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Streitpunkte des Politik-Unterrichts. Zur Kritik an den nordrhein-westfälischen Richtlinien | APuZ 8/1976 | bpb.de

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APuZ 8/1976 Streitpunkte des Politik-Unterrichts. Zur Kritik an den nordrhein-westfälischen Richtlinien Wie politisch darf der „Politik" -Lehrer sein? Wie weit bestimmen Curriculum-Verfahren das Curriculum? Zur Kontroverse um das „didaktische Strukturgitter"

Streitpunkte des Politik-Unterrichts. Zur Kritik an den nordrhein-westfälischen Richtlinien

Rolf Schörken

/ 57 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Dieser Beitrag zur öffentlichen Auseinandersetzung um die innere Schulreform setzt sich mit einer Reihe von Einwänden gegen die politisch-didaktische Konzeption der nordrhein-westfälischen Richtlinien für den Politik-Unterricht auseinander; darüber hinaus benutzt er allgemeine Angriffe gegen die sogenannte Emanzipationspädagogik als Folie, um die Position des Politik-Unterrichts zu verdeutlichen. Einleitend werden allgemeine Gestaltungsmerkmale von Richtlinientexten hervorgehoben mit der Absicht, den nicht pädagogisch geschulten Leser vor Mißverständnissen zu bewahren. Im Mittelpunkt des Kapitels II „Der Streit um den Begriff Emanzipation“ steht die Auseinandersetzung mit Thesen Robert Spaemanns, die gegen die gesamte Emanzipationspädagogik gerichtet sind. Eine Anzahl dieser Thesen wird zurückgewiesen; der Politik-Unterricht in Nordrhein-Westfalen wird als Teil eines historischen Nachholbedarfs an Modernität und politischer Kultur charakterisiert. Im Kapitel III geht es um die Beziehung von Gesellschaftsanalyse und pädagogischer Zielvorstellung; Das allgemeine Ziel „politische Partizipation" wird vor dem Hintergrund hochentwickelter Industriegesellschaften mit technokratischen Tendenzen erörtert. Im Schlußkapitel werden einige Mängel der bisherigen Richtlinienkritik benannt: das Vorherrschen einer Begriffskritik bei gleichzeitiger Vernachlässigung des Problemhorizonts, die verzerrte Einschätzung der pädagogischen Arbeit mit Lernzielen und der mangelnde Praxisbezug.

Neuere Lehrplanentwicklungen in mehreren Bundesländern für den politisch-sozialkundlichen Lernbereich haben in letzter Zeit ein lebhaftes Echo gefunden und zu einer weit über didaktisch interessierte Kreise hinausreichenden öffentlichen Diskussion geführt. Zu diesen Bundesländern gehört auch Nordrhein-Westfalen, dessen Lehrpläne bis weit in die 60er Jahre hinein durch besondere Abstinenz gegenüber einem gegenwartsbezogen-sozialkundlichen Unterricht auffielen. 1970 wurde die Richtlinienkommission für politische Bildung in Nordrhein-Westfalen berufen, im Jahre 1973 begann man schulformübergreifend mit der Einführung des Faches „Politik" in der Sekundarstufe 1.

In diesem Heft wird die Auseinandersetzung um die nordrhein-westfälischen „Politik" -Richtlinien fortgesetzt, diesmal von NLitgliedern der Richtlinienkommission. Die beiden ersten Beiträge gehen dabei weniger auf spezielle fachdidaktische oder curriculummethodische Fragen ein, als vielmehr auf Probleme, die in der breiten öffentlichen Diskussion aufgeworfen wurden. Der dritte Beitrag ist spezieller ausgerichtet, er beschäftigt sich mit einem Element des Curriculum-verfahrens, das besonders stark der Kontroverse ausgesetzt war: dem sog. didaktischen Strukturgitter.

I. Unterrichts-Richtlinien — eine merkwürdige Literaturgattung

Eine neue „Literaturgattung" ist ans Licht der Öffentlichkeit getreten: Unterrichts-Richtlinien der Kultusminister, geschaffen für den Dienstgebrauch von Fachlehrern, beschäftigen seit einigen Jahren Politiker, Journalisten, Eltern und große gesellschaftliche Interessenverbände. Im Mittelpunkt der öffentlichen Auseinandersetzung standen weltanschauliche Fragen, genauer: die Stoßrichtung der Kritik zielte auf das, was sie für den weltanschaulichen Kern des Problems hielt. Obwohl ich auch der Auffassung zustimme, daß Fragen des politischen Weltbildes den eigentlichen Streitpunkt bildeten, meine ich doch zu sehen, daß mindestens ein Teil der Vergröberungen und Verzerrungen auf Mißverständnissen beruht, die dadurch zustande kommen, daß viele Kritiker mit den Eigenarten der Textform „Unterrichts-Richtlinien“ nicht vertraut sind. Aus diesem Grund einige einleitende Bemerkungen zu Richtlinien als »Literaturgattung“:

Richtlinien sind amtliche Unterrichtsanweisungen oder -empfehlungen des jeweiligen

Kultusministers für die Lehrer seines Amtsbereiches; ihre Verbreitungsform ist der Dienstweg; ihr Inhalt ein kompliziertes Gemisch von didaktischen Daten, bildungspolitischer Akzentsetzung mit fachwissenschaftlichen Einsprengseln und Elementen von Ministerialerlassen. Ihr Stil ist eine Art Kurzschrift, bei der auf jeden Kommentar für den Nichtfachmann verzichtet wird und die ohne Kenntnis der Geschichte und des Standes der didaktischen Diskussion des jeweiligen Faches nur schwer zu verstehen ist. Im Unterschied zum Fachlehrer oder Fachdidaktiker hat es bereits der Fachwissenschaftler mit Richtlinien schwer, weil er nur sporadische Äußerungen über fachwissenschaftliche Positionen, Prä-, missen oder Zusammenhänge in ihnen findet; Fachsystematik, ja auch nur ausführliche Kommentierung nach Art eines wissenschaftlichen Aufsatzes sucht er vergebens. Der Journalist, der an der verwertbaren politischen Neuakzentuierung interessiert ist, hat angesichts der trockenen Amtssprache Mühe, einen zündenden Funken aus einem Richtlinientext zu schlagen. Ähnlich mag es dem Politiker gehen angesichts der gängigen Praxis, Richtlinienentwürfe durch Heerscharen von Ministerialbeamten so lange auf Hochglanz polieren zu lassen, bis sie vor frommer Unanstößigkeit glänzen und gänzlich unpolitisch erscheinen — was sie mitnichten weder sind noch je waren. Auch der juristische Leser, der gern eindeutig wissen möchte, was denn nun dem Lehrer im Unterricht verboten und was ihm erlaubt sei, kommt nicht auf seine Kosten, weil das starke Gewicht der fachlichen Information in den Richtlinien bewirkt, daß die Trennschärfe von „verboten" und „erlaubt" nicht so deutlich herausgearbeitet ist wie z. B. in normalen Ministerialerlassen.

Die Sprödigkeit der Textgestalt, die Mischung der inhaltlichen Aspekte und die lakonische Ausdrucksweise machen Richtlinien also zu einer ebenso trockenen wie komplizierten Lektüre. Einmal ins Licht der Öffentlichkeit gerückt und für Nicht-Pädagogen interessant geworden, müssen sie zu einem Eldorado für Interpreten werden.

Die stürmische Entwicklung der Didaktik im letzten Jahrzehnt hat es nötig gemacht, Richtlinien neuartig zu strukturieren und ihnen eine eindeutigere pädagogische Funktion als vorher zu geben. Das wichtigste Ziel moderner Richtlinien ist es, den Lehrer didaktisch entscheidungsfähig zu machen, d. h. ihm die Kriterien zu vermitteln, die ihn instand setzen, pädagogisch sinnvolle und wohlbegründete Entscheidungen über Ziele, Inhalte, Methoden und Medien des Unterrichts zu treffen. Sie nehmen den Lehrer also nicht enger ans amtliche Halsband, sondern möchten ihn freisetzen für die eigene, wissenschaftlich begründete und pädagogisch verantwortliche Entscheidung. Dazu müssen moderne Richtlinien sich um etwas bemühen, was in älteren Lehrplänen nie anzutreffen war: um Einsicht in die Eigenarten des Lernprozesses des jeweiligen Faches. Moderne Richtlinien versuchen, möglichst nahe an diesen Lernprozeß heranzurücken; was in ihnen niedergelegt wird, ist instrumentell gemeint: es geht um Orientierungsgesichtspunkte und Handwerks-zeug für die praktische Anwendung.

Dies zu wissen, ist wichtig für den Leser und kann ihn vor falschen Interpretationen bewahren. Auffallend häufig werden Richtlinien nur selektiv auf ihren „Proklamationscharakter" hin gelesen: Die Ebene der abstraktesten Lernziele, also gerade derjenigen, die über den Lernprozeß besonders wenig aussagen, wird gleichsam abgesahnt’ nach weltanschaulichen Verkündigungen oder was man in dieser Richtung deuten könnte. Nun ist das nicht einfach unzulässig, es wird aber der Besonderheit von Lehrplänen nicht gerecht. Wer Richtlinien nur als politische Proklamation liest, unterläßt es in aller Regel, die Frage nach dem Verhältnis von Lehrplan und tatsächlichem Unterricht zu stellen. Lehrpläne sind nicht schon gleich Unterricht. Was in 'Lernzielkatalogen auf Siebenmeilenstiefeln daherzuschreiten scheint, muß im Unterricht ! in geduldigen, kleinen Schritten erarbeitet werden. Um sich aber von den Lehrplänen her eine Vorstellung vom angestrebten Unterricht zu machen, muß man die konkreten Bedingungen von Unterricht kennen und sie in eine Relation zu den Zielvorstellungen von Richtlinien bringen. Für den Lehrer ist das kein Problem, denn in diesem Spannungsverhältnis lebt er tagtäglich; für den Nicht-Lehrer ist es jedoch außerordentlich schwer.

Solche konkreten Bedingungen sind: die zur Verfügung stehende Stundenzahl, die Stundenverteilung in der Woche, die Zahl der zur Verfügung stehenden Fachlehrer, ihre Ausbildung, ihr Kenntnisstand, die Lehrbücher, die mögliche Wirkung von Fortbildungsveranstaltungen mit fachwissenschaftlichen oder didaktischen Hilfen, die Zeit, die der Lehrer neben seiner üblichen Arbeit zur Verfügung . hat, um sich in neue Richtlinien einzuarbeiten, seine psychische Bereitwilligkeit dazu usw. Diese Faktoren zu nennen, genügt bereits, um sichtbar zu machen, daß Richtlinien, die ja, schnöde gesagt, zunächst nichts anderes als bedrucktes Papier sind, auf dem Wege zur Verwirklichung im Unterricht einem Abschleifprozeß unterworfen sind. Richtlinienkommissionen, die aus Lehrern zusammengesetzt sind, können sich in der Regel ein gutes Bild dieses Prozesses machen; die Autoren werden deshalb das, was sie für neu und wichtig halten, besonders akzentuieren und dafür anderes, mehr Selbstverständliches, beiläufig oder gar nicht sagen. Diese Verteilung von starken Akzenten mit hohem Aufmerksamkeitswert einerseits und geringer Betonung von Selbstverständlichkeiten andererseits gehört zu den Gattungseigenschaften von Richtlinientexten. Hier liegt eine der häufigsten Ursachen für Mißverständnisse. Nicht zuletzt ist diese Akzentuierung auch deshalb nötig, damit die in älteren Richtlinien übliche Problemschlamperei aufhört. Präzise, unverwaschene Formulierungen sind dazu da, Probleme sichtbar zu machen, und nicht, sie unter den Tisch zu wedeln.

Der Gefahr, daß sich die obersten Zielvorstellungen in Lehrplänen vom Unterrichtsprozeß ablösen und ein selbständiges Leben als pseudopolitische Proklamationen führen, wird in modernen Lehrplänen dadurch gesteuert, daß bereits auf der obersten Lernzielebene Formulierungen gewählt werden, die sich prinzipiell nicht gegen eine Konkretisierung sträuben Wenn die oberste Lernzielebene mit dem praktischen Unterricht und seinen enggefaßten Lernzielen in Verbindung bleiben will, müssen sich die weitreichenden oberen Lernziele in konkrete Lernziele verwandeln lassen. Dies ist nur dann möglich, wenn auf der obersten Formulierungsebene ein hoher Genauigkeitsgrad erreicht ist und Zielbegriffe vermieden werden, bei denen niemand weiß, wie sie im konkreten Unterrichtsprozeß zu erreichen sind.

Man liest häufig, daß Tugenden wie Wahrhaftigkeit, Bescheidenheit, Treue, Selbstdisziplin usw. in modernen Lehrplänen bedauerlicherweise nicht mehr auftauchten und daß hier die weltanschauliche Einseitigkeit emanzipatorischer Pädagogik besonders unfreundlich zum Ausdruck komme Man sollte dies nüchterner sehen. Solange niemand hinreichend beschreiben kann, in welcher Weise sich als Ergebnis von Fachunterricht die Tu-* gend der Treue oder Wahrhaftigkeit tatsächlich einstellt, solange sollte man vorsichtig in der Verwendung solcher Begriffe sein. Sie sind gewiß gut gemeinte Bekundungen von pädagogischem Ethos, doch ist zu befürchten, daß sie für den konkreten Unterricht bedeutungslos bleiben und also nur dazu beitragen, eine vom praktischen Unterricht losgelöste Programmatik zu begünstigen. Aus diesem Grund sollte man aus dem Fehlen dieser Tugenden in Lehrplänen bestimmter Fächer nicht voreilig schließen, daß Selbstdisziplin, Wahrhaftigkeit usw. „aus der Mode" gekommen seien.

Es gibt noch einen weiteren Grund, weshalb auf die instrumentelle Ausrichtung der Richtlinien auf den Unterricht aufmerksam gemacht wird, obwohl man doch meinen sollte, nichts sei selbstverständlicher als dies. In der Kritik taucht immer wieder eine bestimmte Argumentationsfigur auf: Einzelne Begriffe oder Gedanken werden aus dem instrumenteilen -Zusammenhang mit dem Unterricht her-ausgelöst und ins Prinzipielle gewendet, sodann wird eine Extremposition konstruiert und auf dieser Basis weiter argumentiert. Beispiele aus der Diskussion um den Politikunterricht: Wo von „Emanzipation" die Rede ist, verlängert man den Begriff zum Extrem „Totalemanzipation" und versucht damit, eine vernünftige Sache zu einer unvernünftigen zu machen; ähnlich ist es, wenn man aus der Bemühung um die politische Beteiligung der Schüler eine Agitation zum Zwecke vollständiger Politisierung der jungen Menschen her-ausliest; wo es in den Richtlinien heißt, junge Menschen müßten lernen, „die vorgegebenen gesellschaftlichen Normen" entweder frei anzuerkennen oder abzulehnen, wird dem Artikel „die" die Bedeutung „alle" unterschoben und dann der Vorwurf angeschlossen, hier werde eine neurotische, weil alle vernünftigen Grenzen sprengende Normenwühlerei getrieben Dergleichen Kritik führt, wenn man das diffamierende Element in ihnen einmal beiseite läßt, zum Streit um Worte. Der Absicht von Unterrichts-Richtlinien angemessener ist es, in die „entgegengesetzte" Richtung hin zu argumentieren, nämlich nicht vom Unterricht weg, sondern zu ihm hin. Dabei wäre z. B. die Frage zu stellen: Wieweit wird unter den begrenzten Bedingungen von Unterricht ein weitgefaßtes, abstraktes Lemziel erreicht? Wer so fragt, kann Richtlinien und ihre Lernziele an der Realität messen; er be-müht sich zumindest, die Unterrichtswirklichkeit zu fassen und über Sachen, nicht nur über Worte zu reden, und muß auch nicht befürchten, verharmlosende Antworten zu erhalten.

II. Der Streit um den Begriff „Emanzipation"

1. „Kampf" oder „Fortschritte im herrschenden Muster"?

In das Zentrum der öffentlichen Auseinandersetzung um neuere Richtlinien ist mehr und mehr der Begriff „Emanzipation" gerückt. Unter dieser Flagge ist eine ebenso breite wie in sich vielgestaltige sozialwissenschaftliche, philosophische, theologische und pädagogische Bewegung angetreten; längst haben sich aber auch die Fronten der Gegenbewegung formiert. Kein Wunder, daß besonders solche Stellen in Richtlinien, wo dieser Begriff auftaucht, in das heftige Kreuzfeuer der Kritik geraten sind; das war auch bei den entsprechenden Passagen der „Politik" -Richtlinien der Fall (zitiert in Kap. II, 7.), obwohl (oder auch: gerade weil) dort ein unterkühlter Gebrauch von diesem Begriff gemacht wurde. Während die Kritik von rechts es darauf anlegte, wenn nicht nachzuweisen, so doch den Verdacht immer aufs Neue wachzurufen, daß der Emanzipationsbegriff einen „systemüberwindenden" Sinn habe, lautete die Kritik von links — auf die hier zunächst kurz eingegangenen werden soll — genau umgekehrt: Emanzipation bleibe in einem Normenverständnis stecken, „dessen Norm eben die Normalität der jeweiligen Gesellschaft" darstelle, somit werde ein Kampfbegriff in rosarotes Cellophanpapier verwandelt — so Wolf-Dieter Narr Narr wendet sich gegen die „Entkernung" des Begriffs. Für diese Entkernung führt er fünf Symptome an: Der Begriff werde immer dann ausgehöhlt, 1. wenn Emanzipation als allgemeine Norm, losgelöst von den spezifischen Bedingungsverhältnissen, formuliert würde; 2. wenn die gegenwärtigen Hindernisse der Emanzipation verschwiegen würden; 3. wenn die herrschende Normalität als „Emanzipationsstreckdecke" empfohlen würde; 4. wenn Emanzipation als erzieherische Charakterbildung, als „geöffne-te Chance (der Beteiligung etwa)" verstanden würde; wenn Emanzipation zum bloßen „Lernarrangement“ werde, ohne an die Institution des Bildungswesens selbst zu rühren.

Unbestritten richtig ist seine Auffassung, daß man, wenn man von Emanzipation spreche, die konkreten Hindernisse für ihre Verwirkli-chung benennen müsse. Das trifft freilich die „Politik" -Richtlinien nicht als Vorwurf. Diese Hindernisse und spezifischen Bedingungsverhältnisse, die von Fall zu Fall höchst unterschiedlich sind, können nur konkret am Einzelfall, nicht pauschal benannt, also auch nicht in allgemein gehaltenen Einleitungsfor-mulierungen von Richtlinien, auf die sich Narr beruft, sondern nur bei der Einzelplanung des jeweiligen Unterrichtsthemas konkretisiert werden.

Des weiteren erweisen sich allerdings Narrs Ausführungen als ein Beispiel dafür, wie man das Kind mit dem Bad ausschütten kann: „Emanzipation ist" — so Narr — „ein sozialer Kampfbegriff", sie „kann leider gewöhnlich nicht geräuschlos geschehen; sie besteht, hat man ihren Sinn erfaßt, im Kampf; freilich weder im Kampf bis aufs Messer, noch im Kampf ohne Begriff . . ." 5). Die Frage, was wohl geschähe, wenn eine solche allgemeine Kampfansage gegen die „spätkapitalistische Gesellschaft" — denn sie ist bei Narr das Angriffsobjekt — in Entwürfen zu Unterrichts-Richtlinien auftauchte, stellt sich Narr wohlweislich nicht; er kann ja wohl selbst nicht in vollem Ernst annehmen, eine solche Konzeption fände die Billigung von Kultusverwaltung, Kultusminister, Kabinett, Parlament oder Öffentlichkeit. Aus seinen Wendungen gegen eine „Pädagogisierung" des Emanzipationsbegriffs und gegen eine Anwendung auf den Lernprozeß muß geschlossen werden, daß er den Begriff lieber aus der Pädagogik verbannen möchte als einer Beschränkung derjenigen Ziele, die er mit dem Begriff verbindet, zuzustimmen. „Fortschritte im herrschenden Muster" — so eine aufschlußreiche Äußerung _ sind bestenfalls „Wattierung der Entfremdung". Mit anderen Worten: Es läuft denn doch alles auf das Grundmuster des „Alles oder Nichts" derjenigen hinaus, die Erreichbares für nichtig halten, weil es, gemessen an ihren Idealvorstellungen, zu wenig ist. Diese Haltung, nicht frei von Kamikaze-Mentalität, kann bei denjenigen keinen Eindruck machen, die, wie die Mitglieder der Richtlinien-kommission, davon überzeugt sind, daß angesichts des Zustands der politischen Bildung in den Schulen jede Möglichkeit der Verbesserung genutzt werden muß, und zwar gerade auch dann, wenn viele Tendenzen in der Schule, wie z. B. die Notentrimmerei als Auswirkung des Numerus clausus, solchen Verbesserungen entgegenstehen. Narr zieht aus diesen Tendenzen allerdings ganz andere Folgerungen: Er verlagert seine emanzipatorischen Bemühungen auf eine höhere Ebene. Die genannten Tendenzen, also Numerus clausus, Leistungsdruck usw., verweisen „auf eine Logik der Reformen, die Probleme partikulär erst dann lösen läßt, wenn ihre Lösung einmal auch für mächtige wirtschaftliche Interessen geboten ist". Auf unser Problem bezogen heißt das: Eine Reform des Schulwesens (und innerhalb dieser z. B. eine Reform des Politikunterrichts) kann es nicht geben, bevor es nicht zu einer Umgestaltung des Spätkapitalismus kommt. Das bedeutet: Wer zu einer Partikularreform bereit ist, muß — nach Narr — wissen, daß sie „zur schlechten Farce für alle Beteiligten" wird.

Man gestatte die lapidare Antwort: So viel Zeit hat nicht jeder. Oder, um es mit Narrs eigenen Worten zu sagen: Hie Rhodus, hic saltal — Spätestens an dieser Stelle muß der Vorwurf Narrs gegen die Richtlinien für den Politik-Unterricht, das Wort „Emanzipation" bleibe in ihnen „himmlisch", auf ihn selbst zurückgewendet werden: Wer die Möglichkeit der Partikularreform in so rigoros-idealistischer Manier ablehnt, hält den Emanzipationsbegriff von allem Irdischen fern und läßt ihn in den reinen Äther aufsteigen, wo man zwar über ihn nachdenken und reden, aber nichts Wirksames für ihn tun kann. Vom Standpunkt derjenigen, die — wie z. B. die Mitglieder der Richtlinienkommission — auf das genaueste damit vertraut sind, welche oft unglaublichen Schwierigkeiten überwunden werden müssen, um auch nur bescheidene Lehrplanverbesserungen durchzubringen, wirkt das Hochhängen des Emanzipations-, begriffs wie ein risiko-und folgenloses Imponiergehabe. Narrs Ausführungen hatten noch eine Nebenwirkung, die man letztlich sogar als die politische Hauptwirkung ansehen muß: Sein Lob der Hessischen Rahmenrichtlinien im Zusammenhang eben dieses Aufsatzes war ein ausgemachter Bärendienst für diese, weil es dem Verdacht, hier werde ein „systemüberwindendes" Konzept (was immer das sei) vorgetragen, Tür und Tor öffnete und ihm scheinbar noch die fachwissenschaftliche Bestätigung lieferte. Die unermüdlichen Versuche der Verantwortlichen, diesen Verdacht zu entkräften, konnten nicht mehr viel ändern. Das Lob Narrs hat politisch in dieselbe Richtung gewirkt wie die von erbitterter Gegnerschaft getragenen Gutachten von Lübbe/Nipperdey und vielen anderen. Ob Narr das nicht vorausgesehen hat?

Auf einige andere Einwände Narrs gegen die Richtlinien soll hier nicht weiter eingegangen werden. Sie betreffen die Begriffe „Richtwert" und „Lernziel" und gehören in die engere fachdidaktische Diskussion. Walter Gagel hat sich jüngst dazu geäußert; auf ihn wird verwiesen Vgl. dazu auch in dieser Ausgabe den Aufsatz von Dieter Menne, S. 36.

Die Kritik an den Richtlinien für den Politik-unterricht, die von rechts kam, überwog die Kritik von links bei weitem, und zwar sowohl an Quantität und Lautstärke wie auch an öffentlicher Wirksamkeit. Von ihr ist im folgenden die Rede, freilich nur an Einzelbeispielen. 2. Die Hauptaufgabe der Politischen Bildung, die oft vergessen wird Die öffentliche Richtliniendiskussion wurde als Teil der großen Diskussion um linke Studentenbewegungen verstanden; es ist auffallend, daß aus dem Kreis der Universitätslehrer viele, die sich vorher nie um die politische Bildung gekümmert haben, die aber in der Abwehr-oder neuerdings der Angriffs-schlacht gegen den Marxismus an den Universitäten stark engagiert waren, mit eindeutiger Stoßrichtung in die Richtliniendebatte in Hessen oder Nordrhein-Westfalen eingegriffen haben. Die Grundeinstellung war höchst einfach: Das ist alles unterschiedslos derselbe Ungeist und muß bekämpft werden. Ähnlich wie — einem Wort Golo Manns zufolge — die Bahnbrecher des Historismus, „von was sie auch redeten, doch immer den Aufstieg Brandenburg-Preußens und des Reiches" meinten so meinen heute manche Publizisten und Wissenschaftler, von was sie auch reden, immer nur die Studentenbewegung. Es wird übersehen, daß die Problematik, von der die politische Bildung ausgeht und auf welche die Richtlinien eine Antwort geben, nicht aus der Studentenbewegung, sondern von erheblich weiterher kommt, daß außerdem der politische Erfahrungshorizont von Mitgliedern der Richtlinienkommissionen schon aufgrund des Alters anders aussieht als der der Studenten und daß schließlich die sprachlichen Übereinstimmungen mit der „Studentensprache" („Soziologen-Jargon") kein Indiz für die Herkunft aus der Studentenbewegung, sondern — wie das bei sozialwissenschaftlichen Lehrplänen ja schlecht anders denkbar ist — eine Übernahme aus der sozialwissenschaftlichen Fachsprache ist.

Richtlinien in den geistes-und gesellschaftswissenschaftlichen Fächern sind immer vor einem fachgeschichtlichen Hintergrund geschrieben, von dem sie sich absetzen, dem gegenüber sie Neuorientierungen und -akzentu-ierungen vornehmen. Dafür gibt es viele Beispiele: Neuere Deutsch-Lehrpläne mit stark linguistischer Akzentuierung sind gegen die vorherige „werkimmanente" Richtliniengeneration geschrieben, diese wiederum wandte sich gegen die vorherige literaturgeschichtliche Tendenz; Erdkunde-Richtlinien mit sozial-geographischer Akzentuierung setzen sich, ob sie es ausdrücken oder nicht, gegen die früheren länderkundlichen Auffassungen ab; viele sozialkundlich-politische Richtlinien arbeiten den Konfliktbegriff gegenüber der „Miteinander-Füreinander" -Didaktik heraus usw. Darin spiegelt sich nichts anderes als der normale Verarbeitungsprozeß der Geistes-und Gesellschaftswissenschaften.

In der politischen Bildung geht es jedoch, unbeschadet aller didaktischen Einzelakzente, seit 1945 um eine wesentlich gewichtigere Grundaufgabe, die weniger, als man gemeinhin glaubt, schnellen Modewechseln unterworfen ist und auch nicht primär von fach-wissenschaftlichen Entwicklungen gesteuert wird. Diese Grundwelle der Bemühungen der politischen Bildung, auf der sich fachwissenschaftliche oder -didaktische Tendenzen als rasch wechselnde Schaumkronen bewegen, ist die Grunderfahrung deutscher Geschichte in unserem Jahrhundert: die politische Verführbarkeit, der Weg ins Äußerste, in Barbarei, Krieg, Verbrechen. Niemand sage, diese Zeit läge seit 30 Jahren hinter uns! Was geschehen ist, mit Vor-und Nachgeschichte, wird nicht das Thema von Jahrzehnten, sondern von Jahrhunderten sein. Es ist ein Irrtum zu meinen, es sei mit der sogenannten „Bewältigung der Vergangenheit" getan, einer pädagogischen Phase der frühen sechziger Jahre, als der im Geschichtsunterricht vorher scheu umgangene Nationalsozialismus endlich energisch in den Unterricht einbezogen wurde.

Für jeden, der sich in den letzten Jahrzehnten theoretisch und praktisch mit politischer Bildung an der Schule befaßt hat, steht das Problem im Mittelpunkt, wie die Gleichgültigkeit und Abneigung des größten Teiles der Jugend gegenüber der Politik zu überwinden sei. Die frühen dogmatischen Fixierungen bei einem kleineren Teil der Schüler in der Sekundarstufe II gehören mit in dieses Bild; sie sind der forcierte Versuch, den gordischen Knoten der Fremdheit gegenüber der Politik mit einem einzigen Hieb zu zerhauen. Alle empirischen Untersuchungen belegen es nach wie vor: Für die weitaus meisten Schüler ist und bleibt Politik etwas, was „die da oben" machen, was hoch über den konkreten Lebenserfahrungen schwebt, was mit dem eigenen Ich nichts zu tun hat. Die historische „Aufarbeitung" der Vergangenheit kann keine Früchte tragen, wenn das Verhältnis zur politischen Dimension der Gegenwart unterentwickelt bleibt. Wo aber Politik als das Fremde und Fremdbestimmte erscheint — und das ist es für Kinder auch aus Altersgründen ja zunächst immer —, muß es für die politische Bildung die Hauptaufgabe sein, die allen Detail-aufgaben vorangeht, Möglichkeiten der Selbst-und Mitbestimmung sichtbar und zugänglich zu machen, um diese Fremdheit zu überwinden. So kann man Heranwachsenden Mut machen, sich zu engagieren und die Kluft von Privatem und Öffentlichem zu überwinden. Mut machen kann allerdings nicht heißen, ihnen Illusionen über die Schwierigkeiten, Hemmnisse und Zwänge vorzugaukeln, mit denen jeder fertigwerden muß, der politisch aktiv wird. Realitätsnähe ist deshalb eine wichtige Forderung an den Politikunterricht. Richtlinien für politische Bildungen an den Schulen — das kann man nicht oft genug wiederholen — sind nicht einfach Verlängerungen von fachwissenschaftlichen Erkenntnissen und Ergebnissen für den Schulgebrauch, sondern setzen mit dem, was sie wollen, viel elementarer an. Deshalb gibt es auch keinen Reim, wenn man gut akademisch schon hier nach der dem Beteiligungsgedanken zugrunde liegenden politischen Theorie fragt. Es geht um eine pädagogische Frage, die den politologischen Demokratiekonzepten vorgelagert ist. Es muß darauf ankommen, die politischen oder politikverwandten Erfahrungen, die bereits im Horizont der Kinder sind, aufzusuchen und für den Unterricht zu thematisieren. (Dieses Prinzip ist manchmal mit dem etwas altväterlichen didaktischen Grundsatz „Vom Nahen zum Fernen" verwechselt worden.) Gleichzeitig müssen politisch-gesellschaftliche Bereiche, die den Heranwachsenden zunächst fremd sind, mit didaktischen Mitteln zugänglich gemacht werden. Darin liegt die Entscheidung für einen weiten Politikbegriff begründet, der die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wirklichkeitsbereiche umfaßt. Diese Option für einen weiten Politikbegriff ist pädagogischer Natur; sie hat primär nichts mit der Vorliebe für oder Abneigung gegen bestimmte sozialwissenschaftliche Richtungen zu tun. Es liegt freilich in der weiteren Konsequenz dieser Entscheidung, daß z. B. eine politikwissenschaftliche Konzeption, die die Politik im wesentlichen auf das staatliche Handeln und die politische Willensbildung beschränkt, als fachwissenschaftliche Basis für das Unterrichtsfach zu eng ist.

Es muß Kindern überzeugend deutlich werden, daß politische Teilnahme nichts ist, was ihnen von irgendwelchen Lehrern oder anderen Autoritätspersonen als eine Pflicht unter vielen anderen aufgeschwätzt wird — man weiß, wie Kinder auf so etwas reagieren —, daß sie vielmehr ihr, der Kinder, eigenes Recht, ihr eigenes Interesse ist. Im Unterschied zu der verbreiteten Vorstellung, daß Schule den Kindern zuvörderst einmal Pflichten predigen sollte, betonen die Richtlinien den Gedanken, daß Kinder lernen müssen, ihre eigenen Rechte und Interessen wahrzunehmen, um ihre Chancen zur Selbstbestimmung in Gesellschaft und Politik zu vergrößern. An dieser Selbstverständlichkeit ist viel Kritik geäußert worden, nie aber ist die Kritik bis zu der drängenden pädagogischen Frage vorgedrungen, wie anders denn die Fremdheit zwischen dem heranwachsenden Kind und der Politik überwunden werden könne. Daß dies schlicht in der Weise möglich sei, daß der positive Aspekt der politischen Institutionen stärker betont würde, kann nur von jemandem geglaubt werden, der die gesamte Auseinandersetzung um eine institutionen-kundliche Sozialkunde in den letzten zwei Jahrzehnten nicht kennt oder nicht ernst genommen hat In der Didaktik ist dieses Thema längst ausdiskutiert.

Oft hört man auch das betuliche Argument: Für Erwachsene in der Berufs-und Geschäftswelt sei es selbstverständlich, eigene Rechte und Interessen zu verfolgen, man dürfe das aber heranwachsenden Kindern nicht so deutlich sagen, weil sie sonst zu stark zum Egoismus ermuntert würden. — In solchen (leicht verschlagenen) Auffassungen steckt noch viel säuerliches Mißtrauen, Freiheit zu gewähren, steckt Furcht vor dem Risiko, daß gewährte Freiheit auch mißbraucht werden kann. Es ist ein eigenartiger Widerspruch, daß diejenigen, die so argwöhnisch mit dem Gewähren von Freiheiten sind, meist auch die sind, die verbal am lautesten die Überlegenheit unseres freiheitlich-demokratischen Staates proklamieren.

Aus dem didaktischen Grundgedanken, Politik in den Horizont der Heranwachsenden hereinzuholen und gleichsam „erfahrungsfähig" zu machen, erklären sich auch die Bemühungen des politischen Unterrichts in Nordrhein-Westfalen um besonders wirksame Unterrichtsmotivation. Jede Unterrichtseinheit beginnt mit einer ausgeprägten Motivationsphase, keine Unterrichtseinheit soll mehr Zeit in Anspruch nehmen als etwa 8— 12 Stunden, weil erfahrungsgemäß die Aufmerksamkeit der Schüler für ein-und dasselbe Thema (Sekundarstufe I!) nach mehreren Wochen erlahmt; die Planungsmaterialien machen dem Lehrer überdies eine Vielzahl von möglichen Unterrichtsverfahren verfügbar, so daß auch vom Methodischen her keine Langeweile aufkommen sollte. Eine solche Betonung des Motivationsgedankens wird von manchen Kritikern als allzu große Nachgiebigkeit gegenüber den Schülern und oft auch als eine Art von Verrat am „Eigentlichen", dem Unterrichtsinhalt mit seinen sachimmanenten Lern-forderungen, angesehen. Diese Gegenüberstellung ist aber unhaltbar; sie beruht auf dem Mißverständnis, als seien Lernpsychologie und Didaktik Störfaktoren für richtiges Ler-nen, während sie doch nichts andres wollen, als sinnvolleres, wirksameres, nachhaltigeres Lernen zu begünstigen oder überhaupt erst zu ermöglichen. 3. Zur Kritik an der Emanzipationspädagogik Robert Spaemann hat unlängst eine grundsätzliche Kritik am Bildungsziel „Emanzipation" vorgelegt Man kann in dieser Kritik allerdings nie genau dingfest machen, gegen wen sie sich in concreto richtet, weil zu vieles in einen Topf geworfen und zu wenig belegt wird. Es ist nicht auszuschließen, daß sich Spaemanns Aufsatz gegen bestimmte Positionen orthodoxer Marxisten richtet, sonst kann man sich nämlich manches Urteil nicht erklären. Da er das aber nie sagt, sondern sich pauschal gegen die gesamte Emanzipationspädagogik wendet, ist es nötig, auf Differenzierungen zu bestehen.

Spaemanns Hauptüberlegungen gelten der Unterscheidung zwischen dem ursprünglichen Rechtsbegriff „Emanzipation" und einer neuen Bedeutung, die der Begriff im 19. Jahrhundert angenommen hat. Der klassische Rechtsbegriff „Emanzipation" bedeutet einen Vorgang, der einen Anfang und ein Ende hat und mit der Erlangung eines Status, der Mündigkeit, endet; der neue Begriff meint einen lebenslangen Prozeß ohne eindeutiges Ende. Spaemanns politische Warnung vor dem „unendlichen" Emanzipationsbegriff kulminiert in der Aussage, es sei für die Zukunft der Freiheit wichtig, „daß wir keine Verwechslung der Mündigkeitsbegriffe aufkommen lassen; daß wir Mündigkeit im rechtlichen Sinne nicht an jenen Zustand als Bedingung knüpfen, der im Rahmen der Emanzipationsideologie Mündigkeit heißt" Das scheint mir eine merkwürdig pointenlose Befürchtung zu sein, weil weit und breit keine Gefahr zu sehen ist, daß irgendeine Instanz oder Person, die mit Gesetzgebung oder Rechtsprechung zu tun hat, den Rechtsbegriff der Mündigkeit mit dem „verinnerlichten" Emanzipationsbegriff verwechseln könnte. Das einzige bekannte Beispiel einer durch Rechtsverfahren gesicherten Beziehung zwischen beiden ist die alte Rechtsübung in den USA, daß Einwanderer sich einer staatsbürgerlichen Prüfung zu unterwerfen haben, bevor sie die US-Staatsbürgerschaft erhalten. Hier kommen also Mensehen nicht einfach durch formellen Rechtsakt in den Genuß der staatsbürgerlichen Rechte, sondern müssen sich erst „inhaltlich* als „mündig“ ausweisen. Diese Rechtspraxis ist aber weder ein Ergebnis moderner „Emanzipationsideologie“ noch eine Gefahr für irgend jemanden noch überhaupt auf die Bundesrepublik übertragbar.

Auch pädagogisch ist Spaemanns Unterscheidung pointenlos. Der Lehrer hat es, ob er will oder nicht, immer mit dem zweiten Emanzipationsbegriff zu tun, denn dieser Begriff ist identisch mit dem Lernbegriff. Der Lehrer kann sich nicht darauf verlassen, daß mit dem Eintreten der Rechtsmündigkeit der junge Mensch schlagartig in der Lage sei, die Lebensprobleme zu meistem, vielmehr muß er den Heranwachsenden erst befähigen, mit diesen Problemen fertig zu werden. Wenn das nicht so wäre, wäre Schule als Institution überflüssig. Die Aufgabe des Lehrers ist es, dafür zu sorgen, daß Kinder ihre spätere Mündigkeit auch substantiell wahrnehmen können. Für die politische Bildung in der Schule heißt das: die Schüler sollen den politischen Aufgaben und Anforderungen gerecht werden, die auf sie zukommen, wenn sie erwachsen sind. Aus diesem Grundgedanken sind die „Politik" -Richtlinien entstanden. Die Befähigungen und Bereitschaften, die nach Auffassung der Richtlinienkommission dazu nötig sind, bilden den Kernpunkt der Richtlinien, nämlich die zehn Qualifikationen. 4. Historische Erfahrungen als Hintergrund der Richtlinien-Konzeption Spaemann führt die „Emanzipationsideologie'ohne viele Umstände auf Marx zurück. Gewiß trifft diese Genese für vieles zu, was seit der Studentenbewegung unter den marxistischen Varianten dieses Schlagworts läuft, doch ist sie viel zu eng. Die Probleme der politischen Bildung in der Bundesrepublik haben, gerade auch in ihrer emanzipativen Richtung, andere Wurzeln. Die politische Bildung in der Bundesrepublik ist, wie oben angedeutet, viel weniger von zukunftsgewandten Theorien als von massiven politisch-historischen Erfahrungen des gesamten Volkes geprägt. Verschiedene kluge Interpreten haben in den Richtlinien für Politikunterricht von Nordrhein-Westfalen die folgenden geistigen Väter vermutet: Plato, Aristoteles, Rousseau, Helvetius (!), Marx, Max Stirner, Habermas. Politische Didaktik geht aber nicht von Personen und Lehrmeinungen aus, die sie für Unterrichtszwecke vereinfachen will, sondern sie versucht, Antworten auf Probleme zu geben, die von der politischen und geschichtlichen Wirklichkeit selbst gestellt werden. Man braucht dazu nicht die Philosophiegeschichte zu bemühen. Ich führe einige willkürlich herausgegriffene Stellen aus einer ganzen Bibliothek an, um die Dimensionen des Problems wenigstens in einigen Umrissen sichtbar werden zu lassen, und wähle dabei solche Autoren aus, die die großen politischen Grunderfahrungen unseres Volkes ausgedrückt haben:

Thomas Mann: „Mein persönliches Bekenntnis zur Demokratie geht aus einer Einsicht hervor, die gewonnen sein wollte und meiner deutsch-bürgerlich-geistigen Herkunft und Erziehung ursprünglich fremd war: der Einsicht, daß das Politische und Soziale ein Teilgebiet des Menschlichen ausmacht, daß es der Totalität des humanen Problems angehört, vom Geiste in sie einzubeziehen ist, und daß diese Totalität eine gefährliche, die Kultur gefährdende Lücke aufweist, wenn es ihr an dem politischen, dem sozialen Element gebricht." (Kultur und Politik, 1939).

Hermann Hesse: „Ich bin nicht mißtrauisch gegen den jetzigen Staat, weil er neu und republikanisch ist, sondern weil er mir beides zu wenig ist." (Brief an Thomas Mann vom 20. 2. 1931).

Heinrich Mann: „Die Eigenschaften des Untertans sind die, worauf das Reich gegründet war. Sie machen nicht den Deutschen aus, nur den Untertan. Es sind nicht deutsche Eigenschaften, jedes Volk hat sie. Jedes Volk hat sie angewendet, bekämpft, mit anderen vermischt. Die Charaktere der Völker Europas sind überall aus Bestandteilen derselben vielfältigen Rasse Zusammengesetz; Zusammenhänge der Zeit und der Geschichte entscheiden, wie." (Kaiserreich und Republik, 1919).

Hermann Hesse: „Ihr Deutsche seid mehr als jedes andere Volk an das Gehorchen gewöhnt. Euer Volk hat so leicht, hat so überaus gerne und freudig gehorcht, keinen Schritt mochte es tun, ohne dabei die Befriedigung zu fühlen, daß damit ein Gebot erfüllt, eine Vorschrift befolgt sei. Mit Gesetzestafeln und namentlich mit Verbotstafeln war euer gutes Land bedeckt wie mit einem Walde." (Zarathustras Wiederkehr, 1919).

Helmuth Plessner: „Offensichtlich verlangt das Verständnis dieser Zusammenhänge ein Hinausgehen über den zeitgeschichtlichen Horizont der dreißiger Jahre, denn die Formung unseres nationalen Selbst-und Leitbildes gehört dem 19. Jahrhundert an und ist von seiner Geistesgeschichte und ihren Voraussetzungen nicht zu trennen. Die wesentliche Differenz zwischen den Deutschen und den Völkern des alten Westens, die ihre nationalstaatliche Basis im 16. und 17. Jahrhundert gefunden hatten und auf . goldene Zeitalter'zurücksehen können (was wir nicht können), liegt in dieser Zeitverschiebung, die eine innere Verbindung zwischen den Mächten der Aufklärung und der Formung des Nationalstaates in Deutschland verhindert hat... Vergegenwärtigt man sich das für Deutschland grundlegende Mißverhältnis zur Frühaufklärung, ... so wird die Verzögerung der politischen Entwicklung, vor allem der bürgerlichen Schicht, verständlich ... Das zu unpolitischer Haltung in obrigkeitsstaatlichen Verhältnissen erzogene Bürgertum war somit einer doppelt drückenden Belastung durch die der geschichtlichen Lebensorientierung wesensfremde industrielle Revolution seit den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts ausgesetzt ... Das Säkularisationsgefälle, eine gesamteuropäische Erscheinung und in den führenden Industrienationen des 19. Jahrhunderts unter dem Einfluß der Naturwissenschaften mit den gleichen sozialen Auswirkungen verknüpft, wurde in Frankreich und England anders aufgefangen und gewissermaßen besser vertragen als in dem national nur schwach integrierten Deutschland, dem ein Rückhalt an politischer Aufklärung, an politischem Humanismus fehlte." (Die verspätete Nation, 1959, S. 13 ff.) —

Lang wirkende Verspätungserscheinungen, Entfremdung von Geist und Politik, bürgerliche Beziehungslosigkeit zur Politik, eine lange Tradition von Untertanenmentalität, zu wenig sichere Entschiedenheit im Republikanischen — gewiß sind das nur einige Chiffren, die den historischen Hintergrund der politischen Bildung andeuten sollen; sie alle reichen wesentlich weiter zurück und berühren elementarere Schichten unseres politischen Seins als der aufgeregte Schlagabtausch der letzten sechs Jahre um linke Studenten. Man könnte mit diesen Stichworten fortfahren und z. B. noch auf die etatistische Tradition mit den dazugehörigen Verhaltenstugenden Zucht, Pflicht und Gehorsam hinweisen oder auf die Tradition der Konfliktscheu oder die des Formalismus, der Eigenart nämlich, po-litische Probleme als formale Rechtsprobleme zu behandeln

Die Antwort, die der politische Unterricht in Nordrhein-Westfalen gibt, ist der Versuch, vom Schulunterricht her Ansätze zu einer ci-vic culture, einer politischen Kultur, zu entwickeln Hier sind die Gründe dafür zu suchen, weshalb die Richtlinien eine Art von politischem „Tugendkatalog“ in Form der „Qualifikationen" vorlegen, die Verhaltens„Disponibilitäten“ schaffen sollen; gemeint ist, Möglichkeiten und Grundlagen für ein Verhalten schaffen, das, einmal an Beispielen eingeübt, disponibel ist, dem Individuum zur Verfügung steht Die Qualifikationen und Lernziele der Richtlinien geben, vereinfacht gesagt, Antwort auf die Frage: Was muß man alles können, um politisch wahrnehmungsund urteilsfähig zu sein und um sich politisch beteiligen zu können? Das ist für die politische Didaktik schon fast ein Gemeinplatz, aber Unterrichtslehrpläne waren bisher nach ganz anderen Gesichtspunkten konstruiert Die pädagogische Haltung, von der die Richtlinien dabei ausgehen, ist nicht die des Appells an die Schüler: „Nun seht einmal, in welch einem großartigen Staat wir leben und welche Rechte er euch gewährt!", sondern:

„Wenn ihr die Rechte nicht ausfüllt, sondern austrocknen laßt, ist es um diese Rechte eines Tages vielleicht schnell geschehen. Was müßt ihr also können, um diese Rechte auch tatsächlich wahrzunehmen?" — Sie ist nicht die Haltung: „Seht einmal, welche Meinungsfreiheit euch die Verfassung gewährt, wie ihr diskutieren, wie ihr beliebig viele Zeitungen lesen könnt!" — sondern nüchtern: „Welche Voraussetzungen sind nötig, wie werden sie konkret erworben und angewandt, damit ihr die Meinungsfreiheit selbst wahrnehmen und damit ihr beurteilen könnt, wie andere damit verfahren?" Eine solche Haltung dürfte für die Grundlegung einer politischen Kultur eher erfolgversprechend sein, als wenn man die staatlichen Normen und Institutionen so hoch hängt, daß die Schüler sich ihnen nur in Respekthaltung zu nahen wagen. Schülern Mut zur Politik machen heißt eben nicht, sie unablässig zur Hab-acht-Stellung anzuhalten, sondern ihnen Politik als etwas nahebringen, was ihre eigene Sache ist. Die Richtlinien sind, so gesehen, alles andere als avantgardistisch; sie sind nicht zu früh, sondern 25 Jahre zu spät gekommen. 5. „Glück" und „Glücksansprüche" in Lehrplänen Die Stelle in Spaemanns Kritik, die auf die Richtlinien für Politik bezogen (oder beziehbar) ist, beschäftigt sich mit dem pädagogischen Thema des Glücks. Die Richtlinien formulieren als Lernziel: „Möglichkeiten zur Verwirklichung der eigenen Glücksansprüche und erkennen und nutzen“ „Fähigkeit und Be-reitschait, die Glücksansprüche anderer zu erkennen und ernstzunehmen“ Spaemann wendet ein, zwar solle der Erzieher „das Glück der Kinder im Auge haben ... aber das heißt nicht, daß er Glücksansprüche lehren soll: im Gegenteil: eine Pädagogik, die lehrt: weg von den Sachen aufs Glück zu blicken, betrügt ums Glück, sie macht neurotisch“

Zustimmung verdient hier der auf Max Scheler zurückgehende Gedanke, daß Glück nicht direkt intendierbar ist; aber das will der Politikunterricht ja auch nicht. Lernziele sind bekanntlich nur an Inhalten, an Sachen, zu verwirklichen; freischwebende Lernziele, die keiner Sache bedürften, gibt es nicht in Unterrichts-Richtlinien. Was aber Spaemanns Wendung gegen die Glücks-„Ansprüche" angeht, so ist ihm nicht zuzustimmen. Schon aus Gründen historischer Redlichkeit ist es an der Zeit, Gegengewichte gegen die Residuen heroisch-ästhetischer Weltbilder zu schaffen, die erklären, die Weltgeschichte sei nicht der Boden des Glücks (Fichte), Völker hätten ohne Rücksicht auf das Glück des einzelnen große Lebenszüge ans Licht zu bringen (J. Burckhardt), Glück mache den Menschen klein (Nietzsche). Man braucht in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht mehr zu kommentieren, wie eine Politik aussieht, die sich auf solche Ideen stützt. Damit unterstelle ich nicht, daß Spaemann aus einer dieser philosophischen Traditionen heraus denke, bin allerdings der Meinung, man könne diese — sehr deutsche — Tradition bei der Erwägung dieser Fragen nicht ignorieren.

Warum soll Kindern verborgen bleiben, daß Menschen Glücksansprüche haben, zwar nicht als juristisch einklagbare Tatbestände, nicht als eine ans Schicksal zu richtende Anklage, sondern als humane Grundforderung, ohne die man den Sinn von rechts-und sozialstaatlicher Politik nicht vollständig erfassen kann. Warum sollen Schüler nicht deutlich erfahren, daß Millionen von Menschen in unserer Welt, denen die Grundbedingungen nicht gegeben sind, auch nur die bescheidenste Vorstellung von Glück in ihrem Leben zu verwirklichen, buchstäblich um ihr Leben betrogen werden? Sollen die Heranwachsenden vor dieser Seite der Wirklichkeit die Augen verschließen? Das braucht nicht zu bedeuten, wie vielleicht befürchtet wird, daß unreife Kinder nun automatisch Sündenböcke zu suchen anfingen. Mit Sicherheit bedeutet es aber, nach den Ursachen zu fragen, und das ist eine politische Frage, die deshalb in den Politikunterricht gehört.

Bei der Kritik am Glücksbegriff in Lehrplänen wird oftmals eine Einstellung sichtbar, die man mit den Worten beschreiben kann: Setzt den Kindern keine Rosinen in den Kopf! Haltet sie hübsch bescheiden! Schafft ihnen nicht noch das gute Gewissen, mit dem sie dann um so gutgläubiger ihre Freiheit mißbrauchen! — Hier schlagen alte Rollenvorstellungen von Lehrer und Schüler durch: Kinder müssen brav, Lehrer müssen Vorbild sein, beide hübsch bescheiden und fromm. Daß eine solche Biedermeier-Idylle auch in modernisierter Form heute nicht mehr zu haben ist, bedarf keiner Erörterung.

Offenbar wird der Glücksbegriff von manchen Kritikern auch als eine Art innerweltlicher Konkurrenz zu religiösen Sinnerfahrungen verstanden. Wenn die Richtlinien ihn auch nicht in dieser Weise akzentuieren, sondern ihn nüchterner, in stärkerem Bezug zur politischen Wirklichkeitsgestaltung sehen, so kann und soll doch nicht ausgeschlossen werden, daß er auch als metaphysische Kategorie in den Blick kommt (allerdings: in Sekundarstufe I dürfte das wohl kaum ein Unterrichtsthema sein). Grundsätzlich ist dagegen nichts einzuwenden, solange nicht bestimmte Glücksvorstellungen inhaltlich festgeschrieben werden — und davor hüten sich die Richtlinien. Der Glücksbegriff hat in den Richtlinien eine wichtige Funktion: Indem er das Augenmerk darauf lenkt, daß „die Politik nicht Selbstzweck oder Endziel menschlicher Existenz ist" macht er deutlich, daß die Richtlinien sich nicht unterfangen, Letztbegründungen des politischen Handelns oder gar der menschlichen Existenz zu geben, daß vielmehr solche Letztbegründungen in einem Raum „hinter" der Politik liegen. Mir scheint das ein angemessenes Verfahren zu sein, weniger aufdringlich z. B. als die Vorstellungen von Boventep der den Politik-Unterricht — wenn es denn so etwas überhaupt geben darf — am liebsten als Teil eines umfassenden philosophisch-religiösen Sinnfragen-Unterrichts verstanden wissen will, in dem dann das Politische bis zur Unkenntlichkeit mit Metaphysik verrührt würde. Boventer tut es nicht ohne Letztbegründungen. Was aber hätte er erst gesagt, wenn die Richtlinien Antworten auf die Sinnfrage gegeben hätten, die nicht seiner eigenen Antwort entsprochen hätten? Ist es da nicht doch besser, wenn Richtlinien auf Letztbegründungen menschlicher Existenz verzichten? Daß die Richtlinien freilich Politik als ein innerweltliches Geschäft begreifen, kann ihnen wohl nicht ernsthaft vorgeworfen werden. Sie stehen damit in der europäischen politischen Tradition seit Ausgang des Mittelalters, und zu dieser Tradition gehört auch, daß die Frage nach dem Sinn von menschlicher Existenz zwar ver17 wandt, aber nicht einfach identisch ist mit dem Sinn von politischem Handeln.

Bei der Formulierung des Glücksgedankens hat die Richtlinienkommission einige Schwierigkeiten gehabt, die gewiß nicht zufällig auftraten. Der Glücksbegriff hat zwar eine lange Tradition im politischen Denken von der Antike bis in die Gegenwart, doch diese Tradition wurde im deutschen Sprachraum so nachhaltig unterbrochen, daß es Verständigungsschwierigkeiten gibt. Der Glücksbegriff versteht sich nicht mehr von selbst. Sprachlich wirkt, das Wort „Glück" — zum mindesten in trockenen Lehrplänen — um eine Spur zu vollmundig. Trotzdem scheint es noch das beste in einer Reihe verwandter Wörter zu sein. In einem Vorentwurf zu den Richtlinien hatte es die nordrhein-westfälische Kommission zunächst mit dem Wort „Genuß" versucht, weil es nüchterner war, aber das wurde von manchen Lesern als frivol, ja geradezu als jugendverführerisch angesehen Von „Freude" oder „Sensibilisierung" zu sprechen, würde die Verständnisprobleme ebenfalls nicht verringern, sondern vergrößern. Um wenigstens deutlich zu machen, daß der Glücksbegriff in den Richtlinien nicht völlig deckungsgleich ist mit dem in der Alltagssprache durch Schlager, Werbung und dergleichen recht heruntergekommenen Wort, spricht die 2. Auflage der Richtlinien von der „Chiffre" Glück: „Das Wort , Glück'ist eine Chiffre für Selbstverwirklichung, die über das Politische hinausreicht, seiner jedoch als Vorbedingung bedarf; sie soll sichtbar machen, daß eine Verabsolutierung des Politischen in seinen Auswirkungen auf die Freiheit des einzelnen ebenso bedrohlich sein kann wie eine grundsätzliche politische Abstinenz“ (Qualifikation 7, Qualifikationsbeschreibung).

Nach diesen prinzipiellen Überlegungen lohnt es sich, auf die konkrete Bedeutung des Glücksgedankens für den Unterricht zu achten. „Glück" ist nicht einfach eine Leerformel, wie man ja zunächst argwöhnen könnte, sondern hat eine problemaufschließende Funktion. Man kann das am Themenkatalog der Richtlinien überprüfen; überall dort nämlich, wo die Qualifikation 7 erwähnt wird, ist der Glücksgedanke für die Problematisierung von Unterrichtseinheiten von Bedeutung. Drei Beispiele von vielen: Klasse 5/6; Thema: „Was tun wir am Wochenende? — Gegen-sätzliche Wünsche bei der Freizeitplanung und Probleme ihrer Verwirklichung." Ein weiteres Thema: „Warum mußt Du eigentlich immer arbeiten? — Zweck und Funktion der Berufsausübung“. Ein Thema für die Klassen 7/8: „Man kann alles verkaufen! — Funktion der Werbung in der Marktwirtschaft".

Bei diesen Themen geht es um Bedürfnisbefriedigung und Lebensgestaltung im Rahmen bestimmter wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Bedingungen. Ohne die Glückskategorie würden einige Grundprobleme nicht sichtbar, um die es hier geht: beim ersten Thema das Vorhandensein unterschiedlicher individueller Vorstellungen von der richtigen Lebensgestaltung im kleinen Kreis, hinter denen ja Glücksvorstellungen verborgen sind; beim zweiten Thema kommt in der Frage des Kindes an seinen Vater das Spannungsverhältnis von notwendigem Geldverdienen zum Zweck der Bedürfnisbefriedigung einerseits und dem Anspruch des Kindes andererseits zum Ausdruck, der Vater möge ihm mehr sein als bloß der Geldverdiener. (Es braucht wohl kaum erläutert zu werden, daß hier kein individuelles, sondern ein gesellschaftliches Problem angezielt wird.) Beim dritten Thema macht der Glücksbegriff auf ein ideologiekritisches Problem aufmerksam, nämlich auf die planmäßige Verwendung von Glücksvorstellung zum Zwecke der Werbung und auf mögliche Folgen solcher Suggestionen.

Weil der Glücksbegriff eine wichtige Aufschlüsselungsfunktion bei der Themenbehandlung leistet, kann nicht auf ihn verzichtet werden. Auf eine Reihe von anderen pädagogischen Funktionen hat P. Schulz-Hageleit hingewiesen; sie brauchen hier nicht wiederholt zu werden 6. Eine neue Diktatur des Lehrers?

Eine eigentümliche Verkennung, ja Verkehrung der Tatbestände liegt an einer anderen Stelle Spaemanns Kritik zu Grunde. Er richtet an „die" Emanzipationspädagogik die Frage: Wem nützt sie? und antwortet kurzum: Sie ist eine massive Herrschaftsideologie der Pädagogen. Der emanzipatorische Lehrer ist nach Spaemann derjenige, der es immer besser weiß, der vor allem genau weiß, was richtig und was falsch ist und der dem Schüler das seiner Ansicht nach Richtige unmißverständlich oktroyiert. „Was die richtige Seite ist, sagt der Lehrer.“ Den guten Pädagogen, das Gegenbild des emanzipativen Lehrers, charakterisiert Spaemann wie folgt: Seihe Herrschaft ist auf ihren Eigenabbau gerichtet, der Lehrer hat das Resultat der Auseinandersetzung des Schülers mit der Sache nicht mehr in der Hand und sollte es auch nicht mehr in der Hand haben, der Schüler soll sich emanzipieren, nämlich vom Lehrer.

Man liest diese Stelle mit Erstaunen. Spaemann hat offenbar nicht zur Kenntnis genommen, daß die pädagogischen Prinzipien des „freien Lernens" der neuen Lehrerrolle, des Zurücktretens des Lehrers hinter die Auseinandersetzung mit der Sache, das Selbstfindenlassen der Beurteilung von Sachverhalten durch die Schüler, der Gruppenunterricht, die Mitplanungsmöglichkeiten für Schüler und vieles mehr zur Vorgeschichte der emanzipativen Pädagogik gehören. In den Richtlinien für den Politikunterricht wird die Notwendigkeit, daß sich die Schüler vom Lehrer emanzipieren sollen, ausdrücklich angestrebt: „Heranwachsende müssen über die Grundfähigkeit verfügen, sowohl Werte für das Verhalten der eigenen Person verbindlich zu machen, als auch sich gegebenenfalls von nicht akzeptierten Prägungen zu lösen. Dies bedeutet zum Beispiel auch, daß Schüler befähigt werden sollen, sich mit den in den Unterricht einfließenden — oft unbewußten — Wertungen des Lehrers offen auseinandersetzen zu können ... Die Ablehnung autoritärer Haltung darf den Lehrer nicht daran hindern, seinen eigenen Standpunkt deutlich zu machen. Aber der auf Emanzipation hinarbeitende Lehrer tut das weder doktrinär, noch suggestiv. Er wird seine Position klar ausweisen, doch nicht als die allein sinnvolle behaupten." (RL, S. 10). Dergleichen dürfte sich in den Unterrichts-Richtlinien konservativer Richtung schwerlich finden.

Spaemann hat bei seinen Vorwürfen offenbar bestimmte Doktrinäre im Auge, die mit den Geschichtsgesetzen auf Du stehen. Besserwisserei ist jedoch, wenn sie als Untugend bei Lehrern in Erscheinung tritt, an keine politische Schattierung gebunden. Ihre Ursache braucht auch nicht notwendig das Bewußtsein zu sein, über die richtigen Lösungen für die politischen Probleme zu verfügen, sondern kann ebenso gut auf autoritären Unterrichts-stil, fachliche Unsicherheit oder eine starre Persönlichkeitsstruktur zurückgehen. Es geht nicht an, eine pädagogische Richtung, die man ablehnt, einseitig mit diesem Vorwurf zu belasten. 7. Wer fürchtet sich vor dem Risiko des politischen Lernens?

Die Fronten werden merkwürdig verkehrt, wenn Spaemann der Emanzipationspädagogik vorwirft, sie wolle nach Art normativer Pädagogik alle Risiken vermeiden, zum Beispiel das Risiko, daß die von ihr gewünschten Ergebnisse eventuell nicht oder anders, als vorgestellt, erreicht würden. Um das hier angesprochene Problem dingfest zu machen, nehme ich als Beispiel wieder die Richtlinien für den Politikunterricht. Nicht nur, daß hier die Risikofreudigkeit mehrmals betont wird — die Diskussion um die umstrittenste Stelle der Richtlinien macht sogar unübersehbar klar, woher die Widerstände gegen den Mut zum pädagogischen Risiko denn wirklich kommen. Es handelt sich um eben die Stelle, die Hermann Lübbe auf dem „Tendenzwende" -Kongreß zitiert und mit herben Worten abgestraft hat Es lohnt sich deshalb, sich mit dieser Passage näher zu befassen. In der ersten Fassung der Richtlinien hieß sie: „Emanzipation als Ziel von. politischem Lernen heißt, die jungen Menschen in die Lage zu versetzen, die vorgegebenen gesellschaftlichen Normen entweder frei und selbstverantwortlich anzuerkennen oder abzulehen und sich gegebenenfalls für andere zu entscheiden.' Hier ist also von „vorgegebenen gesellschaftlichen Normen" die Rede, nicht von Rechtsnormen. Schon der nächste Satz erläutert den Begriff: gemeint sind „gesellschaftliche Prägungen", also „patterns", eingeschliffene Standards, also meist unbewußt, jedenfalls unaufmerksam übernommene Verhaltensformen, unter denen doch der junge Mensch seine Auswahl treffen muß, nicht immerzu und unablässig, was ohnehin kein Mensch tut und tun kann, sondern an Beispielen.

Was in diesem Satz den hellen Zorn Lübbes hervorruft, ist der letzte Satzteil, in dem das Risko offen benannt wird, daß solche Normen auch abgelehnt werden können. Nun ist das, was hier ausgesagt wird, etwas höchst Selbstverständliches und Normales, das von keiner Macht der Welt zu verhindern ist: Erstens nämlich müssen unter den vielen, sich oft widersprechenden gesellschaftlichen „patterns“ immer dann schon bestimmte abgelehnt werden, wenn man sich für andere entscheidet — der Junge, der sich entscheidet, seiner Haartracht einen „afrolook" zu geben, lehnt damit die gesellschaftliche Norm des „üblichen" Haarschnitts ab; wer sich für den „gepflegten" Haarschnitt entscheidet, lehnt u. U. die Gruppennorm seiner gleichaltrigen Freunde ab. Zweitens: Keine Schule in der Welt, auch nicht in Diktaturen, totalitären Regimes usw. mit striktestem Verbot aller Norm-Alternativen und -Abweichungen, kann garantieren, daß Schüler wirklich das übernehmen, was ihnen in der Schule als vorbildlich hingestellt wird. Man kann zwar — jedenfalls in Diktaturen — kontrollieren, was Lehrer sagen, auch unter Umständen, was Schüler sagen, aber was in den Köpfen wirklich vorgeht, weiß niemand, öfter als wir zu glauben wissen, denken Schüler ziemlich unfeine Dinge, wenn Lehrer bestimmte Meinungen äußern, bestimmte Normen für richtig erklären. Dies sind triviale, täglich vorkommende Risiken des Unterrichtens. Sollte man dies nicht auch in den Richtlinien offen sagen dürfen? Ich fürchte, man fördert amtliche Heuchelei, wenn man dies in offiziellen Plänen nicht aussprechen darf, wohl aber überall anderswo. Die erwähnte Stelle ist in der zweiten Auflage dennoch geändert worden.

Diese Veränderung hat für Lübbe einen so hohen Stellenwert, daß sich eine schlichte Lehrerkommission fast schon geschmeichelt fühlt: Sie ist ihm nicht mehr und nicht weniger als ein Indiz für die Tendenzwende im geistigen Leben der Bundesrepublik Sollte man es nicht vielleicht doch ein bißchen un-pathetischer nehmen? Der Grund für die Umformulierung war einfach genug: Angesichts der Tatsache, daß selbst Philosophieprofessoren die . vorgegebenen gesellschaftlichen Normen“ mit den politischen und rechtlichen Normen kurzerhand in eins setzten, mußten die Autoren der Richtlinien damit rechnen, daß noch andere Leser diesem Mißverständnis anheimfielen. Um dem zu begegnen, wurde der gesamte Gedankengang ausführlicher darstellt. In der neuen Formulierung ist zunächst an dieser Stelle, jetzt weiter ausgreifend, von „Werten und Institutionen’ der Gesellschaft die Rede. Damit wird das gesamte Bündel aller Normen und Werte zusammen-gefaßt und der Institutionsbegriff hinzugefügt. Die rechtlichen und politischen Normen sind also jetzt, im Unterschied zur vorherigen Formulierung, hinzugekommen. Folgerichtig fällt nun auch der Gedanke der Ablehnung an dieser Stelle weg und wird ersetzt durch die Formulierung: . oder Veränderungen anzustreben’, was besagt, daß man zwar keinen Schüler dazu zwingen kann, auch im Bereich der juristischen und politischen Normen alles in idealer Weise in Ordnung zu finden, daß man aber deutlich auf den politischen Weg verweist, auf dem Veränderungen angestrebt werden können. Nur zwei Sätze weiter wird dann der ursprüngliche Gedanke wiederholt: „Heranwachsende müssen über die Grundfähigkeit verfügen, sowohl Werte für das Verhalten der eigenen Person verbindlich zu machen, als auch sich gegebenenfalls von nicht akzeptierten Prägungen zu lösen.“ Lübbe übergeht das, weil sonst vermutlich die gewünschte „Tendenzwende" ins Wasser fiele.

Im folgenden Kapitel der Richtlinien (1, 4) wird dann der Normenbegriff ausführlich erläutert mit der Absicht, jede Verwechslungsmöglichkeit von Rechtsnormen und sozialen Normen unmöglich zu machen. So wird deutlich gesagt, daß soziale Normen im Unterschied von Rechtsnormen keinen Anspruch auf Befolgung haben, ja daß z. B. Personen, die sich bestimmten sozialen Normen nicht beugen wollen, von der Rechtsordnung sogar beschützt werden. Damit ist derselbe Gedanke — daß man nämlich soziale Normen auch ablehnen kann — in der zweiten wie in der ersten Auflage zu finden, in der zweiten sogar noch ausführlicher.

Lübbe scheint dies nicht wahrgenommen zu haben, er schreibt triumphierend: „Die Rache der Wirklichkeit hat ihre polit-pädagogischen Mißinterpreten eingeholt, und man darf insoweit ein System rühmen, in welchem die Rache der Wirklichkeit sich über Stimmzettel zur Geltung bringen kann." Auf diesen hochgemuten Gedankenflug ist ein Reif gefallen. Neben der von Lübbe beanspruchten, offenbar ziemlich rachsüchtigen Wirklichkeit scheint es noch eine andere, schlichtere zu geben, sie hat auch mit Stimmzetteln zu tun, nämlich mit den allgemein bekannten, leicht nachprüfbaren Wahlergebnissen. In Nordrhein-Westfalen hat man von dem Wahlergebnis, auf das Lübbe zu spekulieren schien, nichts bemerkt; die Stimmzettel sagten etwas anderes.

Die Furcht vor dem Risiko kommt, Spaemann zum Trotz, keineswegs aus der emanzipativen Pädagogik, sondern von deren Konterpart her. Diejenigen, die die beschriebenen pädagogischen Risiken nicht wollen, sind dieselben, die glauben, es gebe einen risikolosen Weg zur Identifikation der Heranwachsenden mit unserem Staat und seinen Normen, und zwar von vornherein, ohne daß der Prozeß des Be-wußtmachens und des kritischen Nachdenkens überhaupt noch nötig sei. Sie sind von tiefem Mißtrauen gegen einen problemorientierten und kritischen Unterricht erfüllt und halten „Charakter" und „Stärke" für den besten Weg, die Jugendlichen zu einem risikolosen übernehmen der gewünschten Normen zu veranlassen. Es ist zu bezweifeln, ob es solch einen Weg gibt. Aber selbst wenn es ihn gäbe, so sollte eine Erziehung zur Demokratie den beschwerlichen Weg über das Nachdenken, das Abwägen, den Zweifel und die Suche nach Besserem solchen Schnellrezepten vorziehen

III. Moderne Hintergrundprobleme des Lernziels „Beteiligung“

Die oben erwähnten Stichworte — Abkehr von unheilvollen Traditionsbeständen, Beitrag zum Aufbau einer demokratischen politischen Kultur — charakterisieren die Grundwelle der politischen Bildung in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, reichen aber nicht aus, um die volle Breite der Probleme sichtbar zu machen, von denen politische Bildung heute ausgehen muß. Es gibt in der Bundesrepublik viele unübersehbare Symptome eines weitreichenden Wandels dieser Traditionen. Die Demokratie ist ungleich tiefer verwurzelt als in der Weimarer Republik; vielen erscheint die Unersättlichkeit, mit der in der jungen Generation Demokratie gefordert wird, geradezu als eine neue Gefahr. Andere politische und gesellschaftliche Probleme sind hinzugekommen, zu denen auch Unterrichts-Richtlinien Stellung beziehen müssen. Um sie zu erkennen, müssen wir den Bück noch weiter in die Vergangenheit richten und zugleich enger auf die Gegenwart lenken. Kein Zweifel, daß sich die Richtlinien für den Politikunterricht als ein Teil der Tradition der Aufklärung verstehen. Sie bauen auf allgemeinen Prämissen der Aufklärung auf: Sie gehen nicht von vorgegebenen ontologischen Wertsetzungen aus, die ein für allemal das festlegen, was den Menschen ausmacht; sie sehen die Gesellschaft und ihre Geschichte als grundsätzlich offen an, und das heißt auch: für die Selbstgestaltung offen; sie verstehen den Menschen mit Herder als den „ersten und einzigen Freigelassenen der Schöpfung"; sie halten gesellschaftliche Zwänge, auch Herrschaft, die blind hingenommen und nicht freiwillig bejaht werden, nicht für etwas Naturgegebenes, sondern für etwas, was prinzipiell erkannt, analysiert und, falls nötig oder gewünscht, verändert oder abgebaut werden kann; sie halten also die gesellschaftliche Welt in der Tat nicht für naturhaft, sondern rationaler Einsicht zugänglich und veränderbar. Die in den Richtlinien kräftig akzentuierten Gedanken der rationalen Prüfung des Vorgegebenen, des Befragens von Herrschaft nach ihrem Sinn und Zweck und des Uberprüfen-könnens von politischen und gesellschaftlichen Normen und Werten sind Geist vom Geist der Aufklärung und stehen in einer langen europäischen Tradition. Sie haben sich als historisch ungemein wirkungsreiche Komponenten bei der Herausbildung der modernen Welt erwiesen, reichen in ihrer Wirkungsgeschichte längst weit über Europa hinaus und gehören zum Grundbestand der modernen Welt überhaupt, deren Teil wir alle sind. Ohne diese Prinzipien wäre Demokratie historisch ebensowenig möglich gewesen wie Wissenschaft und Technik.

Die erste Qualifikation der Richtlinien war ein besonderer Stein des Anstoßes. Sie lautete in der ersten Auflage: „Fähigkeit und Bereitschaft, gesellschaftliche Zwänge und Herr-schaftsverhältnisse nicht ungeprüft hinzunehmen, sondern sie auf ihre Zwecke und NotWendigkeiten hin zu befragen und die ihnen zugrunde liegenden Interessen, Normen und Wertvorstellungen kritisch zu überprüfen.“ Die Kritiker, die daran Anstoß genommen haben, teilen sich in zwei Gruppen, und zwar in diejenigen, die sich gegen die aufklärerische Tradition insgesamt wenden. Die andere Gruppe besteht aus denen, die keineswegs blind dafür sind, daß wir alle Kinder einer Welt sind, die durch die aufklärerischen Prinzipien einer weltverändernden Ratio bestimmt ist, die aber dem Tempo dieses Prozesses und vor allem seinen bedenklichen und gefährlichen Folgewirkungen mißtrauen und um einer wünschenswerten besseren Zukunft willen vor bestimmten Fehlentwicklungen warnen; diese Kritiker stehen also durchaus auch selbst in der aufklärerischen Tradition.

Der ersten Gruppe gehören mehr oder weniger Vertreter eines ontologischen Konservativismus an, die politisch der liberalen Individualismus-Tradition genauso ablehnend gegenüberstehen wie den sozialistischen Tendenzen der letzten zwei Jahrhunderte. Die Auseinandersetzung mit ihnen läßt sich nicht auf Richtlinien oder Unterrichtsfragen begrenzen, sondern führt zu den letzten Grundlinien europäischer Geschichtsentwicklung und macht Gegensätze sichtbar, die nicht einfach z. B. durch Formelkompromisse bei der Neu-bearbeitung von Richtlinien zu überwinden sind. Wer die aufklärerische Freisetzung des Menschen und den in Verfolg dieser Entwicklung von Wissenschaft, Technik, modernem Staat und moderner Wirtschaft eingeschlagenen Weg grundsätzlich für einen Irrweg hält, der gegen das wahre Wesen des Menschen gerichtet ist, kann vermutlich gar nicht anders, als nein zu diesen Richtlinien sagen. Freilich reicht sein Nein weit über den einzelnen Text hinaus; es betrifft die Moderne überhaupt. Umgekehrt kann die Kritik, die von dieser Seite kommt, von den Autoren der Richtlinien nicht erwarten, daß das gesamte Konzept zurückgezogen wird. Dies ist um -so weniger möglich, als didaktische Vorstellungen dessen, was aus jener Richtung für die politische Bildung gewünscht wird, nicht einmal in Ansätzen vorliegen. Eine Flucht in eine heile Herkunft ist nicht möglich, und nirgendwo im Umkreis der Schulfächer, auch nicht im Bereich des Religionsunterrichts, sind Unterrichtskonzeptionen zu sehen, in denen so etwas versucht wird.

Differenzierter in Hinsicht auf die Problemlage argumentieren die Kritiker der zweiten Kategorie. Sie erkennen, daß die alte Ordnung dahin ist, sie verstehen sich selbst aus der Tradition der Rationalität und denken nicht daran, die Verwissenschaftlichung unserer Welt zu leugnen; vielmehr weisen sie im Gegenteil gerade auf die Verwissenschaftlichung und deren Zwanghaftigkeit hin. Die Kritik dieser Gruppe gegenüber dem politischen Unterricht ist nicht einheitlich. Befürchtet wird von den einen, daß die Richtlinien auf einem naiven Fortschrittsoptimismus aufbauen, somit die Erfahrungen der Vergangenheit und die Situation unserer Zeit verfehlen und damit den Schülern einen nur illusionären Zugang zur Politik öffnen. Die andere Gruppe kritisiert im Unterschied dazu die Absicht der Richtlinien, angesichts der überwältigenden technokratischen Entwicklung den Partizipationsgedanken als ein oberes Lernziel aufrechtzuerhalten und erklärt diese Absicht entweder für vergeblich, für freiheitsgefährdend oder für übertrieben.

Die Auseinandersetzung mit der ersten Gruppe ist leicht, denn sie hat nicht zur Kenntnis genommen, daß die cUrriculare Bedingungsanalyse, die dem Richtlinienkonzept zugrunde liegt, ihren Ausgangspunkt präzise beim Problem der neuen Unfreiheiten und Zwänge genommen hat, die im Verfolg des historischen Prozesses der Verwissenschaftlichung, Technisierung und Rationalisierung der modernen Welt entstanden sind. Die Auseinandersetzung mit dem Technokratieproblem hat in der Tat bei der Curriculumkonzeption am Anfang gestanden; es ging, didaktisch gesprochen, um die Frage, wo in der heutigen Welt die besonderen Freiheitsund Gleichheitsgefährdungen liegen, wo aber auch die Chancen einer Entwicklung zu mehr Freiheit und Gleichheit liegen könnten und wie ein politischer Unterricht anzulegen sei, der davon ausgehe. Die Überlegungen, die in diesem Zusammenhang angestellt wurden, brauchen hier nicht wiederholt zu werden; sie sind im „Theorieband" der Richtlinienkommission niedergelegt Es genügt, hier klarzustellen: Diese Analyse geht nicht von einem naiv-optimistischen Fortschrittsbewußtsein aus, sie setzt vielmehr gerade beim Brechungsprozeß an.

Bei der Auseinandersetzung mit der anderen Gruppe muß man näher auf das Grundproblem eingehen, um das es geht, nämlich um das Verhältnis von Technokratie und Partizipation. Es handelt sich um eine moderne Problematik, von der das 19. Jahrhundert noch nichts wußte, weil es die weltverwandelnde Kraft moderner Wissenschaft erst in den Anfängen selbst erfuhr. (Nota bene: Auch aus diesem Grund ist es töricht, den Richtlinien den alten Standardvorwurf zu machen, sie setzten bei Marx an. Marx hat diese Proble-matik nicht gekannt; die ersten Technokratie-theorien stammen aus dem 20. Jahrhundert.) Es mehren sich die Anzeichen, „daß der technische Fortschritt, wenn er keiner wertorientierten Kontrolle unterworfen, sondern seiner Eigengesetzlichkeit überlassen wird, zugleich mit den Produktivkräften ungeahnte Destruktivkräfte entfesselt"

Beim Technokratieproblem geht es — in äußerster Verkürzung gesagt — um die Frage, ob die rapide Ausdehnung wissenschaftlicher, zunächst wertneutral erscheinender Rationalität, die bis in alle Lebensbereiche hinein vordringt, den Politikern nicht fast unbemerkt die Entscheidungen aus der Hand nimmt und sie Experten überträgt, womit das Gemeinwesen von einer politischen Körperschaft, in der Konflikte öffentlich ausgetragen werden, transformiert würde in eine homogene Staats-gesellschaft, die sich den neuen Zwängen alternativlos beugt. Daß es sich nicht einfach um eine soziologische Randerscheinung der Gegenwart handelt, sondern um einen Prozeß, der auf das Herz der Demokratie zielt, hat bereits Schelsky klargemacht: „Der technische Staat entzieht, ohne antidemokratisch zu sein, der Demokratie ihre Substanz", weil er die normative Willensbildung unterläuft und aushöhlt Politik im Sinne wertgebundener Entscheidung zwischen Alternativen auf der Basis der Volkssouveränität würde dann überflüssig.

Greiffenhagen weist darauf hin, daß der Kriegszustand die Situation sei, auf die das technokratische Modell voll zutreffe: „Alle politischen Kräfte gelten nur einem fest definierbaren Ziel: den Feind zu besiegen." Im Kriegsfall ist auch nach Greiffenhagen die soziologische Grundbedingung für das möglichst reibungslose Funktionieren des technokratischen Modells gegeben: die Homogenisierung des politischen Raums („Ich kenne keine Parteien mehr"). Je größer die gesellschaftliche Homogenität, um so geringer der Gegensatz von politischer Entscheidung und technokratischem Sachzwang, überall dort, wo Staaten sich in einem Zustand befinden, 37 in dem alle Anstrengungen nur einem erklärten Ziel gelten (z. B.dem erwähnten Kriegsfall, auch in besonderen wirtschaftlichen Notlagen, auch dort, wo eine ideologische Leitdoktrin das politische Leben restlos überdacht), findet ein solcher Homogenisierungsprozeß statt; er ist identisch mit straffer Führung, Alternativlosigkeit der anzustrebenden politischen Ziele, überflüssigwerden der Öffentlichkeit, Übermaß an Lenkung. Daß sich diese Tendenz mit der-von unserer Verfassung beschriebenen Demokratie nicht in Übereinstimmung bringen läßt, bedarf keines Kommentars. Nicht überflüssig erscheint es allerdings darauf hinzuweisen, daß politische Positionen, die auch für unseren Staat mehr Ordnung, Autorität, Disziplin und eine größere ideelle Einheitlichkeit wünschen, sich des technologischen Arguments als eines unverdächtigen, weil wertneutralen gern bedienen, und zwar nicht ohne eine gewisse Plausibilität: Die moderne Leistungsgesellschaft verlangt ja allerorten Rationalität, Organisation, Disziplin. Besonders wirtschaftliche Krisenzeiten wie die gegenwärtige begünstigen diese Argumentation, weil sie eindeutige, alternativlose Zielprioritäten setzen und damit Homogenisierungstendenzen der Gesellschaft verstärken.

Der technologische Konservativismus betrachtet den Partizipationsgedanken, wo immer er auftaucht, mit Abneigung; seine politische Lieblingstugend ist — Fridericus redivi-vus — im Grunde die alte Staatsraison im neuen Gewand sein politisches Modell ist der aufgeklärte, wohlfahrtsstaatliche Absolutismus, ebenfalls im neuen Gewand. Gerade vor dem Hintergrund der technokratischen Gefahren muß aber um der Demokratie willen auf dem Partizipationsgedanken bestanden werden: Damit der Bürger in unserer Gesellschaft nicht immer stärker Objekt einer langfristigen Planung wird, die ja in der Tat einen immer breiteren Raum in der Politik einnimmt, damit also nicht von dieser Seite her eine Entfremdung zwischen Bürger und politischer Willensbildung überhand nimmt, müssen die Heranwachsenden zur Partizipationsfähigkeit erzogen werden. Soll das Gemeinwesen seinen politischen Weg selbst in Freiheit bestimmen, muß jeder soweit wie möglich an der Findung dieses Wegs beteiligt werden.

Wenn also die Richtlinien für den politischen Unterricht diesen Gedanken betonen und gleichzeitig zur Fähigkeit erziehen wollen, die neuen Zwänge, die so schwer zu erkennen sind, überhaupt zu sehen und ihnen kritisch zu begegnen, so handelt es sich nicht um eine einseitige oder willkürliche Vorliebe für eine bestimmte Richtung in der Technokratiediskussion, sondern um eine Option dafür, daß die Demokratie lebensfähig bleibt. In den Richtlinien wird die Auffassung vertreten, nur eine breite Partizipation an der Politik könne auf lange Sicht Krisen bewältigen

Leider muß man nach den Erfahrungen der öffentlichen Richtliniendebatte damit rechnen, daß das hier Gemeinte häufig bis zur Absurdität verzerrt wird. Partizipationsfähigkeit als oberstes Lernziel heißt nicht — es sei bis zum Überdruß wiederholt — Aktionismus und Veränderung um jeden Preis; Kritikfähigkeit im Hinblick auf soziale Normen heißt nicht, den gesamten Fundus an verhaltensregulierenden Kräften in uns bis zum Grunde aufstöbern und tiefenpsychologisch ins Bewußtsein heben oder eine ganze „Kultur" der kritischen Attitüde begründen; es heißt ebensowenig Institutionsfeindlichkeit oder gar Anarchie — und wie die Verzerrungen, die man auf dem Höhepunkt der öffentlichen Debatte hören konnte, auch sonst noch lauten mögen. Nicht Aktionismus also, sondern fähig sein, politisch urteilen und handeln zu können, nicht neurotische Dauerreflexionen auf das Unterbewußte, sondern prüfen können, woher die politischen und sozialen Ziele und Normen kommen, wohin sie führen und wie man selbst zu ihnen steht; nicht Anarchie, sondern fähig sein, die Institutionen und ihre Normen auf Sinn, Zweck und Notwendigkeit befragen zu können.

Diese Fragen muß man auch an die Herrschaftsverhältnisse stellen dürfen; wer das nicht will, sondern als Lernziel empfiehlt: „Erkennen, daß politische Herrschaft für alle Mitglieder der Gesellschaft etwas Gutes ist", wie es der parlamentarische Wortführer des Kampfes gegen die Richtlinien tat gerät in die Gefahr des Ideologieverdachts. Der Herrschaftsbegriff darf nicht tabuisiert werden, gerade er hat sich der stets wach zu haltenden Grundfrage emanzipativen Denkens zu unterwerfen — der Frage nach dem, was dem Menschen gut sei.

IV. Versäumnisse der Kritik

Läßt man einmal die vergröbernde Populär-kritik beiseite und fragt, was die fachwissenschaftliche und didaktische Kritik an den Richtlinien und ihrem curricularen Hintergrund an Anregungen und weiterführenden Gedanken bisher erbracht hat, so fällt die Antwort enttäuschend aus. Sieht man ab von Giesecke Hilligen Huhn und einer Untersuchung von Heitmeier, Lindau und Ukena 36) so fallen in der übrigen Kritik drei Tendenzen auf: die Tendenz zur wissenschaftstheoretischen Formalisierung, die Tendenz zur Dämonisierung bestimmter wissenschaftlicher Richtungen und das mangelnde Vermögen, die Richtlinien als etwas anderes als politische Proklamation zu erkennen. 1. Wissenschaftstheoretische Formalisierungen Die Tendenz zur wissenschaftstheoretischen Formalisierung tritt dort besonders hervor, wo die Auseinandersetzung mit dem „Strukturgitter" geführt wird. Was viele Kritiker an dieser Frage reizt, ist die Tatsache, daß man es hier mit Begriffen zu tun hat, die so etwas wie Prämissencharakter besitzen — mit der Folge, daß nun das in der wissenschaftlichen Welt so beliebte Fragen nach den Prämissen der Prämissen beginnt. .

Das Ergebnis solcher Fragen führt dann, so z. B. bei Gebhardt dazu, den philosophie-geschichtlichen Ursprung dieser Prämissen aufzuspüren, also z. B.den Arbeitsbegriff auf Marx zurückzuführen oder die kombinierten Begriffe „Arbeit und Sprache" auf Habermas. Sodann wird nach der ideengeschichtlichen Konsistenz, nach der Reinheit des Ableitungszusammenhangs gefragt. Es muß dann folgerichtig als Inkonsequenz, ja als offener Widerspruch erscheinen, wenn sich nachweisen läßt, daß sich irgendwo in diesem Zusammenhang Argumentationselemente eingeschoben haben, die einen anderen theoretischen Ursprung haben, so z. B. bestimmte Überlegungen von Picht oder von Spaemann. Auch wird angekreidet, es sei versäumt worden, den Prämissen der Prämissen eine explizite Geschichtstheorie vorzuschalten, denn der Arbeitsbegriff weise auf die Vorstellung von der Selbsterzeugung des Menschen in der Geschichte hin, sei mithin in einer anthropologisch begründeten Theorie der Geschichte beheimatet. Es genügt sicher nicht, darauf pragmatisch zu antworten, daß so etwas von einer Lehrer-gruppe, die neben dem Unterricht ein Curriculum erstellt, nicht auch noch geleistet werden kann. Befriedigender mag schon der Hinweis sein, daß man, wie jüngst Hans Albert dargelegt hat, von allen Prämissen wiederum die Prämissen aufspüren kann und daß dies ein Geschäft ohne Ende ist; irgendwo beginnen in der Tat die Setzungen. Da dies so ist, kann man auch gegen Gebhardts Frage, warum man nicht von anderen Kategorien ausgehen sollte als von Arbeit, Sprache, Herrschaft, nämlich z. B. von Arbeiten, Herstellen, Handeln und Denken prinzipiell nichts einwenden. Für diese Kategorien träfe allerdings dieselbe Einschränkung zu wie für die Im Strukturgitter verwendeten, daß sie nämlich auch nicht die einzig denkbaren und zwingend notwendigen seien und daß hinter deren langer Herkunftsgeschichte dann natürlich auch wieder eine anthropologische Grundvorstellung sichtbar würde, die nur eine von vielen möglichen ist. Im übrigen wäre dann aus Gebhardts Überlegungen der Schluß zu ziehen, ein neues Strukturgitter oder etwas damit Vergleichbares zu entwickeln und praktisch zu erproben, welche Ergebnisse es bringt. Dagegen ist nichts einzuwenden, es ist sogar um eines möglichen curricularen Fortschritts willen zu wünschen.

Hinter der Suche nach den Prämissen der Prämissen steht der Verdacht, daß die Ergebnisse, die das Strukturgitter für die Gewinnung der Qualifikationen liefert, im Grunde bereits in den Kategorien des Strukturgitters verborgen lägen Grundsätzlich ist ein solcher Verdacht natürlich erlaubt — aber er ist auch überprüfbar, und zwar außerordentlich leicht: an den Ergebnissen. Die Richtlinienkommission hat das von Gösta Thoma, einem Münsteraner Pädagogen, konzipierte Strukturgitter weiterentwickelt zu einem Befragungsinstrument, mit dessen Hilfe eine breite sozialwissenschaftliche Literatur ausgewertet wird. Diese Befragung und ihre Ergebnisse nennt die Richtlinienkommission „curriculare Analysen". Zwei von ihnen sind als Beispiele im „Theorieband" abgedruckt. An diesen Analysen läßt sich empirisch nachprüfen, ob und wieweit der Verdacht begründet ist, die Verwendung von Kategorien aus der kritischen Theorie bedeute eine Vorprägung der Ergebnisse. Es läßt sich meiner Ansicht nach schnell herausfinden', daß dieser Verdacht unbegründet ist. Zu einem solchen Ergebnis kommt auch D. Umbach

Warum solche Überlegungen hier „formal" genannt werden, hat einen anderen Grund. Das Problem, um dessentwillen die im Strukturgitter vorkommenden Begriffe überhaupt benutzt werden, kommt bei der ideengeschichtlichen Ableitung isolierter Begriffe aus dem Blick oder tritt doch als zweitrangig zurück. Dieses Problem liegt anderswo: Um zu einer durch Argumente begründeten Einschätzung der politischen Chancen und Gefahren in hochentwickelten Gesellschaften wie der unsrigen zu kommen, hat die Richtlinienkommission, wie oben gesagt, die Technokratie-diskussion aufgearbeitet. Bei den Analysen hat sie sich neben dem, was Schelsky, Aron, Lübbe, Hennis, Dreitzel und viele andere zum Problem gesagt haben, auch, wie gar nicht anders denkbar, mit den Beiträgen der Frankfurter Schule auseinandergesetzt. Diese waren nicht allein für die analytische Seite des Problems von Bedeutung, sondern mehr noch deshalb, weil unter allen Antworten, die von den verschiedensten Seiten auf die Frage nach den modernen Freiheitsbedrohungen gegeben werden, die Entschiedenheit hervorsticht, mit der sie dafür eintritt, politische Entscheidungen in die demokratische Öffentlichkeit und damit in den Konsens der Bürger hineinzuholen. Es liegt auf der Hand, daß eine solche Auffassung den Bemühungen einer politischen Bildung entspricht, der es um die Erzie-hung zu politischer Beteiligung geht. In dieser Konzeption steckt eine entschiedenere Bemühung um die demokratische Gestaltung des Gemeinwesens als in Auffassungen von der Unausweichlichkeit der Sachzwänge oder in Versuchen, das gesamte Problem herunterzuspielen, wie es z. B. dann geschieht, wenn das Technokratieproblem als seminaristisches Gerede hingestellt wird. Diese Bewertung bedeutet nicht, daß damit, wie Walter Gagel bereits dargelegt hat die gesamte Sozialphilosophie von Habermas eingekauft würde.

Diese Überlegungen, im Theorieband ausführlicher dargestellt, werden hier noch einmal in Erinnerung gerufen, um zu zeigen, daß man nur von der Substanz des Problems her den Stellenwert erkennen kann, den bestimmte Überlegungen der Frankfurter Schule für die Erstellung der Richtlinien gehabt haben. Die Kritik hat sich auf die Problematik selbst noch nicht eingelassen. Täte sie es, würde sie bald erkennen, daß man gar nicht umhin kann, dem Beitrag von Habermas zu diesem Problemkreis einen hohen Stellenwert zuzuerkennen. Ein Vorwurf wäre daraus der Richtlinienkommission nur dann zu machen, wenn sie die Beiträge anderer zu diesem Problem undiskutiert ließe — was nicht der Fall ist — oder wenn sie die Habermas’sche Antwort ohne Begründung übernommen oder verabsolutiert hätte. Das hat sie keineswegs getan; vielmehr hat sie ihre Position so erweitert, daß auch Einwände — wie z. B. die von Spaemann — im Konzept berücksichtigt wurden. Was bei formalisierender Betrachtungsweise als Methodenfehlef erscheint — die Hineinnahme von Gedanken anderen Ursprungs —, erweist sich bei problemorientierter Betrachtungsweise als die Bemühung, doktrinärer Verengung aus dem Wege zu gehen und die Antworten so offen wie möglich zu halten.

Dem Zweifel von Sutor ob sich aus der Kritischen Theorie überhaupt so etwas wie eine emanzipatorische Erziehung begründen ließe, liegt ein Mißverständnis zugrunde, jedenfalls dann, wenn diese Frage auf die Richtlinien für Politikunterricht bezogen wird. Das nordrhein-westfälische Politik-Curriculum ist ja gerade nicht aus einer sozialwissenschaftlichen Theorie abgeleitet. Ein Ableitungsweg, der von einer bestimmten fachwissenschaftlichen Schule oder Richtung ausgeht und von daher Lehrpläne aufbaut, wäre — gleichgültig, welches Unterrichtsfach hier gemeint ist — eine Primitivform didaktischer Arbeit und mit den einfachsten Grundsätzen von Curriculumtheorie nicht zu vereinbaren. 2.

Dämonisierungen Der Vorwurf, der der Kritischen Theorie heute am häufigsten gemacht wird, ist der, sie stelle alle abweichenden Auffassungen unter Verdacht Auffallend ist, daß die Gegner der Frankfurter Schule ihrerseits mit dem Ausstreuen von Verdacht nicht zimperlich sind, wie man bei Spaemann nachprüfen kann.

Mit dem Verdachtsargument läßt sich auch in Richtlinienfragen trefflich streiten. Hat man z. B. die Richtlinien kurzum als Produkt der Kritischen Theorie katalogisiert und legt man außerdem noch den Finger auf alle Lernziele, die Kritikfähigkeit anstreben, so ist das Weitere nicht mehr schwer: Man braucht dann nur noch hinzuzufügen, der politische Unterricht erziehe die Schüler zu allseitigem Mißtrauen gegen jedes und alles, ja, er mache die Kinder neurotisch. Als geradezu dämonisch wird dieses Vorhaben aber dann interpretiert, wenn man in dramatischer Steigerung darauf hinweist daß der modernen Pädagogik angeblich ein „Steuerungsinstrument" von höchster Effizienz zur Verfügung stehe, nämlich die aus dem Behaviorismus stammende Lernzieltheorie mit ihrer Erfolgskontrolle. Der pädagogische Laie, der seine Augen oberflächlich über einen Lernzielkatalog mit seinem technologischen Anstrich und seinen taxonomischen Gliederungen gleiten läßt, mag vielleicht den ersten Eindruck haben, hier werde die Veränderung von Bewußtsein mit derselben Unfehlbarkeit vorbereitet, wie zu Beginn des Jahrhunderts die Erfassung des Arbeitsprozesses in den Betrieben durch Frederick Winslow Taylor. Bei genauerem Hinsehen wird das alles recht normal. Ich möchte niemandem das Recht verwehren, die Lernziel-theorie mit aller nötigen Kritik, zu betrachten, aber man sollte doch, umgangssprachlich ausgedrückt, „auf dem Teppich bleiben". Deshalb muß man solchen Dämonisierungen gegenüber auf einige schlichte Wahrheiten aufmerksam machen, die keinem Lehrer unbekannt sind: — Lernziele sind als Mittel der Verständigung der Lehrer über die Frage, welche Ziele im Unterricht angestrebt werden sollen, unentbehrlich; — sie sagen, solange sie in Katalogform aufgegliedert sind, wenig über konkreten Unterricht aus, — wer Lernziele für die Unterrichtsplanung benutzt, wird nicht dadurch schon zum unkritischen Behavioristen;

— Lernziele machen den Lehrer nicht zur Vollstreckungsinstanz von Curriculumtechnokraten, — Ziele im Unterricht tatsächlich zu erreichen, bleibt auch mit der Lernzieltheorie ein ebenso schwieriges wie unsicheres Geschäft, — die taxonomischen Gliederungen erwachsen nicht aus dem Perfektionsdrang von Curriculumexperten, sondern aus der Notwendigkeit, die obersten Lernziele auf abstrakter Ebene zu verbinden mit den konkreten, kleinschrittigen Lernzielen, die in der einzelnen Unterrichtsstunde erreicht werden können, — Erfolgskontrollen sind — im politischen Unterricht jedenfalls — nur bei einer begrenzten Zahl von Lernzielen möglich, — Lemzielkataloge tragen dazu bei, aus obrigkeitlichen Anweisungen didaktische Arbeitsinstrumente zu machen, die die Selbständigkeit und den Planungsspielraum des Lehrers vergrößern.

Diese Bemerkuhgen sind nötig, um bestimmte Übertreibungen wieder auf den Boden zurückzuholen und um auf die Mühseligkeit der Arbeit des Lehrers hinzuweisen, der, ob mit, ob ohne moderne Richtlinien, alles andere als ein Bewußtseinsmanipulator ist, dem hochwirksame Mittel zur Verfügung stehen.

„Voraussetzungen für jemanden, der ein guter Lehrer werden will, ist, daß er nicht an die Möglichkeiten der Pädagogik glaubt“, schrieb jüngst Günter Grass in paradoxer Po-intierung Ich möchte variieren: Wer ein guter Lehrer ist, schätzt die Möglichkeiten des Unterrichts realistisch und bescheiden ein, bemüht sich dann allerdings, diese Möglichkeiten nicht zu verspielen. Besonders schwierig ist es, neue Lehrpläne einzuführen, vor allem dann, wenn sie neu eingerichtete Unterrichtsfächer betreffen. Hier ist besonders Nüchternheit bei der Einschätzung der Situation nötig. 3.

Der fehlende Praxisbezug Der überwiegende Teil der öffentlichen Richtliniendebatte wurde in Form politischer Positionsprogrammatik und theoretischer Prämissendiskussion geführt. Daß Richtlinien aber in erster Linie zum Zweck von Unterricht gemacht werden und also auf ihre didaktische Anlage und die Verbesserungen oder Schwierigkeiten hin befragt werden müssen, die sie für den konkreten Unterricht mit sich bringen, ist bisher in den Veröffentlichungen kaum zum Ausdruck gekommen. Zum Teil rührt dies daher, daß die Kritiker, die publizieren, nicht identisch sind mit den Lehrern, die unterrichten, und daß überdies Universitätsgelehrte wenig über die unterrichtsrelevante Seite von Lehrplänen aussagen können; zum Teil liegt das aber auch, wie ich vermute, an der höchst trivialen Tatsache, daß Richtlinientexte von vielen Kritikern nur in ihrem Anfangsteil gelesen werden. Diese Vermutung stütze ich durch die statistisch zu belegende Beobachtung, daß die ganz überwiegende Zahl der kritisierten Formulierungen im ersten Drittel des Richtlinientextes zu finden war, während das letzte Drittel (mit den Unterrichtsthemen immerhin!) völlig ungeschoren blieb.

Bisher liegt lediglich eine empirische Untersuchung über die praktische Brauchbarkeit der Richtlinien und die Wirkung der didaktischen Elemente in den Richtlinien und Handreichungen für die Unterrichtsgestaltung vor; die Ergebnisse sind günstig und machen Hoffnung, daß das den Richtlinien innewohnende Fortbildungskonzept auf die Dauer seine Wirkung tut. „Fortbildungskonzept" heißt hier: die Richtlinien geben dem Lehrer Anleitung zu selbständiger, didaktisch begründeter Themenauswahl, zum Operationalisieren von Lernzielen, zur Bedingungsanalyse, zur eigenen Unterrichtsplanung und bedienen sich dabei der Erkenntnisse neuerer didaktischer Forschung. Diese Dinge werden gemeinhin auf Lehrerfortbildungstagungen eingeübt, erreichen dort aber nur eine kleine Minderheit von Lehrern; Richtlinien dagegen, die in die Hand jedes Fachlehrers kommen, haben einen wesentlich größeren Fortbildungseffekt. Die erwähnte Untersuchung gibt die ersten Hinweise, ob es Schwierigkeiten mit der Verwirklichung gibt, wo also bei der Revision der Richtlinien angesetzt werden muß, um das didaktische Instrument für die Fachlehrer besser handhabbar zu machen. Untersuchungen dieser Art sind nötig, um die „Kopflastigkeit" der bisherigen Richtlinienkritik mitsamt ihren Randerscheinungen ins Lot zu bringen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Das bedeutet nicht, daß sich alle Lernziele im strengen Sinn operationalisieren lassen. Bei vielen Lernzielen muß man auf die letzte Präzision verzichten, die z. B. eine Erfolgskontrolle ermöglicht. Das ändert jedoch nichts an der Notwendigkeit, auch die obersten Lernziele so genau wie möglich zu formulieren und auf Leerformeln zu verzichten. Es sei übrigens durchaus zugestanden, daß die sehr hohen Erwartungen, die die Lernzieltheorie bisweilen geweckt hat, von ihr selbst nicht voll eingelöst werden. Nutzt man jedoch die vorhandenen Möglichkeiten, ist der Gewinn für die Unterrichtsplanung und -durchführung immer noch so außerordentlich, daß man gelegentlich geäußerte Vorschläge, auf lernzielorientierte Lehrpläne zu verzichten, nur mit Erschrecken zur Kenntnis nehmen kann.

  2. Vgl. Robert Spaemann, Emanzipation — ein Bildungsziel?, in: Merkur, 29. Jg., Januar 1975, S. 20. (Auch erschienen in: Clemens Graf Pode-wils (Hrsg.), Tendenzwende? Zur geistigen Situation in der Bundesrepublik, Stuttgart 1975; vgl. auch: Peter Graf Kielmannsegg, Emanzipation, Demokratie und Tugend, in: Gerd-Klaus Kaltenbrunner (Hrsg.), Zur Emanzipation verurteilt, München 1975, S. 20 ff., sowie: Iring Fetscher, Sensibilität oder SW. 8e 8h 9l. eidigkeit?, in: Merkur,. 29. JgM„. Seept. 1975,

  3. Vgl. Hermann Lübbe, Wie man es lernt, sich zu distanzieren. Die Schule als Anstalt zur Auflösung sozialer Identifikation, in: FAZ vom 26. 6. 1974.

  4. Wolf-Dieter Narr, Ist Emanzipation strukturell möglich?, in: Martin Greiffenhagen (Hrsg.), Emanzipation, Hamburg 1973, S. 193— 215.

  5. Ebd., S. 201 und 214.

  6. Walter Gagel, Können Richtlinien für den politischen Unterricht konsensfähig sein?, in: Walter Gagel/Rolf Schörken (Hrsg.), Zwischen Politik und Wissenschaft, Opladen 1975, S. 49 ff.

  7. Golo Mann, Friedrich Meinecke, „Die Entstehung des Historismus”, in: Geschichte und Geschichten, Frankfurt 1961, S. 45.

  8. So z. B. H. Lübbe (Anm. 3).

  9. Vgl. R. Spaemann (Anm. 2).

  10. Ebd., S. 14.

  11. Vgl. Kurt Sontheimer, Grundzüge des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, München 1971, S. 76 ff.

  12. Zum Begriff vgl. Kurt Sontheimer (Anm. 10), S. 71; Heinrich Bußhoff, Politischer Stil — politische Kultur — politische Bildung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 25/70, S. 4 ff.

  13. Um Mißverständnisse zu vermeiden: Das Erarbeiten von Verhaltenslernzielen im Schulunterricht ist unlösbar mit der Vermittlung kognitiver Inhalte, also der „Sache" und ihrer Struktur, verbunden. Alle Lernziele haben eine Verhaltens-und eine Inhaltsdimension zugleich.

  14. Die zehn Qualifikationen und die zugehörigen Lernziele beanspruchen relative Vollständigkeit. Relativ heißt hier: innerhalb der durch die Gesamtkonzeption gesteckten Grenzen. Um das zu überprüfen, gibt es neben dem methodisch-systematischen Weg noch den pragmatischen Weg, die Probe „von außen": Man möge sich beliebige Situationen verdeutlichen, in denen Menschen politisch urteilen oder handeln (z. B. Schreiben eines Leser-briefes, Mitwirkung in einer Partei oder Bürgerinitiative, eine bestimmte Entscheidung eines Berufspolitikers u. a. m.), sodann die dazu nötigen Befähigungen abschätzen und nachkontrollieren, ob sie im Lernzielkatalog zu finden sind. — Auch Hartmut von Hentig bestätigt dies: „Ich habe mir alle möglichen Lernziele eines Politischen Unterrichts einfallen lassen, die in den Richtlinien nicht ausdrücklich vorkommen, und sie stets auch in dem gegebenen Dekalog’ unterbringen können..." (Kritik an der Kritik in und an den „Richtlinien für den Politischen Unterricht" des Landes Nordrhein-Westfalen, in: W. Gagel/Rolf Schörken (Anm. 6), S. 14.

  15. Richtlinien, 2. Ausl., S. 25. Peter Schulz-Hageleits Befürchtung, die „Glücksansprüche" könnten dem parteipolitischen Kalkül zum Opfer fallen, ist nicht eingetroffen. Vgl. Peter Schulz-Hageleit, Erziehung zum Glück, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 13/75, S. 38 f.

  16. R. Spaemann (Anm. 2), S. 22.

  17. Richtlinien, 2. Ausl., S. 24.

  18. Hermann Boventer, Emanzipation durch Curriculum?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 13/75, S. 3— 27.

  19. So z. B. Konrad Kraemer, Richtlinien für Politischen Unterricht sind ein Skandal, in: Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln, Nr. 12 vom 23. 3. 1973.

  20. P. Schulz-Hageleit (Anm. 14), S. 47.

  21. Anm. 2, S. 20.

  22. Vgl. dazu Walter Gagel, Können Richtlinien für den Politischen Unterricht konsensfähig sein?, in: W. Gagel /R. Schörken (Anm. 6), S. 48 ff.

  23. Hermann Lübbe, Fortschritt als Orientierungsproblem im Spiegel politischer Gegenwartssprache, in: CI. Graf Podewils (Hrsg.) (Anm. 2), S. 10— 12.

  24. Ebd., S. 11.

  25. Zu diesem Komplex sowie zu der irrigen Vorstellung Spaemanns, die emanzipative Erziehung schaffe schwache Identitäten, vgl. meine Auseinandersetzung mit Hermann Lübbe in: W. Gagel /R. Schörken (Anm. 6), S. 25— 40 („Zur Tauglichkeit von Identitätskonzepten für die politische Bildung").

  26. Vgl. Rolf Schörken, Der theoretische Hintergrund des Strukturgitters, in: Rolf Schörken (Hrsg, Curriculum „Politik“, Opladen 1974, S. 135— 148.

  27. Richard Löwenthal, Neues Mittelalter oder anomische Kulturkrise?, in: Merkur, 29. Jg., Sept. 1975, S. 814.

  28. Helmut Schelsky, Der Mensch in der wissenschaftlichen Zivilisation, in: Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, Heft 96, Opladen und Köln 1961, S. 25 f.

  29. Martin Greiffenhagen, Freiheit gegen Gleichheit?, Hamburg 1975, S. 90.

  30. Ebd., S. 96.

  31. Vgl. ebd., S. 99.

  32. So Wolfgang Brüggemann auf der „Woche der Wissenschaft" in Recklinghausen am 13. 6. 1974. Vgl. Neue Deutsche Schule, 27. Jg. 1975, S. 23.

  33. Vgl. Anm. 6.

  34. Wolfgang'Hilligen, Dreimal Emanzipation, in: Gegenwartskunde, Heft 3/1973, S. 217— 289; vgl. auch ders., Zur Didaktik des politischen Unterrichts I, Opladen 1975, S. 156— 171.

  35. Jochen Huhn, Politische Geschichtsdidaktik, Kronberg/Ts. 1975, S. 341— 355.

  36. Jürgen Gebhardt, Erziehung zur Selbstregierung?, in: W. Gagel /R. Schörken (Anm. 6), S. 63 ff

  37. Ebd., S. 63.

  38. Vgl.den Aufsatz von Dieter Menne in diesem Heft.

  39. D. Umbach, Didaktisches Strukturgitter auf dem Prüfstand (unveröffentl. Ms.), Tübingen 1975.

  40. Vgl. Walter Gagel, Einige Antworten auf kriti-sche Fragen von Jürgen Gebhardt an ein Curriculum „Politik", in: W. Gagel/R. Schörken (Anm. 13), S. 70.

  41. Rolf Schörken (Anm. 25).

  42. Gemeint ist Robert Spaemann: Die Utopie der Herrschaftsfreiheit, in: Merkur, 26. Jg., Aug. 1972, sowie J. Habermas /R. Spaemann, Die Utopie des guten Herrschers, in: Merkur, 26. Jg., Dez. 1972.

  43. Bernhard Sutor, Plädoyer für einen pluralen Ansatz in den Curricula politischer Bildung, in: Curriculum-Entwicklungen zum Lernfeld Politik, Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Heft 100, S. 18 ff.

  44. So z. B. R. Spaemann (Anm. 2), S. 20: „Die Emanzipationspädagogik versteht sich als Schule des Verdachts.“

  45. Von kaum zu bestreitender Meisterschaft hier H. Boventer (Anm. 18), S. 5 f.

  46. In: Die Zeit, Nr. 45 vom 31. 10. 1975, S. 33.

  47. Vgl. Anm. 35.

  48. Es gibt inzwischen nicht nur eine eigene „Richtlinienphilologie“, die philologischen Textvergleich zwischen 1. und 2. Fassungen von Richtlinien betreibt, vielmehr hat sich bereits auch die Memoirenliteratur des Themas angenommen. Vgl. Michael Hereth, Erfahrungen und Gedanken eines Abgeordneten bei der Behandlung der „Richtlinien für den politischen Unterricht“ im Landtag von Nordrhein-Westfalen, in: Helmut Schrey (Hrsg.), Impulse für morgen. Festschrift für Fritz Holthoff, Ratingen /Kastellaun 1975, S. 129— 142.

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Rolf Schörken, Dr. phil., geb. 1928 in Wuppertal; Professor für Didaktik der Geschichte und politischen Bildung an der Gesamthochschule Duisburg; nach Kriegsdienst und Kriegsgefangenschaft 1950— 1955 Studium der Geschichte, Germanistik und Philosophie in Tübingen, Freiburg und Bonn; 1955 bis 1974 im Schuldienst des Landes Nordrhein-Westfalen, davon fünf Jahre als Leiter der Abteilung Sozialwissenschaften und Politik am Landesinstitut für schulpädagogische Bildung. Seit 1970 Vorsitzender der Richtlinienkommission für politische Bildung. Veröffentlichungen u. a.: Curriculum „Politik" (Hrsg.), 1974; Zwischen Politik und Wissenschaft (hrsg. gemeinsam mit W. Gagel), 1975. Zahlreiche Beiträge zur Geschichtsdidaktik und politischen Bildung in Fachzeitschriften und Sammelbänden. Mitherausgeber der Schriftenreihe „Politische Bildung".