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Des Orients längste Krise | APuZ 24/1976 | bpb.de

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APuZ 24/1976 Artikel 1 Artikel 2 Artikel 3 Artikel 4 Artikel 5 Artikel 6 Artikel 7 Artikel 8 Des Orients längste Krise Antizionismus -Antisemitismus von links?

Des Orients längste Krise

Christoph von Imhoff

/ 51 Minuten zu lesen

Israel liegt im Schnittpunkt aller politischen Strömungen im Orient. Aber ist dieser kleine Staat — eben weil er ein Staat der Juden ist _ tatsächlich auch die Ursache für die Krisensituation im östlichen Mittelmeer, Ursache auch für die harten Auseinandersetzungen zwischen Euphrat/Trigis im asiatischen und dem Nil im afrikanischen Teil des Orients? Wir kennen orientalische Machtkämpfe seit den Tagen Babylons und wissen nur zu gut, welche Rolle die Landbrücke zwischen Indischem Ozean und Mittelmeer im Verlauf von wenigstens viertausend Jahren Weltgeschichte gespielt hat. Die Juden waren immer in diese Kämpfe leidend und handelnd mit eingebunden. Aber sie waren niemals die alleinige Ursache dieser Kämpfe. Das Religiöse hat in diesen Kämpfen niemals den Ausschlag gegeben, weil es vom politischen Handeln nicht zu trennen war.

Tragik der im Orient lebenden Völker war es aber immer gewesen — und ist es bis zum heutigen Tag geblieben—, daß sie nur ganz selten über ihre Zukunft selbständig bestimmen konnten. Zumeist haben orientalische oder europäische Großmächte über die kleinen Völker hinweg Schicksal und Zukunft der gesamten Region entschieden. Den Völkern zwischen Casablanca und dem Persischen Golf blieb gar nichts anderes übrig, als sich in die jeweiligen Balance-Akte der großen Mächte einzuordnen. Das ist heute genauso wie unter den orientalischen Mächten oder später unter den beiden westeuropäischen Mächten England und Frankreich. Nur eines unterscheidet die Geschichte bis 1917, dem Jahr der Balfour-Declaration, von jener nach 1917: In den orientalischen Frühreichen war die Olfackel nur religiöses Symbol für Feuer und Licht; in der modernen Orientgeschichte hingegen hat sich dieser Rohstoff für die Altäre des Altertums in teure Energie verwandelt. Sie verleiht nicht mehr geistige, sondern materielle Macht. Wer über diesen Rohstoff verfügt, wirkt auch auf große Mächte wie ein Magnet. Dadurch entstehen gegenseitige Abhängigkeiten. Die „Habenichtse" aber geraten in einseitige Abhängigkeiten und damit zwischen die Mühlsteine der Weltpolitik. Israel gehört in die Reihe der Erdöl„Habenichtse". Der Krieg von 1973 hat es belegt und seine Schwächen offenbar gemacht.

Europa und das Mittelmeer

Frankreichs Staatspräsident hat zu Beginn des Jahres 1976 den westeuropäischen Machtverlust im Vorderen Orient tief beklagt. Trotz aller Auseinandersetzungen und Kriege im östlichen Mittelmeer hat diese Einflußlosigkeit ständig zugenommen. Valery Giscard d'Estaing hat also einen der wundesten Punkte der westeuropäischen Politik charakterisiert, freilich ohne von der Schuld der westeuropäischen Staaten und besonders von jener der französischen Politiker seit de Gaulle zu sprechen. Darauf aber kam es ihm nicht an. Er setzte für die Franzosen einen nostalgischen Akzent: Die Erinnerung an die Tage, da das Frankreich Napoleons und das der Dritten Republik die orientalischen Entscheidungen mitbestimmten. Das hat wohl auch den Ausschlag (Vorabdruck aus der Zeitschrift „Tribüne“, Heft Nr. 58/76, Tribüne-Verlag Frankfurt/M.) gegeben für Giscards umstrittenes Angebot, im libanesischen Bürgerkrieg helfend einzugreifen. Es genügt ein Hinweis auf den Versuch des Korsen, den Marsch des großen Alexander an den Ganges am Ende des 18. Jahrhunderts zu imitieren. Der Feldzug, der am Nil begann und im asiatischen Vorfeld des Orients — vor Akko und bei Abukir — endete, hat die arabischen Völkerschaften aus einem bald fünf-hundertjährigen Schlaf erweckt. Historisch betrachtet, war es eine nur zwei Jahre dauernde Orientkrise; aber eben auch eine, die das Ende des Osmanenreiches einläutete, das im Schatten des Amerika-Engagements der Europäer dahinlebte und nach dem Ende der Kreuzzüge seine Berührung mit dem „Abendland" in wenigen, wenn auch alarmierenden Überfällen bis vor die Tore von Wien (1683) erschöpft hatte. Hingegen begann mit Bonapartes ägyptischem Feldzug die Epoche des europäischen Kolonialismus über die arabische Welt, auch wenn diese nominell noch immer unter der Herrschaft der Osmanen stand. Diese Epoche war leider nicht von jener gegenseitigen Befruchtung erfüllt, wie wir sie etwa unter dem Hohenstaufen Friedrich II. erlebt haben. Auch wenn unter Napoleon die Enträtselung der vorderorientalischen Frühgeschichte durch europäische Archäologen begann, die die Museen in Paris und London so attraktiv machte — die Politik beschränkte sich darauf, die Wege Westeuropas in den Indischen Ozean und nach Südostasien durch zivilisatorische Überlegenheit abzusichern und die Macht der Kolonialsysteme militärisch auszubauen.

Das russische Zarenreich hätte sich an diesem Wettlauf um das „Zauberland Indien", in dem die Engländer bereits hundert Jahre vorher festen Fuß gefaßt hatten, nur allzu gerne als Rivale beteiligt. Denn von Peter dem Großen über Katharina bis zu Nikolaus I und II. war das „politische Fernweh" nach Indien genauso ein Teil der russischen wie der westeuropäischen Politik. Aber der russische Konkurrent wurde durch eine völlig neue politische Konstellation aus dem Feld geschlagen: Das Osmanenreich, das bereits um sein überleben zu kämpfen hatte, wurde von den inzwischen verbündeten Kolonialrivalen Großbritannien und Frankreich gestützt. In zwei Kriegsjahren (1854/56) wurde die russische Macht durch die Schlachten auf der Halbinsel Krim ausgeschaltet und eingedämmt. Diese Liaison zwischen Paris und London trug dazu bei, Frankreichs 1830 begonnene Herrschaft über Algerien zu stabilisieren.

Bau und Vollendung des Suezkanals von 1859 bis 1869, der Erwerb der von Paris ausgegebenen Kanalaktien durch die Engländer, die Besetzung Ägyptens (1882) und seine Verwandlung in einen britischen Schutzstaat — alle diese Ereignisse rollten gleich einem Räderwerk ab, ohne daß es zu wirklich wesentlichen Auseinandersetzungen zwischen Engländern und Franzosen gekommen wäre. Im Gegenteil: Ob man nun an den gemeinsamen Feldzug beider Mächte gegen China (1857/60), an das gemeinsame Manövrieren auf dem Berliner Kongreß etwa gegen das Zarenreich (1878), an den französischen Griff nach Tunesien (1881) denkt, um nur einige wichtige Daten innerhalb der großen Ereigniskette zu nennen — das französisch-britische Verhältnis war seit dem Krimkrieg trotz vieler französischer Schlapne, eher auf Koordination denn auf Kampf an legt. Beide Kolonialrivalen sahen im aufsteigenden deutschen Kaiserreich eine Gefahr Durch diese neue Macht wurden englische und französische Interessen im Mittelmeer, in Nordafrika und im Vorderen Orient zusammengezwungen. Deshalb war auch die Faschoda. Krise (1898), genau ein Jahrhundert nach Napoleons Niederlage vor Abukir, nur ein Rencontre zwischen den beiden Kolonialmächten in dem man ohne Schußwechsel die Kräfte maß. Die Allianz von 1904 (Entente cordiale) die einen Ausgleich der Interessen am Suezkanal, in Ägypten und in Marokko bewerkstelligte, hat diese Episode rasch überwunden. Aus Rivalitäten wurde ein britisch-französisches Kondominium, das Mittelmeer die Macht-basis für die Kolonialherrschaft beider.

Dieses System der Pakte und Verträge, der Abkommen und Absprachen wurde abgesichert und komplettiert durch das Petersburger Abkommen von 1907, in dem sich das Zarenreich und Großbritannien über die Teilung Persiens und Afghanistans einigten und damit zugleich den Kreis um Mitteleuropa schlossen (Tripple-Entente). Dieses System feierte seine Triumphe in den Jahren 1915 bis 1917, als hinter einer riesigen Tarnwand von Versprechungen an den Zaren, an die Araber sowie an die Franzosen und die Juden der gesamte Vordere Orient schließlich auch des Erdöls wegen in britische und französische Interessen-zonen aufgeteilt wurde Dieser Mechanismus, in dem kurze Krisen-und Kriegszeiten von längeren Perioden zwar nicht des idealen Friedens, aber der Ruhepausen abgelöst wurden, endete im Jahr 1945, weil auch die westeuropäischen Sieger den Zweiten Weltkrieg und damit ihre Macht verloren hatten. Sie erschienen nur als Sieger durch den Erfolg der mit ihnen verbündeten Großmächte Amerika und Sowjetunion.

Die Weltmächte und das Mittelmeer

In der zweiten Phase der modernen Orientgeschichte, in der ein politisches Vakuum zwishen Nil und Euphrat noch durch europäische Mächte gefüllt wurde, haben die Kolonialherren sichtbare und fühlbare Untergrundströmungen, die den Orient unmittelbar berühren mußten, allzu leicht genommen: 1, Die Unzufriedenheit im Rußland der Zaren. Sie mußte — wie dann 1917 geschehen — einen Umsturz heraufbeschwören, dessen Nachwehen das Gefüge des Orients in Mitleidenschaft zog. Die zaristischen Pogrome an russischen Juden (seit 1882); sie lösten die erste jüdische Wanderbewegung aus Europa in die alte Heimat Palästina sowie die Geburt des Zionismus aus. Die zweite Fluchtwelle nach Palästina, die der mitteleuropäischen Juden vor dem Massenmord unter Hitler, hat eines erwiesen: Die damit verbundenen Probleme waren nicht einfach dadurch zu lösen, daß die Mandatsmacht Araber und Juden gegeneinander ausspielte. Die Wanderungen waren vielmehr Signale für einen neuen Abschnitt in der Orientgeschichte. 3. Die Erdölfunde vorwiegend am Persischen Golf (1908) und die Übertragung der Nutzungsrechte an die Engländer hatten in Persien große Unzufriedenheit ausgelöst. Das war der Beginn nationaler Freiheitsbewegungen, die in dem Maß zunehmen mußten, in dem neue Erdölquellen gefunden wurden. 4. Der erwachende arabische Nationalismus unter den Osmanen konnte durch neue koloniale Abhängigkeiten nach 1918 nur noch gesteigert werden.

Offenbar war es für beide Kolonialmächte unvorstellbar, daß der sowjetische Staat innerhalb von 30 Jahren als Folge des Zweiten Weltkrieges zur Weltmacht emporsteigen und jenes Ziel erreichen könnte, das den Zaren — in Dauerrivalität mit dem Westen — als „Beschützer der Heiligen Stätten“ verwehrt war: Mitsprache und Aktionsfreiheit im Mittelmeer. Als Stalin neue sowjetische Rechte zuerst an den Dardanellen, später in Libyen forderte, bauten Paris und London noch auf die -damals unbestrittene — amerikanische Jbermacht und auf die Wirksamkeit von Präsident Trumans Punkt-Vier-Programm 2). Sie hofften, daß sie selbst auf dieser Woge der amerikanischen Herrschaft mitschwimmen und einer Konfrontation mit der UdSSR sowie einem Machtverlust im Mittelmeer aus dem Wege gehen könnten. Diese Fehlkalkulation beruhte auf der Annahme, daß die Vereinigten Staaten aus Interesse an der eigenen Machterweiterung dauerhaft für die Erhaltung des Status quo eintreten würden. Spätestens im Jahr 1956, als die beiden alten Kolonialmächte vor Suez scheiterten, mußten sie erkennen, daß sie im Mittelmeer nichts mehr zu sagen hatten und daß ausschließlich die beiden eigentlichen Sieger des Zweiten Weltkrieges die eigentlichen Herrn zwischen Gibraltar und den Dardanellen geworden waren. Denn nicht nur die Russen, sondern beide Weltmächte verwehrten den bisherigen Herren des Mittelmeers, den Franzosen und den Engländern, den militärischen Erfolg gegen Gamal Abdel Nasser. Damit war beiden klar gemacht worden, daß eine Restitution des einen oder anderen Empire nicht mehr aktuell sei. Die Franzosen sollten spätestens auf der Konferenz frankophoner Staaten im Frühjahr 1975 gemerkt haben, daß auch ihr Traum zerronnen ist.

Das sowjetische Engagement Freilich hatten beide Weltmächte 1945 auch die von Großbritannien und Frankreich hinterlassenen Hypotheken übernommen. An sie — und nicht mehr an die alten Kolonialherren — hielten sich folgerichtig die Geprellten des Ersten Weltkrieges: die Juden und die Araber. Von den „Großen“ wollten nun beide, Araber wie Juden, das verwirklicht sehen, was ihnen von den kolonialen Erblassern ver3 sprochen worden war. Die in der arabischen und afrikanischen Welt Wie ein Fanal wirkenden Bücher des Frantz Fanon formulierten es auf arabischer Seite; die Forderung nach dem eigenen Staat und nach dem Lebensrecht im Orient bildete die jüdische Variante.

Tatsächlich fiel in diese kaum dreißigjährige Phase der modernen Orientgeschichte die Gründung des Staates Israel und die Befreiung der meisten Orientstaaten von kolonialer Bevormundung. Aber die „Freiheit an sich" errang keiner. Denn zwangsläufig übertrugen sich nicht nur auf die beiden Weltmächte, sondern auch auf Araber und Israeli die ungelösten Probleme aus der Kolonial-Ära. Nun hatte aber weder die östliche noch die westliche Großmacht Lösungen dafür anzubieten, die den Betroffenen gerecht geworden wären. Der Sowjetunion lag daran, einen Krisen-herd im östlichen Mittelmeer zu etablieren, der ihr nicht nur die Anwesenheit, sondern auch die ständige politische Interventionsmöglichkeit im östlichen Mittelmeer offen-hielt. Deshalb beharrte sie während der gesamten UNO-Verhandlungen im Jahre 1947 sehr viel hartnäckiger auf der Gründung des Staates Israel als jede westliche Regierung. Stalin erträumte sich damals wohl so etwas wie den Ersatz für die verlorenen Trumpfkarten an den Dardanellen oder in Libyen. Der permanente Zusammenstoß von Arabern und Juden im Mandatsland Palästina schien den Sowjets gravierend genug zu sein, um derartige Rivalitäten in Zukunft zu ihrem Vorteil nutzen zu können. Die vier Kriege von 1948, 1956, 1967 und 1973 haben ihnen recht gegeben, auch wenn sie schließlich durch die israelischen Waffenerfolge das amerikanische Übergewicht im Orientkonflikt zu spüren bekamen. Politische Lösungen zeichneten sich nach keinem dieser Kriege ab. Aus dem ersten Krieg, der am Tag der israelischen Staatsgründung von den Arabern ausgelöst worden war und in dem noch Osteuropa Waffen für Israel die Engländer hingegen für Ägypten und Jordan, en lieferten, erwuchs die längste Krise in der modernen Orientgeschichte. Je mehr sich die Fronten in diesem „Krieg ohne Friedensschluß" versteiften, desto mehr setzte die Sowjetunion politisch, psychologisch und strategisch'auf die arabische Karte, ohne deshalb die israelische zu zerreißen. Denn ihr orientalisches Pokerspiel hat ja nur dann einenSinn wenn beide Partner in dieses Spiel einbezogen bleiben. Deshalb auch unterstützt der Kreml bis heute jene Guerilla-Bewegungen im arabischen Raum, die für permanente Spannungen sorgen, radikale Umgruppierungen erzwingen wollen und vernünftigen Kompromissen im Wege stehen. Damit tritt die Sowjetunion scheinbar als Vollstreckerin des arabischen Willens auf und unterstützt, wiederum nur scheinbar, das, was sie im eigenen Imperium mit allen Mitteln bekämpft: die Verwirklichung von Freiheit und nationaler Souveränität. Mit Hilfe sowjetischer Waffen will sie am Ertrag dieses Kampfes partizipieren, bis hin zum Erdöl im Persischen Golf, zur Nutzung des Indischen Ozeans und zur Machterweiterung im rohstoffreichen Afrika.

Die USA in der Defensive Das sowjetische Konzept ist im Grunde nur eine leicht revidierte Neuauflage des Kolonialrezepts der Vergangenheit. Die aus der englisch-französischen Ära stammenden Hypotheken werden nicht abgetragen, sondern nur großstiliger und neu eingefärbt weiter exerziert: ein Ausspielen der orientalischen Rivalen, um so den eigenen imperialen Traum realisieren zu können. Einen Erfolg hat diese Politik dem Kreml eingetragen: Die Sowjets haben im Mittelmeerraum den Weltmachtrivalen Amerika in die Verteidigung gezwungen. Er sah sich mehr und mehr genötigt, ausschließlich auf die Karte Israel zu setzen, das ihm wegen seiner imponierenden Aufbauleistungen und wegen seiner militärischen Erfolge, wegen seiner inneren Disziplin und wegen seiner Stabilität der einzige Garant für eine wirksame Partnerschaft im östlichen Mittelmeer zu sein schien. Tatsächlich verbuchte Israel bis zum Jahr 1965 einen wirtschaftlichen Aufschwung, wie ihn kein anderes Land im Orient verzeichnen konnte: Von einer 93prozentigen Auslandsverschuldung bei der Staatsgründung hatte es mehr als die Hälfte abgetragen. Die Statistiken des Jahres 1963 verzeichneten noch eine Auslandsverschul-aunq von 43 Prozent, damals mit absteigender Tendenz. Die Bevölkerung wuchs seit 1948 von 600 000 auf über drei Millionen. Ein nach 1948 zu mehr als achtzig Prozent auf der Landwirtschaft basierendes Staatswesen stellte im Verlauf von weniger als zwanzig Jahren seine Wirtschaft zu fast 90 Prozent auf industrielle Produktion um. Israel galt in aller Welt als der Musterstaat eines Entwicklungslandes, in dem religiöse Toleranz praktisch und mit Erfolg, wenn auch nicht störungsfrei gelebt wurde. Die Haltung der USA gegenüber Israel war allerdings nicht nur von Bewunderung und Altruismus bestimmt, sondern natürlich auch vom Egoismus einer Großmacht, die es versäumt hatte, rechtzeitig eine Politik des orientalischen Ausgleichs und der orienta-lischen Balance aufzubauen.

Es war und bleibt einer der größten Fehler in der amerikanischen Nachkriegspolitik, den ersten großen, wenn auch mit Recht heute höchst umstrittenen Nationalisten der modernen arabischen Welt, Gamal Abdel Nasser, im Jahr 1956 die Zusage zum Bau des Assuan-Staudammes entzogen zu haben. Der Außenminister des amerikanischen Präsidenten Eisenhower, John Foster Dulles, tat dies mit der Begründung, daß Nassers Regime nicht für Stabilität bürge. Zwischen den Zeilen aber gab er zu verstehen, daß mehr amerikanischer Einfluß im Nilland eine Korrektur dieses Urteils ermöglichen könnte. Das war für nahezu alle arabischen Staaten rings um das südliche Mittelmeer das Fanal zum Aufbau eines „arabischen Sozialismus", der einen ausgesprochen anti-westlichen und besonders einen anti-amerikanischen Akzent trug. Er initiierte und erleichterte das nun anhebende Zusammenspiel zwischen den arabischen Mittelmeerstaaten und der Sowjetunion. Damit hatten sich die Amerikaner selbst den Zwang auferlegt, die sowjetische Politik der Konfrontation auch zu der ihren zu machen. Ganz zwangsläufig wurde von nun an jede nationalistische Strömung mit linkem Akzent in der arabischen Welt als „Kommunismus" abgewertet. Ebenso zwangsläufig mußten sich die USA von nun an ausschließlich auf jene konservativen Regime im Nordteil des Mittelmeers abstützen, die von Lissabon bis nach Ankara jeder modernen und ausgewogenen Neustrukturierung den Weg versperrten und damit ihr konservatives Engagement überzogen.

Es konnte nicht im Interesse des modernen und aufstrebenden Israel gelegen sein, der nicht-verbündete Verbündete nur dieser von den USA dominierten Welt zu werden und damit seine Handlungsfreiheit zu verlieren. Diese problematische Konstellation gab zugleich jenen Israeli Recht, die Israel als westliches Land im Orient verstanden wissen wollten — eine Auffassung, die — auf lange Sicht betrachtet — nur zum Nachteil Israels und zu seiner Unsicherheit beitragen konnte.

Patt im Mittelmeer

Gewiß konnten sich die Amerikaner diese Politik der Subventionierung angesichts ihrer florierenden eigenen Wirtschaft, angesichts eines wirtschaftsstarken und mit den USA verbündeten Westeuropas und nicht zuletzt wegen ihrer energiepolitischen Unabhängigkeit leisten. Sie zählten zu den größten Erdöl-produzenten der Welt und waren von Energie-Importen unabhängig, traten also auch nicht als Konkurrenten ihrer Verbündeten auf dem Olmarkt auf. Aber sie versperrten sich mit ihrem nördlichen und östlichen Flanken-schutz im Mittelmeer, der zugleich die Durchfahrt durch den Suezkanal absichern sollte, den politischen Zugang zu der fanatisch aufwärtsstrebenden und auf Fortschritt orientierten arabischen Welt. Damit hatten sie für viele Jahre die ihnen durch den Kriegsausgang zugespielte Möglichkeit eingebüßt, im Orient und im Mittelmeer als der entscheidende Vermittler aufzutreten.

Die USA machten hier, genau wie später in Vietnam, aus strategischen Gründen den gleichen Fehler, ohne auch nur den von nachdenklichen amerikanischen Experten mehrfach vorgeschlagenen, freilich mit Risiken verbundenen Versuch zu wagen, die im „Linksnationalismus" der Entwicklungsländer liegenden Chancen zu nutzen, die Wirtschaft dieser fremden Länder so uneigennützig, wie es für eine Weltmacht möglich ist, aufzubauen, deren Rohstoffe als landeseigene Reichtums-quellen mit zu erschließen und diesen Völkern ertragreiche Märkte zu verschaffen. Aber vielleicht sind solche Erwägungen dort, wo es um die Eroberung und Erweiterung von Macht geht, utopisch. Jedenfalls versperrte die puritanische Missionsidee — der „American Way of Life" — den Amerikanern in der orientalischen Entscheidungsphase zwischen 1947 und 1970 den Zugang zu den alten Kulturvölkern Asiens und Afrikas und damit auch eine vernünftige Einflußnahme auf deren moderne Entwicklung. USA und UdSSR — raumfremde Akteure Die Sowjetunion handelte zwar nicht klüger als die Vereinigten Staaten. Auch ihre Vertreter verhielten sich in den alten Kultur-landschaften wie psychologische Trampeltiere: Sie gingen nur auf ihre imperialen Interessen, auf eine mehr oder weniger getarnte Stützpunktpolitik und auf die ideologische Subversion ihrer fortschrittsbeflissenen Partner aus. Aber sie gaben sich den progressiven Anstrich, Bannerträger der Freiheit für unterdrückte Völker zu sein. Sie lieferten ihren orientalischen Parteigängern oder Bündnispartnern Waffen für ihre Kriege, ließen sie sich zum Teil durch Devisen bezahlen und belieferten ihre Anhänger mit Bedarfsgütern. Damit zeigten sie ihnen die „richtige Marsch-richtung“ im Sinne des „Großen Bruders". Auch die Sowjetunion konnte sich das leisten, weil sie über genügend Energievorräte im eigenen Land verfügte und darauf hoffte im Orient neue Energiequellen hinzugewin! nen zu können.

Am Ende dieser Epoche stand schließlich ge. fördert noch durch die entsprechende maritime Globalstrategie des Kremls, das amerikanisch-sowjetische Patt im Mittelmeer. Dieses Patt erzwang geradezu die „Politik der Koexistenz", ohne daß dadurch die Rivalitäten oder der Drang zu gegenseitiger Überflügelung ausgeschaltet worden wäre. Die Brandherde blieben. Ein britischer Diplomat sagte damals 1 „Es hat sich wenig geändert im Mittelmeer. Wir erleben nur neue Akteure in alten Kleidern. Nur eines unterscheidet sie von den alten Kolonialherren: Die Supermächte verfügen als raumfremde Potentaten nicht mehr über den kultur-und geistesgeschichtlichen Hintergrund, der den europäischen Kolonialherren immerhin noch zur Rechtfertigung ihrer verfehlten Kolonialpolitik diente.“

Die Rebellion der Araber 1973

Für diese raumfremden Potentaten im Mittelmeer schlug zu Beginn der siebziger Jahre die Stunde der Wahrheit, als die orientalischen Erdölstaaten ihren Protest gegen die Olpreis-Politik der westlichen Großkonzerne anmeldeten und — auf der Konferenz von Teheran im Februar 1971 beginnend — eine stufenweise Erhöhung der Erdölpreise durchsetzten. Diese Aktion der „Organisation Erdöl exportierender Länder" (OPEC) traf zusammen mit drei für die Weltpolitik völlig neuartigen Erscheinungen: 1. Das in alarmierender Form vorgetragene Eingeständnis des amerikanischen Präsidenten Nixon, daß sich der Erdölvorrat der USA zu erschöpfen beginne. Damit verbunden war die Proklamation, daß die bisher in den USA übliche Importsperre für Erdöl aufgehoben und dementsprechend die USA auf dem Weltmarkt als Konkurrent ihrer westeuropäischen Bundesgnossen auftreten werde.

2. Das sehr verschlüsselte Eingeständnis der UdSSR, daß bei anhaltender Wachstumsrate die eigene Erdölproduktion etwa ab 1980 nicht mehr zur Versorgung der Sowjetunion ausreichen werde. Mit eingeschlossen in dieses Eingeständnis war die Erkenntnis, daß die sowjetische Technologie bis hin zu den Pipelines nicht für eine moderne Energiewirtschaft ausreiche und der westlichen Hilfe bedürfe. Damit trat also nun auch — wenngleich mit geringeren Forderungen als der Westen — die Sowjetunion als Konkurrent der NATO-und der EG-Staaten auf dem internationalen Energiemarkt auf. 3. Sozusagen über Nacht wuchsen die Devisenvorräte und Einkaufsmöglichkeiten der Olförderländer ins Ungemessene, zumal nun auch noch die verachteten „Multis“ in den Förderländern, die bisher über die Produktionsmengen bestimmen konnten, ganz oder zu mehr als 50 Prozent enteignet wurden, die Entscheidung über das Förderprogramm also in die Hände der Förderländer überging. Das hat, vom Iran abgesehen, der gesamten arabischen Welt ungeheure politische Impulse gegeben. Sie spürte plötzlich Macht in ihren Händen — Macht, die auch die beiden Weltmächte, die Europäische Gemeinschaft und die Staaten des Warschauer Paktes unmittelbar treffen konnte.

Erdöl als Waffe Der ägyptische Präsident Anwer el-Sadat und König Feisal von Saudi-Arabien haben sich diesen Boom zunutze gemacht, um daraus für die gesamte arabische Welt politisches Kapital zu schlagen. Sie organisierten, unterstützt vorwiegend konservativen arabischen vodtaaten, im Rahmen der „Organisation Arader Erdöl exportierender Staaten“ (OAPEC) den vierten arabisch-israelischen Krieg, in dem nun vier entscheidende Instrumente gegen den Staat der Juden eingesetzt wurden:

_ Einmal die . „Waffe Erdöl" — nicht nur „egen Israel, sondern gegen alle israel-

reundlichen Staaten, darunter die EWG (Frankreich ausgenommen), die USA und Japan; dieses Embargo sollte bewußt die westlichen Industriestaaten treffen.

_ Die arabischen Staaten westlich des Nils schließen im Rahmen der „Organisation für Afrikanische Einheit" (OAU) im Mai 1973 mit den schwarzafrikanischen Staaten einen Vertrag mit dem Titel „Charta der wirtschaftlichen Unabhängigkeit“. Der Inhalt kommt einem Bündnis gleich. Die schwarzafrikanischen Staaten verpflichten sich darin, die arabischen Staaten bei der Wiedergewinnung der von Israel besetzten Gebiete zu unterstützen und die „legitimen Rechte des palästinensischen Volkes" zu vertreten. Als Gegenleistung versprechen die arabischen den schwarz-afrikanischen Staaten, ihrem Kampf gegen „kolonialistische und rassistische Regierungen im Süden Afrikas" größeres Augenmerk zu schenken. Damit war das Ende der für Israel so bedeutsamen, weil fruchtbaren Beziehungen zu den jungen Staaten Schwarzafrikas eingeleitet. Mit wenigen Ausnahmen wurden die diplomatischen Beziehungen der Schwarz-afrikaner zu Jerusalem abgebrochen.

-Sowohl die Kreierung der „Waffe Erdöl" wie die „Aktion Afrika" wurden getragen von einer Propagandaflut, die sich nicht mehr nur gegen den Zionismus, sondern schlechthin gegen die Juden richtete. Sie bediente sich aller Elemente der nationalsozialistischen Agitation, angefangen bei den „Protokollen der Weisen Zions" über den Aufruf zum Mord an den Juden, weil sie „die Feinde Gottes" und der Menschheit seien, bis hin zu der Unterstellung, daß Zionismus und Rassismus gleichbedeutend seien Auf diesem ma-kabren Weg, der dann auch in der Charta von Addis Abeba fixiert ist, sollen die schwarzafrikanischen Staaten mit ihrer Aversion gegen jede Form von weißem Rassismus an die arabischen Bündnispartner gebunden werden. Ausgangspunkt dieser Völkerverhetzung war die israelische Besetzung arabischer Territorien während des von den Arabern selbst ausgelösten Sechs-Tage-Krieges. Man verbreitete Broschüren über angebliche Unmenschlichkeiten der Juden gegenüber der arabischen Bevölkerung in den besetzten Gebieten, ohne dafür Beweise zu liefern. Man prügelte den Juden und meinte den weißen Mann des Westens,, den Kolonialisten, der nun für alles politische, wirtschaftliche und soziale Elend dieser Erde von einer „farbigen" UNO-Mehrheit verantwortlich gemacht wurde. Der Jude und der Staat Israel wurden zu negativen politischen Symbolfiguren geprägt (UNO-Resolutionen 3236/3237 — XXIX). Damit begann die totale Umschichtung der Stimmenverhältnisse in den Vereinten Nationen. Der Auftritt Arafats vor der Plenarversammlung der UNO, die Resolution gegen den jüdischen „Rassismus" (sprich: Zionismus") und die Forderungen, Israel aus der UNO auszuschließen, kennzeichnen den Mißbrauch dieses internationalen Forums. Man sprach von der „Selbstzerstörung der Vereinten Nationen", die in der Tat seither einen erheblichen Gewichtsverlust hinzunehmen hatten. — Die Sowjetunion hatte an die „Konfrontationsstaaten" Syrien und Ägypten jene mo-deinen Waffen geliefert, mit deren Hilfe der Oktoberkrieg von 1973 schließlich ausgelöst wurde. Es war die erste große arabische Rebellion mit nicht zu leugnenden Erfolgen. Sie hat in Verbindung mit der Wirksamkeit der „Waffe Erdöl" in Israel und den westlichen Industriestaaten tiefe Schockwirkungen ausgelöst. Die Osteuropäer hielten sich in ihren Meinungsäußerungen zurück, obwohl auch sie unmittelbar durch Erdölpreis und Erdölverknappung getroffen wurden. Alle Industriestaaten schienen vergessen zu haben, daß sich in sehr großem Stil jenes Embargo wiederholte, das die arabischen Staaten schon im Krieg von 1967 in Szene gesetzt hatten. Da damals die Boykottwirkung nur kurz und nur von wenigen zu spüren war, hatte man diese Waffe nicht ernst genommen und die Wiederholung des Manövers nicht bedacht.

Mit diesen Ereignissen begann die vierte und bislang jüngste Phase in der modernen Orientgeschichte. Die Araber treten in ihr als weithin selbständige Akteure in der Weltpolitik auf, weil sie Druckmittel in der Hand halten. Sie wissen zwar, daß sie alleine nicht siegreich operieren können. Denn der ägyptische Anfangserfolg im Yom-Kippur-Krieg wäre ins Gegenteil umgeschlagen, wenn nicht amerikanische Pressionen und sowjetische Interventionsdrohungen gegen Israel ein Unentschieden daraus gemacht hätten. Aber die Araber haben sehr wohl aus der Hektik, mit der die westliche Welt auf das Erdölembargo reagiert hat, zu ihrer eigenen Überraschung erkennen müssen, wie einflußreich sie plötzlich geworden waren. Daraus haben sie die Überzeugung gewonnen, daß sie die Energieabhängigkeit der Industriestaaten vom arabischen Erdöl zu ihren Gunsten nutzen und damit den Westen auf längere Sicht zwingen können, seine Israel-Politik zu modifizieren. Die ägyptischen Rüstungsvereinbarungen mit der Volksrepublik China und die Anlehnung Syriens an die sowjetische Rüstungsindustrie (als sowjetisches Gegengewicht zu Ägypten) auf der einen, an Wirtschaft und Industrie des Westens auf der anderen Seite zeigen sehr deutlich, daß die Araber auch das Lavieren zwischen drei Weltmächten als Druckmittel zu benutzen verstehen, um nicht unter einseitige Pressionen zu geraten.

Damit wird also der vierte Israel-Krieg zum Ausgangspunkt für eine neue Politik der Weltmächte im Mittelmeer und im Vorderen und Mittleren Osten: Weil der Araber weiß, daß sein politischer Kurswert gestiegen ist, daß die Weltmächte die arabischen Olmäch, — je nach ihrer Methode — als Partner J chen, erstrebt auch er die Anlehnung an w. nigstens eine Weltmacht. Aus dem Zusan menstoß von 1973 erwuchs also eine gegen seitige Abhängigkeit zwischen den ar sehen Staaten und den Weltmächten. Mit dieser veränderten Lage vergrößert sich abe auch die Kriegsgefahr. Denn ein Nahost-Kn.sen-Management hat in Zukunft nicht mehr nur die beiden „Großen" zu beachten. Die Weltmächte können die orientalischen Ölmächte davon nicht aussperren und sind von ihrer Kompromißbereitschaft im Krisenfall abhängig. Das heißt, daß die Gefahr von . Klein-kriegen mit großen Folgen" größer geworden ist. Der von den Arabern inszenierte Oktoberkrieg 1973 beweist es. Damit gewinnt aber automatisch die Rolle der Diplomatie wieder an Bedeutung. Aber jene, die diese Kunst beherrschen, scheinen auszusterben.

Zwischen Israel und den Weltmächten ist das anders. Die Israeli sind durch diese neue Konstellation ins Hintertreffen geraten. Die Groß-mächte bedürfen zwar dieses Landes, um den arabischen Druck nicht übermächtig werden zu lassen und werden deshalb auch an Israel als politischer Größe — schon aus Eigennutz — festhalten. Aber die israelische Abhängigkeit von den Weltmächten, besonders von den USA, ist und bleibt trotz der Gunst der strategischen Lage einseitig. Israel hat für den amerikanischen Schutzschirm kein Äquivalent zu bieten. Die USA müssen — und darauf zielte wohl die bisherige Nah-Ost-Politik des amerikanischen Außenministers Kissinger ab — das amerikanische Interesse an den arabischen Erdölstaaten, besonders an Saudi-Arabien, und das an Israel miteinander koordinieren. Dieser Prozeß ist für die Israeli wahrscheinlich weit schmerzlicher als für die Araber.

Schwieriger schon wird es der Sowjetunion werden, ihre orientalischen Interessen zwischen Arabern und Israeli auszupendeln. Für die Sowjets bleibt Israel, wenigstens zunächst, wie bisher eine Schachfigur, die ihnen dazu verhilft, im Vorderen Orient präsent bleiben zu können. Würden sie diese Schachfigur gänzlich preisgeben, dann würden sie automatisch auch einen Gewichtsverlust in den nahöstlichen Erdölstaaten hinnehmen müssen, zumal der sowjetische Kredit in der orientalischen Welt während der letzten Jahre erheblich abgenommen hat. Die Reise des so wjetischen Ministerpräsidenten Kossygin in den Irak und nach Syrien im Juni 1975 machte diese Schwäche offenbar.

Enes allerdings ist den Israeli und ihren unmittelbaren arabischen Nachbarn, den „Konfrontations-Staaten" Syrien, Jordanien, Ägypten und Libanon, gemein: Die wirtschaftliche Lage ist da wie dort beängstigend. Israel, Syrien, Jordanien und Ägypten sind durch vier Kriege, der Libanon durch den seit 1969 anhaltenden Bürgerkrieg ausgepowert. Alle diese Länder sind bis in die dritte und vierte Generation verschuldet. Korruption, chronischer Geldmangel, eine Bevölkerungsexplosion ohnegleichen an Nil und Euphrat, ein ständiges Wachstum der Großstädte, Fehlplanungen, keine ausreichende Hygiene, ein ständig zunehmendes Auseinanderklaffen zwischen arm und reich, die ständigen politischen und wirtschaftlichen Umschichtungen von einer zur anderen Metropole seit der Zerstörung von Beirut — das alles sind, teils mehr, teils weniger, Kennzeichen für die arabischen Konfrontationsstaaten. Die Inflation ist Begleiterin aller Krankheits-und Krisenerscheinungen

Diese Nachbarstaaten Israels sind samt und sonders, von kleinen Erdölquellen abgesehen, nicht mit Rohstoffen gesegnet, verfügen also auch nicht über die Einnahmen, die sie aus der Notlage herausreißen könnten. Damit aber werden sie von den „arabischen Staaten im zweiten Kreis" abhängig, also von jenen arabischen Erdölförderländern, die hinter den Konfrontationsstaaten liegen und heute in den vollen Genuß der Bohrerfolge kommen, die mit der Ölquelle von Maschdschid-i-Suleiman am Persichen Golf, unter den Engländern 1908 und später unter Franzosen und Amerikanern auf dem Höhepunkt der Kolonialära, begonnen haben.

Diese reichen Araberstaaten haben ihre sehr eigenen Probleme. Sie sind — vom europäischen Gesichtskreis betrachtet — Entwicklungsländer. Die großenteils konservativen Regierungen müssen aufgrund der 1971 begonnenen Geldschwemme darangehen, ihre bänder zu modernisieren, eine dem Reichtum entsprechende Infrastruktur zu schaffen und Sozialreformen zu entwickeln, die auf der einen Seite dem als Gesetz gültigen Koran nicht widersprechen und auf der anderen Seite eine noch weithin existente Beduinenmentalität und Beduinengesellschaft überwinden. Deshalb importieren sie, oft in überdimensionierten Formen, industrielle Ware, zumeist aus dem Westen. Die Kapazität der Häfen aber reicht nicht aus, um die Importgüter schnell zu entladen und an Ort und Stelle zu bringen. Das ist oft mit großem Geldverlust und mit Planungsrückschlägen verbunden. Der durch die Erdöl-Geldschwemme entstandene Boom findet also durch die örtlichen Gegebenheiten seine Grenzen. Vielleicht kommt diese Bremse den Absichten der Regierungen zugute, weil sie es vermeiden wollen, durch allzu rasche Reformen Unruhen auszulösen und den in allen diesen Ländern tätigen Palästinensern samt ihren progressiven Ideen noch Vorschub zu leisten. Aber ob mit oder ohne Geldschwemme — der neue politische Auftrieb seit 1973 hat große nationale Träume und Vorstellungen entfesselt, die auf die Pharaonen, auf die alten Assyrer und auf das Reich der Omaijaden zurückgreifen. Diese Ambitionen werden zielstrebig verfolgt. Krisenerscheinungen rangieren an zweiter Stelle.

Arabische Bedingungen

Alle diese Schwierigkeiten könnten — aus mehrfachen Gründen — dazu verhelfen, für eine einigermaßen friedliche Bereinigung der Nahostsituation, sei sie auch schrittweise und bescheiden, Zeit zu gewinnen:

1. Es kann den erdölreichen Staaten der arabischen Welt nicht daran gelegen sein, in solcher Reform-oder Aufbauphase den Westen durch neue Olpreissteigerungen zu verprellen, weil die westlichen Industriestaaten zunächst als einzige die entsprechenden Industriegüter in den Orient liefern könnten.

2. Ein Scheitern der politischen und der wirtschaftlichen Pläne arabischer Regierungen würde den revolutionären Kräften in der arabischen Welt und der sowjetischen Nahostpolitik Auftrieb geben.

3. Die Aufbaupläne aller arabischen Staaten sind nicht in fünf oder zehn Jahren zu verwirklichen. Das wissen sie selbst. Wenn man heute in der arabischen Welt auf das Jahr 2000 setzt, so ist das schon großer Optimismus. 4. Die technologischen Schwierigkeiten der reichen Olstaaten und die miserable Wirt-schdftslage der Konfrontationsstaaten und Israels sprechen gegen jede kriegerische Auseinandersetzung. Sie würde den totalen Ruin der Gesamtregion mit sich bringen.

Eine amerikanische Außenpolitik, die diese Umstände nutzen will, wird eben wegen dieser Hemmnisse dabei auf ein zurückhaltendes Einvernehmen mit den arabischen Staaten stoßen und einen mehr oder weniger verklausulierten Konsens über das Existenzrecht Israels erreichen können — vorausgesetzt, daß Regierung und Parlament in Jerusalem wenigstens schrittweise, aber sichtbar, die territorialen Forderungen aller Staaten der Arabischen Liga erfüllt: Rückzug aus allen besetzten Gebieten. Vielleicht kann es über kleine Landstreifen Kompromisse geben. Vielleicht geschieht diese Entspannung auf dem Weg direkter Verhandlungen zwischen Israel und seinen Anrainern, vielleicht auch während neuer Nahost-Verhandlungen in Genf, vielleicht durch israelischen Dauerkontakt mit den Palästinensern (ein vielschichtig gewordener Begriff), vielleicht durch spröde Kontaktaufnahme mit der PLO. Das ständige Bemühen des österreichischen Bundeskanzlers Kreisky, über die Sozialistische Internationale Wege zum gegenseitigen Ausgleich zwischen den Hauptrivalen in Nahost zu erschließen, mag dabei hilfreich sein. Das alles aber sind Sorgen zweiten Ranges. Wichtig ist aus arabischer Sicht nur, daß die Bedingungen der arabischen Anrainerstaaten erfüllt werden. „Arabische Vorstellungen, die Israeli ins Meer zu werfen, gehören längst der Geschichte an"; der Staat Israel habe ein Recht auf Existenz innerhalb gesicherter Grenzen. Dieser Satz wird Anwer el-Sadat zugeschrieben. Er soll ihn gegenüber dänischen Journalisten im April 1976 gesagt haben. Es wäre nicht das erste Mal, daß er sich solcher Äußerungen bedient. Aber kann man ihm, dem am meisten gefährdeten Staatsmann der arabischen Welt, auch trauen, auf sein Wort bauen? Spricht er damit auch für seine Kollegen aus der mehr konservativ eingestellten arabischen Welt? Drückt sich darin also eine Grundhaltung aus, oder ist es der Versuch, den Westen in Sicherheit zu wiegen, in Wirklichkeit aber eine Gewaltlösung anzustreben?

Das sind die Fragen, die in Israel gestellt werden und die westliche Welt bewegen, weil für sie noch immer der Nahe Osten der Krisenherd Nr. 1 der Weltpolitik ist. Es kann angesichts der wirtschaftlichen Zerrungen im Orient durchaus sein, daß Sadat, daß auch der saudische König und sein jordanischer Kolle ge Hussein Zusicherungen dieser Art gegeben haben; aber wenn überhaupt, dann nur münd lieh, um eine politische Entzerrung, verbunden mit der Räumung der besetzten Gebiete zu erreichen. Die amerikanische Antwort auf solche Versicherungen scheint in einer Reihe von Vorleistungen zu bestehen, die sich inen ster Linie auf die Sicherheit der konservativen Reform-Regime beziehen:

Für Saudi-Arabien, das sich im Gegensatz zum Kaiserreich Iran kein modernes maritimes Verteidigungsinstrumentarium geschaffen hat, um so auch die eigenen Erdölrouten durch den Suezkanal, den Ihdischen Ozean und um das Kap der Guten Hoffnung abzusichern, geht es um den Schutz der 2 200 Kilometer langen Seegrenze durch die amerikanische Großmacht. Angesichts der freien Passage durch den Suezkanal, der auch sowjetischen Kriegsschiffen offen steht, bleibt die Bedrohung des Wahhabitenreiches an seiner West-und Ostküste akut, damit aber auch im Krisenfall die Bedrohung seines Erdölreichtums. Ägypten-Astrologie Für Ägypten gilt das gleiche, seit Sadat im Winter 1976 den einem Bündnis gleichenden „Freundschaftsvertrag" mit der Sowjetunion vom Mai 1971 aufgekündigt hat. Die eigenen schwachen Seestreitkräfte bedürfen im Ernstfall einer erheblichen Stützung durch die amerikanische Mittelmeerflotte, zumal sich die Sowjets durch die totale Aufkündigung des Vertrags ebenso brüskiert fühlen wie durch die Lieferung von Rüstungs-und Ersatzmaterial durch China. Die Zukunft wird lehren, ob an diese Schwenkung des Nillandes nun eine politische Auflage aus China etwa derart gebunden ist, daß an die Stelle einer Genfer Nahostkonferenz (bisheriges Konzept von Sadat) eine afro-asiatische Gipfelkonferenz nach dem Muster von Bandung (1955) als Rückhalt für eine gemeinsame Front von Arabern und Afrikanern gegen Israel treten solle Dies jedenfalls scheint den Ägyptern von der chinesischen Staatsfüh-M in Peking nahegelegt worden zu sein. Freilich kann man dies auch als den Versuch der Volksrepublik China werten, nach den verschiedenen politischen Niederlagen in Afrika wieder stärker ins afrikanische Geschäft zu kommen. Gleichviel — Moskau ist über diese Entwicklung tief verärgert. Es hätte wohl leichter ein langsames Einschläfern der gegenseitigen ägyptisch-sowjetischen Vereinbarungen hingenommen als eine politisch so scharf gezielte de-facto-Niederlage durch eine Mittelmacht vom Range Ägyptens. Kommentatoren in Paris haben sie — nicht ganz zu Unrecht — mit der Niederlage französischer und englischer Truppen im Nildelta verglichen.

Darüber hinaus steht Anwer el-Sadat vor dem gleichen Problem, an dem sein Vorgänger Gamal Abdel Nasser vor etwa 15 Jahren gescheitert und eben deshalb in den Dauerkrieg mit Israel — dem „allein Schuldigen" — geflüchtet ist: der Bewältigung des ägyptischen Sozialproblems. Das ist ohne unpopuläre Maßnahmen nicht zu bewerkstelligen, schon gar nicht ohne erhebliche amerikanische, westeuropäische und saudi-arabische Kapital-hilfe. Schafft Sadat dies ohne „Unfall" und ohne Flucht in einen neuen Krieg, dann erst zählt er zu den großen arabischen Staatsmännern. Krieg hingegen würde bedeuten, daß auch die Suezkanalzone, in der Sadat sein Aufbauwerk bereits begonnen hat, wieder zerstört würde und daß die Jahreseinnahmen aus der Kanal-Passage mit ca. 4 Milliarden Dollar (knapp 10 Mrd. DM) — etwas weniger als die Hälfte dessen, was Ägypten noch vor 1966 daran verdiente — wegfallen würden. Mit einer Reduzierung der Einnahmen ist sowieso nach der Eröffnung der SUMED-Pipeline zu rechnen, obwohl auch sie die Verletzlichkeit der Kanalzone und damit auch die Friedenschancen steigert Insofern scheinen die Propheten, zunächst wenigstens, recht zu behalten, die die Rücknahme israelischer Truppen vom Suezkanal und dessen Wiederinstandsetzung als „Friedensgarantie" bezeich-net haben. Aufs Ganze gesehen, stehen die Sterne für Ägypten relativ günstig, soweit man mit politischer Astrologie und mit Hilfe von außen dem Herkulesproblem Ägypten überhaupt beikommen kann.

Jordanien und die Baath-Rivalen

Wieder anders steht es um das Haschemitenreich des Königs Hussein. Jordanien ist eingeklemmt zwischen die Forderungen der Palästinenser nach einem eigenen Staat und seinen eigenen Ansprüchen auf die Westbank, das Westjordanland, ohne das aber wiederum ein selbständiger Palästina-Staat nicht denkbar ist. Dazu kommt der Haß aller Palästinenser auf den König wegen seines Massakers an der PLO im Januar 1970. Husseins palästinensische Bürger und die Flüchtlinge im eigenen Land wurden dadurch ebenso verbittert wie die Palästinenser unter israelischer Besatzung. Wahrscheinlich ist der Haß gegen Hussein sogar um etliches größer als der gegen die israelischen Besatzer. Um so mehr aber ist Hussein, dessen Wüstenreich durch die letzten Kriege stark mitgenommen worden ist, auf westliche Kapital-und Waffenhilfe angewiesen. Wird sie ihm versagt, so droht er nach Moskau abzuwandern — und dies wiederum wäre gegen die gesamte Orientpolitik der USA, der es ja darauf ankommt, den orientalischen Einfluß der Sowjetunion so stark wie möglich einzudämmen. Husseins politische Lage hat ihn dazu gezwungen, sich an den nördlichen Nachbarn Syrien anzulehnen. Durch ihn würde er im Krisenfall Waffenhilfe aus Damaskus bekommen, dessen Streitkräfte aber so gut wie ausschließlich modernes russisches Rüstungsmaterial verwenden.

Freilich ist auch dieser bündnisähnliche Zustand für Jordanien ein zweischneidiges Schwert; denn Syrien hat nicht nur die gemeinsame syrisch-jordanische Front gegen Israel. In Asads Kopf, so sagen seine Kritiker und seine Anhänger, lebt die Vorstellung vom Assyrischen Großreich des Altertums (825 bis 626 v. Chr.), zu dem nicht nur der Libanon und das Israel von heute, sondern auch erhebliche Teile Jordaniens gehörten — von Babylon und dem Mederreich einmal abgesehen. Asads politische Konzeption scheint an Gewicht zugenommen zu haben, seit Sadat mit Israel das zweite Entflechtungsabkommen von Sinai geschlossen und in Asads Augen damit bekundet hat, nur im ägyptischen Interesse zu handeln, die gesamtarabischen dar-über aber zu vergessen. Für Syrien schien das aber zu bedeuten: Keine Rückgewinnung der Golanhöhen durch alle Araber; Verrat an der gesamtarabischen Sache; Preisgabe der palästinensischen Forderungen nach dem eigenen Staat; Brüskierung derBaath (= Wiedergeburt) -Partei Syriens, die das Erstgeburtsrecht der panarabischen Idee für sich beansprucht und sich als syrischer (oder rechter) Flügel darum mit dem linken Baath-Flügel, der irakischen Regierungspartei in Bagdad, streitet; ein Streit, der übrigens sehr vehement von beiden Seiten auch im libanesischen Bürgerkrieg mit ausgetragen wird — eine der vielen Fronten in und um Beirut.

Asad hat also einen uralten Streit wieder ausgegraben: den zwischen den Euphrat-Tigris-Mächten und der Nilmacht — ein biblischer Rivalitätskampf, der hier nur im neuen Gewand erscheint und bei dem es letztlich um die Gunst Saudi-Arabiens für Damaskus oder Kairo geht. Der seit 1969 zunehmende Bürgerkrieg im Libanon, der seit 1975 den Charakter der Selbstzerstörung des Landes trägt, war für Asad das Signal, seinen politischen Ideen näher zu kommen — anscheinend ohne eine neue Auseinandersetzung mit Israel vom Zaune brechen zu wollen. Die bedingungslose Verlängerung des Mandats für die UNO-Truppen auf den Golanhöhen über den 31. Mai 1976 hinaus scheint diese Tendenz der syrischen Regierung zu erhärten. Asad bedient sich in seiner Politik der sowjetischen Waffen, ohne mit Moskau einen Bündnisvertrag zu unterzeichnen, ferner eines ständig zunehmenden Handels und intensivierter Wirtschaftsbeziehungen mit dem Westen sowie zweier untereinander verfeindeter Bündnispartner: Jordanien und die Palästinensische Befreiungsbewegung. Sollte es Saudi-Arabien gelingen, zwischen Ägypten und Syrien zu vermitteln, so wäre dies allein schon deshalb von Bedeutung, weil König Chalid daran gelegen sein muß, seine Pipelines von der Arabischen Halbinsel in die syrischen Exporthäfen ungestört zu wissen.

Israels Politik am Scheideweg

Für Israel geht es bei alledem weniger um das zweite Sinai-Abkommen mit der Räumung von Abu Rodeis — den ägyptischen Ölquellen, die nach 1967 immerhin mehr als 50 Prozent des israelischen Erdölbedarfs deckten — und der Räumung des Gidi-und des Mitla-Passes als strategische Angelpunkte auf der Sinaihalbinsel. Für Israel geht es um Machtveränderungen und Machtkonzentratio. nen an seiner östlichen und nördlichen Gren ze. Noch jede israelische Regierung hat Um. gruppierungen dieser Art als eine Gefährdunq der israelischen Sicherheit angesehen. De. halb ist für die Regierung Rabin der Bürgerkrieg im Libanon mit seinen möglichen Machtverschiebungen und mit den daraus resultierenden neuen politischen Konstellationen außenpolitisch das Kardinalproblem der zweiten Hälfte der siebziger Jahre, zumal es erwiesen ist, daß die UdSSR mit Hilfe der Flugzeuge von Aeroflot auf dem Flughafen von Beirut laufend Waffen für die moslemische Kampffront in Israel liefert, die von Libyens Staatschef Ghaddafi an den Kreml bezahlt werden. Und dies an Israels Nordgrenze. Mit Mißvergnügen haben die Israeli in den beiden letzten Jahren zudem die großen nationalen Ansprachen Asads verzeichnet, in denen vom „größeren Syrien" die Rede war. Deshalbfragen sie nervös, was dieses „größere Syrien'denn sei. Sie fühlen, daß sie politisch an einem Scheideweg angekommen sind. Daher rührt auch die Polarisierung in der israelischen Innenpolitik.

Jordaniens Zusammenarbeit mit dem stärkeren syrischen Nachbarn — so argumentiert man in Jerusalem — mag durch die Verhältnisse erzwungen sein. Besonders gern hat es Hussein sicher nicht getan. Aber er weiß, daß auf längere Frist mit den Ägyptern einfach nicht zu rechnen ist; einmal, weil sie sich im zweiten Sinai-Abkommen von 1975 verpflichtet haben, drei Jahre Waffenruhe zu halten; zum anderen steht die ägyptische Armee inmitten einer Umrüstung vom sowjetischen auf westliche Waffensysteme. Das braucht seine Zeit — Fachleute sprechen von mindestens fünf Jahren —, während der die chinesischen Zulieferungen als Überbrückungshilfe dienen können, damit das Nilland auch innenpolitisch nicht wehrlos ist. Dennoch bleibt unter dem Strich ein Machtzuwachs für den syrischen Präsidenten, der zugleich -die Gelegenheit war günstig und der Bürgerkrieg zwang direkt dazu — zum Schirmherm des Libanon wurde. Die drohende Teilung des kleinen Landes konnte er ebenso wenig zulassen wie eine militärische Niederlage der Palästinenser, die sich abzuzeichnen schien. Beides hätte schwere innenpolitische Folgen in Syrien und für Asad selbst mit sich gebracht. So wurde denn Asad auch noch der Protektor der PLO und als Präsident des einzig aktiven Konfrontationsstaates gegen Israel einer der mächtigsten Männer in der arabi sehen Welt, der sich zumindest des lautstarken Zuspruchs von Algerien und Libyen erfreut—jener beiden Olstaaten, die durch den Konflikt um die Spanische Sahara „Solidarität in bezug auf Palästina und die Westsahara" bekundet haben damit also, an der Westflanke Ägyptens gelegen, nicht gerade zu Sadats engsten Freunden zählen. Asad spielt mit großem Einsatz und bis zur Gegenwart nicht ohne Geschick.

Dies alles ist eine in diesem Ausmaß für Israel ungewohnte Machtverschiebung, zumal sich der Sondercharakter des Libanon in den letzten Jahren durch die „Gründung" des El-Fatah-Landes im südöstlichen Libanon, von der PLO gründlich mißbraucht, schrittweise aufzulösen begann. Auf diesem Weg wurde -was 1969 noch durch den Einfluß Kairos verhindert werden konnte — die PLO immer mehr eines derjenigen Elemente, die das politische Leben des Libanon bestimmten. Daraus resultieren drei gewichtige Fragen der Politiker in Jerusalem: 1. Entwickelt sich angesichts der Umschichtung im Libanon von einem mehrheitlich christlichen zu einem mehrheitlich moslemischen Staat jenseits der israelischen Nord-grenze ein ausgedehntes Reservat der PLO?

2. Steht am Ende des sich noch ständig drehenden Beiruter Karussels ein zusätzlicher arabisch-moslemischer Konfrontationsstaat unter syrischer Protektion als Beginn eines „größeren Syriens"? 3. Wird von Syrien ä conto der verschiedenen Bündnisse und Einflüsse in Jordanien, Syrien und der PLO nun eine etwa 900 km lange Ostfront gegen Israel aufgebaut, die von Rosh Ha Niqra an der nördlichen Meeresküste Israels bis nach Akaba in der Nachbarschaft von Eilath reicht? Eine Front, die im Angriffsfall Ägypten aus Solidaritätsgründen zwingen könnte, seine Versprechungen aus dem zweiten Sinai-Abkommen zu brechen?

Es zwingt zum Nachdenken, daß die Israeli diese offenbar sehr prekäre Situation mit Gewehr bei Fuß abwarten und entgegen allen Gepflogenheiten bisher nicht in die Entwicklung eingegriffen haben. Im Gegenteil: Die egierung Rabin ließ wissen, daß der Litani-Fluß im südlichen Libanon als „rote Alarm-linie" betrachtet werde, also als Sicherheitslinie, die von den libanesischen Kampfparteien nicht überschritten werden dürfe. Gleichzeitig haben die USA, die in Israel durch einen sehr „harten" Botschafter vertreten sind, zwischen Syrien und Israel vermittelt, damit das Einsickern syrischer und die Aktivität palästinensischer Streitkräfte im Libanon nicht zu nahöstlichen Eskalationen führe.

Dies ist unbestritten ein Wandel in der israelischen Sicherheitspolitik. Es gibt dafür eine nicht aus der Luft gegriffene, interessante Vermutung: Der Libanon nach dem Bürgerkrieg behält nach gußen als mehrheitlich moslemisches Staatswesen seine Selbständigkeit, steht in Wirklichkeit aber unter dem unsichtbaren Protektorat von Damaskus, das zugleich die Schirmherrschaft über die PLO behält und diese — etwa als Sondereinheit — in die syrische Armee eingliedert, wie es bereits mit den syrischen Saika-Partisanen geschehen ist. Läßt Israel dies ohne Intervention geschehen, so bietet Syrien, das sich durch die libanesischen Wirren selbst gefährdet glaubt, für diesen, von den Amerikanern zumindest geduldeten Machtzuwachs seine Bereitschaft an, gegenüber Israel stille zu halten — vorausgesetzt, daß es besetzte Gebiete schrittweise räumt. Abkommen über einen Palästina-Staat und möglicherweise noch über die Golanhöhen könnten dann in relativer Ruhe ausgehandelt werden. Es scheint für diese „Verwandlung des Liblanon" reale Hintergründe zu geben. Man behauptet in diesem Zusammenhang sogar, daß die Macht der PLO gezügelt oder eingedämmt sei. Man verweist darauf, daß die Person Arafats nicht mehr unumstritten ist und daß Asad-den radikalen Flügel des syrischen Baath ebenso ausgeschaltet habe wie die syrischen Kommunisten und bezeichnet eben diese Sachverhalte als Symptome für den Wandel. Man mag dies mit Zurückhaltung zur Kenntnis nehmen.

Freilich ist mit solchen orientalischen Winkelzügen die Gefahr für Israel keineswegs gebannt. Praktisch wäre nämlich Syrien dann — rein energiepolitisch betrachtet — Herr über vier Pipelines mit den entsprechenden Pacht-oder Vertragsgeldern. Je zwei dieser Pipelines kommen aus dem Innern der arabischen Welt und enden an der syrischen und der libanesischen Küste. Demgegenüber steht Israel, das nach dem Verlust von Abu Rhodeis mit einer Jahresförderung von 3, 5 Mill, t so gut wie völlig auf Erdölimporte — vorwiegend über die „Multis" aus dem Iran — und den dafür notwendigen Schutz durch die USA angewiesen ist. Zusätzlich muß es noch die Konkurrenz von SUMED durchstehen und so viel importieren, daß trotz der konkurrierenden ägyptischen Raffinerien die eigene Raffineriekapazität mit neun Millionen Tonnen auch ausgelastet ist. (Jährliche Durchsetzmöglichkeit durch die Pipeline Eilath-Ashka-Ion: 7, 6 Mill, t; eine Million mehr als der eigene Verhauch.) Das ist eine neue energiepolitische Lage für Israel, die seine Bewegungsfreiheit hemmt.

Andererseits aber sind die Israeli davon überzeugt, daß die Syrer auch mit jordanischer Unterstützung nicht in der Lage wären, einen Krieg gegen Israel zu gewinnen. Israels militärischer Optimismus kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß es der Kriege müde ist und selbst fühlt, daß weitere, auch siegreiche Kriege nur gegen Israel ausschlagen würden. Eben deshalb ist das Land — wie Premierminister Rabin sagte — '„zu schmerzhaften Entscheidungen bereit". Denn auch Israels innere Lage hat sich, verglichen mit den ersten Jahren nach dem Sechs-Tage-Krieg, nicht zu seinem Vorteil gewandelt. Die Kräfteverschiebung in der orientalischen Gesamtregion macht sich auch im Landesinneren bemerkbar. Die Wirtschaft stöhnt unter der Last von vier Kriegen, die das Land bis in die vierte Generation verschuldeten. Die Landesverteidigung nimmt mit 40 Prozent den größten Posten im Staatsbudget ein und drückt daher alle kulturellen Vorhaben in den Hintergrund.

Seit 1975 wissen die Israeli, daß sie sparen müssen. Die Ansprüche im Lande gehen zurück. Eine Inflationsrate von monatlich zwei Prozent, eine Steuerreform, die nun auch die Indexpapiere mit einschließt und der Mehrwertsteuer nicht mehr aus dem Wege geht, soll — von einer Reform des Kapitalmarktes begleitet — die Stabilisierung der Löhne ermöglichen und den schwarzen Devisenhandel in der Altstadt von Jerusalem und Jaffa überwinden. Die Uberbeschäftigung wird dadurch abgebaut. Vielleicht hören damit auch die so anarchischen Streikwellen in den Hafenstädten und im Flugverkehr auf. Am stärksten von diesen Veränderungen ist Israels Baugewerbe betroffen, dessen Dimensionen den wirtschaftlichen Verhältnissen Israels nicht mehr entsprachen. Mit der immer umfangreicheren Beschäftigung arabischer Arbeiter in den besetzten Gebieten begann so etwas wie eine geistig-politische Korruption, weil nun plötzlich die Araber die einfache Arbeiterschaft zu stellen begannen und damit eine Integration der Juden in ihre Gesellschaft und ihren Staat nach vernünftig gestaffelten So zialvorstellungen gebremst wurde.

1967 glaubten die Israeli, sie hätten mit den besetzten Gebieten Faustpfänder gewonnen mit deren Hilfe sie die Anerkennung ihre’ Staates durch die Araber und damit auch den Frieden in der Region würden erzwingen können. Inzwischen freilich haben diese Faustpfänder durch die politische und wirtschaftliche Entwicklung ihren ursprünglichen Wert verloren. Sie dienen aber noch immer den Arabern dazu, propagandistisch in aller Welt ein negatives Image des Judenstaates aufzubauen, ihn als „Staat der Aggressoren, Imperialisten und Rassisten" zu verunglimpfen und das ihnen so verhaßte ursprüngliche „Wunder Israel" unter den Tisch zu kehren. Tatsächlich stehen auch die besetzten Gebiete der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen durch die schwarzafrikanischen Staaten im Wege, obwohl gerade dort das große Loblied der Israeli gesungen wird, nachdem man gemerkt hat, wie sehr die Araber ihre schwarzen Verbündeten betrogen haben: „Die Juden aus Israel waren bisher die einzigen, die unseren Staat, seine Menschen und unsere Notwendigkeiten richtig gesehen und uns geholfen haben" — so erklärte jüngst der engste Mitarbeiter eines schwarzafrikanischen Staatschefs im Privatgespräch. Dazu ein Beispiel: Die Erschließung von Nigerias Erdölreichtum geht sehr wesentlich auf die Hilfe Israels zurück. Allerdings scheinen sich die Chancen einer Verbesserung der diplomatischen Kontakte zwischen Jerusalem und Schwarzafrika verringert zu haben, seit der Premierminister aus Pretoria im Frühjahr 1976 seinen Israel-Besuch absolvierte. Denn nun argumentieren die radikal-geführten afrikanischen Staaten, daß damit Israel seinen . Rassismus" geoffenbart habe", ohne zu überlegen, ob nicht die israelische Regierung dem Besucher aus Pretoria nahelegte, die Apartheid-Schranken abzubauen, also dem Frieden in Afrika zu dienen Den Palästinensern freilich würde solch eine Vorstellung nicht in ihr Konzept passen. Der Staat der Palästinenser Zwangsläufig sind auch die knapp 400 000 arabischen Staatsbürger Israels in den Sog dieser brisanten Entwicklung geraten. So emotional sie in den Jahren 1950 bis 1967 während Israels Aufstieg ihre Verdienstchancen begrüßten, so sehr sind sie nun auch über den Rückgang betroffen, obwohl sie noch immer sehr viel geringere Steuern zahlen müssen als die Juden. Diese Unzufriedenheit der israelischen Araber ist für den Staat eine schwere Bürde. Sie wird ihn zwingen, seine Rolle als Besatzungsmacht in relativ kurzer Zeit zu liquidieren; denn der Unmut gegen Israel wurde in den besetzten Gebieten geboren und schlug auf dem Weg über die Verwandtschaft auf die arabische Minderheit in Israel selbst über. An sich war der Sinneswandel unter den arabischen Israeli nicht verwunderlich und von Israeli mit Spürsinn auch lange erwartet worden, weil schon kurz nach dem Krieg von 1967 hier das Problem einer doppelten Loyalität zu merken war — eine Erscheinung, die den Juden in ihrer langen Geschichte nicht fremd ist, nur daß die Araber die Folgen des wirtschaftlichen Rückgangs bewußt und gezielt als „rassistische Zurücksetzung“ bezeichnen. Hier offenbart sich der äußere Einfluß auf die Palästinenser im israelischen Hoheitsgebiet.

Es wäre eine Unwahrheit zu behaupten, Israel hätte eine „barbarische Besatzungspolitik" betrieben, wie man es heute in Propaganda-schriften der PLO oder der Arabischen Liga lesen kann. Die Israeli hatten sogar in den ersten Jahren dadurch, daß sie als Besatzungsmacht kaum sichtbar waren und die Araber neue und rentablere Wirtschaftsmethoden lehrten, ausgesprochene Erfolge zu verzeichnen. Die „Politik der offenen Brücken" und die arabische Besucherwelle aus den Nachbarstaaten schienen das Verhältnis tatsäch-lich zu wandeln Die Araber auf der Westbank und in Israel verdienten so gut wie noch nie zuvor, das Sozialsystem der Histadrut funktionierte ebenso wie, nach anfänglichen Mißgriffen, das Schulsystem. Aber der materielle Wohlstand allein konnte noch niemals in der Geschichte einen Wandel der Mentalität bewirken. Die Israeli mußten diese Erfahrung nach dem Ende einer glanzvollen Pionierzeit machen. Es war in allem für diejenigen, die noch in Europa geboren waren, eine schmerzhafte Enttäuschung.

Vier Ereignisse haben dazu beigetragen: Das dreifache Nein der Arabischen Liga in Khartum im Herbst 1967: keine Verhandlungen, keine Anerkennung, kein Frieden; die Guerillatätigkeit der PLO, die die arabische Bevölkerung, die Politiker und die Sicherheitsbehörden in aller Welt einschüchterte und zu harten israelischen Gegenschlägen herausforderten; der Überdruß am israelischen Patriarchalismus sowie die mit dem Yom-Kippur-Krieg und dem Olboykott verbundene Umschichtung im orientalischen Kräfteverhältnis. Man mag noch hinzufügen: Den Arabern war das ebenso beneidete wie verhaßte „Musterland" auf die Dauer zu „europäisch". Je länger nun die Westbank und der Gazastreifen besetzt gehalten wurden, desto härter wurden auch die Auseinandersetzungen, übrigens auch die innerhalb der jüdischen Bevölkerung. Sie stritt darüber, ob die Besatzungsgebiete ganz einzugliedern seien (so die Rechtsopposition) oder ob sie nicht so rasch wie möglich als eine nicht tragbare Hypothek abgestoßen werden sollten. Die Regierung stand zwischen zwei Fronten. Damit aber begann nun auch die Diskussion um den eigenen Staat der Palästinenser sehr konkrete Formen und Überlegungen anzunehmen. Sie wurde durch die Spannungen zwischen Arabern und Juden nur noch beflügelt.

Die die Juden wie die Araber gleichermaßen treffenden Bodenenteignungen in Galiläa, die von der Regierung nur ungern gesehene jüdische Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten, der Protestmarsch der Rechtsopposition durch das Westjordanland, deren provokative Gebetsaktionen auf dem Gebiet der moslemischen Heiligtümer (Tempelplatz) und die Ausweisung arabischer Politiker aus der Westbank haben schließlich im Frühjahr 1976 zum Sieg der jungen Palästinenser in den Gemeinderatswahlen der besetzten Gebiete geführt. Die alte Gilde der Notabein ist unterlegen. Seither sprechen arabische Staatsmänner an Euphrat und Nil von dem künftigen Palästinenserstaat, in dem das Westjordanland und der Gazastreifen durch einen Korridor verbunden werden sollen, als einen „Schlüssel zum Frieden"

Sicher — der Sieg über die Notabein bedeutete auch eine Absage an die israelische Besatzungspolitik. Aber ist es nicht wichtiger, daß sich hier eine „neue Generation" durchgesetzt hat, eine — so möchte man hoffen —, die die alten und oft korrupten Praktiken arabischer Feudalisten und Großgrundherrn verwirft, weil sie ihre Völker nicht weiterbringen können? Die PLO ist nun das erste Mal in Stadtparlamenten vertreten, zum ersten Mal staatspolitisch legalisiert und jenseits des Freischärlertums auch in die politische Verantwortung mit regulären Abgeordneten hineingewählt. Die israelischen Politiker werden mit diesen PLO-Vertretern zwangsläufig verhandeln müssen — und umgekehrt.

Dieser neuen palästinensischen Generation steht eine neue Generation israelischer Juden gegenüber, welche die europäischen Judenpogrome mit ihren verständlichen Traumata nicht mehr erlebt hat, die selbst nicht mehr europäisch ist, von den eigentlichen Antriebs-momenten der ersten Zionisten kaum noch Kenntnis nimmt und sehr nüchtern auf dem Boden ihres Staates steht Sie ist die erste orientalisch-jüdische Generation in Israe Daraus allerdings schließen zu wollen, daß sie etwa bereit wäre, ihren Staat zu opfern und dem PLO-Konzept vom säkularen Staat Pa. lästina mit drei gleichberechtigten Religionen (nicht Völkern!) zuzustimmen, wäre illusorisch. Ihnen zeigt der Kampf der PLO im Libanon und das nun sichtbar werdende Resultat, wie irreal diese Konzeption ist. Gerade weil diese Generation in Israel ge. boren worden ist, wird sie den jüdischen Staat nicht preisgeben. In Gesprächen weist sie immer wieder darauf hin, daß ihr Lebensrecht als Juden im Heiligen Land historisch tiefere Wurzeln hat, daß sie in einer ganz anderen Form und viel überzeugter zionistisch sei als die Gründergeneration, ohne deshalb den Palästinensern ihr Lebensrecht in deren eigenem Land abzustreiten. Freilich hat diese Jugend, da in Israel die Abneigung gegenüber die UdSSR und der Anti-Kommunismus verständlicherweise relativ populär sind, ein erhebliches Bedenken, das ein 22jähriger Student jüdisch-orientalischer Herkunft so formuliert hat: „Wenn wir mit den Palästinensern in Zukunft loyale Nachbarschaft halten wollen, dann geht es nicht, daß Moskau diesen Staat zur bewaffneten Faust gegen unser Land macht." Hierin liegt die eigentliche Sorge der Israeli gegenüber dem kommenden Palästinastaat begründet. Sie trägt zu dieser seltsamen Stimmungslage zwischen Resignation und Optimismus im heutigen Israel bei.

Zwischen Resignation und Optimismus Es gibt Israeli, die aus diesen und ähnlichen Gründen dem Land — ganz oder zeitweise — den Rücken kehren. Die israelischen Einwanderungsbehörden haben sich den Kopf darüber zerbrochen, was die eigentlichen Gründe für diese angebliche Resignation sein könnten. Wenn man alle nur denkbaren Argumente mit ins Feld führt und die Schwankungen über die Jahre hinweg vergleicht, so bleiben zwei Feststellungen wohl sicher: Einmal gibt es seit Beginn des Staates Wanderungsbewegungen in erstaunlich hohen Prozentsätzen (1970 z. B. 139 700 Ausreisende, 134 800 Rückkehrer; 1975 eine noch größere Fluktuation mit 242 500 Ausreisenden und 227 600 Rückkehrern). Je größer die politische Unsicherheit wurde, desto größer die Wanderungsbewegung, desto größer auch die Differenz zwischen Aus-und Rückwanderung (1974 ein Minus von 23 500, 1975 eines von 14 900). Dabei handelt es sich in vielen Fällen um Auswanderer auf Zeit. Eine Preisgabe der Staatsbürgerschaft kann man nur in Einzelfällen feststellen. Dazu kommt die verärgerte Haltung der Einwande-rungsbehörden, die nur selten bereit waren, den Rückwanderern die Heimkeh 900). Dabei handelt es sich in vielen Fällen um Auswanderer auf Zeit. Eine Preisgabe der Staatsbürgerschaft kann man nur in Einzelfällen feststellen. Dazu kommt die verärgerte Haltung der Einwande-rungsbehörden, die nur selten bereit waren, den Rückwanderern die Heimkehr zu erleichtern, weil sie dazu neigen, Auswanderung als Verrat oder als Mißerfolg der Gesellschaft im Lande anzusprechen. Die Rückkehrer aber sind häufig besser ausgebildet, haben mehr Erfahrung und damit auch größere Chancen. Alles in allem kann man heute mit knapp 300000 Auslandsisraeli rechnen — eine Ziffer, die erst in den letzten beiden Jahren erreicht worden ist und die den jüdischen Anteil an Israels Bevölkerung gesenkt hat, während der Anteil der israelischen Araber seit 1949 von 190000 auf knapp 400 000 gestiegen ist. Bei ihnen aber wiegt der Abgang der Jugendli-chen stärker als bei den jüdischen Israeli 13).

Man mag dabei von Resignation sprechen, von Abwartehaltung, von der mangelnden Bereitschaft, materielle Opfer auf sich zu nehmen. Denkt man an den relativ hohen Prozentsatz der Abwanderung von Künstlern aller Sparten, so müßte man von einer Gefahr der kulturellen Auszehrung sprechen, die die Befürchtung hochkommen läßt, der Staat Israel würde leichter als in den Pionier-Jahren der Levantinisierung anheimfallen. Dieses Gespenst hing noch immer über dem kleinen Staatswesen, ist aber vielleicht als nicht allzu gravierend in einer Phase anzusehen, in der es auf den Ausgleich zwischen Juden und Arabern im Vorderen Orient ankommt. Solch ein Ausgleich nämlich könnte das Fundament ebgeben für eine größere Stabilität, die dann auch die Rückkehr und besonders die Neuzu-

" anderung beflügeln könnte, von der in den drei letzten Jahren — verglichen mit frühernur bescheidene Ziffern (um die 10 000) vorliegen.

In all diesen Ziffern und ihren Hintergründen sind natürlich auch jene Fehler erkennbar, die in der Vergangenheit nun einmal gemacht worden sind. Die junge israelische Generation reiht sie sehr unsentimental aneinander: — Die ost-und westeuropäischen Paten des heutigen Israel, die Begründer des Zionismus — Pinsker, Hess und Herzl — hatten in ihren Vorstellungen, wahrscheinlich mangels hinreichender Kenntnisse, keinen Raum für die Araber und für das Zusammenleben mit ihnen. — Die Israeli brachten den Arabern in Israel nach 1948 zu viel Mißtrauen entgegen und versagten ihnen deshalb den eigenen politischen Bewegungsraum in eigenen arabischen Parteien. Folge: Die im Frühjahr 1976 bei den Gemeinderatswahlen in Galiläa sichtbare Protestflucht in die kommunistische Partei, die schon in den 50er Jahren einen Bürgermeister in Nazareth gestellt hatte, und außerdem Streiks. Parallel dazu war das Vorgehen auch in den besetzten Gebieten.

— Viele Israeli haben samt ihren Regierungen allzu lange bestritten, daß die Palästinenser sich zu einem Volk zusammengefunden haben. Dadurch wurde die palästinensische Opposition noch verschärft 14).

Parallele Fehler treffen wir auf der arabischen Gegenseite an: — Die Araber wissen so gut wie nichts von der uralten Geschichte der Juden, lassen die Geschichte mit Muhammed beginnen und meinen, die Juden seien nur aus Westeuropa (!) gekommen, um die Palästinenser zu vertreiben. Die Judenpogrome in ganz Europa sind für sie kaum ein Gegenstand der Diskussion oder des Nachdenkens.

— Die meisten Araber leben aufgrund des fehlerhaften Geschichtsbildes in der Vorstellung der wenigen antizionistischen Juden, die den Staat Israel ablehnen, übersehen aber, daß es sich hier um eine intellektuelle Minderheit handelt und daß die Mehrheit der Juden in aller Welt in diesem Staat der Juden einen Rückhalt sieht, ob sie nun Zionisten sind oder nicht.

— Die meisten Araber bestreiten den Juden das Recht, sich als Volk oder Nation zu bezeichnen, weil eine Religionsgemeinschaft keinen Staat begründen könne Sie bestreiten aber nicht, daß es ohne Muhammed und den Islam keine arabischen Völker geben würde.

Wenn es wahr ist, daß die beiden Kontrahenten, Juden und Palästinenser, in einem Umbruch ihres Lebensgefühls stehen, so müßte zwangsläufig der Zeitpunkt kommen, in dem man sich auf das Mit-und Nebeneinanderleben einrichtet. Die Israeli der jungen Generation kommen nicht aus der Diaspora und nicht aus einer antisemitischen Umwelt, sondern sie wird von der Begegnung mit dem Orient und den Arabern geprägt. Die Palästinenser haben im Guten wie im Bösen ihren israelischen Nachbarn kennen gelernt. Beide haben aus Mißtrauen heraus ihr Sicherheitsdenken überzogen, indem sie sich gegeneinander abgegrenzt haben. Die israelischen Regierungen haben daraus seit 1967 einen Fetisch gemacht und ihm das politische Handeln unterworfen. Dennoch können die Palästinenser sicher sein, daß Haß den Israeli im großen und ganzen fremd ist. Hier haben die Araber, und die Palästinenser als Teil von ihnen, durch Politik und Propaganda ein Übersoll erfüllt, haben dabei aber ihr Ziel fixiert, ihre Vorstellungswelt umschrieben und — den Juden ähnlich — ihre Grenzen kennen gelernt; ihre Grenzen auch in der arabischen Welt, z. B. in Syrien Selbst wenn sie den eigenen Staat gewinnen würden, sie sind dann ebenso 01. habenichtse wie die Israeli — und wie diese von den Hintergrundmächten abhängig. Beide — Juden und Palästinenser — sind in einer seltsam gleichen Form in ihrer Region isoliert und in sich noch uneinig. Beide müs.sen sich auf der umkämpften orientalischen Drehscheibe des Ost-West-und des Nord-Südkonflikts erst einmal zu einer in sich geschlossenen Gesellschaft zusammenfinden und sich mit ihren so verschiedenen plurali. stischen Gruppen in diese Gesellschaft integrieren. Nur dann können sie, sich von dem Urteil ihrer Umwelt befreien, „Störenfriede der Weltpolitik" zu sein. Sie müssen die Rolle des lästigen Bittstellers oder fanatischen Verteidigers ihres Nationalismus verlieren, Das Beharren der israelischen Rechtsopposition Likut auf Eingliederung der besetzten Gebiete in den Staat Israel — eben weil dies das alte Israel sei, das ihnen Sicherheit verbürge -ist genauso töricht wie das arabische Embargo gegen jene Banken und Firmen der westlichen Welt, die mit Israel Handel treiben oder ihn finanzieren. Der bewußte Rückzug nicht weniger Israeli in ein neues Ghetto hat so wenig fruchtbringende Wirkung wie die Drohung der Arafat-Funktionäre, die Israeli „militärisch kurz und klein zu schlagen“, wem sie ihre nationalistische Mentalität nicht aufgeben und nicht vor den Palästinensern „mit ihrem Erstgeburtsrecht''kapitulieren würden

Prämissen dieser Art sind keine Voraussetzungen für wirkliches Verhandeln, erst recht keine für ein künftiges Nebeneinanderleben Im Gegenteil: Solche Voraussetzungen würden nicht nur den fünften Krieg auslösen, sondern den Untergang ganzer Kontinente in einem Großkrieg mit sich bringen, und dazu noch jener, die den beiden Rivalen von heute zum überleben und zum Neubau in der gemeinsamen orientalischen Welt helfen könnten. Der erste Schuß in diesem Krieg würde einen neuen Olboykott auslösen, ohne daß dadurch auch nur eines der vielen Probleme gelöst werden könnte. Schließlich haben die vier Kriege und das Erdölembargo eines erwiesen und bewiesen: Kriege führen im Orient zu keiner Entscheidung, weil die großen Mächte mitzusprechen haben und weil diese eine Balance wünschen.

Israels Premierminister, Itzhak Rabin, hat vor noch nicht langer Zeit den Satz gesprochen:

Man kann das Sicherheitsdenken überdrehen und damit den Staat selbst verlieren. Deshalb muß man Prioritäten setzen." Ein anderer israelischer Politiker hat geäußert: „Als Verhandlungspartner wird’jeder arabische Nachbar akzeptiert, wenn er der Kriegsparole entsagt.“ Parallel dazu schrieb ein ägyptischer Publizist: „Es ist an der Zeit, über die Wirklichkeit nachzudenken, an die sich unsere Gedanken bisher nicht herangewagt haben. Die arabisch-israelische Koexistenz kann durch den Austausch funktioneller Rollen erzielt werden; das Einander-Ergänzen kann zur Realität werden, sobald die Kanonen schweigen." Und in der Präambel des zweiten Sinai-Abkommens steht der Satz: „Die Regierung der Arabischen Republik Ägypten und die Regierung des Staates Israel haben vereinbart, daß der Konflikt zwischen ihnen und im Nahen Osten nicht mit militärischer Gewalt, sondern mit friedlichen Mitteln beigelegt werden soll." Diese Sätze sind Hoffnungen für alle Partner im Orient und für ihre Freunde. Sie durch Hartnäckigkeit oder neue Kriege zu zerreißen, wäre Torheit.

Vielleicht wäre es an der Zeit, wenn die Israeli einen gezielten politischen Schritt in dieser Richtung unternehmen würden, den Professor Talmon von der Hebräischen Universität schon 1969 vorgeschlagen hat: Die Anerken-nung der palästinensischen Araber als einer Gemeinschaft mit dem Recht auf Selbstbestimmung. Da dies für jene Palästinenser, die jenseits der isralischen Staatsgrenzen (nicht Besatzungsgrenzen!) leben, schon eine Selbstverständlichkeit geworden ist, bliebe sehr wohl die Überlegung, den Arabern mit israelischer Staatsbürgerschaft, also den rund 400 000 israelischen Arabern, kulturelle und politische Autonomie unter dem Dach des israelischen Staates zu gewähren. Das würde den Grundsatz des jüdischen Staates nicht preisgeben und doch ein autonomes Recht für Israels Araber „als Gleiche unter Gleichen" setzen Das könnte bei den Palästinensern als Signal gelten und entzerrend auch im Verhältnis zwischen palästinensischen Arabern in Israel und denen in den Nachbarstaaten wirken. Die Gesamtatmosphäre würde verbessert.

Da die Juden schon lange vor dem Ersten Weltkrieg, dann in Versailles und noch lange danach schon im eigenen Interesse Vorkämpfer für Autonomie geschlossener Völker-und Volksgruppen gewesen sind, wäre eine Autonomie palästinensischer Araber in Israel eigentlich die konsequente Folge jüdischen Denkens, das sich immer einer primitiven Majorisierung widersetzte. Eine Garantie der Großmächte könnte hier noch ein übriges tun, um in einer Phase der Stagnation zwischen Krieg und Frieden einen Wegweiser für den Frieden aufzustellen und aus dem Karussell von Worten und Versicherungen endlich herauszukommen. Zeichen und Signale sind wichtiger als diplomatische Versicherungen. Werden sie nicht gesetzt, so droht die Waffe Erdöl zum dritten Mal.

Fussnoten

Fußnoten

  1. 1915 Briefwechsel zwischen dem britischen Hoch-kommissar in Ägypten und dem Scherif Hussein von Mekka mit dem Versprechen auf volle Unabhängigkeit der arabischen Länder; in einem Geheimabkommen sichert Großbritannien dem Zaren-reich — ebenfalls 1915 — im Siegesfall Konstantinopel (Istanbul), die Meerengen, Südthrazien und Frankreich Zentralanatolien und Syrien zu; m Sykes-Picot-Abkommen 1916 versprechen die Engländer dem französischen Bundesgenossen den heutigen Libanon und das heutige Syrien samt des Olguellen bei Mossul und Kirkuk; 1917 wird dn Juden in der Balfour-Declaration ein jüdisches Nationalheim in Palästina versprochen.

  2. Trumans Punkt-Vier-Programm wurde am 12. April 1947 in Washington proklamiert. Es sichert der Türkei und Griechenland angesichts der sowjetischen Ambitionen auf beide östliche Mittelmeerstaaten die Unterstützung und Hilfe „zum Zweck einer Umgestaltung auf moderne Verhältnisse" sowie die Erhaltung der nationalen Integrität und Unabhängigkeit zu. Verbunden damit ist „die Entsendung amerikanischen Zivil-und Militärpersonals nach Griechenland und der Türkei auf Ersuchen jener Länder“. Damit werden die Vereinigten Staaten zum erstenmal mit allen Konsequenzen eine Mittelmeermacht.

  3. Das Buch von dem aus Martinique stammenden Frantz Fanon „Die Verdammten dieser Erde" (Frankfurt 1956) hat wesentlich zu den modernen Befreiungskämpfen durch Guerillas und Partisanen beigetragen. Es war die eigentlich ideologische Stütze des algerischen Krieges und wurde schließlich die Grundlage für alle übrigen derartigen Bewegungen einschließlich der Palästinensischen Befreiungs-Organisation. Fanons zweites Buch, das „Für eine Afrikanische Revolution" herausgegeben wurde (Frankfurt 1972), bringt post mortem eine Sammlung von Reden und Aufsätzen, die speziell den afrikanischen Bewegungen weiterhelfen sollen.

  4. Im Gegensatz zu rein politischer Agitation und Propaganda, wie sie beispielsweise in Südostasien und Schwarzafrika üblich ist, schaltet sich im »orderen Orient (und auch in Afrika) der Islam mit seinen religiösen Institutionen aktiv in die Politische Propaganda ein. Vgl. dazu u. a. „Arab Theologians on Jews and Israel“ (Editions de Avenir, Genf 1974). In dieser Broschüre werden 'on der Akademie für Islamische Wissenschaften le Stellungnahmen moslemischer Geistlicher gegen

  5. Carl E. Buchalla, Der hoffnungslose Kampf des legreichen, in: Süddeutsche Zeitung, 21. 4. 1976; saels. Handelsdefizit, Allgemeine Jüdische Wo-phenzeitung, 2. 1. 1976; Abwertung des israelischen Hundes, Neue Züricher Zeitung, 16. 3. 1976; Tri-S. 652356/1975, Israel sucht sein Gleichgewicht,

  6. Süddeutsche Zeitung, 27. 4. 1976: „Peking gegen Nahostkonferenz, China für afro-asiatisches Gipten treffen zur Frontbildung gegen Israel“. In diesen Zusammenhang gehört auch das sowjetisch-ägyP tische Verhältnis. Dazu Neue Züricher Zeitupk 24. 4. 1976, F. A.: Die Demütigung Moskaus dure Sadat.

  7. SUMED ist die Pipeline, die von der Umgebung von SUez nach dem MEDiterrane, dem Mittelmeer, führt. Die Pipeline ist auf der einen Seite eine ernsthafte Konkurrenz zur israelischen Pipeline von Elath durch die Negev-Wüste nach Ashkalon. Sie verbürgt aber andererseits, da sie für den Aufbau Per Friedenszone Ägyptens am Kanal von Bedeutng ist, zumindest ein militärisches Stillhalten. Sie war bereits lange vor dem Oktoberkrieg von 1973 soi bn ihr Baubeginn wurde aber bis 1974 aufge-

  8. Arnold Hottinger, Umwälzungen der Allianzen nuar rdafrk a, in: Neue Züricher Zeitung, 11. /12. Ja-MH -910, F. A. ,

  9. Die Beziehungen zwischen den Juden in Palästina und den Buren haben eine bald 100jährige Tradition. 1883 sandte die jüdische Gemeinde in Jerusalem an den Ersten Präsidenten der Burenrepublik, Ohm Krüger, eine namhafte Geldspende. Die starke Anlehnung der Burenkirche an das Alte Testament spielte dabei eine große Rolle. Premier minister Smuts beeinflußte stark die Niederschnil der Balfouj-Declaration. Sein Nachfolger, Hertzog, erließ die pro-zionistische Erklärung des Jahres 1926, Malan besuchte Israel als Premierminister 1053. Vgt. dazu Christoph von Imhoff, Jüdischer Pluralismus in Südafrika, in: EMUNA 2/1972; offen-bar fühlen sich die Schwarzafrikaner durch die neuerlichen Beziehungen zwischen Pretoria und 8rusalem brüskiert (Süddeutsche Zeitung, 20. 4. Kühles Verhältnis der Afrikaner zu Israel; Msue Züricher Zeitung, 20. 4. 1976, F. A.: Afro-dälatische Front gegen Israel und Südafrika, und : 4 1976: Afrikanische Kommentare zur Israel-15158 Vorsters; Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16 1976: Jerusalem spielt Vorsters Besuch herer die engen Beziehungen zwischen den stnwarzafrik anischen Staaten und Israel vgl. Christi, » von Imhoff, Israel - Die zweite Generation, Stuttgart 1964, S. 250 ff.

  10. Vgl. Amos Elon/Sana Hassan, Dialog der Feinde, Wien 1974, und Israel-Berichte (Deutsch-Israelische Gesellschaft), Nr. 1, 1976, Zionismus auf seine Karikatur reduziert, Interview mit Sana Hassan. Zu leicht macht es sich in der Beurteilung der Lage in Israel und im Judentum Jürgen Thorwald (Heinz Bongartz), deutscher Bestsellerautor der Nachkriegszeit, mit seiner, einem demnächst erscheinenden Buch vorausgehenden Serie in „Die Zeit" (Nr. 10 und 11, 1976) unter dem etwas triumphierenden Titel „Der Mythos Israel zerbrach". Er sammelte aus der Vorgeschichte und aus der Zeit nach der Gründung Zitate von Antizionisten, die sich gegen die israelische Staatsgründung aussprechen. Er stützt sich nach eigener Aussage auf jene, „denen solche religiöse Mystik fehlte". Der Staat Israel ist aber nur von dem religiösen Grundmotiv der Juden zu verstehen. Vgl. dazu die Geschichte des Zionismus von Walter Laqueur, Der Weg zum Staat Israel, Stuttgart 1975; Rolf Rendtorff, Israel und sein Land, München 1975; Axel Silenius, Antisemitismus — Antizionismus, Schriften der Bundeszentrale für Politische Bildung, Bonn 1973; Sigrid Bauschinger, Jüdische Selbstbesinnung in Amerika, Renaissance als Folge des Israel-Konflikts, Die Entdeckung eigener Traditionen, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Februar 1976.

  11. Neue Züricher Zeitung, Israels Siedlungspolitik (29. 4. 1974), Ideen Sadats zu einer Nahostlösung (27. 4. 1976), Israelische Schlappe in Cisjordanien (14. 4. 1976), F. A.; Zeev Barth, Unruhen in Galiläa, Allgemeine jüdische Wochenzeitung, Düsseldorf, 9. 4. 1976.

  12. Vgl. dazu Rolf Schloß, Quo Vadis Israel?, Vortrag von Ende Oktober 1975, und Christoph von Imhoff, Tribüne, 14. Jg„ Heft 56, 1975, Israel sum sein Gleichgewicht, auch Allgemeine Zeitung (Mainz) vom 24. 12. 1975: Fast ohne Holzpflug.

  13. Die arabischen Definitionen über das palästinensische Volk reichen, zumeist etwas euphorisch, bis in die frühmittelalterliche Geschichte. Das hält wissenschaftlich-ethnischen Erkenntnissen der europäischen Forschung nicht stand. Die Araber in Palästina haben sich die Volkseigenschaft und ein eigenes Nationalbewußtsein erst seit 1948 mühevoll und mit härtestem Freischärlertum erkämpft. Vgl. dazu Rolf Tophoven, Fedayin — Guerilla ohne Grenzen (Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Heft 97, Bonn 1973, S. 23 ff.; Gerhard Konzeimann, Vom Frieden redet keiner, Stuttgart 1971, und ders., Die Araber und ihr Traum vom Großarabischen Reich, München 1974, Antizionismus — Antisemitismus, Schriften der Bunt deszentrale für politische Bildung, 1973, S. 72 ff. Die eigentliche Proklamation des palästinensischen Volkes und eines palästinensischen Nationalbewußtseins ist erst nach 1956 zu erkennen. Vorher sprach man auch in den Resolutionen der UNG immer nur von den in Palästina lebenden oder von dort geflüchteten Arabern. Zur jüdischen Volks-problematik: Rolf Rendtorff, -Israel und sein Land, München 1975, S. 12— 29.

  14. Die sogenannte antizionistische Bewegung wird im arabischen Weltbild und bei den Gegnern des Staates Israel sehr häufig überschätzt. Vgl. auch dazu die Äußerungen der arabischen Publizistin Sana Hassan in Israel-Berichte, a. a. O.

  15. Neue Züricher Zeitung, Israels Palästinenser-politik am Scheidewege, Verknüpfung mit Syriens neuer Machtstellung, 25. 2. 1976, F. A.; Süddeutsche Zeitung (Manfred F. Schröder), Israel kannpud einen neuen Krieg gewinnen, 21. 10. 19751 ® Scholl-Latour, Das zusätzliche Risiko Israels, A 9 meine Zeitung (Mainz), 24. /25. 4. 19761, EuroP Archiv, Elizabeth Picard, Syrien in der Phase , • Wiederaufbaus und die Aussichten für eine densregelung in Nahost, Nr. 8/1976.

  16. Vgl. Die Zeit, 9. 12. 1975.

  17. Vgl. Tribüne, 57/1975, S. 6655.

  18. Die arabischen Zitate sind dem o. a. Vortrag von Rolf Schloß entnommen.

  19. Rudolf Hilf, Israeli und Palästinenser, Neue Rundschau 1/1975.

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