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Rechtliche Schranken einer gesetzlichen Regelung der „Inneren Pressefreiheit" | APuZ 49/1975 | bpb.de

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APuZ 49/1975 Medienpolitik zwischen Theorie und Praxis Plädoyer für ein Gesetz Warum ein Presserechtsrahmengesetz? Die Meinung der Opposition Am Grundgesetz vorbei Rechtliche Schranken einer gesetzlichen Regelung der „Inneren Pressefreiheit" „Innere Pressefreiheit" in den Händen der Juristen. Rückblick auf die Gutachtenszene Tendenzschutz in gewerkschaftlicher Sicht Publizistische Mitbestimmung durch Redaktionsvertretungen Die Rolle von Wissenschaftlern im Streit um Medienpolitik. Anmerkungen zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung um den Entwurf eines Presserechtsrahmengesetzes Der Fall Hannover Ein Redaktionsstatut -hat es sich bewährt? Götter oder Knechte? Zum SelbstVerständnis der Journalisten

Rechtliche Schranken einer gesetzlichen Regelung der „Inneren Pressefreiheit"

Gertraude Steindl

/ 12 Minuten zu lesen

lismus bereits erlebt, das kann uns heute und morgen wieder passieren. Alles kommt darauf an, wer im Namen dieser öffentlichen Aufgabe spricht und handelt, wer bestimmt, was Inhalt, Ausdrude dieser öffentlichen Aufgabe ist" (Franz Ronneberger: Die öffentliche Aufgabe der Presse, in: Das gedruckte Wort. Zweite Festschrift für Anton Betz, Düsseldorf 1973).

In den Landespressegesetzen dient der Begriff „öffentliche Aufgabe" hingegen als Funktionsbeschreibung der Presse: Presse stellt Öffentlichkeit her, sorgt für eine öffentliche Austragung der Interessengegensätze in einer pluralistischen Gesellschaft. Um Mißverständnisse auszuschließen, sollte man daher statt von „öffentlicher Aufgabe" besser von „öffentlicher Funktion" der Presse sprechen.

Mit der Problematik einer gesetzlichen Regelung der „inneren Pressefreiheit" haben sich in jüngster Zeit eine Reihe von Rechtsgutachten befaßt, die — wenngleich auch von unterschiedlichen Rechtspositionen ausgehend —• übereinstimmend zu dem Ergebnis gelangen, daß der Gesetzgeber zu umfassenden Eingriffen in die Binnenstruktur der Presseuntemeh-men nicht ermächtigt ist.

In seiner Studie „Innere Pressefreiheit als Veriassungsproblem“ weist der Göttinger Staatsrechtler Professor Werner Weber nach einer sorgfältigen Analyse der Medienpapiere verschiedener Parteien und Gruppierungen nach, daß alle öffentlich diskutierten Vorschläge zur gesetzlichen oder tariflichen Umschreibung der „inneren Pressefreiheit“ unbestreitbar in die Pressefreiheit eingreifen. Sie beschränkten die bisher nicht durch Normen eingegrenzte subjektive Pressefreiheit der Verleger und Herausgeber von Druckerzeugnissen einschneidend, indem sie nämlich definieren, „wer statt ihrer, neben ihnen und gegen sie Berechtigter aus der Pressefreiheit sein soll". Sie liefen sämtlich darauf hinaus, eine von der Verfassung vorgefundene und als solche anerkannte grundrechtliche Freiheit durch normierende Gestaltung zu manipulieren. Zugleich veränderten sie dadurch die hergebrachte Struktur des Pressewesens, die auch im ganzen unter verfassungsrechtlichem Schutz stehe.

Verstoß gegen Art. 5 des GG Weber kritisiert, daß die Befürworter der Regelungsvorschläge zur „inneren Pressefreiheit“ die zentrale verfassungsrechtliche Frage der Beschränkbarkeit der Pressefreiheit, die in der Verweisung auf „allgemeine Gesetze“ ihren Ausdruck finde, wenn überhaupt, dann nicht ausreichend berührten.

Nur die Vorschriften der allgemeinen Gesetze könnten im Einklang mit Artikel 5, Absatz 2 des Grundgesetzes den Kommunikatiosfreiheiten Schranken setzen. Mit allgemeinen Gesetzen seien diejenigen Gesetze gemeint, die sich nicht mit der Pressefreiheit als solcher einschränkend beschäftigten, sondern jene Gesetze, die, ohne die Presse ins Auge zu fassen, allgemeine Normen für alle Rechtsunterworfenen begründeten. Die Schöpfer der Verfassung hätten demnach die Freiheit der Meinungsäußerung an die Schranken der allgemeinen Gesetze gebunden, um die Pressefreiheit vor eigens gegen sie gerichteten Eingriffen zu sichern.

Jede auf Herstellung der sogenannten inneren Pressefreiheit gerichtete Regelung ist aber — nach Webers Analyse — „nicht anders denkbar als auf die Pressefreiheit und auf Veränderungen in dem von ihr umhegten Bereich zielgerichtet; sie ist also niemals darstellbar als ein . allgemeines Gesetz'im Sinne von Ar-tikel 5, Abs. 2 GG*. In keinem Fall würde sie neutral im Hinblick auf die Pressefreiheit sein, sonst würde sie für die „innere Pressefreiheit" nichts ausrichten. Immer würde sie — objektiv gesehen — in irgendeiner Weise die Pressefreiheit manipulieren und subjektiv aus der Pressefreiheit des Verlegers „mehr oder weniger große Stücke herausschneiden". Weber kommt deshalb zu dem Schluß, daß es „schlechterdings kein die sogenannte innere Pressefreiheit in irgendeiner Weise regelndes Gesetz geben kann, das sich mit Artikel 5 des Grundgesetzes in Einklang bringen läßt". • Pressefreiheit ist ein Jedermannsrecht Darüber hinaus sei die Presse von verfassungswegen privatrechtlich strukturiert. Für die Rechtsstellung des Verlegers bedeute dies, daß ihm das unternehmerische Direktionsrecht eigne, und zwar nicht nur auf die ökonomisch-technische Seite des Unternehmens bezogen, sondern auch auf Art und Stil der vorgebrachten Presseleistung. Beides sei wegen der Abhängigkeit der wirtschaftlichen Verantwortung und der Risikobelastung von dem Erfolg der Presseleistung und umgekehrt nicht zu trennen. Der'Redakteur andererseits gewinne seinen Wirkungsbereich durch Abschluß eines Arbeitsverhältnisses, in das ihn der Verleger berufe, und nach Maßgabe des vereinbarten Inhalts dieses ArbeitsVerhältnisses. Im allgemeinen werde ihm ein weiterer Spielraum eigenständiger Entscheidung eingeräumt; wie weit dieser reiche, sei Sache der arbeitsvertraglichen Abmachungen und des Vertrauens, das der Verleger dem Redakteur entgegenbringe. Uber diese Vereinbarung hinaus könne der Redakteur dem Verleger gegenüber keinen „Amtsauftrag" ausspielen, den ihm unmittelbar das Grundgesetz qua Pressefreiheit erteilt hätte.

In der so determinierten Wirkenssphäre ist der Redakteur — wie Weber feststellt — gleichfalls „Träger" von Pressefreiheit wie jeder Bürger in seinem Bereich, und zwar gegenüber Beeinträchtigungen von der staatlichen Gewalt her, nicht gegenüber dem Verleger; im Verhältnis zu diesem sei nur der Inhalt des Arbeitsverhältnisses, nicht der Status der Pressefreiheit, bestimmend. Ebensowenig könne der Verleger sein Verhältnis zum Redakteur auf Pressefreiheit gründen; er begegne ihm ebenfalls nach Maßgabe des Arbeitsverhältnisses. Diese Feststellungen verdeutlichen nichts anderes als den immanenten Grundsatz der Pressefreiheit, „daß jeder in den Schutz von soviel Pressefreiheit gerät, wie er sich nach seiner konkreten Lebenslage zunutze machen kann".

Privatwirtschaftliche Struktur verbürgt Freiheit der Presse Anders als Weber, der von einer individualrechtlichen Betrachtungsweise der Pressefreiheit ausgeht, kommt auch Professor Peter Lerche in seinem Gutachten über „veriassungs-rechtiiche Aspekte der . inneren. Pressefreiheit' " zu dem Ergebnis, daß der Gesetzgeber nicht berechtigt sei, ein nach irgendwelchen Maßstäben für „optimal" gehaltenes Pressebild durch Eingriffe in die Binnenstruktur der Presseunternehmen zwangsweise durchzusetzen.

Als Schlüssel für ein praktikables Verständnis der Verfassungsprobleme der „inneren Pressefreiheit" bezeichnet der Rechtswissenschaftler eine maßvoll institutionelle Deutung der Pressefreiheit.

Dieser Inhalt der Pressefreiheit weise auf die Garantie der Grundzüge eines geschichtlich gewordenen, in besonderer Weise ausgeformten Freiheitstypus hin. Seine charakteristischen Grundzüge seien: die unternehmerische Komponente, die Eigengesetzlichkeit geistigen Schaffens im Pressebereich, nicht zuletzt die Bedingungen pressespezifischer Effizienz. Die unternehmerische Komponente der publizistisch wirkenden, privatwirtschaftlich organisierten Presse könne nicht ohne entscheidende Rücksichtnahme auf die Wesenszüge des Arbeitsrechts definiert werden, weil diese zugleich das verfassungsrechtliche Grundbild der freien Presse mitbestimmten. Der Gesetzgeber sehe sich daher in dieser sensiblen Materie vor Barrieren gestellt, die ihn daran hinderten, den unternehmerischen Einfluß auszuschalten oder typusverändernd zurückzudrängen. Dies gelte sowohl in Richtung angeblicher gesetzgeberischer Bewegungsfreiheit in bezug auf Personalentscheidungen als auch in bezug auf Fragen des sachlichen Direktionsrechts.

Zeitungen sind kein Experimentierfeld Insbesondere könnte — wie Lerche nachweist — der verfassungsverbürgte Typ des vom Grundgesetz vorgefundenen freiheitlichen Pressebildes (Privatwirtschaftlichkeit der Presse) nicht aufrechterhalten werden, würde der Verleger in sachlicher Hinsicht lediglich auf eine Grundsatzkompetenz beschränkt werden; er müsse die Möglichkeit behalten, die Richtungsbestimmung seines Blattes, einschließlich etwaiger Veränderungen, auch durchzusetzen. „Die sogenannte Richtlinien-kompetenz (die Entscheidungsbefugnis für neu auftretende Fragen von grundsätzlicher Bedeutung, die über die Tagesaktualität hinausgehen und sich auf die publizistische Linie der Zeitung auswirken) kann ihm daher nicht geraubt werden.“ Zwar erscheine demgegenüber die sogenannte Detailkompetenz des Verlegers nicht als verfassungsverbürgt; doch stelle sich die Frage, ob es rechtspolitisch zweckmäßig oder nicht sei, entsprechende gesetzliche Festlegungen in diesem Bereich in Angriff zu nehmen.

Ferner sei es nicht möglich, die Einstellung des Chefredakteurs vom bestimmenden Einfluß des Verlegers zwangsweise zu lösen. Zwar sei der Chefredakteur auf das gute Einvernehmen mit der Redaktion angewiesen, er könne aber nicht einseitig als deren „Vertrauensmann" gegenüber dem Verleger gesehen werden. Ein gewisser eigenständiger Verantwortungsbereich der Redakteure, wie er für jegliches geistiges Schaffen schöpferisch geistiger Art notwendig sei, beschränke sich von der Verfassung her auf das existentiell Unerläßliche. Er ziele nicht auf etwaige Wünschbarkeiten ab. Lerche stellt denn auch hier die Frage, ob es notwendig, sinnvoll und überhaupt praktikabel sei, diesen Mindestfreiheitsbereich für Redakteure normativ irgendwie abzusichern. Plausible Formulierungsvorschläge seien bislang jedenfalls noch nicht in Sicht.

Ausführlich beschäftigt sich Lerche mit den besonderen Umständen, unter denen Zeitungen entstehen. Daraus folgert er: „Jede Pressegesetzgebung muß die Grundbedingungen . effizienten’ Presseschaffens beachten. Die Wahrung prinzipieller pressespezifischer Effizienz ist nicht nur eine Sache rechtspolitischer Zweckmäßigkeit, sondern verfassungsrechtlicher Gebotenheit. Gesetzgebungspolitische Vorschläge, die z. B.den im Pressebereich weithin gegebenen . Zwang zu sofortiger Entscheidung’ nicht ausreichend in Rechnung stellen, müssen daher scheitern." „Innere Pressefreiheit“ — ein Fremdwort Im Ausland Eine rechtsvergleichende Studie über die Gestaltung der Pressefreiheit in vier ausgewählten Ländern legten kürzlich die Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für Ausländisches Öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg, und der Universitäten Heidelberg und Mannheim unter Leitung von Professor Karl Doehring vor. Die Untersuchung, die unter dem Titel . Pressefreiheit und innere Struktur von Presseunternehmen in westlichen Demokratien' erschienen ist, kommt zu dem Ergebnis, daß in Frankreich, Großbritannien, der Schweiz und den USA eine gesetzlich garantierte „innere Pressefreiheit“ ein Fremdkörper wäre, denn sie würde mit dem dort herrschenden Grundrechtsverständnis kollidieren, nach dem Pressefreiheit ein jedermann zustehendes Recht sei, das keine Privilegierung einer Berufsgruppe erlaube. Weder Verleger noch Redakteure würden als Inhaber einer besonderen Pressefreiheit gesehen, sie seien nur wegen der von ihnen ausgeübten Tätigkeiten näher an der Schutzgarantie.

Trotz unterschiedlicher Rechtsordnungen besteht in den vier genannten Ländern — wie die Untersuchung nachweist — eine weitgehend gleichartige Auffassung vom Wesen der Pressefreiheit und von der Funktion der Presse im Staat: Pressefreiheit gilt als ein Staats-angriffe abwehrendes Grundrecht. Eingeschränkt werden kann die Pressefreiheit nur durch allgemeine Gesetze. Eine Sondergesetzgebung wird für die Presse in aller Regel strikt abgelehnt. Als Garant für die Pressefreiheit gilt die privatwirtschaftliche Struktur; in keinem der vier Länder stellt denn auch der Gesetzgeber die privatwirtschaftliche Organisationsweise ernsthaft in Frage.

Freiheit ist nicht in Portionen teilbar Die Aufgabe des Staates, so resümiert der Bericht — wird in den vier klassischen Presse-ländern überwiegend in der Schutzfunktion zugunsten der Individualfreiheit gesehen, nicht in der Ersetzung individueller Freiheit durch staatlichen Zwang zu bestimmtem Frei-heitsgebrauch, bzw. in der Verteilung von Freiheitsportionen.

Die in der Bundesrepublik Deutschland sehr kontrovers diskutierte Frage der Kompetenzabgrenzung zwischen Verleger und Redakteuren hat in den untersuchten Ländern konsequenterweise — soweit überhaupt — eine Regelung nur in Tarif-und Kollektivverträgen gefunden. Eine gesetzliche Regelung der Binnenstruktur der Verlagshäuser gibt es nicht; sie ist auch in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Während in den USA und der Schweiz das Grundrechtsverständnis diesen Bestrebungen entgegensteht, geht man in den anderen Ländern davon aus, daß derartige Rechte vertraglich zu vereinbaren sind. Und selbst dort, wo Mitwirkungsbefugnisse vertraglich festgelegt sind, gehen sie nirgends so weit, wie dies in der Bundesrepublik Deutschland heute von manchen Seiten angestrebt wird.

Die Rechtsstellung des Verlegers unterscheidet sich in den untersuchten Rechtsordnungen im wesentlichen nicht von der des allgemeinen Arbeitgebers, — dies gilt auch für die Rechtsstellung des Redakteurs als Arbeitnehmer. Die Beziehungen zwischen beiden regeln sich deshalb auch nach den für alle Arbeitsverhältnisse geltenden Bestimmungen. Dies ist wiederum ein Zeichen dafür, daß Presse-recht nicht als Begründung von Berufsprivilegien aufgefaßt wird.

Soweit es nicht anders vertraglich vereinbart ist, hat in allen vier Ländern der Verleger prinzipiell das Recht, die Grundhaltung des Presseerzeugnisses festzustellen, die Leitung und Organisation zu bestimmen, die wirtschaftlichen Entscheidungen zu treffen und die personelle Besetzung der Redaktion zu regeln. Selbst das Einzelweisungsrecht liegt durchweg unbeschränkt beim Verleger; dort, wo es ausgeschlossen ist, beruht die Regelung auf vertraglichen Vereinbarungen.

In keinem der Staaten ist eine kollektive oder wie immer geartete Mitbeteiligung der Redakteure an der inhaltlichen Ausgestaltung der Presserzeugnisse gesetzlich vorgesehen. Dies wäre auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich. In den USA und Großbritannien ist auch eine durch Vertrag festgelegte Mitbestimmung der Arbeitnehmer über unternehmerische Leitentscheidungen undenkbar.

Insgesamt gesehen hinterließ auch der Vergleich der Reformbestrebungen in den einzelnen Ländern mit der Presserechtsdiskussion in der Bundesrepublik bei den Berichterstattern den Eindruck, daß man im Ausland „erheblich tastender und vorsichtiger" mit dem empfindlichen Rechtsgut der Pressefreiheit umgeht. Mit größerer Selbstverständlichkeit erscheinen dort auch — wie es im Bericht heißt — bewährte Institutionen als schutz-würdig. Gemessen an den fremden Rechtsordnungen sind die Reformbestrebungen in der Bundesrepublik in geringerem Maße geneigt, die Individualfreiheit zu schützen. Dies erstaune nicht, meint Professor Doehring, denn: „In der deutschen Rechtsordnung haben immer Idealziele den Vorrang vor pragmatischen Erkenntnissen beanspruchen können. So scheint typisch für das Verhalten deutscher Reformer zu sein, eine Perfektionierung anzustreben, deren in gewisser Weise leider oft zerstörerische Tendenzen recht wenig danach fragen, ob nicht bewährte Institutionen aus Gründen einer erkennbaren Sachlogik erhalten bleiben sollten."

Den Berichterstattern war deutlich geworden, daß es in der Bundesrepublik bei dem Grundrecht der Pressefreiheit nicht so sehr um Freiheitsverbürgungen als um Freiheitseinteilungen zu gehen schien.

Grenzen der tariflichen Regelung Die seit langem zwischen dem Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger und den Gewerkschaften der Journalisten geführten Verhandlungen über eine tarifliche Regelung von Mitbestimmungsproblemen in Zeitungsunternehmen bilden Ausgangspunkt eines soeben veröffentlichten Rechtsgutachtens zum Thema „Tarifmacht und Mitbestimmung in der Presse" des Konstanzer Arbeitsrechtlers Professor Bernd Rüthers

Dabei geht es einmal um eine Regelung der Rechtsbeziehungen zwischen Verlegern und Redakteuren und zum anderen um die personelle und wirtschaftliche Mitbestimmung des Betriebsrates. Untersuchungsgegenstand ist die Frage, ob die Regelungsmacht der Tarif-parteien ausreicht, Mitbestimmungsrechte der Redakteure oder der Betriebsräte in Presseunternehmen tarifvertraglich zu vereinbaren.

Wie Rüthers feststellt, berührt die Gesamt-problematik mehrere Rechtsgebiete: „Es er-gibt sich also eine Gemengelage aus presse-rechtlichen, arbeitsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Beurteilungsmaßstäben." Zunächst führt Rüthers aus, warum er der Meinung, redaktionelle Mitbestimmung sei vorrangig unter presserechtlichen Aspekten zu betrachten, nicht zu folgen vermag. Tarifliche Regelungen pressespezifischer Materien scheiterten an der „Zweckbindung der Tarif-autonomie" durch Artikel 9, Absatz 3 des Grundgesetzes und am Tarifvertragsgesetz, nach denen nur arbeitsrechtliche Materien mittels Tarifvertrag vereinbart werden können. Seiner Auffassung nach zeige sich gerade in diesem Regelungskomplex die bereits angedeutete Gemengelage von Arbeitsrecht und grundgesetzlich garantierter Pressefreiheit. Weitreichende Konsequenzen für die rechtliche Gestaltung des Pressewesens in der Bundesrepublik hätten die vom Bundesverfassungsgericht als Garantieelemente der Pressefreiheit definierte privatwirtschaftliche Struktur und privatrechtliche Organisationsform. Danach habe sich die Presse in ihren Innen-und Außenbeziehungen nach den Vorschriften des Privatrechts, d. h. also auch des Unternehmens-und Arbeitsrechts einzurichten. Unbestreitbar sei der Redakteur Arbeitnehmer. Dies werde in der medienpolitischen Diskussion „leicht verdunkelt, wenn davon gesprochen wird, der Redakteur erbringe quasi im öffentlichen Interesse eine spezifische Leistung, die ihm als Mitglied der Redaktion aufgetragen ist".

Den „Primärauftrag“ erhalte der Redakteur jedoch in einer privatwirtschaftlich strukturierten Presse vom Verleger als Arbeitgeber. Somit biete sich für die Lösung der Mitbestimmung in Presseunternehmen nur das Arbeitsrecht, was nun aber nicht die Bedenken gegen eine tarifliche Regelbarkeit von Mitbestimmungsfragen in Presseverlagen ausräume. Dies deshalb, weil — wie Rüthers darlegt — die Sozialpartner nur befugt sind, Arbeitsund Wirtschaftsbedingungen tariflich zu regeln. Wenn die Berufsverbände der Verleger und Redakteure betriebliche Mitbestimmung durch Tarifvertrag einführen wollten, griffen sie in die Entscheidungsstruktur der betroffenen Unternehmen ein. Das könnte so weit führen, daß auch tarifliche Regelungen über „Marktpolitik, die Produktgestaltung oder die Veränderung personeller Leitungsstäbe" unzulässiger Verhandlungsgegenstand würden.

Damit erfolge jedoch ein Eingriff in das durch Artikel 14 und Artikel 9, Absatz 1 des Grundgesetzes geschützte Eigentümerrecht zur Entscheidung über die Unternehmenspolitik und eine Verletzung der „grundrechtsimmanenten Schranke der Tarifautonomie".

Dies gelte, wie Rüthers beweist, sowohl für die sogenannte Kompetenzabgrenzung — soweit eine Mitbestimmung über das Produkt, also über grundsätzliche Fragen der „publizistischen Haltung", des Charakters oder der Erscheinungsform der Zeitung vorgesehen sei — wie für die Mitbestimmung bei der Berufung des Chefredakteurs.

Es könne dabei auch nicht „die Harmonisierung der Pressefreiheit von Verlegern und Redakteuren im Arbeitsverhältnis" geltend gemacht werden, wie vielfach eingewandt wird. Denn die Sozialpartner seien nicht berechtigt, „den Grundgesetzinhalt für einzelne Grundrechtsträger tariflich umzugestalten“. Tariflich regelbar hingegen seien individuelle und kollektive Schutzinteressen der Redakteure als Arbeitnehmer, u. a. ein besonderer Kündigungsschutz, Gesinnungsschutz, Abfindungsansprüche bei Tendenzänderungen — Schutzbereiche, für die im geltenden Mantel-tarifvertrag Vorkehrungen getroffen sind.

Nach eingehender Untersuchung auch der betriebsverfassungsrechtlichen Problematik einer tariflichen Regelung pressespezifischer Mitbestimmungsrechte kommt Rüthers zu dem Schluß, daß die Tarifparteien Mitbestimmungsrechte für Redaktionsausschüsse nicht schaffen können, weil die Organisation der Arbeitnehmervertretung im Betriebsverfassungsgesetz der Absicht entgegenstehe, anderen Organen Mitbestimmungsrechte einzuräumen, die dem Betriebsrat versagt sind.

Durch Tarifvertrag könnten Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nach dem Betriebsverfassungsgesetz weder verstärkt noch auf andere als die im Gesetz genannten Materien erweitert werden. Zulässig seien hingegen tarifliche Regelungen über den Inhalt der Arbeitsverhältnisse, die eine Beteiligung des Betriebsrates im Rahmen seiner funktionellen Zuständigkeit vorsehen. Der zweiseitig zwingende Charakter des § 118 des Betriebsverfassungsgesetzes schließt — so fährt der Konstanzer Arbeitsrechtler fort — einen tariflichen Verzicht auf den gesetzlichen Tendenzschutz aus. Die Tarifparteien seien nicht befugt, gesetzliche Schutzvorschriften der staatlichen Gesetzgebung ganz oder teilweise aufzuheben.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Werner Weber: Innere Pressefreiheit als Verfassungsproblem, in: Berliner Abhandlungen zum Presserecht, Heft 16, Berlin 1973.

  2. Peter Lerche: Verfassungsrechtliche Aspekte der „inneren Pressefreiheit“, in: Berliner Abhandlungen zum Presserecht, Heft 19, Berlin 1974.

  3. Karl Doehring, Kay Hailbronner, Georg Ress, Hartmut Schiedermair und Helmut Steinberger: Pressefreiheit und innere Struktur von Presseunternehmen in westlichen Demokratien, in: Berliner Abhandlungen zum Presserecht, Heft 18, Berlin

  4. Bernd Rüthers: Tarifmacht und Mitbestimmung in der Presse, in: Berliner Abhandlungen zum Presserecht, Heft 21, Berlin 1975.

Weitere Inhalte

Gertraude Steindl, Dr. phil., geb. 1945, Referentin im Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger.