Einleitung
Im Zusammenhang mit der außenpolitischen Entwicklung des letzten Jahrzehnts entstand in der Bundesrepublik eine breit gefächerte Literatur zu politisch-militärischen Problemen. Ein größer Teil dieser Literatur steht im Rahmen der allgemeinen Friedens-und Konflikt-forschung, an die sich die westdeutsche Friedenspädagogik anschließt Einen zweiten Komplex bildet das Schrifttum über „Abrüstung und Entspannung" Daneben ‘gibt es eine Fülle von Publikationen zu wehrpolitischen Fragen in der Bundesrepublik. Man kann sie folgenden Schwerpunktthemen zuordnen:
1. Vorgeschichte und Geschichte der Wieder-bewaffnung in der Bundesrepublik.
2. Politischer Auftrag, Bedeutung der Bundeswehr im Rahmen der NATO.
3. Inneres Gefüge der Bundeswehr (Organisation, Innere Führung, SelbstVerständnis, politische Bildung).
Verhältnis der Streitkräfte zur Gesellschaft.
5. Rüstung und Wirtschaft.
6. Wehrerziehung — Wehrdienstverweigerung 4). Dabei fällt auf, daß seit dem Ende der sechziger Jahre, seit dem Beginn der Entspannungspolitik, die Zahl der Schriften, die sich kritisch mit der Verteidigungspolitik der Bundesregierung und der Bundeswehr befassen, offensichtlich zunimmt — und ihre Tonart wird schärfer Mit großem Engagement wird zum Beispiel das Wehrkunde-Problem diskutiert und dabei die Unvereinbarkeit von kritischer und demokratischer politischer Bildung mit der „Erziehung zur Wehrbereitschaft" betont Hinzu kommt schließlich das Schrifttum, das eindeutig die Argumentation der DDR-Publizistik übernimmt oder auch als offizielle DDR-Propaganda in der Bundesrepublik zu betrachten ist
Angesichts dieser breiten Diskussion über die Verteidigungspolitik der Bundesrepublik und die Probleme der Bundeswehr überrascht es, wie wenig Aufmerksamkeit der Militärpolitik der DDR und der „Nationalen Volksarmee" (NVA) gewidmet wird. Das materialreiche Buch von Thomas Forster bildet eine Ausnahme. Es konzentriert sich aber vornehmlich auf Geschichte, Organisation, materielle und personelle Ausstattung der NVA, auf Ausbildung und militärisches Potential und behandelt Militärdoktrin und Militärpropaganda mehr am Rande Es gibt zuverlässige juristische Informationsmittel über die Wehrverfassung der DDR Doch die zahlreichen allgemeinen Darstellungen über den zweiten deutschen Staat gehen nur kurz auf Militärfragen ein, ohne den größeren Zusammenhang mit einzubeziehen In ähnlicher Weise werden in Darstellungen des Wirtschaftssystems der DDR die rüstungsökonomischen Probleme, die in bezug auf die Verteidigung der Bundesrepublik breit und kritisch diskutiert werden, durchweg vernachlässigt
Aufgrund dieser Tatsachen halte ich es für sinnvoll, einige Aspekte der gegenwärtigen Militärdoktrin und Militärpropaganda der DDR aufzuzeigen, um diese in der Öffentlichkeit der Bundesrepublik wenig beachteten Vorstellungen in einem größeren Zusammenhang zu verdeutlichen. Ich werde dabei vorwiegend berichten und — abgesehen von einigen Stellen — möglichst zurückhaltend kommentieren, daneben aber größere Text-abschnitte aus der DDR-Publizistik zitieren, weil auf diese Weise markante Aussagen und dominierende Tendenzen deutlicher dokumentiert werden können als durch referierende Zusammenfassung und kritische Interpretation.
I. Krieg, Politik, Revolution und „friedliche Koexistenz"
1. Die Militärdoktrin der DDR wird maßgeblich bestimmt durch die Militärdoktrin der Sowjetunion. Sie hat „ausgesprochenen Klassencharakter" und umfaßt im einzelnen die Theorien -— über den Krieg (Freund-Feind-Bild, Typologie, strategische Ziele, Mittel, Methoden), — über die äußere und innere Funktion der Streitkräfte und — über die optimale Vorbereitung der Streitkräfte und der Gesamtbevölkerung auf den möglichen Krieg.
Die Militärdoktrin (und damit jede dieser Theorien) hat militärisch-technische, ökonomische und politisch-soziale Aspekte. Im folgenden werden vorwiegend die letzteren betrachtet.
Bei der Militärdoktrin handelt es sich um allgemeine Grundsätze und Anschauungen über Fragen des Krieges und der Kriegsvorbereitung. Die militärische Strategie geht von diesen allgemeinen Grundsätzen aus und erforscht konkrete Fragen eines künftigen möglichen Krieges.
Die marxistisch-leninistische Militärpropaganda ist „Bestandteil der politischen Propaganda" und soll die „Überlegenheit des Sozialismus" gegenüber dem „Imperialismus" nachweisen und „Kampfbereitschaft und Siegeszuversicht" entwickeln. Sie ist Aufgabe aller staatlichen Institutionen und aller gesellschaftlichen Kräfte
Militärdoktrin und Militärpropaganda sind im Zusammenhang mit der ideologischen Entwicklung des Marxismus-Leninismus insgesamt zu sehen. Für Marx wie für Engels waren revolutionäre Gewaltanwendung und Krieg selbstverständliche Mittel des Klassenkampfes auf nationaler und'internationaler Ebene
Lenin faßte gewalttheoretische und militär-theoretische Ansätze aus ihren Schriften zusammen. und entwickelte die bis heute gültiges Grundsätze der Militärdoktrin der Sowjetunion und ihrer militärischen Verbündeten. Folgende Gesichtspunkte sind besonders zu beachten: a) Lenin verknüpfte — in Anlehnung an Clausewitz — Krieg und Politik: „Der Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln." Er stellte ferner die theoretische Verbindung zwischen Krieg und Revolution her, indem er der Frage nachging, „welchen Klassencharakter" Kriege haben, von welchen Klassen sie geführt werden, ob und in welcher Weise Krieg und Gewaltanwendung im nationalen und internationalen Bereich die sozialistische Revolution beschleunigen Durch diese Verbindung von Krieg und Politik und Krieg und Revolution wurde es möglich, alle Formen des revolutionären Klassenkampfes in den umfassenden theoretischen Rahmen revolutionärer Strategie und Taktik einzuordnen.
b) In Verbindung mit seiner Imperialismus-theorie stellte Lenin die Lehre von Krieg, Revolution und Politik in den größeren Zusammenhang der Theorie von der Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaftsformation und vom gesetzmäßig notwendigen Übergang zu Sozialismus und Kommunismus. Er kam zu dem Ergebnis, daß Gewaltanwendung und Kriege notwendig und unvermeidbar seien bis zum endgültigen weltweiten Umsturz der herrschenden Ordnung
c) Im Zusammenhang seiner Vorstellungen über Krieg, Politik und Revolution und seiner Imperialismustheorie präzisierte und aktualisierte Lenin das in den Schriften von Marx und Engels angelegte „Freund-Feind-Bild" und entwickelte in Anlehnung an die traditionelle Unterscheidung von „gerechten" und „ungerechten" Kriegen eine Typologie der Kriege 2. Unter dem Eindruck der technischen Entwicklung der Nuklearwaffen wich Chruschtschow mit seiner Erklärung von 1956, daß es eine „schicksalhafte Unvermeidbarkeit der Kriege" nicht gebe, von dem geschichtlichen „Gesetz" Lenins ab In einem jahrelangen Klärungsprozeß der sowjetischen militärpolitischen und militärwissenschaftlichen Diskussion setzte sich die Strategie der „friedlichen Koexistenz" zwischen Staaten mit verschiedener Gesellschaftsordnung durch. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung war dabei offensichtlich der Fehlschlag der offensiven Raketendiplomatie in der Berlinkrise und in der Kubakrise. Hier zeigte sich die „Wirksamkeit der amerikanischen Kernwaffenabschreckung, welche die sowjetischen Führer zum Rückzug zwang . . ."
Die Konzeption der „friedlichen Koexistenz", aus gedanklichen Ansätzen in den Schriften Lenins entwickelt, ist doppelgesichtig: „friedlich" im militärischen Bereich der nuklearen Konfrontation der großen Machtblöcke, „unfriedlich", das heißt offensiv-revolutionär im ökonomischen, politisch-sozialen und ideologischen Bereich einschließlich der Bereitschaft zu begrenzten bewaffneten Aktionen (Kriegen, Bürgerkriegen)
Diese seit Chruschtschow eingeschlagene Doppelstrategie der diplomatischen „Friedens“ -Politik und des gleichzeitigen revolutionären Klassenkampies zur weltweiten Durchsetzung des Kommunismus ist begleitet von verstärkter konventioneller und nuklearer Aufrüstung Ob sich hinter dieser (so deklarierten) „Entspannungspolitik" nicht die strategische Perspektive verbirgt, mit dem scheinbaren Abbau der internationalen Spannungen werde auch die Verteidigungsbereitschaft und Verteidigungsfähigkeit des Westens nachlassen und die NATO schließlich auseinanderfallen, bleibt abzuwarten.
Die Außenpolitik der „friedlichen Koexistenz" ist jedenfalls seit dem Abschluß der Verträge von 1970 und 1971 begleitet von einer zunehmenden Verschärfung des „ideologischen Klassenkampfes“ und der ideologischen Abgrenzung, ganz besonders in der DDR.
Erich Honecker erklärte z. B. 1971:
„Die prinzipielle Linie unserer Partei geht davon aus, daß der gesamte Verlauf der Entwicklung und die Festigung unseres sozialistischen Staates objektiv dahin führt und führen muß, daß die Gegensätzlichkeit zwischen uns und der BRD, die den kapitalistischen Weg geht, sich verstärkt und daß darum der Prozeß der Abgrenzung zwischen beiden Staaten in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens immer tiefgehender wird."
Bei diesem „ideologischen Klassenkampf" werden zugleich mit der inneren Stabilisierung des eigenen Staates weltrevolutionäre Ziele verfolgt „Friedliche Koexistenz" und „Politik der Entspannung" sind völlig identisch mit dem, was die Militärs der DDR in ihrer Sprache „weltweite Offensive des Sozialismus" oder „Vormarsch des Sozialismus im Weltmaßstab" nennen Ob und wieweit das realpolitische Verhalten in internationalen Konflikten der machtbestimmten Staatsräson der UdSSR und anderer sozialistischer Staaten in höherem Maße folgt als den weltrevolutionären Theorien, die die Propaganda verbreitet, kann hier nicht untersucht werden Die Haltung in der Frage der Abrüstung zeigt, zumindest im Militärischen, mehr den machtpolitischen Ansatz 3. Die Verschärfung des „ideologischen Klassenkampfes" nötigte auch zu einer präziseren theoretischen Klärung des „Freund-Feind-Bildes“. Beispielhaft dafür ist ein Aufsatz in der Zeitschrift „Pädagogik" von 1970. Das „FreundFeind-Bild" soll die notwendige „ideologische Orientierung" und „persönliche Haltung" des einzelnen im „Klassenkampf" sichern Des halb kommt es wesentlich darauf an, Kriterien zu entwickeln zur denkenden Ordnung der politischen Wirklichkeit nach „Freunden" und „Feinden", nach dem Intensitätsgrad möglicher Freundschaft und Feindschaft, nach der Motivierung von Freundschaft und Feindschaft und ihrer Gewißheit in konkreten Konfliktsituationen. Freunde sind zu lieben, Feinde zu hassen 4. Das konkrete „Freund-Feind-Bild" ist im Zusammenhang mit dem Verhältnis von Politik und Strategie und der Typologie der Kriege zu sehen. Krieg ist, ganz im Sinne Lenins, „die Fortsetzung der Politik von Klassen, Völkern, Nationen, Staaten oder Koalitionen mittels organisierter bewaffneter Gewalt zur Durchsetzung ökonomischer Interessen und politischer Ziele.
Der Krieg ist eine Kombination militärischer, politischer, ökonomischer, ideologischer und psychologischer Kampfformen, unter denen jedoch der organisierte bewaffnete Kampf die Hauptform ist."
Die Strategie („Kriegskunst") wird eindeutig dem Primat der Politik untergeordnet, klar formuliert von Marschall Sokolowski. Wichtig ist die „Generallinie" in der Politik: Weltweiter „Aufbau der kommunistischen Gesellschaft". Doch die Politik kann der Strategie nicht nur Aufgaben stellen, sie muß auch ihre Ziele und Forderungen in Einklang bringen mit den vorhandenen Kräften und Mitteln. Insofern besteht eine unaufhebbare Wechselwirkung: „Zur Erreichung der gesteckten Ziele ist es erforderlich, für die Streitkräfte in diplomatischer, wirtschaftlicher und moralisch-politischer Hinsicht günstige Bedingungen zu schaffen .. .
Die außenpolitische Vorbereitung auf den Krieg umfaßt Maßnahmen wie den Abschluß von Bündnissen, die Bildung von Koalitionen, die Sicherung der Neutralität von Nachbarstaaten usw. ...
Die Politik bereitet den Krieg vor und schaiit für die Strategie auch in wirtschaftlicher und ideologischer Hinsicht günstige Voraussetzungen ...
Die Politik geht von der Beurteilung der militärisch-politischen Lage aus und wählt den günstigsten Augenblick für den Beginn des Krieges, wobei sie strategische Überlegungen berücksichtigt. Wie wichtig die whl des Zeitpunktes für den Beginn des Krieges ist, kann man allein schon daraus schließen, daß in Fällen, in denen der Zeitpunkt geschickt gewählt wurde, die Strategie in der Regel größere militärische Erfolge erzielte und die Politik den größten Nutzen daraus zog."
Von den Zielen her, die von der Politik gesetzt werden, können die Kriege (als „Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln") als „gerecht" oder „ungerecht" qualifiziert werden. Nicht „Angriff" oder „Verteidigung" sind Unterscheidungskriterien, wie sonst in der europäischen Denktradition, sondern die Frage nach dem „Klasseninteresse" leitet das Urteil, in der gegenwärtigen Epoche somit die Frage nach dem Verhältnis eines Krieges zu den weltrevolutionären Zielen der „Arbeiterklasse" : „Gerechte Kriege sind solche, die ihrem objektiven politischen Inhalt nach mit den Interessen der revolutionären Arbeiterklasse übereinstimmen . . .
Kriege, die zur Befreiung unterdrückter Klassen oder die im Verlaufe demokratischer nationaler Befreiungskämpfe zur Beseitigung reaktionärer ge-gellschaftlicher Verhältnisse oder die zur Verteidigung des Sozialismus geführt werden, sind zugleich revolutionäre Kriege. Ungerechte Kriege sind solche, die ihrem objektiven politischen Inhalt nach den Interessen der revolutionären Arbeiterklasse widersprechen . . . Gerechte Kriege werden von den sozialistischen Staaten und der internationalen Bewegung der kommunistischen und Arbeiterparteien ebenso entschieden unterstützt, wie ungerechte Kriege verurteilt und bekämpft werden. Zugleich streben die Sowjetunion und die anderen mit ihr verbundenen sozialistischen Staaten danach, zwischenstaatliche Konflikte ohne Krieg zu lösen und den Krieg aus dem Leben der Gesellschaft auszuschließen."
Insgesamt werden zur Zeit unterschieden:
Haupttypen „gerechter Kriege":
— „Kriege zur Verteidigung des sozialistischen Vaterlandes", — „nationale Befreiungs-und Verteidigungskriege",
— „Volksaufstände und revolutionäre Bürgerkriege". Haupttypen „ungerechter Kriege“:
— „Kriege imperialistischer Mächte gegn sozialistische Staaten", — „Neokolonialistische Kriege und Kolonial-kriege",
— „Kriege zwischen imperialistischen Mächten",
— „konterrevolutionäre Bürgerkriege". Ein. Krieg kann unter Umständen von beiden Seiten „ungerecht" sein, „gerechte" und „ungerechte" Züge zugleich tragen oder von einer Form in die andere übergehen. „Friedliche Koexistenz" kann als die gelindeste, der Krieg zwischen Staaten mit verschiedenen Gesellschaftsordnungen als die „höchste Form des Klassenkampfes" betrachtet werden
Sieht man die Konzeption der „friedlichen Koexistenz" im Zusammenhang mit der Theorie der Revolution und der Lehre von den „gerechten Kriegen", so kann nicht bestritten werden, daß danach auch ein Offensivkrieg „zur Befreiung unterdrückter Klassen" oder zur „Beseitigung reaktionärer gesellschaftlicher Verhältnisse" („revolutionäre Kriege") jederzeit zu rechtfertigen wäre Nicht die grundsätzliche Friedfertigkeit der neuen Politik, sondern das militärische Risiko dämpft den revolutionären Offensivgeist, hemmt seinen kriegerischen Elan. Das wird des weiteren noch an vielen Textstellen deutlich.
II. Das „Feindbild"
1. In dem bisherigen Überblick über Krieg, Revolution, Politik und „friedlicheKoexistenz"
wurde das „Feindbild" als ein wesentlicher Bestandteil der Militärdoktrin schon mehrfach in den Blick genommen. Es muß jetzt konkretisiert werden. Im folgenden kann nur das veröffentlichte Feindbild skizziert werden, das nicht notwendig übereinstimmen muß mit dem Feindbild, das den offiziellen militärischen Überlegungen und Planungen zugrunde liegt. Ich halte es nicht nur für möglich, sondern sogar für wahrscheinlich, daß die militärischen Stäbe ein anderes Feindbild haben als die Militärpropaganda vorstellt.
„Feind" ist der „Imperialismus", repräsentiert insbesondere durch die Vereinigten Staaten von Amerika und die Bundesrepublik Deutschland, die durch „staatsmonopolistischen Kapitalismus"
gekennzeichnet sind. Er bedeutet Herrschaft profitgieriger Monopole und ihrer Helfershelfer in den politischen Institutionen, in Bürokratie und Armee durch die Ausbeutung der „werktätigen Massen“:
„Das politische Wesen des Imperialismus, das be' reits W. I. Lenin als Drang nach Gewalt, Krieg, Reaktion, politischer und geistiger Unterdrückung, nach Ausbeutung und Ausplünderung sowohl des eigenen Volkes als auch anderer Völker charakterisierte, hat sich nicht geändert. Heute ist es der USA-Imperialismus, der sich die Rolle eines Welt-gendarmen anmaßt, mit Hilfe seiner aggressiven Globalstrategie das internationale System der Ausbeutung und Unterdrückung zu erhalten und zu festigen sucht, sich dazu in die Angelegenheiten anderer Völker einmischt und als Aggressor skrupellos deren legitimen Rechte und ihre Souveränität verletzt. Im Bunde mit reaktionären Herrschaftsgruppen in anderen imperialistischen Län-dem versucht er Staaten und ganzen Gebieten des Erdballs seinen Willen aufzuzwingen ..
Die hier erwähnte „aggressive Globalstrategie" des „USA-Imperialismus" ist ein zentraler Begriff in der Feindbild-Bestimmung der 1 Militärpropaganda der DDR. Diese Strategie wird zurückgeführt auf die von Präsident Johnson 1965 „verkündete Anmaßung der herrschenden Kreise der USA, wo auch immer auf der Erde gegen die Völker vorgehen zu wollen, die sich anschicken, ihr Selbstbestimmungsrecht auszuüben oder darum zu kämpfen". Die 1969 verkündete Nixon-Doktrin gilt als „modifizierte Version" unter den Stichworten „Partnerschaft", „Stärke" und „Verhandlungsbereitschaft" Aber das Globalziel des Imperialismus ist nach wie vor — und das wird in immer gleichen Formeln wiederholt —, „mit allen Mitteln und Methoden" den „Siegeszug des Sozialismus zu stoppen, bereits vollzogene gesellschaftliche Veränderungen rückgängig zu machen und in der Endkonsequenz die uneingeschränkte Weltherrschaft des Monopolkapitals wiederherzustellen" Diesem „aggressiven Imperialismus“, der „vor keinem Verbrechen zurückschreckt, um den Verlauf der Geschichte seinen Interessen zu unterwerfen“ seien alle Mittel recht bis zur „brutalen militärischen Gewaltanwendung", auch auf die Gefahr hin, einen „atomaren Weltbrand" heraufzubeschwören: „Das Gerede vom . massiven Gegenschlag’ und von der . massiven Vergeltung'dient zur Tarnung des aggressiven Charakters der amerikanischen Strategie. Die Imperialisten der USA, die sich durch solche Phrasen und Ausdrücke tarnen, bereiten sich in Wirklichkeit auf einen atomaren Überraschungsangriff gegen die Sowjetunion und die anderen Länder des sozialistischen Lagers vor."
Diese 1963 formulierten Sätze bestimmen auch heute noch das „Feindbild".
Ausgehend von dem „Hegemonialanspruch" der „Weltgendarmenrolle", versuchten die Vereinigten Staaten — nach der Darstellung in der DDR-Propaganda — im letzten Jahrzehnt ihre Verbündeten stärker „in die Globalstrategie gegen den Sozialismus und die nationale Befreiungsbewegung einzubeziehen, sie zu erhöhter Rüstung zu veranlassen und sie in ihrer Rolle als . Stellvertreter'aufzuwerten". Auf diese Weise wollten die USA „vor allem ihr strategisches Herrschaftspotential verstärken" und die ihnen verbliebenen politischen, ökonomischen und militärischen Potenzen zu höchster Wirksamkeit steigern
Diese „aggressive Globalstrategie" verfolge die Tendenz der politischen und militärischen Einkreisung und inneren Aushöhlung oder Aufweichung des sozialistischen Weltsystems. Sie bediene sich einer Vielzahl von Mitteln und Methoden (Paktsysteme, Dollar-Diplomatie, Luftwaffen-und Flottenstützpunkte usw.). Einige, die in der Militärdoktrin und Militär-propaganda besonders hervortreten, sollen näher gekennzeichnet werden.
Mit Nachdruck wird immer wieder betont, daß die inneren Widersprüche in den kapitalistischen Staaten und die wirtschaftliche Konkurrenz zwischen ihnen zu einer flexibleren Haltung im Bereich der Ökonomie nötigten. So erkläre sich das Interesse an wirtschaftlichen Beziehungen zu den sozialistischen Staaten. Dabei sollen neben ökonomischen Vorteilen auch politische Erfolge erzielt werden durch eine Politik der „selektiven Koexistenz" mit einzelnen sozialistischen Ländern, um die sozialistische Staatengemeinschaft durch unterschiedliche Behandlung ihrer Glieder, durch die Unterstützung partikularer oder nationaler Interessen ökonomisch und politisch von innen her „aufzuweichen" und zu schwächen. „Selektive Koexistenz" bedeutet im Rahmen der „Globalstrategie" die Auswahl von Ländern und Zielgruppen, auch in der Dritten Welt, denen „friedliche Koexistenz" angeboten, mit verschiedener Akzentuierung gewährt oder versagt wird
Dem gleichen globalstrategischen Ziel dient die „Subversion" durch die „imperialistischen Geheimdienste" und die von ihnen gesteuerten Gruppen und Institutionen. Die „Subversion", die innere Umsturztätigkeit, wird als „indirekte Aggression" verstanden. Sie richtet sich nicht nur gegen die sozialistischen Staaten, sondern auch gegen die „nationale Befreiungsbewegung" und gegen die „revolutionäre Arbeiterbewegung und andere antiimperialistische Kräfte in den kapitalistischen Staaten". Die „Subversion" als eine „von den staatsmonopolistischen Regimes praktizierte Form des Klassenkampfes“ umfaßt je nach den Bedingungen des Klassenkampfes in konkreten Situationen verschiedene, miteinander verbundene, oft ineinander übergehende Aktionsweisen: — Spionage im politischen, ökonomischen und militärischen Bereich, Überwachung der „revolutionären Arbeiterbewegung" und anderer „demokratischer Kräfte";
— Diversion, das heißt Untergrabung der Verteidigungskraft sozialistischer Staaten und Nationalstaaten (z. B. durch Sabotage und Terror);
— militärische Subversion, das heißt „verdeckter Krieg“ (z. B. durch Entsendung von Banden).
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Eine der „Subversion" verwandte, oft mit ihr verbundene Form des Klassenkampfes „staatsmonopolistischer Regimes" ist die „ideologische Diversion“. Sie gilt als „Hauptart der psychologischen Kriegführung" zur „Zersetzung des sozialistischen und antiimperialistischen Bewußtseins" der Völker und Bewegungen, gegen die sie gerichtet ist. „Ideologische Diversion" ist, wie es heißt, „offen aggressiv" und oftmals „subversiv". Sie verbreitet mündlich, schriftlich und optisch Antikommunismus, Nationalismus, Sozialreformismus, bürgerlich-individualistische Begriffe und Vorstellungen (z. B. Konvergenz, Totalitarismus), bürgerlich-kapitalistische Lebensauffassungen, Kriegsideologien und -„Völkerhaß". „Ideologische Diversion" versucht, die „sozialistische Wehrmoral" und „Kampfmoral" zu zersetzen, die „Waffenbrüderschaft zwischen den sozialistischen Armeen und die politisch-moralische Einheit der Völker-und Staatengemeinschaft des sozialistischen Welt-systems zu untergraben und zu zerstören". Die „ideologische Diversion" schreckt vor keiner Manipulation zurück, sie „mißbraucht religiöse Gefühle ebenso wie entwicklungsbedingte Einstellungen und Verhaltensweisen der Jugendlichen, wie Musikrausch, stark ausgeprägtes Informationsbedürfnis, labiles Verhalten, politische Unerfahrenheit oder stark ausgeprägtes kritisches Verhalten, um ein Widerstandsverhalten gegen den sozialistischen bzw. antiimperialistischen Staat auszulösen oder zu fördern" Besonders eindrucksvoll Ist ein „Dolchstoßmodell der ideologischen Diversion" in der Zeitung „Volksarmee" (Nr. 2/1975, S. 6). „Im Fadenkreuz" (regelmäßiger Seiten-Titel) ist die „psychologische Kriegführung" der Bundesrepublik „gegen Denken und Vernunft der eigenen Bevölkerung und gegen die sozialistische Gemeinschaft, wobei den obersten Rang die ideologische Diversion einnimmt".
Die Vorstellungen von und die Furcht vor „ideologischer Diversion", die vehemente Abwehr dagegen zählen zu den eindringlichsten Beobachtungen in der Klassenkampfpublizistik und Abgrenzungspropaganda. Die Angst vor „ideologischer Aushöhlung" ist offenkundig
Ein weiteres Mittel der „aggressiven Global-Strategie des Imperialismus" ist die Unterstützung „konterrevolutionärer Verschwörungen“ und Umsturzbewegungen in Situationen ökonomischer Spannung zwischen Lohnarbeit und Kapital in jenen Staaten, die schon ihre Selbständigkeit erreicht haben oder bewahren wollen. Letztes Mittel ist schließlich, wie auch das „Dolchstoßmodell" zeigt, die „direkte militärische Intervention“, um „fortschrittliche Regierungen unabhängiger Staaten zu beseitigen". Genannt werden als. Beispiel der „verbrecherische Interventionskrieg der USA gegen die Völker und Staaten Indochinas" wie auch der „Interventionskrieg Israels" 1967 — als „Stellvertreter" des Weltimperialismus — gegen arabische Staaten
Die Effektivität all dieser Mittel und Methoden der „aggressiven Globalstrategie" wird jedoch, wie man glaubt, wesentlich beeinträchtigt durch die inneren Widersprüche in den kapitalistischen Staaten und die widerstreitenden Interessen zwischen den kapitalistischen Staaten, bedingt durch die gewaltigen Unterschiede in der Größe, im Entwicklungsstand der Produktivkräfte und in der geographischen und damit strategischen Position. 2. Neben dem Imperialismus der USA zeichnet sich — so betont man — der der Bundes- republik durch besondere Aggressivität und Revanchelust aus und wurde dadurch zur „Hauptgeiahr für den Frieden in Europa" und zu „einer Speerspitze gegen den Sozialismus und die europäische Sicherheit" — das ist der Grundtenor der gesamten Militärpropaganda in bezug auf die Bundesrepublik Die Bundeswehr ist „die stärkste und am besten ausgerüstete und ausgebildete Armee der europäischen NATO-Staaten", und „unter der sozialdemokratischen Regierung" werden gegenwärtig „größere Anstrengungen denn je unternommen, um die Aggressionsfähigkeit dieser Streitkräfte zu perfektionieren", sie zum Angriff „, aus dem Stand'" zu befähigen: „Den Militaristen in der BRD schwebt der Gedanke vor, daß es unter dem . Atomschild'der USA möglich sein müsse, konventionelle Kriege gegen einzelne sozialistische Länder zu führen, nach israelischem Vorbild . Faustpfänder'zu erobern und so schrittweise das Kräfteverhältnis zugunsten des Imperialismus zu verändern ...
Sie kalkulieren nämlich kaltblütig, daß infolge der engen Verzahnung ihrer Truppen mit den in der BRD stationierten ausländischen NATO-Kontingenten jeder von der Bundeswehr ausgelöste Konflikt die Menschheit an den Rand eines großen Krieges bringt. Aber dieses Risiko ist gewollt. Die aggressivsten Kräfte glauben und hoffen, die Sowjetunion mit dieser Drohung des nuklearen Krieges schrecken und zur . Aufgabe'der Deutschen Demokratischen Republik, zu ihrer . Auslieferung'an die BRD zwingen zu können. Diese Kreise des Monopolkapitals der BRD verkennen in ihrem abgrundtiefen Haß gegen den Sozialismus nicht nur das militärische Kräfteverhältnis, sondern auch völlig den Charakter der Beziehungen zwischen sozialistischen Bruderstaaten. Die Militaristen wollen es in ihrer Verblendung auch nicht wahrhaben, daß ihre abenteuerliche Politik vor allem für die BRD selbst lebensgefährlich ist."
Der „Imperialismus der BRD" in der jetzigen Epoche gilt als besonders gefährlich, weil er keine „historische Perspektive" besitze und mit aller versuche, den „Gang Macht der Geschichte gewaltsam aufzuhalten". Besonders massiv wird dabei vor allem der amtierende Bundesminister der Verteidigung, Georg Leber, attackiert 3. Um, wie es heißt, den „Gang der Geschichte gewaltsam aufzuhalten", hatte der Imperialismus insgesamt und der der Bundesrepublik im besondern ein gewaltiges materielles und personelles „Angriffspotential" entwickelt, das er mit systematischer militaristischer Konsequenz ausbaut und „voller Haß" gegen den Sozialismus richtet
„Entschieden müssen wir uns von allen Illusionen über den Arbeiter im Rock der imperialistischen Armee'frei machen, ein realistisches Feindbild ge-'winnen und alles in unseren Kräften stehende für die Stärkung der sozialistischen Landesverteidigung tun."
Die Militaristen im Dienste des Monopolkapitals und des Imperialismus verstehen es nämlich, durch „die Peitsche", das heißt durch brutalen Zwang und Terror bis hin zu Selbstmord-Folgen, und durch „das Zuckerbrot", das heißt durch Anknüpfung an das Eigeninteresse der Soldaten (Befriedigung der Reise-und Abenteuerlust, Anerkennung des „Männlichen", relativ hohen Sold, gute Aufstiegschancen usw.), sowie durch „ideologische Bindemittel" zu „blindem Gehorsam und fanatischem Einsatzwillen" zu erziehen. So erlangen die Streitkräfte („die Kriegsmaschine") eine relativ hohe Stabilität:
„Ein derartiges Maß an blindem Gehorsam und unbedingter Hingabe an den Willen der Herrschenden kann man nur erreichen, wenn der Soldat mehr Angst vor seinem Vorgesetzten als vor dem Feind hat." Schließlich wird den Soldaten zur Identifizierung mit der herrschenden Klasse „von allen I Seiten her eingehämmert, daß es ihnen nur bei I Erfüllung des militärischen Auftrages der Ar-I mee möglich sein wird, mit der Familie in und Sicherheit zu leben, die Vorzüge [einer , freiheitlich-demokratischen'Ordnung zu den Lebensstandard der Familie auf; zubessern, den Kindern eine gute Ausbildung geben usw.". Der militärische Auftrag soll I als „vernünftig, gerecht, nützlich, human usw.
erscheinen" In untrennbarem Zusammenhang mit dieser Propaganda steht — ebenfalls „ideologisches Bindemittel" — die „Verteufelung des Kommunismus". Glaubt man den I DDR-Autoren, dann werden die Streitkräfte Bundesrepublik durch eine „umfassende I Meinungsmanipulation" für „einen Krieg ge5, gen die Sowjetunion, die von ihr geführte so-zialistische Staatengemeinschaft und zum ’ Kampf gegen alle antiimperialistischen Kräfte im In-und Ausland reifgemacht": b „Mit Hilfe stark ausgebauter und raffiniert einget setzter Massenmedien versetzt die herrschende i Klasse so Millionen Menschen in einen Zustand, 'in dem sie, durch Lüge und Betrug geistig undmoralisch wehrlos gemacht, im besten Glauben und voller Enthusiasmus für die volksfeindlichen Ziele Monopolkapitals kämpfen ...
I Die Formen und Methoden dieser Manipulierung t sind vielgestaltig. Sie reichen von der brutalen E Ausschaltung Mißliebiger bis zur ideologischen Gleichschaltung mit Hilfe von Truppenpsychologen k und Militärseelsorgern. Polltiker und Ideologen f sprechen vom Frieden, von Sicherheit und Mensch[lichkeit und feiern zugleich den , Blitzsieg'Israels I und die Okkupation des arabischen Teils von Jerur salem als Modellfall für die geplante Einverleibung [der DDR und anderer ehemals deutscher Gebiete I in die BRD." f So werden feste Begriffe geprägt, Denkschemata vermittelt, „die schließlich nur angetippt zu wer-i den brauchen, um eine ganze Kette falscher Assoziationen und die Bereitschaft auszulösen, den Be[fehlen der Bonner Machthaber folgend, Aggressionshandlungen zu unternehmen" „Geistige Aggressionsbereitschaft" ist das Ergebnis solcher Manipulation durch die herrschende Klasse in der Bundesrepublik:
„Die gesamte durch Antikommunismus und Antisowjetismus geprägte Geisteshaltung sowie das Verhalten der in den bewaffneten Kräften der BRD Dienenden bei Grenzprovokationen gegen die DDR oder bei Notstandsübungen, wo sich der systematisch entwickelte und lange geschürte Haß gegen alles Demokratische in den Knüppelattacken gegen demonstrierende Arbeiter und Studenten Luft macht, läßt keinen Zweifel offen: diese Armee ist bereit, auf Befehl der Bonner Machthaber gegen die DDR zu marschieren, die sozialistische Gesellschafts-und Staatsordnung zu vernichten, und mit allen Kommunisten und aufrechten Demokraten . abzurechnen'."
Als gefährliste Truppe erscheinen jedoch die „staatsoffiziellen Söldner" der Vereinigten Staaten, die als „willenlose Werkzeuge" überall „funktionieren", wo man sie hinschickt. Sie sind hochtrainierte Spezialisten, steuern Flugzeuge, bedienen Schiffsmaschinen, leisten Stabsarbeit und „lassen sich nicht wie die gewöhnlichen ordinären Killer mit den Köpfen oder Ohren ihrer Opfer fotografieren. Und doch verkörpern sie den viel gefährlicheren Typ des Mörders". Denn die „staatsoffiziellen Söldner" sind mit modernsten Kampfmitteln versehen, zerstören Städte und entvölkern ganze Landstriche: Hauptwerkzeuge der amerikanischen Globalstrategie Es fällt nicht schwer, gelegentlich auch die Beziehungen zur Bundeswehr herzustellen: „So wie mit den Werktätigen Vietnams würden die imperialistischen Mörder in Uniform auch mit den Bürgern der DDR verfahren, wenn sie die Möglichkeit dazu hätten. Schon heute gehört der US-Ranger zu den Idealtypen, die in der Bundeswehr als Erziehungsziel propagiert werden."
Besonders heftige Angriffe gegen die Bundeswehr in jüngster Zeit enthält zum Beispiel Nr. 47/1975 der Wochenzeitung „Volksarmee". Mit dem Hinweis auf ein Musikkorps der Bundeswehr, das bei einer Feier in den Traditionsuniformen eines kaiserlichen Garderegiments aufgetreten sei (Maikäfer), wird die Mitteilung verbunden, daß auf das „Blutkonto" dieses Regiments der Mord an dem Kommunisten Erich Habersaath komme: „Seine Mörder feiern in der Bundeswehr ihre Restauration, werden dargestellt von jungen Menschen, die im Fall einer imperialistischen Aggression nicht anders handeln würden wie ihre Vorbilder ... Bundeswehrminister Leber ist eifrig dabei, die Früchte dieser Manipulierung auf sein Konto zu schreiben ..."
Hinzu kommt der Vorwurf „aggressiver Show", der „Identifizierung mit den verbrecherischen Traditionen der faschistischen deutschen Luftwaffe" usf. bis zu Formulierungen wie der folgenden: „Hier riecht es nach Brand und nach Blut und nach Mief, den eine jahrhundertealte militaristische Tradition in den Kasernen der Bundeswehr deponiert hat .. .". Zur Charakterisierung der Streitkräfte gehört auch ein Hinweis auf ihre „innere Funktion". Sie besteht in allen . kapitalistischen Staaten nur in der „Niederhaltung der Werktätigen" — nicht anders als zur Zeit der Sklavenhaltergesellschaft in der Antike, im Feudalismus oder in der Zeit des „Hitlerfaschismus", wenn auch heute unter den veränderten Bedingungen des Klassenkampfes mit verfeinerten Methoden politischer Kontrolle
Quintessenz: Der „Imperialismus" bleibe „aggressiv, tückisch und gefährlich", wie Erich Honecker im Januar 1971 vor Soldaten der NVA sich ausdrückte Im Juni 1975 bekräftigte er diese Auffassung auf der 14. Tagung Zentralkomitees SED: des der „Niemals lassen wir aus den Augen, daß der Imperialismus sein Wesen nicht verändert hat, daß jähe Wendungen in der internationalen Lage ent-stehen können. Einflußreiche imperialistische Kräfte unternehmen gerade gegenwärtig hartnäckige Anstrengungen, um die Entspannung zu untergraben und das Wettrüsten zu verstärken ...
Wir sind dafür, die politische Entspannung durch die militärische zu ergänzen ...
Grundlegende Voraussetzung für neue Erfolge im Kampf für Frieden und Entspannung ist und bleibt die allseitige Stärkung unserer Republik und der ganzen sozialistischen Staatengemeinschaft."
Bei einem Truppenbesuch Mitte September 1975 wurde Honecker noch deutlicher:
„ ... Wir halten uns auch hier unbeirrt an das Leninsche Vermächtnis. , Nur nachdem das Proletariat die Bourgeoisie entwaffnet hat', so betonte Lenin, , kann es, ohne an seiner weltgeschichtlichen Aufgabe Verrat zu üben, die Waffen zum alten Eisen werfen, was es auch ganz sicher dann — aber nicht früher — tun wird'
Hier sprach er auch von der „Möglichkeit einer plötzlichen Verschärfung der internationalen Lage". Die Politik der „friedlichen Koexistenz" hebe den „Klassenkampf" nicht auf, und das „Wesen des Imperialismus" habe sich „nicht verändert" (VA 38/1975, S. 3). Zehn Wochen später brachte die „Volksarmee" dann die massive militärpropagandistische Umsetzung dieser Grundgedanken:
„Bestimmte Kreise der NATO versprechen sich von noch mehr amerikanischen Divisionen in Mitteleuropa, eine Aggression gegen den realen Sozialismus sofort mit Atomwaffen beginnen zu können ..." (48/1975, S. 6).
Ohne Abstriche gilt für die Militärpropaganda der DDR auch heute, was Müller und Oelschlägel 1972 formulierten, daß nämlich für die DDR „keine Veranlassung besteht", ihr „Feindbild zu korrigieren"
Wenn in jüngster Zeit, seit dem Herbst 1975, in manchen Punkten offenbar eine schärfere Tonart angeschlagen wird als in den Monaten vor den KSZE-Vereinbarungen von Helsinki, so bieten sich dafür verschiedene Erklärungsmöglichkeiten an: 1. In Helsinki wurde die Sicherung des territorialen Status quo endgültig erreicht; diplomatische Rücksichten sind also in dieser Hinsicht nicht mehr nötig. 2. Auf die Manöver in der Bundesrepublik und verteidigungspolitische Erklärungen von Seiten der NATO im Herbst 1975 glaubt man besonders heftig reagieren zu müssen. 3. Bei der Vorbereitung des IX. Parteitages wird auf militärischem Gebiet wie auch in allen anderen Bereichen der Politik eine schärfere propagandistische Gangart eingeschlagen. Losung, immer wiederholt: „Kampfkurs IX. Parteitag. Als Klassenkämpfer bewähren — das Militärwesen meistern — jederzeit gefechtsbereit!". Neben dem Text auf roter Fahne, schräg gestellt, ein Schnellfeuergewehr.
III. Das „Feindbild" und die Selbstdarstellung
Wie das „Feindbild" gehören auch das „Freundbild" und die Selbstdarstellung zu den traditionellen Inhalten der Militärdoktrin und der Militärpropaganda. Das „Feindbild" ist oft nur von der Selbstdarstellung, die Selbstdarstellung nur vom „Feindbild" her zu begreifen. Beide Vorstellungskomplexe stehen in einem komplementären Verhältnis zueinander und können darum in ihren Teilaspekten einander zugeordnet werden. 1. Oberster Verteidigungswert ist in der marxistisch-leninistischen Militärdoktrin der Sozialismus als humanes und soziales, fortschrittliches und völkerbefreiendes Weltsystem — „revolutionäre Hauptkraft unserer Epoche und zuverlässige Bastion des Friedens". Wie „friedliche Koexistenz" gleichzeitig „Klassenkampf" bedeutet und damit offensiv wird, erhält auch der Begriff „Verteidigung" durch die Verbindung von „Friedenssicherung" und „Weltrevolution" offensiven Charakter. Man weiß sich in der DDR in Übereinstimmung mit den Gesetzen der Geschichte. Entscheidend für ihren Fortgang ist der „Vormarsch des Sozialismus im Weltmaßstab" und die Überlegenheit dieses Systems Es erfüllt, getragen von der revolutionären Macht der Arbeiterklasse und ihrer Parteien in den sozialistischen Staaten, die „welthistorische Mission“, die „historisch letzte Ausbeuterordnung, den Kapitalismus, auf revolutionärem Wege zu liquidieren und die klassenlose, kommunistische Gesellschaft zu errichten" Diese „welthistorische Mission" wird wieder und wieder betont Ihr entsprechen die „weltweite Offensive des
Sozialismus" und der „weitere Vormarsch der Kräfte des Friedens, der Demokratie, der nationalen Unabhängigkeit und des gesellschaftlichen Fortschritts auf allen Kontinenten Grundlage dafür ist das Bündnis der sozialistischen Staatengemeinschaft unter Führung der UdSSR — „sozialistische Klassenbrüderschaft" und „sozialistische Waffenbrüderschaft". Die Integration aller sozialistischen Streitkräfte ist ein entscheidendes militärpolitisches Ziel
Kennzeichen der jüngsten Weltentwicklung ist die immer wieder bekräftigte Veränderung des internationalen Kräfteverhältnisses zugunsten des Sozialismus, der dadurch weltpolitisches Übergewicht erreicht hat, das weiter verstärkt werden soll, damit dieser Prozeß „unumkehrbar" wird Dabei haben die Streitkräfte der „sozialistischen Staatengemeinschaften“ die „äußere Funktion": „die weltweite Offensive des Sozialismus in der Klassenauseinandersetzung mit dem Imperialismus militärisch abzusichern und damit . die denkbar günstigsten äußeren Bedingungen für den Aufbau der neuen Gesellschaft zu schaffen und die Menschheit heute vor der Geißel eines atomaren Krieges zu bewahren'"
Die in solcher Weise gekennzeichnete „aktive Verteidigung des Friedens" und die „Festigung der internationalen Sicherheit", die Pax Socialistica, ist aber ein Programm imperialistischer Weltherrschaft, abgeleitet aus der „gesetzmäßigen" Tendenz „des endgültigen Sieges von Sozialismus und Kommunismus auf der ganzen Welt" •
Wer die Militärpropaganda der DDR nur oberflächlich liest und die vehemente Verurteilung der „imperialistischen Globalstrategie" besonders beachtet, könnte den Eindruck gewinnen, eine dem „aggressiven Imperialismus" vergleichbare weltweite Konzeption gebe es für den Sozialismus nicht. Unter den politischen, militärisch relevanten Aktivitäten sozialistischer Staaten tauchen jedenfalls die Begriffe „selektive Koexistenz", „Spionage", „Diversion", „Subversion", „ideologische Diversion", „militärische Intervention" usw. nicht auf. Die entsprechenden Formen des „Klassenkampfes" von sozialistischer Seite erscheinen unter Begriffen, welche die tatsächlich gemeinten Sachverhalte verschleiern. Nicht „Spionage", sondern „Aufklärung"; nicht „Diversion" oder „Subversion", sondern verschiedene Formen der „Unterstützung der kommunistischen Welt-bewegung" gegen die „Machenschaften der Monopolbourgeoisie"; nicht „militärische Intervention", sondern „Abwehr konterrevolutionärer Umtriebe". Ein Beispiel soll das verdeutlichen: „Wie die politische und militärische Praxis unwiderleglich beweist, dient die von imperialistischen Staaten und Streitkräiten (Koalitionen) betriebene militärische Aufklärung ausnahmslos der Aggressionsvorbereitung und Aggressionsdurchführung. Sie ist damit selbst eine Aggressionshandlung und gemäß den Prinzipien des Völker-rechts ein Verbrechen gegen den Frieden. Es ist deshalb treffender, die von imperialistischen Staaten und Streitkräften (Koalitionen) betriebene militärische Aufklärung der Form nach als subversive Tätigkeit und dem Inhalt nach als Militärspionage zu bezeichnen.
Die militärische Aufklärung von Seiten sozialistischer Staaten und Armeen unterscheidet sich hiervon sowohl dem Charakter als auch der Form und dem Inhalt nach prinzipiell. Indem sie entsprechend dem kommunistischen Gebot der ständigen hohen revolutionären Klassenwachsamkeit die konterrevolutionären politischen und militärischen Absichten, Pläne und Maßnahmen des potentiellen imperialistischen Aggressors verfolgt und aufdeckt, um das Land und die Streitkräfte (Koalitionen) rechtzeitig und allseitig auf die Abwehr einer Aggression vorzubereiten und die friedliebende und demokratische Weltöffentlichkeit vor aggressiven Anschlägen der imperialistischen Reaktion zu warnen, hilft sie zugleich, Aggressionsakten vorzubeugen und den Weltfrieden zu erhalten und zu sichern."
Die gleiche Aktivität ist im Osten friedens-sichernde „Aufklärung", im Westen jedoch „ein Verbrechen gegen den Frieden"!
Auch „selektive Koexistenz" ist der Sache nach ein politisches, propagandistisches und notfalls militärisches Mittel sozialistischer Globalstrategie, so sehr man sich auch gegen die Unterstellung solcher Kampfformen wehrt. Die These, daß die sozialistischen Armeen auch auf den „Export der Revolution" abzielten und die westliche Welt bedrohten, wird zu den „imperialistischen Lügen" gerechnet, um die Notwendigkeit ständig wachsender Rüstungsausgaben zu begründen:
„In Auseinandersetzung mit solchen imperialistischen Lügen ist es erforderlich, noch einmal prinzipiell klarzustellen, daß jede Revolution an bestimmte objektive und subjektive Bedingungen geknüpft ist, die im jeweiligen Lande heranreifen müssen, bevor es zu einer Revolution der dort lebenden Ausgebeuteten und Unterdrückten kommen kann. Sie läßt sich nicht von außen hinein-tragen . ..
Aber sowenig wie die sozialistischen Länder als . Exporteure der Revolution'wirken, ebenso wenig schauen sie einem imperialistischen Export der Konterrevolution tatenlos zu. Unsere solidarische Hilfe und Unterstützung gehört den um die Eroberung der Macht kämpfenden Arbeitern, den jungen antiimperialistischen Nationalstaaten und den nationalrevolutionären Befreiungsbewegungen. Wenn sie es wünschen, gewähren ihnen die sozialistischen Länder auch militärisch Rückhalt im Kampf gegen Überfälle imperialistischer Mächte oder von ihnen ausgehaltener Söldnertruppen. Indem die Streitkräfte der sozialistischen Staatengemeinschaft dem Imperialismus auch auf diese Weise Zügel anlegen, dienen sie sowohl den von der Reaktion bedrohten Völkern als auch dem Fortschritt der Menschheit überhaupt." Ganz deutlich wird darüber hinaus dargelegt, wie die sozialistischen Streitkräfte in Friedenszeiten als politische Instrumente eingesetzt werden sollen: „In der Gegenwart treiben die Sowjetunion und die mit ihr verbündeten Länder ihre große politische Offensive weiter voran. Sie sind bestrebt, die für den Kampf um den Frieden günstige Situation maximal zu nutzen, die aggressivsten Kräfte weiter zurückzudrängen, dem Imperialismus neue Zugeständnisse abzuringen und weitere internationale Streitfragen auf dem Wege von Verhandlungen und Abkommen zu klären. Die aktive Friedenspolitik der sozialistischen Staatengemeinschaft zielt zum Wohle der gesamten Menschheit darauf ab, , die Welt des Kapitals zur Anerkennung der friedlichen Koexistenz zwischen Staaten verschiedener Gesellschaftsordnung zu zwingen und iht den Ausweg aus den eigenen Schwierigkeiten in den Krieg zu versperren'."
„In den Manövern der verbündeten sozialistischen Armeen wird jedem potentiellen imperialistischen Aggressor nachdrücklich vor Augen geführt, daß es keine Chance gibt, das Kräfteverhältnis mit Waffengewalt zu verändern. Die durch Manöver zur rechten Zeit und am rechten Ort nachhaltig bewiesene militärische Überlegenheit des Sozialismus ist ein wesentlicher Faktor der Friedenssicherung und von ernüchternder Wirkung für imperialistische Politiker und Militärs.
Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang die Einschätzung des Oberbefehlshabers der NATO-Streitkräfte in Europa, General Goodpaster, der erklärte: . Diese Manöver — die größten in der Geschichte des Warschauer Paktes — haben u. a. die Beweglichkeit, den hohen Grad der Ausbildung und die Bereitschaft der Warschauer-Pakt-Streitkräfte gegenüber dem alliierten Kommando Europa demonstriert . . . (und) die zunehmende Integration der Streitkräfte des Warschauer Paktes beleuchtet . . . Alles zusammengenommen, stellen die War-schauer Pakt-Streitkräfte eine Konzentration militärischer Stärke dar, die das übertrifft, was die Welt bisher gesehen hat'."
Gestützt auf diese Äußerungen eines hohen Offiziers der NATO und andere Mitteilungen aus dem Westen, kann man feststellen: die Streitkräfte der UdSSR sind „die am besten ausgebildeten und ausgerüsteten Streitkräfte der Welt" und „imperialistischen Aggressoren in allen Varianten eines von ihnen ausgelösten Krieges überlegen" Von daher versteht man auch das generelle militärische Konzept, „jeden Aggressor, ganz gleich, zu welcher Variante der Kriegsentfesselung er greifen sollte, mit vernichtender Gewalt auf seinem Territorium zu zerschlagen" Wenn man auch stets begrenzte Kriege mit konventionellen Waffen in nationalen und zwischenstaatlichen Klassenkampf-Konflikt-zonen in Rechnung stellt, so gilt doch grundsätzlich die Perspektive der Militär-Strategie Sokolowskis: „Obwohl eine schicksalhafte Unvermeidbarkeit des Krieges nicht besteht und die Sowjetunion und das gesamte sozialistische Lager sowie alle Menschen guten Willens für den Frieden kämpfen, ist in der gegenwärtigen Epoche der Ausbruch von Kriegen nicht ausgeschlossen . .. Sollte der imperialistische Kriegsblock gegen die UdSSR oder irgend einen anderen sozialistischen Staat einen Krieg entfesseln, so kann dieser den Charakter eines Weltkrieges unter Beteiligung der meisten Länder der Welt annehmen. Seinem politischen und gesellschaftlichen Charakter nach Wird der neue Weltkrieg die entscheidende militärische Auseinandersetzung der beiden gegensätzlichen sozialen Weltsysteme sein. Dieser Krieg wird gesetzmäßig mit dem Sieg des fortschrittlichen kommunistischen Gesellschaftsund Wirtschaftssystems über das reaktionäre kapitalistische System enden, das historisch dem Untergang geweiht ist . . .
Hinsichtlich der eingesetzten Kampfmittel wird der dritte Weltkrieg vor allem ein Raketen-und Kernwaffenkrieg sein. Der Masseneinsatz von nuklearen und besonders von thermonuklearen Waffen wird ihm das Gepräge eines einzig dastehenden Vernichtungs-und Ausrottungskampfes verleihen. Ganze Staaten werden ausgelöscht werden . ..
Die gewaltigen Möglichkeiten der Raketen-und Kernwaffen sowie der anderen Kampfmittel gestatten es, die Kriegsziele innerhalb relativ kurzer Zeit durchzusetzen . . ."
Trotz dieses Uberlegenheitsbewußtseins wird immer wieder gefordert, die Kampfmittel zu verstärken, die „Verteidigungskraft der sozialistischen Militärkoalition unablässig zu erhöhen" — also permanente Aufrüstung zur militärischen Absicherung einer weltweiten politischen Offensive Das unverkennbare Ziel ist ganz offensichtlich der Aufbau einer so überwältigenden militärischen Überlegenheit, daß die Demonstration der Macht und die Androhung von Gewalt ihre Anwendung zur Durchsetzung der politischen Ziele der Weltrevolution und der Weltherrschaft erübrigen — bei gleichzeitiger Schwächung der westlichen Welt (und Beihilfe zur Selbstschwächung) durch Verhandlungen mit Friedens-gesten und Friedenspropaganda. 2. Wie die Bundesrepublik im „imperialistischen Hauptkriegspakt''der NATO neben den USA in herausragender Stellung „eine Speer-spitze gegen den Sozialismus und die europäische Sicherheit" bildet, erscheint die DDR neben der Sowjetunion — wenn auch in zurückhaltenden Formulierungen — in herausgehobener Position. Dabei wird die Lage im Zentrum Europas, in relativ offener Landschaft, besonders betont. Man hebt die Tatsache hervor, „daß die Westgrenze des Landes zugleich eine Grenze des realen Sozialismus gegenüber dem Imperialismus" sei daß man dem stärksten und gefährlichsten „Partner der Aggression" direkt gegenüberstehe Aus dieser Lage wird für die NVA ein permanentes Frontbewußtsein entwickelt zur Sicherung der ständig bedrohten Westgrenze. Dieses Bewußtsein wird lebendig gehalten zum Beispiel durch entsprechende Artikel in der Zeitung „Volksarmee": „Auf Streife", „Alarm an der Grenze", „Grenzer-Handschrift — Zug Ass-mann bürgt für lückenlose Grenzsicherung" und viele ähnliche Titel Daraus resultiert, zumindest in der Militärpropaganda, ein entsprechendes „nationales" Selbstbewußtsein: „An der Seite ihrer Klassen-und Waffenbrüder demonstriert unsere Nationale Volksarmee stets ein hohes Maß politischer Reife und militärischen Könnens."
Bei den Manövern des Warschauer Paktes spielte die NVA „keine geringe Rolle" und man zitiert Marschall Gretschko: „Die NVA hat „ihre Aufgaben vorbildlich erfüllt und unterscheidet sich nicht mehr von unseren Armeen'." Bei aller Betonung der Waffenbrüderschaft mit allen sozialistischen Armeen ist eine Art Vorbild-Anspruch der NVA, neben der Sowjetunion, unverkennbar
Wie die Bundeswehr nach Auffassung der NVA rückwärts orientiert ist am „Hitlerfaschismus", von faschistischen Offizieren („Generälen Hitlers") geführt wird und in den Traditionen überlebter Ausbeuterklassen steht, so erscheint die NVA, geführt von Offizieren proletarischer Herkunft mit dem rechten Klassenbewußtsein, als Verkörperung aller positiven Wehrtraditionen der Geschichte. Man orientiert sich an Spartakus, an den Heeren der Hussiten und der Bauern im Bauernkrieg, an den Armeen der Französischen Republik in der Großen Revolution, an der siegreichen Roten Armee im Zweiten Weltkrieg — um nur einige Punkte zu nennen Hinzu kommt die Fortsetzung dieser Traditionen in jüngster Zeit. So heißt es, die Partei-und Staatsführung habe rechtzeitig beschlossen, „zum Kampf gegen eingeschleuste Diversantengruppen und reaktionäre Banden sowie zur Erfüllung von Grenzschutzfunktionen" die Deutsche Volkspolizei zu schaffen. Gestützt auf diese bewaffneten Kräfte und mit Hilfe der Sowjetarmee sei es möglich gewesen, „den faschistischen Putschversuch vom 17. Juni 1953 im Keime zu ersticken und den Imperialisten der BRD jede Möglichkeit zu nehmen, die geplante Annexion der DDR in die Wege zu leiten."
Auch der 13. August 1961 war ein Tag der großen Bewährung, denn damals „sicherten die bewaffneten Organe der DDR schnell, entschlossen und für den Gegner völlig überraschend die Staatsgrenze der DDR, nahmen sie unter ihre lückenlose Kontrolle und machten damit den für Ende August/Anfang September 1961 geplanten imperialistischen Versuch, die DDR im Frontalangriff zu überrollen, zunichte . . .
Die mächtige militärische Kraft und Stärke des Weltsozialismus gebot den Kriegstreibern Einhalt. Der geplante Marsch der Bundeswehr durch das Brandenburger Tor fiel aus."
Im August 1968 sicherte die DDR in Zusammenarbeit mit anderen sozialistischen Ländern „durch kollektive Hilfe" die „sozialistischen Errungenschaften" in der Tschechoslowakei und verhinderte somit „Bürgerkrieg" und „konterrevolutionären Umsturz" Diese Interpretation der eigenen Leistung bestätigt das „Feindbild", stärkt das Selbstbewußtsein und fügt sich nahtlos ein in die ältere, revolutionär akzentuierte militärische Tradition, auf die man sich beruft. Insofern hat die historisierende Militärpropaganda für die NVA traditionsstiftende Aufgaben
Die „Bruderhilfe", wie sie 1968 praktiziert wurde, ist in deutlichem Zusammenhang mit der „inneren Funktion" der Streitkräfte im Sozialismus zu sehen: „Die Erfüllung der historischen Mission der Arbeiterklasse erfordert ... die entschlossene Nieder-haltung der gestürzten Ausbeuter. Sie müssen entwaffnet und, wenn sie um ihrer alten Privilegien willen das Land in einen Bürgerkrieg stürzen wollen, mit Hilfe der sozialistischen Streitkräfte gewaltsam niedergeworfen und unterdrückt werden. Eine wesentliche, wenn auch nicht die wichtigste Funktion der sozialistischen Armeen besteht also darin, als besondere Repressionsgewalt des von der Arbeiterklasse geführten Werktätigen Volkes gegen eine kleine Minderheit gestürzter Ausbeuter tätig zu sein."
Dahinter steht der Gedanke, daß im Verlauf der sozialistischen Revolution „die gestürzte Kapitalistenklasse als Klasse selbst liquidiert“ wird. Solange dies noch nicht geschehen ist, sind die bei fortschreitender Entwicklung hier und da noch vorhandenen antisozialistischen Kräfte „kompromißlos niederzuhalten" 3. Während der Soldat der Bundeswehr „manipuliert" und durch „soziale Korrumpierung" als „Söldner der Monopolbourgeoisie" in gefährlich-aggressiver Weise zur Vorbereitung von Angriffskriegen dienstbar gemacht wird — so sagt die DDR-Militärpropaganda —, begreift der Soldat der NVA als „sozialistische Soldatenpersönlichkeit" den „Sinn seines Soldatenseins" und kann sich „bis zur letzten Konsequenz" mit dem Klassenauftrag seiner Partei identifizieren: „Der bessere Soldat ist der sozialistische Soldat"...
Er weiß um die Übereinstimmung seines militärischen Klassenauftrages mit seinen persönlichen Lebensinteressen und denen aller Werktätigen; das ist die Voraussetzung eines „Massenheroismus" : „Erst wenn diese objektiv existierende Überein-stimmung auch subjektiv bewußt wird, wenn das Pflichtgemäße, Gesellte als etwas anerkannt und empfunden wird, was den eigenen Bedürfnissen entspricht, im eigenen Interesse liegt, werden die Armeeangehörigen wahrhaft heroischer Taten fähig. , Die Überzeugung, daß der Krieg gerecht ist, und die Einsicht in die Notwendigkeit, zum Wohle unserer Brüder das Leben zu opfern, heben den Kampfgeist der Soldaten Und veranlassen sie, unerhörte Schwierigkeiten zu überwinden'(Lenin) ... „. Deshalb ist und bleibt die ideologische Arbeit mit den Menschen Herzstück der gesamten Führungstätigkeit’."
Damit ist das komplexe Problem „sozialistischer Wehrerziehung" angesprochen.
IV. Militärpädagogische Ziele
Es gibt eine umfangreiche Publizistik über „sozialistische Wehrerziehung"; ein großer Teil der Schriften kann gleichzeitig als „Militärpropaganda" verstanden werden Deshalb können die folgenden Ausführungen auch nicht als eine Beschreibung dessen aufgefaßt werden, wie die „sozialistische Wehr-erziehung" praktisch durchgeführt wird und was durch sie bewirkt wird, sondern nur als eine Charakterisierung der veröifentlichten Absichten. Das gesamte Schrifttum ist — wir kennen es ähnlich aus den dreißiger Jahren — derart gleichförmig in Ausdrucksweise und Inhalt, daß es nahezu gleichgültig ist, was man heranzieht und zitiert. Wenn man sich mit dieser monotonen und alternativlosen Militär-propaganda beschäftigt, sollte man sich aber stets daran erinnern, wie empfindsam die bürgerlich-jungakademische Linke in der Bundesrepublik reagierte, als Mitglieder der Bundesregierung Brandt/Scheel an die „Erziehung zur Wehrbereitschaft''erinnerten, und wie differenziert dieses Ansinnen dann diskutiert wurde
Nach einer vergleichbaren humanitären Sensibilität und Beachtung der persönlichen Ge-Wissensentscheidungim Hinblick auf die Möglichkeit der Wehrdienstverweigerung als eines unverzichtbaren Grundrechtes sucht man im „realen Sozialismus" der DDR vergeblich. 1. Die Grundaufgabe „sozialistischer Wehr-erziehung" besteht — wie Erich Honecker es 1971 formulierte — darin:
„die Bereitschaft und die Fähigkeit aller Bürger zur Verteidigung unseres sozialistischen Staates zu fördern.
Dazu gehören die politisch-moralische und physische Vorbereitung der Jugend auf den Wehrdienst, der aktive Dienst in den bewaffneten Kräften, die Zivilverteidigung und die umfassende Sicherung aller Verteidigungsaufgaben in allen Bereichen der Gesellschaft."
Von dieser allgemeinen Zielsetzung her ergibt sich — so Armeegeneral Heinz Hoffmann im gleichen Jahr — die pädagogische Forderung: „. .. die militärpolitische Arbeit und die sozialistische Wehrerziehung unter der gesamten Bevölkerung, besonders aber unter der Jugend, wirksamer zu machen — sie in den Gesamtprozeß der ideologischen Arbeit derart zu verschmelzen, daß überall dort, wo erzogen und gebildet wird, produziert und geforscht, geplant und projektiert wird, grundsätzlich auch der zuverlässige militärische Schutz unserer Heimat und unseres Staatenbündnisses in Rechnung gestellt und garantiert wird ..."
Ziel „sozialistischer Wehrerziehung" ist die Herausbildung „sozialischer Soldatenpersönlichkeiten". Diese Erziehung gilt als fester Bestandteil der allgemeinen „sozialistischen Erziehung", denn die „Formung der allseitig entwickelten sozialistischen Persönlichkeit schließt die Bereitschaft und Fähigkeit zum bewaffneten Schutz des Sozialismus ein". Dabei geht es um die „Herausbildung und Festigung der Wehrideologie der siegreichen Arbeiterklasse", damit der junge Staatsbürger in der Einheit von Weltanschauung, Militär-politik und Wehrmoral ein „festes Wehr-motiv" erhält. „Sozialistische Wehrerziehung ist Anliegen aller Lehrer und Erzieher" und „erfaßt alle Schüler", nicht nur die Jungen: „Auch die Mädchen wollen die Liebe zum sozialistischen Vaterland und ihr Bekenntnis zum proletarischen Internationalismus mit ihrer Bereitschaft zum Schutze des Sozialismus beweisen. Sie sollen in den Organen der Zivilverteidigung, im DRK oder in der Gesellschaft, für Sport und Technik ihren Beitrag zur militärischen Stärkung leisten. Nicht vergessen werden darf, daß ihre Einstellung zur Landesverteidigung wesentlichen Einfluß auf das Verhalten der wehrpflichtigen jungen Männer hat."
Wehrerziehung soll im Kleinkindalter beginnen, im Elternhaus, im Kindergarten und im Schulhort Sie reicht dann eigentlich durch das ganze Leben. In der Schule sollen alle Fächer zur Wehrerziehung beitragen. Ideologische und vormilitärische Ausbildung, unterstützt von der FDJ und der Gesellschaft für Sport und Technik, greifen ineinander „Sozialistischer Wettbewerb" beim Wehrsport und im Geländedienst, im Lagerleben und bei Schießübungen, Besuche bei Einheiten der NVA und bei sowjetischen Verbänden gehören ebenso dazu wie intensive militärische Traditionspflege „Hauptform der sozialistischen Wehrerziehung der FDJ in den Klassen 8 bis 10" sind zum Beispiel die „Hans-BeimlerWettkämpfe", die mit einem „Kampfmeeting" eröffnet werden: „Höhepunkt des Kampfmeetings ist das feierliche Ablegen des Wettkampfeides.
Von nicht zu überschätzender Bedeutung ist die straff organisierte Durchführung dieses Meetings. Wenn solche Maßnahmen als militärisches Zeremoniell gestaltet werden, wird in besonderem Maße auf Ordnung und Disziplin Einfluß genommen. Gewöhnen der Schüler an die Antreteordnung, an Kommandos und ihre exakte Ausführung muß immer als Erziehung gesehen werden. Ein gut organisierter und straff ablaufender Appell macht die Schüler diszipliniert, festigt ihren Willen und Charakter und entwickelt den Kollektivgeist."
Durch die Einführung der obligatorischen vor-militärischen Ausbildung für alle Schüler der 11. Klasse und für alle Lehrlinge ab 1. September 1973 wurde die Wehrerziehung besonders intensiviert. In den höheren Klassen der Erweiterten Oberschule ist sie mehr oder weniger fakultativ. Wie man'sich das vorzustellen hat, zeigt recht anschaulich ein Bericht über Wehrerziehung an der Erweiterten Oberschule (EOS) „Geschwister Scholl" in Bernau: „An der EOS . Geschwister-Scholl'in Bernau haben Fragen der sozialistischen Wehrerziehung einen erstrangigen Wert.
... In der EOS . Geschwister Scholl'entspricht, es einem guten Brauch, daß alle wehrpolitischen und wehrsportlichen Maßnahmen im Schularbeitsplan fixiert sind, und zuvor auch vor den Mitgliedern der FDJ-und der GST-Grundorgahisationen erläutert werden. Direktor Günther Dietrich 'macht das persönlich. So weiß jeder von Anfang an, was gehauen und gestochen ist.
, Wenn Klarheit über die ideologischen Grundfragen unserer Zeit besteht, entwickeln sich folgerichtig auch Einsichten und Überzeugungen', sagt der 43jährige Pädagoge. Auf die sozialistische Wehr-erziehung bezogen, bedeutet das für ihn: Jeder junge Mensch muß frühzeitig der -schon zu Erkennt nis geführt werden, daß der zuverlässige Schutz des sozialistischen Vaterlandes unabdingbare Klassenpflicht ist. Und weiter: Je sachkundiger und qualifizierter das geschieht, desto eher wird sich bei den Jugendlichen der Entschluß festigen, in der NVA als Offizier, Berufsunteroffizier oder Unteroffizier auf Zeit zu dienen.
An der EOS gibt es eine Arbeitsgemeinschaft . Sozialistische Wehrerziehung'. Sie wird vom Chemie-lehrer Gefreiter d. R. Peter Schwenkenbecher geleitet. Entsprechend ihren Neigungen und Interessen können sich die Schüler auch in einer der vier GST-Sektionen (Sportschießen, Militärischer Mehrkampf, Motor-bzw. Nachrichtensport) betätigen. Wehrsport ist zum Bestandteil einer sinnvollen und interessanten Freizeitgestaltung geworden. Alle diejenigen jedoch, bei denen sich der Berufs-wunsch für eine militärische Laufbahn bereits gefestigt hat, werden im , FDJ-Kollektiv junger Offiziersbewerber'betreut. Foren, Rundtischgespräche, Besuche von Armee-Einheiten und in militär-politischen Kabinetten sowie Aussprachen mit Angehörigen der NVA und der Sowjetarmee ergänzen wirksam eine erlebnisreiche vormilitärische Ausbildung, die das physische Leistungsvermögen der Jugendlichen entwickelt und Eigenschaften wie Mut, Einsatzbereitschaft und Kollektivgeist ausprägt. Eine andere, nicht minder wichtige Seite der lebendigen politischen Arbeit: Kaum eine Elternversammlung oder eine Zusammenkunft des Elternbeirates vergeht, ohne daß nicht — unterstützt durch sachkundige Informationen seitens des WKK — über die Fragen der Landesverteidigung gesprochen und auf die Entwicklungsperspektiven des militärischen Berufsnachwuchses orientiert wird. Besonders geschätzt und gefragt sind dabei die Erfahrungen, über die die gedienten Genossen unter den Lehrern verfügen. , An unserer Schule sind sieben von dreizehn Lehrern Reservisten', sagt Direktor Dietrich. , Auf jeden von ihnen ist Verlaß. Sie geben das bei der NVA erworbene Wissen an ihre Schützlinge weiter . ..'überhaupt: Im Schularbeitsplan ist festgelegt, daß jeder Klassenlehrer dreimal im Jahr darüber berichten muß, wie er die Fragen der sozialistischen Wehrerziehung im Unterricht behandelt und zum Bestandteil der weltanschaulichen und staatspolitischen Bildung gemacht hat. Auch die fünfzehn Frauen unter den Pädagogen bilden da keine Ausnahme. Eine von ihnen verdient besonderes Lob: Mechthild Schiller. Sie ist nicht nur Sekretär der SED-Parteiorganisation der Schule, sondern zugleich auch Stellvertreter für Patriotische Erziehung in der GST-Hundertschaft . .
Diese Art der „sozialistischen Wehrerziehung'ist auf die ganz Armee hin orientiert: Bei jedem Absolventen der Erweiterten Oberschule — „nicht nur bei den besten" — ist „der feste Wille auszuprägen, nach dem Abitur oder der Berufsausbildung dem sozialistischen Staat als Soldat auf längere Zeit gern und bewußt zu dienen ..."
Die Nationale Volksarmee tut danach das Ihre. Sie ist eng mit der SED verklammert und hat ihre eigene Parteiorganisation. Das Korps der Politoffiziere sorgt dafür, daß sich die Streitkräfte streng an den Richtlinien der Partei orientieren und keinerlei geistige oder politische Eigeninitiative entwickeln
Auch die Hochschulen werden in das System „sozialistischer Wehrerziehung" einbezogen: „Die männlichen Studenten haben vor Beginn ihres Studiums ihren Dienst in der Nationalen Volksarmee absolviert und werden im Lehrgang für militärische Ausbildung auf die Reserveoffiziersausbildung vorbereitet." Ein umfangreicher Beispiel sorgt zum für die lückenlose Vorbereitung der künftigen Lehrer auf ihre wehrpädagogischen Aufgaben im ideologischen, organisatorischen und vor-militärischen Bereich Andere Studiengänge tragen fachentsprechende Akzente. Ein Beispiel soll es verdeutlichen. Oberstleutnant W. Kopenhagen „ermittelte" an der Martin-Luther-Universität Halle, Sektion für Staats-und Rechtswissenschaft. Dort leitet Major der Reserve Werner Bock als wissenschaftlicher Mitarbeiter das „Reservistenkollektiv": „ . .. Sind Lehrende und Studierende güte Reservisten? Um es kurz zu machen — sie sind es. Werner Bock kann nachweisen, daß alle Fragen der sozialistischen Landesverteidigung, darunter auch die Reservistentätigkeit, an der MLU einen festen Bestandteil von Lehre und Studium bilden. Es gibt also keine Trennung: hie Lehrkörper — da Reservisten oder: hie Studenten — da Reservisten . . . Im Kollektiv der Sektion sind alle Reservisten vereinigt, jedes Studienjahr sowie der Lehrkörper bilden ein Aktiv mit einem verantwortlichen Genossen an der Spitze. Die staatliche, die Partei-und die Gewerkschaftsleitung wirken eng mit dem Reservistenkollektiv zusammen. Dabei gibt es im militärpolitischen Wirken keine Zersplitterung, sondern eine Konzentration der Kräfte ... Patenschaftsvertrag der Sektion mit dem Militärgericht Halle ... Soldateninitiative 75 ... Rundtischgespräche .. . Wandzeitungen .. . Organisieren der Waffenbrüderschaftswoche ... regulärer Sport ... Achtertest ... Tag der Wehrbereitschaft ... Wehrspartakiade der . Universität ... GST künftig besser unterstützen ... VP-Helfer-Aktiv ... usf.
— Reserve hat keine Ruh! ..." 2. Beispiele dieser Art lassen sich beliebig vermehren. Die Militärpropaganda und die pädagogische Publizistik der DDR sind voll davon. Man müßte auch die „Gesellschaft für Sport und Technik", die „Kampfgruppen der SED", die „Zivilverteidigung" und das umfangreiche militärpolitische und militärpädagogische Schrifttum darüber berücksichtigen. Das ist in einem solchen Überblick nicht möglich. Abschließend sollen drei besonders hervortretende Merkmale der „sozialistischen Wehr-erziehung", die aspektweise schon berührt wurden, etwas deutlicher gekennzeichnet und mit einigen Beispielen belegt werden:
— Die immer konsequentere bedingungslose Disziplinierung;
— die verstärkte Erziehung zur Liebe zum Sozialismus und zum „Haß gegen den Klassenfeind"; — die totale Militarisierung des Begriffs der „sozialistischen Persönlichkeit". „Kommunistische Disziplin" ist seit Lenin ein und stehender Begriff der Pädagogik und der Propaganda. Er umfaßt „Parteidisziplin", „Arbeitsdisziplin" und „militärische Disziplin" Im was Grunde geht es dabei um die gleiche Verhaltensweise in verschiedenen Kollektivbereichen. In bezug auf die Partei und die sozialistische Arbeitswelt wird immer wieder die „demokratische" Willensbildung nach den Grundsätzen des „demokratischen Sozialismus" betont, daneben aber hervorgehoben, daß „gemeinsame Verantwortung und kollektive Beratung" das „sozialistische Prinzip der 105107)
Einzelleitung" einschließen. „Die Einzelleitung ist unter sozialistischen Bedingungen selbst Ausdruck der Demokratie. Der sozialistische Leiter ist in erster Linie Beauftragter der Arbeiterklasse" und ihr gegenüber „rechenschaftspflichtig" Im militärischen Bereich wird in ähnlich „demokratischer" Weise „selbständiges politisches Denken und Handeln" des Soldaten gefordert, gleichzeitig die vollständige Identifizierung mit seinem „Klassenauftrag", der ’ von der („demokratisch" organisierten) Partei bestimmt wird Der militärische Befehl in der „sozialistischen Armee" ist demzufolge — konsequent nach dem „sozialistischen Prinzip der Einzelleitung" — „eine spezifische Form der Verwirklichung der sozialistischen Demokratie, indem der dazu befugte Vorgesetzte den Befehl auf der Grundlage und in Durchführung der Beschlüsse der Partei der Arbeiterklasse ... erteilt" Mit dieser Begründung kann „unbedingter Gehorsam" verlangt werden, wie ihn der Fahneneid der NVA vorschreibt
Ganz konkret an die Adresse junger Soldaten: „Eiserne Disziplin — unbedingter Gehorsam ...
Sie haben geschworen, der Deutschen Demokratischen Republik, ihrem Vaterland, allzeit treu zu dienen und sie auf Befehl der Arbeiter-und Bauernregierung gegen jeden Feind zu schützen. Dieses Dienen und Schützen entsprechend den Gesetzen und Vorschriften zu organisieren und zu gewährleisten — dafür ist jeder Vorgesetzte gegenüber der Arbeiterklasse, ihrer Partei, ihrem Staat voll verantwortlich. Und dazu ist ihm Befehlsgewalt verliehen.
Ohne die strenge Einzelleitung des Kommandeurs die ihm übertragene Befehlsgewalt vermag sozialistische Armee weder im Frieden noch Krieg ihre Aufgaben zu lösen. Es klingt hart, Lenin offen und unverbrämt dazu sagte: Die strengste Einheit des Willens kann nur durch die Unterordnung des Willens Tausender unter einen Willen gewährleistet werden. — Doch der bewaffnete Kampf der Arbeiterklasse hat diese Worte tausendfach bestätigt. Die Bedingungen eines modernen Krieges mit der Zerstörungskraft seiner Waffen, dem schnellen Wechsel der Lage, verlan-107 gen mehr denn je höchste militärische Disziplin und Ordnung, Schnelligkeit, Exaktheit und strikten beim der Gehorsam Ausführen Befehle des Kommandeurs durch den Soldaten. Jedes undisziplinierte Handeln kann da zur Niederlage der Einheit, des Truppenteils führen.
Eiserne Disziplin und unbedingter militärischer Gehorsam sind also äußerst wichtige Voraussetzungen einer hohen Gefechtsbereitschaft, des sicheren militärischen Schutzes des Sozialismus. Sie sind daher Klassenpflicht. Disziplin und Gehorsam werden nicht gefordert, weil das beim Militär üblich ist-, sondern weil die Gesetze des Krieges und die Härte des Klassenkampfes sie erfordern. In dem Maße, wie das der Soldat versteht, wahrt er eine Disziplin. Nicht weil er muß, sondern hohe nur, weil er will, übt er eine im wahrsten Sinne bewußte Disziplin . .
Am weitesten geht, wie mir scheint, Gerhard Kuhn mit folgender Formulierung, nicht in einer militärischen, sondern in einer pädagogischen Zeitschrift:
„Ausgehend von der Einheit zwischen sozialistischem Patriotismus und sozialistischem Internationalismus schließt das sozialistische 'Wehrbewußtsein die Bereitschaft ein, den Sozialismus in seiner Gesamtheit zu jeder Zeit, unter allen Bedingungen und an jedem beliebigen Ort zu schützen und zu verteidigen. Das ist keine Frage der Geographie, sondern des politischen Klassenstandpunktes."
Die zentrale Frage in der westdeutschen Nachkriegsdiskussion über soldatischen Gehorsam, die Frage nach seinen Grenzen unter rechtlichen, ethischen, humanitären oder religiösen Gesichtspunkten, liegt außerhalb des Horizontes der SED und der NVA. Wer immer im Recht zu sein glaubt, kann diese Frage nicht zulassen. Die Erziehung zu „unbedingtem Gehorsam" und zu „eisener Disziplin" kann, weil sie „Klassenpflicht" ist, nicht eine „Ressortangelegenheit der NVA" sein: sie „ist eine wichtige Aufgabe der gesamten sozialistischen Gesellschaft. Zu ihrer Lösung müssen alle Erziehungsträger, insbesondere aber die Schulen, Lehrwerkstätten, sozialistischen Brigaden, gesellschaftlichen Organisationen sowie Presse, Fernsehen, Film und Funk, aktiv beitra-gen." So wird die gesamtgesellschaftliche Organisation zu einem umfassenden System der permanenten Disziplinierung — verbunden mit entsprechender Kontrolle 3. Weitere Kennzeichen der „sozialistischen Soldatenpersönlichkeit" — neben „eiserner Disziplin" und „unbedingtem Gehorsam" — sind die Liebe zum „sozialistischen Vaterland", zur sozialistischen Staatengemeinschaft" und zum „sozialistischen Internationalismus". Diese Liebe umfaßt also gleichsam drei konzentrische Solidaritätsringe. Doch dieser Vorstellungszusammenhang ist in Bewegung. Nach der Verfassung von 1968 war die DDR „ein sozialistischer Staat deutscher Nation", und Artikel 8 verlangte die „schrittweise Annäherung der beiden deutschen Staaten bis zu ihrer Vereinigung auf der Grundlage der Demokratie und des Sozialismus". Der Gedanke der Wiedervereinigung unter sozialistischem Vorzeichen wurde allmählich preisgegeben. Im Zuge der Abgrenzungspolitik gegenüber der Bundesrepublik wurde schließlich die überlieferte Vorstellung einer „deutschen Nation" im Verfassungsdenken der DDR getilgt. Die geänderte Verfassung von 1974 erklärt die DDR zu einem „sozialistischen Staat der Arbeiter und Bauern" und zürn „untrennbaren Bestandteil der sozialistischen Staatengemeinschaft". Mit einer gewissen Folgerichtigkeit stellten Kosing und Schmidt auf dieser ideologischen Leitlinie im „Neuen Deutschland"
(15. /16. Februar 1975) und Fiermann Axen in der Zeitschrift „Probleme des Friedens und des Sozialismus" (März 1976) die „sozialistische Nation" der DDR der „kapitalistischen* (oder bürgerlichen) Nation" in der Bundesrepublik gegenüber und sprachen den Bürgern der DDR — abweichend von dem bisherigen Sprachgebrauch — nur noch „deutsche Nationalität" zu. Allein vor diesem ideologischen Hintergrund ist die Vorstellung eines „sozialistischen Vaterlandes" zu verstehen. Dieser Begriff hat aber offensichtlich gleichfalls nur Übergangscharakter im Zuge der weiteren Integration der DDR in die „sozialistische Staatengemeinschaft". Was ein Offizier der NVA 1973 in'einem Leserbrief an eine Zeitschrift artikulierte — „daß unser Vaterland die ganze sozialistische Staatengemeinschaft ist" (Anm. 97) —, scheint Zug um Zug zur offiziellen Grundlage ideologischer Ausrichtung zu werden, zuerst und am deutlichsten in der NVA. Die im Militärverlag der DDR erschienene, von A. Bendrat und K. Freuden-reich verfaßte Schrift „Politische Schulung. Leitfaden für Schulungsgruppenleiter, Propagandisten, Zirkelleiter" weist deutlich in diese Richtung mit der Zielorientierung: „Begründen zu lernen, warum erst die sozialistische Gesellschaft die Merkmale eines Vaterlandes der Werktätigen hervorbringt und daher verteidigungswürdig ist." Da der „Verteidigungsauftrag" den Sozialismus insgesamt umfaßt, ist auch der „Vaterlands" -Begriff auf dem Wege zu internationaler Ausweitung, und Liebe zum „sozialistischen Vaterland", zur „sozialistischen Heimat", wird gleichbedeutend mit Liebe zur „sozialistischen Staatengemeinschaft", schließlich mit Liebe zum „sozialistischen Internationalismus" — psychische und geistige Schubkraft zur Erfüllung der „welthistorischen Mission" durch eine permanente „Offensive des Sozialismus" (vgl. auch „Der Spiegel", Nr. 12/1976, S. 46ff.).
In jüngster Zeit kommen außerdem verstärkt Begriffe zur Geltung, die bürgerlicher Über-lieferung, ja sogar feudalen Traditionen entstammen, aber inhaltlich neu gefüllt werden, eine „neue Qualität" erhalten, so zum Beispiel „Ehre und Würde" Zentral ist jedoch der emotionale Gegenpol zur Liebe — der Haß. Kalinin bezeichnete mit dem Hinweis auf literarische Traditionen den „Haß gegen das Böse als das edelste Gefühl und eines der wirksamsten Mittel im Kampf gegen die Feinde der Menschheit" Von dieser Grund-position her ist die gesamte Erziehung zum Haß zu verstehen, die ein Kernelement aller pädagogischen Bestrebungen in der DDR bildet, insbesondere in der „sozialistischen Wehr-erziehung". „Haß gegen den Imperialismus" erzeugen, den „Haß auf den Feind ... vertiefen", zum „Haß auf den Imperialismus und seine Söldner" erziehen, so lauten die oft wiederholten Formeln
Der Minister für nationale Verteidigung, Armeegeneral Heinz Hoffmann, forderte in seinem Tagesbefehl zum 15. Jahrestag der NVA am 1. März 1971 dazu auf, ein „kompromißloses ... Feindbild" zu vermitteln, die „Klassenwachsamkeit ... zu erhöhen" und den „Haß auf den Klassengegner unablässig zu vertiefen" Noch deutlicher ist der „Offene Brief des Kollegiums des Ministeriums für Volksbildung an alle Pädagogen der DDR" mit der Weisung, .. die Schüler zu lehren, den Imperialismus, vor allem die westdeutschen Imperialisten — unter welcher Maske sie ihre Absichten auch immer verbergen mögen — zu durchschauen und leidenschaftlich zu hassl, en." Klipp und klar Horst Adam: „Unser Hauptfeind ist der westdeutsche Imperialismus. Ihm gilt unser ganzer Haß." Auch die neueste „Methodik Geschichtsunterricht", 1975 im „Verlag Volk und Wissen" gedruckt, betont ganz auf dieser Linie die Erziehung zum Haß gegen den „Imperialismus": „Durch die emotional betonte Darstellung der Methoden des Imperialismus werden tiefe Gefühle des Hasses, des Abscheus und der Verachtung gegenüber diesem System und seinen Vertretern geweckt. Demgegenüber sollen die Schüler den Stolz auf unsere Überlegenheit und Stärke empfinden lernen. Aus beiden, dem Haß gegenüber dem Imperialismus und dem Stolz auf die Errungenschaften unserer sozialistischen Gesellschaft, entwickeln sich echte Motive für die Verteidigung unseres sozialistischen Vaterlandes und der sozialistischen Gemeinschaft." (S. 35)
Immerhin ist es bemerkenswert, zu erfahren, daß es bei dieser Erziehung auch Probleme gibt: „Daß aber nun ausgerechnet die imperialistische Monopolbourgeoisie der BRD auch so barbarisch sein soll wie der USA-Imperialismus (in Vietnam, E. W.), erscheint doch diesem oder jenem Bürger nicht glaubhaft. Zudem führt der Imperialismus der BRD ja keinen für sie sichtbaren Krieg . . ."
Entspannung in Europa — bei der staatlich befohlenen Erziehung zu „leidenschaftlichem Haß"? 4. Die nahezu vollständige Verschmelzung der „sozialistischen Erziehung“ mit der „sozialistischen Wehrerziehung" führte im Laufe des letzten Jahrzehnts in der DDR zur vollständigen Militarisierung des Begriffs der „sozialistischen Persönlichkeit". Die Sprache der pädagogischen Schriften wird zunehmend durchsetzt mit Begriffen aus dem militärischen Bereich: „Kampf", „Kämpfer", „keine Waffenruhe", „Vormarsch", „Offensive des Sozialismus", „Front" usf. — eine klare Folge der Forderung, daß „sozialistische Wehrerziehung" als Prinzip alle Formen der Bildung in der Schule, alle Unterrichtsfächer durchdringen soll Ihre Krönung findet diese Pädagogik in der Erziehung zum „Heldentum": „im militärischen Sinne soldatische Tugend, die den unbeugsamen Willen und die Fähigkeit verkörpert, mit höchstem persönlichem Einsatz, mit einem hohen Maß an Initiative, diszipliniert und gehorsam hohe Leistungen im militärischen Dienst in Friedenszeiten wie im Krieg in Form individueller oder kollektiver Anstrengung zu vollbringen. Seiner inhaltlichen Bestimmung nach ist das Heldentum Bestandteil des Soldatenethos und verkörpert dessen Klassencharakter.
Bei den Angehörigen sozialistischer Streitkräfte ist das Heldentum konkreter Ausdruck der Interessenübereinstimmung von Persönlichkeit und sozialistischer Gesellschaft und eine wichtige moralische Triebkraft für erfolgreiches Handeln als militärische Klassenkämpfer.
Seine Entwicklung ist ein Bestandteil der sozialistischen Klassenerziehung.“
Die Begriffe „sozialistische Persönlichkeit" und „sozialistische Soldatenpersönlichkeit" gehen fast ineinander über. Das wird besonders deutlich in dem folgenden Text von Klaus-Dieter Uckel: „Durch die militärische Lebensordnung, das heißt die Organisiertheit des Dienstes, die militärische Disziplin, unbedingte Ausführung von Befehlen, die Regeln der inneren Ordnung usw., werden Gewohnheiten, Bedürfnisse, Charaktereigenschaften und Fähigkeiten gefestigt und entwickelt, die nicht nur für die Dienstzeit selbst wertvoll und notwendig sind. Die strikten Forderungen nach Einhaltung der Dienstvorschriften und Befehle, die Gewöhnung an Formen der militärischen Disziplin und Ordnung, die Regelmäßigkeit der Lebensweise u. a. führen vielfach zur Ausbildung dynamischer Stereotyps, die auch nach der Dienstzeit lange nachwirken. Die besonderen Normen zwischenmenschlicher Beziehungen im militärischen Kollektiv, der kollektive Charakter militärischer Tätigkeit, das Leben im Kollektiv von morgens bis abends, von abends bis morgens — alles das fördert nachhaltig die Entwicklung kollektiver Denk-und Verhaltensweisen, wie sie in anderen Bereichen so ausgeprägt kaum anzutreffen, für das militärische Kollektiv aber unabdingbar und für die Gesamtentwicklung der Persönlichkeit zweifellos nützlich sind
Wie selbstverständlich erscheinen spezifisch militärische Besonderheiten und Qualifikationen als allgemeine Merkmale der „sozialistischen Persönlichkeit". So wird — nach der Vorbereitung der Jugend in Schule und FDJ — die Nationale Volksarmee auf ihre Weise zu einer Schule der „sozialistischen Nation". Eine so weitgehende geistige Gleichschaltung, in der Erziehung zum „Heldentum" gipfelnde uniforme Militarisierung des pädagogischen Denkens wie in dieser Republik hinter Stacheldraht hat es bisher in Deutschland noch nicht gegeben.
V. Ergebnis
Dieser Überblick zeigt, mit welchem Nachdruck der offensive Charakter der Strategie der „friedlichen Koexistenz" in der Militärdoktrin und der Militärpropaganda der DDR betont wird. „Verteidigung des Sozialismus" ist gleichbedeutend mit „Vormarsch des Sozialismus im Weltmaßstab", mit „Offensive des Sozialismus". Er hat — nach Auffassung der Machthaber und ihrer Publizisten — jetzt weltpolitisches Übergewicht erreicht, das weiter verstärkt werden soll, so daß der „gesetzmäßig notwendige" und jetzt eingeschlagene Weg der Menschheit in den Sozialismus un-umkehrbar wird. Die Lehre von den „gerechten Kriegen" in Verbindung mit der Theorie der Revolution macht'auch die militärische Offensivbereitschaft deutlich. Sie wird gezügelt durch den Kalkül des Risikos der zu erwartenden Gegenwehr. Je größer dieses Risiko, desto sicherer ist der Friede. Krieg wird zur Alternative von Existenz und damit absurd.
Hinter diesem Offensivdrang steht — die Publikationen weisen es aus — der als parteiliche „Wissenschaft" verstandene religiöse Elan des Glaubens an die „historische Mission der Arbeiterklasse", die zu vertreten man beansprucht. Nur von diesem Glauben her sind das konsequente „Freund-Feind-Denken", der „leidenschaftliche Haß" gegen den „Klassenfeind", die erbitterte geistige und politische Abgrenzung, der ideologische Dogmatismus zu verstehen. Die einzelnen Elemente des „Freund-Feind-Bildes" sind sich spiegelbildlich gleich und passen fugenlos ineinander: 1. „friedliche Koexistenz" und revolutionäre Welt-mission zum Wohle der Menschheit auf Seiten des Sozialismus, „Vormarsch im Weltmaßstab", gegenwärtig politisches Übergewicht, das weiter ver-stärkt und „umkehrbar* gemacht werden soll bis zur revolutionären Liquidierung der „letzten Ausbeuterklasse", bis zum „endgültigen Sieg des Sozialismus und Kommunismus auf der ganzen Welt", gemäß der „historischen Gesetzmäßigkeit" — „Friedensbeteuerungen“ und „aggressiver Imperialismus" zur Forstsetzung von Ausbeutung und Unterdrückung und zur Wiederherstellung der „Weltherrschaft der Monopolbourgeosie", tatsächlich Rückgang in der Weltpolitik ohne „historische Perspektive"; 2. die DDR in hervorragender Stellung zur Erfüllung der „historischen Mission der Arbeiterklasse", zur Verteidigung des Friedens und des Sozialismus an der Seite der „sozialistischen Vormacht" im Osten — die Bundesrepublik, gleichfalls in hervorragender Stellung, als „Speerspitze“ des „HauptkriegspakteS", der NATO, und gefährlichster „Partner der Aggression" neben der „monopolkapitalistischen Vormacht" im Westen; 3.friedliche Aufklärung und Unterstützung der Ausgebeuteten und Unterdrückten, der überfallenen und Manipulierten, bis hin zu „militärischem Rückhalt" oder zu „brüderlicher Hilfe" in „gerechten Kriegen" zur „Verteidigung des Sozialismus" — eine differenzierte „aggressive Globalstrategie" von feindseliger Spionage und „ideologischer Diversion" bis zur direkten „militärischen Intervention", Vorbereitung eines „Überraschungsangriffs" mit Kernwaffen auf die Sowjetunion und die anderen sozialistischen Staaten; 4. disziplinierte, in der bewußten Harmonie individueller und kollektiver Interessen lebende „sozialistische Soldatenpersönlichkeiten" im Dienste des Friedens, des Fortschritts und des Sozialismus im Osten — „manipulierte, Sozial korrumpierte“, zu „blindem Gehorsam" verführte Soldaten und Söldner („Mörder") als willfährige Werkzeuge der „Monopolbourgeoisie des Imperialismus" im Westen; 5. in der DDR Liebe zum „sozialistischen Vaterland", zur „sozialistischen Staatengemeinschaft" und zum „sozialistischen Internationalismus" und gleichzeitig „leidenschaftlicher Haß“ gegen den „Klassenfeind", insbesondere in der Bundesrepublik — in der Bundesrepublik „blinde Hingabe" der Manipulierten" und „sozial Korrumpierten" an ihre Aus-beuter und gleichzeitig „Haß gegen den Sozialismus", Antikommunismus, besonders gegen die DDR.
Wenn auch gegenwärtig — dank der revolutionären Koexistenz-Offensive des Sozialismus und seines politischen und militärischen Übergewichts, wie man behauptet — eine gewisse Entspannung in der internationalen Lage eingetreten sei, so betont man doch nachdrücklich, daß jederzeit mit „jähen Wendungen gerechnet werden müsse; deshalb seien „Klassenwachsamkeit" und „ständige Gefechtsbereitschaft" unbedingt nötig, müsse der Sozialismus unablässig gestärkt werden. Denn der „aggressive Imperialismus" habe, wie man stereotyp betont, sein Wesen nicht geändert: das „Feindbild" brauche nicht korrigiert zu werden. Dieses abschreckende „Feindbild" ist zum Teuflischen hin verzerrt. Es ist überflüssig, die teilweisen absurden Vorwürfe, insbesondere gegenüber der Bundesrepublik, im einzelnen zu korrigieren. Deshalb wurde auch darauf verzichtet, die Darstellungen über die Ereignisse am 17. Juni 1953, am 13. August 1961 oder während der tschechoslowakischen Krise richtigzustellen.
Das klar umrissene „Freund-Feind-Bild" hat meines Erachtens eine vierfache ideologische Funktion mit eindeutig integrativer Zielsetzung: 1. Es soll eine permanente äußere Bedrohung suggerieren, dadurch eine plausible Begründung für eine intensive Rüstung und eine umfassende und konsequente „sozialistische Wehrerziehung" liefern, durch die eine allgemeine Disziplinierung der gesamten Bevölkerung zu unbedingtem Gehorsam bewirkt und eine dauerhafte Stabilisierung der Herrschaft der SED erreicht werden können. 2. Es soll geistige und psychische Energien der Wehrbereitsschaft, der Kampfmoral und revolutionär-aggressiver Haltung gegen einen „gefährlichen", „tückischen" Gegner mobilisieren und gleichzeitig von inneren Schwierigkeiten und Freiheitsbeschränkungen ablenken;
3. Es soll helfen, deutsche nationale Traditionen und Solidaritäten zu überwinden und die Bemühungen der SED erleichtern, alle Gemeinsamkeiten und die Verbundenheit mit der Bevölkerung der Bundesrepublik radikal abzuschneiden ; 4. Efe soll dazu beitragen — in Verbindung mit revolutionärem Missionsglauben und politisch-militärischem Überlegenheitsbewußtsein — neue Solidaritäten und Loyalitäten zu begründen: zum „sozialistischen Vaterland", zur „sozialistischen Staatengemeinschaft", die schon als neues, größeres „Vaterland" in den Blick kommt, zum „sozialisiischen Internationalismus".
Nach langer Beschäftigung mit der Militärdoktrin und der Militärpropaganda der DDR und unter dem unmittelbaren Eindruck der Vereinbarungen und Proklamationen von Helsinki stellt sich mir die Frage: Was fürchtet die Führung der SED mehr: das angebliche militärische „Aggressionspotential", die Atomwaffen des „Imperialismus" der USA und der Bundesrepublik — oder den freien Geist selbständig denkender Menschen, das heißt die „innere Aushöhlung", sobald man Freiheit und Freizügigkeit gewährt? Es gibt gewiß massive ökonomische Gründe für die Notwendigkeit und Nützlichkeit der Mauern und des Stacheldrahts an der Staatsgrenze, aber vieles deutet darauf hin, daß die freie Beweglichkeit der Menschen und der freie Austausch der Ideen die am meisten gefürchteten „Kernwaffen" sind, gegen die keine Mauern, keine Zäune und keine Bunker Schutz gewähren. Diese freie Beweglichkeit der Menschen und der freie Austausch der Gedanken, von den westlichen Staatsmännern in Helsinki nachdrücklich als ein elementares humanitäres Grundrecht gefordert, sind aber in den Augen des Ostens, insbesondere für die DDR, eine „offen aggressive" Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Staates — „ideologische Diversion". Aus dem selbstgezimmerten ideologischen Käfig des „Freund-Feind-Bildes" der DDR gibt es darum gewiß auf lange Sicht kein Entrinnen, folglich auch nicht vor den Konsequenzen, die sich für den Westen daraus ergeben: — Verstärkung der offiziellen und inoffiziellen, der politischen und der persönlichen Kontakte, — Intensivierung des geistigen Austausches mit dem Osten (Zeitungen, Bücher, Kulturprogramme etc.), insbesondere mit der DDR, — Ausweitung der vertraglichen Regelungen und der wirtschaftlichen Beziehungen, — fortschreitende Einbindung der deutsch-deutschen Beziehungen in internationale Abkommen und Verträge, um das tiefsitzende Mißtrauen abzuschwächen, um „jähe Wendungen" in den politischen Verhältnissen immer unwahrscheinlicher zu machen, — bei gleichzeitiger Festigkeit, Fähigkeit und Entschlossenheit zur geistigen, politischen und militärischen Selbstbehauptung.