Die Diskussion um die Fortentwicklung der wirtschaftlichen Lenkungsmechanismen berührt unter dem Stichwort „Wie hältst Du's mit dem Markt?" zentrale „Gretchenfragen" der Wirtschafts-und Gesellschaftsordnung. Sie tangiert auf mannigfache und nicht immer rationale Weise Wünsche, Ängste und Inter-essen. Der Kampf um „letzte Werte" und die erbitterte Verteidigung von wirtschaftlichen Pfründen liegen oft dicht beieinander.
Die Passagen des OR '85 zum Thema „Markt und Lenkung" wurden besonders intensiv und auch wesentlich kontroverser als andere Themenbereiche diskutiert. Hierbei dienten die seit einiger Zeit in der SPD und den Gewerkschaften zur Investitionslenkung angestellten Überlegungen als Grundlage.
Die Kommission bemühte sich um eine emotionsfreie und instrumentale Sicht der Lenkungsprobleme und Lenkungsmöglichkeiten und gelangte schließlich zu einer sehr differenzierten Position, die bei einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen verabschiedet wurde. Diese Position läßt sich wie folgt zusammenfassen: — Fragen des wirtschaftlichen Lenkungssystems sind keine „Entweder-oder-Fragen", vielmehr haben staatliche Planung und Lenkung und autonome Marktmechanismen nebeneinander ihren Platz.
— Der Marktmechanismus vermag eine Reihe von Lenkungsproblemen nicht zu lösen (Herstellung einer gerechten Einkommensverteilung, Bereitstellung von Infrastrukturleistungen, Beachtung sozialer Imperative, Berücksichtigung externer Effekte u. a. m.) und er neigt, sich selbst überlassen, zur Aufhebung des Wettbewerbs.
— Entscheidend für den Fortbestand des marktwirtschaftlichen Prinzips ist der erfolgreiche Einsatz der Wettbewerbs-und Kartellpolitik gegen vermachtete Märkte.
Die Marktsteuerung verliert ihre Legitimation, wenn nicht der Vorrang der Nachfrage bei der Lenkung des Angebots gesichert ist. Das notwendige Ausmaß staatlicher Eingriffsintensität ist von der Lösung dieses Problems abhängig. „Da der gegenwärtige Erkenntnisstand eine ausreichende Urteilssicherheit nicht zuläßt, verbietet es sich, die richtigen Formen und Dimensionen öffentlicher Wirtschaftslenkung abschließend zu bestimmen. Der angemessene Weg zur Klärung dieser Frage sozialdemokratischer Politik ist viel mehr eine politische Praxis als gemeinsamer Lernprozeß, die sich unter konsequenter Nutzung aller geeigneten Instrumente auf die Bekämpfung unternehmerischr Marktbeherrschung konzentriert und zugleich das System indirekter Wirtschaftslenkung ausbaut."
— Durch Internalisierung der sozialen Kosten und Nutzen muß das Rentabilitätskriterium als Instrument zur Steuerung der Produktion modifiziert werden. Ein solchermaßen gewandelter Rentabilitätsbegriff verhindert die einseitige Ausrichtung von Produktions-und Investitionsentscheidungen am einzelwirtschaftlichen Gewinnmaximierungsinteresse, stellt aber dieses Interesse gleichzeitig in seinen Dienst. Die staatliche Wirtschaftspolitik muß die Zurechnung der sozialen Nutzen und Kosten durch die Setzung geeigneter Rahmenbedingungen vollziehen.
— Öffentliche Unternehmen haben eine wichtige Gestaltungs-und Korrektivfunktion dort, „wo die Prinzipien der Gegenmacht oder . Gemeinwirtschaftlichkeit dies gebieten, private Initiative fehlt oder übergroße Risiken bei anerkanntem gesellschaftlichem Bedarf vorliegen".
— Die Verstaatlichung von Produktionsmitteln — im Einzelfall u. U. notwendige Bedingung zur Durchsetzung gesamtwirtschaftlicher Interessen — liefert als solche keinen Beitrag zum grundlegenden Lenkungsproblem der Abstimmung zwischen gesellschaftlichen Bedürfnissen und dezentralen Entscheidungen.
— Ebensowenig vermag die Mitbestimmung die wirtschaftspolitische Lenkungsfunktion des Staates zu ersetzen. Mitbestimmung und — im Einzelfall — Gemeineigentum können Lenkungsprobleme jedoch vereinfachen. — Für alle Maßnahmen zu einer verbesserten gesamtwirtschaftlichen Investitionslenkung gilt die Aussage des Godesberger Programms: „Freie Konsumwahl und freie Arbeitsplatzwahl sind entscheidende Grundlagen, freier Wettbewerb und freie Unternehmerinitiative sind wichtige Elemente sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik.'— Die Unvollkommenheit des ökonomischen Zukunftswissens und die unzureichende Kenntnis der Auswirkungen von Lenkungsentscheidungen lassen den systematischen Ausbau des wirtschaftlichen Diagnose-und Prognoseinstrumentariums und die Verbesserung der öffentlichen Planungsorganisation als vordringlich im Rahmen der Bemühungen um verbesserte gesamtwirtschaftliche Lenkung erscheinen.
— Daneben müssen verbesserte Anwendungskriterien und -maximen für den Einsatz des bereits vorhandenen Lenkungsinstrumentariums entwickelt werden. Das vorhandene Instrumentarium wurde aufgrund der „bislang sehr beschränkte(n) Fähigkeit von Politik und Verwaltung zur Informations-und Problemverarbeitung“
und der „Unsicherheiten der Diagnose und Prognose" nur in oft unzureichender Weise eingesetzt. Die öffentlichen Planungsträger sind mit den ihnen übertragenen Aufgaben (mittelfristige Finanzplanung, langfristige Infrastrukturplanung) häufig überfordert.
— Reformen im Bereich der staatlichen Organisation müssen also die Planungsfähigkeit entscheidend erhöhen. — „Bei der herkömmlich getroffenen Unterscheidung zwischen indirekter und direkter Investitionslenkung geht es nicht um einen Gegensatz, sondern um eine abgestufte Skala von Instrumenten, deren dosierter Einsatz zeitlich, sachlich und in der Eingriffstiefe in jedem Einzelfall sorgfältig geprüft werden muß." — Der im Rahmen der indirekten Investitionslenkung durch die staatliche Politik gesetzte „Datenkranz“ (z. B. durch Steuern, Anreize, Bereitstellung oder Verweigerung öffentlicher Leistungen, Umweltschutzvorschriften, Qualitätsnonnen, Ansiedlungsverbote etc.) vermag den einzelwirtschaftlichen Entscheidungsspielraum je nach Maßnahme u. U. erheblich im Sinne der gesamtwirtschaftlichen Zielsetzungen einzuengen. Allerdings bleibt innerhalb des gesetzten Rahmens (der keineswegs nur indikativen Charakter hat) die letztverantwortliche Investitionsentscheidung beim Unternehmen. — „Besondere Bedeutung im Rahmen einer indirekten Investitionslenkung hat der Ausbau der Landesentwicklungspläne und des Bundesraumordnungsprogramms zu einem langfristigen Infrastrukturkonzept", welches unter Einbeziehung der regionalen und sektoralen Strukturpolitik einschließlich der Forschungs-, Innovations-, Berufsbildungs-, Rohstoff-und Energiepolitik zu einem Bundesentwicklungsplan zu erweitern wäre; denn die „Beeinflussung der privaten Investitionen in der gesamtwirtschaftlich erwünschten Richtung erfordert vorweg eine planvolle und umfassend koordinierte Ausrichtung der öffentlichen Investitionen“. Hiervon würden „entscheidende Orientierungshilfen für die einzel-wirtschaftlichen Investitionsentscheidungen ausgehen“. — „Im übrigen kann der Staat mit entsprechenden Veränderungen des Datenkranzes Richtung und Qualität der gewerblichen Produktion weitgehend beeinflussen." — Soweit im Rahmen der indirekten Investitionslenkung mit ökonomischen Anreizen gearbeitet wird, sind die Zielkonflikte zu beachten, die sich aus den finanziellen Belastungen der öffentlichen Haushalte und den entsprechenden gesamtwirtschaftlichen Verteilungswirkungen ergeben. — Wo die „Rahmensetzung für die private Wirtschaftstätigkeit ... strukturelle Fehlentwicklungen und unerwünschte Wirkungen nicht völlig verhindern" kann, „ist der Einsatz weiterer Instrumente zu erproben.
Solche Instrumente gibt es schon“: Anzeigepflicht für bestimmte Investitionen, Feststellung autorisierter öffentlicher Planungsträger über unerwünschte oder schädliche Folgen geplanter Investitionen, Investitionsauflagen als einschränkende Bedingungen, Investitionsverbote (z. B.
Ansiedlungsverbote, u. U. sind Produktionsverbote angemessener).
Für die Entwicklung und den Einsatz neuer Instrumente gilt grundsätzlich: 1. „Ersatzlösungen für bisher dezentrale, insbesondere marktmäßig organisierte Regel-steuerungen dürfen nicht nur theoretisch entworfen und ihre Anwendung gefordert werden. Wir müssen auch dafür sorgen, daß sie mit unseren organisatorischen Kapazitäten nach operationalen Zielsetzungen tatsächlich politisch gesteuert werden können." 2. „Ausgehend von der beschränkten Handlungsfähigkeit der staatlichen Verwaltung müssen wir uns auf die Probleme konzentrieren, die mit überschaubarem Einsatz der Mittel in überschaubaren Zeiträumen sinnvoll in Angriff genommen werden können." 3. „Nur solche dezentralen Regelungsmechanismen dürfen ersetzt werden, die sich eindeutig nicht bewährt haben, die zu nicht annehmbaren Ergebnissen führen und auch durch Veränderung der Rahmenbedingungen und indirekte Kontrolle nicht wirksam gesteuert werden können. Umgekehrt muß ebenso gelten, daß auch zentralgesteuerte Prozesse nicht ohne den Nachweis ihrer Funktionsuntüchtigkeit und der Ersetzbarkeit durch zweckmäßigere Lenkungsinstrumente dezentralisiert werden." — Eine Verstaatlichung des Bankenwesens im Zusammenhang mit der Investitionslenkung erscheint weder notwendig noch sinnvoll; erforderlich ist hingegen eine Neuordnung. Dabei wäre die Bundesbank auf alle Ziele des Stabilitäts-und Wachstumsgesetzes festzulegen, das Bankensystem nach Funktionen neu zu gliedern (Abschaffung der Universalbanken, insbesondere Trennung von Kredit-und Anlagengeschäft, Einschränkung des Beteiligungsbesitzes) und die Steuerungsmöglichkeit über den öffentlichen und gemeinwirtschaftlichen Kreditsektor (über 60 °/o Marktanteil) besser als bisher wahrzunehmen.
— „Eine vorausschauende und mit Maßnahmen der Investitionslenkung verbundene Strukturpolitik muß durch eine Konjunktursteuerung vornehmlich über die Einnahmen-und nicht nur über die Ausgabenseite wirtschaftlich und finanziell abgesichert werden." Konjunkturpolitisch zentral ist der Gesichtspunkt der Stetigkeit.
II.
Die oben zusammengefaßten grundsätzlichen Aussagen des Orientierungsrahmens zum Lenkungsproblem werden ergänzt durch Detailaussagen zu Problemen der regionalen und sektoralen Strukturpolitik, der Konjunktur-, Geld-und Währungs-sowie Außenwirtschaftspolitik, die hier jedoch aus Raumgründen nicht abgehandelt werden sollen. Auch für den Inhalt dieser Aussagen sind die oben zusammengefaßten Feststellungen maßgebend.
Eine Reihe von Problemen bildeten in den Diskussionen der Kommission besondere Schwerpunkte:
— Fragen der Analyse, insbesondere: Inwieweit hat die bisherige Konjunktur-und Strukturpolitik als grundsätzlich oder als nur in der Verwirklichung gescheitert zu gelten? Bis zu welchem Grade sind die Märkte durch Vermachtung deformiert und in ihrer Funktionsfähigkeit grundsätzlich beeinträchtigt? — Fragen der empirischen Feststellung, Bewertung, Vorgabe, Lenkung und Durchsetzung von Bedürfnissen.
— In welchem Maße sind bestimmte Grundprobleme spezifisch für bestimmte Wirtschaftsverfassungen (z. B.der „Grundwiderspruch") und in welchem Maße ergeben sie sich aus dem „systemunabhängigen" Tatbestand der Arbeitsteilung? — Gegenwärtige Erscheinungsformen und Probleme ökonomischer Macht, Chancen der Wettbewerbspolitik.
— Inwieweit kann und soll der Marktmechanismus durch Verstaatlichung (Vergesellschaftung) einerseits und Mitbestimmung andererseits eingeschränkt bzw. modifiziert und stärker in den Dienst gesamtgesellschaftlicher Zielsetzungen gestellt werden?
— Wie ist die Strukturwirksamkeit der Nachfragesteuerung im Verhältnis zu direkten, angebotslenkenden Eingriffen in die private Investitions-und Angebots-struktur zu beurteilen? Kann sich der Staat überhaupt auf dem Wege kaufkräftiger Nachfrage den gesellschaftlich erwünschten Anteil bei der Inanspruchnahme der gesamtwirtschaftlichen Ressourcen sichern?
— Wie ist die funktionale Bedeutung der Steuerung nach der Kapitalrentabilität auf dem Wege gewinnmaximierenden Unternehmerverhaltens einzuschätzen? Gibt es bessere, gesellschaftlich rationalere Erfolgsmaßstäbe? Ist eine Ablösung oder eine funktionale Ergänzung der Gewinn-
maximierungsregel notwendig?
-Inwieweit ist der Markt für Ungerechtigkeiten in der Einkommens-und Vermögensverteilung als ursächlich verantwortlich zu machen? Inwieweit wird hierdurch der Markt als Steuerungs-und Zuteilungsmechanismus grundsätzlich in Frage gestellt? -Inwieweit wird die Brauchbarkeit indirekt wirkender Instrumente zur Investitionslenkung durch mangelhafte Kalkulierbarkeit ihrer Wirkungen ganz oder teilweise in Frage gestellt?
— Sollen für etwaige Krisensituationen bestimmte, mit erheblichen Eingriffen verbundene Instrumente direkter Investitionslenkung prophylaktisch bereitgestellt werden?
— Wie soll das Verhältnis von zentraler und dezentraler Steuerung aussehen?
— Welche Probleme bzw. Einschränkungen etgeben sich aus den ungelösten Fragen der Diagnose und Prognose?
Welcher Vorrang kommt der Aufgabe zu, zunächst für das bestehende Lenkungsinstrumentarium operationale Anwendungskriterien und -maximen zu entwickeln?
— Wie ist in Zusammenhang mit der Investitionslenkung die gegenwärtige und grundsätzliche Leistungsfähigkeit staatlicher Institutionen zu beurteilen?
Soll bei Konzeption und Diskussion neuer Instrumente zur Investitionslenkung das spekulative Element oder die Frage der Praktikabilität und Operatiönalität im Vordergrund stehen?
— Inwieweit soll für die Ablösung von Lenkungsmechanismen und den Einsatz neuer Lenkungsinstrumente der Grundsatz der Subsidiarität Gültigkeit besitzen?
All diese Fragen und Problemstellungen sind natürlich in vielfältiger Weise ineinander verwoben und überlappen sich teilweise. Sie wurden auch nicht in der „künstlichen" Trennschärfe diskutiert, in der sie für die dieses Zwecke Aufsatzes aufgegliedert wurden. Die Tatsache, daß „alles irgendwie zusammenhängt", erwies sich im Diskussionsverlauf als schwerwiegendes analytisches Problem.
1. Einigkeit bestand darüber, daß die bisherigen Ergebnisse der Konjunktur-und Struktur-politiknicht zufriedenstellend sind. Uber die Ursachenanalyse konnte keine volle Einigkeit erzielt werden, wenngleich eine Annäherung der Standpunkte im Diskussionsprozeß unverkennbar war. Die Mehrheit der Kommission neigte dazu, eingetretene konjunktur-und strukturpolitische Fehlentwicklungen zum größten Teil einem falschen bzw. unzureichenden Einsatz des Lenkungsinstrumentariums, insbesondere bestimmten, langfristig angelegten Fehlentscheidungen (u. a. jahrzehntelanges Festhalten an festen Wechselkursen) der Vergangenheit zuzurechnen, sowie bestimmten negativen Faktoren, die, als unvermeidlich, „Datencharakter" für die Konjunktur-und Strukturpolitik besitzen (z. B. Ölkrise). Außerdem wurde darauf hingewiesen, daß angesichts der Unsicherheiten der ökonomischen Diagnose und Prognose bestimmte Fehlentscheidungen und Fehlentwicklungen sich erst nachträglich als solche erwiesen. Eine Minderheit der Kommissionsmitglieder stellte diese Faktoren zwar nicht in Abrede, beharrte aber — in unterschiedlichem Ausmaß — auf der Feststellung, für einen bedeutenden Teil der eingetretenen Fehlentwicklungen seien tieferliegende strukturelle Mängel des Lenkungssystems in seiner Gesamtheit verantwortlich. Insbesondere könne der Marktmechanismus aufgrund der Vermachtung und Deformierung wichtiger Märkte die ihm zugewiesenen Funktionen nicht mehr oder nur noch unzureichend erfüllen. Das Problem der Vermachtung der Märkte und die hiervon ausgehenden Gefahren wurden von der gesamten Kommission als sehr bedeutsam und gefährlich anerkannt. Unterschiede bestanden in der Einschätzung der gegenwärtigen relativen Bedeutung des Problems und im Grade der positiven Einschätzung seiner Lösungsmöglichkeiten. 2. Die Frage der Bedürfnisvermittlung und -durchsetzung und des Verhältnisses von individuellen und gesamtgesellschaftlichen Bedürfnissen wurde als zentral für die Einschätzung des Marktmechanismus und der gesamten Steuerungsproblematik allgemein angesehen. Während die Mehrheit meinte, es sei vorrangig von den empirisch feststellbaren Bedürfnissen der Bürger auszugehen und Steuerungsmechanismen seien danach zu beurteilen, inwieweit sie diesen Bedürfnissen Geltung verschafften, betonte eine Minderheit den angesichts der gesellschaftlichen Vermittlung und Ausformung von Bedürfnissen relativen Charakter der artikulierten individuellen Bedürfnisse. Man dürfe sich nicht scheuen, hier auch Vorgaben zu machen und bedürfnisbildend zu wirken. Dieses wurde von der Mehrheit grundsätzlich nicht bestritten, allerdings auf die Gefahr der Bevormundung und Willkür bei der Bedürfnisbestimmung unter Vernachlässigung der artikulierten individuellen Bedürfnisse hingewiesen.
Hieraus ergaben sich graduell unterschiedliche Einschätzungen von der wünschenswerten Rolle des Marktmechanismus im Prozeß der Bedürfnisbewertung und Befriedigung. Es wurde auch darauf hingewiesen, daß die Rolle des Marktes als Instrument der Zuteilung gemäß den Bedürfnissen insoweit fragwürdig sei, als die Verteilung der Einkommen nicht den Vorstellungen sozialer Gerechtigkeit entspreche. Weiterhin wurde über das Problem der Bedürfnismanipulation und der Durchsetzungschancen der Bedürfnisse in den real existierenden Marktverhältnissen diskutiert, ohne daß volle Einigkeit zu erzielen war. Einigkeit wurde darüber erzielt, daß auf den Marktmechanismus bei der Befriedigung der individuellen Bedürfnisse nicht verzichtet werden könne, während über manche Fragen des Vorrangs und der Abgrenzung zwischen individuellen und gesellschaftlichen Bedürfnissen sowie des Inhalts der gesellschaftlichen Bedürfnisse zwischen Mehrheit und Minderheit keine bzw. keine volle Einigkeit erzielt werden konnte.
3. Als ein grundsätzliches, sich aus der Arbeitsteilung ergebendes Problem wurde die Trennung zwischen Produktion und Verfügung angesprochen, über die Existenz dieses Problems, unabhängig von der jeweiligen Wirtschaftsverfassung, wurde Einigkeit erzielt. Es bestehe grundsätzlich die Gefahr, daß sich die Produktion einseitig nach den Verteilungsinteressen der Verfügenden richte. Teilweise unterschiedlich blieb die Einschätzung der Möglichkeiten zur Bewältigung des Problems innerhalb der marktwirtschaftlichen Organisationsform. Einig war man sich in der Auffassung, daß sich aus der Trennung zwischen Produktion und Verfügung die Notwendigkeit zur politischen Korrektur der Verteilungsrelationen herleite.
4. Das Problem ökonomischer Macht wurde besonders intensiv diskutiert, insbesondere die Möglichkeiten zur Kontrolle und Einschränkung von Marktmacht und die Frage, ob und inwieweit sich ökonomische Macht in politische Macht umgesetzt habe bzw. ständig umsetze, schließlich das Problem, ob und inwieweit Reformpolitik im Sinne des demokratischen Sozialismus und in diesem Zusammenhang die Reform unseres Lenkungssystems angesichts der vorhandenen ökonomischen Machtpositionen überhaupt politisch durchsetzbar sei. Hierbei offenbarte sich zwischen Mehrheit und Minderheit eine unterschiedliche Einschätzung der Notwendigkeit, im Zuge einer Reformpolitik zunächst ökonomische Machtpositionen zu beseitigen. Die hierbei auftretenden Argumentationsmuster waren außerordentlich vielschichtig, zumal die zugrundeliegenden Einschätzungen des Ausmaßes und der Bedeutung vorhandener ökonomischer Machtpositionen und ihrer Umsetzungsmöglichkeiten in politische Macht bereits unterschiedlich waren. Eine Minderheit argumentierte, die faktische Unmöglichkeit, bestimmte, von den ökonomisch Mächtigen gesetzte „Systembedingungen" zu tangieren oder außer Kraft zu setzen, mache Lenkungsreformen ohne weitreichende Eingriffe zur einschneidenden Beschränkung ökonomischer Macht unmöglich, während die Mehrheit die dieser Behauptung zugrundeliegende Analyse der realen Verhältnisse bestritt.
Einigkeit bestand darüber, daß funktionierende Marktmechanismen zur Einschränkung und Kontrolle wirtschaftlicher Machtpositionen zentral und unverzichtbar seien und daß zu diesem Zwecke die Ordnungs-, Wettbewerbs-und Kartellpolitik erheblich zu intensivieren sei. Hier liege ein zentrales Legitimationsproblem der Marktwirtschaft. Differenzen über die Chancen einer verschärften Wettbewerbs-und Kartellpolitik blieben bestehen. 5. Ausgiebig behandelt im Zusammenhang mit der Frage ökonomischer Macht wurde auch die Möglichkeit, durch Verstaatlichung oder andere Formen der Vergesellschaftung eines Teils der Produktionsmittel die gesamtwirtschaftlichen Lenkungsmöglichkeiten zu verbessern. Die Kommission war sich darin einig, daß die Tatsache der Verstaatlichung als solche noch keine Probleme löst. Eine Minderheit hielt aber Verstaatlichung bzw. Vergesellschaftung bestimmter Wirtschaftsbereiche für eine notwendige Bedingung oder zumindest hilfreiche Maßnahme verbesserter Wirtschaftslenkung, während die Mehrheit der Ansicht war, daß eine etwa notwendige Vermehrung staatlicher Eingriffsmöglichkeiten zumindest generell des Instruments der Verstaatlichung nicht bedürfe. Es bestand jedoch Einigkeit darüber, daß im jeweils zu prüfenden Einzelfall Verstaatlichung/Vergesellschaftung notwendig bzw. sinnvoll sein kann. Einige wiesen auch auf die Probleme hin, die durch die Zusammenballung ökonomischer Macht in Staatshand sich ergeben könnten.
der über die positive Bewertung Mitbestimmung Instrument zur Kontrolle und gesellschaftlichen Einbindung wirtschaftlicher Macht bestand Einigkeit. Einigkeit bestand auch darin, daß dies zwar die gesamtwirtschaftliche Lenkung unterstützen könne, aber kein Ersatz für dieselbe sei.
6. Eine Minderheit in der Kommission vertrat die Auffassung, die volkswirtschaftliche Angebotsstruktur könne über eine Änderung der Nachfragestruktur nicht wirksam und vor allem nicht schnell genug verändert werden. So könne die Umleitung von Ressourcen in die öffentliche Verwendung über eine Erhöhung der Staatsnachfrage nicht oder nicht in hinreichendem Maße gelingen, weil die realen Wirkungen der Nachfrageerhöhung durch preissteigernde Effekte wieder ausgeglichen würde. Bei der Konkurrenz zwischen Staat und Unternehmen um die Ressourcen unterliege der Staat aufgrund der von ihm zu tragenden überproportionalen Preissteigerungen. Aus diesem Gruride müsse die Umstrukturierung durch direkte Eingriffe in die Angebots-struktur erfolgen. Dieser Argumentation wurde der Mangel an empirischer Stützung entgegengehalten. Bei strukturell vergleichbaren Gütern unterliege die Investitionsgüter-nachfrage des Staates keinen höheren Preissteigerungen als die der Unternehmen. Die Schwierigkeiten bei der Erhöhung der staatlichen Leistungen lägen nicht am mangelhaften oder zu teuren Investitionsgüterangebot der Unternehmen, sondern auf der Finanzierungsseite des Staatsanteils und schließlich im Staatssektor selbst (hoher Personalkosten-block u. a.). Diese Probleme seien durch direkte Eingriffe in die volkswirtschaftliche Angebotsstruktur nicht zu lösen.
In diesem Zusammenhang wurden grundsätzliche Unterschiede bei der Beurteilung der Wirksamkeit der Nachfragesteuerung deutlich. Eine Minderheit äußerte prinzipielle Bedenken gegen eine Wirtschaftslenkung über die Nachfrage. Diese Bedenken wurden auf die verschiedenartigsten Argumente gestützt, die grundsätzliche Zweifel an der Effizienz der Marktsteuerung, spezifische Zweifel an der Leistungsfähigkeit der Marktsteuerung in der institutionellen Realität der Bundesrepublik und besondere Zweifel an den Verteilungspolitischen Auswirkungen der Marktsteuerung enthielten. 7. Grundsätzliche Einigung wurde über die funktionale Bedeutung des Gewinns erzielt und das Gewinnprinzip als unentbehrlicher Maßstab des Wirtschaftens allgemein anerkannt. Ausführlich wurde die Frage diskutiert, inwieweit die einseitige Ausrichtung an privatwirtschaftlichen Rentabilitätskriterien zu Verzerrungen der -
tur führe. Eine Reihe von Kommissionsmitgliedern forderte die Entwicklung neuer Erfolgsmaßstäbe des Wirtschaftens. Diese Forderung fand breite Zustimmung. Unterschiedlich stark ausgeprägt war die Skepsis über die Chancen solcher neuen Erfolgsmaßstäbe. Es bestand Einigkeit, daß die gesellschaftliche Rationalität des Gewinnprinzips durch geeignete und durchgängige Zurechnung der sozialen Kosten und Nutzen zu erhöhen sei. Auch neue Erfolgsmaßstäbe könnten das Gewinnprinzip nicht ablösen, sondern nur ergänzen.
8. Die Kommission war sich in der Auffassung einig, daß die verteilungspolitischen Ergebnisse des Marktprozesses der Korrektur bedürfen und daß hier eines der Hauptprobleme der Marktsteuerung liege. Eine Minderheit zog mit dem verteilungspolitischen Argument die Rationalität der Marktsteuerung grundsätzlich in Zweifel, während die Mehrheit auf einer unterschiedlichen Bewertung des Marktes unter funktionalem Aspekt und unter dem Aspekt sozialer Gerechtigkeit beharrte. Letzterem Aspekt Geltung zu verschaffen, sei die Aufgabe der politischen Korrektur der Ergebnisse der Marktsteuerung.
9. Als Problem erkannte die Kommission, daß indirekt wirkende Lenkungsinstrumente, insbesondere wenn sie in Form von Anreizen wirken, in ihren Wirkungen nur unexakt und bisweilen gar nicht kalkulierbar sind. Eine Minderheit leitete hieraus grundsätzliche Skepsis gegen indirekte Lenkungsinstrumente ab, während die Mehrheit sich der Überlegung anschloß, daß diese mangelhafte Kalkulierbarkeit Ausdruck der grundsätzlichen Informationslücke zwischen zentraler Steuerungsinstanz und einzelwirtschaftlicher Entscheidungseinheit sei. Die indirekte Lenkung trage dieser Informationslücke Rechnung, indem sie Kompetenz und Verantwortung für die grundsätzliche Entscheidung bei der einzelwirtschaftlichen Entscheidungsinstanz belasse und statt dessen auf die „Daten" des einzelwirtschaftlichen Entscheidungsprozesses einwirke. Die Informationslücke könne auch durch direkte Eingriffe nicht geschlossen werden, wohl aber dann zu fortgesetzten schwer-B wiegenden Fehlentscheidungen führen. Eine Minderheit hielt auch unter Beachtung dieser Überlegung die Argumente gegen eine indirekte Lenkung für schwerwiegender. 10. Besonders intensiv diskutiert wurde die Frage, inwieweit eine Ausdehnung des Lenkungsinstrumentariums zum gegenwärtigen Zeitpunkt notwendig und sinnvoll sei, insbesondere die Ausdehnung durch Instrumente mit hoher Eingriffsintensität. Während eine Minderheit die prophylaktische Einführung solcher Eingriffsmöglichkeiten für wirtschaftliche Krisensituationen befürwortete, schloß sich die Mehrheit der Auffassung an, daß eine Einführung neuer Instrumente nur gerechtfertigt sei, wenn das bestehende Instrumentarium in seinen Einsatzmöglichkeiten entsprechend ausgeschöpft sei. Hiervon könne gegenwärtig keine Rede sein. Neue Instrumente müßten vor ihrem Einsatz hinsichtlich Nebenwirkungen und praktikabler Einsatzmöglichkeit sorgfältig geprüft werden. 11. Trotz langer Erörterungen nahm die Kommission eine abschließende Bestimmung des Verhältnisses von zentraler und dezentraler Steuerung nicht vor. Solche abschließende Bestimmung wurde als grundsätzlich unmöglich angesehen. Die Mehrheit war der Auffassung, daß der Staat als zentrale Instanz, soweit er nicht im Bereich des öffentlichen Bedarfs das Angebot unmittelbar selber bereitstellt, im Grundsatz die dezentralen Entscheidungen durch Setzung eines indikativen und imperativen Handlungsrahmens steuern, nicht hingegen die dezentrale Entscheidungskompetenz übernehmen solle. Dies könne jedoch nicht als eine alle Möglichkeiten und Einzelfälle umfassende Abgrenzung aufgefaßt werden. Skepsis wurde bei der Kommissionsmehrheit insbesondere gegen die Zentralisierung der Entscheidungskompetenzen laut, wie sie in der Diskussion um Investitionslenkung im Zusammenhang mit der Forderung nach . direkter Investitionslenkung" laut geworden war („Bundesamt für Investitionslenkung"). Eine Minderheit hingegen beurteilte die Zentralisierung der Entscheidungskompetenzen im Zusammenhang mit „direkter Investitionslenkung" positiver. 12. Als für das Lenkungsproblem zentral wurde allseits das Problem der ökonomischen Diagnose und Prognose angesehen. Allgemeine Einigkeit herrschte darüber, daß der Ausbau des Diagnose-und Prognoseinstrumentariums für eine Verbesserung der staatlichen Lenkungs-und Steuerungskapazität entscheidende Bedeutung habe. Die Mehrheit der Kommission war jedoch grundsätzlich skeptisch, hierdurch die Erfolgsbedingungen einer stärker zentralisierten, mit direkten Eingriffen arbeitenden Lenkung entscheidend verbessern zu können; sie sah vielmehr die Vorteile verbesserter Information (und Voraus-schau in einer generellen Verbesserung der staatlichen Planungsfähigkeit und der Möglichkeiten zu sinnvollerem Instrumenteneinsatz. Eine Minderheit sah das Problem der Diagnose und Prognose im Zusammenhang mit direkten und zentralen Lenkungseingriffen als weniger schwerwiegend an und zeigte sich optimistischer über die Möglichkeiten, das Diagnose-und Prognosesystem entscheidend verbessern zu können.
13. Mehrere Kommissionsmitglieder wiesen auf die Tatsache hin, daß selbst für das bestehende Instrumentarium noch weitgehend operationale Anwendungskriterien und Einsatz-maximen fehlten, und daß hier die vorrangigen Aufgaben beim Ausbau des gesamtwirtschaftlichen Lenkungssystems lägen. Ehe dies nicht geschehen sei, könne auch über die Brauchbarkeit des bestehenden Lenkungssystems nicht abschließend geurteilt werden. Die Mehrheit schloß sich dieser Auffassung an, während eine Minderheit die Mängel im Einsatz des bestehenden Instrumentariums zwar nicht bestritt, gleichzeitig aber ihre Skepsis über die prinzipielle Brauchbarkeit des bestehenden Instrumentariums äußerte. Insoweit sei der Vorrang einer verbesserten Anwendung des bestehenden Instrumentariums zu relativieren.
14. Die Mehrheit der Kommission war sich darin einig, daß ein Hauptproblem der gesamtwirtschaftlichen Lenkung in der begrenzten Steuerungskapazität des staatlichen Bereichs selber liege. Eine Ausdehnung der staatlichen Kompetenzen hielt sie nur insoweit für sinnvoll, als der Staat kompetent sei zu ihrer Wahrnehmung. Gegenwärtig bewältige der Staat nicht einmal die Planungs-und Lenkungsaufgaben im innerstaatlichen Bereich, noch weniger könne er die vorhandenen gesamtwirtschaftlichen Lenkungsmöglichkeiten voll nutzen. Aus diesem Grund sei die Verbesserung der Effizienz und Steuerungskapazität im innerstaatlichen Bereich durch entsprechende institutionelle und organisatorische Änderungen und verbesserte Qualifikation der öffentlich Bediensteten vorrangig. Aus den begrenzten Fähigkeiten des Staatsapparates ergäben sich auch Konsequenzen für die Begrenzung seiner Kompetenzen. Eine Minderheit erkannte die Problematik der begrenzten Steuerungskapazitäten des Staatsapparates zwar an, sah hier aber nicht so sehr ein grundsätzliches Problem und war bezüglich einer einschneidenden Verbesserung dieser Steuerungskapazitäten optimistischer. Entsprechend sah sie auch die Hindernisse für eine verstärkte staatliche Lenkung nicht in vergleichbarer Schärfe.
15. Intensive und wiederholte Auseinandersetzungen gab es über die Frage, bis zu welchem Ausmaß im Rahmen der Lenkungsdiskussion das spekulative Element unter weitgehender Vernachlässigung der Probleme von Praktikabilität und Implementierung fruchtbar und sinnvoll sei. Die Kommissionsmehrheit war der Auffassung, Kritik am bestehenden Lenkungssystem und das Einbringen von Alternativen sei nur insoweit sinnvoll, als hierbei auch die realen Abläufe und Einsatzmaximen unter Berücksichtigung der wichtigen Neben-, Rück-und Folgewirkungen einbezogen würden. Eine Minderheit hielt Fragen der Praktikabilität und Implementierung für weniger gravierend im Vergleich zu bestimmten grundsätzlichen Aspekten der Lenkungsdiskussion.
16. Die Mehrheit der Kommission war sich einig, daß Fragen der Reform des gesamtwirtschaftlichen Lenkungssystems unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität behandelt werden sollten: Nur solche Elemente sind zu ersetzen, die sich eindeutig nicht bewährt haben und zu denen eine klare Alternative mit höheren Bewährungschancen besteht. Dies ist im Einzelfall konkret zu untersuchen. Eine Minderheit zeigte sich diesem Prinzip gegenüber skeptisch. — Mit diesem Abriß ist die Lenkungsdiskussion der Kommission keineswegs erschöpfend behandelt. Viele Aspekte wurden beiseite gelassen. Punkte, über die völlige Einigkeit bestand, wurden im obigen Abriß der Diskussion bisweilen ausgespart.
Sucht man ein allgemeines Prinzip, welches die Aussagen der Kommission zum Thema „Markt und Lenkung" bestimmte, so ist das zuletzt erwähnte Subsidiaritätsprinzip anzuführen: Keine „tabula rasa" sondern sorgfältige, vorurteilsfreie Prüfung der einzelnen Lenkungsprobleme; wo notwendig, gezielte Ergänzungen oder Revisionen, die einschneidend und weitreichend sein können, aber nicht sein müssen.
Der Schlüssel zum Schlaraffenland mit garantierter Krisenfreiheit wurde von der Kommission ebensowenig gefunden wie die universale Erklärungsformel für Strukturkrisen und Unterbeschäftigung. In diesem Sinne mag man die Aussagen zu „Markt und Lenkung"
„reformistisch" nennen.