Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Die Unregierbarkeit der Städte | APuZ 41/1975 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 41/1975 Die Unregierbarkeit der Städte Anatomie einer politischen Partei in einer Millionenstadt über den Zusammenhang von Mitgliederstruktur und innerparteilicher Solidarität in der Münchener SPD 1968— 1974

Die Unregierbarkeit der Städte

Hans-Ulrich Klose

/ 31 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Frage der „Unregierbarkeit der Städte" konfrontiert insbesondere den Politiker mit mehreren verschiedenen Problemen der Entwicklungsmöglichkeiten unserer Städte. Ausgangsthese für die hier angestellten Überlegungen ist: Das Leben in einem dichtbesiedelten Land wie der Bundesrepublik wird im wesentlichen von den Städten geprägt. Deshalb ist das Funktionieren oder Nichtfunktionieren der Städte von erheblicher Bedeutung für die ganze Nation. Aus dieser Perspektive erhalten die „Juckepunkte" der Regierbarkeit der Städte ihr politisches Gewicht. Die Fragen, die hier gestellt und erörtert werden, sind diese: 1. Hat im Rahmen gewollter Demokratisierungsbestrebungen möglicherweise die Aktivierung der Basis und haben eventuell auch ausgeweitete Mitbestimmungsmöglichkeiten im öffentlichen Dienst dazu geführt, daß demokratisch legitimierte Gremien eher opportune als von der Sache her gebotene Entscheidungen fällen, was nicht unbedingt eine Steigerung der Effektivität staatlichen Handelns beinhaltet? Bahnt sich hier eine Richtungswende von der Demokratie zur „Bewilligungs" -und „Gefälligkeitsdemokratie" an? Muß nicht umgeschaltet werden von Mitbestimmungs-Quantität auf Mitbestimmungs-Qualität? 2. Hat sich die Stadtentwicklungpolitik umzuorientieren, muß sie abgehen von den großen Konzepten und übergehen zu den kleinen Konzepten mit dem Ziel, die Stadt in ihren verschiedenen Teilen Stück für Stück zu erneuern und zu entwickeln? 3. Ist es möglich, die Arbeitsplatzprobleme der großen Städte zu lösen und die zu erwartende Arbeitsplatzlücke zu verkraften, wenn weiter die Mehrung von Lebensstandard mißverstanden wird als Mehrung von ausschließlich monetären Mitteln? Oder muß sich in Zukunft ein Mehr an Lebensstandard nicht ausdrücken in einer Veränderung des Zeit-budgets, was bedeutet: geringere Arbeitszeit ohne vollen Lohn-und Gehaltsausgleich, weil sonst aus finanziellen und wirtschaftlichen Gründen die Dienstleistungsbedürfnisse der Gesellschaft nicht befriedigt werden können? Es ist notwendig, auf der Basis dieser und anderer vergleichbarer Fragen ein nachhaltiges, erneuerndes Denken in Gang zu setzen, wenn unseren Städten und damit unserem Land sichere Entwicklungschancen gewährleistet bleiben sollen.

Dieser Aufsatz beruht auf dem Manuskript eines Vortrags, der im Juli dieses Jahres in der Evangelischen Akademie Tutzingen gehalten wurde.

Wenn ich es recht verstehe, dann ist dies Thema von der Unregierbarkeit der Städte ein Ausschnittsthema, das unter eine größere Überschrift gestellt ist. Ich glaube, daß diesem Thema eine exemplarische Bedeutung zukommt, jedenfalls eine größere, als mit dem Wort Stadt oder Städte ausgedrückt ist. Man könnte ausgehen von der Statistik und sagen: In den zwölf größten deutschen Städten wohnen rund 11 Millionen Menschen; ds allein beweist schon, daß über die Städte reden heißt, über viele Menschen reden. Man könnte die Statistik noch weiter treiben und sagen, daß die Städte nicht nur interessant sind für die, die unmittelbar in ihnen leben, sondern auch für das Umland, für die jeweilige Region.

Wenn man Hamburg als Beispiel nimmt: In Hamburg leben etwa 1, 7 Millionen Menschen, in der Region ungefähr 3 Millionen. Und wenn man von der Mentalität des Umlandes ausgeht, dann wird man feststellen, daß sich die Menschen bis hinauf nach Neumünster, Itzehoe und bis hinunter nach Lüneburg im wesentlichen nach Hamburg hin orientieren — „Hamburg-minded" sind — und weniger nach Kiel oder Hannover hin.

Es kommt aber nicht darauf an, in Statistik zu machen. Richtig ist doch: Das Leben in einem dichtbesiedelten Land wie der Bundesrepublik wird im wesentlichen von den Städten geprägt. Deshalb glaube ich, daß das Funktionieren der Städte oder ihr Nichtfunktionieren von erheblicher Bedeutung für die. ganze Nation ist. Mir scheint in der Tat, daß die sozialen, ökonomischen und kulturellen Funktionen, die die Städte bisher erfüllt haben, gegenwärtig in Frage gestellt sind, daß sich erhebliche Schwierigkeiten ergeben, daß wir uns — um das Wort zu gebrauchen — zwar nicht an einer Tendenz, aber immerhin an einer Wende befinden. Ausgangsthese würde sein: Wir haben nach dem Kriege zwangsläufig — ich lege keinen Vorwurf in diese Feststellung — das Schwergewicht unserer Aktivitäten darauf verlegt, die zerstörten Quantitäten in den Städten neu zu schaffen und zu mehren. Das größere Problem war dabei das Wohnungsproblem; es kam darauf an, in den — zu hohen Prozentzahlen zerstörten — Städten zunächst einmal Wohnungen für viele Menschen aus dem Boden zu stampfen. Bitte bedenken Sie, daß nach dem Kriege in Hamburg rund 450 000 Wohnungen gebaut worden sind. Das ist etwas mehr als die Zahl der Wohnungen, über die die Stadt München heute verfügt. Diese Wohnungen mußten gebaut werden, und zwar schnell; denn es gab Menschen, die sie dringend brauchten. Sie wissen, die Einwohnerzahlen in den Städten gingen nach dem Kriege zunächst sprunghaft herauf, im wesentlichen als Folge der Bevölkerungsverschiebungen in Deutschland. Heute kommt es nicht mehr darauf an, zusätzliche Quantitäten zu schaffen, sondern es kommt darauf an, sehr langsam und sehr vorsichtig, aber zielgerichtet umzuschalten auf bessere Qualitäten — was leicht gesagt, aber schwer getan ist —. Wir reden von der Unregierbarkeit, und ich denke, wir sollten zunächst ein paar — wie wir in Hamburg sagen — „Juckepunkte" nennen, die das Regieren schwermachen und den Zustand der Städte, den gegenwärtigen Zustand der Städte beschreiben.

Als ersten „Juckepunkt" nenne ich — ich weiß, das ist eine gefährliche Sache — das Stichwort Demokratisierung. Gemeint ist damit die gewollte Mehrung der Bürgerbeteili-guhg an staatlichen und nichtstaatlichen Entscheidungen. Man muß die Demokratisierungswelle, die wir erlebt haben, dabei sorgfältig analysieren und aufgliedern, muß auf die verschiedenen Ebenen abheben, in denen sich Demokratisierung vollzogen hat.

Ich beginne, was naheliegt, bei den Parteien. Die Parteien haben sich in den letzten Jahren erheblich verändert. Die Neigung der soge-nannten Basis, sich mit allem und jedem zu beschäftigen, bis hin zur letzten Personalentscheidung, wenn es eben möglich ist, hat in unerhörter Weise zugenommen; wogegen im Prinzip nichts zu sagen wäre, wenn in den Parteien vorwiegend standfeste Politiker mitarbeiteten, die in der Lage wären, gelegentlich nein zu sagen. Ohne bewerten zu wollen glaube ich aber, daß wir von diesem Idealzu-B stand noch weit entfernt sind, daß wir ihn jedenfalls noch nicht erreicht haben. Deshalb hat die Aktivierung der Basis vielfach zur Folge, daß im oberen Bereich opportune Entscheidungen getroffen werden und nicht Entscheidungen, die von der Sache her geboten sind. Das klingt überzogen. Man muß es aber als Problem erkennen; ich will es als Problem hier auch nur andeuten. Wir haben dann — möglicherweise als Folge des Versagens von Parteien in einigen Bereichen — erlebt, daß sich aus der Bevölkerung heraus Bürgerinitiativen entwickelt haben, die zwar mehr oder weniger offen überwiegend Partikularinteressen vertreten, diese aber unter übergeordnete Gesichtspunkte — jedenfalls verbal — stellen.

Bürgerinitiativen sind von den Parteien aus unterschiedlichen Gründen überwiegend als eine positive Erscheinung gewürdigt worden, und ich möchte dieses grundsätzlich auch hier tun, aber ich rate aus meinen Erfahrungen zu einem sachlichen Urteil und zu einer sachlichen Behandlung von Bürgerinitiativen. Aus meiner Sicht heißt das, daß Bürgerinitiativen, die ein bestimmtes Interesse vertreten, ein Recht darauf haben, mit ihren Argumenten und Forderungen gehört zu werden. Sie haben ein Recht darauf, informiert zu werden über die Entscheidungen und die Gründe, die eine staatliche Entscheidung tragen. Aber Bürgerinitiativen haben keinen „Anspruch" auf eine von ihnen gewollte Entscheidung. Diese Entscheidung muß immer bei den demokratisch legitimierten Gremien bleiben, also bei Parlamenten und Regierungen. Es ist nicht zu übersehen, daß dies nicht immer die Praxis von Politikern im Umgang mit Bürgerinitiativen gewesen ist, daß sie vielmehr — zum Beispiel um Ruhe zu haben oder zu bekommen — gelegentlich auch anders entschieden haben. Ich komme auf diesen Punkt noch einmal zurück.

Es muß schließlich unter dem Stichwort „Demokratisierung" über Verbände — also Gewerkschaften, Unternehmerverbände, auch Kirchen — gesprochen werden. Und bei Gewerkschaften muß insbesondere geredet werden ' nicht über die großen, sondern über die kleinen, die ständischen Berufsvertretungen, und über das, was ich „Gelbe Gewerkschaften" nennen würde. Die „Fluglotsenmentalität" spielt nämlich bei der Frage, ob große Städte regierbar sind oder nicht, eine ganz entscheidende Rolle, und wir beobachten leider, daß die Zahl der kleinen, nicht in den großen Gewerkschaften organisierten Berufsvertretungen nicht ab-, sondern wieder zunimmt.

Dies trägt dazu bei, daß man zum Beispiel ein Sparprogramm im Personalbereich mit einer Gewerkschaft wie der OTV erörtert, daß dabei sogar Verständnis geweckt werden kann. Die jeweils betroffene Berufsvertretung wird man dazu nur sehr schwer bewegen können. Dies macht ganz zweifellos das Regieren in einer Stadt wie Hamburg mit etwa 107 000 Beschäftigten im öffentlichen Dienst nicht gerade leicht.

Wenn ich von Demokratisierung rede, muß ich schließlich die Mitbestimmung im staatlichen Bereich nennen, wo wir sehr dezidierte Mitbestimmungsregelungen getroffen haben.

Das gilt zunächst für den Bildungsbereich — in den Universitäten angefangen, danach in den Fachhochschulen und zuletzt in den Schulen. Es wäre verfrüht, für diesen Bereich schon eine konkrete Aussage zu wagen, da es sich hier um Gesetze handelt, bei denen wir gesagt haben, daß sie erst über eine gewisse Experimentierphase hin laufen müssen. Ich kann insbesondere noch nicht sagen, wie dies im Schulbereich funktioniert. Aber zumindest im Universitätsbereich gibt es erste Anhaltspunkte, aus denen gefolgert werden kann, daß die Partizipationsregelung — etwa nach dem Hamburger Universitätsgesetz — zwar zur Beruhigung der Universität, aber nicht unbedingt zur Steigerung-ihrer Effektivität beigetragen hat. Der Personaleinsatz, der beispielsweise bei den langen Diskussionen in Mitbestimmungsgremien „verloren" geht, steht in keinem Verhältnis zu dem, was letztlich dabei herauskommt. Ich referiere dies, weil es gerade dazu in Hamburg einen Bericht des Rechnungshofes gibt. Und obwohl dieser ja eher zurückhaltend und sehr sachlich ist, kommt er zu diesem konkreten Ergebnis.

Es gibt ein Mitbestimmungsgesetz, das das Regieren außerordentlich schwierig macht, von dem ich aber dennoch — alles in allem — sagen würde, daß es sich bewährt hat. Dieses Gesetz bezieht sich auf den Personalvertretungsbereich.

Allerdings gibt es auch hier eine Grenze, an die wir gelegentlich stoßen.

Diese Grenze fängt dort an, wo die Organisationsgewalt der Regierung berührt, vielleicht sogar überschritten wird durch Mitbestim-

mungsregelungen, die zwingend vorgeschrieben sind, also nicht durch eine Entscheidung des Senates überwunden werden können. Wir sind, wie ich zugeben muß, in Hamburg schon an einer Grenze, wo dies fast schon nicht mehr vertretbar ist. Wir können zum Beispiel die Polizeireform — also eine spezifische staatliche Regierungsaufgabe — nicht durchsetzen ohne die Mitbestimmung der Personal-räte.

Ich möchte nicht mißverstanden werden: Ich spreche mich nicht gegen die Mitbestimmung der Personalräte aus, wenn es zum Beispiel um Personalentscheidungen geht. Regelmäßig geht deren Mitbestimmung jedoch weit darüber hinaus. Die Mitbestimmung ist bereits bei dem Reformvorhaben, bei der Zielformulierung, tangiert. Jedenfalls ist dies die Meinung der Gerichte. Es bedeutet, daß das Regieren immer schwerer wird. Es zwingt uns, die Regierenden, zu sehr langen Gesprächen mit Personalräten, mit Gewerkschaften, also zu einem hohen Zeitaufwand. Letztlich bewerte ich aber dieses Gesetz positiv; denn ich habe die Erfahrung gemacht, daß das viele und häufige Sprechen und der ständige Kontakt mit Gewerkschaften und Personalräten mir mittelfristig die Aufgabe des Regierens nicht erschwert, sondern erleichtert. Darin liegt sicherlich ein allgemein gültiger Ansatz. Es ist grundsätzlich vernünftig, mit Leuten zu reden und sie immer wieder in die Probleme einzuweisen. Sie sind dann auch leichter geneigt und in der Lage, diese Probleme im einzelnen nachzuvollziehen.

Als letzten Punkt zum Stichwort Demokratisierung möchte ich auf das Planverfahren und auf eine Besonderheit, die Einrichtung von Sanierungsbeauftragten, hinweisen. Beides hat sich in Hamburg relativ gut bewährt und erschwert die Arbeit nicht. Zwar führen auch diese Formen der Demokratisierung gelegentlich zu zeitlichen Verzögerungen, diese müssen jedoch in Kauf genommen werden.

Wenn ich diesen ersten Bereich der „Demokratisierung" insgesamt würdigen soll, würde ich sagen: Alle diese Demokratisierungsbestrebungen waren und sind gut und richtig, weil sie dazu beitragen, die demokratische Idee auszuweiten und lebendig zu halten. Sie tragen dazu bei, ein Stück Identifikation mit unserem demokratischen System zu ermöglichen. Bei reiner Praktizierung des repräsentativen Systems wäre dies nur schwer möglich. Es muß allerdings auch darauf hingewiesen werden, daß diese Demokratisierungsbemühungen erstens teuer sind, zweitens zu zeitlichen Verzögerungen und zu einem hohen Verschleiß an personeller Arbeit führen. Sie können außerdem zu Frustrationserlebnissen nicht unerheblicher Art führen. Denn was ich von den Bürgerinitiativen sagte, daß sie nämlich keinen Anspruch auf eine ihnen gemäße Entscheidung haben, gilt generell auch für andere Bereiche. Offensichtlich ist es aber besonders schwierig, deutlich zu machen, daß Mitbestimmung nicht notwendigerweise heißen muß, daß jeder bekommt, was er unbedingt will. Macht er dann aber diese Erfahrung, führt sie vielfach zum Rückzug aus der Mitbestimmung und zu der Feststellung, es habe ja doch alles keinen Sinn; denn „die da oben" machten ja doch letztlich, was sie wollen, was gelegentlich auch so ist. Ich will das gar nicht bestreiten. Ich fürchte, daß noch ein langer Lernprozeß im Gange oder in Gang zu setzen ist. Ich jedenfalls sehe nicht, daß wir ihn schon durchlaufen hätten.

Und schließlich können die vielfachen Demokratisierungsbemühungen dazu beitragen, einen Trend zu verstärken, der ganz zweifellos feststellbar ist und den ich folgendermaßen beschreiben möchte: Es gibt eine Neigung zu ständestaatlicher Mitbestimmung, und es gibt weiter eine Neigung, Demokratie mehr und mehr zur „Bewilligungs" -, zur „Gefälligkeitsdemokratie" umzufunktionieren. Beides kann nicht gut sein.

Ich will Ihnen zu dem ersten Bereich, zur ständestaatlichen Mitbestimmung, ein Beispiel nennen. An den Hamburger Elektrizitätswerken ist der Staat zu 75 Prozent beteiligt. Andererseits ist die Mitbestimmung so ausgerichtet, daß der Hamburger Senat in dem Aufsichtsrat des Unternehmens nicht über die Mehrheit verfügt, über die Mehrheit verfügen die Bankenvertreter, die die 25 Prozent nichtstaatlichen Kapitals vertreten, und die Arbeitnehmervertreter. Das bedeutet in der Praxis: Beide setzen sich regelmäßig gegenüber dem Senat durch, wenn es darum geht, die Tarife zu erhöhen. Beide sind nämlich daran interessiert, daß es eine hohe Dividende gibt, weil beide davon profitieren; die Kapitaleigner ohnehin, aber auch die Arbeitnehmervertreter, weil sie erstens zu einem erheblichen Teil Belegschaftsaktien besitzen und weil — zweitens — ihre Zusatzentlohnungen, das 14. Monatsgehalt, gekoppelt sind mit der Dividende, so vereinbart zwischen Gewerkschaften und der Unternehmensleitung! Hier zeigt sich also, daß eine solche Mitbestimmungsregelung zu Ergebnissen führen kann, die weder im Interesse der Verbraucher, der Benutzer, noch der sonstigen Bevölkerung sein können. Ähnliche Erfahrungen gibt es bei staatlichen Wohnungsbauunternehmen. Auch dort be5 steht eine Neigung bei den Mitarbeitern — was legitim ist —, relativ viel für sich selbst herauszuholen. Daß sich diese Praxis allerdings dann mit Pfennigen oder Markbeträgen auf die Miete niederschlägt, wird dabei unberücksichtigt gelassen oder nicht erkannt. Das interessiert dann erst in zweiter Linie.

Ein letztes Beispiel: Im Personalvertretungsbereich gibt es infolge der starken Stellung der Personalräte eine starke Neigung, öffentliche Ausschreibungen zu unterlaufen, weil die Tendenz zu Hausberufungen zu stark entwickelt ist und daraufhin auch entsprechend häufig praktiziert wird. Ein Spötter hat einmal empfohlen, wir sollten doch die Ausschreibungen gleich danach formulieren. Wir sollten angeben, was geboten, verlangt und erwartet wird und gleich darunterschreiben, daß der „sehr qualifizierte bisherige Stellvertreter sich natürlich auch bewerbe"; so etwas „vereinfache" das Auswahlverfahren und führe zu einer „besseren Regierbarkeit". Dies klingt überzogen,'ist aber symptomatisch und bestätigt, daß Demokratisierung, wenn sie nicht durchdacht ist oder unvernünftig praktiziert wird, Konsequenzen haben kann, die diejenigen, die von Demokratisierung reden, so nicht gewollt haben können.

Lassen Sie mich nun etwas sagen zum Zustand der Städte. Dieser Zustand ist unterschiedlich gut oder schlecht und stellt die Regierenden in den Städten vor unterschiedlich große und schwer zu lösende Probleme. Ich möchte zunächst von dem städtebaulichen Zustand ausgehen. Dieser städtebauliche Zustand ist natürlich von Stadt zu Stadt verschieden. Aber es gibt doch Parallelen. So gibt es in allen Städten große Neubauviertel und Altbauviertel unterschiedlicher Qualität. Dabei zeigt sich, daß wir 20 Jahre lang unsere ganze politische und finanzielle Kraft eingesetzt haben, um Neubau zu betreiben. Wir haben dabei Fortschritte gemacht und erreicht, daß der Neubau heute einen relativ hohen Standard hat. Wir haben dagegen nur relativ wenig Geld und Geist investiert, um alten Stadtviertel in Ordnung zu halten die oder wieder in Ordnung zu bringen. Wir haben auf diese Weise die Menschen untergebracht, aber wir haben dadurch — auch die Verkehrsentwicklung spielt hier eine Rolle — die Attraktivität städtischen Wohnens nicht unbedingt erhöht. Das hat sicher beigetragen zu dem Bevölkerungsproblem, das alle großen Städte heute quält. Sie wissen: Die Bevölkerung in Städten mit mehr als 300 000 Einwohnern nimmt überall ab. Dabei sind die Gründe, die zu dieser Bevölkerungsabnahme führen, natürlich in den jeweiligen Städten unterschiedlich zu bewerten.

Zwei wesentliche Faktoren gelten aber allgemein: Zum einen nimmt die Geburtenzahl ab — das ist eine allgemeine Entwicklung —, zum anderen haben die großen Städte mit dem Problem der Umlandwanderung zu kämpfen. Die Bevölkerung der Städte bewegt sich zunehmend mehr über die Grenzen der Städte hinaus und siedelt sich in der Regel im unmittelbaren Nachbargebiet der großen Städte an, was dazu führt, daß die Ausdehnung, der „städtische Brei", ständig größer wird. Man -kann das in und um Hamburg beobachten, wo sich jedes Jahr ein mehr oder weniger dicker „Jahresring" um die Stadt legt. Das gleiche Phänomen zeigt sich bei anderen Städten, so in Frankfurt, wo diese Entwicklung noch deutlicher und schlimmer verläuft. Diese Bevölkerungsentwicklung, die Wanderung von der Stadt nach draußen, und als Folge davon die innerstädtische Bevölkerungswanderung, führt in Verbindung mit dem städtebaulichen Zustand der Städte und Stadtviertel zu Entwicklungen, die uns allerdings große Sorge machen müssen. Zum einen haben wir heute schon in den großen Städten „tote", am Abend leere Citys. Die City in Hamburg ist nach 20 Uhr leer. Zum anderen beobachten wir, daß sich die Bevölkerung jetzt auch aus den um die City herum gelagerten Wohngebieten auf Dauer herausbewegt. Dies gilt insbesondere für die jüngere, mobile und lei-• stungsfähige Bevölkerung. In die inneren Stadtteile ziehen umgekehrt mehr und mehr sozial schwächere Bevölkerungsschichten. Ein Indiz für den Stand dieser Entwicklung — aber ich sage ausdrücklich nur „ein Indiz", ohne Bewertung — ist in der Regel das, was die Planer „Ausländerbesatz" nennen. Dieser ist so weit fortgeschritten, daß man in einzelnen Stadtteilen der inneren Städte von wirklichen sozialen Erosionsprozessen sprechen muß. Das Bevölkerungsniveau sinkt immer weiter ab, als weitere Folge nimmt auch die Bereitschaft, sich um den Zustand dieser Stadtteile und der dort befindlichen Häuser zu kümmern, mehr ab. Der städtebauliche Zustand verschlechtert sich zunehmend mit der Gefahr, daß diese Stadtteile irgendwann ganz zerfallen und umgewidmet werden zu Büro-städten; Teile bleiben sogar ungenutzt, entleeren sich, wie wir es heute schon in einigen Städten der Vereinigten Staaten beobachten können. Es muß also unbedingt etwas getan werden, um diese Bevölkerungsentwicklung zu stoppen. Ich. werde noch erklären, wie diese Steuerung meines Erachtens aussehen muß. Hinweisen will ich in diesem Zusammenhang aber noch darauf, daß das Problem nicht in den Griff zu bekommen ist — weder das des städtebaulichen Zustandes noch das der Bevölkerungsentwicklung —, wenn man nicht die Frage beantwortet, wie man es in der Bundesrepublik und in den Städten mit den ausländischen Arbeitnehmern und ihren Familien zu halten gedenkt. Dabei denke ich weniger an abstrakte Regelungsmodelle, Rotations-oder Integrationsmodelle, sondern vielmehr an praktische Lösungen für die, die bleiben wollen und die wissen wollen, ob sie bleiben dürfen, wenn ja, zu welchen Bedingungen. Es scheint mir, daß die Frage bis heute nicht beantwortet ist, nirgendwo. Und wenn überhaupt eine Antwort gegeben wird, dann ist sie nahezu ausschließlich ökonomisch motiviert und völlig frei von Erwägungen, die der Entwicklung der Stadt allgemein dienen.

Ein weiterer Punkt für unser Thema ist die wirtschaftliche Lage der Städte, und ich meine die „wirtschaftliche“, nicht „finanzielle" Lage. Die wirtschaftliche Lage Hamburgs ist zunächst anders als sie sich Ihnen möglicherweise darstellt, nämlich relativ gut im Vergleich zu anderen Städten. Aber sie ist nicht absolut betrachtet gut. Wir sind zwar immer noch neben Berlin die größte Industriestadt und neben Frankfurt und Düsseldorf das größte Dienstleistungszentrum der Bundesrepublik, aber die ökonomische Struktur der Stadt ist nicht gesund. Etwa 65 Prozent aller Arbeitnehmer sind im Dienstleistungsbereich beschäftigt. Die Zahl der im produzierenden Bereich Tätigen nimmt immer mehr ab. Dies gilt für Hamburg, gilt aber auch für das Umland.

Diese Struktur — Hamburg als Dienstleistungszentrum — wird uns in der Zukunft vor besondere Schwierigkeiten stellen. Wir haben schon im produzierenden Bereich erlebt, daß in der Vergangenheit die Zahl der Arbeitsplätze permanent zurückgegangen ist, infolge von Rationalisierungs-und Automatisierungsmaßnahmen. Im Dienstleistungsbereich hat sich dieser Prozeß noch nicht vollzogen; er läuft jedoch jetzt an. Und das heißt, daß in den nächsten Jahren — tendenziell voraussehbar — die Zahl der Arbeitsplätze in den großen Städten, die Dienstleistungszentren sind, zurückgehen wird. Gleichzeitig erleben wir aber, daß trotz abnehmender Bevölkerung die Zahl der Arbeitnehmer nicht abnimmt, sondern mindestens relativ, bei uns sogar absolut, zunimmt. Dies hat einmal etwas mit der Tatsache zu tun, daß die im Umland Wohnenden als Arbeitnehmer ja nicht verlorengehen, sie pendeln ein; zum anderen spielt die besondere Altersstruktur der Bevölkerung der Bundesrepublik eine erhebliche Rolle. Die starken Schülerjahrgänge, die uns bereits in den Schulen vor Probleme gestellt haben, wachsen nunmehr aus der Schule heraus und ins Erwerbsleben hinein und suchen einen Arbeitsplatz. Idi meine dies wörtlich: Sie suchen einen Arbeits-Platz und erst in zweiter Linie einen Ausbildungs-Platz. Das Thema Jugendarbeitslosigkeit — die als Indiz für den Stand dieser Problematik gewertet werden kann — ist jedenfalls in der Tat ein Problem von Arbeitslosigkeit, weil von den Jugendlichen, die heute arbeitslos sind, nur etwa 10 bis 15 Prozent einen Ausbildungs-Platz suchen. Die anderen wollen einen „Job".

Hier zeigen sich also zwei gegenläufige Tendenzen: Die Zahl der Arbeitsplätze wird abnehmen, die Zahl der potentiellen Arbeitnehmer zunehmen. Dieses Problem beschäftigt uns in Hamburg außerordentlich stark, weil nach unseren Analysen die Arbeitsplatzlücke, die sich etwa zu Beginn der achtziger Jahre einstellen und fortlaufend vergrößern wird, bei optimistischer bzw. pessimistischer Schätzung zwischen 50 000 und 120 000 fehlenden Arbeitsplätzen liegen wird. Bei einer Gesamtzahl von zur Zeit etwa 950 000 Arbeitsplätzen in Hamburg ist dies schon eine Größenordnung von erheblicher Bedeutung. Das Problem, das ich damit deutlich machen möchte, ist: Wenn die Entwicklung so weiterläuft wie bisher und wenn nicht etwas getan wird — besonders in den großen Städten —, wird zu Beginn der achtziger Jahre eine erhebliche, nicht konjunkturell, sondern strukturell bedingte Arbeitslosigkeit auf uns zukommen.

Dies zum Thema Wirtschaft. Ein weiteres, das Thema „Finanzen", ist sicherlich genauso bedeutend. Wegen der Sparproblematik ist gerade dieses Thema in Hamburg intensiv erörtert worden. Dieses möchte ich nun nicht in diesem Rahmen wiederholen. Idi möchte Ihnen jedoch eine Illusion nehmen: Wir sind in Hamburg zwar die ersten gewesen, die ein Sparprogramm beschlossen und auch durchgesetzt haben, aber niemand soll glauben, daß die Notwendigkeit zu sparen ein für Hamburg singulärer Vorgang wäre. Hamburg ist noch immer eine vergleichsweise reiche Stadt und ein vergleichsweise wohlhabendes Bundesland, was sich bei den Abgaben im horizontalen Länderfinanzausgleich für uns schmerzlicherweise immer wieder ausdrückt. Anderen Ländern geht es erheblich schlechter. Länder wie Niedersachsen, Schleswig-Holstein, das Saarland, aber möglicherweise auch Bremen, befinden sich in einem finanziell weitaus schlechteren Zustand. Dort ist absehbar, daß bald „nichts mehr geht“.

Für uns alle aber gilt: Wir haben uns festgefahren bzw. übernommen. Denn sicher sind unsere Schwierigkeiten finanziellen auch die Folge einer „Bewilligungsdemokratie", die allzu lange praktiziert haben, weil es halt wir so schön war in der Vergangenheit, immer mehr nach dem Staat zu rufen, insbesondere nach den Dienstleistungen des Staates, was man ja auch alles machen konnte, so lange die Geschäftsgrundlage wirtschaftlichen Wachstums gegeben war. Aber in dem Augenblick, wo diese Geschäftsgrundlage entfällt, wird die Sache kritisch. Plötzlich erleben alle öffentlichen Hände, daß sie mehr ausgeben, laufend mehr ausgeben, als sie laufend einnehmen. Und das heißt, sie müßten eigentlich Kredite aufnehmen, um die laufenden Ausgaben zu finanzieren, was aber die Landeshaushaltsordnungen, die Landesverfassungen und auch die Bundesverfassung glücklicherweise verbieten. Und wenn man an diesem Status ist, dann kann man nur über zweierlei Dinge nachdenken, entweder darüber, wie man die laufenden Einnahmen erhöht über Steuern und Gebühren — das haben wir in Hamburg gemacht, bis hin zu einer Grenze, wo es gerade noch erträglich ist —, oder man muß die laufenden Ausgaben reduzieren. Und wenn man das tun muß, dann hilft es gar nichts, dann muß man in den Personalhaushalt eingreifen, und zwar kräftig, in den Haushalt der laufenden Sachausgaben, und auch das kräftig, und man muß leider auch in den Investitionsetat hineingehen, dies nicht so sehr aus finanziellen Gründen, es sei denn, es geht um die Zinsen und Tilgungsleistungen, die uns auch laufend mehr belasten, als vielmehr aus Gründen der Durchsetzung. Man wird den Personalhaushalt nicht reduzieren können, wenn man nicht gleichzeitig signalisiert, man spare auch in anderen Bereichen ganz erheblich. Im übrigen ist das auch bei den Investitionen sogar sinnvoll, wenn man nämlich bedenkt, daß jede Schule nicht teuer ist, weil sie einmal, sondern weil sie laufend Geld kostet. Investitionen produzieren regelmäßig wiederum laufende Ausgaben. Wir hatten in der mittelfristigen Finanzplanung ein ungedecktes rechnerisches Defizit von rund 2 Milliarden DM bei einem Gesamtvolumen von 40 Milliarden DM — dies nur, um die Relationen klarzumachen —, aber wir hätten ohne Sparmaßnahmen, allein im Jahre 1976, bei dem Haushalt, den wir jetzt beschließen werden, ein Jahresdefizit von etwa 1, 3 Milliarden DM gehabt bei einem Etat von nicht ganz 9 Milliarden DM, hätten wir nicht drastisch hineingeschnitten in die Ausgabenseite. Und das, was wir in Hamburg bei den Ausgaben gemacht haben — dies prophezeie ich Ihnen —, das werden alle anderen in gleicher machen müssen, und wird für das niemanden besonders erfreulich sein. Wenn ich es recht verfolgt habe, sind die Berliner schon dabei, die Hessen ebenso wie die Schleswig-Holsteiner; sogar die bayerische Staatsregierung hat — wie andere auch — inzwischen das Sparprogramm des Hamburger Senats angefordert, um zu sehen, ob daraus Honig zu saugen ist.

Lassen Sie mich jetzt über Maßnahmen reden, die ergriffen werden müssen, wenn man die Städte regierbar machen und erhalten will. Es gibt solche Maßnahmen — wenn ich anderer Auffassung wäre, wäre ich sicherlich nicht Bürgermeister.

Zum Thema Demokratisierung: Ich glaube, es wird in Zukunft darauf ankommen, auch bei diesem Thema den Umschlag von den Quantitäten zu den Qualitäten zu vollziehen, das heißt, es kann nicht mehr Ziel sein, rechnerische und mechanistische Organisations-Mitbestimmungsregelungen zu beschließen. Dies haben wir leider zu oft getan. In Zukunft werden wir die Zeitabläufe und den Umfang solcher Demokratisierungsgesetze sorgfältiger bedenken müssen. Dabei dürfen wir den Gesichtspunkt der Ökonomie und der Effektivität nicht ganz außer acht lassen.

Diese Aussage bedarf sicher für einzelne Bereiche der Detaillierung. Ich will aber nur ein Beispiel nennen. Ich bin sicher, daß wir im Universitätsbereich unser Mitbestimmungsmodell nicht aufgeben werden. Wir werden aber sehr wohl die Frage prüfen, ob wir nicht zu viele und zu große Gremien mit zu unklaren Kompetenzen haben. Eine Präzisierung und Straffung würde hier nach den Recherchen, die wir angestellt haben, eine wesentliche Verbesserung bringen unter dem Gesichtspunkt der Demokratisierung und dem der Effektivität. Ein zweites Problem: Mir scheint, daß wir in den Städten, wie andernorts, wo demokratisch regiert wird, unter der Tatsache leiden, daß es uns bisher nicht gelungen ist, dem Gedanken der Demokratie über das Organisatorische hinaus, ein Ethos zu unterlegen. Demokratie wird als angenehme Staatsform angesehen, weil man sich in ihr frei und weitgehend unkontrolliert bewegen kann. Warum man aber solchedemokratischen Organisationsregeln hat, was dahinter steht, die Motivation der Demokratie, und was verloren geht, wenn die demokratischen Regeln unterlaufen und außer Kraft gesetzt werden, das ist im Bewußtsein der Bevölkerung häufig nicht vorhanden. Ich bin sicher, daß dieser Mangel eine wesentliche Ursache dafür ist, daß Demokratie sich vielfach zur Gefälligkeitsdemokratie entwickelt hat, daß der Staat — wie Professor Herbert Weichmann gesagt hat — zum Selbstbedienungsladen geworden ist, in dem sich jeder frei und für ihn kostengünstig bedienen kann Und schließlich glaube ich, daß wir uns um das Problem der Qualifikation von Politikern kümmern müssen und dabei verstärkt auch um innerparteiliche Meinungs-und Willensbildungsprozesse. Die Auswahlmechanismen von Politikern in den Parteien sind nicht schlecht und nicht zu verurteilen. Ich bin auch sehr dezidiert der Auffassung, daß das Durchsetzungsvermögen eines Politikers ein Qualifikationsmerkmal ist. Sich in einer Partei durchsetzen zu müssen und zu können, das qualifiziert durchaus. Aber wir müssen doch auch Möglichkeiten finden, der vorhandenen Neigung zum Opportunismus, der weit-verbreiteten Neigung zum Opportunismus, entgegenzuwirken, wofür ich allerdings nur ein Rezept habe, daß es nämlich Leute gibt, die eben dies tun: dem Opportunismus entgegenwirken. Solche Politiker brauchen wir. Jedenfalls darf sich nicht weiter vollziehen, was zur Zeit häufig geschieht, daß Kandidaten, weil sie Kandidaten sind oder werden wollen, mehr oder weniger gedankenlos nachvollziehen, was die sogenannte Basis beschließt. Es gehört auch zur Qualifikation eines Politikers, daß er gelegentlich auch seiner Basis gegenüber nein sagt, daß er, solange er die Entscheidungskompetenz hat, entscheidet nach seiner Überzeugung und nicht als Inspektor einer Basis.

Zum Thema Stadtentwicklung: Wir müssen uns konzentrieren auf drei Bereiche: wohnen, arbeiten und leben. Wenn es um das Wohnen geht, so glaube ich, wird im Vordergrund aller Bemühungen der Stadtpolitik das Thema Stadterneuerung stehen, wobei iph unter Stadterneuerung mehr verstehe als Instandsetzung, Modernisierung, Sanierung oder Neubau. Ich beziehe, wenn ich von Stadterneuerung spreche, das Wohnumfeld mit ein; und wenn ich von Wohnumfeld spreche, so gehört dazu sehr viel mehr als der Grünstreifen vor dem Haus. Gemeint ist der Zustand, das Milieu eines Stadtteils, der Stadtteile im Verhältnis zueinander; kulturelle Einrichtungen gehören dazu, Kindergärten, Parks, Läden, Schulen, und — um auch dies zu nennen — Kneipen. So — das heißt, umfassend und detailliert — muß Stadtentwicklungspolitik in Zukunft betrieben werden. Und das heißt weiter: Es darf nicht mehr Stadtentwicklungspölitik, sondern muß Stadtteilentwicklungspolitik sein. Denn jeder Stadtteil hat unterschiedliche Probleme, und man löst die Probleme nur, wenn man die stadtteilspezifischen Störfaktoren herausfindet und dafür Lösungen anbietet. Es kann durchaus sein, daß in einem Stadtteil die Wohnungen im Schnitt in Ordnung sind, daß trotzdem die Bevölkerung fortzieht, weil zum Beispiel der starke Verkehrslärm sie ) stört, oder weil andere Einrichtungen, für die ein Bedarf besteht, fehlen, oder weil der Stadtteil — wie man sagt —-keine Identität besitzt. Also muß man sehr ins Detail gehend untersuchen und ansetzen, um die Stadt insgesamt zu entwickeln. Jedenfalls ist das die Konsequenz, die wir in Hamburg gezogen haben. Wir planen und handeln unter dem Gesichtpunkt der Stadtteilentwicklungspolitik. Unsere gesamten Planungen zielen im Augenblick darauf hin, noch in dieser Legislaturperiode die Planungen für mindestens vier Stadtteile so weit zu treiben, daß wir beispielhaft schon beginnen können, um den Leuten zu zeigen, wie wir uns Stadtentwicklungspolitik in Zukunft vorstellen. Wir sind — so das Fazit — abgegangen von den großen Konzepten und übergegangen zu den kleinen Konzepten, die insgesamt in der Zusammenfassung dann doch, wie wir glauben, das richtige Konzept darstellen. Wir sind keine Anhänger der Theorie, daß man Wohngebiete und Arbeitsgebiete säuberlich trennen muß, glauben vielmehr, daß eine vernünftige Funktionenmi'schung in einer Stadt nötig ist. Die Menschen müssen nicht nur angenehm wohnen können, sondern in guter und naher Verbindung zu ihrer Wohnung auch arbeiten und gut verdienen können. Wir haben deshalb nicht das Bestreben, alle störenden gewerblichen Betriebe blindlings aus der Stadt herauszutreiben. Wir können uns dies unter Arbeitsplatzgesichtspunkten auch gar nicht leisten. Im Gegenteil, wir fördern die Ansiedlung von Gewerbebetrieben durch Bereitstellung von Gewerbeflächen, und wir behaupten der Bevölkerung gegenüber nicht, daß wir die Lebensverhältnisse in Hamburg so gestalten könnten wie in Tutzing. In einer Stadt leben, ist etwas anderes, als auf dem Dorf leben.

Allerdings muß man, wenn man so argumentiert und handelt, dem Gesichtspunkt des Umwelt-und Milieuschutzes eine erhebliche Bedeutung einräumen; aber wiederum nicht so rigoros, daß man den anderen Bereich, die Wirtschaft, dabei stranguliert. Wenn ich in diesem Zusammenhang eine Bemerkung machen darf, auch und gerade als Sozialdemokrat: Es ist in der Argumentation vieler Städteplaner ein gewisses Maß an Unehrlichkeit zu registrieren. Man schimpft über die Wirtschaft, die Lärm verursacht, was ja auch nicht schön ist. Man muß aber hinzufügen, daß es die Städteplaner gewesen sind, die Wohnungen immer näher an die Gewerbebetriebe herangebaut haben, bis der Lärm schließlich unerträglich wurde. Und dann haben sie gesagt: Die Betriebe sind's, die stören. Das ist eine städteplanerische Sünde der Vergangenheit, unter der die Bevölkerung heute zu leiden hat. Dieses Leiden muß verringert werden. Nur ist dies kein Punkt, den man der Industrie und der Wirtschaft „unterjubeln" kann; die Lärmbelästigung der Bevölkerung ist häufig eine Folge des Versagens der Politik nicht und etwa der mangelnden Bereitschaft der Wirtschaft, Umweltschutzmaßnahmen zu tragen oder zu ertragen. Die Wirtschaft — das ist unsere Erfahrung — ist in der Regel — nicht immer — schon aus eigenem Interesse bereit, vernünftige Umwelt-schutzmaßnahmen zu ergreifen. Im übrigen gibt es heute schon eine Umweltschutzindustrie, einen Wirtschaftsbereich, der zudem exzellent floriert.

Ich habe vorhin über Arbeitsplätze und die vorhersehbare Arbeitsplatzlücke gesprochen. Ich würde diesen Bereich gerne noch einmal aufgreifen, weil er, wie ich glaube, als ein Kernproblem für alle großen Städte erkennbar wird. Um es in einer These zu sagen: Wir werden das Problem der Arbeitsplatzlücke, wenn wir so weiterverfahren wie bisher, nicht lösen können. Wir werden es nicht lösen können, wenn wir die Mehrung von Lebensstandard weiterhin mißverstehen als Mehrung von ausschließlich monetären Mitteln. Wenn es richtig ist, daß es ein Recht auf Arbeit gibt, muß unser Ziel sein, möglichst allen, die arbeiten wollen, einen Arbeitsplatz zu geben. Da aber die Produktivität pro Kopf der arbeitenden Bevölkerung permanent zunimmt, wird man die Arbeit, die geleistet werden muß, die nötig ist, um den Lebensstandard zu halten und zu heben, auf immer mehr Leute verteilen müssen, was aber nicht geht, wenn man bei der Mehrung der monetären Mittel bei jedem einzelnen nach bisheriger Übung bleibt. — Will sagen: In Zukunft wird die Mehrung von Lebensstandard sich ausdrük-ken müssen in einer Veränderung des Zeit-budgets. Erhöhung des Lebensstandards kann auch heißen, daß nicht mehr 40 Stunden, sondern nur noch 35 Stunden gearbeitet wird, ohne vollen Lohn-und Gehaltsausgleich allerdings. Ich weiß, daß dies eine Aussage ist, bei der insbesondere die Gewerkschaften protestieren werden. Ich sage Ihnen aber, daß anders das Problem nicht zu lösen ist. Wir müssen erkennen, daß wir uns auf dem Wege hin zu einer Freizeitgesellschaft befinden, und müssen daraus die Konsequenzen ziehen. Wir müssen sie auch ziehen, weil wir anders aus finanziellen und wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage sind, die Dienstleistungsbedürfnisse der Gesellschaft zu befriedigen.

Nehmen Sie ein Beispiel: Wir sind gegenwärtig und wir werden auch auf absehbare Zeit nicht in der Lage sein, alle Lehrer, die ausgebildet werden, einzustellen. Wir werden schon in drei Jahren in Bundesrepublik der etwa 20 000 beschäftigungslose Lehrer haben. Ich will über die politische Problematik, die darin liegt, gar nicht diskutieren. Mich interessiert hier das bildungspolitische Problem; denn ich muß zugeben, daß ich die beschäftigungslosen Lehrer eigentlich gut gebrauchen könnte. Die Klassenfrequenzen sind unterschiedlich, aber immer noch in der Regel zu hoch, und es fallen zu viele Stunden aus. Ich kann diese Lehrer aber nicht bezahlen, und ich kann sie auch nicht durch noch so kluge Umschichtungstricks innerhalb der Haushalte bezahlen. Es geht nicht. Sie können es mir glauben, wir haben intensiv geprüft, ob es machbar ist. Ich könnte aber mehr einstellen, wenn ich die Arbeitszeit für Lehrer reduzieren könnte und wenn es in den nächsten drei Jahren keine Gehaltssteigerungen gäbe. Dann gewänne ich nämlich Mittel, und diese Mittel kann ich einsetzen, um zusätzliche Lehrkräfte, und sei es auf Teilzeitbasis, zu beschäftigen. Und was ich bei Lehrern eigentlich tun müßte, weil es vernünftig wäre, muß ich in allen anderen Bereichen in unterschiedlichen zeitlichen Abständen und Schritten und wohldosiert auch tun. Ich fürchte, es gibt überhaupt gar keine andere Möglichkeit, um das Problem zu lösen.

Damit reiße ich dann allerdings ein Thema an, über das viel diskutiert wird, das aber politisch überhaupt noch nicht aufgearbeitet worden ist. Die Frage lautet: Was machen wir mit unserer freien Zeit? Sicher wird gelegentlich die Frage der sinnvollen Freizeitnutzung diskutiert. Insbesondere Verbände, wie Kirchen zum Beispiel, tun dies; aber politische Konsequenzen werden aus solchen Diskussionen in der Regel nicht gezogen.

Man ist sich noch nicht einmal darüber im klaren, was politisch denn freie Zeit bedeuten könnte, ob sich damit eine Chance zur Selbstverwirklichung bietet, die Chance zu sozialer Hygiene; ob freie Zeit eine Zeit zum schlichten physischen und psychischen Relaxen sein soll. Es gibt keine politischen Zielvorstellungen, es gibt allenfalls Politikbereiche, die sich um Einrichtungen kümmern, die man in der Freizeit nutzen könnte, unterstellt, man will sie nutzen. Denken Sie an vielfältige Bemühungen, Naherholungsgebiete zu erschließen. Da geschieht in der Tat einiges, aber dies alles hat keine Linie, weil das Thema Freizeit als Problem, als Problem insbesondere der großen Städte überhaupt noch nicht erkannt worden ist. Man sollte vielleicht die Frage stellen, was wir bisher nicht getan haben, was aber getan werden müßte, um hier zu helfen.

Das erste wäre wohl dies: Wir müssen die Konsumentenmentalität zu durchbrechen versuchen; wir müssen es darauf anlegen, die Eigeninitiative der Menschen zu entwickeln. Ich will, wenn ich das sage, nicht unbedingt Freizeitbeschäftigungsvorstellungen östlichen Musters das Wort reden. Aber manches, was dort geschieht, ist nicht ganz und gar falsch; dort wird nur die andere Seite der Freizeitgestaltung, das schlichte Nichtstun, außer acht gelassen. Ich halte es aber für ganz unvermeidlich, daß die Eigeninitiative staatlich initiiert wird, wobei ich mir nicht vorstelle, irgendwelche administrativen Drucksysteme zu entwickeln. Ich denke aber an Ermunterungssysteme verschiedener Art.

Welche Möglichkeiten gibt es? Die beste Möglichkeit besteht doch immer darin, den Menschen Gemeinschaftserlebnisse zu vermitteln. Dazu gibt es Ansätze. Die Ansätze zeigen sich bei Stadtteil-Festen und ähnlichen Vergnügungen, bei der „Inbesitznahme" zum Beispiel der Köhlbrandbrücke in Hamburg oder des Tunnels oder bei der Begrüßung der Schiffe, die acht Jahre lang im Bittersee gelegen haben. Und ich füge hinzu: Den wesentlichen Ansatzpunkt, den wir überhaupt fördern können, bieten die Vereine mit ihrer vielbelä-chelten Vereinsmeierei. Es gibt nach aller Erfahrung keine bessere Möglichkeit für Menschen, sich mit anderen zu treffen, sich in der Gemeinschaft zu identifizieren, sich wohlzufühlen und etwas zu tun, als eben die in einem Verein. In welchem Kreise, ist mir dabei völlig „schnuppe", wenn sie sich nur überhaupt in einem Verein betätigen. Wir fördern deshalb in Hamburg die Vereine und unterstützen auch finanziell die ehrenamtliche Vereinstätigkeit — insbesondere die sportlicher oder kultureller Art — mit staatlichen Mitteln, und zwar in nicht unerheblicher Größenordnung. Dafür sprechen ganz handfeste Gründe. Wir haben einmal versucht, eine Relation herzustellen zwischen der Mitgliedschaft in Sportvereinen und Jugenddelinquenz und haben, ohne daß ich den Aussage-wert überstrapazieren will, immerhin festgestellt, daß der Prozentsatz jugendlicher Straftäter, der gleichzeitig in Sportvereinen tätig ist, um ein Vielfaches unter dem „normalen" Prozentsatz liegt. Man muß — ich weiß das — solche Feststellungen interpretieren. Immerhin ist dies ein interessanter Fingerzeig, dem man weiter nachgehen muß. Bei uns geschieht das. Wir sind jedenfalls überzeugt, daß die Vereine gute Arbeit leisten, und fördern sie im Rahmen unserer Möglichkeiten. Vom Sportverein bis hin zu den Kleingärtnern, die in Hamburg mit besonderer Intensität gepflegt werden.

Eine weitere Möglichkeit: Es kommt darauf an, in einer Stadt, in den Stadtteilen und in unmittelbarer Wohnungsnähe Treffpunkte zu schaffen, wo sich Menschen begegnen. Das fängt an im Wohnblock, im Wohnhaus, wo die Einrichtung von Gemeinschaftsräumen gefördert werden muß. Ich denke dabei an Gemeinschaftsräume, in denen man sich handelnd beschäftigen kann: an Tischtennisräu-nie, meinetwegen an die Sauna und, wenn viel Geld vorhanden ist, an das Schwimmbad. Solche Räume sind für die Nutzung der Freizeit wichtiger als Räume, in denen ein paar Stühle stehen, Tische, vielleicht ein Fernsehgerät: Räume also, in denen man sich zwar zusammensetzt, dabei aber doch bedauert, daß man nicht in seiner Wohnung sitzt, weil dort die Stühle bequemer sind und das Fern-B sehbild ungestört ist. Aktivitätsgemeinschaftsräume müssen eingerichtet werden, und der Staat muß auch dies fördern, und er muß mindestens die staatlich beeinflußten gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmen verstärkt anhalten, solche Einrichtungen von vornherein einzuplanen und einzubauen und umzulegen auf die Mieten, damit sie finanziert werden können. Darüber hinaus müssen Treffpunkte, Versammlungsräume geschaffen werden, zum Beispiel Häuser der Jugend, „Hamburg-Häuser", „Frankfurt-Häuser“, „München-Häuser". Wir haben solche Einrichtungen, und sie werden über Erwarten gut genutzt. Wir werden weiter die Idee der Wohnstraße verfolgen müssen, nicht das Konzept der Fußgängerstraße. Die Fußgängerstraße ist eine ökonomische Erfindung, die auch ökonomisch gewirkt hat; damit kann man ein gutes Geschäft machen, besonders mit den Würstchenbuden am Eingang und Ausgang; das sind Goldgruben. Ich meine jedoch wirkliche Wohnstraßen, Straßen, die einbezogen werden in den unmittelbaren Wohnbereich. Diese Straßen müssen eine Art von Gartenersatz und Kommunikationsstätte werden. Das ist das eigentliche Anliegen, und an der Realisierung dieses Anliegens werden wir konkret arbeiten. Ich hoffe, wir werden eine solche Wohnstraße in einem Stadtteil in Hamburg demnächst einrichten. Das würde dann etwas wirklich Neues sein; denn soweit ich weiß, gibt es zwar Spielstraßen, aber bisher noch keine Wohnstraßen in unseren Städ-'ten.

Wir müssen weiter bildungspolitische Maßnahmen vorantreiben. Die oft belächelte Volkshochschule hat eine ganz große Bedeutung. Wir erleben gerade im Augenblick, daß der Zulauf zur Volkshochschule in einem Maße ansteigt, wie man es sich überhaupt nicht vorstellen kann. Der Andrang ist größer, als wir erwartet haben, und kaum zu verkraften. Also scheint hier offensichtlich ein Bedürfnis vorzuliegen, das befriedigt werden muß; und möglicherweise ist die Einrichtung Volkshochschule, ausgebaut und in einen Zusammenhang gebracht mit dem tertiären Bereich und mit dem Berufsschulbereich, eine bildungspolitische Reformmaßnahme, die weiterträgt als andere Reformvorhaben, wie zum Beispiel die Gesamthochschule oder auch die Ganztagsschule. Ich will das nicht weiter ausdiskutieren, es wird dann ideologisch. Wir müssen aber darüber nachdenken, ob unsere bisherige Konzeption der Ganztagsschule vernünftig ist. Ich habe persönlich Zweifel. Die Ganztagsschule kann nach meiner Meinung überhaupt nur funktionieren, wenn die Beschäftigung nicht auf die Schüler beschränkt bleibt. Ich bin ein Jahr in Amerika zur Schule gegangen und kenne das dortige System zwar aus eigener Erfahrung, will mir aber ein Urteil über das amerikanische Bildungssystem nicht erlauben. Doch eine Frage drängt sich mir auf: In welcher deutschen Stadt bewegt sich eigentlich die Familie so zentriert um die Schule herum wie in amerikanischen Städten? Dort sind die Eltern mindestens einmal, wenn nicht zweimal in der Woche zu irgendeiner Aktivität in der Schule. Wo findet das eigentlich bei uns statt? Bei uns findet Unterricht statt, soll möglichst den ganzen Tag stattfinden, damit die Frau den ganzen Tag arbeiten kann, was vielfach nötig ist, vielleicht auch ein Emanzipationserlebnis vermittelt; aber es löst unser Problem nicht. Die Schule muß mehr als bisher als Ganztagsschule neuer Art ein Zentrum zumindest für die Familien werden, deren Kinder zur Schule gehen. Auch die Eltern müssen sie mitbenutzen, als Treffpunkt, der Aktivitäten unterschiedlichster Art und Gemeinschaftserlebnisse ermöglicht.

Dies wären einige Punkte, über die wir nachdenken müssen, die zu realisieren — besonders betrifft das den letzten Vorschlag — außerordentlich schwer sind.

Um es zusammenzufassen: Es scheint mir an der Zeit — ich wiederhole es —, dem Freizeitthema eine ganz besondere Bedeutung zu-zumessen, besonders in den Städten. Dort müssen Freizeitaktivitäten in unterschiedlicher Weise und sinnvoll aufgebaut werden, damit die Menschen wieder gern in den Städten wohnen. Die Städte müssen attraktiv sein, und sie dürfen nicht nur attraktiv sein dadurch, daß es dort Hochleistungseinrichtungen gibt, sowohl im kulturellen, wie im sportlichen, wie im medizinischen Bereich. Es gibt auch noch ein paar andere Bedürfnisse, die befriedigt werden müssen. Ich will die Hochleistungseinrichtungen nicht abschaffen oder ersetzen. Sie müssen jedoch komplettiert werden. Wie? Darüber muß nachgedacht, daran muß gearbeitet werden. Dies alles bedeutet sehr viel Detailarbeit, vor der wir uns nicht drücken dürfen.

Es wird Ihnen aufgefallen sein, daß ich beim Thema Städte ein Thema völlig ausgeklammert habe, nämlich das der „inneren Sicherheit". Ich habe das getan, weil darüber hier noch gesprochen wird. Ich muß aber darauf hinweisen, daß es natürlich zwischen dem Zu-B stand einer Stadt, zwischen dem städtebaulichen und ökonomischen, dem Freizeitzustand einer Stadt und dem Problem der Kriminalität in dieser Stadt einen Zusammenhang gibt. Dieser Zusammenhang ist vielleicht noch nicht genügend ausgelotet; jedenfalls sind die praktischen Konsequenzen aus wissenschaftlichen Erkenntnissen, die schon vorliegen, noch nicht gezogen worden. Ganz sicher ist jedoch — und deshalb erwähne ich es mindestens —, daß das Thema der inneren Sicherheit für die Städte von erheblicher Bedeutung ist. Und wenn ich mir eine Wertung erlauben darf, wird nicht mit Ruf nach es gelöst dem schärferen Gesetzen. Die helfen nämlich in den Städten leider überhaupt nichts, wenn ich nicht die Leute habe, die dafür sorgen können, daß die Gesetze auch eingehalten werden. Und deshalb ist das Thema der inneren Sicherheit — es tut mir leid — in erster Linie ein Problem von gut ausgebildeten und in ausreichender Zahl vorhandenen Mitarbeitern bei Polizei, Verfassungsschutz und Justiz. Menschen gewährleisten innere Sicherheit.

Mehr Gesetze helfen in der Regel nicht. Entscheidend ist besonders in den großen Städten die Polizeidichte, die Frage also, wie viele Polizeibeamte auf wie viele Menschen kommen. In Hamburg liegen wir dabei ziemlich gut. Bei uns kommt ein Polizeibeamter auf 230 Einwohner. In Berlin und Bremen ist die Relation noch besser. In anderen Städten und Ländern, die oft und gern nach schärferen Gesetzen rufen, ist sie weit schlechter.

Ich komme zum Schluß: Es gibt in den Städten große, bedrückende stadtentwicklungspolitische, bevölkerungspolitische, wirtschaftliche, finanzielle Probleme, aber diese Probleme sind — unterstellt, man will es, und fürchtet sich nicht vor ihnen und den Wählern — doch zu lösen. Die Städte sind nach meiner Auffassung eben nicht unregierbar, sondern durchaus regierbar, und sie müssen auch regierbar werden. Denn davon bin ich zutiefst überzeugt: Wenn die Städte zerfallen und sterben, dann stirbt die Nation. Deshalb ist der Ruf „Rettet die Städte jetzt!" eigentlich auszuweiten: Rettet unser Land jetzt!

Fussnoten

Weitere Inhalte

Hans-Ulrich Klose, geb. am 14. Juni 1937 in Breslau; 2. juristische Staats-prüfung 1965 in Hamburg, nach der Referendarzeit Staatsanwalt für NS-Verbre-eben, Jugendstaatsanwalt, Persönlicher Referent des Präses der Justizbehörde und schließlich in derselben Behörde Leiter der Dienststelle Justizplanung; 1973 Präses der Behörde für Inneres, seit November 1974 Erster Bürgermeister und Präsident des Hamburger Senats.