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Länderpartikularismus oder kooperativer Bildungsföderalismus? Kulturhoheit im Wandel | APuZ 1-2/1976 | bpb.de

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APuZ 1-2/1976 Länderpartikularismus oder kooperativer Bildungsföderalismus? Kulturhoheit im Wandel Hochschulreform als „Unruheherd" Artikel 1 Selbstbestimmung statt Mitbestimmung an der Universität Von der DefizitVerwaltung zum marktorientierten Bildungsangebot

Länderpartikularismus oder kooperativer Bildungsföderalismus? Kulturhoheit im Wandel

Hans-Georg Roth

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Zusammenfassung

Obwohl gerade in einer Zeit, die aus konjunkturellen und weltwirtschaftlichen Gründen zu rationellerem und effizienterem Mitteleinsatz zwingt, auf bildungspolitischem Sektor eine verstärkte gesamtstaatliche Kooperation von Bund und Ländern — insbesondere in der Frage der Bildungsfinanzierung — nötiger denn je wäre, läßt sich an mehreren Symptomen genau der entgegengesetzte Entwicklungstrend beobachten. Der Streit um die Hochschulzulassung angesichts des sich immer mehr verschärfenden Numerus clausus, um das Hochschulrahmengesetz und die berufliche Bildung, das Abbröckeln des Staatsvertrages, die Debatte um die Auflösung des Bildungsrates und des Wissenschaftsrates, die Auseinanderentwicklung in der Lehrerbildung und in den curricularen Lehrinhalten (Rahmenrichtlinien) sind nur die äußeren Symptome der gegenwärtigen Krise des mühsam aufgebauten kooperativen Bildungsföderalismus mit seinem weitverzweigten Institutionengeflecht. Die Chance der Krise liegt in einem konzeptionellen Nachdenken sowohl über realistische Lösungsmöglichkeiten für aktuelle Bildungsprobleme als auch über die Grundlagen, Ziele und Aufgaben der Kultur-und Bildungspolitik.

Obwohl gerade in einer Zeit, die aus konjunkturellen und weltwirtschaftlichen Gründen zu rationellerem und effizienterem Mittel-einsatz zwingt, auf bildungspolitischem Sektor eine verstärkte gesamtstaatliche Kooperation von Bund und Ländern nötiger denn je wäre — insbesondere hinsichtlich der von den veränderten ökonomischen Rahmenbedingungen betroffenen Bildungsfinanzierung —, läßt sich an mehreren Symptomen genau der entgegengesetzte Entwicklungstrend beobachten. So verschärfen sich trotz wachsender Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse und steigender Mobilitätsquote die regionalen Unterschiede im Bildungsangebot zusehends, am deutlichsten am Stadt-Land-Gefälle sichtbar. Noch offenkundiger wird die bildungspolitische Auseinanderentwicklung von Bund und Ländern sowie der Länder untereinander an dem gegenwärtig heftig umstrittenen Problem der Hochschulzulassung, deren Regelung geradezu als Gradmesser für das Funktionieren des kooperativen Bildungsföderalismus gelten kann. Verweist nicht das zumindest vorläufige Scheitern einer bundeseinheitlichen Zugangsregelung im Hochschulrahmengesetz und das Abbröckeln des Bund-Länder-Kompro-misses im Staatsvertrag, der im Bonus-Malus-System für verfassungswidrig erklärt wurde, auf eine Renaissance des bildungspolitischen Länderpartikularismus? Folgt auf die mühsam erreichte, bei aller Vorläufigkeit wenigstens jedoch noch einheitliche technokratische Mängelverwaltung des Staatsvertrages das totale Länderchaos? Die in der Geschichte der Bundesrepublik einmalige Tatsache, daß sich die CDU-Länder — zumindest im Punkte der Fristverlängerung — der von einem SPD-Land initiierten Revisionsklage gegen das bayerische Verfassungsurteil anschließen und damit die Wahrung ihrer bildungspolitischen Landesinteressen über die Parteiräson stellen, läßt den Länderpartikularismus erstmals über die Parteipolitik siegen. Die Vorschläge einer Länderkontingentierung der Studienplätze machen den Trend zur Regionalisierung der Bildungspolitik offenkundig.

In dieser prekären Situation, in der schwerwiegende bildungspolitische Entscheidungen über den Numerus clausus, die berufliche Bildung, die Vorschulerziehung, die Weiterbildung und andere Bereiche gefordert sind, in der die Disharmonien zwischen Beschäftigungssystem und Bildungswesen wachsen — erinnert sei nur an die „Lehrerschwemme" und den Lehrstellenmangel —, gerät zusätzlich neben dem Zug zum regionalen Länderpartikularismus das komplizierte Institutionengeflecht der zahlreichen bildungspolitischen Beratungsgremien durch die am Bildungs-und Wissenschaftsrat entzündete Debatte immer mehr ins Wanken. Liegt in dieser äußeren Krise die Chance zur umfassenden Reform der gesamten Bildungsberatung, Bildungsforschung und Bildungsplanung? Oder birgt dies nicht vielmehr die Gefahr in. sich, daß statt über dringende Sachprobleme und Ziele nur noch über Mittel, Wege und Methoden — sprich über Gremien, Institutionen und Kompetenzen — diskutiert wird? Diese drohende Verlagerung brennender Bildungsprobleme auf die unergiebige Ebene institutioneller Formalfragen verfällt in den alten Fehler der Überbetonung von Verfahrens-anstelle von Sachregelungen. Dies wäre der selbsterklärte Abschied der Bildungspolitiker in Bund und Ländern angesichts einer Situation, in der Bildungs-und Kulturpolitik Zug um Zug von Verfassungsrichtern und Finanzministern diktiert wird.

Wenn Bildungspolitik weiterhin gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden sein soll und wenn nicht der äußeren Bildungsexplosion eine noch wesentlich verhängnisvollere Bildungsimplosion folgen soll — die frühere, durch intensive Bildungswerbung einmal erreichte Bildungseuphorie weicht immer mehr einer Resignation, einem Bildungsdefätismus und pragmatischen Bildungsskeptizismus, der bisweilen schon Züge offener Bildungsfeindlichkeit annimmt —, wenn ferner die durch eine funktionale Bildungstheorie mit ihrem inhaltsleeren Bildungsbegriff verbildete Gesellschaft verhindert werden soll, dann scheint eine Neubesinnung auf die Grundlagen des kooperativen Bildungsiöderalismus unerläßlich. Die Chance der Krise liegt im perspektivischen Nachdenken sowohl über realistische Lösungsmöglichkeiten für aktuelle Bildungsprobleme als auch insbesondere über die Grundlagen, Ziele und Aufgaben der Kultur-und Bildungspolitik. Die Voraussetzungen dafür sind günstiger als in der hektischen Phase der Bildungsexpansion. Wenn sich nicht der Fehler einer ständigen Rotation der Bildungskonzepte, einer Reform in Detailpunkten ohne bildungspolitisches Koordinatensystem wiederholen soll, erscheint die grundlegende Diskussion der politischen, verfassungsrechtlichen und institutionellen Grundfragen des kooperativen Bildungsföderalismus mit Blick auf sich äbahnende Entwicklungstrends und konzeptionelle Realisierungsvorschläge unabdingbar.

Bevor näher auf Struktur und Entwicklung des kooperativen Bildungsföderalismus in der Bundesrepublik eingegangen wird, soll zunächst eine Standortbestimmung und Horizontabgrenzung des Begriffes Kulturpolitik vorgenommen, also eine Antwort auf die Frage nach Wesen, Aufgabe und Funktion der Kulturpolitik im Gefüge der Gesamtpolitik erteilt werden.

Kulturpolitik im weitesten Sinn umfaßt den Gesamtkomplex der Bildungsplanung, des institutionalisierten Schulund Hochschulwesens, der wissenschaftlichen Forschung, des nichtformalisierten Bildungswesens (Vorschule, Erwachsenen-und Weiterbildung), der Massenmedien, der Kunst, der allgemeinen Kulturpflege bis hin zum Denkmal-, Ensemble-, Landschafts-und teilweise Umweltschutz sowie auch der auswärtigen Kulturpolitik. Sie nimmt somit in ihrer Sinngebungsfunktion für die Gesellschaft eine Prioritätenstellung in der Gesamtpolitik ein, auch wenn dies nicht in den jeweiligen Regierungsprogrammen explizit zum Ausdruck kommt. Dennoch erweckt der erst um die Jahrhundertwende — nach den Wogen des Kulturkampfs — im politischen Sprachgebrauch erscheinende Begriff Kulturpolitik bisweilen noch heute in liberalen Kreisen gewisse Assoziationen zur illegitimen staatlichen Intervention in die autonome Kultursphäre. Andererseits wird Kulturpolitik inzwischen von den Heilspropheten der Neuen Linken, die energisch an den geistigen Monumenten traditioneller Kultur rütteln, längst als wirksamstes Mittel zur Systemüberwindung durch Kulturrevolution umfunktioniert und politisch zweckentfremdet. Nicht zuletzt dadurch hat die Kulturpolitik, die lange Zeit als esoterisches Randgebiet der Politik in ihrer Bedeutung unterschätzt wurde, in letzter Zeit eine — allerdings bedenkliche — Aufwertung erfahren. Seitdem sie von Ideologen als langfristiger Hebel zur Systemveränderung entdeckt worden ist, steht Kulturpolitik heute vor der eigentlichen Grundsatzentscheidung zwischen Kulturrevolution oder freiheitlicher Kulturpolitik.

Dessen ungeachtet hat die von starker Mobilität und Dynamik geprägte moderne Industriegesellschaft einen — wenn auch in Wellenbewegungen sich vollziehenden — sich immer mehr verdichtenden Grad der Vereinheitlichung und nivellierenden Verflachung auf kulturpolitischem, insbesondere bildungspolitischem Sektor zur Folge. Während noch die Reichsverfassung von 1871 die Kulturpolitik zur absoluten Domäne der Länder erklärt hatte, gibt das Grundgesetz von 1949 dem Bund in Fortführung dieser Tradition im Vergleich zur Weimarer Verfassung von 1919 nur geringe kulturpolitische Zuständigkeiten. Analog dem klassischen Bundesstaatsprinzip, wonach der Kulturbereich Kernstück des Föderalismus und konkrete Emanation der vertikalen Gewaltenteilung ist, wurde nicht zuletzt unter dem Einfluß der Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg die materiale Staatsfunktion der Kulturpolitik primär den Ländern zugeordnet, was zumeist mit dem Begriff der Kulturhoheit der Bundesländer bezeichnet wird.

Die ursprünglich befürchtete, mit dem Schlagwort vom Schulchaos heftig kritisierte parti-kularistische Kulturhoheit der Bundesländer hat sich durch vielfältige, weitverzweigte Formen der Selbstkoordination der Länder untereinander und zahlreiche Abkommen zwischen Bund und Ländern zum kooperativen Bildungsföderalismus gewandelt, der allerdings schon wieder in einen Aufweichungsprozeß eingetreten ist. Signalisiert dies die Rückwandlung der in mühevollen politischen Verhandlungen erreichten kooperativen Form der Kulturhoheit zu einem Länderpartikularismus, der die ursprünglichen Bedenken gegen das föderalistische Prinzip der Kulturhoheit neu aufleben und diese nur noch als unnötigen Ballast und von den Vätern des Grundgesetzes auferlegte Hypothek erscheinen läßt? Oder bietet sich hiermit die Gelegenheit zu einer den künftigen Erfordernissen entsprechenden Interpretation, einer Aktualisierung und zeitgemäßen Praktizierung der Kulturhoheit in neuen Strukturformen? Zur Beantwortung dieser aktuellen Fragen soll zunächst der Standort der Kulturpolitik im weiten Feld der Gesamtpolitik bestimmt werden, bevor dann auf die verfassungsrechtlichen Grundlagen und die aktuellen politischen Entwicklungstrends der Kulturhoheit eingegangen wird. Dazu ist zunächst eine Begriffsdefinition und Abgrenzung der Termini Kultur, Kultur-politik und Kulturhoheit unerläßlich.

I. Kultur, Kulturpolitik, Kulturhoheit

Versteht man unter Kultur nicht nur — im interpretatorisch engeren Sinn — die vom Menschen veränderte und gestaltete Umwelt, sondern im weiteren Sinn die „Gesamtheit der typischen Lebensformen einer Bevölkerung einschließlich der sie tragenden Geistesverfassung, besonders der Werteinstellungen" so wird der ambivalente Doppelcharakter des Begriffs Kultur in seiner statischen und dynamischen Komponente deutlich. Denn einerseits meint Kultur die „Summe aller menschlichen Werke, andererseits aber gerade dieses menschliche Wirken selbst als ein von Wertmaßstäben und Zielvorstellungen geleitetes, formendes, verfeinerndes und veredelndes Handeln" Die Betrachtung des weiter gefaßten Kulturverständnisses im Sinne von politischer Sozialisation oder der „political cul-ture" soll hier außer Betracht bleiben.

Nach der sozialistischen Definition der Kultur, die deren Kausalzusammenhang mit der ökonomischen Gesellschaftsformation betont, gestaltet erst die sozialistische Kulturrevolution die vom Klassencharakter geprägte Nationalkultur in die sozialistische Volkskultur um. So rühmt sich die DDR seit der Bitterfelder Konferenz (1959) ihrer sozialistischen Nationalkultur, die sich auf der Grundlage der sozialistischen Produktionsverhältnisse und der Führung der sozialistischen Partei als „Teil der Kultur des sozialistischen Weltsystems" versteht, als „Quell aller geistigen und sittlichen Kräfte der sozialistischen Menschengemeinschaft", die in einem „realen Humanismus und einer echten Volkskultur" alles „Gute, Wahre und Schöne des nationalen Kulturerbes" aufhebt und als „Hüterin des kulturellen Erbes und der progressiven demokratischen Kultur der Gegenwart des ganzen deutschen Volkes" die fortschrittlichen Kräfte in den kapitalistischen Staaten beeinflussen will. Die sozialistische Kulturrevolution wird so mit einem doktrinären kulturpolitischen Alleinvertretungsund einem messianisch-aggressiven Expansionsanspruch verbunden. Ohne hier näher auf diese einseitige Interpretation eingehen zu wollen, die später in der

Kulturrevolution der Neuen Linken mit unbedeutenden Abwandlungen ihren Niederschlag gefunden hat, umfaßt der Begriff Kultur allgemein die Hauptbereiche Bildung, Wissenschaft und Kunst sowie den Bereich des Geistigen, der Religion, der Weltanschauung, kurzum den Gesamtkomplex der Sinnvermittlung. Zur Bildung zählen dabi vor allem das institutionalisierte Schulwesen, die Einrichtungen der Erwachsenen-und Jugendbildung; zur Wissenschaft das Hochschulwesen und die wissenschaftliche Forschung, zur Haupt-form der Sinnvermittlung vor allem die Massenmedien; Kunst impliziert in einem erweiterten modernen Verständnis nicht nur die Schönen Künste, sondern etwa auch den Naturschutz, die Landschafts-und Denkmalspflege sowie einen Teil der Massenmedien.

Dies steckt in grober Form den quantitativen Rahmen der Kulturpolitik ab. Während bis ins späte Mittelalter die Kirche Hauptträgerin der Kulturpflege war, erlangt erst zu Beginn der Neuzeit mit der Überwindung der Aufklärung und dem Übergang zur Industriegesellschaft'der Staat allmählich Kompetenzen im Kulturbereich. Die Ursprünge staatlicher Kulturpolitik liegen im 19. Jahrhundert. Zwar wurde die eigentliche Bezeichnung in Deutschland relativ spät, nämlich erst um die Wende zum 20. Jahrhundert, verwendet. Die erste enzyklopädische Definition des Begriffes Kulturpolitik findet sich im Herder-Staatslexikon aus dem Jahre 1929, wo Kulturpolitik als „kulturbewußte Betätigung in bezug auf den Kulturstaat, und zwar sowohl als Funktion des Kulturstaates selbst wie auch als Betätigung innerhalb des Kulturstaates", verstanden wird. Die originäre Wurzel staatlicher Kultur-politik ist allerdings schon im Begriff der Kulturpolizei zu suchen, die „eine intensive Tätigkeit des Staates auf kulturellem Gebiet unter Ablösung anderer Kulturträger" brachte. Die Kulturphilosophie und Kulturkritik großer Gelehrter des 19. Jahrhunderts wie Burckhardt und Nietzsche, die den Kulturverfall beklagten, sind weitere Quellen staatlicher Kulturpolitik. Den nach heutigem Verständnis politischen Charakter gewann sie erst im Bismarckschen Kulturkampf, dem eigentlichen Vorläufer des modernen Begriffs Kultur-politik. In der zentralen Auseinandersetzung um die staatliche Schulaufsicht wurde hier exemplarisch die Kultur vom verwalteten zum politischen Element. Historisch betrach-tet erhielt die Kulturpolitik in Deutschland relativ früh ein eigenes Ressort. Zwar zählte die Kulturverwaltung noch nicht zu den fünf klassischen Ministerien (Inneres, Finanzen, Justiz, Auswärtiges, Militär) der Stein-Hardenbergschen Preußischen Reformen von 1808; doch schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts leiteten die Kultusministerien den Aufspaltungsprozeß bestimmter Sonderressorts neben den klassischen Staatsmini-sterien ein

Träger der Kulturpolitik kann je nach politischem Verständnis primär der Staat oder die Gesellschaft sein. Ohne an der positivistischen Maxime der strikten Unterscheidung von Staat und Gesellschaft festhalten zu wollen, läßt sich in einer totalitären Staatsordnung eine Überbetonung oder gar Verabsolutierung des staatlichen Elements unter Ausschaltung gesellschaftlicher Initiativen beobachten, während in einem liberalistischen Staatswesen der Akzent mehr auf der Gesellschaft als Träger der Kulturpolitik liegt. Nach der Zäsur des Dritten Reiches wurde in der Bundesrepublik als pluralistischer Demokratie der vom Deutschen Reich über die Weimarer Republik kontinuierlich verlaufende Trend zunehmender Bedeutung gesellschaftlicher Gruppen gegenüber dem Staat auf kulturellem Gebiet fortgeführt. Gegenwärtig erleben wir ein Anwachsen, jedoch keine Dominanz des gesellschaftlichen Einflusses auf die Kulturpolitik, was sich insbesondere an den zahlreichen nichtstaatlichen Bildungsberatungsgremien zeigt.

Kulturpolitik läßt sich globalpolitisch der Gesellschaftspolitik zuordnen; sie steht in engem Zusammenhang mit der Sozialpolitik, was beispielsweise am Ausbildungsförderungsgesetz deutlich wird. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß Sozial-und Kulturpolitik sowohl in der Intention als auch im Adressatenkreis grundverschiedene Ansatzpunkte haben. Denn im Unterschied zur an Gesellschaftsschichten — also kollektiv — orientierten Sozialpolitik ist Kulturpolitik primär am Individuum, an der Bildung und Förderung des einzelnen orientiert, wenn auch die Linke gerade diesen personalen Aspekt durch Verabsolutierung des Gesellschaftlichen leugnet und heftig attackiert. Insofern kann Kulturpolitik nicht lediglich als Funktion der Gesellschaftspolitik verstanden werden. Gerade angesichts der Finanzkrise wird jedoch künftig der Zusammenhang zwischen Bildungspolitik und Wirtschafts-und Infra-

Strukturpolitik stärker betont werden und insbesondere die Bildungsplanung enger mit der Finanzplanung gekoppelt werden müssen.

Prinzipiell lassen sich verschiedene Funktionen des Staates im Kompetenzbereich der Kulturpolitik unterscheiden 1. Staatlicher Schutz der Kultur: Da Kultur nicht im luftleeren Raum schwebt, droht ihr prinzipiell von den Monopolisierungstendenzen der Gesellschaft (z. B. Monopolisierung der Sinnvermittlung durch Neomarxisten) dieselbe Gefahr wie vom Staatsdirigismus, nämlich die Zerstörung ihrer Autonomie. Daher ist ein staatlicher Schutz der Kultur in abgegrenztem Rahmen unerläßlich. 2. Staatliche Förderung der Kultur: Der Staat kann sich aufgrund der immensen Bedeutung der Kulturpolitik, die in einer gewinnorientierten, materialistischen Gesellschaft nicht genügend honoriert wird, nicht auf den Schutz der Kultur beschränken, sondern muß diese aktiv fördern, etwa durch finanzielle Unterstützung von Orchestern, Theatern usw. 3. Staatliche Gestaltung der Kultur: Die direkte Kulturvermittlung, insbesondere durch das vorwiegend in die Länderkompetenz fallende Bildungswesen, ist der eigentliche Schwerpunkt staatlicher Kulturpolitik.

In diesem materialen Kern der Kulturhoheit der Länder, nämlich der organisatorischen und inhaltlichen Bestimmung des Schulwesens, offenbart sich die aktive „Kulturgestaltungsmacht" des Staates am nachdrücklichsten.

Es zeigt sich also, daß im heutigen Kultur-staat die Anerkennung eines autonomen kulturellen Bereiches nicht gleichbedeutend ist mit völligem Verzicht auf staatliche Einwirkung auf die Kultur, sei es als Schutz, Förderung, Gestaltung oder direkte Vermittlung. Der demokratische Kulturstaat moderner Prägung, der gerade erst durch aktive Kulturpolitik die materiale Voraussetzung der verfassungsrechtlich garantierten freien Entfaltung der Kultur schafft, nimmt also eine Mittelposition zwischen der in totalitären Staaten praktizierten Kulturpolitik der „staatlichen Regie" und der liberalistischen Kulturpolitik der staatlichen Garantie, also zwischen absoluter Gesellschaftsdominanz und staatlich-dirigistischem Zwang ein.

II. Kulturhoheit der Länder und Kompetenzen des Bundes

Nach der Phase der totalitären Gleichschaltung aller kulturellen Bereiche durch das parteilich-zentralistische Funktionärswesen des Nationalsozialismus, dessen Ideologie analog dem klassischen und Neomarxismus Kultur zum Instrument der Politik zweckentfremdete und Kultur mit Kult verwechselte, wurde staatliche Kulturpolitik nach 1945 zunächst äußerst zirückhaltend praktiziert. Als Konsequenz negativer historischer Erfahrung sollte der Kulturföderalismus eine „Monopolisierung von Zuständigkeiten im kulturellen Bereich" verhindern. Die Kulturhoheit der Bundesländer in einem föderalistischen Schulwesen, die den Ländern die Kompetenz über den Kulturbereich überträgt, wird bisweilen als Kulturautonomie im weiten Sinne, als Selbstbestimmungsrecht der Länder in kulturellen Fragen charakterisiert. Kulturhoheit in diesem Verständnis wurde den Ländern durch das Kontrollratsgesetz Nr. 1 übertragen, das die zentralistische Kulturverwaltung des Dritten Reiches beseitigte. Die Direktive Nr. 54 des Alliierten Kontrollrates vom 25. 6. 1947 forderte u. a. gleiche Bildungschancen für alle, allgemeine Schulpflicht vom 6. bis zum 15. Lebensjahr, generelle Schulgeld-, Lehrund Lernmittelfreiheit. Durch je nach Kultur-verständnis unterschiedlich akzentuierte Kulturzentren der Besatzungsmächte (Amerikahaus, British Center, Centre Culturel, Haus der Kultur der UdSSR) wurde die Eigeninitiative der Länder angeregt. In der Unterschiedlichkeit der Besatzungszonen liegt ein neuer Ausgangspunkt der Vielfältigkeit und starken Unterschiedlichkeit der heutigen Bundesländer auf kulturellem Gebiet.

Dieses, auf alte deutsche Tradition zurückgehende und von den Alliierten wiederbelebte föderalistische Prinzip der Kulturhoheit wurde in der Bundesrepublik mit Inkrafttreten des Grundgesetzes verfassungsrechtlich sanktioniert. Das in Art. 20 und 28 GG verankerte Sozialstaatlichkeitsprinzip, das die staatliche kulturelle Förderung als evolutionär-gestalten-des Moment und somit gleiche Bildungsmöglichkeit für alle Impliziert, zeigt in Verbindung mit dem Gleichheitspostulat des Art. 3 GG die Konturen einer Bildungsverfassung im Sinne einer öffentlichen Verantwortung für das Erziehungssystem. Eine konkrete Standortbestimmung des kulturellen Bereiches, wie sie etwa im dritten Hauptteil der Bayerischen Verfassung oder in Art. 12 und 16 der Verfassung von Baden-Württemberg definiert ist, wird allerdings im Grundgesetz nicht vorgenommen. Während das Grundgesetz ursprünglich lediglich im Rahmen der Grundrechte (Art. 7 GG) die staatliche Schulaufsicht, die Grundsätze des Religionsunterrichts und der Privatschulfreiheit regelte, wurde durch die Verfassungsänderung vom 12. 5. 1969 dem Bund die Rahmengesetzgebung über die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens (Art. 75, 1 a GG) und die Mitwirkung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgaben beim Ausbau und Neubau von Hochschulen übertragen (Art. 91 a GG). Ferner können nach Art. 91 b Bund und Länder auf Grund von Vereinbarungen bei der Bildungsplanung sowie bei der Förderung von Einrichtungen und Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung von überregionaler Bedeutung Zusammenwirken.

Vor der Grundgesetzänderung standen dem Bund schon Kompetenzen mit direkter oder indirekter Bedeutung für das Bildungswesen und die Kulturpolitik im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes zu: der Schutz deutschen Kulturguts gegen Abwanderung ins Ausland (Art. 74, 5 GG), das Recht der Wirtschaft (Art. 74, 11 GG), woraus sich das Berufsbildungsgesetz ableitet, die friedliche Nutzung der Kernenergie (Art. 74, 11a GG), das Arbeitsrecht (Art. 74, 12 GG) und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung (Art. 74, 13 GG). Als Rahmengesetzgebung regelte der Bund schon vor 1969 die Rechtsverhältnisse der im öffentlichen Dienst stehenden Personen, z. B.der Lehrer. Der Bund finanzierte gemeinsam mit den Ländern schon vor 1969 die Studienförderung nach dem damaligen Honnefer Modell und den Ausbau bestehender und einiger neugegründeter Hochschulen.

Mit der Grundgesetzänderung vom 12. 5. 1969 ist ein erheblicher Einbruch in die Kulturhoheit der Länder erfolgt, jedoch nicht gegen den Widerstand der Länder, die dazu im Bundesrat ausdrücklich ihre Zustimmung gegeben haben. Der Bund erhielt die Zuständigkeit für die Regelung der Ausbildungsbeihilfen (Art. 74, 13 GG) als konkurrierende Gesetzgebung sowie die Rahmenkompetenz für die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens (Art. 75, 1 a GG). Ferner wurde ein völlig neuer Abschnitt VIII a als Gemeinschaftsaufgaben neu in das Grundgesetz eingefügt. Im Zuge dieser Gemeinschaftsaufgaben wirkt der Bund beim Ausbau und Neubau von Hochschulen einschließlich der Hochschulkliniken bei der Erfüllung der Länderaufgaben mit. Nach Art. 92 b GG können Bund und Länder auf Grund von Vereinbarungen bei der Bildungsplanung und bei der Förderung von Einrichtungen und Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung von überregionaler Bedeutung Zusammenwirken. Sowohl das Bundesausbildungsförderungsgesetz, der Bildungsgesamtplan als auch das Hochschulrahmengesetz sind die konkreten bildungspolitischen Resultate dieser Grundgesetznovellierung.

Die Verfassungsänderung von 1969, die letztlich eine einseitige Konzession der Länder an den Bund war, wirft die Frage auf, warum gerade auf dem genuin landespolitischen Sektor der Kulturpolitik zuvor selbstbewußt gewahrte Kompetenzen der Länder aufgegeben wurden. Je heftiger die Kulturpolitik der Länder angegriffen wurde — ausgelöst durch die Studentenunruhen im Jahre 1968 —, desto mehr verstärkte sich die Bereitschaft der Länder, den Bund durch Kompetenzabgaben in die politische Verantwortung für die wachsenden kulturpolitischen Probleme einzubeziehen, um dann auch auf dessen Zuständigkeit verweisen zu können. Der spätere Widerstand der Länder zu Beginn der siebziger Jahre gegen den Versuch des Bundes, seine neugewonnenen bildungspolitischen Kompetenzen im Hochschulrahmengesetz oder in der beruflichen Bildung nach seinen Vorstellungen auch tatsächlich zu realisieren, deutet weniger auf eine Wiederbelebung des Kulturföderalismus als vielmehr auf zunehmende parteipolitische Polarisierung hin. Auf einem anderen Gebiet der Kulturpolitik haben sich inzwischen die Fronten völlig verschoben: So können heute bei der Kritik an der Pressekonzentration, die als Teil der Medienpolitik in den Kompetenzbereich der Kulturpolitik fällt, die Länder mit zynischem Selbstbewußtsein auf die bisher vom Bund vernachlässigte Rahmenkompetenz (Art. 75, 2 GG) in diesem Punkt verweisen.

Dem zersplitterten Bildungskonzept — falls man überhaupt von einem systematischen Konzept sprechen kann — im Teil VII des Grundgesetzes entspricht organisatorisch die unsystematische Kompetenzstreuung der Kulturpolitik über eine Vielzahl von Ministerien und Ämtern — ein typisches Kennzeichen für die äußerst heterogene Bundeskulturverwaltung. Weder das erst 1962 e'rrichtete Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung noch die 1972 aufgeteilten Bundesministerien für Forschung und Technologie sowie für Bildung und Wissenschaft konnten sich bis heute zu einer im Rahmen der Bundeskompetenz agierenden bildungspolitischen Zentralbehörde entwickeln; noch immer haben beispielsweise das Auswärtige Amt oder das Innenministerium eigene Kulturabteilungen.

Kulturelle Angelegenheiten sind, soweit das Grundgesetz keine anderen Regelungen trifft — wie sie eben enumerativ aufgeführt wurden—, prinzipiell Ländersache (Art. 30GG).

Wenn die Bundesländer auch durch das in Art. GG festgelegte Grundrecht auf Freizügigkeit und Mobilität sowie das Prinzip der freien Wahl der Ausbildungsstätte (Art. 12, 1 GG) in Verbindung mit dem demokratischen Konformitätsprinzip und der Bundesgarantie des Art. 28 GG verfassungsimmanent eingeschränkt sind, so hat die verfassungsrechtliche Ordnung der Bundesrepublik hinsichtlich der Kulturkompetenz doch deutlich eine Optio, n zugunsten der Länder ausgesprochen (Art. 30; 70; 83 GG). Zwar überwölben die bildungspolitisch relevanten Grundrechte die Kompetenzen der Länder, aber das Grundgesetz hat das „quantitative Schwergewicht der Erledigung der kulturellen Staatsaufgaben den Ländern überlassen" 11). Diese Tatsache wirkt sich am nachdrücklichsten bei der Bildungsfinanzierung aus: die Länder tragen 68 °/o, die Kommunen 22, 6 %, der Bund lediglich 9, 4 % der gesamten Bildungsausgaben. Während in den Länderhaushalten zwischen 26 und 30 °/o der Gesamtausgaben dem Bildungsressort zukommen, liegt im Bundeshaushalt der Anteil für Bildung und Wissenschaft nur bei 2, 8 0/0, zusammen mit den Mitteln für Forschung und Technologie bei 5, 5 °/o. Diese gravierende Diskrepanz macht einen bildungspolitischen Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern dringend notwendig.

Die Verfassungsrechtsprechung hat bei Konfliktfällen zwischen Bund und Ländern in kulturpolitischen Fragen stets eine länderireund-

liche Haltung eingenommen. So hat beispielsweise das Bundesverfassungsgericht im soge-nannten „Fernsehurteil''von 1961 dem Bund die Errichtung der „Deutschland-FernsehenGmbH" verboten, da die Gesetzgebungsund Verwaltungskompetenz für die Veranstaltung von Rundfunk-und Fernsehsendungen den Ländern zustehe. Nach dem Grundsatz, daß der Bund nur Gesetz^ebungsbefugnisse hat, soweit sie ihm das Grundgesetz ausdrücklich verleiht (Art. 70, 1 GG), spricht nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 12, 228) gerade in kulturellen Angelegenheiten bei Zweifeln über die Zuständigkeit keine „Vermutung zugunsten einer Bundeskompetenz". Dennoch versucht der Bund, eine ständige kulturpolitische Kompetenzausweitung zu erreichen. Nach dem Konkordatsurteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 6, 309) ist das Schulwesen das eigentliche „Kernstück der Eigen-staatlichkeit der Länder". Sowohl der relativ hohe Anteil des Bildungsbudgets innerhalb der Länderhaushalte als auch das starke politische Gewicht der Kultusministerien in den Landesregierungen sind nur wenige von vielen Symptomen dafür, daß die Schul-und Bildungspolitik materialer Schwerpunkt der Kulturhoheit der Länder ist. Doch nicht allein den Kultusministerien, sondern auch den Innenministerien der Länder kommen Befugnisse zu, die inhaltlich der Kulturverwaltung zugerechnet werden müssen (Presse, Film, Funk, Naturschutz, Verwaltungsschulen u. a.); erhebliche kulturpolitische Kompetenzen haben auch die Staatskanzleien der Länder, denen meistens die Landeszentralen für politische Bildung unterstehen. Die Länder unterhalten auch verschiedene Institutionen der Bildungsplanung, so etwa das Pädagogische Zentrum in Berlin seit 1965, das Deutsche Institut für Internationale Pädagogische Forschung in Hessen seit 1964 und das Institut für Bildungsforschung und Bildungsplanung in Bayern seit 1969.

Wenn auch verschiedentlich kulturpolitische Verfassungskonflikte zwischen Bund und Ländern entstanden sind, wenn auch Rundfunk, Fernsehen und Theater durch pluralistische Vielfalt in anerkennenswerter Weise den jeweiligen historischen, geographischen und weltanschaulichen Vorstellungen gerecht zu werden versuchen, wenn auch erhebliche Unterschiede in den Schulverfassungen und in der Bildungspolitik der Länder bestehen, die durch Ideologisierung noch verstärkt werden, so konnte sich dennoch in der Bundesrepublik bei allen Bestrebungen zum Länderpartikularismus in letzter Zeit eine prinzipielle Gleichgerichtetheit im Sinne eines inhaltlichen Minimalkonsenses übereinstimmender Grundsätze eines allgemeinen deutschen Schulrechts entwickeln. Etwa seit Mitte der fünfziger Jahre hat sich in der politischen Praxis „ein hohes Maß an Übereinstimmung über die föderalen Aspekte des Kulturbereiches" herausgebildet.

Dies ist das positive Ergebnis einer weitverzweigten kulturpolitischen Kooperation zwischen Bund und Ländern sowie der Länder untereinander. Die in der Anfangsphase der Bundesrepublik befürchtete, jedoch positiver-weise nicht — oder besser noch nicht — eingetretene partikularistische Kulturhoheit der Bundesländer — von Schelsky mit dem zutreffenderen Begriff „Kulturverwaltungshoheit" gekennzeichnet — hat sich zu einem komplexen System des kooperativen Kultur-föderalismus gewandelt, in dem Bund und Länder bzw. die Länder untereinander auf dem Weg der Selbstkoordination über Staatsverträge, Verwaltungsabkommen und Rahmenvereinbarungen ihre Kultur-und Bildungspolitik aufeinander abstimmen.

III. Institutionen des kooperativen Bildungsföderalismus

Um die differenzierte, vielschichtige Verästelung der Kulturpolitik in ihren institutionalisierten Formen und informellen Kanälen zu verdeutlichen, soll nun in chronologischer Folge ein Überblick über die wichtigsten, außerhalb der verfassungsmäßigen Institutionalisierung liegenden Gremien und Institutionen als Wegweiser durch das mittlerweile mit Unterkommissionen über 150 Gremien umfassende, immer unüberschaubarer werdende Institutionengeflecht des kooperativen Kultur-föderalismus gegeben werden.

Ständige Konferenz der Kultusminister (KMK) Noch vor der Verabschiedung des Grundgesetzes wurde mit der KMK, die sich 1948 aus dem Zonenerziehungsrat und der Abteilung Kulturpolitik des Länderrates entwickelte, ein sehr effektives Koordinationsgremium geschaffen. Damit war noch vor jeglicher bundesweiten Verfassungsnormierung das Fundamenten des kooperativen Kulturföderalismus gelegt. Aufgabe der KMK ist es, Angelegenheiten der Kulturpolitik von überregionaler Bedeutung mit dem Ziel einer gemeinsamen Meinungs-und Willensbildung zu behandeln und gemeinsame Anliegen zu vertreten. Die KMK setzt damit Bestrebungen fort, die schon 1920 in der Weimarer Republik mit der Reichsschulkonferenz begonnen hatten, über nahezu alle Bereiche des Erziehungs-und Bildungswesens faßte die KMK bisher mehr als 500 Beschlüsse, die nun seit über 25 Jahren die. bildungspolitischen Weichen der Bundesrepublik stellen. Die KMK besteht aus dem Plenum mit allen Kultusministern, welches mit Einstimmigkeit Beschlüsse faßt, die aber lediglich Empfehlungscharakter für die Länder haben; das Plenum wählt ein Präsidium; für die einzelnen Sachgebiete werden besondere Ausschüsse eingesetzt. Die Beschlüsse der KMK können auf Grund des Einstimmigkeitsprinzips, das bei allen Beschlüssen erforderlich ist, als über allen Parteidifferenzen stehender kleinster gemeinsamer bildungspolitischer Nenner der Länder gelten. Die Tätigkeit der KMK hat zu einem relativ hohen Grad an Einheitlichkeit in unserem Bildungswesen beigetragen Sie wird daher in der Beurteilung durchweg positiv gewertet: „Die Arbeit der KMK und ihres Schulaus-Schusses gab dem Schulwesen der Bundesrepublik in den ersten 25 Jahren ihres Bestehens das eigentliche Gepräge und ist heute noch die Konstante im Auf und Ab der rasch wechselnden politischen Tendenzen. Die schöpferischen Kräfte steckten in diesen Jahrzehnten in der Bildungspolitik der Länder, aber es ist stets gelungen, in den Entwicklungen, die dort ihren Ausgang nahmen und allmählich heranreiften, vor dem Plenum der KMK zu einer Einigung zu kommen, die sich bewährte und Bestand hatte." So ist doch trotz mancher Schwerfälligkeiten in der Konstruktion der KMK, wie z. B. das Einstimmigkeitsprinzip bei Beschlüssen oder deren Un-verbindlichkeit für die Politik der Länder, „im gesamten Bildungsbereich der Bundesrepublik dank der Tätigkeit der KMK ein prinzipieller Gleichklang festzustellen, den es in der deutschen Geschichte bisher noch niemals gegeben hat" Die im Jahre 1975 von der KMK verabschiedeten Normenbücher zur Vereinheitlichung der Prüfungsanforderungen im Abitur sind ein weiterer Schritt in diese Richtung. Die KMK wird auch weiterhin das wichtigste Koordinationsgremium und die entscheidende Schaltstelle des kooperativen Bildungsföderalismus sein.

Abkommen und Vereinbarungen In Verbindung mit der KMK wurden die Studienstiftung des deutschen Volkes, der Deutsche Akademische Austauschdienst und die Deutsche Forschungsgemeinschaft gegründet. Eine der ersten und bedeutendsten Vereinbarungen der Länder war das , Königsteiner Abkommen' von 1949 über die Finanzierung wissenschaftlicher Forschungseinrichtungen, das erst 1969 außer Kraft getreten ist. Bundesregierung und die Länderregierungen schlossen 1951 eine Verwaltungsvereinbarung über Fragen der Forschungsförderung. Das Ministerpräsidentenabkommen vom 17. 2. 1955 enthielt zahlreiche, auf die KMK zurückgehende Vorschläge zur Vereinheitlichung des Schulwesens, die da 2. 1955 enthielt zahlreiche, auf die KMK zurückgehende Vorschläge zur Vereinheitlichung des Schulwesens, die dann im Hamburger Abkommen der Länder vom 20. 6. 1959 fortgeführt wurden. Im Jahre 1955 einigten sich die Länder auf eine einheitliche Studienförderung nach dem Honnefer Modell', das später vom Bundesausbildungsförderungsgesetz abgelöst wurde.

Deutscher Ausschuß für das Erziehungsund

BiJdungswesen Auf Initiative des Bundesinnenministeriums und der KMK wurde 1953 der Deutsche Ausschuß für das Erziehungsund Bildungswesen gegründet, der als Gutachtergremium nach Art. 1 seiner Satzung „die Entwicklung des deutschen Erziehungs-und Bildungswesens beobachten und durch Rat und Empfehlungen fördern", als beratende Institution den politischen Instanzen zeitlich vorgeschaltet und deren Entscheidungen vorbereiten sollte.

Zwar fanden die umfangreichen Empfehlungen und Gutachten (insgesamt 29), besonders der Rahmenplan zur Umgestaltung und Vereinheitlichung des allgemeinbildenden öffentlichen Schulwesens aus dem Jahre 1959, breite Resonanz in der öffentlichen Diskussion. Nachhaltigen Einfluß auf die Gestaltung des Bildungswesens konnte der Deutsche Ausschuß für das Erziehungsund Bildungswesen jedoch vor allem deswegen nicht erlangen, weil ihm keine Regierungsvertreter angehörten. Daraus zog man bei den Nachfolgegremien des 1964 aufgelösten Ausschusses die Konsequenzen.

Wegen seiner bildungspolitischen Bedeutung soll hier eigens noch auf den Rahmenplan des Deutschen Ausschusses von 1959 eingegangen werden, der erstmals auf die umfassende Reformbedürftigkeit des damaligen Bildungssystems verwiesen hat. Er war jedoch in dem Antagonismus zwischen konservativen und progressiven Grundtendenzen, zwischen . Anpassung und Widerstand'verstrickt, worauf Schelsky schon damals hingewiesen hat 16). Dem Rahmenplan fehlte die stringente, geschlossene bildungspolitische Konzeption; „was er erstrebte, war lediglich ein partieller Ausgleich zwischen den ökonomischen Tendenzen unseres Gesellschaftssystems und den pädagogischen Aufgaben des Schulsystems" 17). Mit dem Rahmenplan wurden allerdings die Grundlagen eines folgenschweren Strukturwandels der Bildungspolitik gelegt; denn der Bezugspunkt der Reform wurde seit dieser Zeit verstärkt die Gesellschaft. War die Orientierung an den Erfordernissen der modernen Welt zweifelsohne das Positive an diesem Reformprozeß, so barg der Rückgriff auf das anonyme Postulat der gesellschaftlichen Relevanz den Keim für die später einsetzende Ideologisierung der Bildung in sich.

Wissenschaftsrat Auf Grund eines Verwaltungsabkommens zwischen Bund und Ländern wurde 1957 der Wissenschaftsrat gebildet, der nach Art. 2 die Aufgabe hat, „ 1. auf der Grundlage der von Bund und Ländern im Rahmen ihrer Zuständigkeiten aufgestellten Pläne einen Gesamtplan für die Förderung der Wissenschaften zu erarbeiten und hierbei die Pläne des Bundes und der Länder aufeinander abzustimmen, 2. jährlich ein Dringlichkeitsprogramm aufzustellen, 3. Empfehlungen für die Verwendung derjenigen Mittel zu geben, die in den Haushaltsplänen des Bundes und der Länder für die Förderung der Wissenschaft verfügbar sind"

Der Wissenschaftsrat besteht aus der Wissenschaftlichen Kommission mit 22 Mitgliedern und der Verwaltungskommission mit 17 Mitgliedern. Um den Beschlüssen nach außen mehr Verbindlichkeit zu verleihen, nehmen an den Verhandlungen des Wissenschaftsrates im Unterschied zum früheren Deutschen Ausschuß für das Erziehungs-und Bildungswesen auch Ministerialvertreter mit Stimmrecht teil. Während sich in der Anfangsphase, als der Wissenschaftsrat seine Hauptaufgabe im quantitativen Ausbau der wissenschaftlichen Einrichtungen sah, die Mischung von Experten und Politikern bewährt hat, erwuchsen dem Wissenschaftsrat, als die harte Diskussion um die innere Hochschulreform einsetzte, aus dieser Konstruktion heraus immer mehr Schwierigkeiten und Probleme. „Die Verantwortung der Politiker hat den Fortgang der Beratungen in diesem Bereich mehr aufgehalten als gefördert."

Staatsvertrag ZDF Nach dem erwähnten Fernsehurteil gründeten die Länder in einem Staatsvertrag am 6. 6. 1961 die Anstalt „Zweites Deutsches Fernsehen". 1964 schlossen Bund und Länder ein Verwaltungsabkommen über die Förderung von Wissenschaft und Forschung, das 1968 wieder verlängert wurde.

Deutscher Bildungsrat Den Nachteilen des Wissenschaftsrates suchte man mit der Errichtung des Deutschen Bildungsrates im Jahre 1966 zu begegnen. Auch hier wurden zwei Kommissionen gebildet: die Bildungskommission und die Regierungskommission mit jeweils 18 Mitgliedern. Beide Kommissionen stimmen allerdings getrennt ab, wobei die Regierungskommission nur beratende Stimme hat. Die Empfehlungen der Bildungskommission werden zwar mit der Regierungskommission durchdiskutiert und beraten, aber in eigener Verantwortung erstellt.

„Auf diese Weise wird der notwendige Kontakt mit der Exekutive gewahrt, ohne daß die Kommission der eigentlich Planenden an etwaige Einsprüche der Regierenden gebunden wäre." In dieser Trennung — bei gleichzeitiger Koordination von Planung und Entscheidung — liegt der eigentliche Unterschied in der Konstruktion des Deutschen Ausschusses und des Wissenschaftsrates zu der des Deutschen Bildungsrates. Außerdem waren Zielsetzung und Aufgabenstellung des Bildungsrates wesentlich konkreter formuliert, nämlich:

— Bedarfs-und Entwicklungspläne für das deutsche Bildungswesen zu entwerfen, die den Erfordernissen des kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens entsprechen und den zukünftigen Bedarf an ausgebildeten Menschen berücksichtigen.

— Vorschläge für die Struktur des Bildungswesens zu machen und den Finanzbedarf zu berechnen.

— Empfehlungen für eine langfristige Planung auf den verschiedenen Stufen des Bildungswesens auszusprechen

Da man die Notwendigkeit einer wissenschaftlichen Begründung der Bildungsplanung erkannt hatte, war der Bildungsrat bisher immer um ein gutes Verhältnis zur Wissenschaft bestrebt. Insbesondere arbeitet er mit dem Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und dem Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung zusammen.

Die Bildungskommission des Deutschen Bildungsgrates erarbeitete eine Reihe bedeutender und vielbeachteter Empfehlungen und Gutachten, am bedeutendsten den 1970 veröffentlichten Strukturplan für das deutsche Bildungswesen. Bei Ausklammerung des Hoch-schulbereiches kann der Strukturplan — so umstritten einzelne seiner Aussagen auch waren — dennoch als das erste Gesamtkonzept der Bildungsreform „auf dem Wege von der Pragmatik zur Systematik" bezeichnet werden. „In diesem umfassenden Werk suchte die Bildungskommission den Gesamtaufbau des deutschen Bildungswesens in den Griff zu bekommen . .. Zum ersten Mal war es gelungen, Schulreform als ein Ganzes zu sehen."

Bildungsrat und Wissenschaftsrat überflüssig? Zweifelsohne haben Wissenschaftsrat und Bildungsrat als Kooperationsund Koordinationsgremien nachhaltigen Einfluß auf die Entwicklung des Bildungswesens gewonnen. Den Empfehlungen und Vorschlägen dieser Institutionen aber „Dogmencharakter" zusprechen zu wollen, kommt allerdings einer unrealistischen Überbewertung und falschen Einschätzung gleich.

Die wachsende Kritik an der Effizienz von Bildungsund Wissenschaftsrat macht zumindest organisatorische und technische Verbesserungen der Arbeitsweise, wenn nicht gar eine völlige Neustrukturierung beider Bildungsgremien erforderlich. Hiermit bietet sich die einmalige Chance einer umfassenden Neuordnung der verästelten Bildungsberatung und Bildungsplanung in der Bundesrepublik. Denn im Rückblick wird deutlich, daß die beiden Gremien Bildungsrat und Wissenschaftsrat ihren in den Verwaltungsabkommen festgelegten Aufgaben nur ungenügend nachgekommen sind. So führt beispielsweise die Vermengung von Beratung und Entscheidung beim Wissenschaftsrat zu einer unlegitimierten faktischen Kompetenzverlagerung von der Exekutive auf den Wissenschaftsrat. Die Grenze zwischen Beratungs-und Exekutiv-funktion des Wissenschaftsrates ist unscharf geworden. Diese unwägbaren Einflüsse auf die bildungspolitische Entscheidungsebene lassen den Beratungsmechanismus des Wissenschaftsrates politisch unkontrollierbar erscheinen. Der Bildungsrat wiederum hat mit dem mehr theoretischen Charakter seiner Empfehlungen den Bezug zu den anstehenden aktuellen Bildungsproblemen zusehends verloren. Trotz der Verknüpfung von Bildungs-und Regierungskommission ist in der Praxis die Arbeit des Bildungsrates und der Bildungspolitiker zu wenig aufeinander abgestimmt. Die einseitige, gesellschaftspolitisch motivierte Realitätsferne des Bildungsrates war die Ursache dafür, daß die bildungspolitische Diskussion weitgehend am Bildungsrat vorbei geführt worden ist, was zu einem Verlust des anfänglichen politischen Gewichts des Bildungsrates führte. !

Die Lösung dieses Dilemmas liegt jedoch weder darin, die Bildungsberatung stärker der Politik zu unterwerfen, noch in dem anderen Extrem, die Politiker aus der Regierungskommission und damit aus dem Bildungsrat auszugliedern. Bildungsberatung muß primär wissenschaftliche Entscheidungshilfe für die Bildungspolitik zur Lösung brennender Probleme sein. Insofern bietet die Debatte um die Auflösung des Bildungsrates und Wissenschaftsrates die Chance zu einer Neustrukturierung des verwirrten bildungspolitischen Beratungssystems. Das Problem der Hochschulzulassung wie auch die Empfehlungen des Bildungsrates, die reformierte gymnasiale Oberstufe mit dem Hochschulbereich abzustimmen, oder die Empfehlung zur „Planung berufsqualifizierender Bildungsgänge im tertiären Bereich" zeigen ferner immer mehr, daß Schul-und Hochschulbereich in der Bildungsberatung heute nicht mehr in verschiedene Gremien zu trennen sind. Gegenwärtig stehen zahlreiche Vorschläge zur Reform der Bildungsberatung zur Debatte, so etwa der Vorschlag von Kultusminister Hahn die bisher ständigen Gremien durch jeweils für die anstehenden Sachfragen neu zu berufende Ad-hoc-Kommissionen nach dem Vorbild der englischen royal commissions zu ersetzen, was im Prinzip sowohl dem Leonhardt-Modell eines siebenköpfigen Expertengremiums, welches Ad-hoc-Aufgaben an Ad-hoc-Kommissionen zu delegieren hat, als auch dem Dahrendorf-Vorschlag nach themenbezogenen, zeitlich befristeten Bundes-kommissionen entspricht. Die bevorstehende Reform der Bildungsberatung könnte zur Nagelprobe des kooperativen Bildungsföderalismus werden.

Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung Die am 25. 6. 1970 durch Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern geschaffene Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung ist ein Resultat der Grundgesetzänderungen von 1969, wonach Bund und Länder bei der Bildungsplanung Zusammenwirken können (Art. 91 bGG). Erste Aufgabe dieser Kommis-sion war es, die „Antwort der Politik auf die Herausforderung des Strukturplanes zu geben" Die wichtigsten im Abkommen konkretisierten Ziele waren, einen gemeinsamen Rahmenplan für eine abgestimmte Entwicklung des gesamten Bildungswesens vorzubereiten (Art. 2 Abs. 1), mittelfristige Stufenpläne für die Verwirklichung der bildungspolitischen Ziele des Rahmenplanes (Art. 2 Abs. 2) sowie Programme für die Durchführung vordringlicher Maßnahmen (Art. 2 Abs. 4) zu entwickeln und den voraussichtlichen Finanz-bedarf für die Verwirklichung der Pläne zu ermitteln und Vorschläge für die Bereitstellung der erforderlichen Mittel durch Bund und Länder auszuarbeiten.

Der Bund-Länder-Kommission gehören sieben Vertreter der Bundesregierung und je ein Vertreter der Landesregierungen an. Die Vertreter der Bundesregierung haben zusammen elf Stimmen, die nur einheitlich abgegeben werden können. Die Kommission ist also — zwar nicht personell, aber nach der Zahl der Stimmen — paritätisch aus Bund und Ländern zusammengesetzt. Beschlüsse erfordern Dreiviertelmehrheit, wobei auch Sondervoten abgegeben werden können. Die Beschlüsse haben nur Empfehlungscharakter. Sie werden erst verbindlich, wenn von den zwölf Regierungschefs (Bundeskanzler und elf Ministerpräsidenten) mindestens neun zustimmen, wobei ein Land jedoch nur dann daran gebunden ist, wenn dessen Ministerpräsident zugestimmt hat. An den Beratungen der Bund-Länder-Kommission nehmen auch Vertreter des Deutschen Bildungsrates, des Wissenschaftsrates und der kommunalen Spitzen-verbände teil.

Wichtigstes Thema und Ziel der Bund-Länder-Kommission war von Anfang an die Aufstellung des Bildungsgesamtplanes vor dem Hintergrund eines realistischen Bildungsbudgets. Der Bildungsgesamtplan, der bis 1985 projektiert ist, ist das erste langfristige, alle Bildungsbereiche umfassende, auf dem Minimalkonsens von Bund und Ländern beruhende bildungspolitische Gesamtkonzept in der Bundesrepublik; er ist Resultat des kooperativen Bildungsföderalismus. Diese neue Form der bildungspolitischen Selbstbindung von Bund und Ländern im Bildungsgesamtplan, der unter der Ebene eines Staatsvertrages liegt, bietet bei realistischer Angleichung an den veränderten Finanzrahmen die Chance einer kontinuierlichen, auf die jeweiligen Interessen und Kompetenzen von Bund und Ländern abgestimmten Bildungsreform. Wenn auch infolge der Finanzschwierigkeiten die Realisierungsfristen zeitlich gestreckt werden müssen, kann auch weiterhin an den grundsätzlichen inhaltlichen Zielen des Bildungsgesamtplanes festgehalten werden.

Die Bund-Länder-Kommission ist der erste, mit dem Bildungsgesamtplan durchaus erfolgreiche Versuch einer integrierten Bildungsplanung, die alle wichtigen Bereiche der Gesellschafts-und Infrastrukturpolitik aufeinander abstimmt — eine Aufgabe, die nur im Verbund zwischen Bund und Ländern geleistet werden kann.

Staatsvertrag über die Vergabe der Studienplätze Nach dem am 20. 10. 1972 von den Ländern geschlossenen Staatsvertrag über die Vergabe der Studienplätze erfolgt seit dem Wintersemester 1973/74 die Vergabe der Numerus-clausus-Studienplätze nach folgendem Schlüssel: 8% werden an Ausländer, 15% nach sozialen Kriterien, 2 % für den öffentlichen Gesundheitsdienst und die Bundeswehr, der verbleibende Rest wird zu 60 % nach Noten, zu 40 % nach Wartezeit verteilt. Das heftig kritisierte und inzwischen vom Bayerischen Verfassungsgericht als verfassungswidrig erklärte Bonus-Malus-System, nach dem die unterschiedlichen Abiturnotenschnitte der Länder an den Bundesdurchschnitt angeglichen werden, macht die rein technokratische Mängel-verwaltung des Staatsvertrages deutlich. Diese Situation läßt daher eine Verlängerung des Staatsvertrages über das Jahr 1977 hinaus als äußerst unwahrscheinlich erscheinen. Wenn bis zu diesem Zeitpunkt — abgesehen von dem schon vorher nach dem Verfassungsurteil zu revidierenden Bonus-Malus-System — nicht ein besserer Kompromiß zur Lösung dieses brisanten bildungspolitischen Numerus-

clausus-Dilemmas unter den Bundesländern gefunden wird, muß mit der entscheidenden Bewährungsprobe des kooperativen Bildungsföderalismus gerechnet werden. Der sich abzeichende Trend zur Länderkontingentierung der Studienplätze verweist auf einen Rückfall in einen regionalen Länderpartikularismus, der den grundlegenden Prinzipien des kooperativen Bildungsföderalismus zuwiderläuft. Allerdings wird das im Numerus-clausus-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. 7. 1972 postulierte Egalitätsprinzip der überregionalen Einheit der Lebensverhältnisse, das die unterschiedlichen Länderanstrengungen ignorierte, künftig einem stärkeren Konkurrenzdenken weichen müssen, das den Ländern mit höherem Studienplatzangebot Prämien verleiht. Ein System der institutionalisierten Konkurrenz unter den Ländern schließt jedoch engere Kooperationsformen nicht aus.

IV. Kooperativer Kulturföderalismus im unitarischen Bundesstaat

In diesem, nur in den institutionalisierten Umrissen geschilderten, äußerst komplexen System des kooperativen Kultur-und Bildungsföderalismus muß jeweils zwischen den Formen ausschließlicher Länderkooperation (Kultusministerkonferenz, Königsteiner Abkommen, Ministerpräsidentenabkommen, ZDF u. a.) und der zwischen 'dem Bund und den Ländern verlaufenden Kooperationsebene (Wissenschaftsrat, Bund-Länder-Kommission, Verwaltungsabkommen, Staatsverträge) als dritte Ebene zwischen Bund und Ländern unterschieden werden.

Wenn auch aktuelle bildungspolitische Entwicklungstrends, die in ihrer vollen Auswirkung noch nicht beurteilt werden können, in die entgegengesetzte Richtung verlaufen, so zeichnen sich gerade auf kulturpolitischem Gebiet sowohl durch die Selbstkoordination der Länder als auch durch die zunehmende Konzentration staatlicher Aufgaben beim Bund die „unitarisierenden Tendenzen" im Bundesstaat in aller Deutlichkeit ab. Denn trotz verfassungsrechtlich garantierter Kulturhoheit der Länder weitet der Bund mittels der nicht-gesetzesakzessorischen Verwaltung ständig seinen kulturpolitischen Einflußbereich aus; die formale verfassungsrechtliche Gesetzgebungskompetenz, die den Ländern eindeutig Priorität einräumt, besagt daher wenig über die tatsächliche kulturpolitische Gewichtsverteilung in der politischen Praxis. Der Ruf nach einem schon 1954 von der Deutschen Partei und 1961 von der FDP geforderten Bundeskultusministerium ist zwar auch heute noch nicht ganz verstummt, dürfte jedoch eine allzu naive Einfachlösung für die viel komplexer liegenden Probleme aktueller Kulturpolitik sein. Sowohl die Usurpation kulturpolitischer Kompetenzen durch den Bund als auch die sich zusehends verdichtende Kooperation und Koordination der Länder als Ausdruck einer „dreigliedrigen Bundes-staatlichkeit" können jedoch nicht als Entwicklung zum Zentralstaat gedeutet werden, denn funktional begründete, sachliche „Unitarisierung bedeutet keine Zentralisierung" Bei dem in der Industriegesellschaft unaufhaltsamen Trend zur Egalisierung erscheint es jedenfalls besser, wenn sich die Länder auf einer dritten Ebene zwischen Bund und Ländern durch gegensätzliche Trends überbrückende Vereinbarungen selbst gleichschalten, als wenn sie von einer Zentrale aus gleichgeschaltet würden.

Ohne eine verfassungsrechtlich verankerte Kulturhoheit der Bundesländer wären zudem zahlreiche bildungspolitische Fehlentwicklungen (Gesamtschule, Rahmenrichtlinien, Hochschulgesetze) der Vergangenheit nicht nur Experiment einzelner Länder geblieben, sondern als verbindliche Konzepte auf die gesamte Bundesebene übertragen worden. Damit ist zweifelsohne eine bundesweite Multiplikation bildungspolitischer Fehler einzelner Länder vermieden worden. Die Frage der Kulturhoheit ist allerdings weniger nach politischer Zweckmäßigkeit als vielmehr aus zwingender verfassungsrechtlicher Notwendigkeit heraus zu beantworten. Ein oft als progressiver Schritt nach vorn gedeutetes Zurück hinter das Verfassungspostulat des Kulturföderalismus ist nicht möglich. Ein sachgerechter weiterer Ausbau des kooperativen Föderalismus bietet sowohl eine sicherere Gewähr zur Abwehr der Kulturrevolution als auch zur sachgerechten Lösung aktueller bildungspolitischer Probleme als zentralistische Verordnungsrezepte oder länderpartikularistische Eigenbrötelei. In dieser sowohl den gegenwärtigen bildungspolitischen als auch den prinzipiellen verfassungsrechtlichen Erfordernissen entsprechenden freiheitlichen Interpretation und Ausgestaltung liegt die reale Chance zur optimalen Weiterentwicklung der von vielen als Hypothek und Ballast empfundenen Kulturhoheit der Bundesländer. Der kooperative Kulturföderalismus als zeitgemäße Variante der Kulturhoheit der Länder läßt den einzelnen Gliedstaaten genügend Raum zur Selbstentfaltung ihrer den jeweiligen historischen, geographischen, weltanschaulichen und sozialen Verhältnissen entsprechenden eigenständigen Kultur-politik und bietet gleichzeitig die Gewähr für ein im Interesse der Rechtsgleichheit und Frei-zügigkeit aller Staatsbürger liegendes gewisses Maß an Einheitlichkeit im Bildungswesen. Dies ist sowohl eine Absage an den omnipotenten Zentralstaat als auch an die absolute partikularistische Kulturhoheit der Länder.

V. Aktuelle Entwicklungstrends des kooperativen Kulturföderalismus

Die Kulturpolitik in Bund und Ländern befindet sich gegenwärtig in einem totalen Umbruch; sie steht im Spannungsverhältnis zwischen den divergierenden Tendenzen gesellschaftlicher Indifferenz und ideologischer Politisierung.

Einerseits geht die sich ausbreitende Resignation und Enttäuschung über die mangelhaften Resultate der früheren Bildungseuphorie — wie z. B. Numerus clausus oder Akademiker-proletariat —, die mitunter bereits deutliche bildungsfeindliche Konturen aufweist, eine Verbindung mit einer allgemeinen kulturpolitischen Ignoranz und Abstinenz ein. Diese Entwicklung ist gerade in einer wachsenden Freizeitgesellschaft um so problematischer, da innerer Friede und ökonomischer Wohlstand einer Gesellschaft auf dem Spiele stehen, die mit ihrer zunehmenden Freizeit nichts anzufangen weiß. Dieser kulturpolitische Agnostizismus wird andererseits zusehends von der Neuen Linken mit einem ideologischen „Kulturskeptizismus" konfrontiert, der jegliche Kulturpolitik für sinnlos hält, solange nicht die Gesellschaft revolutioniert sei. An der kulturpolitischen Indifferenz und dem damit einhergehenden, von einem Normendefizit geprägten funktionalen Bildungsbegriff konnte leicht der Hebel zur Einleitung der Kulturrevolution angesetzt werden, indem unter dem scheinheiligen Vorwand der Erfüllung eines angeblich nicht realisierten Verfassungspostulates die an sich berechtigte, aber in diesem Bereich überzogen artikulierte Forderung nach mehr Partizipation und Demokratisierung im kulturpolitischen Bereich erhoben wurde.

Kultur wurde damit auf den formalen Aspekt der gesellschaftlichen Kommunikationsfunktion reduziert. Nicht mehr die Kultur soll demnach gefördert werden, sondern „eben die Kommunikation, eine reduzierte, gleichsam proletarisierte Form menschlichen Miteinanders, bei der der kollektive Krawall die indi32) viduelle Arie ersetzt" Kultur wird hier nur noch am schillernden Begriff der Gesellschaftsrelevanz gemessen, ohne daß dafür rationale, operationalisierbare Kriterien angegeben werden.

Ausgangspunkt dieser Interpretation sind die systemkritischen Ästhetiktheorien von W. Benjamin, G. Lukäcs, H. Marcuse und insbesondere Theodor Adorno, der Kunst geradezu als die „gesellschaftliche Antithese zur Gesellschaft" definierte. Sicherlich hat Kunst immer auch eine gesellschaftskritische Komponente; diese kann jedoch nicht ihre Haupt-maxime sein. Als Gegenreaktion auf die von der Neuen Linken als deutsche Kulturrestauration heftig attackierte Nachkriegsepoche und die von Marcuse als . affirmative Kultur kritisierte, für die bürgerliche Epoche als charakteristisch angegebene Trennung von Kultur und Zivilisation entwickelte sich in der Hippiebewegung eine eigene Subkultur. Diese ursprünglich als provokative Antireaktion und Antikultur gegen die moderne Industriegesellschaft konzipierte Zeiterscheinung zeigte jedoch immer deutlicher Züge einer Restauration des realitätsfremden und gesellschaftsfernen L’art-pour-lart-Prinzips und führte die selbstproklamierte gesellschaftliche Relevanz der Kultur ad absurdum. Der jeweils immer in verschiedener Ausprägung vorhandene Gesellschaftsbezug der Kultur verfiel damit in das Extrem abstrakter Gesellschaftsund Realitätsferne. Dies entlarvt den eigentlich reaktionären Charakter der sich so progressiv gerierenden Antireaktion.

Mit der Überbetonung der nirgends exakt definierten Gesellschaftsrelevanz begann der Versuch der totalen Politisierung und Ideologisierung des kulturellen Bereichs. Der von der Neuen Linken systematisch betriebene lange Marsch durch die Institutionen der Kultur läßt in seiner kulturrevolutionären Strategie folgende Etappen erkennen: der ersten Phase, die von der Kulturkritik zur System-kritik verläuft, folgt über die Kulturrevolution zur Systemveränderung die zweite Phase. Damit ist ganz offensichtlich die Strategie der Neuen Linken, durch „Kulturrevolution zur Gesellschaftsrevolution" zu gelangen, aufgedeckt. Mit der sogenannten kritischen und emanzipatorischen Pädagogik hat dieses Konzept auf dem Nährboden weiter Verbreitung in Publizistik und Massenmedien bereits die ersten institutionellen Wurzeln im politischen System der Bundesrepublik gefaßt.

Auf die zentrale Frage, wieso die neue Intelligenzklasse, die selbsternannte „Reflexionselite", mittels einer gesinnungssteuernden Kulturpolitik durch Monopolisierung der Sinngebung in der Gesellschaft eine Art neuer „Priesterherrschaft" in mittelalterlich-hierokratischer Form durch die Mittel der Belehrung, Betreuung und Beplanung über die produzierende, arbeitende Klasse errichten konnte, gibt Schelsky in seinem vieldiskutierten Buch „Die Arbeit tun die anderen" eine aufschlußreiche Antwort: „Erst wenn man sieht, daß eben diese Gruppen zugleich unaufgebbare Sachaufgaben für die moderne Gesellschaft, Leistungen der Ausbildung, der Information und Sinn-Orientierung usw. erfüllen und nun in diesem in ihrer Person jeweils vorhandenen Zwiespalt zwischen Sachverantwortung und Subjektivität diese über die Sachleistung siegen lassen, deren soziale Geltung aber für ihre subjektive geistige Herrschaft ausarten, kann man die Breitenwirkung dieser neuen ideologischen Führungswirkung ermessen." Aus dieser zentralen, sinnprägenden Funktion des kulturellen Bereiches für die Gesellschaft erklärt sich die zunehmende Ideologisierung der Kultur. „Statt in der Wirtschaftspolitik findet heute der Sozialismus ersatzweise in der Kulturpolitik statt."

Damit ist die ursprüngliche Problematik der anfangs des 20. Jahrhunderts einsetzenden Kulturpolitik heute in das genaue Gegenteil gekehrt: Wollte sich früher der einzelne gegen staatliche kulturpolitische Interventionen schützen, so muß heute der Staat den einzelnen vor der ideologischen Indoktrination radikaler gesellschaftlicher Gruppen schützen.

Kulturpolitik hat heute nicht mehr die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den Anhängern des Laissez-faire-Prinzips zu führen, die sich gegen zu starke staatliche kulturpoli36) tische Interventionen wehren, sondern vielmehr mit denjenigen, die Kulturpolitik mit dem Ziel der Systemveränderung und Revolutionierung der Gesellschaft durch Bewußtseinsindoktrination, Monopolisierung der Sinngebung und sozialreligiöse Heilsverheißungen zweckentfremden. Kulturpolitik hat jedoch nicht der Gesellschaftsveränderung, sondern dem konkreten Menschen und seiner Erziehung zur Freiheit zu dienen. Nicht Systemsprengung, nicht Politisierung des Bildungswesens, nicht der politiserte, sondern der politisch verantwortliche Mensch ist das zu erstrebende Ziel. Die Alternative zur sozialistischen Kulturrevolution kann nur eine freiheitliche Kulturpolitik in Bund und Ländern sein, die das mühsam erreichte Niveau gesellschaftlicher Leistungen — die Kultur — gerade in einer geschichtsfeindlichen Umgebung in einem ausgewogenen Verhältnis zum kulturellen Erbe wie auch in kritischer Distanz zur unreflektierten Traditionsvermittlung sichert und kontinuierlich ausbaut. Gerade heute muß es in verstärktem Maße Aufgabe von Kulturpolitik und Kulturverwaltung sein, durch ein attraktives kulturelles Angebot dem Menschen dazu zu verhelfen, seine immer mehr wachsende „Freizeit in Freiheit" zu nutzen.

Diese wichtige Aufgabe, die sozialistische Kulturrevolution durch freiheitliche Kulturpolitik abzuwehren, kann nur durch einen intensiven Ausbau des kooperativen Kulturföderalismus geleistet werden, und zwar auf der Basis eines normativen Grundkonsenses in Bund und Ländern über zentrale Fragen der freiheitlichen Demokratie. Die politische Realität verläuft allerdings in die entgegengesetzte Richtung: der kooperative Bildungsföderalismus ist immer mehr im Schwinden begriffen. Dies zeigt sich sowohl auf der institutioneilen Ebene (vgl. Debatte um Bildungsrat und Wissenschaftsrat, um die Bildungsfinanzierung sowie die sich immer mehr auseinander entwickelnde Lehrerbildung) als auch vor allem auf normativem Gebiet, wo die kulturrevolutionäre Aufspaltungsstrategie mit der Bildungsideologisierung in verschiedenen Ländern bereits bedenkliche Teilerfolge insbesondere an den Hochschulen errungen hat. Auch der im Bildungsgesamtplan erstmals erreichte Grundsatzkonsens zwischen Bund und Ländern über die Struktur des künftigen Bildungssystems konnte ein Ausscheren einzelner Länder nicht verhindern, da er die zentralen Punkte der Bildungsinhalte und Bildungsziele weitgehend ausgespart hat, die auch weiterhin — wie die Diskussion um die Rah39) menrichtlinien gezeigt hat — Gegenstand anscheinend unüberbrückbarer Kontroversen zwischen den einzelnen Ländern bleiben. In den neuralgischen Punkten des Hochschulzugangs und der inneren Studienreform konnte im Hochschulrahmengesetz nicht zuletzt deswegen bislang kein Kompromiß gefunden werden, weil die Länder durch allzu viele Novellierungen ihrer schon in Kraft getretenen eigenen Länderhochschulgesetze eine neue Veränderungs-und Ideologisierungswelle befürchten. Allein schon diese wenigen Symptome zeigen, daß die eigentlichen Fronten heute nicht mehr zwischen Zentralismus und Föderalismus, zwischen Bund und Ländern oder den Ländern untereinander, sondern vielmehr auf parteipolitischer Ebene verlaufen, wo die Polarisierung nicht nur auf pragmatische, sondern vor allem auf grundsätzliche Fragen und zentrale Werte der freiheitlichen Demokratie übergreift.

Nach der Gründer-und Entidöologisierungsphase der fünfziger Jahre, auf die die bildungspolitische Expansionsphase folgte, die wiederum Ende der sechziger Jahre in eine Reideologisierungswelle umgeschlagen ist, wird heute der Welle der totalen Politisierung, der Subkultur, der Verunsicherung des Bildungsbegriffs, der Erziehung zur Revolution und der Erziehungsdiktatur lediglich mit leerem Pragmatismus und einer funktionalen Bildungstheorie mit ihrem „Defizit des Erzieherischen" begegnet. Wenn es zweifelsohne das Verdienst der durch die Wirtschaftskrise ausgelösten Tendenzwende war, daß gerade auch auf kulturpolitischem Gebiet die Grenzen des Machbaren sichtbar abgesteckt und ideologische Entwürfe als Utopie entlarvt wurden, so ist allerdings mit dem dadurch ausgelösten technokratischen Pragmatismus noch keine neue inhaltliche Perspektive gefunden, die der Gefahr der Kulturrevolution entgegenwirken könnte. Nur ein offerier Bildungsbegriff in der freiheitlichen Gesellschaft ohne ideologische und doktrinäre Verengung kann in Verbindung mit einem neubelebten kooperativen Kulturföderalismus auf der Basis eines freiheitlichen, normativen Menschenbildes die kulturrevolutionäre Erziehungsdiktatur verhindern.

Der durch die weltweite wirtschaftliche Strukturkrise ausgelöste Bewußtseinswandel birgt die Chance in sich, die Grundfragen der Bildung neu zu überdenken. Denn gerade für die in den letzten Jahren von stürmischer Expansion und Hektik geprägte Bildungspolitik hat die Aussage: „wenn die Kassen leer sind, darf man das Denken nicht einstellen" um so mehr Gültigkeit. Nicht Herabsetzung der Bildungspolitik in der Prforitätenskala der Gesamtpolitik, sondern neue, realistische Prioritätensetzung innerhalb des Bildungssystems, die dem Vordringlich-Notwendigen größeres Gewicht als dem Wünschbar-Utopischen beimißt, wäre die richtige bildungspolitische Konsequenz aus der durch die Konjunkturkrise erzwungenen Ernüchterung. Die Chance der Krise liegt für die Bildungspolitik darin, quantitative Einbußen durch qualitative Verbesserungen auszugleichen. Das Prinzip Effizienz statt Expansion wird immer dringlicher werden. Gerade jetzt, wo der Nährboden der Bildungsexpansion der sechziger Jahre ausgetrocknet ist — nämlich kontinuierlicher Zuwachs der Bevölkerung und des Sozialprodukts sowie fiskalisch-politische Priorität der Bildungsausgaben —, ist eine Neubelebung des kooperativen Bildungsföderalismus eine der wichtigsten Vorbedingungen zur vernünftigen Lösung der brennenden Bildungsprobleme. Fragen wie Numerus clausus, Akademikerbedarf, berufliche Bildung oder Bildungsfinanzierung können nur kooperativ zwischen Bund und Ländern gelöst werden. Der neu aufgeflammte Streit über die Organisation der Bildungsberatung anläßlich des zwischen Bund und zehn Ländern — mit Ausnahme von Bayern — am 28. November 1975 abge-

schlossenen Abkommens über kontinuierliche Bildungsberatung läßt allerdings wenig Hoffnung auf ein Wiederaufleben des kooperativen Bildungsföderalismus in der Bundesrepublik.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Brockhaus Enzyklopädie, Wiesbaden 1970, Bd. 10, S. 733; vgl. auch: Herder Staatslexikon, Freiburg 1960, Ed. V, S. 164.

  2. Deutsche Kulturpolitik, Dokumente, hrsg. v. M. Abelein, Düsseldorf 1970, S. 12.

  3. G. Almond, S. Verba, The Civic Culture, Boston 1965.

  4. Vgl. Harald Bühl, Kulturpolitisches Wörterbuch, Berlin-Ost 1970, S. 286 ff.; G. Klaus, M. Buhr (Hrsg.), Philosophisches Wörterbuch, Leipzig 1966, S. 302 f.

  5. M. Abelein, Die Kulturpolitik des Deutschen Reiches und der Bundesrepublik Deutschland, Köln 1968, S. 197.

  6. Th. Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, Tübingen 1969.

  7. M. Abelein, a. a. O., S. 229 f.

  8. Ebda., S. 234.

  9. Deutsche Kulturpolitik, a. a. O., S. 12.

  10. H. Glaser, Vom Unbehagen in der Kulturpolitik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 52/72, S. 5.

  11. Oppermann, a. a. O., S. 580.

  12. Ebda., S. 577.

  13. Vgl. P. -L. Weinacht, Bildungsplanung, München 1971, S. 113; E. Höhne, Der Neuaufbau des Schulwesens nach dem Bildungsgesamtplan, Bamberg 1972, S. 9; H. Laufer, Das föderative System der Bundesrepublik Deutschland, München 1973.

  14. Höhne, a. a. O., S. 8.

  15. Laufer, a. a. O., S. 117.

  16. J. Derbolav, Frage und Anspruch, Pädagogische Studien und Analysen, Wuppertal 1970, S. 82.

  17. Art. 2 des Abkommens, zit. nach: Hans-Georg Roth, Bildung und Ausbildung, Köln, Berlin, Bonn, München 1975, S. 208 ff.

  18. Höhne, a. a. O., S. 8.

  19. Ebda.

  20. Art. 2, vgl. Handbuch der KMK, S. 169.

  21. Deutscher Bildungsrat, Strukturplan für das deutsche Bildungswesen, Bonn 1970, S. 14.

  22. Höhne, a. a. O., S. 17.

  23. Laufer, a. a. O., S. 118.

  24. Die Zeit vom 13. 6. 1975.

  25. Analysen, 7/1975.

  26. Höhne, a. a. O., S. 19.

  27. Höhne, a. a. O.; Hans-Georg Roth, Bildung und Ausbildung. Zum Bildungsgesamtplan, München 1975 (Schriftenreihe der Bayerischen Landeszentrale für Politische Bildung D 7); ders., Bildung und Ausbildung oder die Quadratur des Kreises (Schriftenreihe Mensch und Staat, hrsg. von Prof. K. Löw), Köln, Berlin, Bonn, München 1975; ders., 25 Jahre Bildungsreform, Bad Heilbrunn 1975; ders., Brennpunkte aktueller Bildungspolitik, in: Politische Studien 214, München 1974.

  28. K. Hesse, Der unitarische Bundesstaat, Karlsruhe 1962.

  29. H. Kelsen, Allgemeine Staatslehre, 1925.

  30. Hesse, a. a. O., S. 21.

  31. Glaser, a. a. O., S. 12.

  32. Am deutlichsten in Art. 34 c der Verfassung des Saarlandes: „Die Teilnahme an den Kulturgütern ist allen Schichten des Volkes zu ermöglichen."

  33. Zehm, zit. nach: O. Schwencke, Plädoyers für eine neue Kulturpolitik, München 1974, S. 38.

  34. H. Marcuse, Kultur und Gesellschaft I, Frankfurt 1965, S. 63.

  35. W. Brezinka, Erziehung und Kulturrevolution. Die Pädagogik der Neuen Linken, München 1974, S. 67.

  36. H. Schelsky, Die Arbeit tun die anderen. Klassenkampf und Priesterherrschaft der Intellektuellen, Opladen 1975, S. 132.

  37. Scheuch, zit. nach Schelsky, a. a, O.

  38. Glaser, a. a. O., S. 19.

  39. H. Maier, Zwischenrufe zur Bildungspolitik, Osnabrück 1972; ders., Wiedergewinnung des Erzieherischen, in: Forum E, 3/1973.

  40. B. Vogel, Neue Bildungspolitik, Herford, Berlin 1975.

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Hans-Georg Roth, geb. 1949, Studium der Politik, Geschichte und des Staatsrechts an der Universität München, Doktorand bei Kultusminister Prof. Dr. Hans Maier. Bildungsreferent, Lehrbeauftragter der Volkshochschule München, freier Mitarbeiter verschiedener Zeitungen im Ressort Bildungspolitik, Sachverständiger bei den Hearings zum Hochschulrahmengesetz im Bundestagsausschuß und Wissenschaftsministerium. Mehrere Forschungsaufenthalte im Ausland. Veröffentlichungen u. a.: Bildung und Ausbildung — oder die Quadratur des Kreises, Schriftenreihe Mensch und Staat, Köln 1975; Bildung und Ausbildung — Zum Bildungsgesamtplan, Schriftenreihe der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildung, München 1975; 25 Jahre Bildungsreform in der Bundesrepublik — Bilanz und Perspektiven, Bad Heilbrunn 1975; Demokratisierung der Schule — Forderung oder Herausforderung der parlamentarischen Demokratie?, Schriftenreihe der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz, Mainz 1975; Tendenzwende der Bildungspolitik, in: Vierteljahresschrift für Wissenschaftliche Pädagogik 3/1975.