Aktion T 4
Die Methode für die spätere Massenvernichtung der Juden durch Gas, die neben den Massenerschießungen (wie sie auf dem besetzten sowjetischen Territorium in großem Umfang von den Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei und des SD bzw. durch Einheiten von SS und Polizei im Generalgouvernement, vornehmlich anläßlich der Ghettoräumungsaktionen, vorgenommen wurden) seit 1942 zunehmend angewandt wurde, war seit Anfang 1940 während der als „Aktion T 4" bekannten Tötung erwachsener Anstaltspfleglinge erprobt worden. Bei diesen unzutreffend als Euthanasie bezeichneten Tötungen (es handelte sich nicht um Sterbehilfe, sondern — in der nationalsozialistischen Terminologie — um „Vernichtung lebensunwerten Lebens") verlegte man die Insassen aus ihren ursprünglichen Anstalten in besonders dafür eingerichtete Tö
Die Methode für die spätere Massenvernichtung der Juden durch Gas, die neben den Massenerschießungen (wie sie auf dem besetzten sowjetischen Territorium in großem Umfang von den Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei und des SD bzw. durch Einheiten von SS und Polizei im Generalgouvernement, vornehmlich anläßlich der Ghettoräumungsaktionen, vorgenommen wurden) seit 1942 zunehmend angewandt wurde, war seit Anfang 1940 während der als „Aktion T 4" 1) bekannten Tötung erwachsener Anstaltspfleglinge erprobt worden. Bei diesen unzutreffend als Euthanasie bezeichneten Tötungen (es handelte sich nicht um Sterbehilfe, sondern — in der nationalsozialistischen Terminologie 2) — um „Vernichtung lebensunwerten Lebens") verlegte man die Insassen aus ihren ursprünglichen Anstalten in besonders dafür eingerichtete Tötungsanstalten und brachte sie dort in einer als Duschraum, anfänglich auch als Inhalationsraum getarnten Vergasungsanlage durch einströmendes Kohlenmonoxyd (CO) um. Nach 1945 angestellten gerichtlichen Ermittlungen 3) zufolge hatten die Gaskammern in den sechs Tötungsanstalten (Grafeneck/Württ., Hadamar bei Limburg, Brandenburg/Havel, Bernburg/Saale, Hartheim b. Linz und Sonnenstein b. Pirna) etwa Zimmergröße (ca.
15 m 2 Grundfläche, 2, 50— 3 m Höhe), waren bis zur Höhe von 1, 80 m gekachelt, mit Bänken ausgestattet, mit luftdichten Türen verschlossen und mit Brauseattrappen an der Decke und/oder 10 cm oberhalb des Fußbodens verlaufenden Leitungsrohren versehen, die in einen Vorraum führten. Innerhalb des Vergasungsraums waren die Leitungen angebohrt. Aus dem Vorraum ließ der Tötungsarzt das CO aus Stahlflaschen in die Leitungen strömen und beobachtete durch ein kleines Fenster den etwa 20 Minuten dauernden Vergasungsvorgang. Sogenannte Desinfektoren lüfteten den Gasraum durch Absaugen des CO und durch Zufuhr von Frischluft. Nach ungefähr 45 Minuten wurden die Gaskammern geöffnet und die Leichen auf Spezialtragbaren in die mit Koks oder Rohöl beheizten, stationären oder fahrbaren Verbrennungsöfen befördert 4).
Trotz sorgfältiger Geheimhaltung und Tarnung (die Aktion lief als „Geheime Reichssache" unter der höchsten Geheimhaltungsstufe, die Anstalten waren abgesperrt und bewacht, hatten eigene Standesämter, das Personal — Ärzte, Pfleger, ferner zumeist aufgrund zufälliger Empfehlungen dienstverpflichtete Personen, nur zum Teil Angehörige von SS und Polizei — war kaserniert und unter schwerer Strafandrohung zur Verschwiegenheit verpflichtet, die Benachrichtigung der Angehörigen enthielt fiktive Todesursachen usw.) wurde bekannt, was in diesen Anstalten vor sich ging. Proteste von Vertretern beider Konfessionen und von Anstaltsleitern, Anzeigen von betroffenen Familienangehörigen bei den Staatsanwaltschaften, zahlreiche Todesanzeigen in den Tageszeitungen und sich verstärkende Gerüchtebildung usw. führten — zwei Jahre nach Beginn der Vorbereitungen auf eine mündliche Weisung Hitlers — im August 1941 zur offiziellen Beendigung der Aktion in den Tötungsanstalten, der zwischen 80 000 und 100 000 Menschen zum Opfer gefallen sind.
Betroffen von „T 4" waren auch etwa 1 000 jüdische Pfleglinge und außerdem bestimmte Insassen von Konzentrationslagern (Geisteskranke, Invaliden und andere unerwünschte Häftlinge, z. B. Juden, sogenannte Berufsverbrecher, Polen, Tschechen), in denen man die Aktion fortsetzte, nachdem sie in den oben genannten Anstalten schon eingestellt war. Die Tötung „lebensunwerter" oder besonders unerwünschter KL-Häftlinge erfolgte parallel in einer besonderen Aktion unter dem Decknamen „ 14 f 13" in allen damals bestehenden Konzentrationslagern, dauerte über den Stopp der Vernichtungsaktion in den genannten sechs Anstalten hinaus bis (zumindest) April 1943 und kostete ungefähr 20 000 Häftlingen das Leben
Die erfolgreiche Erprobung der Menschenvernichtung durch Kohlenmonoxyd und die dabei gewonnenen „Erfahrungen" des Bedienungspersonals im Umgang mit der Technik des Vernichtungsapparates bildeten die unmittelbare Vorgeschichte und eine wesentliche Voraussetzung der bald nach Beendigung der „Aktion T 4" außerhalb des Altreiches in den besetzten Gebieten im Osten einsetzenden Tötungen unvergleichbar größeren Umfangs (für die die schon erwähnte Bezeichnung Massenvernichtung üblich geworden ist), insbesondere der „Endlösung der Judenfrage", wie sie in den Gaskammern der Vernichtungslager und in den von den Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD verwendeten Gaswagen durchgeführt wurde. Die Tätigkeit der Einsatzgruppen und -kommandos ist an dieser Stelle wegen der Verwendung jener — „Spezial-", „S-" oder auch „G-Wagen" genannten — mobilen Vernichtungsmaschinerie zu erwähnen, die nach demselben Prinzip wie die Gaskammern funktionierte und deren Einsatz einem doppelten Zweck dienen sollte: einmal erhoffte man eine Beschleunigung der Massentötungen und zum anderen erwartete man eine Entlastung für das exekutierende SS-und Polizeipersonal von dem extremen psychischen Druck, der sich aus den Massenerschießungen von Frauen und Kindern am Rande schon vorbereiteter Massengräber nachweislich ergeben und unliebsam bemerkbar gemacht hatte. Beide Erwartungen erfüllten sich im übrigen zum größten Teil nicht.
Diese Gaswagen, im Auftrag des Referats Kraftfahrwesen (II D 3a) des RSHA von einer Fahrzeugfirma montiert, waren luftdicht verschließbare, mit Zinkblech ausgeschlagene Kastenaufbauten (Höhe 1,70, Länge 5,80 m) auf LKW-Fahrgestellen, in die durch einen Verbindungsschlauch Motorabgase eingelassen wurden. Das Ladegewicht betrug 4 500 kg, das „Ladegut" bestand aus 40— 60 (oder mehr) Juden, die man unter dem Vorwand einer „Umsiedlung" o. ä. in diese Wagen einsteigen ließ und sie durch das im Motorabgas enthaltene Kohlenmonoxyd erstickte Die Ver-gasung dauerte ca. 15 Minuten; die Getöteten wurden in abseits gelegenen, vorbereiteten Gruben beseitigt.
Aufgrund erhalten gebliebener Dokumente steht fest, daß (insgesamt vermutlich 30) Gas-wagen seit Dezember 1941 von den vier Einsatzgruppen (A, B, C und D) in der Sowjetunion und seit Februar 1942 vom BdS in Serbien zur Räumung des Judenlagers Semlin in Jugoslawien benutzt worden sind
Uber die „Leistungsranigkeit dieser Wagen gibt ein in mehrfacher Hinsicht aufschlußreicher (wie der gesamte Vorgang als „Geheime Reichssache" deklarierter) Aktenvermerk des Referats II D 3 des RSHA vom 5. Juni 1942 Aufschluß: In knapp 6 Monaten haben „drei eingesetzte Wagen 97 000 verarbeitet" (die nähere Bezeichnung, daß es sich um „Juden" handelte, ist naheliegenderweise aus Tarnungsgründen unterblieben), „ohne daß Mängel an den Fahrzeugen auftraten".
Chelmno
Diese seit Dezember 1941 benutzten Wagen lieferten die Tötungsmaschinerie des ersten Vernichtungslagers, das Ende 1941 in dem Dorf Chelmno am Ner (deutsch: Kulmhof), im damaligen Warthegau, eingerichtet wurde. Das „Sonderkommando Lange", unter Leitung des Kriminalkommissars Herbert Lange, das sich bei der als „Evakuierung" bezeichneten Ermordnung von über 1 500 Geisteskranken im Durchgangslager Soldau/Ostpreußen in der Zeit vom 21. 5. bis 8. 6. 1940 schon einschlägig bewährt hatte und dem HSSPF in Posen für „besondere Aufgaben" unterstellt war, bezog im Oktober oder November 1941 das am Flußufer gelegene („Schloß" genannte) Herrenhaus einer ehemaligen polnischen Domäne, beschlagnahmte die öffentlichen Gebäude des Dorfes und einige von Polen bewohnte Häuser Der Schloßbezirk wurde an den zum Dorf hin offenen drei Seiten mit einem hohen Bretterzaun, zur Flußseite hin mit einem Maschendrahtzaun abgeschlossen und war nur durch ein ständig bewachtes Tor zugänglich. Am Ende eines langen, ins Freie führenden Kellergangs errichtete man eine ansteigende Holzrampe, die beiderseits mit Sichtblenden versehen war und in eine ca. 4 m breite Öffnung mündete, d. h. so breit war, wie die Rückwand (2 m) und die geöffneten Flügeltüren eines Gaswagens.
Etwa 5 km nordwestlich von Chelmno entstand in einem größeren Waldgelände, durch das die Straße und die Bahnlinie führten, das sogenannte Waldlager: das gänzlich eingezäunte Jagen 77, in dem mehrere Meter tiefe und unterschiedlich große Gruben ausgebaggert wurden.
Den etwa Anfang Dezember 1941 beginnenden Vernichtungsaktionen in Chelmno fielen als erste die Juden der näheren Umgebung zum Opfer (z. B. aus Dabie, Sompolno und Kolo). Den auf LKWs antransportierten Juden wurde im Schloß erklärt, sie kämen zum Arbeitseinsatz nach Deutschland, vorher jedoch müsse gebadet und die Kleidung desinfiziert werden. In einem Auskleideraum registrierte man pro forma ihre Wertsachen, die zusammen mit der Kleidung und dem Gepäck an die Ghettoverwaltung Lodz geschickt wurden und führte die unbekleideten Juden dann unter Bewachung in den am Ende des Keller-gangs an die Rampe herangefahrenen Gaswagen, schloß die Wagentüren, verband den Auspuff mit dem Zuführungsschlauch zum Wagen-inneren und ließ den Motor laufen. Nach ca. Minuten wurde der Schlauch abgekoppelt, der Gaswagen zum Waldlager gefahren und dort von einem jüdischen Arbeitskommando („Waldkommando" genannt) „entladen", das die Leichen nach versteckten Wertsachen un-tersuchen und sie dann in die ausgebaggerten Massengräber legen mußte (seit Frühjahr 1942 benutzte man Verbrennungsöfen). Während des Vergasungsvorgangs nur betäubte Juden erschoß man im Waldlager. Nach oberflächlicher Säuberung des Wageninneren von Blut und Exkrementen durch das „Waldkommando" fuhr der Gaswagen zum Schloß zurück, wo das jüdische „Schloßkommando" inzwischen Kleidung und Gepäck der gerade Getöteten weggeräumt hatte, und „verarbeitete" die nächste Gruppe.
Von Mitte Januar bis Mitte Mai 1942 und ab September war Chelmno Transportziel der im Ghetto Lodz — zumeist als nicht arbeitsfähig — selektierten Juden (darunter viele der im Oktober 1941 aus dem Reichsgebiet deportierten Personen), dazwischen kamen weitere Transporte aus den Landkreisen des Warthegaus. Sie nahmen gegen Ende 1942 ab und hörten im Frühjahr 1943 auf. Ende März löste man das Lager auf, erschoß die Mitglieder des jüdischen Arbeitskommandos, sprengte das Schloß und beseitigte die Spuren des Vernichtungslagers. Dazu gehörten auch Exhumierung und Verbrennung der vergrabenen Leichen durch das Sonderkommando 1005, das 1942/1943 eingesetzt worden war und seinen Spezialauftrag — die Beseitigung der Spuren von Massengräbern in den besetzten Ostgebieten — in Chelmno begonnen hatte 15). Die Angehörigen des Sonderkommandos Kulmhof, dessen Leitung im März 1942 an SS-Hauptsturmführer (Hstf.) Hans Bothmann übergegangen war, kamen nach Beendigung ihrer Tätigkeit — dekoriert mit dem Kriegsverdienstkreuz — fast geschlossen zum Einsatz bei der Waffen-SS-Division „Prinz Eu-gen" nach Jugoslawien, wurden von da aus jedoch schon ein Jahr später nach Chelmno zurückversetzt, um bei der zwischen Himmler und Greiser vereinbarten „Verringerung" und anschließenden Auflösung des Ghettos Lodz mitzuwirken, die vom 23. Juni bis 14. Juli 1944 dauerte und ähnlich wie die vorausgegangene Aktion, d. h. unter Verwendung von Gaswagen, verlief (seit August 1944 wurden Ghettoinsassen von Lodz nach Auschwitz deportiert). Das Sonderkommando war danach bis Anfang 1945 erneut mit der Spurenbeseitigung beschäftigt: Im Oktober/November 1944 erschoß es einen Teil der jüdischen Arbeitshäftlinge; Mitte Januar 1945 ging man daran, die restlichen Geheimnisträger zu beseitigen. Während dieser Aktion versuchten einige Juden eine Gegenwehr, dabei gelang zwei von ihnen die Flucht. Sie haben den Krieg überlebt und in einem Prozeß gegen Mitglieder des Lagerpersonals ausgesagt. Das Schwurgericht in Bonn hat die Gesamtzahl der jüdischen Opfer des Vernichtungslagers Chelmno mit mindestens 152 000 angenommen.
Belzec
Mit der Errichtung des zweiten Vernichtungslagers, dem ersten des „Einsatzes Reinhard", wurde im Winter 1941/42 in Belzec einem kleinen, an der Bahnlinie Lublin — Lemberg im Kreis Tomaszow-Lubelski gelegenen Ort, begonnen. Dieses Lager, wie auch die übrigen noch entstehenden, unterschied sich von Chelmno durch die Verwendung einer stationären und somit „leistungsfähigeren" Vergasungsanlage und dadurch, daß es in die Zuständigkeit des SS-und Polizeiführers im Distrikt Lublin, Odilo Globocnik, fiel. Globocnik, von Himmler mit der Durchführung der als „Einsatz Reinhard" bezeichneten Judenvernichtung in Ostpolen beauftragt, koordinierte die drei ihm unterstellten Vernichtungslager Belzec, Sobibor und Treblinka und organisierte die Sammlung und Verwertung des den vernichteten Juden geraubten Eigentums. Zu diesem Zweck richtete er in seinem Stab in Lublin die Hauptabteilung „Einsatz Reinhard" ein, mit deren Leitung er seinen Adjutanten Hermann Höfle beauftragte. In seiner Dienststelle wurden zumeist auch die Angehörigen des „Einsatzes Reinhard" in einer besonders protokollierten „Verhandlung" auf ihre Aufgaben verpflichtet, insbesondere darauf, daß die Vorgänge bei der „Judenumsiedlung Gegenstand einer Geheimen Reichssache sind". Aufbau und Organisation des ersten Vernichtungslagers im Distrikt Lublin, Belzec, oblag allerdings dem Stuttgarter Kriminalkommissar Christian Wirth, der bereits seit Winter 1939/40 aktiv an der Durchführung der „Euthanasie" beteiligt war Wirth, der bis August 1942 Kommandant des Vernichtungslagers Belzec war, wurde im Herbst 1942 zum Inspekteur des „Einsatzes Reinhard" mit Sitz in Lublin ernannt. Er war unter der Oberleitung Globocniks der eigentliche Organisator der drei Vernichtungslager. Die fortbestehende Bindung an die „T 4" wurde durch die weitere Besoldung des zu Globocnik kommandierten Personals aus den Euthanasieanstalten durch die Kanzlei des Führers und die Tatsache unterstrichen, daß die personelle Betreuung und Entscheidungen, wie Abkommandierungen etc. weiter über diese Berliner Dienststelle liefen, die in ständiger Kurierverbindung mit dem nach Polen entsandten Personal blieb.
An einem Nebengleis der Strecke Lublin-Lemberg wurde ein ca. 250 X 200 m großes Areal abgezäunt und in die Lagerbereiche I und II geteilt. Im Lagerbereich I befanden sich Unterkünfte für die Wachmannschaften (ukrainische Hilfswillige, darunter auch Volksdeutsche, die aus dem SS-Ausbildungslager Trawniki stammten; das deutsche Personal, Angehörige der „T 4", einige SS-und Polizeiangehörige, war außerhalb des Lagers untergebracht) und die „Arbeitsjuden", Entkleidungsbaracken, der Sammelplatz für die antransportierten Juden und die Entladerampe. Ein sogenannter Schlauch, ein enger, nicht einsehbarer Gang, verband den ersten mit dem zweiten Lagerbereich, in dem die Vernichtung stattfand. Anfänglich — das Lager war seit* Mitte März 1942 „betriebsbereit“ — gab es in Belzec nur einen mit Blech ausgeschlagenen Vergasungsraum in einer Holzbaracke; sein Fassungsvermögen betrug ca. 100 bis 150 Personen. Zur Tötung wendete man die schon bekannte Methode der Motorabgase an. Erste Opfer waren Mitte März 1942 die aus dem Lubliner Ghetto deportierten Juden. Der Ablauf des Vernichtungsvorgangs glich dem von Chelmno: Nach Ankunft im Lager — der Antransport erfolgte in Güterwagen — wurde den Juden erklärt, sie kämen zum Arbeitseinsatz, müßten jedoch zuvor entlaust und gebadet werden. Nach Geschlechtern getrennt führte man sie in die Entkleidungsbaracken, hieß sie ihre Wertsachen an besonderen Schaltern abgeben (den Frauen wurden die Haare abgeschnitten und dann trieb man sie, die Männer voran, durch den „Schlauch" in die Vergasungsanlage
Zwei Monate nach Beginn der Tötungen ersetzte man die Baracke durch einen massiven Steinbau mit sechs ca. 4 X 5 m großen Gaskammern, je drei rechts und links eines Ganges, die durch luftdicht abgeschlossene und nur von außen zu öffnende Türen zugänglich waren. Ins Freie, auf die zum Abtransport der Leichen dienenden Rampen, führten mit Gummidichtungen versehene Schiebetüren. Die Gaszufuhr erfolgte durch ein Röhrensystem; je nach der körperlichen Widerstandsfähigkeit trat der Tod nach 15— 20 Minuten ein. Angehörige des jüdischen Arbeitskommandos mußten nach Beendigung der Vergasung die Leichen, um deren Handgelenke sie Lederriemen streiften, in ausgebaggerte Gruben, ca. 100— 150 m hinter dem Gebäude, zerren. Auf dem Weg dorthin hatte ein aus jüdischen Zahnärzten bestehendes Kommando den Leichen etwa vorhandene Goldzähne auszubrechen. Auf dem Transport schon umgekommene oder für den Gang von den Güterwagen zur Entkleidungsbaracke und durch den Schlauch in die Gaskammern zu schwache Juden (einschließlich Kinder unter drei Jahre) wurden unmittelbar zu den Gruben gebracht bzw. dort erschossen.
Bedingt durch den Neubau der Vernichtungsanlage fanden im Mai und Juni 1942 vermutlich nur wenige Vergasungen in Belzec statt; sie wurden im Juli wieder aufgenommen und dauerten bis Ende 1942. Soweit bisher feststellbar, waren die Hauptvernichtungszeiten in Belzec: ab 14. März bis Mitte April 1942 (Transporte aus den Distrikten Galizien und Lublin); in geringem Maß Ende Mai bis erste Hälfte Juni 1942 (Transporte aus den Distrikten Krakau, Lublin und Galizien); ab 21. /27. Juli bis Ende November/Anfang Dezember 1942 (Transporte aus den Distrikten Kraukau, Lublin, Galizien und nichtpolnischen Gebieten). Auch Anfang Januar 1943 haben vermutlich noch einige Vergasungen stattgefunden (Transporte aus Galizien) Im September 1942 wurde mit der Exhuminierung der in den Massengräbern verscharrten Leichen begonnen, die man auf zwei aus Eisenbahnschienen konstruierten Scheiterhaufen verbrannte. Diese Aktion war im Frühjahr 1943 beendet; danach riß man die Gebäude ab, ebnete das Gelände ein und bepflanzte es. Teile der deutschen Lagerbesatzung gingen, wie auch Angehörige der anderen Vernichtungslager, mit Globocnik, der im September 1943 von seinem Posten als-SSPF Lublin abgelöst und zum HSSPF Adriatisches Küstenland befördert wurde, als Einheit „R" nach Triest. Die restlichen Arbeitshäftlinge wurden nach Sobibor gebracht und dort erschossen. Die Zahl der Opfer von Belzec liegt vermutlich über 600 000
Sobibor
Das zweite, zu Globocniks Aufgabenbereich gehörende Vernichtungslager entstand im April 1942 bei Sobibor, im östlichen Teil des Generalgouvernements, nahe dem Bug und der Grenze zum Reichskommissariat Ukraine Erster Lagerkommandant war der auch schon bei der „Aktion T 4" tätig gewesene SS-Obersturmführer (Ostuf.) Franz Stangl; sein Nachfolger wurde im Herbst 1942 SS-Ostuf. Franz Reichleitner. Ein Vorkommando von der SS-Zentralbauverwaltung Lublin errichtete dieses Lager auf der Höhe der etwa 5 km südlich des Dorfes gelegenen Bahnstation Sobibor. Dort boten ein Waldstück und ein westlich der Bahnlinie Wlodawa — Cholm laufendes Nebengleis mit einem Rangiergleis (an das die Rampe für die ankommenden Transporte angebaut wurde) günstige Gelän-devoraussetzungen. Das in vier Bereiche aufgeteilte, ca. 70 ha große Gebiet wurde umzäunt, später außerhalb der Umzäunung noch vermint und ähnlich wie das Lager Belzec eingerichtet; das sogenannte Lager III (im nördlichen Teil des Gesamtkomplexes) war das eigentliche Vernichtlungslager mit dem Gaskammer-Gebäude, das als Massivbau mit Betonfundament konstruiert war und in dem drei Gaskammern (4 X 4 m) nebeneinander lagen. In einem Anbau war der Vergasungsmotor installiert, von dem ein Röhrensystem in die Kammern führte und in Brausedüsen endete.
Anders als in Belzec erfolgte in Sobibor der Abtransport der Lei. chen zu den ausgehobenen Gruben in Feldbahnloren. Seit Anfang Mai 1942 war das Lager, nach einer Probevergasung, „betriebsfertig", nachdem der größte Teil des deutschen Lagerpersonals (vorwiegend auch hier Angehörige der „T 4", neben einigen SS-und Polizeiangehörigen) im April eingetroffen war. Die Abwicklung der ankommenden Deportationszüge verlief nach einem ähnlichen Schema wie in Belzec, wobei das Täuschungsmanöver noch mit Hinweisen auf einen zu gründenden Judenstaat perfektioniert wurde. Besonders für die holländischen Transporte (vom 2. /3. März bis 20. Juli 1943 insgesamt 19 Transporte mit 34 314 Personen), die in normalen Personenzügen ankamen, wurde die Täuschung über den wahren Zweck des Lagers noch ergänzt (angebliche Gepäckaufbewahrung, Anfertigung von Postkarten an Angehörige mit dem Absender „Arbeitslager Wlodawa" usw.).
In Sobibor trat ab Mitte Juni bis zum Oktober 1942 eine Pause ein. Abgesehen von der allgemeinen Transportsperre Ende Juni/Anfang Juli waren hierfür vornehmlich Umbauarbeiten an den Gleisanlagen auf der Strecke zum Vernichtungslager der Grund In diese Zeil fiel auch die Vergrößerung der Vernichtungskapazität: Im Herbst 1942 riß man das alte Gebäude (teilweise) ab und verdoppelte die Zahl der Gaskammern auf sechs.
Nach Sobibor kamen neben umfangreichen Transporten aus den Niederlanden, dem Reichsgebiet und der Slowakei vor allem die Juden des Distrikts Lublin. Hauptvernichtungszeiten waren: Ab Anfang Mai bis ca. 10. Juni 1942 (Transporte vornehmlich aus dem Distrikt Lublin), ca. 8. Oktober bis Anfang Dezember 1942 (Transporte aus dem Distrikt Lublin und dem Relchsgeblet), Anfang März bis Ende August 1943 (Transporte aus dem Distrikt Lublin, den Niederlanden, Frankreich, Sowjetrußland u. a.).
Auch in Sobibor war die Lagerleitung gezwungen, zur Leichenverbrennung überzugehen, da die infolge der Sommertemperaturen stark verwesenden Toten die Gruben aufquellen ließen, Leichenwasser abgaben, Ungeziefer anlockten, unerträglichen Gestank verbreiteten und die Trinkwasserversorgung aus den Tiefbrunnen des Lagers zu vergiften drohten. Mit einem Greifbagger wurden die verwesten Leichen in andere Gruben befördert und auf Eisenbahnschienen über Betonfundamenten verbrannt. Seit dieser Zeit verbrannte man auch die soeben erst durch Gas Getöteten sofort. Nach einem Aufstand der Häftlinge der jüdischen Arbeitskommandos am 14. Oktober 1943 wurde das Lager geschlossen und abgerissen. Für diese Arbeiten mußten eine Gruppe jüdischer Häftlinge aus Treblinka herangezogen werden, da man alle Häftlinge in Sobibor, denen während des Aufstands die Flucht nicht gelungen war, als Vergeltung erschossen hatte. Es haben etwa 30 Juden den Aufstand und das Lager überlebt. Die Zahl der Opfer wird auf mindestens 250 000 geschätzt
Treblinka
Das dritte, nach der Opferzahl größte Vernichtungslager des „Einsatzes Reinhard" befand sich etwa 5 km südlich des Dorfes und der Station Treblinka an der von Sieldce nach Ostrow führenden Bahnlinie, im nordöstlichen Teil des Distrikts Warschau, in der Nähe eines schon 1940 errichteten Arbeitslagers, das Treblinka I genannt wurde Treblinka II entstand östlich der Gleise auf einem ca. 20 ha großen Areal, das wegen seiner Geländebeschaffenheit — eine längliche, bewaldete Anhöhe — nicht einzusehen war und mit einem etwa 3 m hohen, mit Reisig durchflochtenen Stacheldrahtzaun zusätzlich getarnt wurde. Der Aufbau des Lagers erfolgte im Frühjahr 1942 unter Leitung der SS-Zentralbauleitung Warschau durch eine Liegnitzer und eine Warschauer Firma, die sich polnischer und jüdischer Arbeitskräfte — letztere z. T. aus Treblinka I — bedienten, und war Anfang Juli beendet. Die Gliederung des Lagers (nach der noch zu beschreibenden Reorganisation im Herbst 1942) entsprach weitge-hend der aus Sobibor bekannten: in dem so-genannten unteren, auch Arbeits-, Wohnoder Auffanglager genannten Bereich waren die Unterkünfte für das deutsche Lagerpersonal, das aus etwa 40 Personen bestand (zum überwiegenden Teil Personal der „Euthanasieaktion", das einheitlich in SS-Uniformen gekleidet war, sowie einige Angehörige der Waffen-SS bzw.der Allgemeinen SS und der Polizei), für die ukrainischen Wachmannschaften (ca. 120 aus Trawniki) und für die im Lager arbeitenden jüdischen Handwerker, die aus den ankommenden Transporten ausgesucht wurden, ferner Verwaltungs-, Vorrats-und ähnliche Baracken, der sogenannte Auffangplatz und der „Bahnhof", d. h. eine Bahnhofsattrappe mit Bahngleis, Bahnsteig, Fahrkartenschaltern, Fahrtrichtungshinweisen usw., die bei den Ankommenden den Eindruck erwecken sollte, sie seien in einem Durchgangslager zum Weitertransport. Noch zum unteren Lager gehörte das „Lazarett", das ebenfalls durch Stacheldraht und Reisig abgetrennt war und dessen Funktion später zu beschreiben ist.
Durch einen mannshohen, mit Reisig eingeflochtenen Stacheldrahtzaun war das untere vom oberen Lager (im südöstlichen Teil des Areals), dem Vernichtungsbezirk (Totenlager), getrennt. Dort befand sich das auf Betonfundament aus Ziegelsteinen errichtete Gashäus mit drei Kammern (4X 4 oder 3X 4 m, ca. 2, 60 m hoch), in die die Abgase des im Maschinenraum installierten Dieselmotors geleitet wurden. Luftdicht schließende Türen führten in die einzelnen Kammern, die nur von außen, von der für die Beseitigung der Leichen dienenden Rampe her zu öffnen waren. Zum Transport der Leichen in die Gruben verwendete man — wie in Sobibor — anfangs eine Feldbahn; wegen technischer Pannen (die im Laufschritt von den jüdischen Arbeitshäftlingen zu bewegenden Loren sprangen häufig aus den Schienen) ging man dazu über, das Verfahren mit der Hand und schließlich mit Holzbahren bewerkstelligen zu lassen.
Die Vergasungen begannen am 23. Juli 1942 mit der Vernichtung eines Transportes von etwa 5 000 Juden aus Warschau, nachdem Himmler am 19. Juli in Lublin den Befehl zur endgültigen Räumung des Generalgouvernements von Juden gegeben hatte. Mitte Juli hatte SS-OGrf Wolff, Chef des Persönlichen Stabes beim RFSS, telefonisch beim Staatssekretär im Verkehrsministerium wegen der termingemäßen Abfertigung der Deportationszüge mit polnischen Juden interveniert und am 28. 7. erfahren, daß seit dem 22. 7. „täglich ein Zug mit je 5 000 Juden von Warschau nach
Treblinka, außerdem zweimal wöchentlich ein Zug mit je 5 000 Juden nach Przemysl nach Belzek" (sic!) fährt. „Auch im Namen des Reichsführers-SS" dankte Wolff am 13. August „herzlich" für diese Mitteilung und nahm „mit besonderer Freude" davon Kenntnis, „daß jeden Tag ein Zug mit je 5 000 Angehörigen des auserwählten Volkes nach Treblinka fährt und wir doch auf diese Weise in die Lage versetzt sind, diese Bevölkerungsbewegung in einem beschleunigten Tempo durchzuführen". Wolff bat den Staatssekretär, „diesen Dingen auch weiterhin" seine Beachtung zu schenken Die seit dem 23. Juli also täglich und seit dem 6. August vorübergehend zweimal täglich (vermutlich mit Ausnahme von Sonntags) aus der polnischen Hauptstadt eintreffenden „Umsiedlerzüge" in dieser Größenordnung, zu denen noch Transporte aus anderen Orten des Distrikts Warschau sowie aus den Distrikten Lublin und Radom kamen, überstiegen die Tötungs-und Beseitigungskapazität des Lagers sowie die „Fähigkeit" des ersten (auch von der Aktion „T 4" übernommenen) Lager-leiters Dr. med. Eberl, für das reibungslose Funktionieren der Vernichtungsmaschinerie zu sorgen. Der Lagerbetrieb nahm chaotische Ausmaße an, die ankommenden Züge stauten sich während der heißen Tage des Sommers, die Leichenberge konnten nicht beseitigt werden. Nach einer Besichtigung durch Globocnik Ende August/Anfang September 1942 wurde Eberl abgelöst, Wirth mit der Reorganisation des Lagers beauftragt, eine vorübergehende Transportsperre und der Bau eines neuen, größeren Gashauses angeordnet und als neuer Lagerleiter der bisher als Kommandant von Sobibor fungierende Franz Stangl eingesetzt. Laut Fahrplanordnung Nr. 243 der Generaldirektion der Ostbahn in Krakau wurde ab 1. September 1942 der Bahnhof Treblinka bis auf weiteres für den öffentlichen Personenverkehr gesperrt, um die „reibungslose Abfer-tigung der Umsiedlersonderzüge zu ermöglichen“
Mitte September, nach Fertigstellung des neuen Gaskammergebäudes, wurden die Tötungen in verstärktem Ausmaß wieder aufgenommen; sie verliefen nach dem im Prinzip schon aus Belzec und Sobibor bekannten Plan: Bei Ankunft im Lager erfolgte die Täuschungsansprache über den bevorstehenden Arbeitseinsatz und die dafür notwendige gründliche Reinigung, dann trennte man auf dem Umschlagplatz die Männer und Jugendlichen von den Frauen und Kindern, trieb diese in die Auskleidebaracke, wo ihnen sogenannte Goldjuden alle Wertsachen abnahmen; die Kleidung mußte gebündelt abgelegt, die Schuhe mit einem extra verteilten Bindfaden zusammengebunden werden, dann wurde vom Friseurkommando das Abscheren der Haare besorgt und die Frauen und Kinder schließlich, häufig mit dem Hinweis, das Wasser werde schon kalt, in den in die Gaskammern führenden „Schlauch" gejagt (für den aus Treblinka auch Bezeichnungen wie „Himmelfahrtsallee" oder „Weg ohne Rückkehr" bekanntgeworden sind). Dann folgten die Männer und Jugendlichen, nachdem man von ihnen auf dem Umschlagplatz besonders kräftige, junge Männer oder bestimmte Handwerker selektiert und den verschiedenen jüdischen Arbeitskommandos zugeteilt hatte Im „Schlauch" trieb man die Opfer mit erhobenen Händen unter Stock-und Peitschen-schlägen in die Gaskammern, deren Fassungsvermögen bis aufs äußerste ausgenutzt wurde. Nach dem Schließen der Türen wurde mit dem Ruf „Iwan, Wasser!" — Ukrainer bedienten den Motor — der Befehl zum Anlassen des Motors gegeben. Der Vergasungsvorgang dauerte 30 bis 40 Minuten, dann wurden die Türen geöffnet und mit dem Abtransport der Leichen begonnen. Etwa überlebende wurden auf dem Weg zu den Gruben erschossen, ebenso jene Juden, die man nicht mehr in die Gaskammern hatte zwängen können und für die eine gesonderte Vergasung zu aufwendig gewesen wäre. Auf dem Weg zu den Gruben wartete das „Dentistenkommando", um bei den Er-mordeten vorhandene Goldzähne zu entfernen. Das Zahngold wurde gesäubert und fand seinen Weg über die Lagerverwaltung nach Berlin, wo es eingeschmolzen wurde. Ebenfalls nicht vergast wurden alte, kranke oder sonst gehunfähige Personen. Diese, bei Ankunft befragt, ob sie ärztlicher Hilfe bedürften, brachte man in das „Lazarett". Hierher kamen auch nicht mehr leistungsfähige oder sonst der Willkür des Lagerpersonals preisgegebene Arbeitsjuden hin. Das „Lazarett", das von außen nicht einsehbar war, bestand aus einer großen Leichengrube, in der fast ständig ein Feuer brannte. Die Opfer, die beim Betreten des Gebietes auch eine kleine Bretterbude sahen, die mit dem Zeichen des Roten Kreuzes versehen war, mußten sich ausziehen, auf den am Rand der Grube befindlichen Erdwall mit dem Gesicht den Toten zugewandt setzen, um von hinten erschossen zu werden. Auf diese Weise fanden Tausende ein barbarisches Ende. Der Geruch der Leichenverbrennung lag pestilenzartig über der Gegend und führte sogar zu Kommentaren der Ortskommandantur der Wehrmacht in Ostrow, die sich über die Geruchsbelästigung beklagte
Die Massengräber in Treblinka wurden im Frühjahr 1943 geöffnet und die Leichen unter Zuhilfenahme eines Greifbaggers auf besonders konstruierte Verbrennungsanlagen gehoben und verbrannt. Die Asche wurde gesiebt (etwa noch vorhandene Knochen zerstampft) und, mit Erde vermischt, zur Auffüllung der ausgeräumten Gruben benutzt.
Die Hauptvernichtungszeiten in Treblinka erstreckten sich vom 23. Juli 1942 bis Januar 1943 (Transport aus Stadt und Distrikt Warschau, aus den Distrikten Radom und Lublin, Bezirk Bialystok, Theresienstadt), Februar bis Mitte März 1943 (Bezirk und Stadt Bialystok), Ende März bis Anfang April 1943 (Transporte aus Bulgarien und Griechenland), Mitte August 1943 (Stadt Bialystok).
Am 2. August 1943 brach in Treblinka eine Häftlingsrevolte aus während der etwa 600 Häftlingen die Flucht gelang, von denen 40 das Kriegsende überlebt und zum Teil als Zeugen in den beiden Düsseldorfer Treblinka-Prozessen ausgesagt haben. Bei dem Aufstand wurden Teile des Lagers, nicht jedoch die Vernichtungsanlage zerstört, so daß die Ver-gasungen noch bis Oktober 1943 fortgesetzt werden konnten. Dann wurden die Gebäude abgerissen, das Gelände eingeebnet, die restlichen 25— 30 Arbeitsjuden erschossen und das Lager Ende November 1943 aufgelöst. Nach den Feststellungen des Schwurgerichts im ersten Düsseldorfer Treblinka-Prozeß (1964/65), die auf den vom gutachtenden Sachverständigen ausgewerteten (unvollständig erhaltenen) amtlichen Unterlagen (Fahrplänen, Telegrammen, Waggonzetteln), dem sogenannten Stroop-Bericht, der Literatur und auf Zeugenaussagen beruhen, sind in Treblinka mindestens 700 000 Menschen, überwiegend Juden, aber auch Zigeuner (ca. 1 000) getötet worden. Der Gutachter im zweiten Düsseldorfer Treblinka-Prozeß (1969/70) kam aufgrund neuester Forschungsergebnisse zu einer Zahl von 900 000 Opfern
Auschwitz/Birkenau
Von den bisher dargestellten vier Vernichtungslagern unterscheiden sich die beiden übrigen, Auschwitz und Lublin-Majdanek: Diese Lager waren sowohl Konzentrationslager im üblichen Sinne des Begriffs (nicht nur Juden-Lager) mit dem im weiteren Verlauf der Kriegszeit wesentlichen Zweck der Ausbeutung der Häftlingsarbeitskraft wie auch — zu einem späteren Zeitpunkt — Vernichtungslager.
Im folgenden wird nur auf diesen Teil des Gesamtkomplexes der Auschwitzer Lager eingegangen werden und im übrigen auf die zahlreiche Literatur verwiesen.
Das größte, zweifellos berüchtigste und neben Dachau bekannteste Konzentrationslager der nationalsozialistischen Zeit entstand in den sogenannten Eingegliederten Ostgebieten, bei der (1939) ungefähr 12 000 Einwohner zählenden Stadt Auschwitz an der Sola, ca. 30 km südöstlich von Kattowitz und 50 km westlich von Krakau, wo sich südlich außerhalb der Stadt und — ein wichtiges Auswahl-kriterium — nahe der Bahnlinie Bielsko — Chrzanow ein Kasernengelände befand, dessen Gebäude ohne große bauliche Veränderungen als Häftlingsunterkünfte benutzt werden konnten. Im Mai 1940 wurde das Lager eröffnet; erster Kommandant wurde Rudolf Höß, der — im November 1943 von Arthur Liebehenschei abgelöst — im Mai 1944 von seinem inzwischen innegehabten Posten des Chefs des Amtes D 1 (Zentralamt der Amts-gruppe D — Konzentrationslager) des SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamtes (WVHA) nach Auschwitz zurückkehrte, um die Vernichtung der ungarischen Juden zu organisieren
Im Zuge der Errichtung des Lagers wurde die in der Umgebung der Kasernen lebende polni-sehe Bevölkerung evakuiert, u. a. auch die des etwa 2 km westlich von Auschwitz gelegenen Dorfes Birkenau (Brzezinka), das in das ca. km 2 große „Interessengebiet des Lagers"
einbezogen wurde.
Im März 1941 inspizierte Himmler das Lager und befahl Höß, in Birkenau ein „Kriegsgefangenenlager Auschwitz" zu errichten, das eine — allerdings nicht realisierte — Kapazität von 100 000 Häftlingen haben sollte 40). Mit dem Bau dieses Lagers wurde im Oktober 1941 begonnen; die Häuser des Dorfes wurden, bis auf wenige Ausnahmen, abgerissen.
Vermutlich im Laufe der zweiten Hälfte des Jahres 1941 — nach seiner Darstellung im Sommer — wurde Höß zu Himmler nach Berlin beordert und erhielt den Auftrag, Pläne zur Errichtung von Massenvernichtungsanlagen für die Endlösung der Judenfrage in Auschwitz zu entwickeln
Ob die erste, für Anfang September 1941 überlieferte Vergasung von Menschen in Auschwitz schon im Zusammenhang mit diesem Höß erteilten Befehl stand, seine eigene oder — wie er angab — eine während seiner Abwesenheit vom Schutzhaftlagerführer Fritsch oder sonst jemandem ergriffene Initative gewesen ist, kann wohl nicht mehr geklärt werden. Bei dieser Vergasung sperrte man aus dem Häftlings-Krankenbau ausgesonderte Häftlinge sowie aus Kriegsgefangenenlagern (im Verfolg des „Kommissarbefehls" überstellte russische Kriegsgefangene — insgesamt über 800 Personen — in die luftdicht abgeschlossenen Kellerzellen des Arrestbunkers (Block 11) und schüttete Zyklon B hinein. Als am nächsten Tag noch Häftlinge lebten, wurde Gas nachgeschüttet. Wiederum einen Tag später mußten mit Gasmasken ausgerüstete Häftlinge der Strafkompanie die Leichen der Vergasten aus den Kellerzellen holen und zum Verbrennen in das im November 1940 errichtete Krematorium (später auch „altes" oder „Krematorium I" genannt) bringen. Wegen der für dauernde
Vergasungszwecke unzulänglichen räumlichen Gegebenheiten des Blocks 11 benutzte man für weitere Vergasungen den entsprechend ausgestatteten Leichenraum des Krematoriums. .
Diese so erprobte Methode der Massentötung unter Verwendung von Zyklon B wurde — vermutlich seit Januar 1942 — bei der Ermordung der nach Auschwitz deportierten Juden angewandt. Ein im nordwestlichen Lagerbereich von Birkenau gelegenes Bauernhaus wurde für Vergasungen umgebaut und erhielt die Bezeichnung Bunker I. Die Vergasten, es waren Juden aus Oberschlesien, wurden in Massengräbern in der Nähe des Bunkers verscharrt. Massengräber wurden bis etwa Mitte September 1942 benutzt; nach einem zweiten Inspektionsbesuch Himmlers in Auschwitz am 17. und 18. Juli 1942, bei dem er sich auch die Vergasung eines gesamten Transports von Anfang bis Ende angesehen hatte, überbrachte SS-Standartenführer (Staf.) Paul Blobel den Befehl Himmlers, die Massengräber freizulegen und die Leichen zu beseitigen. Damit wurde in Birkenau gegen Ende September 1942 begonnen, nachdem Höß im Beisein von Blobel die Verbrennungen in Chelmno besichtigt hatte. Unter Zuhilfenahme von brennbaren Flüssigkeiten wurden die Vergasten auf Scheiterhaufen verbrannt, später — zusammen mit den exhumierten Leichen — in Gruben. Anfang Dezember 1942, nach Beendigung der „Enterdungsaktion", wurden die 300 Häftlinge des dafür gebildeten Sonderkommandos im Krematorium in Auschwitz vergast. Diese Liquidierungen wiederholten sich häufig: auf diese Weise wurden die Geheimnisträger, d. h. die Mitwisser der Vergasungen, beseitigt. Ende Juni 1942 richtete man ein weiteres Bauernhaus — es wurde Bunker II genannt — für Vergasungen ein, begann aber zur gleichen Zeit mit der Planung großer Vernichtungsbauten, Krematorium genannt, die sowohl Gaskammern wie Einäscherungsanlagen enthalten sollten, da die „Kapazität" der beiden Bunker (I für ca. 800 und II für ca. 1 200 Menschen in insgesamt 5 Gaskammern) für die im Frühjahr 1942 angelaufenen und seit Juni in schneller Folge eintreffenden soge-nannten RSHA-Tranporte mit deportierten Juden aus Deutschland und den deutschbesetzten Gebieten nicht ausreichte. Nach Einholung entsprechender Angebote vergab die Zentralbauleitung der SS in Auschwitz im Sommer 1942 Aufträge für Krematoriumsbauten (an die Firma Huta in Kattowitz) und für deren technische Einrichtungen (an die Firma Topf und Söhne in Erfurt). Mit dem Bau wurde im Herbst auf dem westlichen Lagergelände von Birkenau begonnen; die vier neuen Krematorien wurden zwischen dem 22. März und dem 25. Juni 1943 fertiggestellt und der Lagerkommandantur zur Benutzung übergeben. Von der zwischen Auschwitz und Birkenau verlaufenden Bahnlinie zweigte man im Frühjahr 1944 ein Nebengleis ab und führte es in den Lagerbereich hinein, wo es bei den beiden südlich gelegenen Krematorien in einer langen Rampe endete.
Die Krematorien II und III (sie wurden unter Einbeziehung des alten Krematoriums im Stammlager Auschwitz weiternumeriert) waren einstöckige, nicht unterkellerte Bauten (ca. 55 X 12 m), die mit je fünf Dreikammerö-fen ausgestattet waren und eine Verbrennungskapazität von je 1440 Leichen pro 24-Stunden-Tag hatten. Angebaut waren je zwei unterirdisch liegende Räume, von denen der größere als Entkleidungs-und der zweite als Vergasungsraum diente, dessen Fassungsvermögen (1t. Anklageschrift im Frankfurter Auschwitz-Prozeß) je 3 000 Menschen betrug.
Die Leichen wurden auf Loren zu Aufzügen befördert, die in den oberirdisch gelegenen Ofenraum führten. Die beiden nördlicher gelegenen Krematorien LV und V, in denen die drei Funktionsräume in einem Gebäude untergebracht waren, hatten zwar größere Außengrundmaße (ca. 67 X 12 m), aber eine geringere Kapazität: In dem einen Achtkammerofen jedes dieser Krematorien konnten pro Tag ca. 770 Lefchen eingeäschert werden; die Kapazität der Vergasungsräume konnte bisher nicht ermittelt werden
Nach Inbetriebnahme der neuen Vernichtungsanlagen riß man den Bunker I ab, ließ aber Bunker II stehen und verwendete ihn, wenn die Zugfolge der RSHA-Transporte zu dicht war, als Hilfsanlage.
Dem Ablauf des Vernichtungsvorgangs in Birkenau — wie auch in allen anderen Vernichtungslagern — waren detaillierte verwaltungstechnische Planungen vorausgegangen: In kontinuierlicher Zusammenarbeit mit dem Reichsverkehrsministerium (Reichsbahnrat Stange) stellte der im RSHA zuständige Leiter des Referats IV B 4 (Judenangelegenheiten, Räumungsangelegenheiten), SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann (bzw.sein Transport-Offizier, Obersturmführer Franz Novak), Fahrpläne und Transportzüge für die Deportation der in Deutschland und den deutschbesetzten Gebieten erfaßten Juden zusammen, während die örtlichen Dienststellen der Reichsbahn und der Geheimen Staatspolizei die lokalen Gegebenheiten absprachen. Die bevorstehende Ankunft eines Transportes wurde von der Ausgangsstation dem Referat IV B 4, der Amtsgruppe D des WVHA und der Zielstation mitgeteilt. IV B 4 und die KL-Verwaltung in Oranienburg konnten daraufhin den Lagern zusätzliche Weisungen erteilen. Die Lagerkommandantur z. B. in Auschwitz informierte daraufhin ihrerseits die mit der Abwicklung der ankommenden Transporte befaßten Lagerabteilungen: u. a.den Wachsturmbann, den diensthabenden Arzt, das Vergasungskommando. (In den Lagern Ost-polens lief die telefonische Ankündigung eines Transportes über die Hauptabteilung „Einsatz Reinhard" bzw. die sicherheitspolizeiliche Dienstelle in Warschau für Treblinka.) Um das Abstellgleis wurde eine Posten-kette gezogen und die Ankommenden angewiesen, sich unter Zurücklassung ihres gesamten Gepäcks auf der Rampe aufzustellen. Wenn nicht der gesamte Transport vergast werden sollte, fand eine Vorselektion in der Weise statt, daß altersmäßig sich gleichende Gruppen sowie Gruppen von Frauen bzw. Frauen mit Kindern (bis etwa 14 Jahre) gebildet wurden. Aus diesen Gruppen selektierten (meist) Ärzte diejenigen Personen, die nicht (wenigstens nicht sofort) in die Gaskammern geschickt wurden, sondern als arbeitstauglich angesehen und im Lager und in den Nebenlagern von Auschwitz, in denen auch Industrie-betriebe errichtet worden waren, als Arbeitskräfte benötigt oder wegen besonderer beruflicher Qualifikationen (ärztliches Pflegepersonal u. ä.) gebraucht wurden. Die auf diese Weise Selektierten wurden in die „Lagerevidenz" aufgenommen und erhielten Häftlings-nummern. Arbeitsunfähige, d. h. Kranke, Alte und körperlich Schwache aus den RSHA-Judentransporten, wurden sofort nach Ankunft in Birkenau zur „gesonderten Unterbringung" oder „Sonderbehandlung" überstellt, mit anderen Worten: sofort vergast. Angehörige der Politischen Abteilung zählten beide Gruppen, um das WVHA über die Abwicklung der jeweiligen Transporte schriftlich zu unterrichten
Nach der Selektion wurde den für die Vernichtung Bestimmten gesagt, sie kämen zum Arbeitseinsatz und müßten vorher desinfiziert werden; man führte sie dann zu den — auch durch eine Postenkette abgesicherten — Krematorien, die Gehunfähigen zur schnelleren Abwicklung auf Lastwagen der Fahrbereitschaft. In den Entkleidungsräumen ermahnte man sie, ihre Kleidung sorgfältig aufzuhängen und sich die Nummer des Kleiderhakens zu merken. Um sie bis zuletzt über das ihnen bevorstehende Schicksal zu täuschen, gingen SS-Leute mit in die Gaskammern hinein; sie sprangen erst im letzten Augenblick heraus und verriegelten die Türen. Das in einem Rot-Kreuz-Wagen antransportierte Gas wurde von „Desinfektoren" genannten Angehörigen des Vergasungskommandos (sie waren mit Gasmasken geschützt) in die Gaskammern geschüttet: in den Krematorien IV und V durch ein kleines Seitenfenster, in den Krematorien II und 111 (in denen Brauseattrappen installiert waren) durch die Öffnungen in der Dekke, die im Innern der Kammern in hohlen, durchlöcherten Blechsäulen endeten, in denen Spiralen angebracht waren, die das gekörnte Zyklon B verteilten. Der Befehl zum Einwerfen des Gases und zum öffnen der Türen wurde vom ärztlichen Lagerpersonal gegeben. Der Vergasungsvorgang dauerte in der Regel 10— 15 Minuten; dann wurde für etwa 20 Minuten bei geöffneten Türen eine Entlüftungsanlage eingeschaltet und mit der Räumung der Gaskammern begonnen. Diese Arbeit hatten die Angehörigen des jüdischen „Sonderkommandos" (es bestand bis zur Ankunft der Ungarn-Transporte im Mai 1944 aus ca. 400 Juden und wurde dann um ca. 500 verstärkt) zu leisten; sie mußten auf dem Weg zu den Verbrennungsöfen (bzw. -gruben) den Leichen die Goldzähne entfernen und den weiblichen Toten die Haare abschneiden.
Man verbrannte nach Möglichkeit mehrere Leichen gleichzeitig in einem Ofen, mußte jedoch häufig, wenn die „Kapazität" nicht ausreichte bzw. Anlagen durch Überlastung ausfielen, im Freien einäschern.
Zwischen dem Bereich der Krematorien II und III und dem der Krematorien IV und V lag ein aus ca. 30 Baracken bestehender, von den Häftlingen (wegen des Vorhandenseins aller nur vorstellbaren Güter) „Kanada" genannter Komplex, in dem die gesamte Hinterlassenschaft der Vergasten aufbewahrt, von Häftlingen sortiert und für die Verteilung durch die NSV an Bombengeschädigte, Umsiedler und Fremdarbeiter vorbereitet wurde; ein Teil der Textilien und Schuhe fand für die Vervollständigung der Häftlingsbekleidung Verwendung. Wertsachen und Geldbeträge wurden in der SS-Standortverwaltung sortiert und zusammen mit dem in Barren eingeschmolzenen Zahngold an das WVHA abgeführt, Tausende von Uhren (soweit erforderlich, im KL Sachsenhausen repariert) zum größten Teil an die Waffen-SS und an die Wehrmacht abgegeben und das abgeschnittene Frauenhaar für die industrielle Verwertung (z. B. Herstellung von Haargarnfüßlingen für U-Boot-Besatzungen) bestimmt, während Kleidung an Umsiedlungslager, an die NSV usw. geliefert wurde.
Nach der (vorübergehenden) Rückkehr von Höß nach Auschwitz Anfang Mai 1944 (Liebehenschel wurde zum Kommandanten des KL Lublin ernannt), begann man in Birkenau mit den Vorbereitungen für die Ankunft der großen Ungarn-Transporte, die zwei Monate nach der deutschen Besetzung (19. 3. 1944) anliefen. In der Zeit vom 16. Mai bis etwa Anfang/Mitte Oktober sind während der gründlichsten und umfassendsten Deportation, die je in einem der im deutschen Machtbereich gelegenen Staaten durchgeführt worden ist, über 400 000 ungarische Juden nach Auschwitz verschleppt worden. Während dieser Zeit, in die auch die endgültige Liquidierung des Anfang September 1943 in Birkenau eingerichteten sogenannten Familienlagers, in das in mehreren Transporten Juden aus dem Ghetto Theresienstadt mit dem Vermerk „SB (= Sonderbehandlung) mit 6monatiger Quarantäne" (d. h. Ermordung nach Ablauf dieser Frist) sowie die Liquidierung des Zigeunerlagers fiel, haben die Vergasungen und Verbrennungen ein bisher unbekanntes Ausmaß erreicht.
Am 7. Oktober 1944 brach ein Aufstand der bei den Krematorien II und IV eingesetzten Sonderkommandos aus, in dessen Verlauf die Häftlinge das Krematorium IV in Brand setzen konnten. Etwa 250 von ihnen gelang die Flucht; sie wurden aber bei Rajsko, wo sie sich in einer Scheune verbarrikadiert hatten, von der SS überwältigt. 200 weitere Angehörige des Sonderkommandos wurden in Birkenau erschossen.
Gegen Ende November wurde mit dem Abbruch des Krematoriums II begonnen; diese Maßnahme stand zweifellos im Zusammenhang mit dem Befehl Himmlers, die Vergasungen einzustellen Anfang Dezember 1944 wurde das „Abbruchkommando Krematorium III" gebildet; was von diesen beiden Gebäuden noch übriggeblieben war, wurde am 20. Januar 1945 und das Krematorium V schließlich am 26. Januar, einen Tag vor der Besetzung des Lagers durch die Rote Armee, gesprengt. Die Zahl der in Auschwitz durch Gas ermordeten Juden liegt bei weitem über einer Million.
Auf das Lager und außer Auschwitz sechste einzige in der Doppelfunktion von Konzentrations-und Vernichtungslager wird im Rahmen dieses Aufsatzes mit Rücksicht auf den Ende November 1975 vor der 17. Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf eröffneten Majdanek-Prozeß nicht eingegangen
Eine abschließende Bilanz der in den hier beschriebenen Vernichtungslagern zwischen 1941 und 1944 getöteten Juden vorzulegen, ist nicht möglich, da hierzu die meisten Vorarbeiten noch fehlen. Ohnehin wird man nur annähernde Ergebnisse erzielen können, da eine Vielzahl quellenmäßiger Schwierigkeiten eine endgültige Feststellung verhindert. Die Angaben der Gerichte beruhen zum Teil auf Schätzungen der Nachkriegszeit, zum Teil auf Gutachten, in denen ein erster Versuch unternommen wurde, verwertbare Angaben zu erarbeiten. Wie auch immer weitergehende Untersuchungen ausfallen werden, es wird sich im wesentlichen nur darum handeln, die Abgrenzungen zwischen den einzelnen Vernichtungslagern näher zu bestimmen. An dem riesigen zahlenmäßigen Gesamtumfang der Opfer der „Endlösung" wird sich kaum etwas ändern. Schon jetzt steht aber fest, daß, nach der Zahl der Opfer, Treblinka neben Auschwitz die meisten Toten forderte, während die Abgrenzung der Transporte nach Belzec und Sobibor im Einzelfall die größten Schwierigkeiten bereitet Alle bisher unternommenen Ansätze haben ferner gezeigt, daß intensive Nachforschungen trotz der fragmentarischen Quellenlage oft überraschend weiterführende Ergebnisse erbrachten. Die eingangs genannte Zahl von 3 Millionen Menschen, deren Tod allein durch Vergasungsanlagen herbeigeführt wurde, stellt eine Mindestzahl dar, von der schon jetzt sicher ist, daß die wirkliche Zahl erheblich darüber liegt.
Die Diskussion über die Gesamtproblematik ist im wissenschaftlichen Rahmen zu führen, apologetische Spekulationen, wie sie Martin Broszat eingangs zitierte, sind angesichts der vorhandenen und hier zum Teil ausgebreiteten Fakten gespenstische Spiegelfechtereien, die jeder realen Grundlage entbehren.