I. Unbehagen über das UN-System
Im Juni 1972 übte der damalige Ständige Vertreter der USA bei der UNO, Botschafter George Bush, in einer gemeinsamen Genfer Sitzung der zentralen Koordinierungsausschüsse des gesamten UN-Systems in Anwesenheit des UN-Generalsekretärs und der Chefs der UN-Sonderorganisationen ungewohnt scharfe Kritik an der Struktur der UNO und ihrer Sonderorganisationen Er fand insbesondere harte Worte bezüglich der kontinuierlichen Aufblähung ihrer Budgets und monierte das „Bestehen gravierender Mißstände bei der Durchführung der Programme und in der Verwaltung der Sonderorganisationen'', das Fehlen jeder Haushaltsdisziplin, die mangelnde Effizienz, die Scheu vor einer rücksichtslosen Durchforstung der laufenden Programme durch Ausmerzung „veralteter und unproduktiver Aktivitäten" und durch die Entlassung „unproduktiven Personals" sowie den mit Dienstreisen getriebenen Mißbrauch. Die Chefs der Sonderorganisationen — dem Trend der Zeit entsprechend fast durchweg ausgesprochene Wachstumsfetischisten, soweit es sich um die Ausweitung ihrer Organisationen handelt — konnten sachlich wenig gegen die Kritik des Amerikaners einwenden. Sie verdrängten seine lästigen Mahnungen, und manche taten ihn als kurzsichtigen Pedanten ab, der unfähig war, die Realitäten des Lebens zu begreifen. „Thinking big" blieb für viele auch weiterhin das Motto ihrer Tagesarbeit, und sie bestanden darauf, in der stetig wachsenden
Größe ihrer Organisationen einen Indikator für die beste Lösung der ihnen gestellten Sachprobleme zu sehen. Der amerikanische Botschafter blieb ein Rufer in der Wüste. Der vom U. S. Information Service, Genf, verbreitete volle Text wurde in den angesprochenen UN-Organisationen, mit wenigen Ausnahmen, wie ein Geheimdokument behandelt und nur den hohen Funktionären zugänglich gemacht, statt ihn im Mitarbeiterstab weit zu verbreiten (was nicht notwendigerweise eine
Identifizierung mit dem Inhalt bedeutet haben würde).
Die Aufblähung der Sekretariate geht weiter. Die Regierungen der Mitgliedsländer tragen für die kritisierten Zustände ebensoviel Verantwortung wie die Leiter der Organisationen, und zwar nicht nur die Regierungen der Länder der Dritten Welt, welche häufig die Ausweitung der Organisationen um jeden Preis INHALT I. Unbehagen über das UN-System II. Reformbedürftige FAO III. Die Welternährungskonferenz IV. Der UN-Welternährungsrat V. Die Beratende Gruppe für Nahrungsmittelerzeugung und Investitionen VI. Der Internationale Fonds für Landwirtschaftliche Entwicklung VII. Der Ausschuß für Welternährungs-
Sicherheit VIII. Der Ausschuß für Nahrungsmittelhilfe-
Politiken und -Programme IX. Fragwürdige „Beratende Gruppe für Proteine" mit Erhöhung der multilateralen Entwicklungshilfe gleichzusetzen pflegen, sondern auch die der meisten entwickelten Länder, welche seit Jahren der Aufblähung der zu kontrollierenden Organisationen ziemlich lässig zugeschaut oder sich ihr nicht mit der gebotenen Energie widersetzt haben. Starken Worten folgten nur selten Taten, und die Sekretariate vermochten ihre Ausweitungspläne fast immer durchzusetzen.
Ein Experten-Bericht an die UN
Wucherungen sind nicht nur innerhalb der einzelnen Organisationen zu verzeichnen, vielmehr wird das gesamte System durch eine nicht selten das Groteske streifende institutionelle Wucherung und die daraus resultierenden Zuständigkeitsüberschneidungen gekennzeichnet.
Soweit es sich um die auf dem Gebiete der „internationalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit" (d. h. vor allem auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe) tätigen Organisationen handelt, hat sich das Bewußtsein von der Un-haltbarkeit dieser Zustände nunmehr endlich auch in der UN-Generalversammlung durchgesetzt. Die XXIX. Generalversammlung ersuchte in ihrer Resolution 3343 vom 24. Januar 1975 den UN-Generalsekretär, eine auf breiter geographischer Basis auszuwählende kleine Gruppe von hochrangigen Experten zu ernennen, um „Vorschläge über strukturelle Änderungen im UN-System mit dem Ziele zu erarbeiten, dieses System voll in die Lage zu versetzen, die Probleme der internationalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit in zusammenfassender Art zu behandeln". Dabei sollten die Gebiete Handel, Finanzierung, internationale Währungsreform, Landwirtschaft und Industrialisierung miteinbezogen werden. Die daraufhin ernannten 25 Sachverständigen legten ihren Bericht bereits im Mai 1975 vor
Der Bericht stellt ein bemerkenswertes Dokument dar, auch wenn er schon angesichts der Zeitnot der Experten unvollständig und zum Teil ziemlich oberflächlich ausgefallen ist Bereits im einleitenden Kapitel sprechen die Experten von der „Gefahr einer abnehmenden Wirksamkeit der UN", welcher mit gewissen Reformmaßnahmen begegnet werden müsse. Sie umreißen die finanzielle Größenordnung des Problems durch Hinweis darauf, daß von den 1, 5 Milliarden Dollar, die jährlich im UN-System ausgegeben werden, vier Fünftel auf die wirtschaftlichen und sozialen Aktivitäten entfallen. Dazu kommen noch etwa 5 Milliarden Dollar in Form von mittel-und langfristigen Ausleihungen der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds.
Uferlose Aufblähung
In dem Bericht wird festgestellt, daß innerhalb der letzten Dekade kaum ein Jahr verging, in welchem nicht ein oder zwei neue UN-Gremien („United Nations bodies") errichtet wurden. Das UN-System umfaßt heute (so die Experten): „ 12 operative Programme, 5 Regional-Kommissionen, 15 Sonderorganisationen, eine Vielzahl von Sonderfonds, mehrere halbautonome Gremien im Zentralsekretariat . . ., einige Hundert intergouvernementale Ausschüsse, Koordinierungs-Gremien und adhoc-Gruppen". Eine solche, trotz ihrer Kürze eindrucksvolle und für sich sprechende Aufzählung wäre von denjenigen, welche das gegenwärtige System um jeden Preis zu verteidigen pflegen, insbesondere aber von den meisten Funktionären im UN-Bereich, der Un-glaubwürdigkeit geziehen, ja als Verleumdung abgetan worden, wenn sie heute nicht Bestandteil eines Sachverständigenberichts wäre.
Nach Auffassung der Experten ist das heutige System mehr ein Produkt „historischer Umstände" als rationeller Erwägungen, und nach ihrer Meinung muß die „Zersplitterung der Verantwortung zwischen so zahlreichen Organisationen, die zum Teil die gleichen oder ähnliche Aufgaben bearbeiten, notwendigerweise ihrer aller Einfluß mindern".
Die Sachverständigen fordern nicht nur die Zusammenlegung von Institutionen mit „gleichen oder ähnlichen Aufgaben", sondern sie üben auch Kritik an der Gründung immer neuer finanzieller Fonds oder „operativer" Institutionen. Die folgenden Sätze aus dem Sachverständigen-Bericht sagen zwar nichts Neues, aber sie sind doch wegen der Autorität der Quelle bemerkenswert: „Im Lauf der Zeit haben die Initiativen zur Errichtung neuer freiwilliger Fonds entschieden dazu beigetragen, die Ziele und die Intensität der internationalen Zusammenarbeit zu vertiefen. Die Errichtung neuer Fonds hat durch ihren Appell an spezielle Interessentengruppen zu einer Mobilisierung zusätzlicher Ressourcen für die internationale Zusammenarbeit geführt. Es stellt sich freilich die Frage, ob die Kosten dieses Hi. zesses in Form verwaltungsmäßiger Doppelarbeit und lneffizienz und angesichts der administrativen Schwierigkeiten für die Empfängerländer nunmehr nicht die Vorteile übertreffen, die bisher aus der Vermehrung getrennter Fonds gewonnen wurden ... Die Fragmel. ierung der Fonds steht im Begriff, einen Puixt sich vermindernder Einnahmen zu erreichen... Sie beeinflußt die gesamte Wirklichkeit und Effizienz. Es bestehen daher ernste Argumente dafür, diesen Trend umzukehren." Diese und andere Reformvorschläge, die auf der VII. Sondersitzung der UN-Generalversammlung im September 1975 nur ziemlich kurz behandelt wurden, sind nunmehr Gegenstand von Beratungen in einem besonderen intergouvernementalen Ausschuß der UN Es werden aber wohl noch Monate vergehen, bis sich konkrete Vorschläge abzeichnen werden.
Ausklammerung von Welternährung und -landwirtschaft
Der Sachverständigen-Bericht enthält — und zwar bewußt — eine wesentliche Lücke, indem der große Sektor Welternährung und -landwirtschaft, auf dem sich gerade gegenwärtig wesentliche institutionelle Veränderungen vollziehen, ausgeklammert bleibt. Die Experten haben damit die sich buchstäblich vor ihren Augen abspielenden hektischen Bemühungen um die Errichtung mehrerer neuer Institutionen ignoriert. Es handelt sich um die folgenden:
— Welternährungsrat (World Food Council), Rom.
— Beratende Gruppe für Nahrungsmittelerzeugung und Investitionen in Entwicklungsländern (Consultative Group on Food Production and Investment in Developing Coun-tries), Washington.
— Internationaler Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (International Fund for Agricultural Development), vorläufiger Sitz Rom. — Ausschuß für Welternährungs-Sicherheit (Committee on World Food Security), Rom.
— Ausschuß für Nahrungsmittelhilfe-Politiken und -Programme (Committee on Food Aid Poli-cies and Programmes), Rom.
Die Welternährungskonferenz (5. — 16. November 1974) hatte die Errichtung dieser Institutionen in einer Anzahl von Resolutionen empfohlen, und die UN-Generalversammlung hatte diese Empfehlungen durch Resolution vom 17. Dezember 1974 (3348—XXIX) sanktioniert und insbesondere den Welternährungsrat errichtet. Nicht überzeugend ist es, wenn die Experten, deren Gutachten sich in zum Teil banalen Details verliert und viele Wiederholungen enthält, die Ignorierung dieses krassen und höchst aktuellen Beispiels von institutioneller Aufblähung damit begründen, daß sie „sich nicht in der Lage sahen, das komplexe Sachgebiet Ernährung und Landwirtschaft detailliert zu behandeln". Angesichts des der Gruppe erteilten umfassenden und die Landwirtschaft ausdrücklich einbeziehenden Auftrages befremdet es besonders, wenn man dafür in dem Bericht die Begründung findet, daß „die Gruppe der Meinung war, es wäre in einem so frühen Stadium der Verwirklichung der Initiativen der Welternährungskonferenz vorzeitig und unangemessen gewesen, auf diesem wichtigen Gebiet ein Urteil über die empfohlenen strukturellen Änderungen abzugeben". Als „Sachverständige" mußten die Mitglieder der Gruppe in ihrer beruflichen Eigenschaft seit Mitte November 1974 mit der von der Welternährungskonferenz beschlossenen Schaffung neuer Institutionen — insbesondere der Errichtung des Welternährungsrats — vertraut sein. Das mindeste, was man hätte erwarten können, wäre eine generelle Warnung vor der gerade in Gang gesetzten, weitgreifenden institutioneilen Proliferation gewesen.
Opportunistische Erwägungen
Das Ausklammern des gesamten Bereichs Ernährung und Landwirtschaft aus dem Gutachten der Sachverständigen kann wohl nur aus opportunistischen Erwägungen erklärt werden. Nur acht der Experten stammen aus Industrieländern der OECD, während 14 aus Entwicklungsländern und drei aus osteuropäischen Ländern kommen.
Für die Experten aus den Entwicklungsländern mußte das Gebiet der Landwirtschaft tabu sein. Sie wären einfach überfordert gewesen, hätte man von ihnen erwartet, sich kritisch zu den von allen Entwicklungsländern erst wenige Monate zuvor auf der Welternährungskonferenz durchgepaukten institutioneilen Veränderungen zu äußern. Sie mußten, wenn nicht aus anderen, so doch aus politischen Gründen auf den das ganze Jahr 1974 und zumindest das erste Halbjahr 1975 kennzeichnenden Emotionalismus der meisten und den Fanatismus einiger besonders lautstarker Entwicklungsländer Rücksicht nehmen, welche das Heil in neuen Institutionen (und vor allem in neuen — einseitig Ressourcen übertragenden — Fonds) sahen und heute noch sehen.
Unbegreiflich ist es freilich, warum auch die Sachverständigen aus den Industrieländern — nachdem diese Länder auf den weltweiten Konferenzen des Jahres 1974 im Konsensus-Verfahren mehr als einmal überrollt worden waren — die Einberufung der Expertengruppe nicht als Aufhänger benutzten, um die sich anbahnende zusätzliche institutionelle Auf-blähung einer nüchternen Beurteilung zu unterziehen. Sie hätten auf einem Sondervotum bestehen können; dies um so mehr, als die UN-Generalversammlung die Landwirtschaft in den Auftrag an die Sachverständigen einbezogen hatte. Es ist schwer, sich des Verdachts zu erwehren, daß sich die Experten aus den Industrieländern der unvermeidlichen Folgen der weiteren Kompetenzzersplitterung und der Super-Bürokratisierung doch nicht so bewußt waren, wie es für die Erfüllung ihrer Aufgabe erforderlich gewesen wäre. Vielleicht sahen sie nur das Problem zusätzlicher finanzieller Lasten für Personal-und Sachaufwand und hielten das für einen niedrigen Preis, um ihre Kollegen aus den Entwicklungsländern zufrieden zu stellen. Damit hätten sie allerdings den Kernpunkt des der Gruppe gestellten Auftrags übersehen: Strukturreformen sind nicht nur wegen der direkten finanziellen Lasten für Personal-und Sachkosten erforderlich, die sich aus der Kompetenzzersplitterung und der damit verbundenen Aufblähung und Bürokratisierung ergeben. Viel durchschlagender ist der weitere Gesichtspunkt, daß unzulängliche, insbesondere sich überschneidende organisatorische Strukturen die Effizienz des Gesamtsystems beeinträchtigen, und zwar durch Doppelarbeit, Leerlauf und Fehlleistungen, aber auch durch die Demoralisierung des Personals. Die „Kosten" der durch Ineffizienz nicht oder schlecht erbrachten Leistungen können in Geld nicht gemessen werden.
Es entbehrt nicht der Pikanterie, daß die „hochrangigen Sachverständigen" zwar Vorschläge bezüglich der bestehenden Strukturen und der Eindämmung der institutioneilen Wucherungen gemacht, aber eine gerade neueingeleitete substantielle Verzerrung der Strukturen auf dem entwicklungspolitisch besonders wichtigen Gebiet der Welternährung und -landwirtschaft mit fadenscheinigen Argumenten beiseite geschoben haben.
La proliferation est morte, vive la pro-liferation. . . Wird der nun eingesetzte intergouvernementale UN-Ausschuß das heiße Eisen anfassen?
II. Reformbedürftige FAO
Bis zu der (entsprechend den Empfehlungen der Welternährungskonferenz erfolgten) Errichtung des Welternährungsrats (WER) Anfang 1975 war die FAO die Sonderorganisation im UN-System auf dem Gebiet der Ernährung und Landwirtschaft. Die Schaffung des WER ändert zwar nichts am Charakter der FAO als Sonderorganisation, nimmt ihr aber die Stellung als das höchste Organ auf ihrem Fachgebiet im Bereich der UNO. Hierin unterscheidet sich nunmehr diese größte Sonderorganisation von allen anderen 14 Sonder-organisationen. Nach der Präambel und Artikel I ihrer Verfassung sind der Food and Agriculture Organization of the United Nations denkbar umfassende Funktionen auf dem gesamten Gebiet der Ernährung und Landwirtschaft übertragen worden, die u. a. auch die Verbesserung der Lebensbedingungen der ländlichen Bevölkerung und den Kampf gegen den Hunger in der Welt einschließen. Der FAO obliegt insbesondere die Sammlung, Analyse und Verbreitung von Informationen auf den einschlägigen Gebieten der Ernährung und Landwirtschaft, wobei der Begriff Landwirtschaft auch die Fischerei und die Forstwirtschaft mitumfaßt. Zu den ausdrücklich der FAO übertragenen Funktionen gehört auch die, Empfehlungen für nationale und internationale Aktionen auf den vorerwähnten Gebieten im weitesten Sinne auszusprechen (z. B. Forschung; Erhaltung der natürlichen Ressourcen; verbesserte Produktionsmethoden; Verarbeitung, Marketing und Vertrieb von Nahrungsmitteln und sonstigen Agrarprodukten; landwirtschaftliches Kreditwesen; internationale Abkommen für landwirtschaftliche Rohstoffe; technische Hilfe). Eine in Artikel 1. 3. (c) der Verfassung enthaltene General-klausel stellt klar, daß die FAO „ganz allgemein sämtliche notwendigen und geeigneten Maßnahmen" auf dem Gebiet der Ernährung und Landwirtschaft im weitesten Sinne zu treffen hat.
Dieses weiten Zuständigkeitsbereichs, der keine Lücke läßt, sollte man sich bewußt sein, wenn man die von der Welternährungskonferenz gefaßten institutionellen Beschlüsse würdigt. Fachlich gesehen stellt die FAO trotz der neuen Zuordnungsverhältnisse im UN-Bereich nach wie vor den Kern der Welternährungs-und Landwirtschaftsbürokratie dar. Auf dem Gebiet der Ernährung und Landwirtschaft kann sich keine andere internationale Institution bezüglich der Breite des in ihrem Mitarbeiterstab repräsentierten Fachwissens auch nur annähernd mit ihr messen. Die FAO hat für die Förderung der landwirtschaftlichen Produktion in den Entwicklungsländern während der dreißig Jahre ihres Bestehens Beachtliches geleistet, auch wenn sie aus vielen gemachten Fehlern lernen mußte — ein Lernprozeß, der heute weitergeht. Ohne die von der FAO geleistete technische Hilfe wäre die Nahrungsmittelproduktions-und Versorgungslage in vielen Ländern noch wesentlich kritischer, als sie es heute ist, auch wenn der FAO-Hilfe ernste Mängel angehaftet haben und auch weiterhin anhaften. Sicherlich hätten die Ergebnisse der von der FAO geleisteten technischen Hilfe bei rationellerem und effizienterem Einsatz bei gleichem Volumen der Ressourcen weit besser sein können, aber es ist unfair, wenn viele Entwicklungsländer in dem Bemühen, ihre eigenen Unterlassungen zu vertuschen, heute versuchen, die Verantwortung für ihre nach wie vor labile, ja ernste Ernährungslage der FAO zuzuschieben.
Schwerfälliger Apparat
Wenn die FAO nicht bestände, so müßte sie gegründet werden -— allerdings nicht so, wie sie sich heute präsentiert. Das FAO-Sekretariat ist im Laufe der Jahre zu einem immer schwerfälligeren Apparat geworden, und es ist fast ein Wunder, daß trotz beträchtlichen Leerlaufs immer noch brauchbare, in einigen Abteilungen sogar gute Arbeit geleistet wird. Die zahlreichen Reformversuche der letzten zehn Jahre waren Stückwerk, und ihre Haupt-substanz bestand in weiterer Personalvermehrung. Kein Generaldirektor unternahm wirklich ernsthafte Versuche, trocken gewordene Äste zu entfernen. Dabei ist es offensichtlich, daß manche der vor dreißig Jahren noch wichtigen Aufgaben heute ihre damalige Priorität verloren haben, so daß dementsprechende Einsparungen vorgenommen werden könnten.
Der Personalbestand der FAO lag im März 1975 bei insgesamt 7 427 Bediensteten (davon Außendienst 3 450) Das bedeutet einen Sprung um etwa 1 400 Bedienstete gegenüber Ende 1973. Mit der Begründung, daß der FAO durch die Welternährungskonferenz neue Aufgaben zugewiesen worden seien, die einen zusätzlichen Personalbedarf zur Folge haben, plante der Generaldirektor zunächst, eine Erhöhung um 620 Bedienstete vorzuschlagen. Er ließ allerdings (in verschiedenen Gremien) mit sich reden und hat nun seine Forderung auf neue Posten wesentlich ermäßigt. Wie immer das diesbezügliche Seilziehen in der Konferenz ausgehen wird, so steht doch fest, daß sich der Personalbestand der FAO der Zahl von etwa 8 000 Bediensteten nähert.
Kein Mut zur Entrümpelung
Der Gedanke, den durch Prioritätsumschichtungen verursachten Personalbedarf in einigen Abteilungen durch Abbau in weniger wichtig gewordenen Abteilungen zu kompensieren (vor allem auch soweit es sich um die Hilfsdienste handelt), ist niemals mit der notwendigen Gründlichkeit und vor allem der gebotenen Härte verfolgt worden. Die FAO-Bürokratie ist ein klassisches Beispiel für die auch im nationalen Bereich gemachte Erfahrung, daß große Behörden oder Organisationen die zunehmende Neigung zum sich Mit-sich-selbst-Beschäftigen haben. Nach jahrelanger Existenz arbeiten sie nicht mehr nur für die ihnen ursprünglich gestellten Aufgaben, sondern auch für die Erhaltung der Organisation als solcher und für die Bewahrung von Machtpositionen. Die einzelnen Abteilungen oder ihre Untereinheiten schaffen sich gegenseitig Arbeit. Die Beschäftigtenzahl nimmt laufend zu, ohne eine auch nur annähernd entsprechende Leistungssteigerung zu bewirken. Einheiten, die zur Bearbeitung bestimmter Aufgaben vor Jahren errichtet wurden, werden nicht aufgelöst oder eingeschränkt, selbst wenn die Aufgaben erledigt oder weniger wichtig geworden sind. Statt dessen werden neue Aufgaben — meist unorganisch — aufgepfropft
Einige Beispiele
Ein kleines, aber typisches Beispiel wurde im Jahre 1975 auf dem Gebiet der Notstandshilfe vorexerziert. Im Zusammenhang mit der Krise in der Sahel-Zone war im Jahre 1974 ein neues „Office for Sahelian Relief Operations" (OSRO) geschaffen worden, dessen Notwendigkeit hier dahingestellt bleiben kann. Durch die Besserung der Lage in der Sahel-Zone wurde OSRO überflüssig, und das konnte man auch in der FAO nicht übersehen. Statt nun die Einheit aufzulösen und die überflüssig gewordenen Bediensteten abzubauen oder sie in ihre alten Einheiten zurückzuversetzen, errichtete der Generaldirektor auf Grund seiner allgemeinen Organisationsgewalt in einer zu seinem eigenen Büro gehörenden Einheit, nämlich dem „Office for International Affairs", ein „Office for Special Relief Operations", also ein neues OSRO. Man hatte Gefallen an der eigenen Leistung in der Sahel-Zone gefunden und entschloß sich daraufhin, systematischer als bisher in die — wie man meint — imagefördernde und politischen Einfluß gewährende Notstandshilfe „einzusteigen". Das neue OSRO, ein „Office" im „Office" unter einem „Direktor" (!), steht nun für neue Notstandsfälle bereit (um nicht zu sagen: wartet auf solche) und füllt inzwischen die Bürostunden mit der Pflege der Verbindung zur UN-Disaster Relief Organisation (UNDRO), Genf, aus, d. h.der im UN-System seit einigen Jahren bestehenden Sonderorganisation für Katastrophenfälle. Die notwendigen Kontakte zur UNDRO waren bisher durch das Office for International Affairs nebenbei wahrgenommen worden.
Wahrscheinlich wird sich die FAO nunmehr auch intensiver als bisher in die Notstandshilfe mit Nahrungsmitteln einschalten, wofür beim UN/FAO World Food Programme ein besonderer Plafonds besteht, über diesen Plafonds des WFP verfügt nämlich formell nicht der Executive Director dieses Programms, sondern der Generaldirektor der FAO. Die Planungs-und Detailarbeit wird im WFP geleistet. Die Einschaltung der FAO ist von der Sache her gesehen überflüssig; es handelt sich um einen typischen Fall von Doppelarbeit. Wenn es trotz dieser sich überschneidenden Zuständigkeit bisher nicht zu wesentlich unterschiedlichen Beurteilungen von Notstandssituationen gekommen ist — insofern sind die Beamten des WFP im „field" maßgeblich eingeschaltet —, so lag das zum Teil daran, daß das Office for International Affairs keinen besonderen Funktionär für Notstandshilfe besaß. Diese Situation hat sich durch die Wiederbelebung von OSRO geändert
Fragwürdige „Anti-Hungerkampagne“
Das OSRO-Beispiel wurde hier nicht wegen seiner Größenordnung, sondern aus prinzipiellen Gründen und wegen seiner besonderen Anschaulichkeit zitiert. Viel älteren Datums und weniger transparent ist der Fall einer Einheit in der FAO, an der — wenn auch mit mehrfach vorgenommenen Modifikationen — krampfhaft festgehalten wird: Es handelt sich um die im Jahre 1959 gegründete Freedom-from-Hunger-Campaign, für die im regulären Budget der FAO im Biennium 1976/77 immerhin 1, 35 Millionen Dollar veranschlagt sind (gegenüber 1, 05 Millionen im laufenden Biennium). Die Kampagne, welche seit einigen Jahren ihre Bezeichnung in Freedom-from-Hunger Campaign/Action for Development (FFHC/AD) erweitert hat, wurde durch Beschluß der FAO-Konferenz im Jahre 1969 bis zum Jahre 1980 verlängert. Sie war im Sommer 1975 Gegenstand einer Überprüfung durch eine Gruppe von zehn Experten und außerdem durch einen sogenannten „unabhängigen" Experten, der von der FFHC/AD honoriert und als Konsulent herangezogen worden war. Die zu der Zehnergruppe gehörenden Experten arbeiten durchweg in ihren Heimatländern eng mit FFHC/AD zusammen und sind zum Teil auf sie angewiesen. Es kann daher davon ausgegangen werden, daß sie ihr nicht ohne grundsätzliches Wohlwollen gegenüberstehen. Sowohl die Zehnergruppe als auch der „unabhängige" Experte haben Berichte vorgelegt
In dem Bericht der Zehnergruppe, die es offenbar für selbstverständlich ansieht, daß die FFHC/AD für weitere fünf Jahre fortgesetzt wird, heißt es nach zum Teil gewundenen allgemeinen Formulierungen, daß die „bisherigen Erfahrungen sowohl positiv als auch negativ" waren. Die Gruppe gibt zusammenfassend acht Hauptkriterien für die künftige Arbeit, wobei sie es für erforderlich hält, ausdrücklich um die „rigorose" Anwendung dieser Kriterien zu ersuchen. Die Kriterien sind nicht frei von Unklarheiten und geben daher Spielraum für die Auslegung. Hauptpriorität für die künftige Arbeit sollen zwei Kriterien haben: a) Stimulierung der kritischen Bewußtseinsbildung für Entwicklungsprobleme und b) die Beteiligung der Menschen an ihrer eigenen Entwicklung. Gewiß sind das lobenswerte Ziele, man könnte allerdings die Frage stellen, warum gerade die FAO sich einer sol-chen ganz allgemein entwicklungspolitischen Aufgabe widmen soll.
Das allgemeine Wohlwollen der Zehnergruppe gegenüber FFHC/AD hält sie nicht davon ab, einige kritische Aspekte herauszuarbeiten. So stellt die Zehnergruppe fest, daß die Arbeit von FFHC/AD „breit über mehr als 80 Länder in allen Regionen verstreut, inhaltlich zu verschieden und angesichts der verfügba-ren Ressourcen überdehnt" ist. Bedenken werden ferner darüber geäußert, daß bei manchen begonnenen Initiativen die konkrete Anschlußarbeit ausbleibe, und es wird eine Konzentration auf weniger, aber „klar definierte"
Programme empfohlen. Was die Stellung von FFHC/AD innerhalb der FAO selbst angeht, so heißt es in dem Bericht, daß ihre Wirkung nicht die gewesen sei, die man erwartet habe und daß zwischen FFHC/AD und der für die Projekte zuständigen Abteilung der FAO die „Arbeitsbeziehungen" seit 1971 „sehr schwierig" gewesen seien. Bemängelt wird ferner, daß die der FAO erwachsenden Kosten für die Verwaltung kleiner Projekte in den Entwicklungsländern „sehr hoch" sind. Die Tendenz, möglichst viele Einzelprojekte zu haben, ist unverkennbar. Der „unabhängige" Experte warnt in seiner Studie vor der in der FAO herrschenden Tendenz, „Projekte so zu zählen, wie Eingeborene früher Skalps auf-knüpften" (Stichwort: Thinking in quantitative terms of delivery). Deutlicher als die Zehnergruppe spricht er von „gewissen Reibungen" zwischen FFHC/AD und der übrigen FAO. In einem Land, das er im Rahmen seines Auftrags besuchte, mußte er feststellen, daß einerseits ein FAO-Experte für Bauern-verbände nichts davon wußte, daß FFHC/AD auf seinem Fachgebiet mit einem lokalen Institut zusammenarbeitete, und daß andererseits das Institut keine Ahnung davon hatte, daß sich der FAO-Experte im Lande befand.
Ungünstig sind die Ergebnise einer Evaluierung der von FFHC/AD in Ekuador durchgeführten Projekte. Der auf Verlangen der Regierung von der Junta Nacional de Planifi-caciön vorgelegte Evaluierungsbericht enthält u. a. folgende Schlußfolgerungen: a) zu starke geographische Streuung; b) im Verhältnis zu den anstehenden Problemen unzureichende Projektgröße, -c) die Projektauswahl wird zu stark von außen her oder durch Personen bestimmt, welche an der Entwicklung bestimmter Gruppen interessiert sind; d) Projekt-durchführung ohne Rücksicht auf eine integrierte Entwicklung; e) Nichtbeteiligung der menschlichen Gruppen, denen die Projekte galten, übrigens mußte FFHC/AD die Evaluierung selbst finanzieren.
Die aktive Deutsche Welt-Hungerhilfe erhob auf der 6. FFHC/AD-Konferenz im September 1975 gegen den Koordinator den Vorwurf, daß „zu viel geplant, untersucht und diskutiert und zu wenig an direkter Hilfe im Kampf gegen den Hunger geleistet wird". Kritisiert wurde ferner, daß die Kampagne in den vergangenen Jahren die Zusammenarbeit mit den nationalen Komitees vernachlässigt habe und ihre Tätigkeit nicht sorgfältig genug abstimme.
Einige der wenigen Lobesworte, die die Zehnergruppe ausdrücklich in ihrem Bericht ausspricht, gelten der Qualität „vieler" von FFHC/AD seit 1970 herausgebrachter Publikationen. Dabei werden insbesondere zwei hervorgehoben: das „Ideas and Action Bulletin" und die „Development Education Exchange Papers". Diese positive Beurteilung kommt überraschend, zumal nach dem Urteil neutraler Fachleute die inhaltliche Qualität gerade dieser beiden erwähnten Publikationen überaus fragwürdig ist. Hinzu kommt, daß die FAO duich die Herausgabe solcher Publikationen ihre knappen Mittel verzettelt. Es wäre der Prüfung wert, ob die für den Zweck der allgemeinen entwicklungspolitischen Bewußtseinsbildung aufgewendeten Mittel nicht auf ein einziges Organ konzentriert werden sollten. Dafür würde sich insbesondere die in drei Sprachen erscheinende Zweimonatszeitschrift CERES eignen, welche einer breiten Palette von Meinungen ein weithin beachtetes Forum bietet und dabei auch nicht-konformistischen Thesen gebührenden Raum gibt. Der Budget-Titel „Publikationen" von FFHC/AD liegt für das Biennium 1974/75 bei 293 000 US-Dollar. Er soll für das kommende Biennium auf 327 000 Dollar erhöht werden.
Die FFHC/AD wird nicht aufgelöst. Man kritisiert an ihr herum, aber man läßt sie weiter-werkeln. Es war schon beachtlich, daß der kanadische Delegierte im FAO-Rat (März 1975) dafür plädierte, ihr eine „etwas geringere Priorität zu geben", und es zeugte für Aufrichtigkeit, wenn Jordaniens Delegierter im gleichen Gremium erklärte, es bestehe „kein Bedürfnis zur Fortsetzung der Kampagne", die „von Anfang an als ein Propagandainstrument gedacht“ war. Vorerst ist als konkrete Maßnahme zur Zügelung der FFHC/AD nur ihr Transfer aus dem prestigeträchtigen Büro des FAO-Generaldirektors in die nüchternere und mehr realitätsbezogene Hauptabteilung für Entwicklung geplant. Eine echte Reform könnte etwa darin bestehen, die FFHC/AD wesentlich zu verkleinern und wieder zu dem zu machen, wofür konkreter Bedarf besteht, nämlich zu einem Verbindungsbüro für die Beziehungen zwischen der FAO und den über die ganze Welt verstreuten — wichtigen — nationalen Ausschüssen für den Kampf gegen den Hunger und anderen nichtamtlichen Organisationen.
Wachstumsfetischismus
Das Denken der Spitze des FAO-Sekretariats ist durch den Glauben an die Notwendigkeit eines kontinuierlichen Wachstums der Organisation mitgeprägt. Als anläßlich der Beratung eines der letzten FAO-Budgets im FAO-Rat der Delegierte eines Industrielandes für sein und andere Länder den „Wachstumsfetischismus" des Sekretariats kritisierte und der Meinung Ausdruck gab, daß die FAO „nicht alles und jedes tun" könne, fand er Widerspruch. Indien meinte im Namen der Entwicklungsländer, eine („reale") Wachstumsrate von „nur" 2, 5 Prozent könne nicht hingenommen werden, vielmehr stelle ein Wachstum um reale 10 Prozent das Minimum dar. Der eine vermittelnde Haltung einnehmende FAO-Generaldirektor plädierte für eine „gesunde" Wachstumsrate, sprach sich freilich nicht für Wachstum um seiner selbst willen aus. Ein jährliches Wachstum um (real) 5 Prozent schockiere ihn nicht, zumal andere Organisationen (!) viel stärker wüchsen und die FAO mit ihnen Schritt halten müsse, wenn sie nicht Aufgaben an andere Organisationen verlieren wolle.
Für das Biennium 1976/77 ist ein reguläres Budget von etwa 167 Millionen Dollar geplant (106, 7 Millionen im Biennium 1974/75 und 70, 6 Millionen im Biennium 1970/71). Das reguläre Budget weist nur einen Teil der Ausgaben der FAO aus. Die Organisation hat heute überwiegend die Funktion einer internationalen Entwicklungsagentur auf dem Gebiet der technischen Hilfe, während ausgabenmäßig die ursprüngliche Funktion eines weltweiten Landwirtschaftsinstituts seit Jahren erst an zweiter Stelle folgt. Für ihre Entwicklungsprojekte verausgabt die FAO ein Mehrfaches ihrer „regulären" Einnahmen: im Biennium 1974/75 326, 5 Millionen Dollar, im bevorstehenden Biennium schätzungsweise 436, 5 Millionen Dollar. Der Gesamthaushalt der FAO lag also im laufenden Biennium bei 433, 2 Millionen Dollar und dürfte im nächsten Biennium nicht weniger als 606 Millionen Dollar ausmachen. Der außerordentliche Haushalt wird insbesondere aus Mitteln des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP) gespeist
Die aus Regierungsvertretern zusammengesetzten Ausschüsse für Programm und Finanzen der FAO (Programme Committee and Finance Committee), die sich laufend mit Budgetproblemen sowie den Fragen der organisatorischen Struktur und neuen Stellenanforderungen befassen und sie einer Vorprüfung für den FAO-Rat unterziehen, sind meist völlig überfordert. An die ihnen vom Sekretariat unterbreiteten Vorschläge und Anforderungen, pflegen sie häufig mit einem zu engen Blickfeld heranzugehen, da sie die komplizierte Gesamtstruktur der FAO nicht ausreichend durchschauen können. Eklatante Falschbeurteilungen sind daher keine Seltenheit. Nur wenige (der viel zu häufig wechselnden) Mitglieder der Ausschüsse sind dem Sekretariat, was die Kenntnis aller einschlägigen Zusammenhänge angeht, gewachsen. Trotz des nicht selten dilettantischen Charakters der Vorprüfungen werden die Empfehlungen der beiden Ausschüsse von den entscheidenden Gremien, nämlich dem FAO-Rat und der FAO-Konferenz, fast immer als der Weisheit letzter Schluß angesehen und angenommen.
Problematische „Dezentralisation"
Künftig wird die Organisationsstruktur der FAO mit einem hohen Grad von Wahrscheinlichkeit noch weiter verzerrt und ihr Personal-apparat noch mehr aufgebläht werden. Insbesondere die Entwicklungsländer drängen immer entschiedener auf „Regionalisierung", d. h. Dezentralisation des Aufgabenbereichs des Zentralsekretariats (sowohl für das regu-läre Programm als auch der aus UNDP-oder anderen Quellen gespeisten technischen Hilfe) auf die regionale und neuerdings auch auf die Länder-Ebene. Gegenwärtig unterhält die FAO fünf Regionalbüros (unter ihnen ein angesichts des aufgebauschten und gesucht wirkenden Aufgabenkreises viel zu aufwendiges Europa-Büro in Rom mit Nebenbüro in Genf) mit einem Budgetansatz von über 14 Millionen Dollar im Biennium 1974/75. Im kommenden Biennium 1976/77 sollen die Regionalbüros (insbesondere durch Einrichtung von ihrerseits nicht unproblematischen Nebenstellen) verstärkt und der entsprechende Budgetansatz etwa verdoppelt werden. In den Regionen der Dritten Welt werden die Büros durch Funktionäre im Range von Beigeordneten Generaldirektoren geleitet. Es fehlt bis heute an einer klaren und verständlichen Zielvorstellung zwischen dem Zentralsekretariat einerseits und den Regionalbüros mit ihren Nebenbüros andererseits (und natürlich auch zwischen den beiden letzterwähnten). Doppelarbeit und Zuständigkeitsüberschneidungen sind die unvermeidliche Folge. Schon bei dem jetzigen Stande der Dezentralisation ist es fraglich, ob der beträchtliche Aufwand für die Regionalbüros in einem auch nur annähernd gesunden Verhältnis zu dem steht, was sie substantiell leisten. Neben dem nominellen Aufwand für die Personal-und Sachkosten der Büros stellt sich in jedem Falle die weitere Frage, inwieweit sie durch ihr bloßes Vorhandensein die Effizienz des Gesamtapparates der FAO beeinträchtigen. Bei der Würdigung von Pro und Kontra sollten eine hektische Reisetätigkeit innerhalb der Region und von der Region nach Rom und umgekehrt sowie die Abhaltung von oft fragwürdigen Sitzungen noch nicht an sich als aussagekräftige Indikatoren für sachlich nützliche Arbeit angesehen werden.
Die bereits akut in Erscheinung tretenden Führungs-, Organisationsund Ablaufprobleme dürften sich in naher Zukunft noch wesentlich verstäiken, wenn die gegenwärtig — wiederum vor allem auf Drängen der Entwicklungsländer — in einer Art von Dezentralisationsneurose erwogenen Pläne in Richtung auf eine „extreme Dezentralisation" verwirklicht werden, die alles bisher Vorhandene und konkret Geplante in den Schatten stellen. Viele Entwicklungsländer sehen darin eine Art von Wundermittel für die bestehenden Führungs-und organisatorischen Probleme.
Wollte man es mit dem Begriff der Dezentralisation im Sinne der herrschenden Begriffsbestimmung ernst nehmen, so würde sie auch im Falle der FAO die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen und Verantwortung auf eine untere Ebene beinhalten. Wenn eine Dezentralisation nicht gleichbedeutend mit der Schaffung von mehreren regionalen „little FAOs" sein soll (was auf Desintegration einer weltweiten Organisation wie der FAO hinauslaufen würde), so ist auch für die übertragenen Funktionen zumindest eine neue organisatorische Einheit für die Gesamtplanung, Organisation, Koordination, Auswertung und Gesamtkontrolle der auf regionaler Ebene zu leistenden Arbeit erforderlich. Schon aus diesen Gründen wäre es eine Illusion, von einer Dezentralisation eine Kostenersparnis im allgemeinen und einen Personalabbau im besonderen zu erwarten. Alle Wahrscheinlichkeit und die Erfahrung sprechen für eine weitere Kostenexplosion. Eine der Kernfragen lautet daher, ob die von einer starken Dezentralisation erwarteten Ergebnisse — abgesehen von ihrem nur schwer abzuschätzenden desintegrierenden und leistungsmindernden Effekt — den erheblich höheren Kostenaufwand wert sind.
Völlig unklar ist bisher ferner, welche konkreten Entscheidungsbefugnisse auf die regionale Ebene delegiert werden können und sollen und inwieweit daher Budgetmittel dorthin zu übertragen wären. Gleichzeitig wäre auch zu entscheiden, ob und inwieweit entsprechende Aktivitäten in der Zentrale abgebaut bzw. durch Koordinierungs-und Planungsinstanzen zu ersetzen sind. Dezentralisation über die Regionalebene hinaus auf Länderebene würde die angedeuteten Probleme noch erheblich multiplizieren Es hat Jahre gebraucht, bis solche und andere an sich ziemlich elementare Gedankengänge wenigstens bei einigen der an der Diskussion des Themas Beteiligten Berücksichtigung gefunden haben. Es fehlt nicht an kritischen Stimmen innerhalb des FAO-Sekretariats und der FAO-Gremien, die vor einer konzeptionslosen und allzu schnellen Dezentralisation warnen. Aber es sind Stimmen einer Minorität. Die Mehrheit der an der Diskussion und an den Entscheidungen Beteiligten glaubt naiverweise weiterhin, daß eine Dezentralisation neben anderen Vorteilen auch eine Kostenersparnis mit sich bringen wird — oder sie gibt vor, daran zu. glauben. Die Entwicklungsländer haben auch dieses Thema systematisch emotionalisiert und gehen auf sachliche Gegenargumente nicht mehr ein. Das Sekretariat gibt — auch an der Spitze — dem Druck immer mehr nach. Leider findet das Engagement mancher Vertreter von Entwicklungsländern im Sinne einer erheblich verstärkten Dezentralisation seine Erklärung nicht immer vorwiegend in Sachgründen, sondern ganz simpel auch in dem Interesse an der Schaffung neuer wohldotierter Posten in den Entwicklungsländern. Die Regionalbüros sind, insbesondere an der Spitze, vorwiegend mit Funktionären aus der Region besetzt, und mancher Ex-Minister oder hoher Beamter hat dort seinen „Abstellplatz" gefunden. Die Zahl solcher Pfründen würde sich durch die Schaffung von Länder-büros noch wesentlich erhöhen. (Für die technische Hilfe, welche vor allem mit UNDP-Mitteln finanziert wird, hat die FAO bereits in etwa 60 Entwicklungsländern fachkundige Berater in die Büros der Ständigen Vertreter des UNDP delegiert — eine zwar der Verbesserung fähige, aber doch bewährte Regelung, bei der allerdings der entsandte Berater nicht aus dem Gastland stammt.)
Lähmendes Arbeitsklima
Die FAO hat in einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum von etwa zehn Jahren eine Expansion durchgemacht, welche Parallelen nur in der Industrie hat. Die rasante Entwicklung vollzog sich, ohne daß entsprechende strukturelle, organisatorische und menschliche Anpassungen vorgenommen wurden. Strukturell ist die Organisation im Grunde so geblieben, wie sie anfänglich konzipiert worden war.
Neue Aufgaben und Funktionen wurden einfach horizontal angegliedert, statt sie entweder vertikal zu integrieren oder die Organisationsstruktur nach anderen Kriterien neu zu formieren. Es entstand ein überbürokratisierter Koloß. Diese Entwicklung konnte nicht ohne Einfluß auf das Arbeitsklima und die Arbeitsmoral bleiben, was wiederum eine verminderte Arbeitsproduktivität zur Folge hatte. Daraus ergab sich das Motiv für eine weitere Aufblähung des Personalapparates, auch wenn es nur darum ging, einen unveränderten Arbeitsanfall zu bewältigen. Es ist nicht gelungen — oder richtiger gesagt: es wurde nie ernsthaft angestrebt—, durch Hebung der Arbeitsmoral und Schaffung eines gesunden Arbeitsklimas die Arbeitsproduktivität so zu erhöhen, daß dadurch der Personalzuwachs gestoppt oder wenigstens verlangsamt worden wäre.
Aus der langen Liste der einzelnen, sich zum Teil überschneidenden Faktoren, welche Arbeitsklima und -moral beeinflussen, seien hier nur die folgenden herausgegriffen (ohne ihnen damit eine bestimmte Rangordnung geben zu wollen): a) Überqualifikation. Die Bediensteten sind nicht selten für die von ihnen tatsächlich zu leistende Arbeit überqualifiziert. Ursächlich dafür ist die Ausschreibungspraxis, welche auf der unteren und mittleren Ebene viel zu hohe Qualifikationen verlangt. Unzufriedenheit ist die Folge. b) Mangelnde Weiterbildung. Viele Bedienstete haben keine ausreichende Möglichkeit, sich durch Besuche von Schulungskursen, Seminaren usw. weiterzubilden. Nach etwa drei bis fünf Jahren bekommen sie das Gefühl, den fachlichen Anschluß an die Außenwelt verpaßt zu haben. Hier liegt einer von vielen Gründen dafür, warum Bedienstete nach einigen Jahren die Neigung entwickeln, auch den Rest ihres beruflichen Lebens bei der FAO abzusitzen, zumal die in etwa dem diplomatischen Dienst entsprechende Besoldung — zu der noch gewisse Privilegien kommen — meist für die tatsächlich geleistete (im Gegensatz zu der in der Stellenausschreibung geforderten!) Arbeit besser ist als anderswo.
Bei den „Absitzern" können — mit allen Vorbehalten, die gegenüber solchen Klassifizierungsversuchen zu machen sind, und im Bewußtsein der Tatsache, daß ähnliche Probleme auch in anderen großen Organisationen bestehen — u. a. zwei Gruppen unterschieden werden: — Diejenigen, welche frustriert ihre Bürostunden absitzen, ohne ihren dienstlichen Aufgaben mehr als ein allenfalls oberflächliches Interesse abzugewinnen. Das an jedem Monatsende vereinnahmte Geld hat sie geduldig gemacht und sie lassen ihre Gedanken schon am Morgen zu ihren vielseitigen Hobbies eilen. — Die anderen, welche oft ohne oder ohne starkes Interesse an ihrer Arbeit — und ohne überdurchschnittliche Qualifikation — rücksichtslos auf Karriere zielen und denen dabei alle Mittel recht sind. c) Unsicherheit bezüglich der eigenen Leistung. Die vom Bediensteten geleistete Arbeit führt oft zu keinen sichtbaren Resultaten. Es fehlt weiterhin an klaren Zielvorstellungen für die zu leistende Arbeit. Da viele nicht nur um ihres Gehaltes willen zu arbeiten pflegen, liegt hier ein besonders negativer Faktor für das interne Klima. Die allgemeine Idealvorstellung, „etwas" für die Entwicklungsländer zu tun, ist für viele nicht ausreichend. d) Frustration durch Ausführung sinnloser Arbeit. Noch destruktiver freilich wirkt sich auf die Arbeitsmoral Hunderter von Bediensteten (auf der mittleren, unteren und der Hilfsdienst-Ebene) aus, daß sie unsinnige Dinge tun oder daß sie — möglicherweise sinnvolle — Arbeit in unsinniger Weise zu erledigen haben. Es muß auf einen Funktionär der unteren Ebene frustrierend wirken, wenn er auf Weisung aus der mittleren, höheren oder gar höchsten Ebene gezwungen ist, an der kostspieligen Versetzung eines nach klarer Aktenlage (wegen fachlicher Unfähigkeit, grober
dienstlicher Nachlässigkeit oder Alkoholis-mus) nicht geeigneten „Experten" von einem Kontinent zu einem anderen mitzuwirken. Der Funktionär der unteren Ebene hielte die schnellstmögliche Entlassung des „Experten" für geboten, muß sich dann aber sagen lassen, daß Experten knapp seien und man mit dem problematischen Kandidaten einen „letzten" Versuch machen wolle. Weisungsgemäß befolgt der untere Funktionär die ihm erteilten Instruktionen, fragt sich aber, ob nicht eine gewisse Einschränkung der technischen Hilfe besser wäre als das Herumexperimentieren mit unzulänglichen „Experten".
Bedrückend ist es für Bedienstete, wenn sie an der Vorbereitung von Dienstreisen ihrer Vorgesetzten beteiligt sind und aus der Gesamtheit der ihnen bekannten Umstände wissen, daß die Dienstreise einen klaren Mißbrauch amtlicher Mittel darstellt (z. B. insbesondere die Durchführung einer sachlich überflüssigen Dienstreise nur aus dem Grund, um sie mit einer rein privaten Reise zu kombinieren). Viel häufiger sind die Beispiele, daß Dinge, die an sich vielleicht sinnvoll sind, nach einer Prozedur abgewickelt werden, die nicht mehr den heutigen Anforderungen entspricht. Die Organisationsabläufe (Personalfragen, Buchhaltung usw.) sind im wesentlichen die gleichen geblieben wie vor einem Vierteljahrhundert. Das einschlägige „Manual" wurde substantiell nie überarbeitet. e) Nicht führende Führungskräfte. Die meisten Führungskräfte führen heute noch so wie in den Anfängen der Organisation, d. h., sie treffen zu viele Ad-hoc-Entscheidungen ohne angemessene Einschaltung der Mitarbeiter, und sie beschäftigen sich viel zu viel mit Details, die auf einer unteren Ebene besser erledigt werden könnten. Es ist in einer Organisation wie der FAO weithin bekannt, daß manche „Führungskräfte" (darunter viele durch Inzucht aufgestiegene) offenbar eine intellektuelle Befriedigung gerade in der Beschäftigung mit primitiven Problemen finden, für die sie viel zu hoch besoldet sind. Ein solches Sichbeschäftigen mit liebgewordenen Details läßt dann allerdings wenig Zeit für echte Führungsarbeit wie Planen, Grundsatzentscheidungen und Wahrnehmung von Kontrollfunktionen. Die Tatsache, daß die Unfä-higkeit vieler Führungskräfte in den unteren Ebenen nur allzu deutlich erkannt wird, kann natürlich nicht ohne Konsequenzen bleiben, von denen der Autoritätsverlust noch nicht einmal die ernsteste sein muß. f) Typ von Mitarbeitern. Die FAO hat es — abgesehen von den Problemen des Nationalitätenproporzes — überwiegend mit Mitarbeitern zu tun, welche fachliche Qualifikationen im landwirtschaftlich-technischen oder im einschlägigen sozio-ökonomischen Bereich besitzen. Die wenigsten dieser Fachkräfte haben eine Führungsausbildung. Viele kommen aus Organisationen oder Verwaltungen, in denen sie gewohnt waren, in kleinen Teams zu arbeiten, ohne sich um Management-und Verwaltungsprobleme zu kümmern. Die Eingliederung in den riesigen und kaum übersichtlichen Apparat der FAO führt bei vielen zu Anpassungsschwierigkeiten.
Soweit es sich nicht um den landwirtschaftlich-technischen und den sozio-ökonomischen Bereich handelt, werden in der FAO Fachstellen, bei denen keine meßbaren Leistungen zu erbringen sind, häufig mit Nichtfachleuten besetzt, und zwar vor allem in der mittleren und höheren Ebene. Die fraglichen Funktionäre pflegen allerdings eine gewisse Mindestbegabung im Verbergen oder überspielen ihrer Inkompetenz zu haben. Im FAO-Jargon spricht man von der Mafia dieser Son-der-„Begabten", die sich gegenseitig fördern und stützen. Sie haben kaum ein Interesse an strukturellen und organisatorischen Verbesserungen, und sie sind zu ihrem eigenen Schutz bemüht, die Einstellung fachlich Qualifizierter in ihrem Kompetenzbereich zu verhindern. Hier liegt die Erklärung dafür, daß es im administrativen Bereich kein ausreichend entwickeltes Planungssystem gibt, daß ein veraltetes Budget-und Buchhaltungssystem und ein in den Anfängen steckengebliebenes Personalsystem fortbesteht. Alle Ansätze zu Verbesserungen, für die es gute Vorschläge gibt, werden vom Management erstickt oder allenfalls oberflächlich berücksichtigt. g) Standort der FAO. Das Arbeitsklima wird durch den — von vielen Bewerbern schon als solchen besonders begehrten — Standort Rom eher ungünstig beeinflußt. Die Nachteile liegen hauptsächlich in der Aufweichung der Organisation durch den römischen Einfluß von innen und von außen: hohe Abwesenheitsrate, Ministerialdenken, Tendenz zur Lebenspfründe, Arbeit strikt nach Vorschrift und — nicht zuletzt — Streikdenken. Es ist übrigens bemerkenswert, daß die ungünstigen Auswirkungen des Standortes Rom keineswegs vorwiegend bei den italienischen Bediensteten in Erscheinung treten. Eine im Jahre 1975 durchgeführte statistische Erhebung ergab beispielsweise für die Abwesenheitsrate bei dem Hilfsdienst („general Service"), daß die Italiener nicht an erster Stelle stehen.
f) Unterschiedliche Nationalitäten der Bediensteten.
Die Herkunft der Mitarbeiter aus der ganzen Welt bringt nicht nur sprachliche Verständigungsschwierigkeiten mit sich, sondern auch eine unterschiedliche Interpretation des gleichen Vorgangs oder Zusammenhangs. Die Verschiedenheiten könnten sich in einer aktionsgeladenen, vom Team-Geist beherrschten Mitarbeiterschaft, in der sich jeder mit einer gewissen Freiheit entfalten kann, positiv auswirken. In der Arbeitsatmosphäre der FAO haben sie eher frustrierende und sterile Wirkungen, und Spannungen unter den Mitarbeitern sind unvermeidlich.
Wenn auch die vorstehenden Klassifizierungen und Charakterisierungen notgedrungen grob und übervereinfacht sind, so entsprechen sie doch dem Bild, welches sich heute bietet. Trotz der skizzierten Problematik „funktioniert" die FAO irgendwie, und bei allem Leerlauf werden doch gewisse Leistungen erbracht. In allen Dienstgraden gibt es (noch) einen soliden Stamm von Funktionären und Hilfskräften, die trotz ihrer aus der Gesamtlage der Organisation resultierenden Frustration im Interesse der Sache — an der freilich auch sie immer unsicherer werden — in ihrem engen Aufgabenbereich ihre Pflicht tun. Ohne diese leider immer kleiner werdende Gruppe von Pflichtbewußten wäre das Leistungsniveau der FAO längst noch weiter abgesunken.
Die praktische Erfahrung in der FAO hat wiederholt gezeigt, daß es unmöglich ist, isoliert in einzelnen Abteilungen den Leistungsstandard zu heben. Manchem Vorgesetzten, der sich anschickte, das zu tun, wurde schnell bedeutet, daß er Unmögliches verlange, solange nicht in allen Abteilungen ein entsprechender Standard gefordert und durchgesetzt wird. Ein Schlaglicht auf die — sicherlich durch den Standort Rom mitbeeinflußte — Mentalität der Hilfskräfte war ein einwöchiger Streik im Jahre 1974. Es ging dabei um handfeste materielle Verbesserungen, welche allerdings hinter Schlagworten wie „Verwirklichung der Menschenwürde" und „Humanisierung der Arbeitsbedingungen" kaschiert wurden. Die Streikenden nahmen solche Slogans allerdings für bare Münze, statt die Redner mit Lachsalven zum Schweigen zu bringen und sodann über die materiellen Verbesserungswünsche zu diskutieren. Der Grad der geistigen Verwirrung vieler Streikteilnehmer wurde etwa dadurch illustriert, daß in einer Streikversammlung eine Rednerin stürmischen Applaus für die These erhielt, daß die Bediensteten der FAO „unter einer Tradition des Feudalismus leiden", ja daß sie im Laufe der Zeit in „menschliche Nullen" verwandelt worden seien. Niemand widersprach, und vor allem wagte es keiner, den Streikenden klar zu machen, daß die FAO nicht in erster Linie gegründet worden ist, um den Interessen ihrer Bediensteten zu dienen. Die Spitze des FAO-Sekretariats, einschließlich des Generaldirektors, ließ sich auf unnötige Kompromisse ein, wofür sie dann vom FAO-Rat hart getadelt wurde.
Die Arbeitsbedingungen in der FAO sind diejenigen von Privilegierten. Jeder Versuch, den Arbeitsprozeß über den heutigen Zustand hinaus zu „humanisieren", wäre gleichbedeutend mit noch weiter verringerter Effizienz mancher Einheiten der Organisation. Ohne Rücksicht auf ihren Rang haben alle Bediensteten volle 30 Arbeitstage Ferien. Dazu kommt großzügig gewährter Krankheitsurlaub, der von nicht wenigen parasitär ausgenutzt wird. Die Organisation respektiert ferner zehn internationale und italienische Feiertage. Die wöchentliche reine Arbeitszeit beträgt im Winter 40, im Sommer 37, 5 Stunden. Davon gehen, seit Jahren vom Management toleriert, für viele Bedienstete täglich zwischen eineinhalb und zwei Stunden für rein persönliche Zwecke verloren, beispielsweise durch Nichteinhaltung der Dienststunden, für erheblich verlängerte Mittagspausen, für mehrfache ausgiebige Kaffeepausen und für die Erledigung privater Angelegenheiten bei den in den FAO-Gebäuden eingerichteten Bank-, Post-und Reisebüros sowie im „Photo-Shop", ferner für Einkäufe in einem florierenden Souvenirladen und in zwei zollfreien Supermärkten. Notwendigkeit einer umfassenden Reorganisation Die der FAO gestellten Probleme sind zu ernst, als daß ein weiterer Leistungsabfall hingenommen werden könnte. Nach dreißigjährigem Bestehen der Organisation bedarf es einer durchgreifenden Reorganisation. Diese darf sich nicht auf einzelne Aspekte beschränken, sondern muß das Ganze anpacken. Das Arbeitsklima ist zu einem entscheidenden Teil ein Reflex der unzulänglich gewordenen organisatorischen Strukturen. Die notwendige gründliche Generalüberholung an Haupt und Gliedern hätte von einer Überprüfung der Funktionen auszugehen. Die Kernfragen könnten etwa lauten: Welche Funktionen sind gegenwärtig und in der mittelfristigen Zukunft (noch) erforderlich, welcher organisatorischen Struktur bedarf es zu ihrer Erfüllung und welcher Personalbedarf besteht dafür? Alle Erwägungen haben von der Tatsache auszugehen, daß die FAO heute im Gegensatz zu den ersten Jahren ihres Bestehens nicht mehr in erster Linie ein internationales Landwirtschafts-Institut ist, sondern zusätzlich die Funktion einer aktionsorientierten internationalen Entwicklungsagentur übernommen hat. Dieser veränderten Situation müssen nicht nur die Strukturen, sondern auch die auf völlig andere Bedürfnisse zugeschnittenen Verfahrensvorschriften (z. B. für Personalfragen) angepaßt werden.
Die Reform der FAO ist durch die Schaffung neuer Institutionen nicht gegenstandslos geworden. Im Gegenteil: Die seit der Welternährungskonferenz gegründeten neuen Institutionen setzen die Existenz einer funktionierenden FAO voraus. Die hinter der Gründung neuer Institutionen stehenden Interessengruppen pflegen die These zu verbreiten, die FAO sei den Erfordernissen, die sich aus der Zuspitzung der Welternährungslage ergeben haben, nicht gewachsen, und sie fügen meist hinzu, daß die FAO nicht mehr reformierbar sei. An der ersten These ist etwas Richtiges, die zweite ist durch nichts bewiesen. Es wäre mit Bestimmtheit und ohne organisatorische Desintegrierung zum Beispiel möglich gewesen, den Welternährungsrat und die Beratende Gruppe für Nahrungsmittelerzeugung und Investitionen in die FAO einzubauen. Nicht die sachliche Möglichkeit fehlte dazu, sondern der Wille.
Die Überprüfung sollte am zweckmäßigsten einer Arbeitsgruppe anvertraut werden, die sich aus unabhängigen, integren sowie persönlich und an einer Karriere uninteressierten Fachleuten zusammensetzt. Sie müßte die Kompetenz haben, ohne Rücksicht auf politische oder personelle Konsequenzen an die Probleme „an sich" heranzugehen. Die erarbeiteten Vorschläge könnten zusammen mit der Stellungnahme des Generaldirektors dem FAO-Rat und der FAO-Konferenz als Entscheidungsgrundlage dienen.
Es wäre übrigens wenig sinnvoll, eine solche Untersuchung einer der üblichen Consultant-Firmen zu übertragen. Solchen Unternehmen fehlen die Kenntnisse der internen Struktur und der Erfordernisse von Organisationen wie der FAO. Cost-Benefit-Gesichtspunkte geben keine geeigneten Kriterien ab. Erfahrungen in der Vergangenheit haben gezeigt, daß die Einschaltung solcher Firmen aus den erwähnten Gründen nicht nur zu Fehlvorschlägen führt, sondern daß solche Firmen mangels ausreichender Einsicht in die Zusammenhänge auch für persönliche Interessen und Machtkombinationen mißbraucht werden können.
III. Die Welternährungskonferenz
Zu den greifbaren Ergebnissen der UN-Welternährungskonferenz (WEK) in Rom vom 5. bis 16. November 1974 gehören die auf Grund ihrer Empfehlungen eingeleiteten institutionellen Neuschöpfungen (siehe Abschnitt I). Sie beinhalten Kompetenzzersplitterung und weitere personelle Aufblähung. Wie in Abschnitt II erwähnt wurde, ist allein bei der FAO die zusätzliche Einstellung von einigen Hundert Bediensteten unter Hinweis auf neue Aufgaben im Zusammenhang mit den Empfehlungen der WEK konkret geplant. Dazu kommt der direkte Personalbedarf der neuen Institutionen selbst, welche neben — und zum Teil über — die FAO getreten sind. Insbesondere stellt die Errichtung des Welternährungsrats (WER) und der Beratenden Gruppe für Nahrungsmittelerzeugung und Investitionen, auf die noch im einzelnen einzugehen ist, einen klaren Einbruch in die Zuständigkeit der FAO dar.
Die Initiative für die WEK — eine von mehreren UN-Sonderkonferenzen des Jahres 1974 — ging nicht vom Generaldirektor der FAO aus, sondern kam von außen, und zwar insbesondere von den Blockfreien Staaten und von den USA. Während der amerikanische Vorschlag sich ursprünglich auf die Welt-Nahrungsmittelversorgung im Zusammenhang mit Naturkatastrophen beschränkte, strebten die Blockfreien ganz systematisch eine Politisierung des Welternährungsproblems an. Sie wollten die sich seit dem Jahre 1973 abzeichnende Versorgungskrise politisch „in den Griff" bekommen. Trotz dieser Absichten traf sich dann freilich auf der WEK doch wieder fast nur der übliche FAO-set, d. h. bestenfalls . die Agrarminister mit ihren gewohnten Beamtenstäben.
Die Welternährungskonferenz war — anders als die Welternährungskongresse der FAO im Jahre 1963 (Washington) und 1970 (Den Haag) — eine Regierungskonferenz auf Minister-oder Ministerstellvertreterebene, welche sich als UN-Sonderkonferenz von den alle zwei Jahre stattfindenden Routine-Konferenzen der FAO unterscheidet.
Es ist der Konferenz gelungen, dem Welternährungsproblem für einige Monate das internationale Echo zu geben, welches es verdient. Dank der von der FAO geleisteten guten Vorarbeit gelang es der WEK, den Ernst des Problems so transparent wie wohl nie zuvor zu machen. Wichtiger noch als die Lage-Analyse ist die in den 22 Resolutionen der WEK be17 kräftigte Einsicht, daß das Nahrungsdefizit der Entwicklungsländer dauerhaft nur durch die Steigerung ihrer Eigenproduktion, d. h. durch ihre Eigenanstrengungen, vermindert werden kann, und daß der Entwicklungshilfe daher eine zwar wichtige, im Grunde aber doch nur flankierende Bedeutung zukommt. Eine andere Frage ist es freilich, inwieweit sich diese Einsicht in der Praxis ausgewirkt hat. Wenn die Ergebnisse der WEK auch nicht überschätzt werden sollten, so erscheint es doch stark überspitzt, wenn der jordanische Regierungsdelegierte im FAO-Rat im März 1975 die These vertrat, daß die meisten Resolutionen der WEK nur reinen Propagandacharakter tragen.
Konkrete Fortschritte sind seit der WEK im wesentlichen nur bezüglich der Schaffung eines international koordinierten Systems der Haltung nationaler Lager in den entwickelten und den Entwicklungsländern und des Ausbaus eines weltweiten Informationsund Frühwarnsystems für die Ernährung und Landwirtschaft gemacht worden. Die insofern längst vorbereiteten Maßnahmen wären aber auch ohne die Abhaltung der WEK getroffen worden. Allenfalls kann als Verdienst der WEK die Sicherstellung einer gewissen Kontinuität der Nahrungsmittelhilfe angesehen werden (Empfehlung, daß die Geberländer vom Jahre 1975 an jährlich mindestens 10 Millionen Tonnen Getreide bereitstellen). Bezüglich des außerordentlich wichtigen Stichwrts Eigenbemühungen der Entwicklungsländer sind den Empfehlungen der WEK bisher keine sichtbaren Taten gefolgt. Vor allem in den Ländern mit besonders kritischer Ernährungslage kann von wesentlich neuen Ansätzen nicht gesprochen werden.
Fühlbare Auswirkungen hatte dagegen die WEK sehr bald auf institutionellem Gebiet. Würde es gelingen, für die Erzeugung von ahrungsmitteln in den Entwicklungsländern uch nur annähernd gleich hohe Zuwachsraten zu erreichen, wie es seit der WEK hinsichtlich der Welternährungs-Bürokratie „gelungen" ist, so würden die Länder der Dritten Welt bald vor dem Traumproblem stehen, wie sie ihrer Produktionsüberschüsse Herr werden können.
Die Errichtung der neuen Institutionen geht vor allem auf das energische, gelegentlich fast fanatische Drängen der Entwicklungsländer zurück. Vordergründig spielte für die Haltung dieser Länder vor allem das problematische Image der FAO eine wichtige Rolle. Manche Länder waren und sind tatsächlich der Meinung, daß die neuen Institutionen die erforderlichen Maßnahmen energischer vorantreiben könnten. Die Tatsache, daß auch in den neuen Institutionen regierungsseitig und von selten der Sekretariate überwiegend die von früher her bekannten Personen agieren, neigt man zu verdrängen. Niemand denkt an Auflösung der FAO, viele nehmen es aber hin, ihr eine sekundäre Rolle (u. a. als ein Reservoir fachlicher Expertise) zuzuweisen. Der Gedanke, von der hohen Warte der WEK aus in feierlicher Form die Empfehlung auszusprechen, die FAO einer Reform zu unterziehen, wurde überhaupt nicht erwogen. Es wurde andererseits auch gar nicht erst versucht, das Aufgabengebiet einiger der neuen Institutionen (vor allem des WER) mit dem der FAO abzustimmen.
Noch entscheidender waren und sind allerdings die hintergründigen Gesichtspunkte. Das Hauptmotiv der auf der Konferenz fest zum Einsatz ihrer Majorität entschlossenen Entwicklungsländer für die Errichtung neuer Institutionen lag in dem Bestreben, diese als Vehikel für den Transfer zusätzlicher Ressourcen zu benutzen. Der Preis der Kompetenzzersplitterung — soweit man die Gefahr überhaupt erkannte — wurde in Kauf genommen. Zu den hintergründigen Aspekten, die für manche Befürworter des Kurses einer institutionellen Aufblähung eine Rolle spielten, gehört leider auch das Motiv persönlicher Postenjägerei. Die Errichtung des WER und der anderen neuen Institutionen bringt einen erheblichen Personalbedarf mit sich, u. a. auch zur Besetzung einer relativ großen Zahl von Spitzenpositionen.
Während die Haltung der Entwicklungsländer angesichts der erwähnten hintergründigen Gesichtspunkte wenigstens bis zu einem gewissen Grade plausibel ist, fällt es schwer, die Haltung der entwickelten Länder auf der WEK bezüglich der Errichtung neuer Institutionen zu verstehen. Zum Teil schien man die desintegrierenden Auswirkungen nicht zu sehen und auch die hintergründigen Motive der Entwicklungsländer nicht zu durchschauen, zum Teil glaubte man sogar, dem neuen Kurs positive Aspekte abgewinnen zu können In jedem Fall haben die entwickelten Länder auch die Resolutionen der WEK auf institutionellem Gebiet im Konsensusverfahren ohne Vorbehalte mitangenommen und sind damit für die Folgen mitverantwortlich.
Die Überschneidungen werden von Monat zu Monat deutlicher, auch wenn dies von außen gesehen noch nicht klar erkennbar ist und ein Eklat bisher vermieden werden konnte. Zaghaft äußern sich sogar die Vertreter von Entwicklungsländern in amtlichen Gremien über Doppelarbeit und Zuständigkeitsüberschneidungen. Stellvertretend für viele ist eine bemerkenswerte Äußerung, welche der „Unabhängige Vorsitzende" des FAO-Rats, Gonzalo Bula Hoyos (Kolumbien), bei der Eröffnung der Herbst-Session des FAO-Rats gemacht hat und die auch in Pressekommuniques Verbreitung gefunden hat: „Wir Regierungsvertreter sollten unser Unbehagen darüber nicht verbergen, daß in zunehmendem Maß Angelegenheiten und Probleme, die ihrer Natur und Definition nach Sache der FAO sind, mehr und mehr zum Gegenstand von Erörterungen in anderen Gremien werden ... Wenn unsere Organisation nicht angemessen und schnell handelt, so könnte sie zur Impotenz und Unfähigkeit verurteilt sein." Dieses Understatement des wegen seines oft bewiesenen gesunden Urteils und seiner Integrität bekannten Sprechers kennzeichnet treffend die Lage.
Im Sekretariat des WER, dem Fokus der neuen Institutionen, ignoriert oder bagatellisiert man derartige Warnungen im Gefühl der frisch erklommenen neuen Position. Man sieht ganz im Gegenteil gerade in der Schaffung neuer Institutionen eines der — wenn nicht das — Hauptergebnis der WEK. Typisch ist der Satz in einem Pressekommunique des WER, welches etwa zur gleichen Zeit abgefaßt wurde, als Bula Hoyos seine Erklärung abgab: „Die schnelle Schaffung der neuen Institutionen zeigt, daß das Momentum, welches die WEK geschaffen hat, nicht verloren gegangen ist." In dem seitenlangen Kommunique findet sich dagegen kein einziges Wort darüber, inwieweit die Entwicklungsländer der Aufforderung der WEK entsprochen haben, ihre Eigenbemühungen zur Steigerung der Nahrungsproduktion zu verstärken.
IV. Der UN-Welternährungsrat
Entsprechend der Empfehlung der Welternährungskonferenz beschloß die UN-Generalversammlung im Dezember 1974 in ihrer XXIX. Session durch Resolution 3348 die Errichtung des UN-Welternährungsrats (WER). Der Rat hat die Aufgabe, „auf Minister-oder Ministerstellvertreter-Ebene als ein Organ der UN zu wirken". Er soll durch den Wirtschafts-und Sozialrat (ECOSOC) an die UN-Generalversammlung berichten und als „Koordinierungsapparat" dienen. Seine Koordinierungsfunktion soll gegenüber sämtlichen Organisationen des UN-Systems gelten und sich auf die „Politiken betreffend Nahrungsmittelerzeugung, Ernährung, Welternährungs-Sicherheit, Nahrungsmittelhandel und Nahrungsmittelhilfe sowie verwandte Probleme" erstrecken. Der Rat soll durch ein kleines und leistungsfähiges Sekretariat „innerhalb des Rahmens der FAO" unterstützt werden. Dieses — nicht Teil des FAO-Sekretariats bildende — Sekretariat bestand Ende 1975 aus etwa 20 Mitarbeitern. Es wird geleitet von einem Executive Director (dem Amerikaner J. A. Hannah) und zwei Deputy-Exe-cutive Directors
Dem WER gehören auf Rotationsbasis 36 vom ECOSOC vorgeschlagene und von der UN-Generalversammlung gewählte Mitgliedsländer der UN an. Gegenwärtig sind 26 Entwicklungsländer und zehn Industrieländer (unter ihnen die Sowjetunion) Ratsmitglieder. Als ersten Präsidenten wählte der Rat den früheren ägyptischen Landwirtschaftsminister und derzeitigen Präsidenten des ägyptischen Par-laments, Sayed Marei. Marei hatte als Generalsekretär der WEK maßgeblich im Sinne der Schaffung der neuen Institutionen mitgewirkt.
Der WER ist nunmehr das höchste Organ für Welternährungsfragen im UN-System, als welches für mehr als ein Vierteljahrhundert die FAO anzusehen war. Den anderen neuen Institutionen obliegt eine Pflicht zur direkten Berichterstattung an den WER, womit das Unterstellungsverhältnis klar umschrieben wird. Auch die UNCTAD hat dem WER künftig regelmäßig zum Thema Welthandel mit Nahrungsmitteln zu berichten. Abgestuft ist das Verhältnis zum GATT, von dem keine Berichte, sondern „Informationen" auf dem gleichen Sachgebiet erwartet werden. Im Verhältnis zur FAO ist eine Berichtspflicht ausdrücklich für die Probleme der Düngemittelversorgung und des weltweiten Frühwarnsystems festgelegt worden.
Die dem WER übertragene ganz allgemeine Funktion als oberste Koordinierungsinstanz geht freilich weit über diesen Katalog hinaus. Sie ist gleichbedeutend mit dem Recht, im gesamten UN-System alle Probleme der Welternährung aufzugreifen und zu verfolgen. Im Gegensatz zum UN-Weltsicherheitsrat, der den Mitgliedsländern der UN Weisungen ge-ben kann, hat der WER nur die Befugnis, gegenüber allen einschlägigen UN-Organisationen und gegenüber den Regierungen Empfehlungen auszusprechen.
In diesem Punkt wird deutlich, daß der WER substantiell keine größere Machtbefugnisse hat, als die FAO-Konferenz und der FAO-Rat sie bereits hatten. Auch diese Organe der FAO können Empfehlungen sowohl gegenüber allen anderen UN-Sonderorgänisationen oder Programmen als auch gegenüber Regierungen aussprechen. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Text und Sinn der Präambel und des Artikels I der Verfassung der FAO.
Was die Entwicklungsländer von WER erwarten, hat der Pakistani Sartyj Aziz deutlich in einem Presseinterview gesagt „Wenn sich der WER zu einem seriösen und pragmatischen Organ entwickelt und für seine Empfehlungen genügend Prestige und Gewicht gewinnt, so könnte er für die Welternährungs-Sicherheit fast die gleiche Rolle spielen wie der Weltsicherheitsrat für die politische Sicherheit." Der Akzent ist auf das „Wenn" zu legen. Damit wird der „Faktor Mensch" angesprochen, d. h. die persönliche Qualität der Ratsmitglieder und des Rats-Sekretariats, ein Faktor, der für die alten und die neuen Strukturen gilt. Es ist nicht erkenn-bar, inwiefern die neuen Institutionen unter diesem Aspekt — und selbst unter dem des anfänglichen Elans („Neue Besen kehren gut") — besser abschneiden sollten als die vorhandenen. Die Mitgliedsländer entsenden in den WER die Vertreter der gleichen Fach-ressorts, welche bereits mit allen ihren Vorzügen und Schwächen aus den FAO-Gremien bekannt sind. Die Teilnahme von Ministern hätte sich auch im FAO-Rat — gegebenenfalls in Sondersitzungen — arrangieren lassen. Es ist reines Wunschdenken zu glauben, daß schon die Errichtung des WER zusätzlich zum FAO-Rat und der FAO-Konferenz eine erhöhte Autorität und Effizienz dieser neuen Institution beinhaltet. Die wahren — hintergründigen — Motive wurden bereits im Abschnitt III erwähnt. Sicherlich lag auch hinter dem Drängen auf Errichtung des WER als Hauptmotiv die Erwägung, ein weiteres Instrument für die Erwirkung eines zusätzlichen Transfers von Ressourcen zu schaffen. Dies um so mehr, als die meisten Entwicklungsländer den WER — ähnlich wie z. B. UNCTAD und UNIDO — als „ihre" Institution betrachten und davon überzeugt sind, daß ihnen die Kontrolle über den schwerfälligen Apparat der FAO weniger Einfluß auf die komplexe Materie Welternährung geben würde als über das neugeschaffene Instrument WER. Wenn insofern noch irgendwelche Zweifel bestanden, so wurden sie durch den Verlauf der ersten Session des WER ausgeräumt
Unterstellt man einmal die Opportunität der Errichtung des WER, so hätte es im Sinne eines auch nur primitiv sauberen organisatorischen Denkens nahe gelegen, die Zuständigkeit des FAÖ-Rats und der FAO-Konferenz entsprechend zu modifizieren (z. B. durch Herunterstufung des FAO-Rats auf ein Organ zur Vorprüfung von Problemen, mit denen dann anschließend der WER auf „höchster Ebene" befaßt wird). Die nunmehr geschaffene Zweispurigkeit der Kompetenzen muß zwangsläufig zur Konfusion führen.
Von diesem Blickpunkt aus brachte die erste fünftägige Session des WER im Juni 1975 kaum eine Überraschung. Mehrere hundert Delegierte und Beobachter aus etwa hundert Ländern sowie ein großer Troß von Vertretern zahlreicher UN-und sonstiger Organisationen (Rom ist eine Reise wert!) vollbrachten genau das Gegenteil von dem, was übereifrige Sekretariatsbedienstete dem Rats-Präsidenten Marei bereits in einem vorzeitig verteilten Presse-Kommunique in den Mund gelegt hatten: Die einwöchige erste Session des WER habe den seit der Welternährungskonferenz zu verzeichnenden politischen Willen (!) „in konkrete Initiativen und Aktionen" transformiert. Ein klassisches Beispiel für reines Wunschdenken. In Wirklichkeit wurden, wenn man einmal von erhitzten Debatten über prozedurale Fragen und über das angebliche Versagen des Sekretariats absieht, fast nur Monologe über Argumente gehalten, die aus unmittelbar vorhergehenden FAO-Sitzun-gen sattsam bekannt waren. Beispielsweise hatte der FAO-Rat nur wenige Tage zuvor ausgiebig über die Aussichten der Welternährungslage diskutiert. Die Erörterungen im WER zum gleichen Thema brachten nicht einmal Spuren neuer Gesichtspunkte. Angesichts der in anderen Gremien erzielten Ergebnisse ist nicht zu erkennen, welche politisch-praktische Bedeutung den Empfehlungen des WER z. B. bezüglich solcher Themen wie der Verbesserung der Nahrungsversorgung der MSA-Länder oder der Sicherung der Welternährung oder der Versorgung mit Dünge-und Pflanzenschutzmittel oder der Errichtung des Internationalen Agrarfonds zukommen könnte.
Es handelt sich um ein höchst aufwendiges, eher Konfusion als Klärung schaffendes, primitives Wiederkauen.
Die Problematik der neuen Institution wurde somit auch für die, denen die Phantasie zu ei-nem früheren Erkennen gefehlt hatte, über-deutlich. Delegierte aus entwickelten Ländern und Entwicklungsländern äußerten ihre Besorgnisse, wenn auch zum Teil aus gegensätzlichen Erwägungen. Der kanadische Landwirtschaftsminister hatte den Mut — angesichts der Erfahrungen der ersten Sitzungstage — auszusprechen, daß der Rat sich bald „überflüssig" machen werde, wenn man so weiterfahre wie bisher. Der letzte Sitzungstag und die ihm folgende Nachtsitzung boten durch die im Plenum demonstrierten Kontraste — auch innerhalb der Gruppe der „Blockfreien" — über Probleme, welche mit der Welternährungsfrage nichts zu tun haben, ein abstoßendes Schauspiel. Nur die starke Persönlichkeit Mareis verhinderte einen Abbruch, aber man konnte sich nicht einmal über den nächsten Sitzungstermin einigen (inzwischen auf Frühjahr 1976 festgesetzt).
Die Schuld für den unglücklichen Verlauf der ersten Session kann keineswegs bei den entwickelten Ländern gesucht werden. Sie waren zur Kooperation bereit, während die Entwicklungsländer untereinander zerstritten waren. Die Leitung der Session lag fest in der Hand der Entwicklungsländer, welche ihre Stimmenmacht so einseitig mißbraucht hatten, daß die westlichen Industrieländer völlig aus dem Präsidium herausgehalten wurden. Neben dem zum Präsidenten gewählten Ägypter Marei wurden die Chefdelegierten der UdSSR, Mexikos und Bangladeschs zu Vizepräsidenten gewählt. Nur die — besondere Fachkunde voraussetzende — Funktion des Rapporteurs wurde einem Mitglied der britischen Delegation übertragen.
Zu den dürftigen, immerhin aber konkretisierbaren Ergebnissen der ersten Rats-Session gehört die Annahme eines Aktionsprogramms weil es Schlüsse auf die im Sekretariat des Rats vorherrschende — durch ein Übermaß an Illusionen gekennzeichnete — Mentalität erlaubt. In dem Programm bescheinigte sich der WER ausdrücklich (gegen nur eine Stimme), daß er der „Welt höchstes politisches Organ für Ernährungsfragen" („the world's highest political body dealing exclusively with food") sei. Seine Hauptaufgaben sieht er darin, die Welternährungslage in allen ihren Aspekten zu überwachen, Mißstände und Probleme zu identifizieren und durch moralische Überzeugung seinen Einfluß im Sinne notwendiger Verbesserungen geltend zu machen. Das klein zu haltende Sekretariat soll mit Unterstützung anderer Organisationen, insbesondere der FAO, die Bemühungen auf internationaler und nationaler Ebene zur Steigerung der Nahrungsproduktion überwachen und dem Rat Verbesserungsvorschläge unterbreiten; das soll in Berichten von „hoher evaluierender und analytischer" Qualität (!) geschehen, die in einer vom üblichen offiziellen Stil abweichenden Sprache (!) abzufassen sind. Erste Priorität für die Arbeit des Sekretariats soll die Beobachtung der Entwicklung der Nahrungsmittelproduktion sein. Besondere Aufmerksamkeit soll ferner der Errichtung des Internationalen Fonds für die Landwirtschaftliche Entwicklung sowie dem Problem der Welternährungs-Sicherheit, einschließlich der Anlegung von Getreidevorräten, gewidmet werden. Für die nächste Sitzung des WER erwähnt das Aktionsprogramm ferner folgenden Themenkreis: Koordinierung der internationalen Arbeit auf dem Gebiet der Agrarinvestitionen und der Agrarforschung; Erörterung eines UNIDO-Berichts über Agroindustrien; Handel und seine Bedeutung für den Agrarsektor; Angemessenheit und Effizienz der Nahrungsmittelhilfe; Ernährungsfragen; sozio-ökonomische Veränderungen einschließlich Agrar-Reform; landwirtschaftliche Beratungsdienste; landwirtschaftliches Kredit-wesen; Bewässerung; Marketing und Transportdienste; Land-und Wasserprobleme.
In seinem Schlußprotokoll gibt der WER der — nicht, neuen — Erkenntnis Ausdruck, daß es schwierig sein werde, diese Aufgaben ohne Überschneidung mit der Arbeit anderer Organisationen zu erfüllen. Es entbehrt allerdings der Logik, wenn man (laut Protokoll) glaubt, das Problem der Doppelarbeit und der Überschneidungen durch ein „selektives Herangehen" an die Grundfragen vermeiden zu können. Der vorstehende, nur für die nächste Sitzung geltende Themenkatalog läßt die notwendige Selektivität vermissen. Es ist unbegreiflich, wie ein kleines Sekretariat selbst bei hoher persönlicher und fachlicher Qualifikation in der Lage sein könnte, ein Arbeitsvolumen wie das skizzierte angemessen zu be-wältigen. Das Zurückgreifen auf die in anderen Organisationen, insbesondere der FAO, geleisteten Vorarbeiten erleichtert die Lösung der sich stellenden Probleme nur teilweise. Es kommt hinzu, daß der WER das Sekretariat ausdrücklich anweist, in den Berichten eine zusammenfassende Wertung der von den anderen Organisationen unternommenen Bemühungen zu geben und dabei auch die Ergebnisse zu quantifizieren.
Die letzte FAO-Konferenz (November 1975) bestätigte einmal mehr, daß auch in vielen Entwicklungsländern eine gewisse Ernüchterung über die Errichtung des WER eingetreten ist. Es entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, daß die Konferenz ohne Widerspruch den Generaldirektor der FAO beauftragte, den Entwurf eines Abkommens (!) zwischen der FAO und dem WER vorzubereiten, welches die Zuständigkeiten klar abgrenzen soll. Die gleiche Konferenz stellte fest, daß „die FAO die Organisation mit primärer Verantwortung für Fragen der Ernährung und Landwirtschaft im UNO-System geblieben" ist.
V. Die Beratende Gruppe für Nahrungsmittelerzeugung und Investitionen
Die Beratende Gruppe für Nahrungsmittelerzeugung und Investitionen geht auf amerikanische Initiative zurück. Nach Resolution XII der Welternährungskonferenz hat sie folgende Aufgaben: „a) Stimulierung eines stärkeren Flusses äußerer Ressourcen für die Nahrungsproduktion, b) Verbesserung der Koordination der Aktivitäten verschiedener multilateraler und bilateraler Geber von finanzieller und technischer Hilfe für die Nahrungsproduktion und c) Sicherstellung einer wirksameren Verwendung der vorhandenen Ressourcen". Die Gruppe ist entsprechend dem Auftrag der WEK von der Weltbank, der FAO und vom UNDP (UN-Entwicklungsprogramm) „organisiert" worden. Nach vorbereitenden Sitzungen trat sie erstmalig im Juli 1975 in Washington zu einer ordentlichen Session zusammen.
Die Mitgliedschaft umfaßt: Zehn traditionelle bilaterale und acht multilaterale Geber, zehn Entwicklungsländer (zwei für jede der fünf Entwicklungsregionen der Welt), vier „neue" Geberländer (insbesondere OPEC-Länder). Die zehn Entwicklungsländer werden durch die Gesamtheit der Entwicklungsländer auf Rotationsbasis gewählt, wobei jede Region angemessen vertreten sein soll. Die Entwicklungsländer sind mit der Beschränkung der Mitgliederzahl nicht zufrieden und drängen auf Erweiterung. Schon auf der Sitzung im Juli 1975 waren über 90 Teilnehmer als Delegierte oder Beobachter anwesend — ein Kreis, in dem wegen seiner Größe kaum eine offene Aussprache über brennende Probleme möglich ist. Für die FAO waren neun Vertreter erschienen, davon vier aus Rom kommend.
Vorsitzender der Gruppe (Executive Secreta-ry) ist der frühere amerikanische Botschafter und frühere Präsident des Development Assistance Committee bei der OECD, Edwin M. Martin, dem zunächst fünf Beamte sowie die erforderlichen Hilfskräfte beigegeben wurden. Das erste Jahresbudget (ohne Reisekosten) ist vorläufig auf eine Größenordnung zwischen 500 000 bis 600 000 Dollar veranschlagt worden.
Anders als der Internationale Agrarfonds (siehe Abschnitt VI) soll die Beratende Gruppe kein Forum für die Annahme von Beiträgen sein, sondern den Brennpunkt für einen Mei-nungs-und Erfahrungsaustausch hinsichtlich des Bedarfs an Agrarhilfe darstellen. Ein aktiver amerikanischer Botschafter erläuterte eine der Aufgaben der Gruppe dahin gehend, daß sie eine „detaillierte Strategie zur Entwicklung unterentwickelter Länder ausarbeiten" soll. Nach ihm „wird (die Gruppe) ein Verfahren zur Überprüfung der Agrarpolitik der Länder entwickeln, damit notwendige Veränderungen im Hinblick auf den erforderlichen Aufwand an Agrarhilfe erörtert werden können". Diese Zielsetzung ist überaus ehrgeizig, umfaßt sie doch nicht mehr und nicht weniger als die eigentlichen Funktionen der FAO und neuerdings des Welternährungsrats. In der Sitzung des FAO-Rats im März 1975 kam bei entwickelten Ländern und bei Entwicklungsländern die ernste Besorgnis klar zum Ausdruck, daß sich die Funktionen der Beratenden Gruppe mit denen der FAO weitgehend überschneiden würden. In der gleichen Sitzung prägte der indonesische Delegierte den seitdem häufig gebrauchten Slogan von den „neuen, kleinen FAOs außerhalb Roms". Es ist unbegreiflich, daß diese Problematik nur wenige Monate zuvor, auf der Welternährungskonferenz, nicht erkannt worden ist.
Die erste Sitzung der Beratenden Gruppe wirkte auf viele Teilnehmer frustrierend. Dieser Eindruck wird durch die Lektüre des — der Öffentlichkeit nicht zugänglichen — Sitzungsberichts noch verstärkt der deutlich macht, daß es sich weniger um eine Diskussion konkreter Probleme in einem amtlichen Gremium handelte, als um eine Art von Seminar über Fragen, die ausnahmslos bereits in anderen Gremien ausgiebig erörtert worden waren und dort weiter anhängig sind. Es kam zu keiner spezifischen Empfehlung Das Unbehagen vieler Teilnehmer kam u. a. bei der Erörterung der Tagesordnung für die zweite Session der Gruppe zum Ausdruck. In dem sehr gedämpft formulierten Bericht heißt es dazu: „Während der Diskussion über die Tagesordnung wurde häufig die Notwendigkeit betont, Überschneidungen mit den zahl-reichen anderen Gremien zu vermeiden, sich mit Nahrungsproblemen befassen . ..". die Wenn es noch dazu einer Bestätigung bedurft hätte, so lieferte sie der Verlauf der ersten, hinter verschlossenen Türen abgehaltenen Session. Bezüglich der Beratenden Gruppe fehlt es noch an einer ausreichend klaren Definition ihrer Rolle und vor allem an der Abgrenzung gegenüber den bestehenden Institutionen. Ein frustierter Sitzungsteilnehmer sprach von einer „institution in search of a mission". An Koordinierungsgremien für die Agrarhilfe bei der Zusammenarbeit zwischen der FAO, der Weltbank und dem UNDP — und hier soll doch wohl die Hauptaufgabe der Gruppe sein — fehlt es wahrlich nicht. Bei der FAO besteht seit Jahren eine personenstarke, von der Weltbank mitfinanzierte Abteilung, nämlich das Investment Centre, welches sich innerhalb des FAO-World Bank Cooperative Programme insbesondere mit der Identifizierung und Prüfung von Projekten auf dem Gebiet der Agrarhilfe befaßt, deren Finanzierung sodann durch die Weltbank übernommen werden soll. Auf dem Gebiet der technischen Agrarhilfe ist ebenfalls für eine enge Verbindung zwischen der FAO und dem UNDP gesorgt. Es fällt daher schwer, die Notwendigkeit für die Schaffung der Beratenden Gruppe anzuerkennen. Viel rationeller wäre eine Reorganisation und gegebenenfalls Verstärkung der vorhandenen Einrichtungen gewesen. übrigens ist es offensichtlich, daß sich die Kompetenzen der Beratenden Gruppe zum Teil auch mit denen des Internationalen Fonds für Landwirtschaftliche Entwicklung überschneiden.
Die Beratende Gruppe wird in der ersten Februarhälfte 1976 erneut in Washington zusammentreten. Zwischen den drei hauptbeteiligten Organisationen sind Bemühungen im Gange, um etwas klarere Prioritäten für die Arbeit der Gruppe ausfindig zu machen. Selbst wenn das gelingen sollte, würde das nichts an der Feststellung ändern, daß es sich bei der Gruppe um eine überflüssige neue Institution handelt, die man am besten langsam einschlafen lassen sollte.
VI. Der Internationale Fonds für Landwirtschaftliche Entwicklung
In der Resolution XIII hat die Welternährungskonferenz die „sofortige" Errichtung eines Internationalen Fonds für Landwirtschaftliche Entwicklung (International Fund for Agricultural Development — IFAD) beschlossen. Der Fonds soll Agrarhilfe leisten, d. h. Investitionen mit dem Zwecke einer schnellen Steigerung der Nahrungsproduktion in den Entwicklungsländern fördern. In zwei Treffen „interessierter Länder", d. h.der potentiellen Geber-und Empfängerländer, und in zwei Sitzungen einer Ad-hoc-Arbeitsgruppe wurde hart um den Text eines Abkommens über die Errichtung des Fonds gerungen, welches von ihnen unterzeichnet werden soll, über viele Fragen wurde Einigkeit erzielt. Einige entscheidende Probleme bedürfen noch weiterer Erörterung. Nach Lage der Dinge ist damit zu rechnen, daß auch diese Probleme auf dem Kompromißweg irgendwie gelöst werden und daß der Fonds in der ersten Jahreshälfte 1976 seine Tätigkeit aufnimmt.
Einigkeit besteht über folgende Punkte: Der Fonds wird den Status einer Sonderorganisation der Vereinten Nationen erhalten, woraus sich ein hoher Grad von Autonomie ergibt. Das erste Beitragsziel ist mit einer Milliarde Sonderziehungsrechte (etwa 1, 17 Milliarden Dollar) in Aussicht genommen. (Die OPEC-Länder haben von Anfang an angedeutet, daß sie die Hälfte der Summe aufbringen würden. Die USA, welche dem Fonds zunächst sehr reserviert gegenüberstanden, beabsichtigen, 200 Millionen SZR zu übernehmen.)
Es werden drei Kategorien von Mitgliedern unterschieden: „A": beitragsleistende entwikkelte Länder; „B": beitragsleistende Entwicklungsländer; „C": Entwicklungsländer, soweit sie nicht in die Kategorie „B" fallen. Der Fonds wird eine zweischichtige intergouvernementale Kontrolle haben: a) den Governing Council, b) den Executive Board. Die laufenden Geschäfte des Fonds sollen durch einen Managing Director und einen Deputy-Managing Director mit dem erforderlichen Sekretariat geführt werden. Der Governing Council ist das höchste Organ des Fonds; er soll jährlich einmal zusammentreten. Jedes Mitgliedsland stellt einen Governor und einen Alternate Governor. Der Council entscheidet mit einfacher Stimmenmehrheit, außer wenn es anders bestimmt ist. Er wählt aus dem Kreise der Governors für jeweils zwei Jahre den Vorsitzenden.
Dem Exekutive Board obliegt die „Führung der allgemeinen Operationen". Er besteht aus 18 Mitgliedern, von denen jede der drei Kategorien von Mitgliedsländern sechs wählt. Der Board wählt den Vorsitzenden aus seinen Reihen. Seine Entscheidungen werden grundsätzlich mit Dreiviertelmehrheit getroffen. Er tritt nach Bedarf zusammen. über drei grundsätzlich wichtige Fragen wurde auch im zweiten Treffen der „interessierten Länder" Anfang November 1975 noch keine Einigkeit erzielt:
1. Die einschlägige Resolution XIII der Welternährungskonferenz sagt ganz klar, daß die Operationen des Fonds nur durch bestehende internationale und regionale Institutionen erfolgen sollen. Die Entwicklungsländer dringen darauf, „in Ausnahmefällen" die Planung, den Programmentwurf und die gesamte finanzielle Abwicklung der Projekte nationalen Instituten in den Empfängerländern zu überlassen. Die in dieser Hinsicht bestehende Zurückhaltung der entwickelten Länder wird als unberechtigtes und verletzendes Mißtrauen gewertet. Hauptgrund für die Haltung der entwik-kelten Länder ist das Bestreben, zu verhindern, daß sich der Fonds im Zusammenhang mit direkten Operationen einen großen Beamtenstab aufbaut. Alle Anzeichen sprechen dafür, daß die Entwicklungsländer mit Zähigkeit, ja mit Fanatismus gerade auf diesem Punkt bestehen werden. Ein Nachgeben der entwickelten Länder in diesem Punkt hätte mit einem hohen Grad von Wahrscheinlichkeit die Konsequenz, die Grundlage für ein kontinuierliches Anschwellen des Fonds-Sekretariats zu schaffen. Ohne ein starkes Sekretariat könnte im Falle direkter Transaktionen mit dem Empfängerland nicht einmal das Minimum der erforderlichen Kontrolle gewährleistet werden 2. Die entwickelten Länder bestehen darauf, daß über einen Katalog von etwa zwölf Problemen im Governing Council nur mit besonders qualifizierter Mehrheit entschieden werden kann. Hierher gehört z. B. die Frage des endgültigen Sitzes des Fonds, der nach dem bisher akzeptierten Text nur provisorisch in Rom liegen soll. Einige Entwicklungsländer haben den Wunsch, den Sitz in ein Entwicklungsland zu verlegen, trotz der Distanz von der in Rom ansässigen FAO. Der Wunsch, eine Sonderorganisation mehr in einem Entwicklungsland zu haben, verdrängt die — selbstverständlich auch die bei ihnen vorhandene — Erkenntnis, daß eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen der FAO und dem Fonds erforderlich ist, soweit es sich um die gründliche technische Prüfung der Projekte des Fonds handelt. 3. Jede der drei Kategorien von Mitglieds-ländern soll 600 Stimmen erhalten. Die Entwicklungsländer bestehen darauf, daß die Stimmverteilung in jeder Kategorie nach dem Prinzip „ein Land, eine Stimme" erfolgt. Die entwickelten Länder plädieren für die Autonomie jeder Kategorie, ihre Stimmen nach eigenem Ermessen innerhalb der Kategorie aufteilen zu können. Sie beabsichtigen, bei ihrem Stimmverteilungsschlüssel auch die Höhe der einzelnen Kapitalbeiträge mitzuberücksichtigen. Die Erdölländer nehmen eine uneinheitliche Haltung ein. Während der Iran für das Prinzip „ein Land, eine Stimme" ist, scheint Saudi Arabien an einer Stimmgewichtung entsprechend der Kapitalbeteiligung interessiert zu sein. (Wie verlautet, beabsichtigt der Iran, nur etwa 20 Millionen SZR beizutragen, während der saudi-arabische Beitrag 150 bis 200 Millionen SZR erreichen könnte.)
Auch hinter der Errichtung dieses internationalen Agrarfonds, die auf massiven Druck der Entwicklungsländer erfolgt, stehen die gleichen Erwägungen, welche für die anderen neuen Institutionen gelten: Der Glaube, daß der Fonds zusätzliche Ressourcen mobilisieren wird. Es bleibt abzuwarten, ob dieser Glaube nicht eine Illusion ist, d. h. ob die Übertragung von Ressourcen an den Fonds nicht zu einer entsprechenden Verminderung des Ressourcen-Transfers anderswo führt. Leider spielen auch bei der Errichtung des Fonds wiederum die persönlichen Interessen einiger heute schon erkennbarer Postenjäger eine Rolle.
Die Errichtung des neuen Fonds ist mindestens ebenso fragwürdig wie die des Welternährungsrats und der Beratenden Gruppe für Nahrungsmittelerzeugung und Investitionen. Diese These widerspricht nicht der Erkenntnis, daß gerade der Agrarhilfe an die Entwicklungsländer hohe Priorität zukommt und daß diese Form der Hilfe daher verstärkt werden muß. Aber diese Verstärkung könnte über bestehende multilaterale Institutionen, insbesondere über die Weltbank, erfolgen. Mit seiner Nairobi-Rede hat der Präsident der Weltbank, Robert McNamara, im Herbst 1973 einen Kurswechsel im Sinne einer Verstärkung der Agrarhilfe eingeleitet. Es hätte daher nahegelegen, im Rahmen des eingespielten Apparates der erfahrenen Weltbank einen Spezialzweig für die Agrarhilfe (mit Sitz in Rom oder Washington) einzurichten und ihm wie anderen Zweigen der Weltbank eine gewisse Autonomie zu geben. Die Leitung eines solchen Spezialzweiges hätte im Hinblick auf das Mißtrauen vieler Entwicklungsländer gegenüber der Weltbank einem Fachmann aus einem OPEC-Staat übertragen werden können.
VII. Der Ausschuß für Welternährungs-Sicherheit
Ein anderes bezeichnendes Beispiel für die Hartnäckigkeit, mit der die Entwicklungsländer an das institutionell Neue glauben, ist die Errichtung eines besonderen Ausschusses für Welternährungs-Sicherheit. Die WEK hatte in der Resolution XXII eine entsprechende Empfehlung gegeben. Der neue Ausschuß soll als ein „Ständiger Ausschuß" des FAO-Rats periodisch und aus besonderem Anlaß direkt an den WER berichten. Seine Aufgaben sind wie folgt umrissen: a) Ständige Überwachung der laufenden und voraussichtlichen Nachfrage sowie des Angebots und der Vorratslage für Grundnahrungsmittel, b) Evaluierung der Angemessenheit der laufenden und vorauszusehenden Vorratshaltung, c) Überprüfung der von den Regierungen getroffenen Maßnahmen zur Verwirklichung der Internationalen Abmachung über Welternährungs-Sicherheit, d) Empfehlung kurz-und langfristiger Maßnahmen zwecks Behebung von Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Sicherstellung angemessener Getreidelieferungen für ein Minimum von Welternährungs-Sicherheit.
Der FAO-Rat befaßte sich im Juni 1975 mit der Frage der Errichtung des neuen Ausschusses. Einige Ratsmitglieder vertraten die Auffassung, daß die in Aussicht genommenen Funktionen von dem seit Jahren bestehenden, bewährten Ausschuß für Rohstoff-Fragen des FAO-Rats (Committee on Commodity Problems — CCP) mit übernommen werden könnte. Ihres Erachtens würde die Bildung eines neuen Ausschusses nicht nur eine unerwünschte Vergrößerung der Zahl der Ständigen Ausschüsse des FAO-Rats darstellen (es gibt bereits sieben derartige Ausschüsse), sondern auch zu Doppelarbeit und Überschneidungen führen. Nicht nur das Sekretariat, sondern auch die Regierungen würden durch einen weiteren Ausschuß zusätzlich belastet werden. Die Empfehlung der WEK sei, wie sich schon aus dem Sinne des Wortes ergebe, nicht bindend, und sie schließe in keiner Weise die Übertragung der Funktion auf einen bestehenden Ausschuß aus. Die Entwicklungsländer traten diesem Vorschlag entgegen. Sie legten die Empfehlung der WEK unflexibel dahin aus, daß ein besonderer Ausschuß gebildet werden müsse, zumal die ihm zu übertragenden Funktionen von außerordentlicher Bedeutung seien Die Arbeit des CCP habe bisher den Akzent auf Welthandels-und verwandte Probleme gelegt, während die Welternährungs-Sicherheit dringende Probleme für das überleben der Menschheit berühre. Die FAO-Konferenz im November hat die Errichtung des neuen Ausschusses beschlossen. Es besteht kein Zweifel daran, daß sich in ihm ziemlich die gleichen Delegierten treffen werden wie im Rohstoff-Ausschuß.
VIII. Der Ausschuß für Nahrungsmittelhilfe-Politiken und -Programme
Angesichts der Neigung zur institutionellen Hypertrophie könnte es überraschen, daß die WEK auf dem Gebiet der Nahrungsmittelhilfe der Versuchung widerstanden hat, eine weitere Neugründung zu empfehlen. In der Resolution XXII wird eine Erweiterung der Kompetenz des seit 1962 bestehenden Intergouvernementalen Ausschusses (Intergovernmental Committee — IGC) des UN/FAO World Food Programme (WFP — Welternährungspro-gramm-WEP) vorgeschlagen. Das sich in 13 Jahren bewährte IGC ist in das Committee on Food Aid Policies and Programmes (CFAPP) umgewandelt worden Der neue Ausschuß, in dem das jetzige IGC ab 1976 aufgehen wird, soll die folgenden umfassenden Aufgaben haben: a) Generelle Steuerung des WEP, b) Funktion als Forum für Konsultationen über nationale und internationale Probleme der Nahrungsmittel-hilfe, c) periodische Überprüfung der Trends des Bedarfs und der Verfügbarkeit an Nahrungsmittelhilfe, d) Grundsatzempfehlungen hinsichtlich Programmprioritäten, der waren-mäßigen Zusammensetzung der Nahrungsmittelhilfe und anderer Probleme, e) Koordinierung der multilateralen, bilateralen und nicht-staatlichen Nahrungsmittelhilfe. Dem CFAPP werden 30 Mitglieder (statt 24 im IGC) angehören. Es hat jährlich dem ECO-SOC und dem FAO-Rat, ferner periodisch und in Sonderfälen dem WER zu berichten. Wie das IGC wird sich auch das CFAPP des Sekretariats des Welternährungsprogramms bedienen.
Wenn man bedenkt, daß auf das Welternährungsprogramm an der gesamten bilateral und multilateral geleisteten Nahrungsmittelhilfe nur ein Anteil von weniger als 10% entfällt und die Arbeit des Sekretariats bisher nur auf diesen Anteil konzentriert war und sich mit den Grundsatzproblemen der Nahrungsmittel-hilfe daher auch nur am Rande befaßte, so wird klar, welche Probleme auf das WEP-Se-kretariat zukommen. Um den neuen Ausschuß zu bedienen, wird trotz der Unterstützung durch die FAO und andere UN-Organisationen eine personelle Verstärkung innerhalb des WEP-Sekretariats unausweichlich sein.
IX. Fragwürdige „Beratende Gruppe für Proteine"
Ein klassisches Beispiel dafür, daß es noch schwieriger ist, eine einmal errichtete internationale Institution aufzulösen als eine überflüssig gewordene nationale, liefert der Fall der „Protein Advisory Group" (PAG).
Angesichts des zunehmenden Interesses für die sogenannte Protein-Lücke in den Entwicklungsländern gründete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahre 1955 einen besonderen Konsultationsapparat, nämlich die PAG. Die FAO und die UNICEF traten 1960 bei. Als sich 1971 auch die Weltbank und die UN der Gruppe anschlossen, nannte sie sich „Protein Advisory Group of the United Nations System". Die fünf Organisationen tragen zur Zeit mindestens jeweils 65 000 Dollar jährlich zum Budget der PAG bei. Die PAG konzentrierte ihre Arbeit vor allem auf die Klärung der ernährungstechnologischen, -biologischen und -physiologischen Aspekte des Proteinproblems.
Angesichts des systematisch von verschiedenen Seiten hochgespielten Interesses für das Proteinproblem in den sechziger Jahren und im Hinblick auf die anhaltende Bereitschaft der Teilnehmerorganisationen, die PAG zu finanzieren und mit einer gewissen Autonomie arbeiten zu lassen, warf niemand die Frage auf, ob die Gruppe trotz des Ausbaus der Ernährungsabteilungen bei WHO und FAO eine echte Existenzberechtigung besaß, zumal die Auswahl und Bestellung von Konsulenten und ihre Führung zu den ureigensten Funktionen gerade der FAO und der WHO gehören. Erstmalig in Frage gestellt wurde die Existenzberechtigung der PAG im Verhältnis zur FAO und WHO seit Anfang der siebziger Jahre. Es hat sich in Fachkreisen herumgesprochen, daß die sogeannte Protein-Lücke im Grunde nur eiiiei der vielen Aspekte des Welternährungsprobles sei und daß es beispielsweise wenig Sinn nabe, einem Hungernden, der mangels ausreichender Kalorienzufuhr nicht die erforderliche Energie aufnimmt, kostspielige Protein-Nahrungsmittel zu geben. Schon Ende der sechziger Jahre hatte der damalige Direktor der Statistischen Abteilung der FAO, P. K. Sukhatme (Indien), die Auffassung vertreten, daß der Proteinmangel meist die indirekte Folge einer zu niedrigen Kalorienzufuhr ist, also der quantitativen Unterernährung: „Wenn der Mangel an Kalorien dadurch behoben werden kann, daß die breiten Massen ausreichende Mengen der von ihnen bereits laufend verbrauchten Lebensmittel er-halten, so ist die Eiweißlücke damit geschlossen." Bei Ernährung mit unzureichendem Kaloriengehalt werden vom menschlichen Organismus selbst größere Mengen von Protein nicht ihrer eigentlichen Funktion entsprechend genutzt, sondern die Kalorien als Energie „verbrannt". Die Thesen des zunächst bespöttelten Statistikers gelten heute als Gemeinplätze, selbst in der FAO.
Das Sekretariat der PAG witterte Gefahr, da ihre Existenz ja untrennbar auf dem Konzept des Vorhandenseins einer besonderen Protein-Lücke beruhte. Es diente eher der Verwirrung, daß die UN-Generalversammlung noch im Januar 1972 eine Resolution verabschiedete, die sich spezifisch mit den „Protein-Ressourcen" befaßte und eine Vielzahl von Maßnahmen zur Lösung des Protein-Problems empfahl, wobei das untrennbar mit ihm verbundene Kalorien-Problem nur ganz nebensächlich erwähnt wurde. Hier bot sich dem PAG-Sekretariat ein Aufhänger, um mit Unterstützung der UN, der Weltbank und der UNICEF nicht nur eine Art Auffangstellung zu errichten, sondern sozusagen darüber hinaus zum Gegenangriff anzutreten. Die drei erwähnten Organisationen verfügen entweder über keine Abteilung für ernährungswissenschaftliche Fragen (UN und UNICEF) oder die dafür bestehende Einheit ist fachlich nicht richtig besetzt (Weltbank). Sie wünschten ein „eigenes" Organ für ernährungswissenschaftliche Fragen zu haben, um nicht ständig auf die fachliche Expertise von FAO oder WHO angewiesen zu sein. In einem unter ihrer Mitwirkung ausgearbeiteten Papier wurde die künftige Tätigkeit der PAG neu formuliert (Oktober 1973). In dem Dokument wurde erstmalig anerkannt, daß „das Protein-Problem nicht isoliert gelöst werden kann". Man schlug eine Namensänderung für die Gruppe in „Protein-Calorie-Nutrition Advisory Group" vor. Gleichzeitig wurde in Aussicht genommen, daß die Gruppe künftig über die bis dahin behandelten technologisch-wissenschaftlichen Aspekte hinaus auch die (inzwischen sogar vom PAG nicht länger zu übersehenden) sozio-ökonomische Seite des Problems behandeln sollte. Auf diesem Papier basierend schlug das PAG-Sekretariat vor, den neuen Auftrag der Gruppe so wesentlich auszuweiten, daß viele wichtige Aufgabenbereiche der FAO einbezogen werden sollten:
Probleme der Landnutzung, Produktionsquoten, Export von Nahrungsmitteln, Marketing, Preiskontrollen, Subventionen, Devisenkontrolle für den Import von Luxusnahrungsmitteln, Auswirkung einer erhöhten Nachfrage nach Fleisch auf die Entwicklungsländer usw.
Die erstaunliche Naivität dieser Themenvorschläge, für deren Bearbeitung man einen Dreijahreszeitraum in Aussicht nahm, schien sogar die Weltbank und die UN zu erschrek-ken. Die fünf Förderorganisationen billigten die Einbeziehung des Stichworts Kalorien in die Bezeichnung der PAG, lehnten aber den Zusatz „Nutrition" ab. Der abenteuerliche Aufgabenkatalog wurde nicht angenommen und eine allzu deutliche Spezifizierung vermieden. Aber immerhin herrschte Überein-stimmung darüber, daß die PAG nunmehr für den UN-Bereich eine beratende Funktion über sämtliche „technischen, wirtschaftlichen, erzieherischen, sozialen und verwandten" Aspekte des Welternährungsproblems hat. Die FAO und WHO nahmen dieses Ergebnis kampflos hin. Seit der Neuordnung werden von der Gruppe auch Wirtschaftswissenschaftler, Soziologen, Planer, Anthropologen und Pädagogen als Konsulenten herangezogen. Von einer Spezialisierung auf die technologischen und ernährungswissenschaftlichen Probleme, die der alten PAG eine gewisse Existenzberechtigung gegeben hatten, ist nicht mehr die Rede.
Es erscheint angezeigt, daß im Rahmen der eingeleiteten Strukturreform im UN-Bereich auch die Frage des Fortbestehens der PAG überprüft wird. Dabei sollte nicht nur das Vorhandensein einschlägiger Fachabteilungen bei der FAO und der WHO in Betracht gezogen werden, sondern auch die Existenz von zahlreichen Gremien, die identische oder verwandte Arbeitsgebiete beackern. Wozu das Vorhandensein sich überschneidender Instanzen führen kann, wurde im Sommer 1975 drastisch illustriert: Als der auf Grund eines Beschlusses der FAO-Konferenz von 1973 eingesetzte besondere intergouvernementale Adhoc-Ausschuß für Nahrungsmittel-und Ernährungspolitiken (Committee on Food and Nutrition Policies) im Juni 1975 in Rom zu-sammentrat, waren zwar neben 32 Mitglieds-ländern der FAO auch der Welternährungs-rat, die EWG und die „Internationale Union für Ernährungswissenschaften" vertreten, nicht aber das PAG-Sekretariat, die WHO (!), die UN, die Weltbank und die UNICEF. Sie waren nämlich durch eine zum gleichen Zeitpunkt nach Genf einberufene PAG-Sitzung verhindert.