcher Behauptungen Die Replik des Didaktikprofessors K. G. Fischer ist recht zornig und stellenweise etwas persönlich ausgefallen. Eine Polemik ausfechten, gegen jemanden losziehen, damit man nicht „verbraten“ wird, das hat K. G. Fischer den Klassen 7 bis 9/10 aller Schulen (Sekundarstufe I) im Vorwort seines Arbeitsbuches für die Sozial-und Gemeinschaftskunde mit folgenden Worten beschrieben: „Wir möchten Euch dazu verhelfen, daß Ihr nicht jetzt oder eines Tages ... , in die Pfanne gehauen', . verbraten', übers Ohr gehauen'werdet, und wir hoffen, daß Ihr rechtzeitig lernt und übt, Euch Eurer Haut zu wehren, Eure Interessen zu vertreten, Eure Rechte wahrzunehmen und Euch zu verteidigen."

Bloß recht behalten wollen, sich seiner Haut wehren, seine Interessenvertretung wahrnehmen können, das scheint mir ein etwas dürftiges Konzept zu sein nicht nur für einen Sozial-und Gemeinschaftskunde-Unterricht und nicht nur für die Polemik eines Universitätsprofessors, sondern auch für die uns alle bewegende Frage: Wie erziehen wir unsere Kinder? In der Tat bricht ja dieses Konzept dei Emanzipationspädagogik aus allen Poren wenn dem Kind schon vom ersten Schuljahi an immerfort böser Verdacht, Gegnerschaft bis 9/10 aller Schulen (Sekundarstufe I) im Vorwort seines Arbeitsbuches für die Sozial-und Gemeinschaftskunde mit folgenden Worten beschrieben: „Wir möchten Euch dazu verhelfen, daß Ihr nicht jetzt oder eines Tages ... , in die Pfanne gehauen', . verbraten', übers Ohr gehauen'werdet, und wir hoffen, daß Ihr rechtzeitig lernt und übt, Euch Eurer Haut zu wehren, Eure Interessen zu vertreten, Eure Rechte wahrzunehmen und Euch zu verteidigen." 5)

Bloß recht behalten wollen, sich seiner Haut wehren, seine Interessenvertretung wahrnehmen können, das scheint mir ein etwas dürftiges Konzept zu sein nicht nur für einen Sozial-und Gemeinschaftskunde-Unterricht und nicht nur für die Polemik eines Universitätsprofessors, sondern auch für die uns alle bewegende Frage: Wie erziehen wir unsere Kinder? In der Tat bricht ja dieses Konzept dei Emanzipationspädagogik aus allen Poren wenn dem Kind schon vom ersten Schuljahi an immerfort böser Verdacht, Gegnerschaftlidies, listig zu Hinterfragendes eingetrichtert wird, als sei die Welt voller Teufel.

K. G. Fischer bietet in seiner Replik keine Anhaltspunkte, wie wir ein Mindestmaß an Gemeinsamkeit im erzieherischen Denken wiedergewinnen können. Deshalb sehe ich keinen Sinn darin, mit einer weiteren Erwiderung zu kontern; vielmehr möchte ich an dieser Stelle und auf dem vorgegebenen Hintergrund 6) meine Kritik an der Emanzipationspädagogik fortsetzen und dabei fragen, welche erzieherischen Grundverhältnisse es sind, die wir der „neuen" Erziehung an die Seite stellen wollen, damit die Schule ihren erzieherischen Auftrag leistet. Auf K. G. Fischers Schulbücher wird an verschiedenen Stellen Bezug genommen.

I. Vertrauen zur Welt. Was wissen wir von der Seele des Kindes?

1. Martin Buber und Jürgen Habermas

Im Dialog sieht Martin Buber das erzieherische Verhältnis grundgelegt: „Vertrauen, Vertrauen zur Welt, weil es diesen Menschen gibt — das ist das innerlichste Werk des erzieherischen Verhältnisses. Weil es diesen Menschen gibt, kann der Widersinn nicht die wahre Wahrheit sein, so hart er einen bedrängt. Weil es diesen Menschen gibt, ist gewiß in der Finsternis das Licht, irn Schrecken das Heil und in der Stumpfheit der Mitlebenden die große Liebe verborgen. Weil es diesen Menschen gibt.. ." 7)

Die moderne Curriculumwissenschaft würde einem solchen Zitat aus der geisteswissenschaftlichen Pädagogik den Terminus „Dezisionismus“ aufsetzen. Gesagt sein soll, es handelt sich um Unwissenschaftliches, um Aus-der-Luft-Gegriffenes, das beliebig festge-legt und aus der jeweiligen Machtbefugnis entschieden wird, ä la Hobbes, der behauptete, es sei stets die Autorität, die das Gesetz macht, nicht die Wahrheit . „Vertrauen, weil es diesen Menschen gibt": Dieser Satz ist unter der Herrschaft des „emanzipatorischen Erkenntnisinteresses" (Habermas) weder schlüssig noch einsichtig. Die Wahrheit wird aus der Ideologiekritik hervorgehen, nicht jedoch aus der Begegnung zweier Menschen. Die Ideologie ist die existente Unwahrheit; in ihrer Abhängigkeit gerinnt sie zur bloßen Abbildung des Bestehenden, das falsch ist. Bestehendes ist in diesem Kontext der emanzipatorischen Veränderungs-und Revolutionslehre immer „falsch", hier und jetzt, ob es sich nun als So-Sein, als Norm, als Gebot darstellt oder ganz einfach den jeweiligen Menschen in seiner konkreten Befindlichkeit, die jeweilige Gesellschaft in ihrer konkreten Verfassung bezeichnet.

Die Wahrheit einer emanzipierten Gesellschaft ist erst noch zu gewinnen —, um hier in den Denkkategorien von Jürgen Habermas und seiner Kritischen Theorie fortzufahren und zu zeigen, wie unüberbrückbar der Abgrund ist, der zwischen der Emanzipationsphilosophie und den Buberschen Gedankengängen klafft: Die Welt des Menschen „als die Verfassung des konkreten gesellschaftlichen Lebenszusammenhangs, innerhalb dessen Menschen nicht mehr als das, was sie sind, vielmehr als das, was sie nicht sind, verkehren müssen; Gesellschaft ist stets eine, die anders werden muß"

Das emanzipatorische Erziehungs-und Erkenntnisinteresse nimmt von dem Ansatz einer materialistischen Dialektik, die sich nur mühsam aus dem geistigen Dunstkreis von Marx und Hegel entfernt, ihren Ausgang in der dauernden Ideologiekritik, die als Gedanke das Bestehende in der Frage nach dem Möglichen übersteigt, die in revolutionärer Tätigkeit die Praxis von ihrer falschen Gestalt, aus der die ideologische sich herleitet, befreit: „Einheit von Theorie und Praxis bezeichnet die Wahrheit, die herzustellen ist, und zugleich den obersten Maßstab der Vernunft, soweit innerhalb der Entfremdung bereits alle die Anstrengungen vernünftig heißen dürfen, die auf die Herstellung der Wahrheit zugehen. Vernunft ist der Zugang zur künftigen Wahrheit. Und Kritik bemißt sich an einer Rationalität,, die in diesem Sinne . Methode'ist."

2. Erziehung als Ideologiekritik

Der Aufeinanderprall zweier Welten — hier Märtin Buber, dort Habermas als „Nährvater" der kritischen Emanzipationspädagogik — ist kaum deutlicher zu machen als in den angeführten Zitaten. Bei vielen Habermas-Zitaten läuft es einem kalt über den Rücken; so eisig ist die intellektuelle Landschaft, so menschenleer die Begriffswelt. Mancher glaubt auch, in ihrem hohen Abstraktionsgrad sei die Verpflichtung der Erziehungswissenschaft auf das emanzipatorische Erkenntnisinteresse eine harmlos-akademische Sache ohne Folgen. In Wirklichkeit wird auf der nächst unteren Ebene des erzieherischen Handelns eben je-

INHALT Vorbemerkung I. Vertrauen zur Welt Was wissen wir von der Seele des Kindes? 1. Manin Buber und Jürgen Habermas 2. Erziehung als Ideologiekritik 3. Die Wirklichkeit „im Kopf“ II. Mißtrauisch werden Das emanzipatorische Potential 1. Interessen? Abhängigkeiten? Einflüsterer? 2. Herren und Knechte 3. Hausbesetzungen und ein überfülltes Schwimmbad 4. Emanzipation ist ein Kampfbegriff 5. Irgendwo beginnen die Setzungen 6. Das Wort „selbstverständlich" streichen 7. Nicht wie eine Kokarde 8. Die Religion zerreißt das Pfaffengewand III. Empörte Engel Wie können wir den Wert der Freiheit in der Pädagogik neu denken? 1. Essen soll man und Wein trinken 2. Der neue Idealismus 3. Christlich gesprochen, ist Freiheit Geschenk 4. Philosophie und Freiheitswissen 5. So meinten die Leute IV. Weil es diesen Menschen gibt... Humanisierung der Schule 1. Schule als Lernfabrik 2. Credo der Chancengleichheit 3. Als familienähnliche Einheiten 4. Pädagogik als „Magd der Politik" 5. Wissenschaftsbestimmtheit und Anthropologie . 6. Am Konsens festhalten 7. Menschenbild des Grundgesetzes 8. Erziehung und Bildung 9. Freiheit, zu uns selbst zu finden 10. Die Fähigkeit zur Liebe 11. „Sind wir ver-rückt?" ner Nimbus einer Wahrheitsfindung per „Wissenschaft" erzeugt, der sich dann als „die wissenschaftlich gesicherte Deduktion von Lehrinhalten aus vorgegebenen Erziehungszielen" vorstellt. Da gibt es kein Deuteln oder Zweifeln mehr: „Gesellschaft ist stets eine, die anders werden muß." Erziehung ist Ideologiekritik und Revolutionslehre zugleich. Anhand von Kurt Gerhard Fischers Sozialkundebuch „Gesellschaft und Politik" wird diese These später noch zu erhärten sein.

Aber lassen wir erneut Martin Buber zu Wort kommen. Womit das eigentlich Erzieherische anfängt und worauf es sich gründet, das nennt er die Erfahrung der Gegenseite, die Umfassung: „Erweiterung der eigenen Konkretheit, Erfüllung der gelebten Situation, vollkommene Präsenz der Wirklichkeit, an der man teilhat. Ihre Elemente sind: erstens ein irgendwie geartetes Verhältnis zweier Personen zueinander, zweitens ein von beiden gemeinsam erfahrener Vorgang, an dem jedenfalls eine der beiden tätig partizipiert, drittens das Faktum, daß diese eine Person den gemeinsamen Vorgang, ohne irgend etwas von der gefühlten Realität ihres eigenen Tätigseins einzubüßen, zugleich von der andern aus erlebt. Ein Verhältnis zweier Personen, das in geringerem oder höherem Maß von dem Element der Umfassung bestimmt ist, mögen wir ein dialogisches nennen."

Erst in der Dialogisierung erfährt der erzieherische Machtwille, den Buber der „alten" Pädagogik zuordnete, aber auch der Eros der „neuen" Erziehung, seine Umkehr als Eingang des Triebs „in die Verbundenheit mit dem Mitmenschen und in die Verantwortung für ihn... Erst die Mächtigkeit, die umfaßt, ist Führung; erst der Eros, der umfaßt, ist Liebe" Buber bringt den Hinweis auf das Kind, das auf die Ansprache der Mutter wartet, aber manche Kinder wissen sich unablässig angesprochen „im silbernen Panzerhemd des Vertrauens .. . Weil es diesen Menschen gibt. Und so muß denn aber dieser Mensch auch wirklich dasein. Er darf sich nicht durch ein Phantom vertreten lassen: der Tod des Phantoms wäre die Katastrophe der ursprünglichen Kinderseele. Er braucht keine der Vollkommenheiten zu besitzen, die sie ihm etwa anträumt; aber er muß wirklich da sein . . . Dann ist jene unterirdische Dialogik, jene stets potentielle Gegenwärtigkeit des einer für den anderen gestiftet und dauert. Dann ist Wirklichkeit zwischen beiden, Gegenseitigkeit."

3. Die Wirklichkeit „im Kopf“

Wie weit darf sich die Erziehungswissenschaft vom Kind entfernen, ohne daß die Sache selbst, um die es geht, sich zunehmend verflüchtigt bis zur Unkenntlichkeit? Die „Sache" selbst, das ist hier die Person des Kindes. Wo kommt sie vor im Kontext der Kritischen Theorie und einer zunehmenden Verwissenschaftlichung der Schule? Was Habermas, wenn er Marx interpretiert, den Bildungsprozeß der Menschengattung nennt, ist eine Geschichtsphilosophie, aber kein Erziehungsprogramm, geschweige denn eine Rede über das Erzieherische. Im Unterschied zu Marx, der das Reich der Freiheit nur in Abhängigkeit von den materiellen Produktionsverhältnissen definiert, versteht Habermas seine Dialektik zusätzlich aus dem „herrschaftsfreien Dialog" und aus den Folgen seiner Unterdrückung. Aber was gibt sie her, diese Rede von der Emanzipation und Rationalität, für eine Erziehung unserer Kinder, hier und heute? Aufklärung soll sie hergeben, die besonderen Freiheits-und Gleichheitsgefährdungen soll sie bewußt machen, Möglichkeiten der Selbst-und Mitbestimmung sichtbar und zugänglich machen. Sonst nichts?

Das aufklärerische Erkenntnisinteresse, so Habermas, „setzt eine spezifische Erfahrung voraus ... , die Erfahrung der Emanzipation durch kritische Einsicht in Gewaltverhältnisse, deren Objektivität allein daher rührt, daß sie nicht durchschaut sind" Die Korruption der Welt ist weit fortgeschritten — man glaubt, Oswald Spengler herauszuhören — und die Gewalt, mit der es die Aufklärung zu tun hat, ist das falsche Bewußtsein unseres Zeitalters. In den Normen und Institutionen der korrumpierten (bösen!) Gesellschaft hat dieses Bewußtsein zugleich die herrschenden Interessen befestigt. Vor diesem Unrechtszustand konvergieren nun die rationale Einsicht und das Emanzipationsinteresse. Wieso eigentlich? Woher diese prästabilisierte Harmonie zwischen beiden? Warum „muß" die höhere Reflexionsstufe der Rationalität mit einer tatsächlich gelungenen Emanzipation in der konkreten Autonomie der einzelnen, der Eliminierung leidvoller Unterdrückung und der Entwicklung eines herrschaftsfreien Verkehrs der Menschen untereinander zusam-menfallen? Habermas gibt selbst die Antwort: „Die Vernunft wird fraglos gleichgesetzt mit dem Talent zur Mündigkeit und mit der Sensibilität gegenüber dieser Welt. Sie ist für das Interesse an Gerechtigkeit, Wohlfahrt und Frieden immer schon entschieden."

Immer schon entschieden ist für den dezidierten Aufklärer fast alles und lange bevor die Wirklichkeit „im Kopf" mit der Banausen-und Alltagswirklichkeit unseres zurückgebliebenen Bewußtseins überhaupt konfrontiert wird, „läßt sich (doch) die Dogmatik der geronnenen Gesellschaft nur in dem Maße durchschauen, in dem sich Erkenntnis entschieden von der Antizipation einer emanzipierten Gesellschaft und der realisierten Mündigkeit aller Menschen leiten läßt; zugleich verlangt aber dieses Interesse umgekehrt (auch schon die gelungene Einsicht in Prozesse der gesellschaftlichen Entwicklung, weil es sich in ihnen allein als ein objektives konstituiert" 16).

Die heilswisserischen Credo-Formeln sind im gestochenen Deutsch von Jürgen Habermas bis aufs letzte prägnant und bestechend für den, der sich „entschieden" hat. Immer schon entschieden ist über die Gesellschaft; sie ist „stets eine, die anders werden muß". Immer schon entschieden wird auch über das Kind, wo es um Schule geht; auch das Kind ist stets eines, das anders werden muß. Gewiß muß es das; es fragt sich nur, aus welchen Gründen heraus, auf welches Ziel hin. Ich kann behaupten, eine Emanzipation der Gesellschaft gelingt nur im Maße der Ablösung gewalthabender Institutionen. Damit sind Gründe und Zielsetzungen vorgegeben. Ich kann aber auch zum Beispiel fragen: Was müssen wir über die Seele wissen? Damit sind andere Gründe und Zielsetzungen vorgegeben. Ist nicht auch die Seele „stets eine, die anders werden muß" und somit den Menschen zur Menschwerdung befreit?

II. Mißtrauisch werden. Das emanzipatorische Potential

1. Interessen? Abhängigkeiten? Einflüsterer?

Von der Not, nicht zu wissen, wohin, wori auf zu erzogen werden soll, ist in emanziI patorischen Schulbüchern wenig zu spüren. I Das Bilden einer bestimmten Gestalt des BeI wußtseins, des Verhaltens, des Denkens aus allen Stoffen auf ein Lernziel hin — ist das „Bildung", von der die Bildungsreform geII träumt hat? j Wer möchte seiner Sache schon so ganz si-eher seih! Wie Savigny am Beruf seiner Zeit zur Gesetzgebung gezweifelt hat, so zweifeln wir am Beruf unserer Zeit zur Erziehung

So ist es in der Tat überraschend, jene Zielstrebigkeit zu beobachten, mit der heute eine höchst umstrittene Pädagogik, die sich fest ah das oberste Lernziel der Emanzipation geklammert hat, von politischen Entscheidungsgewalten und Didaktikprofessoren, die ihnen genehm sind, über das Medium des Schulbuchs forciert wird. Dieses Medium hat eine besonders breite Streu-und Tiefenwirkung in den Schulalltag hinein. Desto gravierender ist die Nonchalance, mit der sich Schulbuchautoren über unsere Zweifel hinwegsetzen, wozu denn eigentlich erzogen werden soll. Die Habermas’sche „Einsicht in Gewaltverhältnisse, deren Objektivität allein daher rührt, daß sie nicht durchschaut sind", darf doch wohl auch einmal auf Schulbuchverhältnisse und -politik angewandt werden. Da entdecken wir nichts „Emanzipatorisches" mehr, sondern Macht-spruch von oben, welche Titel überhaupt noch in die Auswahl und Druckmaschinen gelangen. Für einen Schulbuchautor wie K. G. Fischer ist das emanzipatorische Erkenntnisinteresse der Dreikönigstern und immer parate Kompaß, wenn er die jugendlichen Leser in seinem sozialkundlichen Arbeitsbuch aufklärt: „Wir möchten Euch anregen, die Wirklichkeit, die Menschen und vor allem Euch selbst zu . hinterfragen', wie man heute sagt: Welche Erfahrungen und Erlebnisse beeinflussen meine Meinungen und mein Tun? Welche Grundüberzeugungen vertritt dieser, welche hingegen jener Politiker? Was spielt dabei eine Rolle: Interessen? Abhängigkeiten? Bildung? Einflüsterer?" Im selben Vorwort identifiziert sich K. G. Fischer mit dem Wunsch, „daß sich die Jugend selbst politisieren möge und daß sie nichts, aber auch gar nichts unbesehen, unbedacht, ungeprüft hinnehmen möge — kurz, daß sie aus eigener Kraft politisch ist."

2. Herren und Knechte

Nach diesem kräftigen Auftakt und nicht ohne Bertolt Brechts doppeldeutige Mahnung mit auf den Weg zu geben — „Strenge die Wahrheit nicht allzu sehr an: Sie verträgt es nicht..." — greift der Verfasser voll in die politischen Saiten, wenn auf der ersten Seite des ersten Kapitels „Von der Politik — von politischem Denken und Handeln" Karl Marx mit seinem Grundverständnis von Gesellschaft, Politik und Staat den Ton angibt. Die Robinson-Crusoe-Geschichte, die erzählt wird, hat für K. G. Fischer ein einziges Fazit: „Der Habende macht sich zum , Herrn', und der Habenichts unterwirft sich. Hier haben wir es mit Politik zu tun."

Das Herr-Knecht-Verhältnis, die ausbeuterische Klassengesellschaft, die permanente Unterdrückung der Beherrschten durch die Mächtigen — so einfach ist das mit der Politik —, bei K. G. Fischer durchgehend als „Herrschaft von Menschen über Menschen" definiert und damit zur menschenfeindlichen Macht erklärt, das böse Gegenüber: Wir lassen uns nichts vormachen: „Die einen herrschen, befehlen, kommandieren, bestrafen . .., die anderen: gehorchen, arbeiten, dienen..." Angeknüpft wird nicht an die Wirklichkeit einer guten, menschenfreundlichen und rechtsstaatlichen Politik, sondern ihrer unterdrückerischen Fehl-und Ausbeutungsform. „Es bleibt unerwähnt", so heißt es in einem vom Hessischen Elternverein erstellten Gutachten zum Arbeitsbuch von K. G. Fischer, „daß Politik im Prinzip nicht die willkürliche Erfindung machtgieriger Unterdrükker, sondern eine anthropologische Notwendigkeit ist... Die Möglichkeit (wird) verbaut, Politik auch als fürsorgliche Ordnung des gesellschaftlichen Lebens der Menschen positiv verständlich zu machen. Stattdessen wird die degenerative Form der Politik (Tyrannis) mit Politik schlechthin gleichgesetzt."

Hier wird eine heranwachsende Generation auf einen Politikbegriff „gestanzt", der nicht die erfahrbaren, hier und jetzt in unserem Land vorhandenen Formen von Politik zum pädagogischen Ansatzpunkt hat, sondern die bewußte Gleichsetzung von Politik = Tyrannei. Man faßt sich an den Kopf, wie es möglich ist, daß in einem Land mit einer funktionierenden und erfolgreichen Demokratie dieses Schulbuch seit 1971 unentwegt gedruckt und ausgeliefert wird (3. völlig neu bearbeitete Auflage 1975, Nachdruck 1976, 1975") und daß so grobschlächtige Verzeichnungen unserer rechtsstaatlichen Politik auch noch die offizielle Billigung erfahren und in sechs Bundesländern zugelassen sind! Mit Recht weist das Gutachten darauf hin, daß durch diesen unkritisch vorausgesetzten Politikbegrift die Weichen gestellt werden, „die das Buch vom Ansatz her zum Agitations-und Propagandainstrument einer denunziatorischen Ideologie werden lassen"

3. Hausbesetzungen und ein überfülltes Schwimmbad

Für K. G. Fischers Schulbuch ist es eine grundlegende Ansicht, daß alle sozialen und politischen Probleme „gesellschaftlich bedingt" sind, so die Armut, der Krieg, das Recht, die Jugendkriminalität, die Form der Familie, aber auch der geistige Habitus eines Menschen. Zum Stichwort „Mentalität" heißt es bei den Worterklärungen: „Geistige Grundeinstellung, Sinnesart; das Wort wird vielfach fälschlich für die Erklärung von Verhaltensweisen in dem Sinn verwendet, als wären sie . natürlich', während sie in Wirklichkeit durch die gesellschaftlichen Verhältnisse bedingt sind."

Das Gutachten unterstreicht die. allgegenwärtige Entlarvungsperspektive, die in den Analysen dieses Schulbuchs gegenwärtig ist. Der Schüler muß „fragen und hinterfragen lernen: wem soll genützt, wem soll geschadet werden?" So steht über den Phänomenen, noch bevor sie überhaupt wahrgenommen, analysiert und erkannt worden sind, stets die Frage „Cui bono?" Behaupten und behaupteten nach K. G. Fischers Schulbuch doch „alle Mächtigen", daß sie die Herrschaft ausüben zum Wohl des Volkes, zum Nutzen aller, zum Segen des Ganzen oder daß sie die Macht nur anwenden im Dienst des Gemeinwohls. Wörtlich: „Ein gefährliches Wort taucht immer wieder in der Geschichte und in allen Sprachen auf: das Gemeinwohl..." Man sieht's doch, was für Schufte sie alle sind, diese Mächtigen und Politiker, hier im Schulbuch steht's doch schwarz auf weiß, wie sie lügen, lügen, lügen.., Übertreiben wir die möglichen Reaktionen der unerfahrenen und für jede Pauschalkritik so leicht zugänglichen Schüler? Vielleicht, aber etwas bleibt immer haften. „Gefährlich" ist nicht nur das Gemeinwohl nach diesem fabelhaften Schulbuch, sondern: „Wir fassen zusammen: Geld, ob in den Händen des Staates, der Parteien und Verbände, schließlich in den Händen der Reichen in der Gesellschaft, ist ein gefährliches Machtmittel."

Homo homini lupus, Raubtiere überall! „Sag nicht zu oft, du hast recht, Lehrer! Laß es den Schüler erkennen!" Das Schulbuch zitiert abermals Bertolt Brecht, seine Unschuld unter Beweis zu stellen, um dann nach Beispielen politischen Handelns in Wort und Bild zu forschen. Dabei stoßen die Autoren (reiner Zufall gleich zuerst und zweimal auf Hausbesetzungen. „Handelt es sich dann also bei Hausbesetzungen", so fragt das Schulbuch die Schüler, „um einen . übergesetzlichen Notstand'und bei der Umwandlung von Wohnhäusern um einen Mißbrauch des Rechts durch die Besitzer? Auf wessen Seite steht . das Recht'? Was meint Ihr dazu?" Das Zweite Juristische Staatsexamen käme hier wohl gut zustatten; K. G. Fischers flotte Rechtskunde hält es da wohl lieber mit dem „Gefühl" der Schüler. Hausbesetzungen sind ja schließlich ein Jux. Oder?

Einprägsamstes Beispiel für die Manipulation durch isolierende und verzerrende Darstellung von Problemen ist bei Fischer der Text unter einem Foto von einem überfüllten Schwimmbad, das der „Deutschen Volkszeitung" vom 24. 7. 1970 entnommen ist, wobei die Autoren verschweigen, daß diese Zeitung der DKP und der SED nahesteht und die Ziele des DDR-Kommunismus propagiert. Der zitier* te Text lautet: „In solch gedrängter Enge muß sich unsere Jugend in den Freibädern und an den Stränden . erholen'... Es fehlen Frei-bäder, Sportanlagen und Erholungsstätten, die den Ansturm der Bevölkerung an warmen Tagen auffangen können. Doch zwei Drittel des geringen Waldbestandes, den man als Erholungsgebiete ausbauen könnte, sind in Privat-besitz ..." Ein negativ empfundenes Detail wird hier präpariert (z. B. durch Angabe einer falschen Zahl — sind doch nur 44 v. H.des Waldbestandes in Privatbesitz — und durch Verschweigen des allgemeinen Zugangsrechts zu den Wäldern) und für das Ganze gesetzt, um sodann mit dem stillschweigenden Anspruch auf paradiesische Zustände konfrontiert zu werden

Wie wird das Wirtschaftssystem behandelt? Arbeitgeber haben an der Reform der Lehrlingsausbildung kein Interesse, heißt es. Die soziale Marktwirtschaft wird unter der tendenziösen und einer positiven Beantwortung sicher unzugänglichen Frage „Lösung der Probleme für. alle?" abgehandelt. Nicht weniger höhnisch ist der Sachbereich der Vermögensverteilung überschrieben: „Sind wir auf dem Wege zum Volkskapitalismus?" Dem jugoslawischen Selbstverwaltungssozialismus gehört die unverhohlene Sympathie der Schulbuchautoren, was das Wirtschaftssystem betrifft. Jugoslawien gilt als das gelobte Land der Gleichheit.

Die Institution der Familie ist in der 3. Auflage nicht mehr mit ganz so brutalen Fußtritten als „Institut gigantischer Verschwendung von Zeit und Geld" eingedeckt worden wie noch in der 2. Auflage. Die öffentlichen Proteste sind nicht ohne Wirkung geblieben, zumal die Schüler mit einem Text aus der Linksgazette „konkret" zur Promiskuität aufgefordert wurden, ihre „Nachdenklichkeit" anzuregen. Das Kapitel beginnt jetzt mit drei Statements aus dem Munde junger Menschen, negativ sämtlich; das letzte davon: „Ich brauche andere Menschen um mich, neue Ideen und Anregungen. Nur auf den Mann und die Kinder fixiert sein, befriedigt mich nicht (Monika, 23 Jahre)." Dann kommt der Lehrer: „Diese und ähnliche Antworten bilden Ausnahmen bei einer Meinungsumfrage . . ." So geht das andauernd in diesem Schulbuch: Zwei Meter vor, einen zurück.

Das Gutachten zögert nicht mit seinem vernichtenden Urteil: „Fischer und seine Mitarbeiter behindern mit ihrem Buch nicht nur den Lernprozeß und die Personwerdung des Schülers, sie manipulieren ihn zu einem aggressiven Rebellen, den sie dann methodisch geschickt mit den Lehren von Marx und Engels indoktrinieren. Allein schon diese ideologische Einseitigkeit und die Propaganda für eine sozialistische Demokratie'jugoslawischer Prägung, die zumindest im politischen Sektor zweifelsfrei grundgesetzwidrig ist, machen das Buch definitiv unbrauchbar für die Verwendung im staatsbürgerlichen Unterricht."

4. Emanzipation ist ein Kampibegriff

Eine Welt ohne Zwänge, eine Welt, in der die Gesellschaft es endlich unterlassen würde, mit allen möglichen Beschränkungen, Sitten, Normen in die natürlichen Entfaltungsvorgänge hineinzuregieren: Könnte das nicht in der Tat eine viel glücklichere Welt sein?

Angesichts der Zuversicht, daß Emanzipation und Rationalität verbürgt sind, muß es eine schmerzliche Feststellung bedeuten, wie mit dem Aufkommen der industrialisierten Gesellschaften der umfassende Begriff von Rationalität, der die Konvergenz von Wahrheit und Glück, von Irrtum und Leid zum Inhalt hatte, auf die Funktion einer wissenschaftlich-technischen Produktivkraft herabgesetzt wurde.

So die Geschichtsmetaphysik von Habermas „Die Spontaneität der Hoffnung, die Akte des Stellungnehmens und die Erfahrung von Relevanz oder Indifferenz vor allem, die Sensibilität gegen Leid und Unterdrückung, der Affekt für die Mündigkeit, der Wille zu Emanzipation und das Glück der gefundenen Identität — sie allemal sind aus dem verbindlichen Interesse der Vernunft nun entlassen."

Um das zu verhindern, um dies alles zu retten, muß gekämpft werden mit dem ganzen Einsatz aller Kräfte; von daher kommt Antwort auf die Frage, wie es dazu gekommen ist, daß für viele heute das emanzipatorische Potential so faszinierend ist. Emanzipation ist nun einmal ein Kampfbegriff mit einem moralischen Kern; so etwas wirkt immer anziehend auf gewisse Gemüter.

Rolf Schörken, der seit 1970 die nordrhein-westfälische Richtlinienkommission für politische Bildung leitet, hat in einer Stellungnahme zur Kritik an den Richtlinien für den Politik-Unterricht den Streit um den Emanzipationsbegriff kommentiert Schörken unterschätzt das emanzipatorische Potential, wenn er glaubt, es könne sozusagen auf kleiner Flamme gargekocht werden als „Fortschritte im herrschenden Muster".

Die Sprengkraft steckt im Emanzipationsbegriff selbst, der durch seine geistige Herkunft als Revolutionsbegriff vorgeprägt ist. Man kann den Begriff zähmen und liberalisieren, indem man die Entgrenzungstendenzen zurückdrängt und das „Alles oder Nichts" vermeidet. Diese aufgepfropfte, innerweltliche Bescheidenheit wird sich jedoch immer dann radikalisieren, wenn der Begriff mit seinem Anspruch, das „Ganze" des Politischen, Sozialen und Humanen zu vertreten, zu anderen Wert-und Erziehungshaltungen in Konkurrenz tritt. Für eine „friedliche Koexistenz" fehlt ihm das Organ; Toleranz ist ein Fremdwort geblieben.

Es ist auffallend, wie diese Tugend, die zum demokratischen Habitus gehört, im Umfeld der Emanzipation so gut wie überhaupt nicht vorkommt oder nur als Karikatur erscheint. Das „Hinterfragen" ist radikal in dem Sinn, daß es glaubt, seine Erkenntnisse reichten an die Wurzel, und das sei nun einmal der entfremdete, unterdrückte, geknechtete Mensch. Ich sehe deshalb keine Chance für ein Niedriger-Hängen; das mag aus wahltaktischen Er-wägungen eine Zeitlang den Anschein erwekken, es sei (in revidierter Auflage) gelungen. Aber von seiner sinnstiftenden Kraft wird der Emanzipationsbegriff bei Habermas oder in einem x-beliebigen Schulbuch nicht abstrahieren können; es sei denn, um den Preis von Toleranz, Offenheit, Pluralismus, Pragmatismus — was der Selbstaufgabe gleichkommen würde.

Denken wir auch daran, wie der Emanzipationsbegriff sich mit der Glücksverheißung amalgamiert hat, wie die Konvergenz von Emanzipation und Rationalität als dauernde Hoffnung eingeht, wie jenseits der Ideologie-kritik die Wahrheit aufleuchtet und das Verändern-Wollen den eschatolgischen Horizont braucht: Lauter Zutaten für eine neue Metaphysik.

5. Irgendwo beginnen die Setzungen

Alles das scheint Rolf Schörken bestreiten zu wollen; seine Richtlinien kommen im Understatement daherspaziert, wenn es nach ihm ginge, „Ansätze zu einer civic culture, einer politischen Kultur zu entwickeln". Daß bestimmte Glücksvorstellungen inhaltlich festgeschrieben worden seien? „Davor hüten sich die Richtlinien." Daß Aktionismus und Veränderung um jeden Preis das Lernziel bedeuteten? „Kritikfähigkeit im Hinblick auf soziale Normen heißt nicht, den gesamten Fundus ah verhaltensregulierenden Kräften in uns bis zum Grunde aufstöbern und tiefenpsychologisch ins Bewußtsein heben oder eine ganze . Kultur'der kritischen Attitüde begründen."

Bei K. G. Fischer oder in anderen emanzipatorischen Materialien liest es sich anders. Da wird handgreiflich, wie die Ambivalenz einer Revolutionslehre eingraviert bleibt. Dafür, daß dieses revolutionäre Veränderungspotential nicht aufgesogen wird, sorgt schon die Kritische Theorie, akademisch natürlich. „Irgendwo beginnen in der Tat die Setzungen", meint Schörken. Beiträge der Frankfurter Schule waren, so fährt er fort, „nicht allein für die analytische Seite des Problems von Bedeutung, sondern mehr noch deshalb, weil unter allen Antworten, die von den verschiedensten Seiten auf die Frage nach den modernen Freiheitsbedrohungen gegeben werden, die Entschiedenheit hervorsticht, mit der sie dafür eintritt, politische Entscheidungen in die demokratische Öffentlichkeit und damit in den Konsens der Bürger hineinzuholen". Dem Beitrag von Habermas wird ein hoher Stellenwert zuerkannt, ohne daß „die gesamte Sozialphilosophie von Habermas eingekauft würde". Schörken glaubt, der Richtlinienkommission wäre daraus nur dann ein Vorwurf zu machen, „wenn sie die Beiträge anderer zu diesem Problem undiskutiert ließe — was nicht der Fall ist"

Die explizite Geschichtsphilosophie von Habermas gibt den Grundton ab. Die „Beiträge anderer" müssen sich verkrochen haben; sie sind nicht aufzufinden und werden von Schörken auch nicht angeführt; Beweise für seine Behauptungen bleibt er schuldig. Oder er rubriziert „Beiträge anderer" unter der Über-schrift „Dämonisierungen" etwa den Vorwurf, der heute der Kritischen Theorie am häufigsten gemacht wird, daß sie alle abweichenden Auffassungen unter Verdacht stellt und folglich der emanzipatorische Unterricht die Schüler zum Mißtrauen gegen alles und jedes erzieht, ja, daß er die Kinder neurotisch macht.

6. Das Wort „selbstverständlich" streichen

Im Programm des „Hinterfragens" kann es nichts Selbstverständliches geben. „Selbstverständlich" sind lediglich die Setzungen einer materialistischen Dialektik und ihrer anthropologischen Grundvorstellung. Wie das in der Pädagogisierung des Emanzipationsbegriffs bei Elf-und Zwölfjährigen aussieht, hat K. G. Fischer in dem sozialkundlichen Arbeitsbuch „Mensch und Gesellschaft" für die Klassen 5 und 6 gezeigt: „Was man tun sollte, wenn man das Wort .selbstverständlich'hört: mißtrauisch werden — fragen, warum ist das so? — muß das wirklich so sein oder — könnte es auch anders sein?" Und dann folgt eine jener Als-Ob-Fragen, bei denen der Autor das Fragezeichen besser gleich gestrichen hätte: „Vielleicht seid Ihr jetzt sogar der Auffassung, man müsse das Wort .selbstverständlich'aus unserer Sprache streichen? ’’

Die Frage, ob sich aus der Kritischen Theorie überhaupt so etwas wie eine Erziehungslehre begründen läßt, beantwortet Schörken mit dem Hinweis: „Das nordrhein-westfälische Politik-Curriculum ist ja gerade nicht aus einer sozialwissenschaftlichen Theorie abgeleitet." Wieviel Askese soll der Kritischen Theorie in Nordrhein-Westfalen zugemutet werden?

Zwar sind die Richtlinien entscheidend berichtigt worden, als ihre Verfassungskonlormität bezweifelt wurde und der Sturm gegen sie den Regierungschef Kühn veranlaßte, im Zuge der Landtagswahlen vom Mai 1975 eine „Kurskorrektur" vorzunehmen. Aber von der für die Fassung von 1973 maßgeblichen Bedeutung der Kritischen Theorie ist kaum etwas zurückgenommen worden. Das Struktur-gitter von Gösta Thoma, der sich immer ausdrücklich auf die Kritische Theorie berufen hat, ist als Ansatz erhalten geblieben. In der Form einer Matrix für die „Medien der Vergesellschaftung" werden die Kategorien Arbeit, Sprache und Herrschaft postuliert. Wo mochte diese sozialwissenschaftliche Theorie, von der Schörken behauptet, es gäbe sie nicht, wohl hergekommen sein? Flören wir, wie Gösta Thoma, der mit Schörken zusammen die Richtlinienkommission leitet, im Zusammenhang mit der Kategorie „Arbeit" argumentiert: „Denn die gesellschaftliche Institutionalisierung des Leistungsprinzips verschleiert sich als Leistungsideologie in der Gewährung von Freizeit, die ihrer innewohnenden Rationalität nach nur Freisetzung zum Konsum ist. Wie die Unterwerfung unter den Sachzwang der Leistungserstellung Verzicht fordert.... so setzt sich dieser Zwang im Konsum fort, welcher, lustlos betrieben und auf Surrogatbefriedigung statt auf die Befriedigung von Bedürfnissen angelegt, den nur scheinbar dem Verzicht entgegengesetzten Mechanismus der Sucht in Gang hält. In Erinnerung an das mit Muße einmal Gemeinte könnten wir — allerdings als negative Kategorie — den Maßstab der Kritik festhalten."

Bei aller Scharfsinnigkeit, die für die permanente Ideologiekritik aufgewendet wird, sollte es doch Richtlinien-Autoren, die mittlerweile in die Professorenschaft aufgerückt sind, nicht entgangen sein, daß mit der Wahl eines fixierten begrifflichen Rasters und Instrumentariums auch schon über den Charakter eines Bildungskonzepts vorentschieden wird. Ob ich von der Denkart eines Martin Buber oder von Jürgen Habermas ausgehe, ist doch nicht gleichgültig für das Ergebnis und die begrifflichen Modelle. Warum dann diese Unschuldsbeteuerungen, anstatt offen über „Setzungen" zu sprechen und sich wirklich in die Auseinander-Setzung einzulassen? Wäre das nicht fruchtbarer und der Sache der Erziehung, die wir gemeinsam und pluralistisch betreiben wollen in diesem Land, förderlicher?

7. Nicht wie eine Kokarde

Martin Buber schreibt: „Von einer Bindung frei werden ist ein Schicksal; das trägt man wie ein Kreuz, nicht wie eine Kokarde. Vergegenwärtigen wir uns, was es in seiner Wahrheit bedeutet, von einer Bindung frei werden: es bedeutet, daß an die Stelle einer mit vielen Geschlechtern geteilten Verantwortung die ganz persönliche tritt. Leben aus der Freiheit ist personhafte Verantwortung oder es ist eine pathetische Posse."

Die Emanzipationspädagogik trägt ihre Bindungslosigkeit „wie eine Kokarde" und sicherlich etwas zu leichtfüßig vor sich her. Wenn man solche Zweifel nur auch einmal spüren dürfte bei K. G. Fischer oder Rolf Schörken, daß es im emanzipatorisch-dialektischen Prozeß auch Fallgruben gibt, in die wir hineinstolpern können, und daß „ein kritisch-emanzipatorisches Verhalten als leitendes Prinzip abgeleitet und besonders betont" noch kein Freifahrschein ist zur Aufforderung: „Nun erzieht mal schön!" Buber spricht nicht ohne Grund vom asketischen Charakter des Erziehertums, und daß der erzieherische Wille allzuleicht in Willkür ausartet, daß der Erzieher von sich und von sei-* nem Begriff des Zöglings, nicht aber von dessen Wirklichkeit aus die Einwirkung vollzieht

Martin Heidegger hat in seinem Buch über den „Europäischen Nihilismus" uns in die so leicht eingängliche Denkart der Subjekt-Objekt-Entgegensetzung eingeführt, eben jenes Denken in Subjekt-Objekt-Beziehungen, das nirgends so sehr wie in der Pädagogik die angemessene begriffliche Darstellung eines Lebenszusammenhangs verhindern kann. Darauf weist Flügge „In Johannes hin: Entwürfen von erwünschten Endverhaltensweisen der Schüler, von Konditionierung, von Sozialisation, von Veränderung der Schüler, von vorgefertigten Lernsequenzen usw. handelt es sich immer tatsächlich um Beziehungen von Personen auf der einen Seite und Personen auf der anderen Seite. Durch die Selbstverständlichkeit des Denkens im Subjekt-Objekt-Schema wird immer die eine Seite jener Beziehungen als Objekt gedacht, also des Personseins depriviert."

Die Emanzipationspädagogen würden gut daran tun, nicht nur Martin Buber gelegentlich zu rezipieren, sondern dem eigenen Gedankenansatz auch immer wieder fremde an die Seite zu stellen, etwa jene, die aus der philosophischen Anthropologie stammen und nicht „Interesse", „Befreiung", „Rolle", „Sozialisation", „Qualifikation" sagen, sondern „Verbundenheit", „Person", „Seele", „Vertrauen". Wir erinnern an O. F. Bollnows Interpretation der „Geborgenheit" und „pädagogischen Atmosphäre", an Gabriel Marcels „homo viator" oder das Konzept der disponibilite als Offenheit für viele Möglichkeiten, an Buytendijks „Urvertrauen" oder Romano Guardinis Begriff der „Begegnung".

8. Die Religion zerreißt das Pfaffengewand

Nun sollten wir andererseits nicht übersehen, daß die Emanzipationsphilosophie auf eine geistige Tradition verweisen kann und das emanzipatorische Potential mit seinen Wurzeln in die vormarxistische Freiheitsbewegung zurückreicht. Theodor Wilhelm zeigt in seinem jüngsten Buch „Jenseits der Emanzipation", wie die verschiedensten Aspekte der Befreiung — Befreiung aus Machtzwang, aus Not, Systemzwang, Traditionszwang, Glaubenszwang, Befreiung der Person aus der Entfremdung von ihrem eigenen Selbst — sich schon in den Aufklärungsphilosophien des 18. Jahrhunderts ausgedrückt haben Denken wir nur an Rousseau und seine Vorstellung, daß der Mensch von Natur aus gut sei, aber daß die Zivilisation ihn „verdorben" habe und es folglich darauf ankomme, die verlorengegangene Güte des Menschen wiederherzustellen. „Wachsen-Lassen" hieß Rousseaus Devise für die Pädagogen, jene früheren Zeiten zurückzurufen, in denen die Menschen angeblich frei noch und glücklich waren, in denen sie ohne jede soziale Bindung und Norm lebten.

Aus einer Urkunde jener Epoche, in der sich das Glücksgefühl der Befreiung spiegelt, zitiert Wilhelm einen längeren Absatz: „Unsere Tage füllten den glücklichsten Zeitraum des 18. Jahrhunderts. Kaiser, Könige, Fürsten steigen von ihrer gefürchteten Höhe menschenfreundlich herab, verachten Pracht und Schimmer, werden Väter, Freunde und Vertraute ihres Volkes. Die Religion zerreißt das Pfaffengewand und tritt in ihrer Göttlichkeit hervor. Aufklärung geht mit Riesenschritten. Tausende unserer Brüder und Schwestern, die in geheiligter Untätigkeit lebten, werden dem Staat geschenkt. Glaubenshaß und Gewissenszwang sinken dahin. Menschenliebe und Freiheit im Denken gewinnen die Oberhand, Künste und Wissenschaften blühen, und tief dringen unsere Blicke in die Werkstatt der Natur. Handwerker nähern sich gleich den Künstlern der Vollkommenheit, nützliche Kenntnisse keimen in allen Ständen."

Es hieße, die große Anziehungskraft des emanzipatorischen Potentials unterschätzen, wollten wir den liberalen und „bürgerlichen" Horizont seiner Begründungen nicht wahrnehmen. Es sind nicht die schlechtesten unter den Jungen, die sich angezogen fühlen vom emanzipatorischen Fortschrittsglauben. Die Züge einer zweiten bürgerlichen Jugendbewegung sind wiederzuerkennen. Emotionale Enttäuschungen sollen mit den Mitteln des Denkens aufgearbeitet werden. Die technische Funktionalität ist abstoßend für sie; Bürokra-tie und Institution halten sie für einen unverzeihlichen Sündenfall. Typisch „pubertäre" Schwächen und Besonderheiten treten ins Bild, das Emanzipationsklima anzufeichern. Oft zeigt sich eine phantastische Wirklichkeitsverkennung mit charakteristischen Konflikten der jugendlichen Reifungsproblematik in Ausschnitten dieses Bildes. Ob nicht die Neigung, das bestehende System zu diffamieren und seine Zerstörung zu empfehlen, statt politischer Reflexion „sehr viel mehr eine private und individuelle Not zum Ausdruck bringt, als wir bisher angenommen haben und als die Jungen selbst sich zugeben wollen?"

Befreiungsverlangen und Resignation liegen nicht selten ganz eng beieinander, aus einer teils gelähmten, teils verzweifelt sich aufbäumenden Mentalität des „Schluß mit alledem!" Nicht grundlos ist auch die Destruktion ein starkes Motiv. Hans Magnus Enzensberger „übersetzte" vom Griechischen ein Gedicht von Michalis Kasaros. Es spiegelt die beschriebene Mentalität und lautet:

Schluß mit der Tagesschau Schluß mit der Eigentumswohnung Schluß mit dem Gottseidank nach der erschöplten Revolte Schluß mit dem Stehaufmann hinter dem Schreibtisch mit der Import-Export GmbH mit der staatlichen Bildungsförderung mit der Stabilitätsabgabe und Schluß mit mir der euch dies alles erzählt

Schluß mit dem Kammerensemble Schluß mit dem Kammergerichtspräsidenten Schluß mit dem Tag der offenen Tür bei der Reformkommission Schluß mit der Impotenz auf dem Protestfestival Schluß mit der Weltsicherheit und mit allen weitblickenden Führern Schluß mit dem Ausländeramt und selbstverständlich mit mir der euch dies alles erzählt

Schluß mit allen die wegweisende Worte finden für unsere Zeit Schluß mit den echten Begegnungen auf Botschafterebene Schluß mit allen die vorgeben unsere Freunde zu sein Schluß mit dem Interpreter Schluß mit dem Publikum und vor allem mit mir der euch dies alles erzählt

Wenn wir mit alledem Schluß gemacht haben können wir anfangen mit der Befreiung!

Wir erinnern uns an Martin Bubers Wort: Weil es diesen Menschen gibt, kann der Widersinn nicht die wahre Wahrheit sein, so hart er einen bedrängt! Könnte es sein, daß die gesuchte Gegenwelt zu Zwang, Unterdrückung und Gewalt letzten Endes nicht die Freiheit ist und schon überhaupt nicht die Emanzipation, sondern Verbundenheit? „Ich liebe die Freiheit", sagt Buber, „aber ich glaube nicht an sie." Dann fährt er fort: „Es ist wohl zu verstehen, daß in einer Zeit, in der alle überlieferten Bindungen, entartend, ihre Legitimität in Frage gestellt haben, die Freiheitstendenz sich übersteigert, das Sprungbrett als Ziel und ein funktionelles Gut als substantielles behandelt wird."

Schließlich noch ein letztes Zitat dieses jüdischen Philosophen, dem es ansteht, unsere pädagogische Nachdenklichkeit zu schüren: „Vertrauen bedeutet für den Jugendlichen, den die unzuverlässige Welt erschreckt und enttäuscht, die befreiende Einsicht, daß es eine menschliche Wahrheit, die Wahrheit menschlicher Existenz gibt. In der Sphäre des Vertrauens tritt an die Stelle jenes Widerstandes gegen das Erzogenwerden ein eigentümlicher Vorgang: der Zögling nimmt den Erzieher als Person an. Er fühlt, daß er diesem Menschen vertrauen darf; daß dieser Mensch nicht ein Geschäft an ihm betreibt, sondern an seinem Leben teilnimmt; daß dieser Mensch ihn bestätigt, ehe ihn beein - er flussen will. Und so lernt er fragen."

III. Empörte Engel. Wie können wir den Wert der Freiheit in der Pädagogik neu denken?

1. Essen soll man und Wein trinken

„Kein Wort", so schreibt Adalbert Stifter im Jahre 1847, „ist in der neuesten Zeit so oit ausgesprochen worden als das Wort Freiheit; aber man kann ohne Übertreibung behaupten, daß unter hundert, die es ausgesprochen, kaum einer ist, der weiß, was das sei." Nach 1945 wußten wir in diesem Land sehr genau, was das sei. Die Unfreiheit hatte es uns gelehrt. Dreißig Jahre danach wissen wir es nicht mehr genau; wir sind wieder in der von Adalbert Stifter beschriebenen Lage, mit dem Unterschied, daß das Wort selbst einen Ersatz gefunden hat und sich in eine neue Vokabel kleidet, die „Emanzipation" heißt. Soll vielleicht damit unsere neue Unwissenheit verdeckt werden?

Das Emanzipationsvokabular wuchert heute quer durch alle Sparten. „Emanzipatorisch" geht es nicht nur in der Pädagogik zu. Kinder müssen sich von den Eltern, Schüler von den Lehrern, Christen von den Strukturen, Arbeitnehmer von den Kapitalinteressen „emanzipieren". Die Inflation hat den Begriff längst untauglich gemacht, aber selbst wenn wir uns darauf einigen könnten, das Wort „Emanzipation" wieder aus dem Verkehr zu ziehen, wären damit die einschneidenden Veränderungen unserer geistigen Landschaft, die sich in dieser Substitution der Begriffe spiegeln, keineswegs aufgehoben. Der Sinn für Freiheit hat sich geschwächt, das Freiheitsbewußtsein hat nicht mehr die Kraft, die es in den beiden ersten Nachkriegsjahrzehnten gezeigt hat.

Wie ist es dazu gekommen, daß der Sinn für Freiheit sich abgenutzt hat und der Begriff selbst vielfach durch „Emanzipation" ersetzt wird? Nach einem Wort von Theodor Heuss, dem ersten Bundespräsidenten unserer Republik, lebt die äußere Freiheit der vielen „aus der inneren Freiheit der einzelnen". Wir könnten fragen, ob möglicherweise diese beiden Freiheiten bei einer wachsenden Zahl von Menschen in unserem Land nicht miteinander Schritt gehalten haben und vor allem die innere Freiheit notleidend geworden sei. Wird der Bürger dort, wo die äußere Freiheit zunimmt und sich überspitzt, unfähig zur inneren Freiheit?

Von Freiheit zu sprechen, wie es Theodor Heuss getan hat, ist heute schwierig gewor-den. Die Freiheit des einzelnen ist unter Ideologieverdacht geraten und wird als „bürgerlich" diffamiert. Der Konsens, was Freiheit bedeutet, ist abgebröckelt und brüchig geworden, geht es doch nach emanzipatorischer Meinung nicht um konkrete Freiheitsrechte, sondern um Befreiung, die wahre Freiheit überhaupt erst einzuholen und gemäß Verfassungsauftrag zu vollenden. Aus dem aufgeklärt-progressiven Wortschaftz ist Freiheit überhaupt gestrichen worden; sie kommt nur noch als historische Vokabel vor.

Der Parlamentarische Rat konnte sich vor etwas mehr als einem Vierteljahrhundert ohne große Schwierigkeiten auf ein Grundwerte-verständnis einigen, das durch und durch freiheitlich war. Dieser Konsens fand in dem vorangestellten Grundrechtsteil unserer Verfassung mit den Freiheitsrechten des Bürgers seinen prägnanten Ausdruck. Die Freiheit war den Vätern unseres Grundgesetzes als oberster Wert nicht nur aus dem Willen zur Abkehr von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft entsprungen, sondern sie wurde ebenso als anthropologische und geistige Tatsache, als „innere Freiheit des einzelnen", in die Politik eingeführt.

Das Werk gelang und hat diesem unruhigen Herzland Europas im Schatten der großen Weltpolitik einen innen-und außenpolitischen Frieden gesichert, der bis heute, wenn auch nicht nur aus eigenem Verdienst, anhält. Die Deutschen haben in erstaunlich kurzer Zeit den Umgang mit.der Freiheit erlernt und damit allen Unkenrufen getrotzt, sie seien ein zur Freiheit unfähiges Volk. „Strebertum, Anmaßung, platten Hochmut, brutale Unterdrükkung, kleines Tyrannentum, Kriecherei nach oben und Schinderei nach unten“, also typische Verhaltensweisen eines unfreien Menschen in einem unfreien Land, die der Renaissance-Philosoph Giordano Bruno zu Anfang der Neuzeit bei den Deutschen anzutreffen können glaubte, fanden auf dem neuen Humus der freiheitlichen Lebensformen nach 1949 nur noch wenig Nahrung.

Die Freiheitsrechte sind in den Jahren des Aufbaus durchaus populär geworden. Doch fehlte es schon damals nicht an warnenden Stimmen, die meinten, das Haus der Freiheit sei auf Sand gebaut, wenn diese Rechte nicht auch als Freiheit zu eigener Verantwortung ihre Wurzeln schlagen. „Es lohnt sich nicht, die Griechen zu retten, sondern essen soll man und Wein trinken.“ Dieser Satz, wie ihn schon Metrodor von Lampsakos als Antwort auf das verpflichtende Ethos der Freiheit gegeben hat, schien angesichts des Wirtschaftswunders ein vielfaches Echo zu finden, manchen zum Ärgernis, die den satten Bürgern ihr „Rettet die Freiheit!" zuriefen, woran aber auch Mauerbau und Todesstreifen nichts ändern konnten. Ob die Verfassungsväter des Parlamentarischen Rats die Bindekraft ihrer Freiheitspostulate überschätzt hatten?

2. Der neue Idealismus

Die Generation der heute Zwanzig-und Dreißigjährigen hat sich an die Segnungen der freiheitlichen Lebens-und Wirtschaftsform gewöhnt; das kann ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden. Aber hat sie an Verständnis für die Freiheitsgüter dazugewonnen?

Man sagt, wer die Unfreiheit nicht am eigenen Leib erfahren habe, wisse nicht, was Freiheit es die Crux bedeutet. Ist der Freiheit, daß sie stets in dem Augenblick zu verblassen scheint, in dem sie Realität wird? Niemand unterdrückt heute in unserem Land die Freiheit in ihren verfassungsmäßigen Garantien. Und trotzdem werden die Umrisse diffus, die freiheitliche Substanz scheint zu entgleiten, während der einzelne sich immer stärker in ein Räderwerk von Abhängigkeiten eingespannt sieht.

Das Problem der Zwänge beschäftigt die jungen Kritiker der Freiheit heute in starkem Maße. Sie sehen die zugesagten Freiheiten bagatellisiert durch Beschränkungen wirtschaftlicher Art, durch ungleiche Einkommens-und Vermögensverhältnisse. Die Freiheit, zu denken, zu sagen und zu veröffentlichen, wozu der Bürger sich ein Recht nimmt, sehen diese Kritiker eingeschränkt oder verwehrt, die materiellen und intellektuellen Mittel dazu einer Minderheit vorbehalten bleiben. Das Gefühl der Ohnmacht verbreitet sich, das die vorhandenen Freiheiten zu „theoretischen" erklärt und den Sinn für das Mögliche, der ohnedies durch übermäßige Freiheitlichkeit ist, noch stark abgenutzt mehr verdunkelt.

So sind viele ins Träumen gekommen, sie könnten die Grenzen des Vorhandenen durchbrechen und einen Zustand erreichen, der jenseits der konkreten eine neue Freiheit, einen neuen Menschen finden läßt. „Sie glauben", schreibt die französische Philosophin Jeanne Hersch, „daß nur die Gesellschaft und ihre Strukturen, deren Grausamkeit, Ungerechtigkeit und Heuchelei sie anprangern, sie davon trennt. Sie verschanzen sich in der Rolle der empörten Engel, und die Empörung zerstört in ihnen jeden Sinn für das Recht — dieses Recht, das in der menschlichen Gemeinschaft Voraussetzung der Freiheiten ist. Sie glauben, die Freiheit sei ein Naturzustand. Sie vergleichen die Wirklichkeit mit einer Utopie oder sogar mit einem ganz und gar vagen Traum, und die nüchternen Errungenschaften von Jahrhunderten, die kostbaren und zerbrechlichen Freiheiten, haben für sie keinen Sinn mehr. Diese Position nimmt ihnen die Empfindung des Raumes, in dem die Freiheiten garantiert sind. Sie anerkennen nur einen universalen Raum, in dem, so weit das Auge reicht, wie in einem Paradies auf Erden, Ökumenismus und politische Brüderlichkeit herrschen."

Die französische Autorin, die ihren Reflexionen zur geistigen Situtation unserer Zeit den bezeichnenden Titel „Die Unfähigkeit, Freiheit zu ertragen" gegeben hat, sieht alle diese Faktoren Zusammentreffen, um die einerseits Nachsicht gegenüber den totalitären Zwängen, andererseits die Empörung gegen die Beschränkung der demokratischen Freiheiten wachsen zu lassen: „Daraus ergibt sich eine zunehmende geistige Abrüstung in der Verteidigung der Freiheiten." Die verschiedenen Formen der heute so verbreiteten „Halbkultur" seien auch kaum geeignet, die Gemüter für die Freiheit zu formen. Sie machten sie im Gegenteil empfänglich für die totalen und totalitären Theorien, „die die zeitgenössische Arroganz als Waffen benützt, um die Grenzen des Wissens oder das Geheimnis jeder echten Schöpfung zu leugnen". Auf diese Weise werde es möglich, der Bewunderung und Verwunderung zu entfliehen, alles zu „erklären" und auf einen gemeinsamen Nenner zu reduzieren der Traum Freiheit, frei zu sein ohne jede Bindung und Abhängigkeit, frei zu sein von Angst, Schuld, Erbsünde: Das Ideal dieses neuen Idealismus ist die totale Transparenz aller in allem für alle. Das Ideal ist eine Ich-findung, in der Wesen und Existenz zusammenfallen und die „depravierte Seele" wieder „repariert" (Karl Marx) wird. Es ist der Zustand und die Hoffnung, die Menschen könnten alle Bedingtheiten ihres Daseins, natürliche und geschichtliche, durch die Kraft der aufklärerischen Reflexion einholen: Emanzipation als Parusie der Freiheit.

3. Christlich gesprochen, ist Freiheit Geschenk

Das Wort „frei" ist in seiner wortgeschichtlichn Wurzel auf das indogermanische „schützen, schonen, gern haben, lieben" zurückzuführen. Im Gotischen hieß „frijon" soviel wie „lieben". Die alten Angelsachsen sagten „frigu" für Liebe. Auch bei uns war ein „Freier“ ein „Liebender". Der Wortschatz „frei" steckt übrigens auch in den Bezeichnungen „Freund" und „Friede". Aus diesen Grundbedeutungen haben die Germanen „frei" als einen Begriff der Rechtsordnung entwickelt:

„zu den Lieben gehörig" und daher „geschützt" sind die eigenen Sippen-und Stammesgenossen, die Freunde; sie allein stehen „frei", das heißt vollberechtigt in der Gemeinschaft, im Gegensatz zu den fremdbürtigen Unfreien, Unterworfenen

Diese wortgeschichtlichen Hinweise zeigen die enge Verbindung zwischen der Freiheit in ihrer rechtlich-sozialen und inneren geistig-seelischen Ausprägung. Im antiken Denken der Griechen trat der Freiheitsbegriff zuerst als politischer hervor, nicht als persönlicher. Er war gebunden an die polis und deren Autonomie, selbst das Zusammenleben regeln zu können nach selbst beschlossenen Gesetzen und Normen. So war der einzelne in dieser Stadt-oder Staatsgemeinschaft nur frei aufgrund der Gemeinschaftsverfassung, in der er sich und durch die er sich erfüllte. Diese Bindung konstituierte überhaupt erst Freiheit.

„Unfrei" war der Grieche in einer Tyrannis, wo Bürger und Staat auseinandertraten. Dieses Auseinanderklaffen war gleichbedeutend mit dem Verlust der Freiheit.

Aristoteles hat diesen politischen Freiheitsbegriff später „theologisch" überhöht: Gott als der eigentlich und einzig Freie, der kein Ziel und keinen Grund außer sich hat und von allen „geliebt", als das Vollendete ersehnt wird Der Gedanke, daß Freiheit schlechthin zur Ausstattung des Menschen gehört und darin die besondere „Würde" jedes einzelnen besteht, war dem antiken Denken noch nicht vertraut. Judentum und Christentum haben diesen an einen persönlichen Gott gebundenen Freiheitsbegriff in die Geschichte eingebracht, womit die religiöse Dimension hinzu-gewonnen wurde.

Zu unterscheiden ist zwischen einer persönlichen Freiheit des einzelnen Menschen, die im geistig-seelischen Bezirk angesiedelt ist, und der politischen Freiheit, die auf das praktische Handeln in Gesellschaft, Staat, Öffentlichkeit zielt.

Die politische Freiheit ist die Freiheit der Abhängigkeit des einen vom anderen. Politisch ist jeder Bürger so frei, wie es der andere neben ihm ist, aber jeder ist auch so gefährdet in seinem Freiheitsraum, wie es dem Nachbarn gefällt. Aufgabe einer Politik, die sich freiheitlich versteht, ist es demnach, die Bedingungen dieser kollektiven Freiheit zu schaffen und zu gewährleisten. Die kollektive Freiheit legitimiert sich jedoch nicht aus sich selbst, sondern sie hat ihre Quelle in der persönlichen Freiheit des einzelnen und in seiner Verantwortung gegenüber dieser an Existenz Willen und Gewissen gebundenen Freiheit. Daraus erwachsen Fähigkeit und Recht zur Selbstbestimmung.

Im europäischen Kulturbereich ist diese persönliche Freiheit des einzelnen immer wieder aus zwei geistigen Quellen gespeist worden: dem Christentum und von der Philosophie her. Christlich gesprochen, ist Freiheit weder Verdienst noch ein „Recht", sondern Geschenk; sie ist Gnade der Kinder Gottes, abgeleitet vom absoluten Schöpfertum Gottes, woraus sie ihren höchsten Sinn erfährt. Sie ist Freiheit vom Bösen und zum Gehorsam. In Jesus Christus hat sie die endgültige Zusage der Befreiung eingeholt, aber nicht im Sinne einer Selbstbefreiung oder des Prinzips der autonomen Person, sondern in bezug auf ein Höheres, womit alle persönliche Freiheit transzendiert ist.

Die philosophische Verständnisweise der Freiheit hat sich seit der Renaissance vom Christentum gelöst, aber niemals ganz getrennt. Die Phänomene werden jetzt stärker aus der Diesseitigkeit interpretiert und dazu benutzt, die sittliche Autonomie des Menschen zu rechtfertigen. Selbstverwirklichung ist das Ziel des freiheitlichen Humanismus, einmal im Sinne eines Losgelöstseins von anderen und sich selbst, was Distanz und innere Freiheit verschafft, sodann aber auch im positiven Sinn der Macht, über sich selbst und die eigenen Verhältnisse frei verfügen zu können, ohne Fremdbestimmung. Diese Einheit von Distanz und Macht, „frei sein von" und „Freiheit zu" konstituiert die menschliche Freiheit in ihrer philosophischen Ausprägung

4. Philosophie und Freiheitswissen

Wenn das alte „frijon" auf „lieben“ verweist, so wird hier eine Wurzel aufgedeckt, die Simone Weil in den Satz gefaßt hat: „Eine Nahrung, die der menschlichen Seele unentbehrlich ist, ist die Freiheit." Die Philosophie vor allem hat dieses Wissen über die Jahrhunderte wachgehalten. Wenn sie heute durch die „Heilswissenschaft" der Soziologie (H. Schelsky) verdrängt wird, dann wird damit auch das vielfältige Wissen um die Freiheit nicht aufgenommen. Soziologisierung und Politisierung haben geistig-moralische Leerräume entstehen lassen, in die nun vor allem marxistische Denkkategorien eindringen mit ihrer „Wissenschaft", die Geschichte sei nichts anderes als Befreiung von jeweils unterdrücken'der Macht und Herrschaft, woraus gerechtfertigt wird, daß alle fortschrittshemmenden Verhältnisse und Systeme zu überwinden seien. Das ist der alte, längst überholt geglaubte Fortschrittsglaube in neuem Aufguß und einer Denktradition, die mit Hegel über Marx bis auf die Kritische Theorie der Frankfurter Schule verläuft und in der die Unzufriedenheit, die sich angestaut hat über mannigfache Formen der „Repression", sogleich ins Ganze der (deutschen) Metaphysik umschlägt.

Das vielfältige Wissen um die Freiheit weiß um das Unlösbare, womit sich seit jeher die Philosophie befaßt. Unlösbare Fragen, die nicht glatt und restlos aufgehen im Kalkül der Vernunft, sind die Voraussetzung jeder Freiheit; sonst wird aus ihr Notwendigkeit, Kausalität, Heilsweg. Insofern ist die Philosophie, wenn sie die Gabe der Unterscheidung übt, wenn sie aufklärt, beschreibt, abgrenzt, zugleich eine unentbehrliche Zuträgerin für das Freiheitsbewußtsein. Der philosophische Freiheitsbegriff hat immer wieder zur Wekkung des Freiheitssinns beigetragen und ist seiner Schwächung entgegengetreten. Die als „Metaphysik" verkleidete Soziologie hat nur welterklärende, freiheitsneutrale Formeln anzubieten. Der Soziologismus hat viele Denkwege, die auf die Freiheit verweisen, abgeschnitten.

Die griechischen Sophisten waren die ersten, die sich von den Gesetzen emanzipierten. Sie betrachteten sie als gesellschaftliche Setzungen, die vor allem den Interessen der Mächtigen dienten. Indem sie auf die angebliche Willkürlichkeit der Gesetze verwiesen, verstrickten sie sich desto mehr in die eigene Subjektivität. Die gesellschaftlichen Folgen waren damals katastrophal. Die Macht entartete zur Barbarei, das Recht wurde unter die Interessen gebeugt, die Demokratie ging zu Ende. Erst die platonische Philosophie unternahm wieder den Versuch, die Objektivität der Normen und des Erkennens neu zu begründen.

Habermas erscheint in solchem Licht als Sophist, wenn er den spätkapitalistischen Systemen, die angeblich ihre Herrschaft nur mit Hilfe der verschleiernden Ideologien aufrechterhalten können, jegliche Legitimation abspricht. Sophist ist er, „weil er die Objektivität des Erkennens an das Interesse zurück-koppelt. Er ist es, weil er die Wahrheit der Aussagen an Lust und Nutzen mißt. Er ist es, weil er die Freiheit aus dem Bannkreis des Vernunftgesetzes entläßt."

5. So meinten die Leute

Wie können wir den Wert der Freiheit rehabilitieren? Emanzipation verneint das Bestehende und damit auch die bestehenden, konkreten Freiheitsräume und -rechte; Freiheit wird durch sie diffamiert und negatorisch verengt. Der geistige Zentralbegriff unserer Lebensordnung, nämlich die verantwortliche Freiheit, darf sich nicht von einem utopischen Freiheitsbegriff verdrängen lassen. Ein neues Freiheitsdenken muß sich entfalten, ein Denken, das sich nicht auf neuzeitliche Autonomie-und Befreiungsvorstellungen einengen läßt, sondern sich den Sinn für die anthropologischen Realitäten erhält und der Übersteigerung der Freiheitsidee das Maß der Vernunft und des Rechtes anlegt.

Ob es gelingt, Freiheit neu zu denken, ist nicht zuletzt die Frage nach dem Unverfügbaren, worin sich Freiheit begrenzt und gleichzeitig gebunden sieht. Schrankenlose Emanzipiertheit und absolute Mündigkeit dulden diesen Transzendenzbezug nicht, sondern holen ihn in die totale Diesseitigkeit herein. „Gerade in dieser . metaphysischen'Übersteigerung wirkt Emanzipation heute kulturprägend, und zwar nicht oberflächlich als eine Modeerscheinung, sondern als geschichtliche Tiefenströmung," hieß es kürzlich in einem Kommentar der Herderkorrespondenz Der moderne Mensch träumt sich in eine phantastische, nicht wirkliche Freiheit hinein. Das Unabänderliche, der wirkliche Mensch, die Grenze wird nicht gesehen. Folglich erscheinen alle Normen in die Beliebigkeit des Menschen gestellt, jederzeit aufheb-und veränderbar. Freiheit ist ein Habitus, der gelernt und erworben sein will. Sie wird erst lebendig durch eigene Übung, durch eigene Bildung und Entscheidung. Der einzelne lebt viel bequemer, wenn es keine Freiheit gibt. Ist ihm doch alle Verantwortung genommen, sich so oder anders zu entscheiden. Bequemer ist es immer, die Wirklichkeiten nicht so zu sehen, wie sie sind, weil ich mich dann nicht jedes-mal neu einrichten und orientieren muß. Das gilt in hohem Maße von der Wirklichkeit der Freiheit, zu der ich bereit sein muß, sie zu ergreifen und auf mich zu nehmen. Emanzipation kann auch als Fluchtweg gedeutet werden, sich vor der Freiheit, die höchste Sachgerechtigkeit und strenge Treue zur Wirklichkeit verlangt, auf die bequemen Formeln zurückzuziehen. Das Freisein ist eine Tatsache, persönlich, aber in diesem Land heute auch politisch; daran läßt sich nicht rütteln. Wer das Gegenteil behauptet, hat nicht das im Sinn, was er vorgibt und sagt. Freiheit, nicht Emanzipation ist der Grundwert. Er muß es auch in der Erziehung der heranwachsenden Jugend dieses Landes sein.

Eingangs zitierten wir Adalbert Stifter vom Jahre 1847 Verwirrung muß es damals sehen gegeben haben, und zum Trost derer, die sich partout nicht emanzipieren lassen wollen, sei der zweite und längere Teil dieses grundsoliden Zitats abschließend angeführt: „Viele meinten, weil wir unter der vorigen Regierung nicht frei waren, so gelte jetzt al-les nicht mehr, was früher gegolten hat; andere meinten, die Freiheit bestehe darin, daß man alles tun dürfe, was man nur wolle ... und daß, wenn früher Ausgelassenheit, Trunkenheit, Geschrei, Verwegenheit und dergleichen als schlecht und verachtungswürdig betrachtet wurde, dies jetzt nicht mehr der Fall sei, und daß der, der recht lärmt und sich ungebärdig stellt, der Allerfreieste sei. Wieder andere glaubten, jetzt dürfe man gar keine Begierde mehr unterdrücken; denn sonst sei man ja gar nicht frei, und manche, die sich gar keinen Begriff machen konnten, meinten zuletzt, die Freiheit sei etwas, was uns alle überhaupt glücklich mache, und jetzt sei es gut, man brauche sich nicht weiter umzuschauen. Daher meinten sie, wenn einer keine Arbeit habe, sei ein anderer schuldig, sie ihm zu geben, und wenn keine vorhanden sei, so müsse er ihm den Unterhalt auch ohne Arbeit geben, Ja, viele sagten, die Besitzer hätten nun lange genug besessen, und da müßten jetzt die anderen wohlhabend werden, die es bisher nicht waren. Mehrere glaubten endlich sogar, daß die Freiheit völlige Gleichheit sei, daß keiner dem anderen mehr Achtung schuldig sei, daß Tugend, Bildung und Vernunft den einen Menschen nicht besser mache als den anderen, der sie nicht hat, ja die Verständigeren und Gebildeteren der Freiheit gerade schädlich seien, weil sie den beliebigen und außerordentlichen Forderungen der anderen entgegentraten. So meinten die Leute."

IV. Weil es diesen Menschen gibt ... Humanisierung der Schule

1. Schule als Lernfabrik

Tageszeitungen, Illustrierte und Nachrichtenmagazine stellen übereinstimmend fest: „Die Schule macht Kinder krank." Was ist nur mit der Schule los? Die Kinderärzte sagen uns, es sei die letzten Jahre bei einer zunehmenden Zahl von Schülern zu Kreislauferkrankungen, Schlaflosigkeit, Konzentrationsschwäche gekommen. Die Schüler seien dem Streß der Schule nicht gewachsen. Schule als Streß? Es ist die Rede von zunehmender Unlust, ja von Widerwillen an der Schule. Wollten wir Lernen und Schule nicht humaner machen gerade durch die Bildungsreform? Hatten wir nicht die Rückständigkeiten unseres gesamten Schulwesens mit Siebenmeilenstiefeln einholen wollen?

Was die Bildungsreform betrifft, so ist sie nicht nur wegen der Finanzklemme ins Stokken geraten. Einige Herren verlassen bereits das sinkende Schiff. Die Bildungsreform sei bestens geplant gewesen, argumentierte Hell-mut Becker kürzlich in einer dreiteiligen ZEIT-Serie unter der Überschrift „Bildungsreform gescheitert?" (Januar 1976). Die Bildungsreform sei schiefgelaufen, so Becker, weil die Bürokraten vergaßen, das Verhältnis von Bildungssystem und Beschäftigungsmarkt zu bedenken, weil die notwendige Bewußtseinsänderung aller Beteiligten zuviel Zeit erforderte, weil die politische Polarisierung die sachliche Reform verhinderte. Und so weiter geht es im Katalog, der Entschuldigungen von Hellmut Becker, der immerhin der Direktor des Berliner Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung ist und mit Georg Picht zu den prominentesten Kassandrarufern gehörte, die in den sechziger Jahren die sogenannte Bildungskatastrophe heraufbeschworen.

Soll denn alles falsch gewesen sein mit der Bildungsreform? Gelungen ist sicherlich der große Sprung in die Quantität. Die Bildungsausgaben sind geradezu explosionsartig gestiegen. Ein Viertel aller Schulabgänger strebt ein Hochschulstudium an. Die Zahl der Hochschullehrer hat sich seit 1960 mehr als vervierfacht. Wenn es darüber zu dem berüchtigten „Studentenberg" gekommen ist, wenn der wissenschaftliche Nachwuchs keine Arbeitsplätze mehr findet und der Schülerstreß infolge des Numerus-clausus-Drucks schon sprichwörtlich geworden ist, dann antworten viele: Die Reform muß jetzt erst recht weitergehen: Es sei eben noch nicht genug reformiert worden, damit der „dialektische" Sprung aus der Quantität in die Qualität nun endlich gelingt.

Also weitermachen? Sind wir auf dem richtigen Weg mit Schule und Bildungsreform? Die Reform der Reform, die heute von denselben Leuten gefordert wird, die in ihrem Quantitätsrausch eine hemmungslose Bildungswerbung betrieben haben, ohne Rücksicht darauf, ob der Markt so viele Akademiker überhaupt aufnehmen kann, wird die Krisen-und Krankheitserscheinungen unseres Bildungswesen nur vergrößern, wenn nicht von wir uns einigen Illusionen und Irrtümern lösen.

Dazu gehören zum Beispiel: Auf die Masse kommt es bestimmt nicht an, sondern zuerst und vor allem auf eine abgestufte, differenzierte Qualität unseres Erziehungs-und Bildungswesens. Diesen Satz müssen die Bildungsreformer erst einmal auswendig lernen. Zu viele sind der Illusion erlegen, sie könnten jedem den gleichen Weg erschließen. Ist es nicht vielmehr die wichtigste Aufgabe einer Bildungspolitik, jedem „seinen" ganz persönlichen Weg zu erschließen?

Der rheinland-pfälzische Kultusminister Vogel erklärte kürzlich im Landtag: „Wir müssen wieder den Mut zu einer soliden Grundausbildung finden, die Platz läßt, das Lernen zu lernen, und mit weiser Bescheidung darauf vertraut, daß auch das Leben selbst, die Bewährung in den Aufgaben der Familie, des Berufes und der Politik, neue Einsichten aufzubauen hilft." Die Überforderung beginnt, meinte Vogel, wenn die Anforderungen in der Schule zu einseitig intellektuell ausgerichtet sind. Die Verwissenschaftlichung der Schule sei oft nichts anderes als die „Flucht in das vermeintliche Objektivierbare, das Meßbare und das Feststellbare"

Mit anderen Worten: Die Schule entzieht sich ihrem Auftrag, zu erziehen und zu bilden. Verwissenschaftlichung und Intellektualisierung entfremden sie von ihrer Erziehungsautgabe. Warum sind Hauptschule und Berufsschule die vernachlässigten Kinder unserer Bildungsreform geworden? Dort ist der Schulalltag um vieles grauer und wirklichkeitsnäher als auf dem akademischen Renommierplatz, weshalb die Reformer gleich ihre Hände davon gelassen und sich den gymnasialen Ausbildungsgängen zugewandt haben. Müßte aber nicht gerade die Hauptschule in das Zentrum des pädagogischen Interesses gerückt werden, damit sie wieder zur Hauptsache wird? Die Schule, die heute zur Lernfabrik zu werden droht, müsse daran erinnert werden, „daß im Mittelpunkt der Schule der Schüler steht", um nochmals Kultusminister Vogel zu zitieren.

Das Wort von der Schule als „Lernfabrik" steht heute für eine sehr weitgehende Kritik, die sich vor allem dagegen wendet, daß Wissenschaft und Rationalität der einzige Gradmesser der schulischen Erziehung werden. Das Humane und das Erzieherische kommen zu kurz. Die personale Erziehung darf nicht notleidend werden unter dem Einfluß einer Didaktik und Methodik, die alle im Unterricht auftretenden Erscheinungen wissenschaftlich zu begründen und systematisch zu konstruieren sucht, ohne der kindlichen Entwicklung Rechnung zu tragen. Das sind Aspekte, die gerade von den Reformpädagogen der zwanziger Jahre eingeführt wurden. Sollte dieses Jahrhundert, wie es damals schon um 1900 geheißen hat, nicht ein „Jahrhundert des Kindes" werden? Müssen wir heute, 1976, die Schule humanisieren?

2. Credo der Chancengleichheit

Vor drei Jahren erschien in der Bundesrepublik ein Buch des amerikanischen Harvard-Professors Christopher Jencks mit dem Titel „Chancengleichheit" in deutscher Übersetzung. In vielen Entwicklungen und Erfahrungen ist uns Nordamerika um eine Zeitspanne von fünf bis zehn Jahren vorausgeeilt, auch in der pädagogischen „Tendenzwende". Die Studie von Jencks und seinen Mitarbeitern war zu dem Schluß gekommen, daß in zehn Jahren ständiger Bildungsreform und hoher Bildungsinvestierung die Träume der Reformer nicht erfüllt wurden: „Keine der von uns geprüften Indizien weisen darauf hin, daß Schulreformen nennenswerte soziale Veränderungen außerhalb der Schulen bewirken können. Genauer ausgedrückt geht aus den Indizien hervor, daß ein Gleichmachen der Bildungschancen sehr wenig dazu beitragen würde, Erwachsene gleicher zu machen."

Wenn alle Elementarschulen gleich effektiv wären, so heißt es weiter in dem Forschungsbericht, würde die kognitive Ungleichheit zwischen Schülern der sechsten Klasse um weniger als drei Prozent abnehmen. Wenn alle High Schools gleich effektiv wären, würde die kognitive Ungleichheit zwischen Schülern der zwölften Klasse fast überhaupt nicht abnehmen, und die Diskrepanzen der von ihnen erreichten Bildungsziele würden um weniger als ein Prozent reduziert. Der Bericht zeigt auch deutlich, daß die Beseitigung aller ökonomischen und akademischen Hindernisse für Schul-und Studienzugang die ökonomische Ungleichheit unter Erwachsenen nicht nennenswert mindert

Aber was kümmern uns die Tatsachen? Das Credo der Chancengleichheit wird weiter auf-gesägt, als sei nichts passiert. Es wird weiter „wissenschaftlich" argumentiert, daß über die Schule eine Gesellschaftsveränderung angestrebt werden muß. Das Kind? Der Schüler? Der Mensch? Sie sind „Gattungswesen" im Input-Output-Denken, das Rohmaterial „Anton", das stufenweise, lernschrittweise durch eine vom Lehrer vorher bestimmte Lernorganisation so verändert wird, „daß er nach einer bestimmten Zeit (z. B. 50 Minuten) nicht mehr derselbe Anton ist... Anton wird auf die Umfangberechnung des Rechtecks . gefertigt'". Johannes Flügge berichtet von dieser Horror-Simplifikation eines von einem Erziehungswissenschaftler treuherzig empfohlenen Vergleichs der Schulbildung mit dem industriellen Fertigungsprozeß. „In der Fabrik wird z. B. aus den Rohstoffen Kakao, Milch, Zucker bei entsprechender Behandlung das Fertigprodukt Schokolade hergestellt, ein neues Produkt, das vorher nicht vorhanden war.“

So grobschlächtig die Story ist, zeigt sie in ihrem Materialismus, wohin die Reise gehen kann. Dieser freimütige Erziehungswissenschaftler befindet sich in guter Gesellschaft, wenn er sich etwa mit B. F. Skinners. „Jenseits von Freiheit und Würde" befaßt; B. F. Skinner gehört als Erfinder des programmierten Unterrichts zu den Standardautoren in vielen Pädagogikseminaren. Für Skinner gibt es weder Person noch Persönlichkeit. Der Mensch wird definiert als ein Kl der „ein komplexes Verhaltensrepertoire entfaltet". Das Persönliche mit seiner unberechenbaren Irrationalität ist als Hemmnis einer konsequenten Unterrichts-und Verhaltensprogrammierung möglichst zu eliminieren; die Wissenschaft macht das besser. Was wir den autonomen, sich selbst erkennenden Menschen nennen, ist nach B. F. Skinner „ein Mittel, dessen wir uns bei der Erklärung jener Dinge bedienen, die wir nicht anders erklären können. Er ist ein Produkt unserer Unwissenheit, und während unser Wissen wächst, löst sich die Substanz, aus der er gemacht ist, immer mehr in Nichts auf." In Nichts lösen sich dann auch Freiheit und Menschenwürde auf, als beliebig manipulierbare „Rohmaterialien" der Pädagögen.

3. Als familienähnliche Einheiten

Offenbar ist das Fabrik-Modell verbreiteter als wir anzunehmen geneigt sind. Der Harvardprofessor Jencks ist der Ansicht, daß man dieses Modell, „das nicht nur das Denken der Laien, sondern auch das Denken der Erzieher über Schulen beherrscht, wahrscheinlich aufgeben sollte". Es sei zwar richtig, daß Schulen „Input" und „Output" hätten, aber aus seiner Forschungsarbeit gehe hervor, daß die Art des Ausstoßes einer Schüle großenteils von einem einzigen Rohstoff, nämlich den Merkmalen der Schulanfänger, abhängt. Alles andere — Schületat, schulpolitische Richtlinien, Merkmale der Lehrer — sei entweder nebensächlich oder Völlig irrelevant.

Statt die Schulen nach ihren Langzeiteffekten auf die Schüler zu bewerten im Sinne eines Sozialausgleichs oder der Chancenverbesserung, hält jencks es für klüger, sie nach ihren unmittelbaren Wirkungen auf Lehrer und Schüler zu bewerten. Manche Schulen seien langweilige, deprimierende, ja angsterregende Orte, während andere lebendig, angenehm und beruhigend sind. Wenn wir das Schulleben als Selbstzweck und nicht als Mittel zu irgendeinem anderen Zweck betrachten, dann seien derartige Unterschiede enorm wichtig. Deren Beseitigung würde zwar nicht viel dazu beitragen, die Erwachsenen gleicher zu machen, aber sie könnte die Lebensqualität der Kinder (und Lehrer) angleichen.

Jencks wörtlich: „Wenn man den Schulbesuch als Selbstzweck und nicht als Mittel zu einem anderen Zweck betrachtet, sollte man die Schulen dementsprechend nicht mehr als Fabriken, sondern als familienähnliche Einheiten sehen. Kein einzelnes , Zuhause neben dem Zuhause'kann für alle Kinder ideal sein. Ein Schulsystem, das nur eine Art der Schulbildung — wie gut diese auch sein mag — liefert, muß vielen Eltern und Kindern fast unweigerlich unbefriedigend vorkommen. Das ideale System würde so viele verschiedene Arten der Schulbildung anbieten, wie Kinder und Eltern wollen, und es würde Mittel und Wege finden, die Kinder solchen Schulen zuzuweisen, die für sie geeignet sind."

Jencks geht noch einen Schritt weiter; unseren Staatsaufsichtsbeamten und Schulreformern, die kein anderes Modell als das zentralistisch-bürokratische kennen und in der „Gesamtschule" den Gipfel erblicken, müssen sich die Haare sträuben. Da die Art der Schulbildung eines Menschen, so Jencks, nur einen relativ geringen Langzeiteffekt auf seine Entwicklung zu haben scheint, habe die Gesellschaft als Ganzes keinen zwingenden Grund, weshalb die professionellen Erzieher ermächtigt sein sollten, Alternativen auszuschließen, die den Eltern selbst dann gefallen, wenn sie pädagogisch „unvernünftig" seien

Es dürfte klar geworden sein, daß hier eine radikal verschiedene Einstellung zum Kind, zum Recht der Eltern, zur Institution Schule und zur Gesellschaft „als Ganzes" vorliegt. Sie ist die freiheitlich-demokratische Einstellung, die wir uns zunehmend haben „verunsichern" lassen durch ein ideologisches Denken, das die Schule instrumentalisiert. Das Ausmaß dieser Infragestellung wird daran erkennbar, daß man selbst schon von einer radikal verschiedenen Einstellung sprechen muß, um den Punkt überhaupt noch zu verdeutlichen.

Hellmut Becker schrieb damals das Vorwort zur deutschen Ausgabe. Jencks hatte nicht zuletzt deshalb seine Freunde von der Bildungsreform so verwirrt, weil er selbst lange Zeit zu den progressiven Befürwortern einer Gesellschaftsveränderung über die Institution Schule gehörte. „Dieses Buch ist unbequem", schrieb Hellmut Becker und zog auch hier wieder das Register seiner Einwände, tief-schürfend wie sich das in Deutschland gehört, 60)

Wechselwirkungen von Bewußtseinsveränderungen, Strukturveränderung und Inhaltsveränderung bedenkend (Hauptsache: Veränderung!), aber dann hat Hellmut Becker sich auch den Satz abgerungen: „Wenn Jencks an Stelle einer doch nicht erreichbaren und in sich problematischen Effizienz der Schule ihre höhere Humanität setzen möchte, dann kann man ihm nur zustimmen. . ."

4. Pädagogik als „Magd der Politik“

Der Pädagogik, die einmal als „Magd der Theologie" begonnen hat, ist ihre Zuwendung zur Politik nicht bekommen. Soll sie nicht die „Magd der Politik" werden, wird man sich damit befreunden müssen, daß allen tastenden Versuchen, die Erziehungs-und Bildungsprozesse zu steuern, keine eindeutigen Auswirkungen zugeschrieben werden können. Unsere Schulen, so folgerte Jencks fast resignierend, wirken nach wie vor „naturwüchsig", eingebunden in nicht aufgeklärte Zusammenhänge Warum dieses „nach wie vor", als ob es eine Kausalität zu entdecken gäbe, die unsere Verpflichtung zu Humanität und Wirklichkeitserkenntnis aufhebt! Hier und jetzt stellt sich die erzieherische Aufgabe, so sehr wir auch weiterhin auf Forschung und Wissenschaft angewiesen bleiben. Der „qualitative Sprung", den die Reformer nicht schaffen, ist auch nicht zu schaffen, solange die personale Zuwendung fehlt.

Zwei extreme Positionen fallen ins Auge, wenn heute von der Pädagogik als Wissenschaft gesprochen wird. Zwar hat es die Pädagogik verstanden, sich über die Jahrhunderte allmählich aus der Umklammerung durch Theologie und Philosophie zu lösen, aber sie bleibt als eine pädagogische Wert-und Ziel-lehre der inneren, seelisch-geistigen Sphäre (Theodor Litt} verhaftet, die wissenschaftlich nicht auflösbar ist. Trotzdem kann sie sich durchaus wissenschaftlicher Methoden bedienen, hört doch Wissenschaft nicht auf, Wissenschaft zu sein, wenn sie die Werturteils-frage stellt. Die unauslotbare Wirklichkeit des Menschen, der als ihr Erkenntnis-und Handlungsgegenstand Subjekt und Objekt zugleich ist, läßt die Pädagogikwissenschaft jedoch in einem Zwischenbereich verweilen, wo sie auf Anthropologie, Psychologie, Philosophie angewiesen bleibt, gilt es doch, ständig ihre Prinzipien neu und umfassend zu konkretisieren.

Dieser mehr normativen Sicht steht eine empirische, stärker am Modell der Naturwissenschaften orientierte Pädagogikauffassung gegenüber: Pädagogik versteht sich hier als eigenständige und wertfreie Wissenschaft, die Tatsachen erforscht wie jede andere Disziplin. Sie glaubt sich von einer vorwiegend spekulativ-philosophischen Sichtweise absetzen zu müssen und will die Gesamtheit der Erziehungserscheinungen feststellen, beschreiben und aus der Fülle der Lebensverhältnisse herausheben.

Hinsichtlich der Frage, was der Mensch tun solle und welche Werte das erzieherische Handeln bestimmen, verhält sie sich abstinent. In Wirklichkeit erliegt eine solche Pädagogik aber immer der Versuchung, wie ganz selbstverständlich Ziele, Werte und Entscheidungen zu setzen, ohne sich darüber Rechenschaft zu geben, daß sie Theorie und Praxis, Idee und Wirklichkeit, Sein und Sollen auseinanderbringt.

Der Gestaltungswille des Pädagogen entzieht sich letzten Endes jeder strengen Wissenschaftlichkeit. Das heißt nicht, die empirischen Methoden für die Erziehungswissenschaft ablehnen, aber es bedeutet, daß sie ihre Normen und Wertsetzungen nicht nur als Tatsachen übernimmt, sondern sich rechtfertigen und zu ihnen bekennen muß. Erziehen kann nur derjenige, der selbst von den Werten ergriffen ist, die er zu vermitteln sucht (W. Flitner).

Es gibt eine dritte Richtung in der Pädagogik-auffassung, die eine kritische Erziehungswissenschaft postuliert. Ihre Abkehr von der geisteswissenschaftlichen Pädagogik führt sie nicht in die Arme einer rein empirischen Pädagogik, sondern in die Neuformulierung einer Erziehungswissenschaft aus dem kritischen Ansatz der Frankfurter Schule. K. Mollenhauer ist ein Vertreter dieser Richtung? er schreibt: „Analyse der empirisch nachprüfbaren Prozesse und Kritik der Zwecke, denen solche Prozesse wie auch die Analyse selbst unterstellt werden, sind zusammengenommen erst die unteilbare Aufgabe der Erziehungswissenschaft." Die Erziehungswissenschaft wird auf das emanzipatorische Erkenntnisinteresse verpflichtet nnd soll dazu beitragen, „undurchsichtig wilende Motive des pädagogischen Handelns in rationale Intentionen zu überführen"

Die Erziehungswissenschaft wird in diesem Kontext zur Handlungs-und Sozialwissenschaft? ihre materialistische Dialektik teilt sie mit der Kritischen Theorie. Die zentrale Frage, was der Mensch denn eigentlich sei unter dem Aspekt des Erzieherischen, wird von vorneherein eingebracht in die Gleichung, alle Pädagogik sei Politik, nämlich die Gesellschaft werden zu lassen, was sie noch nicht ist. Daß es sich dabei um „Wissenschaft" handelt, ist selbstverständlich für eine aus der Kritischen Theorie abgeleitete Pädagogik.

5. Wissenschaftsbestimmtheit und Anthropologie

Der vom Deutschen Bildungsrat 1970 veröffentlichte „Strukturplan für das Bildungswesen" hatte verlangt, daß „die Wissenschaftsbestimmtheit sowohl der Lerninhalte als auch der Vermittlung" für alle Schullaufbahnen in gleicher Weise gelten müsse. Was mit solchen Lerninhalten und Vermittlungsinstanzen zu geschehen hatte, die nicht „wissenschaftsbestimmt" sind, konnte man sich ausrechnen? sie kamen nicht mehr vor. Und wer bestimmte das? Der Strukturplan wollte es nicht zulassen, daß es länger „Rangunterschiede" geben sollte in den Schullaufbahnen, „daß man einer volkstümlichen eine wissenschaftliche Bildung entgegensetzt". Das organisierte Lernen, so hieß es weiter, „soll für alle wissenschaftsorientiert sein"

Diese Thesen fanden reißenden Absatz? Wissenschaftsorientierung vom Kindergarten bis zur Volkshochschule wurde der letzte Schlager, als ob Wissenschaft etwas eindeutig Gegebenes sei, sakrosankt und aufgehoben im allgemeinen Konsens. In der Tat sehen wir uns, wie es Johannes Flügge ausgedrückt hat, mit dem Kriterium der Wissenschaftsbestimmtheit „einer Bildungskonzeption von rigider Exklusivität" gegenüber. Die Wissen-schäften sollen, in welcher Form auch immer, den einzigen Modus der Weltinterpretation liefern. Der Lernende, so hat es der Struktur-plan gefordert, sei in die Lage zu versetzen, sich eben diese Wissenschaftsbestimmtheit bewußt zu machen und sie kritisch in den eigenen Lebensvollzug aufzunehmen

Die Frage, was der Mensch denn eigentlich sei, kraft wessen er sich überhaupt als Mensch begreift und wie denn nun dieses „organisierte" und „wissenschaftsbestimmte" Lernen sich mit der Wirklichkeit des Menschen verträgt, wird nicht gestellt. Mit Jean Paul Sartre sagt die kritische Erziehungswissenschaft, der Mensch dürfe keine Vorgegebenheiten hinnehmen; er sei zur Freiheit „verdammt". Das läuft auf die Verweigerung hinaus, die Endlichkeit anzunehmen und hat zur Konsequenz, daß die anthropologische Fragestellung beantwortet ist, bevor sie geStellt wird.

Wir können die Vielzahl der erstrebten und der realisierten Ausgestaltungen der menschlichen Seinsform dahingestellt sein lassen, so Johannes Flügge, müssen aber einige „conditiones humanae sine quibus" als jeder Konkretion vorgegeben anerkennen als Bestand fundamentaler Einsichten in die menschliche Sonderart, im Sinne einer, wie Adolf Port-mann es nennt, „basalen Anthropologie". Zu diesen Konditionen gehört „das Angewiesen-sein des Menschen auf Muster des Verhaltens, der Sprache und des Verstehens... Eine weitere .conditio sine qua non'der menschlichen Existenz ist das Bewußtsein von sich selbst im Horizont der eigenen Endlichkeit...

Damit ist die stärkste Nötigung für den Menschen gegeben, nach Ursprung, Sinn und Wert seiner Existenz zu fragen. Daß alle an diesem Fragebereich teilhaben, ist der Grund dafür, daß alle auch darauf angewiesen sind, in das Gespräch darüber, das wir Geisteskultur nennen, einbezogen zu werden, und sei es in anfänglichster Weise."

Für Werte, geschweige: die geistigen Werte, ist im Denken der kritischen Erziehungswissenschaft nur wenig Platz. Max Scheler hat uns darauf hingewiesen, worin diese Wert-blindheit begründet ist, wenn er sagt, die Werte seien „dem Verstände völlig verschlossen"; er ist für sie „so blind wie Ohr und Hören für die Farbe". Nicht im Denken, sondern im „intentionalen Fühlen" werden die Werte erfaßt Nach Scheler gibt es nicht nur ein logisches Apriori, sondern ebenso auch ein Wertapriori, das sich auf eine objektive Wert-ordnung berufen kann.

Die phänomenologische Methode, die Scheler in seinem Hauptwerk „Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik" dargelegt hat, verdient für den erziehungswissenschaftlichen Bereich eine neue Aufmerksamkeit, hatten doch viele angenommen, das Wert-und Normenproblem in der Erziehungswissenschaft sei „gestorben".

Wir brauchen die empirische Pädagogik, wir brauchen möglicherweise den Stachel, den uns die kritisch-emanzipatorische Pädagogik „ins Fleisch" setzt, aber wir brauchen auch, was uns die Etymologie in allen Sprachen der Welt zeigt, das Bewußtsein, daß zu jeder Art von Erziehung ein Emporführen, eine Wertsteigerung gehört. Daß Wertethik und Anthropologie für die kritische Erziehungswissenschaft weithin vernachlässigte Domänen geworden sind, ist mit ein Grund dafür, warum emanzipatorische Erziehung in eine menschenfeindliche Erziehung umschlagen kann.

6. Am Konsens festhalten

Was ist der Mensch? Nach Aristoteles ist er ein Lebewesen mit Vernunft-und Sprachbegabung. Er kann die Natur erkennen und sein eigenes menschliches Sein begreifen. Entsprechend kann er sich verhalten und ein vernunftgemäßes Leben führen. Die Sprache verbindet die Menschen untereinander, sich zü verständigen über gut und böse, gerecht und ungerecht.

Wie soll der Mensch sich verhalten? Woher stammen die Normen? Greifen wir auf die Antike zurück, so lernen wir, daß die Normen das Ergebnis einer gemeinsamen Orientierung über die Lebensverhältnisse sind. Daraus gehen Haus und Polisl hervor. Polis war der griechische Stadtstaat, Wiege der athenischen Demokratie, Ort der Politik. Die Polis war also das Ergebnis einer gemeinsamen Sinn-und Wertorientierung. Sie stiftete nicht den Sinn, aber sie bildete den Rahmen zu seiner Vermittlung. Dies ist bis heute so geblieben, daß ein Leben in einem politischen oder gesellschaftlichen Verbund eine bestimmte Sinn-und Wertorientierung braucht. Wir sprechen vom Konsens. Er muß trägfähig sein, damit die partikularen Kräfte zusammengehalten werden und ein handlungsfähiges Ganzes entsteht, das sich Regeln des Mit-und Gegeneinander gibt. „Polis, id es pluralitas", lesen wir schon bei Thomas von Aquin. Es bedeutet, daß die Polis das Recht auf Unterschiede respektiert, daß unser Gesellschafts-und Staatsverständnis ein pluralistisches ist, Vielfalt in der Einheit. Die einzelnen und die Gruppen erhalten einen freien Entfaltungsraum garantiert, aber sie halten auch an einem Grundkonsens der gemeinsamen Sinn-und Wertorientierung fest.

Das gilt sicherlich auch für die öffentliche Schule in einem Land. Wenn die Erziehung ein Ganzes sein soll, wird sie an diesem Grundkonsens einer gemeinsamen Sinn-und Wertorientierung festhalten müssen. Erziehung wird ein wertorientiertes Handeln sein müssen. Der Dissens über die Grundwerte hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen; die Emanzipationspädagogik ist Reflex dieser Veränderungen und läßt uns fragen, wie tragfähig der Pluralismus in der öffentlichen Schule überhaupt noch ist.

Halten wir uns an die Verfassung, dann erwarten wir, daß die der Verfassung zugrunde liegende Wertordnung auch realisiert wird. In unserer weltanschaulichen pluralen Gesellschaft ist diese Verfassung die Klammer, die bisher gehalten hat, die Dinge so zu ordnen, daß Freiheit möglich wird. Wenn das so ist, dann muß die Orientierung am Grundgesetz dieser Bundesrepublik auch eine Erziehung ermöglichen, die inhaltlich und formal dem Pluralismus der heutigen Wert-und Weltanschauungen Rechnung trägt, ohne damit beziehungslos auseinanderzufallen.

7. Menschenbild des Grundgesetzes

Wo liegen die Grenzen, jenseits deren die Gemeinsamkeit zerbricht? Sie werden am besten erkennbar, wenn wir fragen, welches Menschenbild durch das Grundgesetz vorgegeben ist und ob diese anthropologische Wert-und Sinnordnung nicht abgeschafft wird, wenn Emanzipation in der öffentlichen Schule programmiert wird. Die Unverfügbarkeit der Menschenwürde wird in unserer Verfassung an die erste Stelle gerückt. Der aus der christlichen Theologie stammende Personbegriff ist zweifellos eingeflossen in das Menschenbild des Grundgesetzes. Das heißt, die aristotelische Philosophie verbindet sich mit dem biblischen Glauben, daß der Mensch ein Geschöpf Gottes ist, zu seinem Ebenbild geschaffen, als je einzelner von ihm gemeint und daher zur Mitmenschlichkeit (Nächstenliebe) verpflichtet. So drückt es Bernhard Sutor aus: „Hier liegt der geschichtliche Kern der alteuropäischen Überzeugung von der Würde des Menschen." In der Neuzeit habe sich jedoch der theologische Hintergrund dieses Menschenbildes abgeschwächt.

Sutor meint, der christliche Personbegriff bleibe trotzdem nicht unbrauchbar, ob man nun diese „Menschennatur" metaphysisch als Wesen des Menschen deutet, wie es die Christen tun, oder ob man unter Verzicht auf transzendentale Wesensbegriffe anthropologisch und innerweltlich argumentiert. So oder so bleibt der Konsens erhalten, daß die Natur des Menschen, das was als menschlich gilt, zugleich vorgegeben und aufgegeben ist. Nur die Auflösung dieser Dialektik nach der einen oder anderen Seite wäre mit dem überlieferten Personenverständnis, aber auch mit dem Menschenbild des Grundgesetzes nicht mehr vereinbar.

Mit dem Blick auf das emanzipatorische Menschenverständnis, das diese Spannung zwischen dem Vor-und dem Aufgegebensein aufzuheben sucht in einem neuen Menschen, einer neuen Gesellschaft, gelangt Sutor zu folgendem Ergebnis: „Die Mißachtung des Gegebenseins überschätzt den Entwurfcharakter des Menschen und seiner gesellschaftlichen Ordnungen, neigt zu utopischen Zukunftsvorstellungen und verliert gerade dabei die normative Orientierung gegen den Versuch totaler Manipulation der jetzt Lebenden. Die Mißachtung des Aufgegebenseins neigt dazu, geschichtliche Veränderungen als Abfall von der angeblich guten Ordnung zu de+ nunzieren und gerät in die Gefahr, dem Bestehenden allein deshalb, weil es ist, die höhere Legitimation zuzuschreiben. Politisches Gestalten muß sich zwischen diesen beiden Polen bewegen, die Extreme vermeidend, die Spannung zwischen beiden aushaltend."

In der marxistischen Philosophie ist es das Ziel, eine grenzenlose Umformung der Natur und des Menschen anzustreben. Die Entfremdüng des Menschen, die Tatsache, daß der Mensch sich noch nicht selbst gefunden und erkannt hat, war für Karl Marx eine Konsequenz der Produktionsverhältnisse. Der gegenwärtige Mensch hat den Zustand der Humanität noch nicht erreicht. Das Werden dorthin, also die Geschichte des Menschen* wird als notwendiger Prozeß betrachtet, der sich nach Gesetzen entfaltet, die von den einzelnen Menschen unabhängig sind. Der Mensch verfügt nicht über sich; es wird über ihn verfügt. * Die freiheitliche Demokratie, um aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu zitieren, kann diese Auffassung des historischen Determinismus als eine verbindliche nicht zulassen, „daß die geschichtliche Entwicklung durch ein wissenschaftlich anerkanntes Endziel determiniert sei und daß folglich auch die einzelnen Gemeinschaftsentscheidungen als Schritte zur Verwirklichung eines solchen Endziels inhaltlich von diesem her bestimmt werden könnten. Vielmehr gestalten die Menschen selbst ihre Entwicklung durch Gemeinschaftsentscheidungen, die immer nur in größter Freiheit zu treffen sind."

Die von Marx angestrebte Emanzipation ist ja nicht Befreiung von den Zwängen einer als ungerecht empfundenen Ordnung innerhalb der geschichtlich-gesellschaftlichen Bedingungen des Menschseins, sondern außerhalb ihrer als Emanzipation von diesen Bedingungen überhaupt und in alle Zukunft. Die von Marx angestrebte Emanzipation schafft nicht politische Freiheit, sondern Freiheit überhaupt von jeder normativ-institutionellen Ordnung, als die Staat und die Gesellschaft sich darstellen.

Worin liegt also das Menschenfeindliche der emanzipatorischen Auffassung? Es liegt in der Negation des konkreten Menschen, über den verfügt wird, um eines zukünftigen willen. Es liegt in der Leugnung, daß es eine unaufgebbare Dialektik von Freiheit und Ordnung, Konflikt und Konsens, Utopie und Realität gibt. Freiheit, die auf Vorgegebenes nicht eingeht, schlägt ins Gegenteil um und vergewaltigt den Menschen.

Sagt man es weniger abstrakt, weniger philosophisch, worin diese Menschenfeindlichkeit einer emanzipatorischen Erziehung liegt, dann würde man antworten: Unsere Kinder in der Schule werden seelisch erkranken, wenn sie ununterbrochen in Mißtrauen geübt werden. Hinter jedem Wort, hinter jeder Äußerung oder Anregung wird der junge Mensch ein geheimes Interesse wittern, das seinen eigenen Interessen und Bedürfnissen zuwiderläuft.

Menschenfeindlich ist auch das Dogma von der prinzipiell inhumanen Fremdbestimmung, das dem Kind eingetrichtert wird. Goethe sagt, das Glück des Menschen bestehe in der bejahten Abhängigkeit. Demgegenüber liest sich Feuerbachs Wort, der Mensch sei dem Menschen ein „Menschenfresser", wie ein böser Alptraum. In der bejahten Abhängigkeit erfüllt sich das menschliche Leben überhaupt erst.

8. Erziehung und Bildung

Viele wissen nicht, was gespielt wird, wenn sie die Sprache der Emanzipation übernehmen. Sie sehen keine Probleme, den Emanzipationsbegriff ohne weiteres zu pädagogisieren. „Sie machen sich schuldig", sagt Theodor Wilhelm mit vollem Recht, „ohne sich dessen bewußt zu sein.'Die Alteren unter uns denken vierzig Jahre zurück, als einige von uns anfingen, von . nationalsozialistischem Deutschunterricht'und von .deutscher Leibeserziehung'zu reden. Es geschah nur selten mit vollem politischen Bewußtsein und schon gar nicht mit revolutionärer Absicht. Dennoch haben wir uns vor der Geschichte schuldig gemacht. . . Unsere Vorstellungen von den Möglichkeiten sind unsicher geworden. Aber eines ist sicher: das Ausweichen in die Emanzipationsmetaphysik ist der beste Weg zu gesteigerter Unfreiheit."

Unsicher geworden sind wir nicht nur in den Freiheitsvorstellungen, sondern auch in -dem, was Bildung eigentlich bedeutet und zum Ziel haben soll, welchen Sinngehalt das erzieherische Handeln hat und wie die Grundverhältnisse zwischen Mensch und Mensch in der Erziehung aussehen. Das alte Dilemma, exakt zwischen Bildung und Erziehung zu trennen, können wir ruhig beiseite schieben; es führt zu nichts. Oft lassen sich beide Begriffe durchaus synonym verwenden, aber sie sind trotzdem nicht voll austauschbar. Erziehung halte ich für den grundlegenden Begriff, der stärker aus der Anthropologie seine Wurzeln zieht als es der Bildungsbegriff tut, der das Kulturwesen Mensch im Blick hat.

Sprachgeschichtlich zeigt sich beim Wort „erziehen", daß das Präfix „er" in der Bedeutung von „hinaus", „empor" eine Bewegung von einem Inneren, von der Tiefe in die Höhe bezeichnet, wie das Grimm'sche Wörterbuch vermerkt. Die Grundbedeutung von „ziehen" ist zunächst, eine Kraft gleichmäßig auf den Gegenstand einwirken zu lassen, so daß dieser sich ihr nähert, ihr folgt oder sich in die Richtung der Kraft ausdehnt Wir denken an die Anziehungskraft, die ein Mensch ausübt, an einen Nutzen, den wir ziehen, aber auch, Pflanzen, Tiere oder Menschen ziehen, das heißt, aufziehen, pflegen, nähren, abrichten.

Faßt man zusammen, welche Bedeutungsgehalte das Wort „erziehen" uns nahelegt, so rückt die Möglichkeit einer Veränderung auf selten des Objekts ins Blickfeld neben einer Zielgerichtetheit beim Vorgang des Ziehens, Er-Ziehens selbst.

Daraus ergibt sich, daß die Frage nach der Erziehung immer zur Frage nach dem erzieherischen Verhältnis wird, nach der Be-Ziehung zwischen Erzieher und Zögling. Ausgehend von diesem Grundbetund, ausgehend auch yon der Tatsache, daß der Erzieher seinen Zögling vorfindet und er ihn annimmt, nicht um auf der Gegenseite etwas zu „machen", was Machtausübung wäre, sondern „um mit seinem ich die Einmaligkeit des andern als Person zu suchen und zu erwecken", wie es Reinhold Mühlbauer in einem Lexikon-Artikel über Erziehung sehr schön ausdrückt, zeichnen sich die Grundverhältnisse der Erziehung folgendermaßen ab. Ich folge der Darstellung von R. Mühlbauer

Der Erzieher nimmt den Zögling in seiner personalen Ganzheit, so, wie er ist, also auch in seiner Begrenztheit und Schwierigkeit, aber in eben dieser Bejahung will er ihn auch nicht sein lassen, wie er ist. Er will also auf ihn einwirken, daß dadurch das Eigentlichste eines Zöglings erschlossen wird, in einer dia-logischen Begegnung.

Das zweite Grundverhältnis der Erziehung lautet: „Es ist gut, daß der andere werde, was er seinem Wesen nach sein soll." Vertrauen auf die im Kind schlummernden Fähigkeiten und Talente wird vorausgesetzt, aber ebenso auch, daß der Erzieher den anderen „größer", „besser" werden sehen möchte als sich selbst. Damit der andere nicht Objekt wird, ist Selbstbescheidung notwendig im Beistand des Erziehers, der nicht herrschen, sondern helfen will.

Das dritte Grundverhältnis umschreibt Mühlbauer so: „Es ist gut, daß , wir‘ sind." Hier wird menschliches Sein und Gegenüber von vornherein als Mit-Sein und Miteinander angesprochen. Der Erzieher begibt sich auf die Seite des anderen; er liebt ihn. In dieser Verbundenheit verzichtet der Erzieher auf jede Intentionalität, den anderen auf ein fixiertes, geschlossenes Menschenbild hin zu erziehen. . Erziehung ist nicht mehr Absicht, sondern Angebot und Geschenk in personaler Zuwendung und Selbstverleugnung: Schenken und Beschenktwerden.

Ist das nicht ein zu hoher Anspruch? Möglicherweise ja, wenn der pädagogische Alltag sich dazwischen schiebt und Menschen sperrig, verschlossen und uneinsichtig sind. Aber das mildert die Strenge des Auftrags nicht. Es ist bezeichnend, daß heute das Wort „Erziehung" tunlichst vermieden wird. Der Anstrengung sucht man dadurch aus dem Wege zu gehen, daß es durch „Bildung" ersetzt wird.

Ein Gebildeter ist „ein Mann von Welt", wie Kant sagt. Er hat die Erfahrung, wie die Grundverhältnisse des Lebens zueinander stehen. Er braucht kein Vielwisser zu sein, um der Definition von Max Müller zu folgen. „Er ist vielmehr einer, dessen Freiheit ihren Stand im Ganzen hat: der aus der Erfahrung des Sinnes, der Bedeutung, der Struktur, der Grundmaßstäbe dieses Ganzen weiß, worauf es ankommt, und daher im einzelnen, auch Unvorhergesehenem und überraschendem gegenüber, sich richtig entscheiden wird, sich richtig einzustellen und zu benehmen weiß."

9. Freiheit, zu uns selbst zu finden

Von der Krise der Bildung ist viel die Rede, daß zwar das Können und Wissen ins fast Unermeßliche gestiegen ist, aber die Perspektiven des Ganzen zerfließen und die umfassenden Einheiten, die wir Natur, Geschichte, Offenbarung genannt haben, ihren festen Boden verloren haben. Tobias Brocher spricht von dem „Ver-rücktsein" des modernen Menschen, womit er sagen will, daß unsere Werte nicht mehr stimmen und ver-rückt worden sind von den angestammten Plätzen und Rängen.

Der Sozialpsychologe und Psychoanalytiker Brocher, der großen Anteil daran hat, daß wir die gruppendynamischen Aspekte stärker in das Erziehungsdenken aufgenommen haben, betrachtet den Verlust von Wertmaßstäben, „die sich an innerer Reite und Entwicklung orientieren", als freiheitsbedrohend: „Die Korrumpierung des Gewissens hat ein Ausmaß erreicht, das jene Tendenz zur geheimen Selbstzerstörung verstärkt, die jede Freiheit utopisch macht. Freiheit ist nur dort, wo wir uns selbst entscheiden, bereit, diesen Entschluß zu verteidigen. Es ist eine Freiheit, zu uns selbst zu finden, eine Freiheit, die wir nur dann erreichen könen, wenn wir uns bemühen, uns selbst voll zu erkennen und innerlich so anzunehmen, wie wir sind. Erst dann können wir uns ändern, ohne neuen Selbsttäuschungen und Verführungen zu ev-liegen, die gerade jene Selbst-Entfremdung bewirken, an der wir leiden."

Ist das die Freiheit, die unsere Kinder in der emanzipatorischen Schule lernen? Wird ihnen gesagt, daß die Veränderung der Welt nicht irgendwo beginnt bei den Strukturen oder Produktionsverhältnissen, sondern bei dir und bei mir, ohne Aufschub?

Alle Übel der Welt werden den Elf-und Zwölfjährigen in sozialkundlichen Katastrophenmeldungen vermittelt: „So rotten wir uns aus! Giftkrieg in Deutschland! Sie fressen Gras und sterben an Blei!", um nur einige Überschriften aus den ersten Seiten des Arbeitsbuchs von K. G. Fischer für die Klassen 5 und 6 anzuführen. „Die ärztliche Versorgung kaum verbessert! Kranksein immer teurer!" und unter der überschritt „Das kommt in der Bundesrepublik vor" steht prompt allein und stellvertretend für alles Sonstige, was in der Bundesrepublik auch noch vorkommen könnte, ein Bericht über die rund 90 Fälle von Kindesmißhandlungen, die jährlich in der Bundesrepublik bekannt werden: „Zur Information: Es gibt unter uns viele, die sagen:

. Strafe muß sein!'Andere meinen, daß die Gesellschaft so eingerichtet werden muß, daß niemand in die Gefahr kommt, strafbare Handlungen zu versuchen." Schöne, brave Welt der Schulbuchautoren! Ist das die Not des Kindes? Wird es so lernen, was Freiheit ist, was Gewissen bedeutet, daß es Rechte und Pflichten gibt, daß es der Sinn unseres Lebens ist, für und mit anderen zu leben?

10. Die Fähigkeit zur Liebe

„Dein Sohn", so lautet ein türkisches Sprichwort, „ist mit fünf Jahren dein Gebieter, mit zehn Jahren dein Sklave, mit fünfzehn Jahren dein Ebenbild und danach entweder dein Freund oder dein Feind — je nachdem, wie er erzogen wurde." Wir erziehen sie allesamt zu unseren Feinden, und zwar schon vom zehnten Lebensjahr an, weil wir uns streitig machen lassen, daß Mensch-sein-Können das erste und wichtigste Ziel aller Erziehung ist.

Tobias Brocher: „Der einzige bleibende Wert des Menschen gründet in seiner Fähigkeit zur Liebe, was immer er auch erreichen mag. Nur die Angst, zu kurz zu kommen, ver-rückt dieses innere Maß — dann, wenn wir ernsthaft glauben, daß Nehmen seliger sei denn Geben.. In welchem emanzipatorischen Schulbuch lesen wir denn heute noch solche Sätze? übers „Protestieren und Demonstrieren" kommt das organisierte Lernen nicht hinaus; das bleibt übrig von der Liebesfähigkeit des Menschen, für andere da zu sein, mit anderen zu leben. Wenn das nicht Destruktionspädagogik genannt werden darf: Was denn sonst? Die Angst, zu kurz zu kommen!

Wenn der Mensch dem Gebot Gottes gehorche, werde er fremdhörig und „fremdbestimmt", lehrt uns die aufklärerische Tradition. Die Freiheit bestehe in der Autonomie, in der Eigengehörigkeit und Selbstbestimmung. „Diese Behauptung bestimmt Freiheit als absolute Freiheit; setzt also die menschliche Freiheit mit der göttlichen gleich." Romano Guardini folgert, wenn das zuträfe, dann würde der Gehorsam gegen Gott allerdings die Freiheit aufheben. In Wahrheit sei aber Gott allein Gott, der Mensch hingegen sein Geschöpf: „Die Freiheit des Menschen ist geschaffen." Guardini fügt hinzu, daß der Mensch, der den Glauben verlassen hat, zunächst noch durch die im christlichen Dasein gewonnenen Kräfte und Haltungen getragen wird. Es sei aber eine schwere Frage, was aus dem Unternehmen der Neuzeit wird, wenn die christlichen Werte und Lebensordnungen immer mehr verlorengehen. Freiheit sei etwas sehr Komplexes, Ergebnis von Initiative und Bindung, Augenblick und Tradition, Selbstbehauptung und Verzicht. Sie setze Ordnung voraus, äußere und vor allem innere, existenzielle. Steht der heutige Mensch in einer solchen? Guardini: „Wie, wenn er bisher immer noch aus der Nachwirkung der alten Ordnung gelebt hätte, in dem Maße aber, als diese verschwinde, auf ein Chaos zuginge, das nicht nur in Mängeln der Organisation, sondern in einer Verwirrung der Grundelemente des Daseins bestünde?"

Zeigt sich ein Verlust an Transzendenz? Ja und nein. Die Welt gibt sich rational und gleichzeitig sehnt sie sich nach dem ganz Anderen und Unerklärlichen. Der späte Horkheimer hat sich freimütig zu diesem Konflikt bekannt und deutlich registriert, daß die Spannung unaufhebbar ist und jedesmal dann, wenn eine alte Gläubigkeit schwindet, eine neue an ihren Platz tritt, mit etwas moderischerem Accessoire, aber das Transzendenz-bedürfnis scheint unausrottbar: Die Emanzipationsmetaphysik nimmt ihre Chancen wahr. Max Horkheimer hatte lange die feste Über-zeugung, die im Gang der Geschichte einzig wahre und fortschrittliche Partei ergriffen zu haben, die . Partei für den mündigen, kritischen, autonomen Menschen, den natürlichen und diesseitigen Zarathustra-Menschen. Mit zunehmendem Alter ist diese emanzipatorische Gewißheit immer stärker der bedrängenden Frage gewichen, wie ungeheuer hoch der Preis ist, der für Fortschritte in Richtung auf Emanzipation, Entmythologisierung und Abbau der Religion bezahlt werden muß „Ich trauere dem Aberglauben vom Jenseits nach, weil die Gesellschaft, die ohne ihn auskommt, mit jedem Schritt, mit dem sie dem Paradies auf Erden näherrückt, von dem Traum sich entfernt, der die Erde erträglich macht."

11. „Sind wir ver-rückt?"

Was können wir tun? Es ist Aufklärung nötig, allerdings ohne die emanzipatorische Selbstgewißheit und Kritikverabsolutierung. Das kritische Unterscheiden gehört mit dem ersten Schultag ins Konzept, aber es darf nicht die Fähigkeit zur Information zerstören. Eine Erziehung, die das Ja und das Nein einübt, hat es schwerer als eine bloß negierende, die nur durch die Hintertür zum Ja gelangt. Dieser Grundsatzentscheidung hat sich die Schule auch heute zu stellen, wie sinnvolles Leben möglich ist, in der Be-Sinnung auf den Menschen. Die Sozialkompetenz tritt gleichrangig hinzu als Einübung in ein verantwortliches Verhalten. Orientierung in der Welt der Sachen, Entwicklung von Sprache und Denkfähigkeit, Wissen um geschichtliche Tatsachen, etwas gut machen können und seinen Spaß daran haben — auch das ist Schule. Wobei wir uns fragen, ob Bildung eine ernste Plakkerei sein muß, festgenagelt auf den strengen Aktiv des Arbeitens, des Er-Arbeitens. Findet die Heiterkeit des Beschenktwerdens, die Freude . vor dem Geheimnis einen Platz im Curriculum? Gott schenkt die Lieder in der Nacht, heißt es im Buch Hiob. Darf man Schule nicht mehr schön finden? Ähnlich wie bei Märtin Bubers Rede über das Erzieherische findet man heute auch bei Romano Guardini manches Argument von erstaunlicher Vitalität und Aktualität. Die zwanziger Jahre scheinen in vielem eine geistige Vorwegnahme pädagogischer Probleme anzudeuten, ohne daß eine Wiederholung gemeint sein könnte. „Zum Wesen der Bildung gehört das Ethos der Freiheit." Guardini schrieb diesen Satz'im Jahr 1927 Es folgt der Nachsatz, daß nämlich ebenso das Ethos der Unabänderlichkeit zu einer wirklichkeitsgemäßen Bildüng gehört. Man könnte auch sagen: Ethos der Grenze. Was ist gemeint?

Der pädagogische Idealismus ist angesprochen, der sich heute emanzipatorisch gibt und als pädagogische Freiheitsgesinnung auftritt, die keinen Zusammenhang mit dem Unabänderlichen hat. Wörtlich bei Guardini: „Es ist jene Gesinnung, die nur vom Gefühl der Freiheit beherrscht ist; vom Gefühl, daß alles möglich sei; daß alles überwunden, alles geleistet, alles geändert, alles gemacht werden könne. Dieses Gefühl aber steht außer Zusammenhang damit, wie die Wirklichkeit tatsächlich ist. Es ist phantastische, nicht reale Freiheit. .. Der wirkliche Mensch wird nicht gesehen. Der pädagogische Akt wird an einem phantasierten Menschen vollzogen. Darum greift er nicht; gleitet ab. So. muß er mißlingen."

Unter den Symptomen der Ver-rücktheit des heutigen Menschen zählt Tobias Brocher ebenso wie Guardini die Wirklichkeitsblindheit ünd -Übersteigerung. Er fragt, was geistige Gesundheit sei. Die Weltgesundheitsorganisation habe sie als die Fähigkeit definiert, zwischen Wirklichkeit ünd Illusion unterscheiden zu können. Sigmund Freud hat das viel früher schon ausgeführt mit seinem Hinweis, daß der Psychotiker „wie einen Flikken" den Wahn an die Stelle der Realität setzt. Was ist hier zusammengebrochen? „Es ist die Fähigkeit, Wirklichkeit und Illusion klar voneinander unterscheiden zu können."

Die Erziehbarkeit des Menschen und sein Wirklichkeitsverhältnis stehen in unmittelbarem Zusammenhang; sie bedingen einander. Der emanzipatorische Mensch ist ein phantasierter, kein wirklicher Mensch. Er setzt „wie einen Flicken" die Ideologie an die Stelle der Realität. Der Versuch, dem Menschen einseitig über die materialistische und ökonomische Weltinterpretation zu einem tragenden Lebenssinn und Selbstverständmis zu verhelfen, muß an der Wirklichkeit dieses Menschen scheitern. Guardini: „Hier verrät sich ein entscheidendes Motiv der Freiheitsleug-nung. Es liegt in einem Lebensgefühl, das sich nur sicher weiß, wenn alles in zwangsmäßi-ger, ja berechenbarer Form vor sich geht. Im Innersten ist es Angst und, damit eng verbunden, Wille zum Herrschen, genauer gesagt, zur Gewalt."

Pestalozzi sah es als die erste und die letzte Aufgabe jeder Erziehung an, den „inneren, liebenden Sinn" zu wecken: „Ich bin durch mein Herz, was ich bin." Dieser (in der Sprache einer anderen Zeit) abgefaßte Verweis auf die Wirklichkeit stiftende Innerlichkeit muß einer materialistisch-emanzipatorischen Dialektik „bürgerlich" vorkommen. Es fehlt das Organ dafür. Adolf Portmann schreibt in seinem Werk über Biologie und Geist: „Unser geistiges Leben wird nur dann eine neue und glücklichere Form finden, wenn der Mensch ebensosehr erstrebt, stark und groß zu sein im Denken wie im Träumen." Heißt das, die Entfernung zur Wirklichkeit vergrößern? Was ist denn wirklicher am Menschen als seine Seele und seine geistigen Fähigkeiten?

Die Wissenschaft hat das meiste längst erledigt, bevor der geistige Reichtum, den man nicht „haben" kann, sich dem Menschen mitteilt. Ist es ein Wunder, daß die Jugend gegen die Eindimensionalität unserer verwalteten und gesteuerten Welt rebelliert und sie von Grund auf zerstören möchte, da sie in Wirklichkeit einen Glauben sucht, der ihr Leben trägt?

An uns ergeht dauernd die Frage: Adam, wo bist du? Die moderne Wissenschaft und Erziehungswissenschaft fragt nach dem „Was", nach den Qualitäten des Menschseins, nach Bedürfnissen, Interessen und Abhängigkeiten. Das genügt dem Menschen nicht. Er will unbedingt — ohne „Bedingung" — bejaht werden und will sich selbst auch unbedingt bejahen. Er spürt, daß er bedingt ist, endlich, vergänglich, aber Absolutes, Unverfügbares, Dauerhaftes will. Wer bin ich? Darauf kann man auch letzten Endes nicht allein mit dem Hinweis auf die „Rechte" des Menschen antworten, so entscheidend sie sind. Jeder Mensch braucht mehr Zuwendung, Vertrauen und Hilfe als er „rechtlich" beanspruchen kann. Recht garantiert keine Gerechtigkeit;

sie gibt es durch das Angenommensein und Vertrauen: „Es ist gut, daß es dich gibt!" ist nach Josef Pieper das entscheidende Grund-wort der zwischenmenschlichen Beziehungen.

Eine Erziehung, die sich von „Rechten" und „Bedürfnissen" her begründet, ist eine viel zu kurz gefaßte Pädagogik. Ihr wird der Atem schnell ausgehen, weil sie nicht die Luft der Freiheit atmet. Es fehlt ihr die Erfahrung der Gegenseite: Wer bist du? Wer bin ich? Eigentlich braucht derjenige, der auf das Emanzipationspotential setzt, kaum etwas anderes zu lernen als das Nein-sagen-Können. Theodor Wilhelm spricht von dem hohen Lernpotential, das dem Freiheitsbewußtsein eigen ist und die freiheitsorientierten Einstellungen hoch über alle bloß emanzipatorischen hinaushebt

Der Christ sieht die Gebrochenheit, von der alle menschliche Freiheit gezeichnet ist. Er weiß, daß der Mensch den Menschen immer wieder um ein Unendliches übersteigt. Die Freiheit des Menschen kann deshalb nicht abgeleitet werden wie eine Rechenaufgabe, von ihr kann auch nicht eingesehen Werden, daß sie sein müsse als Notwendigkeit, sondern nur erfahren, daß sie ist. Sie muß, wie es Guardini sagt, „entgegengenommen werden" Habermas ist eine Welt davon entfernt — aber vielleicht doch nicht, wenn er schreibt: „Erst die durchgeführte Rationalität des Lebensnotwendigen gestattet die Irrationalität des Lebensüberflusses und deren Aufgehen in wahrhafter Unverfügbarkeit."

Am Ende steht der Dialog; das Reich der Freiheit haben beide im Visier; nur, wie man aus dem Reich der Verfügbarkeit in das Reich der Unverfügbarkeit gelangt, das macht den ganzen Unterschied aus. Wie offen man die anthropologische Frage gegenwärtig sein läßt — ob man davon ausgeht, daß die sicherlich nachhaltigste Form der Freiheitserfahrung aus der Liebe entspringt, hier und jetzt und nicht als Verheißung eines „herrschaftsfreien Dialogs" —, das macht den Unterschied aus das Erzieherische. Martin Buber: „So sind wir Anerkennende geworden."

Fussnoten

Fußnoten

  1. Martin Buber, Reden über Erziehung, Heidelberg 1969, S. 25 f.

  2. Buber, a. a. O., S. 25.

  3. Buber, a. a. O., S. 28.

  4. Kurt Gerhard Fischer, Die „Emanzipationspädagogik" angesichts der „Tendenzwende" — Zur Kontroverse zwischen Hermann Boventer und den Brüdern Hartmut und Thilo Castner, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 10/76, S. 34. Vgl. hierzu Fiermann Boventer, Emanzipation durch Curriculum? Kritik der Emanzipationspädagogik und die Frage hach den Erziehungswerten, in: ebenda, B 13/75; Hermann Boventer, Stellungnahme zu H. und Th. Castners Kritik, in ebenda, B 45/75; Hartmut und Thilo Castner, Entgegnung zu H. Boventers „Emanzipation durch Curriculum?, in: ebenda, B 45/75.

  5. Kurt Gerhard Fischer und Mitarbeiter, Gesellschaft und Politik, Ein Arbeitsbuch für die Sozial-und Gemeinschaftskunde der Klassen 7 bis 9/10 aller Schulen (Sekundarstufe I), Stuttqart, 3. Auflage 1976, S. 6.

  6. Buber, a. a. O., S. 33.

  7. Jürgen Habermas, Theorie und Praxis. Sozial-philosophische Studien, Neuwied 1963, 4. Auflage Frankfurt 1971, S. 276;

  8. Habermas, Theorie und . Praxis, S. 316.

  9. Vgl. F. Achtenhagen, G. Wienhold, Curriculum-forschung und fremdsprachlicher Untericht, in: H. L. Meyer (Hrsg.), Curriculumrevision — Möglichkeiten und Grenzen, München 1971, S. 216 ff.

  10. Buber, a. a. O„ S. 31/32.

  11. Buber, a. a. O., S. 31.

  12. Buber, a. a. O., 33.

  13. Habermas, Theorie und Praxis, a. a. O., S. 231.

  14. Habermas, Theorie und. Praxis, a. a. O., S. 235.

  15. Vgl. Paul-Ludwig Weinacht, Kompetenz für po-I litische Bildung — Zur Frage, wer kompetent sei i und warum, Ziele für das politische Lernen festzuHegen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 10/76.

  16. K. G. Fischer, Gesellschaft und Politik, a. a. O., S. 6

  17. K. G. Fischer, Gesellschaft und Politik, a. a. O., S. 10 In seiner zornigen Replik an den Verfasser hatte K. G. Fischer geäußert, er lasse sich „bei dieser Gelegenheit" nicht auf eine Fortsetzung der Auseinandersetzungen mit seinem Schulbuch'„Gesellschaft und Politik" ein, „weil" von Boventer und anderen eine Ausgabe „erst jetzt" attackiert wird, „die überholt und durch die 3. völlig neubearbeitete Auflage 1975 ersetzt ist. Es wundert, wie schnell emanzipatorische Schulbuchliteratur „überholt ist, wie schnell die Autoren vom gestrig Geschriebenen abrücken. Wie sieht dieses Uberholt-Sein aus der Perspektive der pädagogischen Verantwortung den Kindern (und Eltern) gegenüber aus? In dem angeführten Zitat zur Politik-Definition „Der Habende . .." sieht die völlige Neubearbeitung so aus: Einzig das Wort „Herrn" erscheint jetzt mit Anführungsstrichen; sonst dieselbe orthodoxe Marxismus-Version, die wenigstens schon seit einem Jahrhundert „überholt" ist, in der 3. Auflage von K. G. Fischer jedoch immer noch nicht!

  18. K. G. Fischer, Gesellschaft und Politik, a. a. O., S. 13.

  19. Gutachten zum Arbeitsbuch für die Sozial-und Gemeinschaftskunde der Klassen 7 bis 9/10 aller Schulen von K. G. Fischer, erstattet von Prof. Dr. Ulrich Matz und Dr. Manfred Spieker. Heft 2 der Schriftenreihe des Hessischen Elternvereins e. V., Bad Homburg v. d. H. 1975, S. 7.

  20. Gutachten, a. a, O., S. 7.

  21. K. G. Fischer, Gesellschaft und Politik, a. a. O., S. 346.

  22. K. G. Fischer Gesellschaft und Politik, a. a. O., S. 22.

  23. K. G. Fischer, Gesellschaft und Politik, a. a. O., S. 26.

  24. K. G. Fischer, Gesellschaft und Politik, a. a. O„ S. 37.

  25. K. G. Fischer, Gesellschaft und Politik, a. a. O., S. 272.

  26. Vgl. Gutachten, a. a. O., S. 13.

  27. Gutachten, ä. a. O., S. 32.

  28. Habermas, Theorie und Praxis, a. a. O., S. 239.

  29. Rolf Schörken, Streitpunkte des Politik-Unterrichts — Zur Kritik an den nordrhein-westfälischen Richtlinien, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 8/76 vom 21. 2. 1976

  30. Schörken, a. a. O., S. 20.

  31. Schörken, a. a. O., S. 22.

  32. Schörken, a. a. O., S. 22. Der Verfasser sieht sich, was „Dämonisierungen" betrifft, als „von kaum zu bestreitender Meisterschaft" in einer Fußnote bei Schörken apostrophiert. Von kaum zu bestreitender Meisterschaft der Selbstverleugnung erscheint mir der Hinweis Schörkens, aui der „Suche nach den Prämissen der Prämissen" sei der Verdacht „unbegründet", daß die Ergebnisse, die das Strukturgitter für die Gewinnung der Qualifikationen liefert, in den Kategorien von Arbeit, Sprache und Herrschaft bereits verborgen lägen. Wie soll das möglich sein, wenn die wissenschaftstheoretische Begründung eindeutig auf Habermas zurückgreift? Die Richtlinien haben auch heute noch einen Distanzierungs-Überhang; Emanzipation im Sinne einer „herrschaftsfreihen" Ordnung ist nach wie vor „Richtwert", nicht jedoch die kontrollierte, bejahte „Herrschaft". Vielleicht lesen wir demnächst noch, die Katholische Soziallehre finde im „Strukturgitter" ebenso gut Unterschlupf wie die Kritische Theorie.

  33. Kurt Gerhard Fischer und Mitarbeiter, Mensch und Gesellschaft. Ein Arbeitsbuch für den Sozial-und Gesellschaftskundeunterricht der Klassen 5 und 6 aller Schulen, Nordrhein-Westfalen Ausgabe Stuttgart 2. verbesserte Auflage 1975, S. 81.

  34. Schörken, a. a. O., S. 22.

  35. Gösta Thoma, Zur Entwicklung und Funktion eines „Didaktischen Strukturgitters" für den politischen Unterricht, in: Herwig Blankertz, Curriculumforschung — Strategien, Strukturierung, Konstruktion, 1971, 2. Auflage, S. 76 ff.

  36. a. Buber, a. O., S. 24.

  37. Vgl. Aufsätze von Walter Gagel und Rolf Schörken, in: Curriculum „Politik", Opladen 1974, S. 26.

  38. Buber, a. a. O., S. 35.

  39. Johannes Flügge, Konkurrierende Kriterien zur Beurteilung von neuen Bildungskonzeptionen, in: Fragen der Freiheit, Koblenz 1974, S. 35.

  40. Theodor Wilhelm, Jenseits der Emanzipation — Pädagogische Alternativen zu einem magischen Freiheitsbegriff, Stuttgart 1975, S. 115 ff. Wilhelm hat die bisher umfassendste Analyse der aufklärerischen, neomarxistischen und „bürgerlichen" Emanzipationsvorstellungen in der Pädagogik vorgelegt. „Der Deutsche", so zitiert er F. W. J. Schelling als Motto zu Eingang, „zeigt seine angeborene Treue selbst im Verkehrten, es nicht verlassend, sondern ausbildend bis zur vollkommenen Erscheinung der Nichtigkeit ..."

  41. Wilhelm, a. a. O„ S. 38.

  42. Wilhelm, a. a. O., S. 67.

  43. H. M. Enzensberger, Gedichte 1955— 1970.

  44. Buber, a. a. O., S. 23.

  45. Buber, a. a. O., S. 57.

  46. Jeanne Hersch, Die Unfähigkeit Freiheit zu ertragen, Zürich 1974, S. 21.

  47. Hersch, a. a. O., S. 23. , •

  48. Der Große Duden, Bd. 7, „Etymologie", Mannheim 1963, S. 184.

  49. Vgl. Max Müller im Artikel: „Freiheit", in: Sacramentum Mundi, Bd. 2, Freiburg 1968, S. 87.

  50. Vgl. Muller, a. a. O., S. 79.

  51. Wilhelm Schwarz, Emanzipation als Bildungsziel? Eine Streitschrift wider die Unvernunft in der Pädagogik, Bonn 1974, S. 72.

  52. David Seeber, Emanzipation wohin?, in: Herderkorrespondenz, Freiburg 9/1975, S. 425.

  53. Adalbert Stifter, Der Wiener Bote, 1847.

  54. FAZ vom 20. 2. 1976.

  55. Christopher Jendes, Chancengleichheit, Hamburg 1973, 274 ff;

  56. Flügge, a. a. O., S. 34.

  57. B. F. Skinner, Jenseits von Freiheit und Würde, Hamburg 1973, S. 33.

  58. Jencks, a. a. O., S. 276 f.

  59. Jencks a. a. O., S. 10. Vgl. hierzu auch Hartmut von Hentig, Sozialpathologie der Schule, in: Merkur, Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, 3/1976, S. 213 ff. Das Leiden an der Bildungsreform ist bei Hentig zum Leiden an der Schule schlechthin gediehen; seine aufsehenerregende Bankrotterklärung, was den eigenen Versuch der Bielefelder Laborschule betrifft, entspringt der Unerschrokkenheit dieses sensiblen Pädagogen, der Schule wie einen industriellen Großbetrieb organisieren wollte und nun fast entsetzt festzustellen glaubt, wie im progressiven Verlust von Nähe, Vertrauen und personaler Zuwendung die allseitige Neurotisierung von Schülern und Lehrern grassiert. Schule mit dem Fließband zu verwechseln, das hätte einem Hentig nicht passieren dürfen; Schule als curricularer Großbetrieb, das ist eine lebens-ferne und letzten Endes barbarische Institution. Fast verzweifelt gibt dieser Pädagoge den Lehrern das Rezept weiter, das noch vor kurzem als das rückständigste galt. Das sind „kleine, überschaubare Einheiten, in denen der einzelne gesehen, gehört und gekannt wird."

  60. Jencks, a. a. O., S. 23.

  61. K. Mollenhauer, Erziehung und Emanzipation, München 2. Auflage 1969, S. 18, 67.

  62. Strukturplan für das Bildungswesen, Deutscher Bildungsrat 1970, S. 29.

  63. Flügge, a. a. O., S. 22.

  64. Flügge, a. a. O., S. 27.

  65. Max Scheler, Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik, Halle 1916, S. 262.

  66. Bernhard Sutor, Philosophisch-anthropoloci * Grundlagen der politischen Bildung, in: Der S‘ /-um die politische Bildung, hrsg. von Peter Gutjahr Löser und Hans-Helmuth Knütter, München 1975, S. 43 f.

  67. BVerfGE 5; 85, 197 (KPD-Urteil vom 17. 8. 1956).

  68. Wilhelm, a. a. O., Vorwort.

  69. Grimm, Deutsches Wörterbuch III, S. 693, XI, S. 2356 f„ XV, S. 976.

  70. Vgl. Reinhold Mühlbauer, Artikel „Erziehung", in: Sacramentum Mundi, Theologisches Lexikon für die Praxis, Freiburg 1967, Bd. 1, S. 1176.

  71. Max Müller, „Bildung", in: Staatslexikon, Freiburg 1958, Bd. 2, S. 23.

  72. Tobias Brocher. Sind wir ver-rückt?. Lebens-probleme des modernen Menschen, Stuttgart 1973, s. 21.

  73. K. G. Fischer, Mensch und Gesellschaft, a. a. O S. 5 ff., 54, 75.

  74. Brocher, a. a. O., S. 21.

  75. Romano Guardini, Freiheit, Gnade, Schicksal — Drei Kapitel zur Deutung des Daseins, München 1948, S. 100.

  76. Guardini a. a. O., S. 103.

  77. Max Horkheimer, Notizen 1950 bis 1969 und Dämmerung, hrsg. von Werner Brede, Frankfurt 1974, S. 1962.

  78. Romano Guajdini, Unterscheidung des Chrisl-liehen, Gesammelte Studien 1923— 1963, Mainz 1963, S. 104.

  79. Guardini, a. a. O., S. 98.

  80. Brocher, a. a. O., S. 12.

  81. Guardini, Freiheit a. a. O., S. 118.

  82. Adolf Portmann, Biologie und Geist, Zürich 1936, S. 265.

  83. Wilhelm, a. a. O., S. 141 ff.

  84. Guardini, Freiheit a. a. O., S. 20.

  85. Buber, a. a. O., S. 35.

Weitere Inhalte

Hermann Boventer, Dr. phil., geb. 1928 in Düsseldorf; Studium der Philosophie, Kunstgeschichte, Soziologie; drei Jahre Studium und Lehrtätigkeit in Nordamerika, USA-Vortragsreisen; zwölf Jahre Tätigkeit als Journalist (Chefredakteur der Jugendillustrierten „kontraste", freiberuflich); seit 1968 Akademie-leiter (Thomas-Morus-Akademie Bensberg); derzeit Vorsitzender der Gesellschaft Katholischer Publizisten Deutschlands; Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Veröffentlichungen: Broschüren und Magazine der Bundeszentrale für politische Bildung, u. a. „Automation wohin?", „Wahlrecht", „Der einzelne vor der Politik: Eine politische Verhaltenslehre", „Respekt vor der Obrigkeit: Autorität und Staat", „Fremde, Gäste, Freunde: Gastarbeiter in Deutschland", Bonn 1966— 69; Artikel „Die Illustrierten", in: Handbuch der Publizistik, Bd. 3, 1969; Die Ideologie wiederentdeckt. Zum Protest der jungen Generation, in: Neue Ordnung, Walberberg, 4/71; Lebensqualität: Unbehagen am Fortschritt, in: Neue Ordnung, 2/73; Sinnfrage, Mensch und Bildungskonzept, in: Neue Ordnung, 3/73; Medienpolitik: Eine andere Pressefreiheit?, in: Neue Ordnung, 5/73; Fernsehen und Politik, in: Stimmen der Zeit, München, 1/74; Abschied von der christlichen Erziehung?, in: Pastoralblatt, Köln, 4/74; Das utopische Denken, in: Stimmen der Zeit, 6/74; Medienpolitik — Nicht mehr, sondern weniger Pressefreiheit, Nr. 15 von „Kirche und Gesellschaft", Mönchengladbach 1974; Der Mensch und die Gesellschaft, in: Pastoralblatt, 3 und 4/75; Gebt uns die totale Schule — Pädagogik als Allmachtstraum, Edition Interfrom Zürich 1975; Emanzipation durch Curriculum? — Kritik der Emanzipationspädagogik und die Frage nach den Erziehungswerten, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 13/75; Macht und Ohnmacht der Meinungsmacher, in: Herderbücherei Initiative 11, Freiburg 1976.