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Antizionismus -Antisemitismus von links? | APuZ 24/1976 | bpb.de

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Antizionismus -Antisemitismus von links?

Henryk M. Broder

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Zusammenfassung

Henryk M. Broder hat. über zwei Jahre die Berichterstattung der ultralinken Presse in der Bundesrepublik über Israel und den Nahost-Konflikt verfolgt. Am Ende seiner Untersuchung steht kein Frage-, sondern ein Ausrufezeichen: Der aktuelle Antizionismus, der von großen Teilen dieser ultralinken Gruppen (von der DKP über die KPD bis zur KPD/ML und dem KBW) vertreten wird, ist in seinem Wesen, seiner Methodik und seiner Zielsetzung dem klassischen Antisemitismus aufs engste verwandt. Es geht beim Antizionismus nicht um eine Kritik am Staate Israel oder an der Politik seiner Regierungen, es geht vielmehr um die Existenzberechtigung dieses Staates überhaupt, dessen Liquidierung Kernpunkt der antizionistischen Polemik ist. Die traditionelle antisemitische Propaganda bereitete die Vernichtung der Juden vor, indem sie die Juden stigmatisierte und dämonisierte, ihnen alle schlechten Eigenschaften und üblen Absichten unterstellte: sie waren hochmütig, habgierig, parasitär; unterdrückten, mordeten meuchlings, beuteten aus und versuchten, sich die ganze Welt untertan zu machen. Dadurch wurde zweierlei erreicht: Erstens wies sich der Antisemitismus als eine legitime Notwehr gegen einen skrupellosen Gegner aus; zweitens wurden die Juden immer mehr entmenschlicht, so daß derjenige, der gegen sie antrat, nicht einmal Bedenken haben mußte, sich an Menschen zu vergreifen. Nach demselben Konzept verfährt heute der Antizionismus — sicher mehr intuitiv als bewußt kopierend, jedenfalls aber in auffälliger Analogie zum bekannten Vorbild. Die antizionistische Propaganda sieht hundert Millionen Araber durch drei Millionen Israelis ernsthaft bedroht. Die Unterstellung gewaltiger Expansionsabsichten — vom Schwarzen Meer bis nach Gibraltar — vernebelt, was die Israelis tatsächlich zur Überschreitung ihrer Staatsgrenzen bewogen hat, daß sie z. B. nicht wegen der schönen Aussicht die Golanhöhen hinaufgeklettert sind. Keine linke Stimme erhob sich jemals zum Protest, als die Syrer schon gewohnheitsmäßig Teile von Galiläa mit ihren Kanonen von den Golanhöhen aus beschossen. Die antizionistische Linke hatte daran nichts auszusetzen, denn für sie ist der Konflikt zwischen Israel und den arabischen Staaten nicht territorialer, sondern prinzipieller Natur. Das antijüdische Ressentiment hat nur seine Terminologie gewechselt, statt von Juden (und der Endlösung der Judenfrage) ist von Zionisten (und der Zerschlagung der zionistisch-imperialistischen Aggression) die Rede. Im Gewände des Antizionismus kann sich der gewöhnliche Antisemitismus in einer politisch verbrämten Fassung ungeniert entfalten.

I. Antizionistisches Engagement von der DKP bis zur KPD/ML

Am 9 . August 1938 erschien der „Völkische Beobachter", das Kampfblatt der nationalsozialistischen Bewegung Großdeutschlands, mit der Schlagzeile: „In Prag regieren die Juden!“

Fast auf den Tag genau 30 Jahre später, am 21. August 1968, erschien das Organ des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, „Neues Deutschland", mit einer ganz ähnlichen Artikelüberschrift: „In Prag regieren die Zionisten!"

Die Parallelität der Ereignisse ist erschrekkend offensichtlich: In beiden Fällen wurde stimmungsmäßig die „Befreiung" Prags vorbereitet, 1938 von den dort angeblich regierenden Juden, 1968 von den Zionisten, die in der Hauptstadt der CSSR die Macht an sich gerissen haben sollten. In beiden Fällen hatte eine auswärtige Macht ein Interesse daran, einen erprobten Popanz als Sündenbock aufzubauen, um das gewaltsame Eingreifen zu rechtfertigen. Der Feind wurde 1968 zwar etwas anders etikettiert als 1938, das Ressentiment jedoch war das gleiche geblieben.

Das Beispiel ist typisch für eine Entwicklung, die begrifflich vom Antisemitismus zum Antizionismus und politisch von rechts nach links führt: Während der Antisemitismus alter Schule eine Domäne der Rechten war und von der Linken nur gelegentlich zur Verstärkung ihrer antikapitalistischen Propaganda eingesetzt wurde, ist der Antizionismus der sechziger und siebziger Jahre ein Motiv, das die radikale Linke in ihren politischen Glaubens-Katalog aufgenommen hat. Das antizionistische Engagement — die Gegnerschaft zum . Antizionismus — Antisemitismus von links?" ist eine Arbeit, die für den Funk geschrieben wurde. Bei dem hier abgedruckten Text handelt es sich um das — leicht redigierte — Manuskript einer wndung vom 8. Juni 1976, die der NDR mit dem DR produziert hat. Ich danke den beiden Redak-wuren, Dr. Linz beim NDR und Dr. Reitschert beim R, für die Geduld, mit der sie meine Arbeit veriolgt haben, und für ihre redaktionelle und persönliche Hilfe.

Staat Israel und der Bewegung, aus der er entstanden ist — ist in allen politischen Gruppen links der SPD — von der moskautreuen DKP bis zu der maoistischen KPD/ML — mittlerweile ebenso selbstverständlich geworden wie das Eintreten für mehr Arbeiterrechte, höhere Löhne und niedrigere Preise.

Der evangelische Theologe Rudolf Pfisterer warnt vor dem „alten Feind in neuem Kleid"; Heinrich Böll sieht einen „historischen Irrtum der Linken" und der Philosoph Jean Amery meint: „Unter Zionismus versteht die Linke ungefähr das, was man so rund vor 30 Jahren in Deutschland das Weltjudentum genannt hat."

Die Gleichsetzung von Antisemitismus und Antizionismus ist allerdings nicht unproblematisch. Die Wortführer des Antizionismus weisen es weit von sich, antisemitisch eingenommen zu sein. Sie hätten nichts gegen Juden, betonen sie, ihre Antihaltung beziehe sich nur auf die Zionisten und ihr Werk, den Staat Israel, „den Brückenkopf des Imperialismus im Nahen Osten". Und da nicht alle Juden Zionisten seien, da außerdem nur etwa 20 °/o aller Juden in Israel leben würden, könne sich der Antizionismus schon gar nicht gegen die Juden schlechthin richten.

Für diese Position gibt es auch Belege zum Beispiel jüdischer Autoren wie Erich Fried und Menachem Menuhin, die — unter ausdrücklichem Hinweis auf ihr Jude-Sein — Attacken gegen Israel und die Zionisten veröffentlichen; Erich Fried in der Zeitschrift „konkret", Menachem Menuhin in der „Deutschen Nationalzeitung"; ferner die Sekte „Naturei Karta" der orthodoxen Jerusalemer Juden: sie erkennen den Staat Israel nicht an, zahlen keine Steuern, verweigern den Wehrdienst, wenden sich gegen die Schändung des Hebräischen als Umgangssprache, das sie nur im Gebet benutzen, wünschen sich eine arabische Souveränität über Jerusalem und leben dennoch unbehelligt in dem Staat, um dessen baldiges Ende sie beten, da er frevelhafter-weise schon vor der Ankunft des Messias gegründet worden sei. Jedoch — was beweist das? Ist der Antizionismus nur deshalb nicht antisemitisch, weil es Juden gibt, die gegen den Staat Israel sind? Zu den vielen Gesichtern des Antisemitismus gehört aber auch eine jüdische Variante. Es gab und gibt — so absurd das erscheinen mag — auch jüdische Antisemiten. Dreißig Jahre nach Kriegsende und einem der größten Völkermorde in der Geschichte der Menschheit vermögen antizionistische Juden — religiöse Fanatiker oder politische Widersacher — den aktuellen Antizionismus nicht vom Ruch des gewöhnlichen Antisemitismus zu befreien.

Auch das numerische Argument, nur eine Minderheit der Juden habe sich in Israel versammelt, taugt wenig; Israel ist eben nicht nur ein Staat für seine dreieinhalb Millionen Bürger, davon drei Millionen Juden. Israel ist, und das macht seine größte und am schwersten zu begreifende Besonderheit aus, vor allem der Ort, von dem eine neue jüdische Identität ausgeht, die Widerlegung des jüdischen bzw. antijüdischen Stereotyps vom Nomaden, vom heimatlosen Wanderer, der nirgendwo hingehört, vom politischen und wirtschaftlichen Parasiten, vom kulturellen Fremdkörper einer jeden Wirtsgesellschaft, die ihn aufnimmt. Es gilt nicht mehr, was einer der größten Antisemiten der Neuzeit, Eu-gen Karl Dühring, im Jahre 1881 geschrieben hat: „Die Juden haben seit Jahrtausenden, trotz allen aufgesogenen Reichtums, politisch kein eigenes Haus, sondern hausieren bei anderen Völkern herum. Sie sind ein zersetzendes Element geworden, welches sich in die anderen Völker eindrängt. .

Der Zionismus hat diesen Vorwurf zunichte gemacht und den Juden nicht nur wieder eine geographische Heimat, sondern auch ein neues Selbstbewußtsein gegeben, das Gefühl, auf eigenen Beinen zu stehen, und nicht mehr vom Wohlwollen der jeweiligen Gastgeber abhängig zu sein. Der Zionismus ist die nationale und politische Emanzipationsbewegun der Juden, deren konkreter Ausdruck der Staat Israel ist. Der Germanist Hans Mayer hat die These formuliert, die auch dieser Abhandlung zugrunde liegt: „Wer den Zionismus angreift, aber beileibe nichts gegen die Juden sagen möchte, macht sich oder anderen etwas vor. Der Staat Israel ist ein Judenstaat wer ihn zerstören möchte, erklärtermaßen oder durch eine Politik, die nichts anderes bedeuten kann als solche Vernichtung, betreibt den Judenhaß von einst und von jeher." Der Antizionismus ist in seinem Wesen, seiner Methodik und seiner Zielsetzung mit dem Antisemitismus identisch. Dreierlei macht den Charakter des Antisemitismus aus. Erstens: Er war und ist irrational und willkürlich: Was er an Argumenten gegen die Juden vorbringt, dient nur dazu, ein längst gefälltes Urteil zu rechtfertigen. Zweitens: Er behandelt die Juden prinzipiell ungleich. Sie dürfen sich weniger erlauben als andere, ihnen darf aber mehr zugemutet werden. Drittens: Er zieltauf die Auslöschung der jüdischen Identität, weil ihn nicht irgendwelche jüdischen Eigenschaften stören, sondern die Tatsache, daß es Juden gibt. Gleichzeitig hintertreibt er die Assimilation der Juden. Dieser Widerspruch mußte zur physischen Endlösung der Judenfrage führen.

Der Antisemitismus hat viele Gesichter und zahlreiche Ursachen, über die sich die Gelehrten seit langem erfolglos streiten. Die beste und kürzeste Definition des Begriffes „Antisemitismus" stammt von Wladimir Iljitsch Lenin: „Antisemitismus nennt man die Verbreitung von Feindschaft 'gegen die Juden." Galt diese Feindschaft in ihrer alten Form den Juden als Individuen, rechten oder linken, als Rasse —minderwertige— oder Volk — hochmütiges —, als reichen Ausbeutern oder armen Schnorrern — je nach dem Bedürfnis des Antisemiten —, so gilt sie heute in ihrer antizionistischen Ausgabe dem, wie es Eugen Karl Dühring sagen würde, eigenen politischen Haus der Juden, an dem sich antisemitische Empfindungen stoßen.

II. Zionismus — die nationale Emanzipationsbewegung der Juden

Der Grundstein zu diesem Haus wurde 1895 in Wien gelegt, wo Theodor Herzl seine Schrift „Der Judenstaat — Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage" veröffentlichte. Vor allem unter dem Eindruck der Dreyfus-Affäre, über die er für eine Wiener Zeitung berichtet hatte, war Herzl zu der Über-zeugung gekommen, „daß die Emanzipation als Integrationsmaßnahme versagt habe und das Streben der Juden nach Assimilation an ihre nichtjüdische Umwelt“ zum Scheitern verurteilt sei. Deshalb könne die Judenfrage nur „durch die Konzentration eines möglichst großen Teils der Juden in einem eigenen Lande gelöst werden"

Obwohl er als Begründer des politischen Zionismus angesehen wird, war Herzl nicht der erste, der einer national-jüdischen Bewegung das Wort sprach. Vor ihm hatten schon — unter anderen — der Sozialist Moses Hess 1862 sein Buch „Rom und Jerusalem" und der Arzt Leon Pinsker 1882 die Schrift „Autoemanzipation’ veröffentlicht. Seitdem bildeten sich, vor allem in Rußland, zionistische Zirkel. Beeinflußt von den nationalstaatlichen Strömungen des 19. Jahrhunderts verband sich im frühen Zionismus die Erfahrung der ständigen Verfolgung — Pogrome waren in Rußland ebenso an der Tagesordnung wie Armut und Hunger— mit der alten religiösen Sehnsucht einer Rückkehr nach Zion, dem biblischen Jerusalem, ins Heilige Land. Dennoch standen orthodoxe Juden dem politischen Zionismus ablehnend gegenüber — sie wollten und wollen immer noch nur durch den Messias heim-geführt werden. Der Judenstaat war nicht nur das gelobte Land der Bibel, er war, wie es Herzl schrieb, „die sonnige Aussicht auf Ehre, Freiheit und Glück". Daß der Wiener Stücke-schreiber Herzl nicht als der große Dramatiker, der er gern geworden wäre, sondern als der eigentliche Schöpfer des Staates Israel in die Geschichte eingegangen ist, lag an zwei Dingen:

Erstens war Herzls Entwurf des Judenstaatos von einer Detailtreue, die auf jede Phantasie wie ein Weckamin wirken mußte. Der Plan reichte von solchen Einzelheiten wie em »Siebenstundentag als Normalarbeitstag" nit einer maximalen „Überzeit von höchstens rei Stunden" („... unsere Leute werden sich 'm neuen Leben zur Arbeit drängen und die Welt wird erst sehen, welch arbeitsames Volk wir sind...") bis zu der Auflage, daß „alle Verpflichtungen in den bisherigen Wohnorten rechtschaffen erfüllt werden müssen" und nur diejenigen in den Judenstaat kommen dürfen, „die ein Amtszeugnis ihrer bisherigen Behörde beibringen: , In guter Ordnung fortgezogen’".

Zweitens hatte Herzl einer damals schon weit verbreiteten Stimmung Ausdruck verliehen und aufgeschrieben, was viele dachten und empfanden. Deshalb konnte er im Jahre 1897, nur zwei Jahre nach dem Erscheinen seines „Judenstaats", den ersten zionistischen Kongreß nach Basel einberufen, auf dem das berühmte Baseler Programm verabschiedöt wurde, dessen erster und wichtigster Satz lautet: „Der Zionismus erstrebt für das jüdische Volk die Schaffung einer öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte in Palästina."

Das war, je nach Standpunkt, die „Wiedergeburt der jüdischen Nation“ oder der Beginn der „zionistischen Aggression". Herzl schrieb nach dem Baseler Kongreß in sein Tagebuch: „Fasse ich den Baseler Kongreß in ein Wort zusammen — das ich mich hüten werde, öffentlich auszusprechen —, so ist es dieses: In Basel habe ich den Judenstaat gegründet. Wenn ich das heute laut sagte, würde mir ein universelles Gelächter antworten. Vielleicht in fünf Jahren, jedenfalls in 50, wird es jeder einsehen." 51 Jahre später, im Mai 1948, rief David Ben Gurion den Staat Israel aus.

Der Zionismus war zuerst ein Appell zur nationalen Selbstbesinnung, dann der Wunsch nach einer Heimstätte (noch nicht nach einem Staat), später — zur Zeit der Naziverfolgungen — eine Rettungsbewegung, schließlich eine Staatsideologie, wobei die Frage nahe-steht, wie weit seine Ideale in Israel verwirklicht worden sind. Es gab auch nicht einen Zionismus, sondern viele Konzeptionen. Ihr politisches Spektrum reichte (und reicht) von ganz links bis ganz rechts. Herzl selbst hielt „die demokratische Monarchie und die aristokratische Republik für die feinsten Formen des Staates". Er war, so würde man heute sagen, ein konservativer Bürgerlicher. Und es gab die sogenannten Kulturzionisten, die nur ein „geistiges nationales Zentrum" wollten, einen Ort, der „keine Zufluchtstätte für die Judenheit, sondern für das Judentum, für unseren Nationalgeist" sein sollte, „ein Zentrum der Thora und der Wissenschaft, der Sprache und der Literatur, der körperlichen Arbeit und der seelischen Reinheit ..."

Der Zionismus hatte seine Praktiker und seine Mystiker, er hatte kühle Denker und emotionale Schwärmer. Seine Entwicklung wurde aber nicht in Debattierkreisen bestimmt, sondern durch die Geschichte. Allein von 1917 bis 1921 wurden in Rußland einhunderttausend Juden umgebracht. Die Opfer der vorausgegangenen Pogrome hat niemand gezählt.

Die Judenverfolgung in Deutschland war die letzte fürchterliche Bestätigung, daß es einen Fleck Erde geben muß, von dem jeder Jude weiß, „... daß er ihn aufnähme unter allen Umständen, ... daß er, so lange Israel besteht nicht noch einmal unter der schweigenden Zustimmung der ungastlichen Wirtsvölker günstigstenfalls unter deren unverbindlichen Bedauern in den Feuerofen gesteckt werden kann"

III. Vier Zielpunkte antizionistischer Propaganda

So schwierig es ist, für den Zionismus eine verbindliche Definition zu finden, für die antizionistische Linke ist es offenbar kein Problem, dieses vielschichtige Phänomen in den Griff zu bekommen. Für diese Abhandlung wurden einige hundert Artikel aus etwa einem dutzend linker Periodika ausgewertet: den Zentralorganen der diversen kommunistischen Parteien wie „Unsere Zeit" der DKP, „Roter Morgen" der KPD/ML, „Rote Fahne" der KPD, „Kommunistische Volkszeitung" des KBW sowie einigen parteieigenen oder zumindest parteinahen Informationsdiensten wie den „Palästina-Nachrichten", der „Roten Presse Korrespondenz", dem „Antiimperialistischen Informationsbulletin" oder dem „Berliner Extra Dienst". Es ist das publizistische Spektrum der sogenannten radikalen Linken, die von der APO übriggeblieben ist. Die politischen Differenzen innerhalb dieses Lagers sind zahlreich und tiefgreifend. Was die antizionistische Attitüde angeht, herrscht freilich weitgehende Übereinstimmung, die nur im Grad der verbalen Radikalität, nicht aber im Inhaltlichen Unterschiede aufweist. Die Technik der antizionistischen Propaganda soll im folgenden an vier Punkten gezeigt werden: die Geschichte, Entstehung und Ziele des Zionismus; die Gründung des Staates Israel; der israelisch-arabische Konflikt; die Wege zur Lösung des Konflikts. 1. Geschichte und Entstehung des Zionismus Der Zionismus erscheint, von links betrachtet, als ein ahistorisches Phantomgebilde, das seine Entstehung „der kleinbürgerlichen mittel-und osteuropäischen jüdischen Intelligenz verdankt", deren ideologische Führer „einerseits an einer normalen bürgerlichen Karriere behindert, andererseits von Verproletarisie. rung bedroht" waren und deshalb „mit fanatischem Eifer an die Formulierung der Idee eines eigenen Staates" gingen Er war die „Antwort jüdischer Kleinbürger auf ihre sozio-ökonomische Lage" und zugleich auch „eine imperialistische Ideologie“, deren Ziel ein „Kolonialistenstaat auf fremden Boden" war, „der die arabischen Völker spalten und zu beherrschen erlaubt und so dazu beitragen soll, die Erdölreichtümer im Nahen und Mittleren Osten für den Imperialismus zu sichern" Die Gründung des Staates Israel lag „im Interesse des jüdischen Großkapitals, das mit dem internationalen Imperialismus und seinen Interessen eng verflochten war“, weswegen der „zionistische Staat selbstverständlich am strategisch und ökonomisch wichtigen Suez-Kanal und in der Nähe der reichen und großen persischen Olfelder" etabliert wurde

Zum Antisemitismus steht der Zionismus insofern in einer Beziehung, als er ebenso „wie der Antisemitismus seine Wurzel in der Krise des imperialistischen Systems hat“. Doch bekämpft er „keineswegs die Grundvoraussetzungen, aus denen der Antisemitismus entspringt", denn „er weigert sich, dessen Ursachen, die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen und die dadurch verursachte Unterdrückung sozialer, religiöser und kultureller Minderheiten, zu bekämpfen“ des-halb ist der Zionismus „in seiner chauvinistisch-rassistischen Grundtheorie ein nicht minder negatives Spiegelbild des Antisemitismus'

Die antizionistische Propaganda benutzt drei Argumentationslinien:

Erstens: Der Zionismus ist eine rassistisch-chauvinistische Erfindung einiger karriere-süchtiger Kleinbürger.

Zweitens: Der Zionismus verbündete sich mit dem Großkapital und dem Imperialismus, um dessen Erdölinteressen sichern zu helfen.

Drittens: Der Zionismus lenkt die jüdischen Massen von ihren wahren Interessen ab und geniert sich nicht einmal, die Leiden der Juden für seine Zwecke auszunutzen.

Zur Illustration dieser Argumentation seien einige Zitate wiedergegeben: . Theodor Herzl, der Begründer der national-rassistischen Ideologie des Zionismus ... hat den chauvinistischen Wünschen jüdischer Kapitalisten endgültig ein festes ideologisches Gewand verliehen, das bis heute in den Köpfen der israelischen Imperialisten haust... Der Zionismus ist die Ideologie äußerst reaktionärer jüdischer Kapitalisten... Um irgendeine Begründung für sein Ziel zu geben, grub der Zionismus die Ideologie des jüdischen Volkes'und der Jüdischen Nation'aus und putzte sie auf. Dieses angebliche Volk, in dem alle Sprachen vorkommen, das weder eine gemeinsame Geschichte, noch eine gemeinsame Abstammung hat, ... verbindet nur eins — die Religion..." . Alle zionistischen Konzepte, . Theorien 1, Pläne gegen Ende des 19. Jahrhunderts, ob sie aus Frankreich, Deutschland, Rußland kamen, ob sie sich . sozialistisch'gaben oder ihren reaktionären Charakter offen kund taten, hatten zwei entscheidende Merkmale gemeinsam: den jüdischen Arbeitern, Bauern, Handwerkern, Intellektuellen und Kapitalisten in den verschiedenen Ländern Europas wurde eingeredet, daß eine gemeinsame Eigenschaft sie verbinde — nämlich die Zugehörigkeit zu einer sogenannten jüdischen Nation —, und daß alle jüdischen Bürger, gleichgültig in welchem Land sie leben, gleichgültig welcher Klasse oder Schicht sie angehören, Anspruch auf eine gemeinsame . nationale Heimstatt'hätten. Mit diesen demagogischen Thesen, die darauf hinausliefen, die jüdischen Werktätigen vom Kampf um soziale Befreiung an der Seite aller Werktätigen abzuhalten, waren die Zionisten von Anbeginn Verbündete des Großkapitals, mit ihren kolonisatorischen Plänen einer . nationalen Heimstatt'waren die Zionistenführer zugleich die idealen Kollaborateure der imperialistischen Mächte...“ „Der Zionismus verkannte bewußt die wahren Ursachen der Judenverfolgung und verbreitete eine rassistische, nationalistische Ideologie, um die verfolgten Juden Osteuropas möglichst weit weg von Westeuropa zu schaffen. Sie sollten nach dem entfernten Palästina umgesiedelt werden, wo sie keine Probleme für die assimilierten Juden Westeuropas bereiten würden ... Die Zionisten versuchten die jüdischen Massen durch lügnerische Propaganda für ihre Sache zu gewinnen ..."

Taktisch-ideologische Äußerungen können nicht widerlegt werden. Sie sind ja nicht argumentativ, sondern taktisch gemeint in der Weise, daß sich die Realität ihrer Auslegung unterordnen muß. Es bringt deshalb wenig, darauf hinzuweisen, daß Juden weit über den Prozentsatz, den sie in der Bevölkerung ausmachten, am Kampf um soziale Befreiung an der Seite aller Werktätigen teilgenommen haben, was letztlich ihre und aller Werktätigen Befreiung nur wenig, dafür aber den Antisemitismus noch weiter vorantrieb, da „jüdisch" zum Synonym für „bolschewistisch" und „umstürzlerisch" wurde. Ist es wirklich nötig zu sagen, daß die Juden, dieses „angebliche Volk", sehr wohl eine gemeinsame Geschichte, eine gemeinsame Abstammung haben, daß es drei jüdische Sprachen — Jiddisch, Hebräisch und Ladino — und einen jüdischen Kalender gibt, der in diesem Jahr bei der Zahl 5736 angekommen ist? Und muß man daran erinnern, daß die Zionisten es nicht nötig hatten, den Juden einzureden, daß eine gemeinsame Eigenschaft sie verbindet, weil das schon mit Nachdruck die Antisemiten besorgten? In einem antisemitischen Pamphlet aus dem Jahre 1900 heißt es mit bildhafter Deutlichkeit: „Ein Semit kann so wenig ein Deutscher werden wie ein Chinese eine amerikanische Rothaut... Der Jude kann sich gar nicht assi-milieren und auf die Dauer sein Wirtsvolk über seine wahre Natur täuschen, mag er dessen Art auch noch so beflissen nachäffen, zu Weihnachten einen Tannenbaum anzünden, Mensuren auspauken, Reserveoffizier spielen und was dergleichen mehr ist..

In keinem Land Europas waren die Juden so weit assimiliert, so wenig „jüdisch", wie in Deutschland. Es gab einen „Verband national-deutscher Juden" und einen „Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“, die sich zu ihrem Deutschtum bekannten wie ein Corpsstudent zu seiner Verbindung. Aber darauf kam es nicht an; gleich was ein Jude tat oder unterließ, er sperrte sich in jedem Fall selber aus. In einem Aufsatz über „Die Parteien innerhalb des modernen Judentums", erschienen im „Antisemitischen Jahrbuch" für das Jahr 1900, stellt der Verfasser „eine Skala bezüglich der Gefährlichkeit der einzelnen jüdischen Parteien" auf und kommt zu dem Schluß: „Am gefährlichsten sind diejenigen, die mit dem Judentum anscheinend ganz gebrochen haben, die mittels der Taufe das Eintrittsbillet in die europäische Kultur zu erwerben gestrebt haben. Sie gelten als . Christen'und werden offiziell und in der Meinung vieler guter Patrioten den Eingeborenen gleichgestellt... Nach diesen kommen die assimilationsfreundlichen Reformjuden, die mit dem Brustton der Überzeugung stets behaupten, , wir sind gute Deutsche und wollen nichts anderes sein, uns scheidet nur die Konfession von Euch, in allem übrigen sind wir Euch gleich... Die orthodoxen Juden sind nicht völlig so gefährlich für uns als die anderen Richtungen, wenn es auch höchst wahrscheinlich ist, daß unter ihnen, mindestens unter einem Teile, der Blutaberglaube besteht, der sie treibt, von Zeit zu Zeit einen Nichtjuden durch den bekannten Schächtschnitt zu töten ... Aber diese seltenen Blut-taten sind längst nicht so schlimm für uns als das, was die aufgeklärten westeuropäischen Juden treiben. Die vereinzelten Morde tragen in keiner Weise dazu bei, uns unter das Joch der Juden zu bringen."

Der Verfasser dieser Analyse war ein gebildeter, promovierter Mann. Er forderte nicht einmal die Vernichtung der Juden, aber er sorgte — mit vielen Gleichgesinnten — für die Atmosphäre, in der die Vernichtung als logische Konsequenz akzeptiert wurde. Die Assimilation wurde nicht von den Juden ver-weigert. Die antizionistische Propaganda stellt auch in diesem Punkt die Geschichte auf den Kopf, gibt den Verfolgten die Schuld an ihrer Verfolgung — weil sie sich nicht anpassen wollten — und macht aus dem Zionismus einen Kumpan des Antisemitismus: „Die Gewinnung der Mehrheit aller Juden für die Errichtung eines „Judenstaates’ versuchte die zionistische Bewegung auf folgende Weise durchzusetzen: Die Assimilation der Juden in ihren Heimatländern wurde prinzipiell bekämpft und ein völkisches, rassisches Bewußtsein formuliert. Insofern war und ist det Zionismus eine rassistische Antwort auf die rassistische Ideologie des , Antisemitismus\“ „Der politische Zionismus, wie Herzl seine Ideologie nannte, betrachtete den Antisemitismus als einen natürlichen, angeborenen Trieb der Menschen, unter dem die Juden immer leiden würden, so lange sie kein eigenes Land hätten... Er ließ die wahren Ursachen des Antisemitismus in Europa und Rußland beiseite und schuf aus einer Mischung aus Nationalismus und Rassismus eine reaktionäre Ideologie, die angeblich das Jüdische Volk 1, das niemals existiert hatte, retten sollte...“

Wenn das jüdische Volk niemals existiert hatte, dann muß es sich beim Antisemitismus offenbar um ein kollektives Mißverständnis in der Wahl des Haßobjekts handeln. Ferner hat Herzl den Antisemitismus auch nicht als einen natürlichen angeborenen Trieb der Menschen bezeichnet. Er meinte: „Tief im Volks-gemüt sitzen alte Vorurteile gegen uns. Wer sich davon Rechenschaft geben will, braucht nur dahin zu horchen, wo sich das Volk aufrichtig und einfach äußert: das Märchen und das Sprichwort sind antisemitisch. Das Volk ist überall ein großes Kind, das man freilich erziehen kann, doch diese Erziehung würde im günstigsten Falle so ungeheure Zeiträume fordern, daß wir uns vorher längst auf andere Weise geholfen haben .. ."

Herzl hat recht behalten. Die Juden haben sich bereits auf andere Weise geholfen, aber das Volksgemüt mag vom Juden nicht lassen. Schon immer gehörte es zu den Lieblingsbeschäftigungen der Antisemiten, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, was die Juden sind, wie sie es geworden sind und wie man ihnen das Judesein austreiben könnte. Nicht bereit, Menschen, die sich selbst als Juden empfinden, einfach zu akzeptieren, haben sie die Juden'immer so beschrieben, daß sie jederzeit gegen die Juden vorgehen konnten. Zu der Zeit als der Großteil der Juden in Deutschland um Assimilation bemüht war und nur die Religion als Spezifikum behalten wollte, schrieb der Antisemit Eugen Karl Dühring:

. Unter den sämtlichen Judeneigenschaften ist die Religion oder die Anlage zu einer bestimmten Religion nur ein Bestandteil, der im Verhältnis zu den übrigen noch nicht mit ein Zehntel in Rechnung kommen kann." Für Dühring war es unbestritten, daß die Juden ein Volk sind, wenn auch nur „ein Volk von lauter Kreaturen, welches nie eine Faser, von echtem Freiheitsgefühl an sich gehabt hat“

Heute, da sich die Juden als Volk in einem Staat konstituiert haben, verläuft die antizionistische Argumentation genau umgekehrt. Es gilt stets das Gegenteil nachzuweisen. Der Satz, daß die Juden ein angebliches Volk sind, wurde schon zitiert, ebenso die Ansicht, ein jüdisches Volk habe es nie gegeben. Was sind also „die Juden"?

. Nicht Rasse! Nicht Volk! Als Juden wurden ursprünglich die Angehörigen eines nach dem Stamme Juda benannten, in Palästina ansässigen Volkes bezeichnet, das sich nach dem Jahre 70 unserer Zeitrechnung jedoch in alle Welt zerstreute. Das Bestehen eines jüdischen Volkes liegt also nahezu 2000 Jahre zurück. Die zeitgenössische Definition der Juden bezieht sich demnach im allgemeinen auf die Angehörigen der jüdischen Religion ..

Eine andere Erklärung bestreitet selbst das Vorhandensein einer jüdischen Religion: „Die jüdische Religion — richtiger: Ideologie — besagt, daß die Juden das , auserwählte Volk'eines ganz spezifischen . Gottes'seien, der die gesamte Weltgeschichte ausschließlich im Inleresse .seines Volkes'lenkt und ihm Palästina als ewigen Wohnsitz zugewiesen hat. Diese Ideologie (diente) der Verschleierung von Klassengegensätzen innerhalb des jüdischen Volkes und der Überheblichkeit gegenüber anderen Völkern..."

Bleibt also nur noch die Sozio-Okonomie: „Im " egensatz zu den landläufigen idealistischen Interpretationen, die die Erhaltung von Juden als Juden in den verschiedenen Gesellschaften im wesentlichen auf ihren kulturell-religiösen Zusammenhalt zurückführt... können wir feststellen, daß die primäre Ursache dafür in einer bestimmten sozio-ökonomischen Funktion liegt, welche die Juden in den verschiedenen Gesellschaften eingenommen haben ...“ „Die Juden waren als altes Handelsvolk seit der Antike mit Warenhandel und Geldgeschäften vertraut und übernahmen deshalb in ihren Gastländern diesen wirtschaftlichen Randbereich. Mit ihrem Geld finanzierten jüdische Bankiers die Luxusbedürfnisse und Kriege des Adels. Ganze Königshäuser standen in ihrer Schuld ..."

Schließlich wird die Frage gestellt, ob die Juden überhaupt Juden sind: „Daß die heutigen Juden Nachfahren der Hebräer sind, konnten auch jüdische Anthropologen nicht beweisen; daß die Juden und nicht die Araber als Ureinwohner Palästinas erscheinen, läßt sich ebenfalls nicht belegen . . . Daß die Juden stets schon nach Palästina zurückkehren wollten, erweist sich bei historischer Prüfung als falsch. Richtig ist einzig, daß Palästina vor 2000 Jahren die Heimat der Juden gewesen ist..

Aus alledem folgt der Schluß: „Die Geschichte des Landes Palästina ist wechselvoll, aber sie zeigt eines mit aller Deutlichkeit: der . Anspruch'der Zionisten auf dieses Gebiet ist eine chauvinistische Geschichtslüge, nur vergleichbar mit dem . Anspruch'der Hitlerfaschisten auf . Lebensraum im Osten'. Selbst auf die Bibel können sich diese Leute nicht berufen."

Das nun ist der zentrale Punkt der Beweisführung: zu zeigen, daß die Juden mit Palästina so viel zu tun haben wie die Eskimos mit der Wüste Gobi. Hier tritt ein Sachwissen zutage, das noch in einem Fingerhut keine Platznot hätte. Die Juden, dieses angebliche Volk, das es niemals gegeben hat, werden auf dem Umweg über die Sozio-Okonomie doch noch zu einem Volk, zu einem Handelsvolk, das seinen Zusammenhalt der Art des Broterwerbs verdankt. Natürlich spielte bei der Diskriminierung der Juden deren wirtschaftliches Verhalten auch eine Rolle — obwohl die Mehrzahl der von Pogromen verfolgten Ost-juden in großer Armut lebte —, aber es ist eine schlimme Vereinfachung, alles über den feudalistischen bzw. kapitalistischen Leisten zu schlagen: „Der Judenhaß am Ausgang des Mittelalters richtete sich primär nicht gegen die Juden etwa aus religiösen Motiven, sondern gegen seine jetzt entbehrliche Funktion als Geldbeschaffer und Wucherer..

„Auch der Antisemitismus im Dritten Reich und die Endlösung der Judenfrage lassen sich ebenfalls nur im Hinblick auf die damalige Krise des Kapitalismus verstehen..

Die antijüdischen Exzesse im Hitlerfaschismus richteten sich zunächst gegen jüdische Kleineigentümer und Handelskapitalisten und stützten sich vor allem auf das deutsche Kleinbürgertum. Sie waren das Resultat des faschistischen Ablenkungsmanövers zur Festigung der Monopoldiktatur, zur Zerschlagung der Arbeiterbewegung, zur Gewinnung und ideologischen Präparierung der kleinbürgerlichen Massen..."

Die antizionistische Propaganda kommt in ihrer Fixierung auf sozio-ökonomische Verhaltensweisen gar nicht auf die naheliegende Frage, warum noch tüchtigere Handelsvölker als die Juden, z. B. die Phönizier, nicht überlebt haben. Oder warum es in Staaten, die kaum weniger als Deutschland zu Beginn der Nazizeit von der Krise des Kapitalismus erfaßt wurden, nicht zu antijüdischen Exzessen bis hin zum Massenmord gekommen ist. Sie klammert den religiösen Antisemitismus ganz aus, unterschlägt, daß der Judenhaß älter ist als Feudalismus und Kapitalismus und daß er selbst den Kapitalismus überlebt hat — nämlich in den Ostblockstaaten.

Die Erkenntnis, daß der Antisemitismus nicht nur ein sozio-ökonomischer Reflex ist und die Anerkennung der Juden als eine sozial-religiöse Gemeinschaft, die durch mehr als nur vitalen Krämergeist zusammengehalten wurde, würde den Rahmen der vulgär-materialistischen Beweisführung sprengen. Im Stil der bekannten Ahnenforschung — nur mit umgekehrter Zielsetzung — wird gefragt, ob die Juden die authentischen Nachfahren der alten Hebräer sind; als ob es darauf ankäme. Die historisch-mystische Beziehung der Juden zu Palästina wird dagegen nicht erwähnt.

Heine hat einmal gesagt, daß der Jude ein „portatives Vaterland" habe, wohin er geht oder gehen müßte, da nimmt er sein Vater land mit. Damit ist der Talmud gemeint die liturgische Tradition und die nie aufgegebene Sehnsucht nach Zion. Das Pessach-Gebet „Nächstes Jahr in Jerusalem“ ist mehr als nur ein feiertäglicher Symbolismus: Ausdruck der Hoffnung auf bessere Tage, auf ein Leben ohne Flucht, Furcht und Unterdrückung Auch das sind psychische Realitäten, die das Bewußtsein von Menschen prägen. Darauf geht die antizionistische Propaganda nicht ein, sie arbeitet statt dessen lieber mit einem alten Versatzstück, mit dem auch schon die Antisemiten ihr Unwesen trieben: dem Topos des auserwählten Volkes, das ausgezogen ist, andere Völker zu unterjochen. Der theologische Begriff der „Erwählung" wurde im Sinne einer Anmaßung der Juden gegenüber Nichtjuden, einer selbstverfügten Privilegierung, ausgelegt. Die „Erwählung 1 bedeutet freilich keine Lust, sondern eine Last; es ist die Verpflichtung zu besonderer Gesetzestreue, zu einem unbedingten Gehorsam gegenüber Gottes Weisungen. Auch während der schlimmsten Verfolgungen haben die Juden an ihrem Glauben festgehalten — wider alle pragmatische Vernunft.

Die Antisemiten haben es verstanden, aus dieser „Erwählung", die den Juden immer nur Verfolgung und Unterdrückung eingebracht hat, das Gegenteil zu konstruieren. Eugen Karl Dühring schrieb über das Wesen der jüdischen Religion: „Dieser Nerv ist die Auserwähltheit zur Ausbeutung aller Völker oder kurz die Feindschaft gegen das Menschengeschlecht.“ Dührings Handschrift und Borniertheit schlägt noch heute in der antizionistischen Propaganda durch:

„Zionismus, das bedeutet: Israel soll das auserwählte Volk Gottes sein, während die Palästinenser und die anderen arabischen Völker ihm untertan sein müssen."

„Die Zionisten beanspruchen, als , auserwähltes Volk'die höhere Vorsehung in der Vernichtung des in ihren Augen minderwertigen palästinensischen Volkes spielen zu dürfen.“

„Die Grundlage des Zionismus ist die Theorie vom Recht des Stärkeren und von der Min derwertigkeit der Araber." Her Zionismus ist in seinem Charakter und " iom Anspruch auf das Auserkorensein eine Ideologie, die prinzipiell ein Volk über andere stellt und damit dessen Herrschaftspolitik legitimieren soll..."

Entsprechend sei auch das Ziel dieser „Herrschaftspolitik" :

Das Konzept der israelischen Zionisten für die Palästinenser lautet: Ausrottung des palästinensischen Volkes!"

. Rassistische Hetze soll die faschistische Völ-kermordpolitik zur Auslöschung der Palästinenser als Volk rechtfertigen!"

Es gibt Sachen, hat Karl Kraus einmal gesagt, die sind so falsch, daß nicht einmal das Gegenteil wahr ist. Die antizionistische Argumentationstechnik ist, analog der antisemitischen, völlig willkürlich. „Der Antisemit klagt an. Wenn er an einem Punkt widerlegt wird, dann erfindet er einen anderen und ist bereit, genau das Gegenteil der vorhergehenden Aussagen zu behaupten", schreibt der Theologe Rudolf Pfisterer Es kommt nicht darauf an, daß etwas stimmt, sondern nur, daß es paßt. Dazu gehört auch, wie schon gezeigt, die Umkehrung von Ursache und Wirkung.

Als vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges noch die Möglichkeit bestand, eine größere Anzahl von Juden vor dem Zugriff der Nazis zu retten, haben alle Staaten Immigrationsquoten eingeführt, die nur einen kleinen Teil der Verfolgten umfassen konnten. Die Vereinigten Staaten ließen zwar fast eine Viertelmillion Flüchtlinge ins Land, 1940 weigerte sich der Kongreß allerdings, Alaska für jüdische Flüchtlinge zu öffnen, 1941 wies der Kongreß eine schwedische Bitte zurück, 20000 jüdische Kinder außerhalb der Quote aufzunehmen. Damals leiteten die zionistischen Organisationen die Massenflucht in das britische Mandatsgebiet Palästina. Die Flüchtlinge kamen illegal, wurden auf See ausgeladen und oft genug von den Briten zurückgeschickt. Wie sieht dieses Kapitel der Geschichte von der korrekten linken antizioni-Stischen Position aus? Beispielsweise so: Gegen den Terror der Juden war selbstreend die Mandatarmacht Großbritannien machtlos ... Die Zionisten nutzten den Zweiten Weltkrieg, um ihrem Ziel einen gewaltigen Schritt näher zu kommen, ... ihren Traum vom Staate Israel auf palästinensischem Boden zu verwirklichen."

Oder so:

„Erst die faschistischen Judenverfolgungen gaben den Zionisten die fragwürdige Möglichkeit, die Leiden der Juden für ihre politischen Ziele auszunutzen."

Macht sich die antizionistische Propaganda bei der Darstellung der Entstehungsgeschichte des Zionismus und seiner Ziele schon keine übertriebenen Sorgen um die historische Richtigkeit, so wird bei der Behandlung aktueller Fragen vollends der Wunsch zum Vater der „Tatsachen" erhoben.

2. Die Gründung des Staates Israel

Zu den kaum noch bekannten Fakten des Nah-ost-Konflikts gehört etwa der, daß Israel sein Entstehen zu einem maßgeblichen Teil der Sowjetunion und den Ostblockstaaten verdankt, jenen Kräften also, die heute weltweit an der Spitze der antizionistischen Bewegung marschieren. Damals paßte ein jüdischer Staat im Nahen Osten, dessen führende Männer zudem fließend russisch sprachen, in das globale Konzept der Sowjetunion. Heute, nachdem der Antisemitismus innenpolitisch in den Staaten des Ostblocks wieder eine bestimmte Rolle spielt und die arabischen Staaten wirtschaftlich und politisch große Bedeutung gewonnen haben, liegen die Interessen der Sowjetunion auf der anderen Seite. Und außerdem war kurz nach dem Krieg die Erinnerung an die Verfolgung der Juden noch frisch gewesen. Am 14. Mai 1947 hielt der damalige UN-Botschafter der Sowjetunion, Andrej Gromyko, vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen eine Rede, in der er an „die unbeschreiblichen Leiden des jüdischen Volkes während des letzten Krieges" erinnerte und auch die Not der überlebenden Juden schilderte, „die durch Europa ziehen auf der Suche nach Schutz und der Möglichkeit, eine Existenz zu finden". Er forderte die UN-Vollversammlung auf: „Die Zeit ist gekommen, diesen Menschen zu helfen, nicht durch Worte, sondern durch Taten. Es ist wichtig, Interesse zu zeigen für die Nöte eines Volkes, das* dermaßen unter dem Krieg gelitten hat, den Hitler-Deutschland ausgelöst hat. Das ist die Pflicht der Vereinten Nationen. Die Tatsache, daß kein europäischer Staat imstande gewesen ist, die elementaren Rechte des jüdischen Volkes zu verteidigen und es gegen die Gewalt der faschistischen Henker zu beschützen, erklärt den Wunsch der Juden, einen eigenen Staat zu gründen. Es wäre ungerecht, das nicht zu berücksichtigen und das Recht des jüdischen Volkes auf Verwirklichung dieses Wunsches zu verneinen."

Zu diesem Zeitpunkt lebten im britischen Mandatsgebiet Palästina eine Million Araber und 600 000 Juden. Die UNO setzte eine Kommission zum Studium der Palästina-Frage ein. Sie empfahl im August 1947, Palästina in zwei selbständige, aber durch eine Wirtschaftsunion verbundene Staaten zu teilen; Jerusalem sollte, vor allem wegen der Heiligen Stätten, internationalisiert werden. In der Schlußdebatte über diesen Vorschlag am 26. November 1947 sprach sich Gromyko mit Nachdruck für den Teilungsplan aus, der, wie er sagte, „den grundlegenden nationalen Interessen beider Völker entspricht". Gromyko betonte, daß sowohl die Juden als auch die Araber „eine tiefe historische Bindung an dieses Land" hätten und „das jüdische Volk während einer langen historischen Epoche eng mit Palästina verbunden gewesen ist". Die Entscheidung zur Teilung Palästinas in einen arabischen und einen jüdischen Staat würde auch mit den Grundsätzen und Zielen der Vereinten Nationen sowie mit den Grundsätzen des Selbstbedienungsrechtes der Völker übereinstimmen.

Am 29. November 1947 beschloß die UN-Vollversammlung mit 33 (gegen 13) Stimmen bei zehn Enthaltungen die Teilung Palästinas. Die Vertreter der jüdischen Bevölkerung nahmen den UNO-Beschluß an, das Arab Higher Comittee von Palästina rief aber zum bewaffneten Kampf dagegen auf. Auch vor der UNO stimmten die arabischen Sprecher gegen die Teilung, freilich nicht unter Hinweis auf das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser. Der Vertreter Syriens machte die Vollversammlung darauf aufmerksam, daß Palästina seit jeher pin Teil Syriens gewesen ist und daß es zwischen den Syrern und den Palästinensern, die durch geographische, historische, rassische und religiöse Bindungen zusammengehören, keinen Unterschied gibt. Im Dezember 1947 brach in Palästina ein jüdisch-arabischer Bürgerkrieg aus. Im April 1948 empfahl der UNO-Vertreter der USA, den Teilungspla aufzugeben und ganz Palästina unter eine ternationale Treuhänderschaft zu stellen p Sowjetunion und ihre Verbündeten bestanden auf der Durchführung der Teilung. Am 14. Mai 1948 wurde der Staat Israel ausgen. fen. In der Nacht vom 14. zum 15. Mai began. nen die regulären Armeen Ägyptens, Jordaniens. Syriens, des Libanon und des Irak mit einem Angriff auf den soeben proklamierten Staat. Die Israelis bekamen ihre Waffen von der Tschechoslowakei geliefert. David BenGurion schreibt darüber in seinen Erinnerungen ihm sei damals vom Sitz der UNO berichtet worden: „Im Sicherheitsrat benähmen sich die Russen, als wären sie unsere Bevollmächtigten." Der Krieg dauerte bis Anfang 1949 und wurde durch einzelne Waffenstillstands-verträge zwischen Israel und seinen Nachbar-staaten beendet oder, besser gesagt, vorläufig eingestellt. Am 11. Mai 1949 wurde Israel von der UNO als souveräner Staat anerkannt und in die Völkerversammlung aufgenommen.

Die antizionistische Lesart der damaligen Ereignisse sieht so aus:

„Nicht zufällig erfolgte die Gründung des zionistischen Staates in einer Zeit, wo sich die arabischen Befreiungsbewegungen gerade zu entwickeln begannen; Israel fällt die Aufgabe zu, in dieser Region den Brückenkopf des Imperialismus gegen die nationalen Befreiungsbewegungen zu bilden ..." „Angetreten mit dem Herrschaftsanspruch der . Auserkorenen'und unterstützt von der imperialistischen Reaktion haben die Führer dieses Staates von seiner Geburtsstunde an die Beschlüsse der UNO mißachtet und arabisches Territorium okkupiert..."

„Die zionistischen Siedler verhinderten die Durchführung des 1947 beschlossenen UN-Teilungsplanes für Palästina zu ihren Gunsten..."

„An den militärischen Auseinandersetzungen 1948 sind die palästinensischen Massen nicht beteiligt. Es sind die Armeen der arabischen Staaten, die in den Kampf ziehen, weniger gegen Israel als gegeneinander ..."

Man sollte meinen, daß bei der allgemeinen Zugänglichkeit der historischen Dokumente solche Äußerungen unterbleiben müßten Aber wie beim Antisemitismus auch noch die dümmste Lüge verbreitet und geglaubt wurde, wenn sie ihren Zweck, die Verächtlichmachung der Juden erfüllte, wird auch beim Antizionismus die Geschichte . umdisponiert', damit der Vorwurf bestehen bleiben kann. Es kommt auch deshalb nicht darauf an, ob Israel einen Krieg anfängt oder angegriffen wird;

Israel ist — allein kraft seiner Existenz — in jedem Fall der schuldige Teil.

Am 16. Mai 1967 verlangte Präsident Nasser den Rückzug der UN-Truppen aus dem Sinai und dem Gaza-Streifen. Am 22. Mai schloß Nasser die Straße von Tiran, um den israelischen Hafen Eilat am Roten Meer lahmzulegen. 100 000 ägyptische Soldaten rückten in die von den UN-Truppen verlassenen Stellungen ein. Am 30. Mai kam es in Kairo zu einer demonstrativen Versöhnung zwischen Präsident Nasser und König Hussein von Jordanien, die bis dahin eine intensive Feindschaft gepflegt hatten. Nasser erklärte: „Der Krieg wird jetzt unbegrenzt sein und unser Ziel ist die Vernichtung Israels." Radio Kairo sendete: „Mit der Schließung des Golfes von Akaba ist Israel mit zwei Alternativen konfrontiert ... Es wird entweder durch den militärischen und wirtschaftlichen Boykott zu Tode gedrückt oder es wird im Feuer der arabischen Truppen umkommen, die es im Süden, Norden und Osten eingekreist haben."

Achmed Schukeiri, der damalige Vorsitzende derPLO, drohte: „Das ist ein Kampf um unsere Heimat — entweder wir oder die Israelis. Es gibt keinen dritten Weg. Die Juden müssen Palästina verlassen. Wir werden ihre Abreise in ihre früheren Heimatländer erleichtern. Wer von der alten jüdischen Bevölkerung Palästinas überleben wird, kann da bleiben. Aber ich glaube nicht, daß welche überleben werden."

Die Historiker streiten sich heute darüber, ob Nasser wirklich einen Krieg wollte oder nur bluffte. Israel, das an seiner schmälsten Ost-West-Stelle so breit ist wie die Entfernung vom Kölner Dom zum Kölner Flughafen, nämlich zwölf Kilometer, mochte es nicht auf einen Versuch ankommen lassen und schlug als erster los. Die Folgen sind bekannt.

Die Protagonisten der antizionistischen Propaganda, die sonst bereits von Provokation reden, wenn Bundeswehrsoldaten in der Nähe der DDR-Grenze Manöver abhalten, haben ihre eigene Fassung über die Vorgeschichte des Juni-Krieges verbreitet:

„Zu der Zeit .. . waren keinerlei kriegerische Aktionen der Araber bekannt . . . Die Ägypter waren in den Gaza-Streifen nachgerückt, den der Generalsekretär der Weltorganisation auf Nassers Wunsch von den UNO-Truppen hatte räumen lassen. Ein der Welt und ihrer Schifffahrt bis dahin weitgehend unbekannt gebliebener Hafen Eilat, indem im Jahr vielleicht soviel Tonnage wie in Hamburg an einem Tag gelöscht wird, war zusammen mit dem Golf von Akaba unter Berufung auf die tatsächlich bestehende Dreimeilenzone von Nassers Soldaten blockiert worden. Daß Nasser sich der ihm benachbarten Jordanier und Syrer in einem Verteidigungsbündnis versicherte, war mehr eine deklamatorische Aktion als eine wirkliche Bedrohung .. .

Mag sein, daß dem Reporter der Hafen von Eilat tatsächlich unbekannt geblieben war. Die Welt und ihre Schiffahrt kennt Eilat und den Golf von Akaba bzw. die Straße von Tiran als Israels und auch Jordaniens einzigen Wasserweg nach Asien und Afrika. Hier wird unterstellt, die Israelis hätten wegen einer Bagatelle einen Krieg vom Zaun gebrochen, ohne bedroht zu sein, anstatt — wie es sich wohl gehört hätte — auf die Maßnahmen der arabischen Seite mit vorbeugender Kapitulation zu reagieren. Im Falle Israels scheinen, wie ehedem im Fall einzelner Juden, ganz besondere Zumutbarkeiten möglich, die keinem anderen Staat bzw. keinen anderen Personen gegenüber vorgebracht würden. Oder ließe sich die Sowjetunion die Blockade Sewastopols am Schwarzen Meer mit der Begründung gefallen, sie verfüge ja noch über Wladiwostok am Pazifik und Riga an der Ostsee?

Aber schließlich nutzt es gar nichts, wenn Israel nicht als erster losschlägt. Auch beim Ausbruch des Oktoberkrieges stand der Aggressor von vornherein fest. Während die DDR-Presse schamlos zur offenen Lüge griff: „Nach tagelanger sorgfältiger Vorbereitung ist das aggressive Regime in Tel Aviv mit Land-, Luft-und Seestreitkräften an allen Fronten über seine arabischen Nachbarn hergefallen .. ." mußte sich die antizionistische Propaganda in der Bundesrepublik eine etwas feinere Erklärung einfallen lassen, war-um Israel auch diesmal angefangen hat, nämlich: weil es nicht angefangen hat. Israel habe beschlossen „keinen Präventivkrieg zu beginnen . . um sich hinterher in die Brust zu werfen und den schwachen, unschuldigen David zu spielen, den man gewaltsam aus seinen religiösen Meditationen reißt". Die Regierung in Tel Aviv wollte „mit dieser nun schon zum vierten Mal als Verteidigung kaschierten Aggression die Sympathien auf ihre Seite ziehen" Diese Sympathiewerbung hat die Israelis im Verhältnis zu ihrer Bevölkerung mehr Tote gekostet, als die Amerikaner in Vietnam lassen mußten.

Wie es beim einzelnen Juden, dem Objekt des Antisemitismus, nicht darauf ankam, ob er ein Trottel oder ein kluger Kopf, ein Gauner oder ein Philantrop, ein Armer oder ein Reicher gewesen war, weil nicht die Art seines Seins den Antisemiten störte, sondern das Faktum, daß es den Juden überhaupt gibt, so geht es dem Antizionismus im Falle des Staates Israel nicht um die Politik, die seine Regierung macht, sondern um die Existenz dieses Staates als Staat. Israel kann machen oder lassen, was es will, die Rollenverteilung steht fest, der Judenstaat ist immer und prinzipiell im Unrecht.

Die traditionelle antisemitische Propaganda bereitete die Vernichtung der Juden vor, indem sie die Juden stigmatisierte und dämonisierte, ihnen alle schlechten Eigenschaften und üblen Absichten unterstellte: sie waren hochmütig, habgierig, parasitär; unterdrückten, mordeten meuchlings, beuteten aus und versuchten, sich die ganze Welt untertan zu machen. Dadurch wurde zweierlei erreicht: Erstens wies sich der Antisemitismus als eine legitime Notwehr gegen einen skrupellosen Gegner aus; zweitens wurden die Juden immer mehr entmenschlicht, so daß derjenige, der gegen sie antrat, keine Bedenken haben mußte, sich etwa an Menschen zu vergreifen. Nach demselben Konzept verfährt heute der Antizionismus — sicher mehr intuitiv als bewußt kopierend, jedenfalls aber in auffälliger Analogie zum bekannten Vorbild. 3. Der israelisch-arabische Konflikt Israel ist nicht nur „der militärische Brückenkopf der US-Imperialisten mitten im Herzen der arabischen Länder" Israel ist „die blutrünstige und machtgierige Bastion gegen die Völker" ein „bis an die Zähne bewaffneter grausamer Feind, der auch vor Völkermord nicht zurückschreckt" „die israelj.sehen Faschisten) kennen kein Erbarmen" 5-’); „die Zionisten sind tausendfache Mörder und nur durch Terror und Massenmord in den Besitz des palästinensischen Territoriums gelangt" „israelische Supermörder" und „zionistische Mordbanden" . bedienen sich des faschistischen Terrors, um ganze Landstriche Palästinas araberfrei zu machen" die Zionisten sind „die Nazis unserer Tage" in Israel zeigt sich „der unterdrückerische und menschenverachtende Charakter des israelischen Kolonialistenstaates" oder der „menschenverachtende und parasitäre Charakter des israelischen Unterdrückerstaates" Israel wird „von einer Militärkaste beherrscht" und ist ein „mit geraubtem Land und geschnorrtem Geld errichtetes künstliches Gebilde"

Eine antizionistische Karikatur zeigt den israelischen Ministerpräsidenten Rabin hinter einem Rednerpult stehend, zu seiner Rechten Moshe Dayan, zu seiner Linken Golda Meir. Das Rednerpult ist mit einem Davidstern versehen. Rabin, bullig und brutal, beugt sich vor und brüllt mit einem weit geöffnetem Mund: Nicht nur die Führer der Palästinenser vernichten! Die gesamte Basis! Wollt ihr den totalen Krieg? — Aus seiner Zuhörerschaft, an den schwarzen Gebetskappen und großen, krummen Nasen unschwer als eine Ansammlung von Juden zu erkennen, ertönt ein vielstimmiges JA!!

Eine andere Karikatur zeigt eine Gruppe von Menschen, die sich im Halbkreis versammelt haben, Weiße und Farbige, sie tragen Fez, Sombrero, Kefiyah, Turban oder die kubanische Revolutionsmütze — die stilisierten Völker der Welt. Sie alle gucken auf ein mickriges, häßliches Männlein, das mit klagend zum Himmel erhobenen Armen vor ihnen herum-hüpft und vor Wut zu platzen droht. Das Männlein hat eine auffallend große Nase — Jid ist es, der den Weltfrieden stört Hinter allem steckt wieder einmal das Weltiudentum: „Die zionistischen Multimillionäre, die in allen Teilen der Welt leben .. treffen sich immer wieder in privaten Konferenzen, im Israels Aggressionen zu unterstützen." Deshalb die bange Frage: „Wo werden die zionistischen Großmachtpläne haltmachen? Heute muß Israel natürlich am Suez-Kanal und 40 km vor Damaskus verteidigt werden -demnächst am besten gleich an der Straße von Gibraltar und den Küsten des Schwarzen Meeres?"

Die antizionistische Propaganda sieht hundert Millionen Araber durch drei Millionen Israelis ernsthaft bedroht. Die Unterstellung gewaltiger Expansionsabsichten — vom Schwarzen Meer bis nach Gibraltar — vernebelt, was die Israelis tatsächlich zur Überschreitung ihrer Staatsgrenzen bewogen hat, daß sie nicht wegen der schönen Aussicht L B. die Golanhöhen hinaufgeklettert sind. Keine linke Stimme erhob sich jemals zum Protest, als die Syrer schon gewohnheitsmäßig Teile von Galiläa mit ihren Kanonen von den Golanhöhen aus beschossen. Die antizionistische Linke hatte daran nichts auszusetzen, denn für sie ist der Konflikt zwischen Israel und den arabischen Staaten nicht territorialer, sondern prinzipieller Natur. Er bestünde genauso, wenn Israel sich auf die Stadt Tel Aviv beschränken würde.

Ganz Israel ist „ein Kolonialstaat. . ., ein Besatzerstaat, der seine Klauen in arabisches Territorium eingekrallt hat" „Der Staat Israel stellt eine Bedrohung für die Freiheit aller arabischen Völker dar" „die Kriegs-gefahr im Nahen Osten wird so lange bestehen bleiben, solange der Staat Israel besteht“ denn: „Die Welt im Nahen Osten ist in zwei Fronten geteilt, da sind die arabischen Völker, die von den progressiven Kräften der Welt im Sinne des Fortschritts unterstützt werden, demgegenüber stehen die zionistischen Kreise, die jüdische Bourgeoisie und Monopole in und außerhalb Israels, die von der ganzen kapitalistischen Welt unterstütztwerden." 4. Wege zur Lösung des Konfliktes Es kann demnach keine „friedliche oder politische Lösung" des Nahostkonflikts geben: „Der Konflikt im Nahen Osten kann nicht anders gelöst werden als durch die Zerschlagung des zionistischen Staates" denn „die Anerkennung Israels und die Revolution zur Zerschlagung Israels — das schließt sich aus. Israel oder Palästina, das ist die Alternative, etwas Drittes gibt es nicht." „Das Ziel lautet: Zerschlagung des Zionismus, Errichtung einer Volksrepublik Palästina, in der palästinensische und jüdische Werktätige gemeinsam ihr Schicksal in ihre eigenen Hände nehmen. Sieg im Volkskrieg!"

Die antizionistische Propaganda legt großen Wert auf die Feststellung, daß sich der bewaffnete Kampf „für ein freies, unabhängiges, demokratisches Palästina, in dem Juden und Araber friedlich zusammenleben können" nicht gegen die Juden, sondern nur gegen die Zionisten richtet. In der konkreten Situation freilich wird der kleine taktische Unterschied aufgehoben: „Der Kampf der palästinensischen Befreiungsbewegung richtet sich in seinem Ziel nicht gegen das jüdische Volk, sondern gegen die in Israel herrschende Bourgeoisie. Solange aber das jüdische Volk im Tross dieser Bourgeoisie die Kolonialpolitik der israelischen Bourgeoisie trägt und sich von der israelischen Bourgeoisie zur Unterdrückung und zur Vertreibung der Palästinenser mißbrauchen läßt, können die Palästinenser im Kampf für ihre gerechten Ziele nicht davor zurückschrecken, den militärischen Kampf auch gegen die Angehörigen des jüdischen Volkes zu führen ..."

Das geschieht also zum Vorteil eines Großteils der Juden, die noch nicht das richtige Bewußtsein haben und die man daher zu ihrem Glück offenbar erst zwingen muß: „Bevor die Palästinenser dem israelischen Kolonial-und Erobererstaat nicht schwere Schläge versetzt haben, wird auch die politische Klassen-differenzierung unter den Juden selbst nicht vorankommen . . . Deshalb nützt der bewaffnete Kampf der Palästinenser auch der Entfaltung des Klassenkampfes unter den Juden und schadet ihr nicht..." „Die Wirklich-keit des Klassenkampfs wird die reaktionäre Ideologie des Zionismus zerschlagen, nach der die jüdischen Menschen in aller Welt angeblich die Mission hätten, einen besonderen jüdischen Staat aufzubauen. Auf dem Gebiet von Palästina werden nach dem Sturz des Zionismus Araber und Juden gemeinsam ein blühendes demokratisches Palästina errichten!"

Der Zionismus soll also zerschlagen, Israel entzionisiert werden. Das Problem ist dabei allerdings: Der Zionismus läßt sich nur mitsamt den Zionisten aus der Welt schaffen, da die Israelis freiwillig kaum einer Volksrepublik zustimmen werden, die ihnen bestenfalls den Status einer tolerierten Minderheit bescheren würde. Der Theologe Rudolf Pfisterer fragt daher:

„Wenn sich Israel oder die Juden auf eine solche , Entzionisierung" einließen, wann ist dieselbe in befriedigendem Maße durchgeführt? Ist ein Jude mit seiner Sehnsucht und seinem Willen zur Rückkehr nach Zion nicht immer noch zu viel Zionist, als daß er akzeptiert werden könnte?"

Die Formel von der säkularen Republik Palästina, in der Juden und Araber friedlich Zusammenleben, ist eine euphemistische Umschreibung für die Liquidierung der nationalen jüdischen Identität in Israel. Es gibt bisher im arabischen Raum kaum Beispiele für demokratische und pluralistische Gesellschaften. In allen arabischen Staaten ist der Koran die Grundlage der Verfassung — mit Ausnahme des Libanon. Und hier hat das friedliche Zusammenleben von arabischen Christen und arabischen Moslems das Land eher an den Rand des klassenlosen Friedhofs als zur klassenlosen Gesellschaft geführt.

In einem Interview mit der Wochenzeitung DIE ZEIT wurde der Stellvertreter Yassir Arafats in der PLO und Vorsitzende der syrischen Palästinenserorganisation Al Saika, Zuheir Mohsen, gefragt, ob die Forderung nach einem demokratischen und säkularisierten Staat Palästina nicht darauf hinausläuft, den Israelis ihr staatliches Existenzrecht abzusprechen. Er antwortete: „Das müssen sie mit der Zeit akzeptieren. Unser Existenzrecht in ganz Palästina geht vor. — Und ein auf die ehemals jordanische Westbank und Gaza beschränkter Palästinenserstaat würde diesen Ansprüchen nicht genügen? — Nein, niemals denn wir wollen jedes Stück Land, jedes Feld jedes Dorf und jedes Haus, das uns einst gehörte, zurückhaben. Davon lassen wir uns nicht abbringen. Das Recht, das Naturrecht ist auf unserer Seite. — Kann den Israelis dieser nationale Selbstmord zugemutet werden? — Sie müssen es einsehen, aber sie werden es erst einsehen, wenn sie ihre Mentalität ändern. Das wird erst der Fall sein, wenn sie vor uns auf den Knien liegen, wenn wir sie militärisch kurz und kleingeschlagen haben."

Der . Außenminister der PLO und Mitbegründer der Al Fatah, Farouk al Kaddoumi, hat in einem Interview mit dem US-Magazin . Newsweek" erklärt, daß die PLO einen palästinensischen Staat auf der Westbank und im Gaza-Streifen nur als eine Interimslösung akzeptieren würde. Das Ziel bleibe ein säkularer demokratischer Staat in ganz Palästina. Der Interviewer fragte: „Das würde bedeuten, daß Israel kein Existenzrecht hätte. Warum sollten die Israelis das akzeptieren?“ Farouk al Kaddoumi antwortete: „Mit der Zeit werden sie es akzeptieren müssen. In der Zwischenzeit geht unser Recht vor .. .“

Wenn Sprecher der Palästinenser solche Ansichten äußern, dann ist das noch entfernt verständlich, weil sie in dem Konflikt mit Israel Partei sind. Was aber bewegt westdeutsche Linke, diesen Standpunkt mit solcher Hartnäckigkeit zu ihrem eigenen zu machen? Zum Teil ist es sicher revolutionärer Romantizismus von großgewordenen Kindern, die man offenbar nicht lange genug Trapper und Indianer hat spielen lassen und die nun das Versäumte „solidarisch" nacherleben wollen „Unsere Partei und ihre Freunde unterstützen rückhaltlos die gerechte Sache des palästinensischen Volkes. Es ist unser tiefer Wunsch daß die palästinensischen Kämpfer sich in all ihren Aktionen fest auf die Volksmassen stützen, die Widersprüche im Lager des Feindes ausnutzen . . . auf ihre eigene Kraft und die Kraft ihrer arabischen Brudervölker vertrauen und im langanhaltenden Volkskrieg ausharren.“

Aus der sicheren Entfernung linker Kneipen in Köln-Nippes oder Berlin-Kreuzberg kant man andere prima in den Volkskrieg schikken. Moralisch wichtiger als diese revolutio näre Wildwest-Romantik ist aber jene Mischung aus politischem Opportunismus und „svchischer Disposition, die dazu führt, daß in bestimmten Fällen Partei ergriffen wird und in anderen nicht. Die Moskau-Linke hat im Biafra-Krieg keine Einwände dagegen erhoben, daß zwei Millionen Biafraner zerbombt und ausgehungert wurden. Das geschah mit Unterstützung der Sowjetunion und auch Englands. Umgekehrt hielt es die Peking-Linke nicht für nötig, gegen die Greuel der Pakistaner an den Bengalen zu protestieren. Da war China mit von der Partie; die Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts für die Kurden, die im NATO-Land Türkei ebenso unterdrückt werden wie im Kaiserreich von Reza Pahlevi und in der . progressiven'Republik Irak löst auch keinen Widerspruch aus. Die Deportation Zehntausender von Kurden aus ihren Heimatgebieten im Irakisch-Kurdistan und die Arabisierung dieser Landsteile wird schlicht übergangen. Ist Heimatrecht nicht gleich Heimatrecht? Gibt es Vertriebene erster und zweiter Klasse? Der Krieg gegen die Negerstämme im Süd-Sudan, die Massaker an Hunderttausenden von Menschen in Uganda, Ceylon und Indonesien, die Internierung der Biharis in Bangla-Desh, die Vernichtung von mehr als 100 000 Wahutus in Burundi — das linke Gewissen zeigt sich nicht betroffen — vielleicht, weil es nicht immer möglich ist, den Imperialismus, die Bourgeoisie und die Monopole verantwortlich zu machen?

Daß es die Ambonesen gibt, haben auch die meisten Linken erst aus dem Fernsehen erfahren. Daß auch die Krimtataren und die Mechier aus ihrer Heimat vertrieben wurden und bis heute nicht zurückkehren dürfen, ist vermutlich überhaupt nicht bekannt. Wenn die Sowjetunion die vier kleinen Südkurilen-Inseln nicht an Japan zurückgeben will, dann wird das akzeptiert. Ebenso der Ansprach Chinas auf ein paar Inseln im südchinesischen Meer, die vor mehr als 2 000 Jahren, also zu einer Zeit, als die Juden noch in Palästina lebten, von Chinesen entdeckt worden sind und jetzt als „Heiliges Territorium" reklamiert werden, was offenbar die korrekte kommunistische Landnahme-Terminologie ist. Wenn Indien die territoriale Integrität Sikkims mißachtet, Marokko die spanische Sahara annektiert, ohne sich um das Selbstbestim-

mungsrecht der dortigen Bevölkerung zu kümmern, wenn Indonesien Westirian und sttimor übernimmt, die Türkei Nordzypern esetzt, wenn dabei Menschen vertrieben und getötet werden, gibt es allenfalls gemäßigten Protest. Aber auch die Linke spricht dann nicht von Mordbanden, Supermördern, Faschisten und Verbrechern; sie fordert nicht die Liquidation des Aggressors, obwohl die UNO die Interventionen verurteilt und die Besetzer — anders als Israel — nicht in der Gefahr waren, selbst von der Landkarte ausgewischt zu werden. 5. Sieg des Ressentiments über die Vernunft Das alles soll nicht heißen, daß es keinen Grund gibt, für die Rechte der Palästinenser einzutreten. Im Gegenteil: Das palästinensische Volk hat lange genug darauf gewartet, daß man sich auf seine nationalen Rechte besann. Es gibt auch Palästinenser, die weiter denken als die antizionistische Linke hierzulande, die noch nach dem totalen Volkskrieg rufen wird, wenn sich Araber und Juden endlich versöhnt haben. Die Kritik am Antizionismus, vielleicht muß auch das gesagt werden, bedeutet keine vorbehaltlose Solidarisierung mit der Politik Israels. Israel ist gegen Kritik nicht tabu. Was seine Regierungen tun und unterlassen, kann genauso bewertet und beurteilt werden, wie die Taten anderer Regierungen, aber eben genauso — nicht immer etwas schlimmer oder etwas gehässiger.

Eines muß klargestellt sein: Das Engagement der antizionistischen Linken im Nahostkonflikt wird nicht so sehr von der Sympathie für die Palästinenser als von der Antipathie gegen die Juden bestimmt. Die Antizionisten — gelernte Dialektiker allesamt — haben sich ein Bild von den Zionisten aufgebaut, mit dem verglichen die Vorstellung von der Erde als einer Scheibe, von der man herunterfallen kann, ein Modell von höchster Differenziertheit darstellt. Treitschkes berühmter Satz: „Die Juden sind unser Unglück", der jede „Stürmer“ -Ausgabe zierte, könnte als Motto der antizionistischen Bewegung dienen, würde man „Jude" durch Zionist" ersetzen. Die kategorische Ablehnung jeder Kompromißlösung, das Bestehen auf der „Auslöschung Israels", wie es auch Idi Amin vor der UNO formuliert hat, zeigt, daß hier ein tiefes und starkes Ressentiment über alle Vernunft gesiegt hat. Für die extreme Rechte, die sich hier mit der radikalen Linken trifft — Schlagzeile in der Nationalzeitung: „Israels Moral und Verbrechen" — ist es gleichzeitig die nachträgliche Rechtfertigung dessen, was den Juden angetan worden ist.

Am 22. Februar 1975 organisierte die KPD-Unterorganisation „Liga gegen den Imperialis-mus" in West-Berlin eine Demonstration, deren Teilnehmer auf den taktischen Umweg des Zionismus verzichteten und gleich zum Kern der Gefühle vorstießen. Sprechchöre forderten: „Nieder mit dem jüdischen Volk!"

Der Philosoph Jean Amery sagt: „Der gefährliche Boden, auf dem die Junglinke sich in ihrem antizionistischem Furor bewegt, enthält die Keime eines jahrhundertealten, noch keineswegs bewältigten Antisemitismus. Jedes . Nieder mit der zionistischen Oppression!'findet irgendwo sein Echo, das dann wie „Juda verrecke!'klingt. Im kollektiven Unterbewußtsein der europäischen Völker ist...der Antisemitismus so virulent wie eh und je: er findet sein wohlfunktionierendes, zudem noch als Alibi geltendes Ventil durch den Antizionismus der Junglinken. Denn schließ, lieh sind es ja die Juden, die gleichen, die immer schon den Popanz des Weltfeindes abge. ben mußten, welche da als Unterdrücker stigmatisiert werden."

Theodor Herzl schrieb 1895 in seinem Buch „Der Judenstaat": „Ich glaube an das Aufsteigen der Menschheit zu immer höheren Graden der Gesittung. Nur halte ich es für ein verzweifelt langsames."

Hätte Herzl die derzeitige antizionistische Kampagne der Linken erlebt, wäre seine Prognose nicht so optimistisch ausgefallen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Jean Amery, Die Linke und der „Zionismus", in: Tribüne 32/69.

  2. Eugen Karl Dühring, Die Judenfrage als Rassen-, Sitten-und Cuiturfrage; mit einer weltgeschichtlichen Antwort.

  3. Hans Mayer, Außenseiter.

  4. Hans Julius Schoeps, Zionismus.

  5. Achad Haam, Am Scheidewege.

  6. Jean Amery, Juden, Linke — linke Juden, in: Tribüne 46/73.

  7. Münchner Palästina Komitee Information (MPK Nr. 2.

  8. Neues Forum, Wien, April 1974.

  9. Kommunistische Volkszeitung (KVZ), 20. 11. 1973

  10. Arbeiterkampf (AK), Zeitung des Kommunistischen Bundes 11/7.

  11. KVZ, 20. 11. 1975.

  12. Berliner Extra Dienst, 14. 11. 1975.

  13. Kote Presse Korrespondenz (RPK), 18. 10. 1973.

  14. MPK Information Nr. 3.

  15. Palästina Nachrichten Nr. 8.

  16. G. Stille in: Antisemitisches Jahrbuch für 1900.

  17. Antiimperialistisches Informationsbulletin (AW Mai 1973.

  18. Palästina-Nachrichten Nr. 7.

  19. Theodor Herzl, Der Judenstaat.

  20. Eugen Karl Dührinq, a. a. O.

  21. AIB, Mai 1973.

  22. AK, November 1973.

  23. MPK Information Nr. 2.

  24. Palästina Nachrichten Nr. 5/6.

  25. Walter Hollstein, Kein Frieden um Israel.

  26. RPK, 18. 10. 1973.

  27. MPK Information Nr. 2.

  28. Palästina Nachrichten Nr. 7.

  29. AIB, Mai 1973.

  30. Roter Morgen (RM) 1. 11. 1975.

  31. KVZ, 11. 12. 1975.

  32. AK, November 1973.

  33. Neues Deutschland, 13. 11. 1975.

  34. KM, 30. 11. 1974

  35. KVZ, 11. 2. 1975.

  36. R-Pfisnterer, Alter Feind in neuem Kleid, Triderband.

  37. RPK 18. 10. 1973.

  38. MPK Information 1.

  39. AK, November 1973.

  40. Neues Deutschland, 13. 11. 1975.

  41. KVZ, 28. 11. 1974.

  42. KVZ, 1. 5. 1974.

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Weitere Inhalte

Henryk M. Broder, geb. 1946 in Kattowitz/Polen; seit 1958 in Köln; 1966 Abitur; Studium der Soziologie, Sozialpsychologie, Volkswirtschaft, Erziehungswissenschaft; Arbeit als Autor für Presse, Funk und Fernsehen; Autodidakt. Veröffentlichungen u. a.: Wer hat Angst vor Pornografie, Darmstadt 1970; Das Leistungsprinzip — Inhalt und Ideologie eines Begriffes, WDR 1973; Ökonomie eines Arbeiterhaushalts, Hörspiel, NDR/DLF 1973; Das Gezeter wegen der toten Juden — Wie ein deutscher Rechtsanwalt gemeinnützig die Vergangenheit bewältigt, in: Frankfurter Rundschau, 1973; Franz II oder: Sie wolle mir mei Lade wegnehme. Leben und Werk des Verlegers Franz Burda, WDR 1974; „Hey, boys and girls, lets have a good time together!", Hörspiel, NDR/WDR 1975; Wie man die Wirklichkeit auf die Parteilinie bringt. Die DKP-Presse und der Krieg in Kurdistan, in: Von denen keiner spricht — Unterdrückte Minderheiten, von der Friedenspolitik vergessen, Reinbek 1975; ... mit Erwachsenen alberne Sachen machen! — Animateure, Urlauber, Abenteuer in Afrika, WDR/HR 1976.