Aktuelle Probleme der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern
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Zusammenfassung
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat, der sich aus Bund und (elf) Ländern zusammensetzt. Die Gliederung des Bundes in Länder ist im Grundgesetz für unabänderlich erklärt worden (Art. 79 Abs. 3 GG). Nach Art. 30 GG ist die Ausübung staatlicher Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben Sache der Länder, soweit das Grundgesetz keine andere Regelung tnttt oder zuläßt. In der Verfassungswirklichkeit liegen die Verhältnisse zum Teil anders. Dies gilt besonders für die Gesetzgebung von Bund und Ländern, in der — vor allem im konkurrierenden Bereich (Art. 74 GG) — aufgrund gesamtstaatlich vertretbarer „Sachzwänge" bisherige Länder-kompetenzen auf den Bund übergegangen sind. übergeordnetes Prinzip des Verhältnisses von Bund und Ländern ist der Verfassungsgrundsatz des gegenseitigen bundesfreundlichen Verhaltens. Dieser Grundsatz findet seinen Niederschlag in dem sogenannten kooperativen Föderalismus, ohne den die gesamtstaatlichen Aufgaben nicht mehr zu bewältigen sind. Als Beispiel sind die sogenannten „Gemeinschaftsaufgaben" von Bund und Ländern nach Art. 91 a GG sowie das Zusammenwirken von Bund und Ländern in den verschiedenartigsten Gremien hervorzuheben. In diesem Zusammenhang gewinnt auch die Problematik einer gesamtstaatlichen Planung eine starke Bedeutung. Weitere wichtige Probleme des dynamischen Verhältnisses von Bund und Ländern sind die (noch immer nicht befriedigend gelöste) Neugliederung des Bundesgebiets, die Verwaltung des Bundes und der Länder, insbesondere im Zusammenhang mit der Ausführung von Bundesgesetzen, die Struktur und Funktion des Bundesrates sowie die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland. Prüfstein für die Bewährung des Föderalismus innerhalb der Bundesrepublik Deutschland ist die Finanzverfassung, die nicht nur die Verteilung des Steueraufkommens zwischen Bund und Ländern — in koatroverser Weise vor allem bei der Umsatzsteuer —, sondern auch die (verfassungspolitisch sehr umstrittenen) Finanzzuweisungen des Bundes an die Länder einschließt. Innerhalb des föderalen Systems der Bundesrepublik Deutschland darf schließlich die Bedeutung der Kommunen (Gemeinden und Gemeindeverbände) nicht verkannt werden.
I. Vorbemerkungen
Die Bundesrepublik Deutschland ist — wie sich das Grundgesetz (vgl. Art. 20 Abs. 1) ausdrückt — ein demokratischer und sozialer Bundesstaat, der aus elf Ländern unterschiedlicher Größe mit elf Landtagen und elf Landesregierungen besteht 1). Die Gliederung des Bundes und der Länder, die die Qualität von Staaten mit gleichem Status haben und ihre Aufgaben selbständig und weisungsfrei erfüllen müssen ist im Grundgesetz für unabänderlich erklärt worden (Art. 79 Abs. 3 GG). Die Länder können deshalb nicht im Wege eines „kalten Staatsstreiches" — wie im Jahre 1934 durch das NS-Regime — beseitigt werden. Es besteht lediglich die Möglichkeit, den Zuschnitt der Länder durch eine sog. „Neugliederung des Bundesgebietes" zu ändern. Insoweit besteht ein „labiler Bundesstaat"
In einem Bundesstaat ist die Staatsgewalt zwischen dem Zentralstaat und den Gliedstaaten nach Aufgabengebieten aufgeteilt, wobei 1. 1 jedoch der Zentralstaat den Gliedstaaten grundsätzlich übergeordnet ist Dies äußert sich u. a. darin, daß Bundesrecht Landesrecht bricht (Art. 31 GG);
1. 2 die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne des Grundgesetzes entsprechen muß — sog. Homogenitätsprinzip — (Art 28 Abs. 1 GG);
1. 3 die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates den „Bundeszwang" ausüben kann, wenn ein Land die ihm nach dem Grundgesetz oder einem anderen Bundesgesetz obliegenden Bundespflichten nicht erfüllt (Art. 37 GG).
Auf der anderen Seite ist hervorzuheben, daß — jedenfalls nach dem Wortlaut des Grundgesetzes (vgl. Art. 30 GG) — in Zweifelsfällen die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben Sache der Länder ist, soweit das Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zuläßt. In der 'Verfassungswirklichkeit liegen die Verhältnisse freilich anders.
2. Das Grundgesetz ist lediglich das verfassungsrechtliche Gerüst für das föderative System der Bundesrepublik Deutschland. Die Be-Währung und das Funktionieren der föderativen Ordnung zeigt sich dagegen in der Verfassungswirklichkeit. Hier bestehen vielfältige Verbindungen und Konflikte im Verhältnis von Bund und Ländern, die zu einer ständigen inhaltlichen und organisatorischen Modifikation der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern führen. Eine Große Anfrage der CDU/CSU zur „Weiterentwicklung des föderativen Systems" sowie die Einsetzung —--------—--e-Utttttr 1331UIr „verrassungsre-
form" in der die föderativen Probleme einen breiten Raum einnehmen, unterstreichen die Aktualität des Problems. 3. übergeordnetes Prinzip des Verhältnisses von Bund und Ländern ist der Verfassungsgrundsatzdes gegenseitigen bundesireundli-chen Verhaltens
Der im Bundesstaat geltende (ungeschriebene) verfassungsrechtliche — das gesamte Verhältnis zwischen dem Gesamtstaat und seinen Gliedern sowie das verfassungsrechtliche Verhältnis zwischen den Gliedern beherrschende — Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens verpflichtet alle an dem verfassungsrechtlichen Bündnis Beteiligten, dem Wesen dieses Bündnisses entsprechend zusammenzuwirken und zur Wahrung der wohlverstandenen Belange seiner Glieder beizutragen Der für Bund und Länder gleicherweise geltende Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens hat die Funktion, die aufeinander angewiesenen „Teile" des Bundesstaates, Bund und Länder, stärker unter der gemeinsamen Verfassungsordnung aneinanderzubinden Der Grundsatz der Bundestreue kann ferner in Fällen, in denen das Gesetz eine Verständigung zwischen dem Bund und den Ländern fordert, eine gesteigerte Mitwirkungspflicht aller Beteiligten begründen und dazu führen, daß der der allseitigen Verständigung entgegenstehende unsachliche Widerspruch eines der Beteiligten rechtlich unbeachtlich wird Schließlich erfordert der Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens von Bund und Ländern die Wahrung und Herstellung der grundgesetzlichen Ordnung in allen Teilen und Ebenen des Gesamtstaates
II. Die Neugliederung des Bundesgebietes
1. Die derzeitige Gliederung des Bundes in elf Länder ist in ihrer Entstehung ungewöhnlich, da — der seinerzeitige Zuschnitt der Länder durch eine starke, wenn auch in ihren Akzenten verschiedenartige, Einflußnahme der seinerzeitigen Besatzungsmächte beeinflußt war
— die Gliederung des Bundesgebiets vom Parlamentarischen Rat, einem Gremium von Landesparlamentariern, ohne unmittelbare Beteiligung des Volkes beschlossen wurde
— die Gliederung des Bundesgebietes nur zum Teil historischen Vorbildern (Beispiele:
Bayern, Bremen und Hamburg) folgte, im übrigen aber — u. a. auch aus der Motivation, das ehemalige Land Preußen zu zerschlagen — zu neuen künstlichen Staatsgebilden führte.
Nach Art. 29 Abs. 1 GG ist das Bundesgebiet unter Berücksichtigung der landsmannschaftlichen Verbundenheit, der geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge, der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit und des sozialen Gefüges durch Bundesgesetz neu zu gliedern. Die Neugliederung soll Länder schaffen, die nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können.
In einem komplizierten Verfahren, in dem eine Beteiligung des Volkes durch Volksbegehren und Volksentscheid vorgesehen ist, das jedoch die Länder hiervon ausschließt kann der derzeitige Zuschnitt des Bundesgebietes geändert werden. Dies hatte bisher jedoch nur einmal Erfolg (Schaffung des Landes Baden-Württemberg am 25. April 1952)
Eine vom Bundesminister des Innern eingesetzte Sachverständigenkommission hat in einem eingehenden Gutachten im Dezember 1972 eine Neugliederung des Bundesgebietes empfohlen, die eine Keauzierung von eir aui fünf bzw.sechs Länder vorsieht. Eine Verwirklichung dieses Vorhabens kann nur durch eine Grundgesetzänderung erfolgen. Der Widerstand und das Beharrungsvermögen einzelner — vor allem der traditionsgebundenen und finanzkräftigen — Länder erschweren jedoch die Realisierung einer derartigen Neugliederung des Bundesgebietes.
Aus jüngster Zeit sind die Volksentscheide vom 19. Januar 1975 zu erwähnen, in denen (mit positivem Votum) die Wiederherstellung der alten Länder Oldenburg und Schaumburg-Lippe und (erfolglos) die Abtretung der Regierungsbezirke Trier und Koblenz (z. Z. in Rheinland-Pfalz) an das Land Nordrhein-Westfalen sowie der Bezirke Montabaur und Rheinhessen (ebenfalls: Rheinland-Pfalz) an das Land Hessen gefordert wurde 22a).
Im Augenblick sind Überlegungen im Gange, wie dieses Votum der Wähler mit dem Primär-Auftrag des Grundgesetzes in Einklang gebracht werden kann, wonach eine Neugliederung Länder schaffen soll, die nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können. -emeanuereruuew-uy der Beitritt eines Landes zum Bundesgebiet gemäß Art. GG. So wurde das Saarland auf Grund einer „Beitrittserklärung" vom 14. Dezember 1956 gemäß Art. 23 GG durch ein Bundesgesetz vom 23. Dezember 1956 (BGBl I S. 1011) in das Bundesgebiet eingegliedert. Art. 23 GG stellt insofern eine „offene" Regelung dar, als sie auch die Aufnahme der DDR in einen freien deutschen Staat zuläßt (vgl.
BVerfGE 36, 1 [29]).
3. Eine Sonderregelung besteht für das Land Berlin. Berlin ist zwar nach Art. 23 GG Land der Bundesrepublik Deutschland. Seine Zugehörigkeit zum Bund ist jedoch durch weiter-geltende alliierte Vorbehalte eingeschränkt 23). Diese äußern sich insbesondere darin, daß das Land Berlin gemäß Art. 144 Abs. 2 GG zwar Vertreter in den Bundestag und den Bundesrat entsenden darf, daß ihnen jedoch im Plenum dieser Verfassungsorgane kein Stimmrecht eingeräumt ist. Weiterhin besteht ein (alliiertes) Verbot dahingehend, daß Berlin vom Bund nicht „regiert" werden darf und daß eine Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts in sog. „Berliner Sachen" ausgeschlossen ist
III. Die Gesetzgebung von Bund und Ländern
1. Eine Aufteilung der Zuständigkeiten von Bund und Ländern erfolgt in entscheidendem Umfang zunächst im Wege der Gesetzgebung (ergänzend auch durch Rechtsverordnungen).
Nach der Generalklausel des Art. 70 Abs. 1 GG haben die Länder das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse verleiht. Die Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern sind streng getrennt. Im einzelnen sind zu unterscheiden 1. 1 Die ausschließlichen Gesetzgebungskompetenzen der Länder, die im Grundgesetz nicht ausdrücklich erwähnt sind.
Beispiele: Landesverfassungsrecht, Recht der Gemeinden und Kreise, allgemeines Polizei-recht, kulturelle Angelegenheiten, soweit eine Zuständigkeit des Bundes nicht gegeben ist
Im Bereich ihrer (ausschließlichen) Gesetzgebungszuständigkeit haben die Länder das Recht, mit Zustimmung der Bundesregierung mit auswärtigen Staaten Verträge abzuschließen (Art. 32 Abs. 3 GG). Von dieser Möglichkeit ist von den Ländern bisher jedoch nur selten Gebrauch gemacht worden.
1. 2 Die ausschließlichen Gesetzgebungskompetenzen des Bundes (Art. 73 GG) Als Beispiele sind anzuführen die auswärtigen Angelegenheiten sowie die Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung, die Staatsangehörigkeit im Bunde, die Freizügigkeit, das Farbwesen, die Ein-und Auswanderung und die Auslieferung, das Währungs-und Gehaltswesen, die Einheit des Zoll-und Handelsgebietes, die Bundeseisenbahnen und der Luftverkehr, das Post-und Fernmeldewesen, die Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes stehenden Personen, der gewerbliche Rechtsschutz, die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder im Bereich der Kriminalpolizei und des Verfassungsschutzes. 1. 3 Die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes (Art. 74 GG).
Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung besteht eine Gesetzgebungsbefugnis der Länder nur solange und soweit, als der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch macht (Art. 72 Abs. 1 GG). Für die Ausübung seiner Gesetzgebungskompetenz muß für den Bund ein — verfassungsgerichtlich nur schwer überprüfbares 27a) — „Bedürfnis" nach bundesgesetzlicher Regelung bestehen (Art. 72 Abs. 2 GG). Ein solches ist insbesondere dann zu bejahen, wenn eine gesetzliche Regelung die Wahrung der Rechts-oder Wirtschaftseinheit, insbesondere die Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse über das Gebiet eines Landes hinaus erfordert.
Als Beispiele für die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes sind anzuführen: das bürgerliche Recht, Strafrecht, Vereins-und Versammlungsrecht, Waffenrecht, die öffentliche Fürsorge, Kriegsschäden und Wiedergutmachung, Recht der Wirtschaft, Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken, Arbeitsrecht, Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung, Förderung der land-und forstwirtschaftlichen Erzeugung,.der Grundstücksverkehr, das Boden-recht, Maßnahmen gegen gemeingefährliche und übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Schutz beim Verkehr mit Lebens-und Genußmitteln, der Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, die Abfallbeseitigung, Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung.
Die konkurrierende Gesetzgebung macht den Großteil der Gesetzgebung des Bundes aus. 1. 4 Die Rahmengesetzgebung des Bundes (Art. 75 GG). In diesem Bereich kann der Bund entweder Richtlinien an den Landesgesetzgeber oder auch normative — unmittelbar für den Staatsbürger verbindliche — Regelungen erlassen.
Den Ländern muß jedoch ein eigener Raum zur ergänzenden Gesetzgebung verbleiben
Beispiele: die Rechtsverhältnisse der im öffentlichen Dienste der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts stehenden Personen, die allgemeinen Grundsätze im Hochschulwesen, die allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse und des Films, der Naturschutz und die Landschaftspflege, die Raumordnung und der Wasserhaushalt, das Melde-und Ausweiswesen.
In der Praxis bestehen erhebliche Differenzen zwischen Bund und Ländern hinsichtlich der beabsichtigten Rahmengesetzgebung des Bundes zum Hochschul-und Presserecht, da der Bund in diesen Bereichen nach Ansicht der Länder in zu starkem Umfang unmittelbare normative Regelungen vorsehe und damit die Grenzen einer Rahmengesetzgebung zu Lasten der Länder überschreite. 1. 5 Die stillschweigenden Gesetzgebungskompetenzen des Bundes.
Neben den vorgenannten ausdrücklichen Gesetzgebungskompetenzen des Bundes besteht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für den Bund noch eine sog. stillschweigende Gesetzgebungskompetenz aus der „Natur der Sache". Beispiel: gesamtstaatliche Repräsentation — und kraft Sachzusammenhangs 2. In der Verfassungspraxis hat die laufende Inanspruchnahme von Gesetzgebungskompetenzen durch den Bund, vor allem im sog. konkurrierenden Bereich und durch zahlreiche Verfassungsänderungen mit föderalem Bezug mit Kompetenzverschiebungen auf den Bund zu einer erheblichen Gewichtsverlagerung von der Landes-auf die Bundesgesetzgebung geführt Diese Tendenz ist noch dadurch verstärkt worden, daß bei mehreren Verfassungsänderungen — z. B. aus jüngster Zeit für Maßnahmen des Umweltschutzes (Abfallbeseitigung, Luftreinhaltung und Lärm-bekämpfung — bisherige Gesetzgebungskompetenzen der Länder auf den Bund übergegangen sind. Gegenwärtiger Streitpunkt zwischen Bund und Ländern ist die überfüh-rung des „Natur-und Landschaftsschutzes" sowie des „Wasserhaushalts" von der Rahmen-auf die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Die Länder vertreten hierbei den Standpunkt, daß die gesamtstaatlich gebotenen Einwirkungsbefugnisse des Bundes in den vorbezeichneten Bereichen auch im Wege einer Rahmengesetzgebung ausreichend wahrgenommen werden könnten
Die vorgenannten Kompetenzverlagerungen vom Bund auf Länder „konkurrierenden im Bereich" sind nicht zufällig, unmotiviert „Machthunger" des oder gar aus Bundes erfolgt; sie entsprechen vielmehr einer allgemeinen Tendenz zur Rechtsvereinheitlichung (insbesondere wegen des Sozialstaatsprinzips des Grundgesetzes), die auch im übrigen europäischen Bereich feststellbar ist. Wegen des stetigen Zuwachses an staatlichen Aufgaben auf allen Ebenen sowie infolge einer gleichartigen Chancenerwartung der gesamten Bevölkerung besteht zwangsläufig ein Bedarf nach Rechtsharmonisierung. Insofern liegt in der „Einbahnstraße" der Kompetenzverlagerungen von den Ländern auf den Bund eine Sachgesetzlichkeit
Dadurch tritt allerdings eine „Entmachtung" und Kompetenzaushöhlung der Länderparlamente — verbunden mit einer Einbuße an Eigenstaatlichkeit der Länder — ein 3. Die Enquete-Kommission „Verfassungsreform" sucht diesem Trend zu einer verstärkten Bundesgesetzgebung durch folgende Maßnahmen entgegenzuwirken:
— durch Zusammenfassung der Kataloge der konkurrierenden und Rahmenkompetenz;
— der Bund soll eine konkurrierende Voll-kompetenz nur noch haben, wenn und soweit die für die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet erforderliche Rechtseinheit, die Wirtschaftseinheit oder die geordnete Entwicklung des Bundesgebietes nur durch eine bundesgesetzliche Regelung zu erreichen ist;
— durch Einführung einer Richtliniengesetzgebung, die sich nur an den Landesgesetz-geber richtet; jedoch im Gegensatz zur Raiimengesetzgebung nach Art. 75 GG keine unmittelbaren normativen Regelungen mehr zuläßt;
— schließlich durch eine Einschaltung des Bundesverfassungsgerichts, das auf Antrag des Bundesrates oder eines Landes ein Bundesgesetz darauf zu überprüfen hat, ob die vorgenannten Schranken beachtet worden sind.
Keiner Illusion gibt man sich in der Enquete-Kommission „Verfassungsreform" darüber hin, daß eine „Rückübertragung" von bisherigen — in Anspruch genommenen — Kompetenzen des Bundes auf die Länder möglich ist
IV. Die Verwaltung des Bundes und der Länder
Ebenso wie im Bereich der Gesetzgebung sind auch bei der Verwaltung die Kompetenzräume des Bundes und der Länder streng getrennt Damit ist eine sog. „Mischverwaltung" von Bund und Ländern grundsätzlich verboten (vgl. BVerfGE 32, 145 [156]; BVerfG U. vom 4. 3. 75 — 2 BvF 1/72, S. 32). 1. Während das Schwergewicht der Gesetzgebung beim Bund liegt, haben die Länder bei der Verwaltung gegenüber dem Bund einen Vorrang Dies ist darauf zurückzuführen, daß die Länder eine Verwaltungszuständigkeit nicht nur für den Vollzug eigener Gesetze, sondern auch — anders als in den -e-E— 7-----rurenusrumunyvo Duesgesetzen besitzen, soweit das Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zuläßt (Art. 83 GG). In diesem Bereich hat der Bund jedoch gewisse Einwirkungsmöglichkeiten, wobei der Erlaß von allgemeinen Verwaltungsvorschriften (nach Art. 84 Abs. 2 GG) und in besonderen Fällen der Erlaß von Einzelweisungen (Art. 84 Abs. 5 GG) die stärksten darstellen, die die einheitliche Handhabung der Bundesgesetze in allen Ländern sicherstellen sollen.
Dagegen spielen die Rechtsaufsicht über die Ausführung der Bundesgesetzgebung durch die Länder, die Entsendung von Beauftragten des Bundes sowie die sog. Mängelrüge (vgl.
im einzelnen Art. 84 Abs. 3 und 4 GG) in der Praxis kaum eine Rolle. Im übrigen ist der Bund (nach Art. 84 Abs. 1 GG) in der Lage, durch Gesetze mit Zustimmung des Bundesrates die Behördeneinrichtung und das Verwaltungsverfahren der Länder zu regeln und dadurch Einfluß auf die Länderverwaltungen zu nehmen. 2, Da die Verwaltungsstrukturen der einzelnen Länder unterschiedlich sind, kann sich hieraus eine verschiedenartige Handhabung des Verwaltungsverfahrens bei der Ausführung von Bundesgesetzen ergeben. Gewisse Unzuträglichkeiten lassen sich durch die Gebietsreformen in, den Ländern die auf Grund einer entsprechenden Empfehlung der Innenministerkonferenz vom 15. Dezember 1972 (einheitliche) Richtgrößen für die Gemeinden in allen Ländern Statuieren, ausgleichen (vgl. auch die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage betr. Weiterentwicklung des föderativen Systems, BT-Drucksache V/4002, S. 14/15).
Darüber hinaus würde eine Angleichung der Verwaltungsverfahren der Länder bei der Ausführung von Bundesgesetzen nach Inkrafttreten des von der Bundesregierung konzipierten Verwaltungsverfahrensgesetzes (BT-Drucksache 7/910), das die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsverfahrens zu kodifizieren versucht, erfolgen.
In der'Begründung des Gesetzes (unter 15 und 1, S. 28 r.) heißt es hierzu wörtlich:
„Ein in Bund und Ländern einheitliches Verfahrensrecht ist sowohl im Interesse des Bundes und der Länder wie auch im Interesse des Staatsbürgers geboten:
Der Bund hat in erster Linie ein besonderes Interesse daran, daß seine Gesetze einheitlichausgeiunrt werden. Dieser Vorstellung kann'
am besten dadurch Rechnung getragen werden daß sowohl von Bundesbehörden wie von Landesbehörden ein inhaltlich gleichlauten-des Verfahrensrecht angewandt wird.
Das Interesse der Länder an einem einheitlichen Verfahrensrecht ist vor allem deshalb gegeben, weil die bundes-und landesrechtsausführenden Landesbehörden ihre Tätigkeit dann nur noch nach inhaltlich gleichem Recht auszuüben hätten.“
Ergänzend hierzu heißt es in der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates (Anlage 3 der BT-Drucksache 7/910, S. 108 1): „Die Beschränkung des Anwendungsbereiches auf die Ausführung von Bundesrecht durch Bundesbehörden hätte zur Folge, daß in die künftigen, von den Ländern auszuführenden Bundesgesetze dem Verwaltungsverfahrensgesetz entsprechende verfahrensrechtliche Bestimmungen einzeln aufgenommen werden müßten; eine solche Notwendigkeit bestünde so lange, wie nicht in sämtlichen Ländern inhaltlich gleichlautende Verfahrensgesetze erlassen sind. Das Verwaltungsverfahrensgesetz verfolgt indessen gerade den Zweck, die einzelnen Verwaltungsgesetze des Bundes von Verfahrensvorschriften zu entlasten und für den gesamten Bereich der Gesetzgebung des Bundes nach den Artikeln 73 und 74 des Grundgesetzes einheitliches Verwaltungsverfahrensrecht zu schaffen.
Damit wird deutlich, daß nur ein Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes, das auch von den Landesbehörden bei der Ausführung von Bundesrecht anzuwenden ist, den auch von den Ländern bejahten Effekt einer Vereinheitlichung des Verwaltungsverfahrens sowie einer Vereinheitlichung des Gesetzgebungsverfahrens erbringen kann." 3. Stärkere Ingerenzrechte des Bundes als bei der Ausführung von Bundesgesetzen nach Art. 83, 84 GG bestehen bei der sog. Auftrags-verwaltung nach Art. 85 GG, z. B. bei Bundes-gesetzen über Verteidigung, Schutz der Zivilbevölkerung, Kernenergie, Luftverkehr, bei der Verwaltung der Bundesfernstraßen sowie bei der Finanzverwaltung, soweit Steuern ganz oder teilweise dem Bund zufließen. Hier kann die Bundesregierung (nach Art. 85 Abs. 3 Satz 1 GG) Weisungen an die Landesbehörden erteilen. Weiterhin erstreckt sich die Bundesaufsicht auf die Gesetzmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der Ausführung von Bundes-B gesetzen. Die Bundesregierung kann zu diesem Zwecke Bericht und Vorlage der Akten verlangen und Beauftragte zu allen (Länder-) Behörden entsenden (Art. 85 Abs. 4 GG). 4. Eine bundeseigene Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau besteht für den Bund nach Art. 87 Abs. 1 GG nur in begrenztem Umfange.
Beispiele; Auswärtiger Dienst, Bundesfinanzverwaltung, Bundeseisenbahn, Bundespost und nach Maßgabe des Art. 89 GG die Verwaltung der Bundeswasserstraßen und der Schiffahrt, weiterhin Kriminalpolizei und Verfassungsschutz, soweit der Bundesbereich betroffen ist.
DerBund ist jedoch darüber hinaus in der Lage — zu Lasten der Länderverwaltungen —, den Bereich einer bundeseigenen Verwaltung dadurch zu erweitern, daß der Bundesgesetzgeber für Angelegenheiten, für die dem Bunde die Gesetzgebung zusteht, selbständige Bundesoberbehörden und neue bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechtes errichtet (vgl. Art. 87 Abs. 3 GG). 5. Ständiger Streitpunkt zwischen Bund und Ländern ist die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen der Bund eine sog. stillschweigende Verwaltungskompetenz „nach der Natur der Sache“ (z. B. für gesamtstaatliche Repräsentation) oder „kraft Sachzusammenhangs" besitzt oder zum Erlaß von sog. überregionalen Verwaltungsakten berechtigt ist. Aus jüngster Zeit sind die Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern im Zusammenhang mit der Errichtung einer Deutschen Nationalstiftung hervorzuheben 6. In der Enquete-Kommission „Verfassungsreform" besteht keine Tendenz dahingehend, das bewährte System der Aufteilung der Verwaltungskompetenz zwischen Bund und Ländern, insbesondere den Grundsatz des Art. 83 GG — „wonach die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit ausführen, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zuläßt" — zu beseitigen
V. Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern sowie der kooperative Föderalismus
Eine — vom Grundgesetz ausdrücklich zugelassene — Ausnahme von dem Grundsatz der Trennung der Verwaltungsräume von Bund und Ländern stellen die — durch die Finanz-reform 1969 eingeführten — Gemeinschaftsaufgaben
von Bund und Ländern nach Art. 91 a und b GG dar. 1. Bei den Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91 a GG — es handelt sich um die Gemeinschaftsaufgaben Ausbau und Neubau von Hochschulen einschließlich der Hochschulkliniken, Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes — wirkt der Bund bei der Erfüllung von (Verwaltungs-) Aufgaben der Länder sowie deren Finanzierung mit, wenn diese Aufgaben für die Gesamtheit bedeutsam sind und die Mitwirkung des Bundes zur Verbesserung der Lebensverhältnisse erforderlich ist. Dabei wird von Bund/Länder-Planungsausschüssen eine gemeinsame Rahmenplanung eingerichtet. Die Beteiligung von Bund und Ländern an der Finanzierung der Gemeinschaftsaufgaben ist im Grundgesetz (Art. 91 a Abs. 4 GG) und in den Gemeinschaftsaufgaben-Gesetzen festgelegt.
a • 2. Gemäß Art. 91 b GG wirken Bund und Länder auch bei der Bildungsplanung sowie bei der Forschungsförderung auf Grund entsprechender Vereinbarungen eng zusammen und sind auch in entsprechenden Bund/Länder-Gremien vertreten. Hervorzuheben sind der Bildungsgesamtplan 48a) sowie die Entwürfe einer Rahmenvereinbarung „Forschungsförderung“ und die Ausführungsvereinbarungen hierzu, die die Modalitäten der entsprechenden Förderung regeln. 3. Die Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91 a und b GG stellen ein Musterbeispiel des — auf dem Grundsatz des gegenseitigen bundes-freundlichen Verhaltens beruhenden — sog. kooperativen Föderalismus dar, aufgrund dessen Bund und Länder nicht gegeneinander, sondern miteinander arbeiten Eine derartige Kooperation ist im übrigen insoweit kein Novum, als Bund, Länder und z. T. die Gemeinden in vielen Gremien auch ohne ausdrückliche grundgesetzliche Verankerung Zusammenwirken
Die Berechtigung eines derartigen kooperativen Föderalismus ergibt sich daraus, daß die vielfältigen öffentlichen Aufgaben des Staates nicht isoliert und beziehungslos (lediglich) in den einzelnen staatlichen Ebenen bewältigt werden können. Dies gilt insbesondere für die Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91 a GG, bei denen der Bund im Jahre 1974 mit einem Volumen von 3, 241 Mrd. DM beteiligt war 4. In besonders klarer Weise kommt der Gedanke des kooperativen Föderalismus in Art. 73 Nr. 10 GG zum Ausdruck. Hiernach hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder:
a) in der Kriminalpolizei, b) zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und c) zum Schutze gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, sowie die Einrichtung eines Bundeskriminalamtes und die internationale Verbrechensbekämpfung.
Damit ist im Bereich der Kriminalpolizei und des Verfassungsschutzes die Kooperation von Bund und Ländern für den Bundesgesetzgeber zum verfassungsrechtlichen Gebot gemacht worden. Aufgrund der vorgenannten — durch Grundgesetzergänzung vom 28. Juli 1972 (BGBl I S. 1305) wirksam gewordenen — Verfassungsregelung, die die Erweiterung des Schutzes der äußeren und inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zum Gegenstand hat, sind das Änderungsgesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes vom 7. August 1972 (BGBl I S. 1382), das die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder im Bereich des Verfassungsschutzes näher regelt, sowie die Novelle des Gesetzes über die Einrichtung eines Bundeskriminalamtes i. d. Fassung vom 29. Juni 1973 (BGBl I S. 704), die die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder im Bereich der Kriminalpolizei im einzelnen festlegt, erlassen worden. Die o. a. Grundgesetzergänzung sowie die hierzu erlassenen Ausführungsgesetze sind insofern bemerkenswert, als aus übergeordneten Sachzwängen (Verbrechensbekämpfung und Verfassungsschutz über die Ländergrenzen hinaus) Gesetzgebungsbefugnisse der Länder im Bereich der Polizei — einem Reservat der Landesgesetzgebung — auf den Bund übergegangen sind.
Ergänzend ist auch noch auf Art. 35 Abs. 2 und 3 GG hinzuweisen, wonach ein Land „zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ oder bei einer Naturkatastrophe oder einem besonders schweren Unglücksfall Kräfte und Einrichtungen des Bundesgrenzschutzes zur Unterstützung seiner Polizei anfordern kann.
Ähnliches gilt bei drohender Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes (Art. 91 GG).
Die Kooperation von Bund und Ländern im Bereich der Kriminalpolizei und des Verfassungsschutzes ist, worauf der Bundesminister des Innern, Prof. Dr. Maihofer, in der Plenarsitzung des Deutschen Bundestages am 13. März 1975 anläßlich der sog. „Sicherheitsdebatte'
des Deutschen Bundestages eindringlich hingewiesen hat unerläßliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Bekämpfung von Terror-akten, wie wir sie in jüngster Zeit in besonders spektakulärer Weise erlebt haben.
Im übrigen sind innerhalb der Bundesregierung keinerlei Tendenzen ersichtlich, den ver-bleibenden polizeilichen Bereich der Länder in die Zuständigkeit des Bundes zu überführen. Hiergegen wären auch erhebliche verfassungs-rechtliche Bedenken zu erheben. Jedoch sind Bestrebungen nach Einführung einer Bundeskriminalpolizei zur Bekämpfung der Banden-und Terrorkriminalität anzumerken Die Beratungen hierüber sind aber noch nicht abgeschlossen.
5. Von den Ländern werden folgende Haupt-einwände gegen das Institut der Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91 a, b GG erhoben
— Sie schränken den Eigenbereich der Länder zur Verwaltung und Finanzierung von staatlichen Aufgaben ein; es werde vom Bund sogar eine Detailplanung vorgenommen.
— Mit den Gemeinschaftsaufgaben wird eine . Angebotsdiktatur" des Bundes auf die Länder in der Weise ausgeübt, daß diese aus politischen Gründen die ihnen „angebotenen"
Bundesmittel annehmen müssen und so gezwungen werden, entsprechende eigene Mittel aufzuwenden, die für die Erfüllung sonstiger landesstaatlicher Aufgaben verlorengehen.
Deshalb wird von den Ländern die Abschaffung der Gemeinschaftsaufgaben und deren Überführung in ihre alleinige Verwaltungsund Finanzierungszuständigkeit gefordert. 6. Gegen eine Abschaffung der Gemeinschaftsaufgaben wenden sich die Verfassungsorgane des Bundes mit folgender Begründung:
— Die immer stärkere Verflechtung der staatlichen Aufgaben auf allen Ebenen erfordert ein Zusammengehen von Bund und Ländern bei der Planung gesamtstaatlich relevanter Aufgaben. Hierfür sind die Gemeinschaftsaufgaben ein ausgezeichnetes Instrument.
— Durch die Gemeinschaftsaufgaben wird die gesamtstaatliche Leistungsfähigkeit gestärkt. Dies kommt letzten Endes auch dem Staatsbürger zugute und rechtfertigt den Verlust an landesstaatlicher Gestaltungsfreiheit. 7. Die Enquete-Kommission „Verfassungsreform" strebt an, das System der Gemeinschaftsaufgaben durch eine Bund/Länder-Rahmenplanung und eine hiervon im wesentlichen unabhängige Finanzierungsregelung zu ersetzen.
VI. Der Bundesrat
Der Bundesrat ist das föderative Organ des Bundes. Es hat jedoch im Gegensatz zur Bundesregierung keine Initiativ-, sondern lediglich kontrollierende und korrigierende Funktionen Im Bundesrat sind gemäß Art. 51 Abs. 1 GG die Mitglieder der Landesregierungen vertreten. Damit hat sich das Grundgesetz für das „Bundesratsprinzip" und nicht für das „Senatssystem" wie es in den USA, in der Schweiz und Österreich besteht, entschieden. Trotzdem läßt sich eine demokratische Legitimation der Mitglieder des Bundesrates vertreten, da diese das Vertrauen ihrer Lan-desparlamente genießen Die Stimmgewichtung innerhalb des Bundesrates bemißt sich nach der jeweiligen Stärke der Länder (vgl. Art. 51 Abs. 2 GG). Der Bundesrat ist ein „ewiges Organ" d. h., seine Funktionen sind — im Gegensatz zu denjenigen des Bundestages — fortdauernd; von dem Ende einer Wahlperiode ist er nicht beeinflußt. Damit ist der Bundesrat eines der wichtigsten stabilisierenden Elemente der Verfassungsordnung des Grundgesetzes.
Aufgabe des Bundesrates ist — die Mitwirkung an der Gesetzgebung des Bundes durch Einbringung von Gesetzesvorlagen (Art. 76 Abs. 1 GG), durch Einspruch und Zustimmung (bzw. Ablehnung) von Gesetzesvorlagen, bei denen — im Grundgesetz im einzelnen aufgeführt — die Verwaltungsund Finanzhoheit der Länder sowie sonstige wesentliche Länderinteressen berührt wer-den In dieser Eigenschaft ist der Bundesrat nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts 63a) nicht eine Zweite Kammer eines einheitlichen Gegesetzgebungsorgans, die gleichwertig mit der „Ersten Kammer" entscheidend am Gesetzgebungsverfahren beteiligt wäre. Die Mitwirkung des Bundesrates an der Gesetzgebung des Bundes verhindert indessen, daß „Systemverschiebungen" am Grundgesetz vorbei im Wege der einfachen Bundesgesetzgebung herbeigeführt werden können. Der Bundesrat ist weiterhin immer bei Verfassungsänderungen zu beteiligen, denen er mit zwei Dritteln seiner Stimmen zuzustimmen hat (vgl. Art. 79 Abs. 2 GG).
— die Mitwirkung an der Verwaltung des Bundes insbesondere beim Erlaß von allgemeinen Verwaltungsvorschriften durch die Bundesregierung, bei der Kontrolle der Rechnungslegung des Bundesministers der Finanzen nach Art. 114 Abs. 2 GG, bei der Bundes-aufsicht (vgl. insbesondere Art. 84 Abs. 3 und 4 GG) sowie beim Bundeszwang nach Art. 37 GG.
— die Mitwirkung bei besonderen staatsrechtlichen Situationen, z. B. im Vermittlungsausschuß nach Art. 77 Abs. 2 GG in den Fällen des Gesetzgebungsnotstandes nach Art. 81 GG, im Gemeinsamen Ausschuß nach Art. 53 a GG bei Notstandssituationen (vgl. insbesondere Art. 115 e GG).
Der Bundesrat — ein Bundesorgan — stellt eine Art „Garant" des Föderalismus innerhalb des Bundes dar. Darüber hinaus nimmt er eine eminent politische Funktion wahr. Denn er ist nicht nur Sachwalter der Länder innerhalb des Bundes, sondern spiegelt auch die unterschiedliche parteipolitische Konstellation der jeweiligen — im Bundesrat vertretenen — Landesregierungen wider. Dadurch entstehen Probleme, wenn die der gleichen politischen Richtung wie die den Oppositionsparteien im Bundestag angehörenden Vertreter der Länderregierungen im Bundesrat mehr Stimmen haben als die den Parteien der Koalitionspartner im Bundestag angehörenden Ländervertreter. Hier erweist sich die Mehrheit des Bundesrates trotz aller theoretischen Bedenken als eine Art „verlängerter Arm der Opposition" im Bundestag und ist — was jedoch nur selten und in der Regel nur bei „hochpolitischen" Gesetzesvorhaben vorkommt — aufgrund ihres Mehrheitsvotums in der Lage, von der Regierungsmehrheit im Bundestag beschlossene Gesetze zu „torpedieren". Insoweit kommt zum Ausdruck, daß die Bundesrepublik Deutschland ein Parteienstaat ist, in dem sich der politische Wille der Parteien auf allen Ebenen (in Bund und Ländern) und damit auch die jeweiligen Landtagswahlen über die engeren Grenzen der Länder auf die Bundespolitik auswirken. Diese „bundespolitische" Funktion des Bundesrates ist besonders bei den Beratungen des Grundvertrages sowie der Novelle zu § 218 StGB zum Ausdruck gekommen.
Es bestehen folgende Reformbestrebungen hinsichtlich der Stellung des Bundesrates im föderativen Staat der Bundesrepublik Deutschland:
— Als Kompensation für den fortwährenden Schwund an Befugnissen der Landtage soll der Bundesrat verstärkte — womöglich generelle — Zustimmungsbefugnisse bei der Bundesgesetzgebung erhalten. Diesen Bestrebungen dürfte jedoch dadurch ein Riegel vorgeschoben sein, daß das Bundesverfassungsgericht nach seiner o. e. Rechtsprechung dem Bundesrat die Qualität einer „zweiten Kammer" ausdrücklich aberkannt hat.
— Es ist weiterhin die Frage aufgeworfen worden, ob auch andere gesellschaftliche Kräfte im Staat, insbesondere die Kommunen, Kirchen oder Gewerkschaften u. a., — nach dem Vorbild des Senats der Bayerischen Landesverfassung — an der Willensbildung im Bundesrat mitwirken sollten. Diesen Bestrebungen dürfte jedoch kein Erfolg beschießen sein, da sie die Grundstruktur des Bundesratssystems (Vertretung nur durch die Regierungen der Länder) beseitigen würden
VII. Die staatliche Planung
1. Eine große Aktualität für das Bund/Länder-Verhältnis hat das Problem der gesamtstaatli-
dien Planung. Es ist anerkannt, daß die allgemeine gesellschaftliche Entwicklung, insbesondere der Übergang zum Sozialstaat, eine erhebliche Ausdehnung nach Gegenstand, Intensität und wechselseitiger Einwirkung erfahren hat. Eine Planung in einem modernen Staat ist unerläßlich; sie kann jedoch zu einer . Vorverfügung" über politische Entscheidungen führen, die auch für die föderalistischeStruktur der Bundesrepublik Deutschland von Bedeutung sein kann Deshalb ist in der Of! fentlichkeit die Frage diskutiert worden, ob 1 die politische Planung im Grundgesetz geregelt sein sollte. 2. In diesem Zusammenhang ist folgender früherer Vorschlag der Enquete-Kommission . Verfassungsreform" von Interesse:
12. 1 Bund und Länder stellen getrennt im Rahmen ihrer Zuständigkeit auf der Grundlage j gemeinsam erarbeiteter Grundannahmen je eine integrierte Aufgabenplanung auf.
i 2. 2 Die integrierten Aufgabenplanungen des Bundes und der Länder werden in den Sachbereichen, die für die Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland von Bedeutung sind durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates bestimmt worden sind, zu einer gemeinsamen Bund/Länder-Rahmenplanung zusammengefügt.
23 Ein Bund/Länder-Planungsausschuß beschließt nach Anhörung der Landesparlamente mit Zustimmung des Bundes unter Mehr-heit der Länder eine Empfehlung über die gemeinsame Rahmenplanung.
Während die augenblickliche Regelung der Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91 a, 91 b GG die gemeinsame Planung von Länderauf[gaben an ihre gemeinsame Finanzierung j durch Bund und Länder bindet, geht der o. e.
Vorschlag der Enquete-Kommission „Verfas-
sungsreform" davon aus, daß eine Kooperation von Bund und Ländern in der Planung keine Vermengung der Gesetzgebungsund finanzierungszuständigkeiten mit sich bringen soll. Vielmehr soll den Ländern eine möglichst weitgehende eigenstaatliche Entscheidungsfreiheit und Finanzhoheit auch bei »lohen Aufgabenplanungen belassen bleiben, die für die Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland (insgesamt) von Bedeutung sind.
Das von der Enquete-Kommission vorgeschlagene Modell ist inzwischen in der Öffentlichkeit erheblich kritisiert worden Die Haupt-einwände gehen dahin, daß schon eine horizontale (integrierende) Aufgabenplanung aller — z. T. gar nicht im einzelnen übersehbarer — Lebensbereiche praktisch nicht durchführbar und auch zu zeitraubend wäre. Eine weitere zeitliche Verzögerung würde sich auch bei der vorgesehenen Beteiligung des Bundes-rates und der Länderparlamente bei der (vertikalen) Rahmenplanung ergeben. Das von der Enquete-Kommission „Verfassungsreform" seinerzeit vorgeschlagene Modell krankt m. E. weiterhin auch daran, daß — eine vollständige Trennung von Aufgaben-planung und Finanzierung in der Praxis nicht möglich und durchführbar ist, — eine Mitplanung der Länder an Bereichen der ausschließlichen Verwaltungskompetenzen des Bundes, z. B. bei der Verteidigung, politisch nicht tragbar wäre, — es dem von den Ländern vorgetragenen Anliegen einer Beseitigung der Mitwirkungsbefugnisse des Bundes an den staatlichen Aufgaben der Länder nicht entsprechen, diese vielmehr eher noch verstärken würde.
Auch der Vorschlag (von Frido Wagener) eine staatliche Aufgabenplanung vornehmlich horizontal und nicht vertikal auf verschiedenen staatlichen Ebenen (z. B. Bund-Länder-Gemeinden) zuzulassen, erscheint nicht praktikabel, da ein solches Modell mit dem seit längerer Zeit bestehenden vertikalen Planungs-und Finanzverbund zwischen Bund-Ländern-Gemeinden in vielen Sachbereichen in Konflikt geriete und auch die Problematik der begrenzten Ressourcen auf den jeweiligen Planungsebenen unberücksichtigt ließe.
Da das Modell einer gemeinsamen staatlichen Aufgabenbildung von Bund und Ländern in Theorie und Praxis als noch nicht ausgereift angesehen wurde, sind beim 50. Deutschen Juristentag in Hamburg vom 24. bis 27. September 1974 keine Empfehlungen für eine entsprechende verfassungsrechtliche Verankerung gemacht worden.
Die Enquete-Kommission „Verfassungsreform" hat unter Berücksichtigung der gegenüber ihrem ursprünglichen Modell erhobenen Kritik in ihren Sitzungen am 23. Mai/27. Juni 1975 die Einfügung des folgenden Planungsartikels (28 a) im Grundgesetz beschlossen:
Artikel 28 a (1) Bund und Länder können gemeinsam Aufgaben planen, die für die Entwicklung des Bundesgebietes von Bedeutung sind. (2) Die gemeinsame Planung ist Rahmenpla nung. Die Auswahl der einzelnen Vorhaben die Einzelplanung und ihre Durchführun, bleiben Aufgabe von Bund und Ländern in Rahmen ihrer Zuständigkeiten. (3) Die gemeinsame Planung bedarf der Zu Stimmung des Bundes und der Mehrheit dei Länder. Die Volksvertretungen des Bundes und der Länder sind zu beteiligen. (4) Das Nähere, insbesondere die Auswahl dei Planungsbereiche, das Verfahren und die Beteiligung des Bundestages sowie Grundsätze über die Beteiligung der Volksvertretungen der Länder regelt ein Bundesgesetz, das dei Zustimmung des Bundesrates bedarf.
VIII. Die Finanzverfassung
1. Grundlage der Finanzverfassung des Grundgesetzes ist die Regelung des Art. 109 Abs. 1 GG, wonach Bund und Länder in ihrer Haushaltswirtschaft selbständig und voneinander unabhängig sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 1, 131 [133]) ist damit eine Kontrolle der Länder sowohl dem Bund als auch den Ländern untereinander verwehrt. Weiterhin müssen die Länder einen hinreichenden Anteil am Steueraufkommen haben und dürfen nicht von Zahlungen der anderen Seite abhängig sein; andernfalls wäre die verfassungsrechtlich garantierte Eigenständigkeit der Länder, denen das Grundgesetz die volle Sach-und Finanz-verantwortung für die ihnen obliegenden Aufgaben eingeräumt hat, gefährdet (vgl. BVerfG, Urteil vom 4. März 1975 — 2 BvF 1/72, S. 16). Hieraus folgt auch, daß eine Prüfungszuständigkeit des Bundes — insbesondere auch des Bundesrechnungshofes — gegenüber den Haushalten der Länder ausgeschlossen ist (so auch BVerfG, U. v. 4. 3. 1975 — 2 BvF 1/72, S. 41 f.).
Der Bundesrechnungshof ist lediglich berechtigt, nach dem Grundgesetz (vgl. insbesondere Art. 91a, b, 104 a Abs. 4 GG; 106 Abs. 8) ausnahmsweise zugelassene Zuwendungen des Bundes an die Länder auf ihre „Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit" (vgl. Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG) zu überprüfen 76a). * Insoweit erweist sich der Bundesrechnungshof auch als „Hüter der Bundesstaatlichkeit" 76b). 2. Nach Art. 109 Abs. 2 GG haben Bund und Länder bei ihrer Hauswirtschaft den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen.
Dieses Prinzip, das die Eigenständigkeit der Länder auch bei der Haushaltsplanung sicherstellen soll, ist jedoch im Grundgesetz mehrfach durchbrochen — durch (vielfältige) gesetzliche Begründungen von Ausgabeverpflichtungen, — durch gesetzliche Zuweisungen des überwiegenden Teils der Finanzquellen, — durch die bundesgesetzlichen Regelungen von Grundsätzen für das Haushaltsrecht von Bund und Ländern für eine konjunkturgerechte Hauswirtschaft und für eine mehrjährige Finanzplanung (vgl. Art. 109 Abs. 3 GG). Auf dieser Grundlage sind ein Konjunkturrat 76c) und ein Finanzplanungsrat 76d) errichtet worden, in denen die zuständigen Fachminister des Bundes und der Länder sowie Vertreter der Gemeinden (ohne verbindliche Beschlüsse) beraten. Damit erhält der Bund ein legitimes Mittel, bei seiner Konjunkturpolitik auch auf die Haushalte der Länder und Gemeinden einzuwirken Trotz der vorgenannten Beschränkungen bei der Handhabung des Art. 109 GG ist weiterhin der allgemeine Grundsatz zu beachten, daß die Gliederung des Bundes in Länder nicht in Frage gestellt werden darf. 3, Im übrigen Bereich der Finanzverfassung ist eine Prärogative des Bundes festzustellen. Sie äußert sich auf folgenden Gebieten:
In der Gesetzgebung Das Schwergewicht der Gesetzgebung im Bereich der Finanzverfassung liegt beim Bund.
3. 1 Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über Zölle und Finanzmonopole (Art.
105 Abs. 1 GG)
3. 2 Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über sämtliche Steuern; mit Zustimmung des Bundesrates, soweit das Aufkommen dieser Steuern den Ländern oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) ganz oder zum Teil zufließt (Art. 105 Abs. 2 GG).
3. 3 Die Länder haben lediglich die Befugnis zur Gesetzgebung über örtliche Verbrauchs-und Aufwandssteuern — z. B. Getränkesteuer, Vergnügungssteuer, Hundesteuer, Jagd-und Fischereisteuer, Speiseeissteuer — solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind (vgl. Art. 105 Abs. 2a GG), im übrigen jedoch keine Befugnisse zur Steuergesetzgebung
Diese Aufteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern wird von den Ländern nicht in Frage gestellt.
4. Einnahmen von Bund und Ländern im Wege des vertikalen Finanzausgleichs Der Bund ist aber auch Garant einer sachgerechten Finanzausstattung aller Ebenen des Staates.
4. 1 Das Aufkommen an den — bundesgesetzlich geregelten — Steuern wird zwischen Bund und Ländern enumerativ aufgeteilt.
-Nach Art. 106 Abs. 1 GG stehen dem Bund der Ertrag der Finanzmonopole und das Aufkommen der Zölle, der meisten Verbrauchssteuern, der Straßengüterverkehrssteuer, der Kapitalverkehrssteuer, der Versicherungssteuer und der Wechselsteuer, der einmaligen Vermögensabgaben und der zur Durchführung des Lastenausgleichs erhobenen Ausgleichsabgaben, der Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und Körperschaftssteuer sowie der Abgaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften zu.
— Nach Art. 106 Abs. 2 GG steht den Ländern das Aufkommen der Vermögenssteuer, der Erbschaftssteuer, der Kraftfahrzeugsteuer, bestimmter Verkehrssteuern, der Biersteuer sowie der Abgabe von Spielbanken zu.
— Insoweit ist das sog. Trennsystem verwirklicht.
4. 2 Daneben besteht ein Steuerverbund zwischen Bund und Ländern hinsichtlich des Aufkommens der Einkommen-und Körperschaftssteuer (sog. „Gemeinschaftssteuern"). Hieran sind Bund und Länder gemäß Art. 106 Abs. 3 Satz 2 GG mit je zur Hälfte beteiligt. Die Gemeinden erhalten nach Art. 106 Abs. 5 GG einen Anteil an dem Aufkommen der Einkommensteuer, der von den Ländern nach Maßgabe eires Bundesgesetzes mit Zustimmung des Bundesrates an die Gemeinden auf der Grundlage der Einkommenssteuerleistungen ihrer Einwohner weiterzuleiten ist. 4. 3 Als flexible Steuer zum Ausgleich der unterschiedlichen Einnahmen und Lasten von Bund und Ländern wird zwischen Bund und Ländern als weitere „Gemeinschaftssteuer“
die Umsatzsteuer ausgehandelt (z. Zt. 63 ®/o für den Bund mit einem Volumen von 32, 237 Mrd. DM und 37 °/o für die Länder mit einem Volumen von 18, 933 Mrd. DM im Haushaltsjahr 1974
Bis zur Finanzreform 1969 war die Einkommen-
und Körperschaftssteuer als variable — zwischen Bund und Ländern auszuhandelnde — Gemeinschaftssteuer ausgestaltet (zuletzt 35 °/o für den Bund und 65 °/o für die Länder), während die Umsatzsteuer dem Bund zu 100 °/o zufloß. Die Umkehr des Verteilungsschlüssels — früher Anteil der Einkommen-und Körperschaftssteuer (nur) 35 °/o für den Bund und 65 % für die Länder, während nach der Finanzreform der Anteil des Bundes an der Umsatzsteuer sich auf 63 % (gegenüber einem Anteil der Länder von nur 37 °/o) beläuft — ist darauf zurückzuführen, daß der Bund vor der Finanzreform das gesamte Aufkommen der Umsatzsteuer erhielt und dadurch der Minderanteil an der Einkommen-
und Körperschaftssteuer ausgeglichen wurde. Die durch die Finanzreform bewirkte Einbuße an etwa 37 °/o der Umsatzsteuer für den Bund wird jetzt durch eine Erhöhung seines Anteils an der Einkommen-und Körperschaftssteuer (von früher etwa 35°/o auf 50%) ausgeglichen.
Die Umsatzsteuer ist der Angelpunkt der (flexiblen)
Steuerverteilung von Bund und Ländern und immer wieder Gegenstand heftiger politischer Auseinandersetzungen zwischen beiden Teilen Besonders akut ist der Streit nach der jüngsten Steuerreform (1974)
geworden. Da im Zusammenhang hiermit dem Bund erhebliche Mehrlasten für die Gewährung von Kindergeld — das früher abzugsfähiger Posten bei der Lohn-und Einkommensteuer war — entstanden sind, fordere er einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer, auch, um der immer stärker werdenden Verschuldung des Bundeshaushalts Herr zu werden (Kreditaufnahmen!). Die Länder wiesen demgegenüber auf ihre stärkere Belastung durch die Ausführung kostenverursachender Bundesgesetze hin. Die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern zur Neufestsetzung der Umsatzsteuer-Anteile, die immer bei wesentlich anderer Entwicklung des Verhältnisses zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Bundes und der Länder stattfinden (vgl. Art. 106 Abs. 4 Satz 1 GG), haben am 11. Juli 1975 zum Ergebnis geführt, daß der Anteil des Bundes an den Einnahmen der Mehrwert-(Umsatz-) steuer für das Haushaltsjahr 1975 um 6, 25 °/o (auf 69, 25 %) und für das Haushaltsjahr 1976 um 7 °/o (auf 70 %) erhöht wird (vgl. FAZ vom 11. Juli 1975). 4. 4 Es bestehen weiterhin (subsidiäre) Finanz-zuweisungen des Bundes an die Länder, falls diesen für einen kurzen Zeitraum zusätzliche Ausgaben auferlegt oder Einnahmen entzogen werden (vgl. Art. 106 Abs. 4 Satz 2 GG). 4. 5 Die Einnahmen aus Zoll und Steuern betrugen für das Rechnungsjahr 1974 (in Mrd. DM)
für den Bund 122, 08 DM für alle Länder 125, 05 DM für die Gemeinden 88, 674 DM. 5. Vertikaler Finanzausgleich zwischen den Ländern (Art. 107 GG)
Neben dem vertikalen Finanzausgleich nach Art. 106 GG findet nach Art. 107 Abs. 1 GG ein horizontaler Finanzausgleich zwischen fi nanzstarken und finanzschwächeren Ländern nach Maßgabe eines Bundesgesetzes mit Zustimmung des Bundesrates statt. Das Volumen ist jedoch mit 1 913 630 DM im Rechnungsjahr 1974 verhältnismäßig gering. Deshalb hat die Enquete-Kommission „Verfassungsreform" davon Abstand genommen, irgendwelche Änderungen des Artikels 107 GG zu beschließen, 6. Ausgaben von Bund und Ländern In Art. 104 a Abs. 1 GG ist der allgemeine finanzverfassungsrechtliche Grundsatz verankert, daß Bund und Länder — ungeachtet der jeweiligen Einnahmen — die Kosten für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu tragen haben. Nach der Finanzstatistik 1974 betrugen die Gesamtausc des Bundes 133, 170 Mrd. DM der Länder 134, 240 Mrd. DM der Gemeinden 95, 256 Mrd. DM (ohne Stadtstaaten)
Da zu den Aufgaben der Länder auch die Ausiührung der Bundesgesetze gehört, haben sie die sich hieraus ergebenden Kosten zu tragen. Das „Veranlassungsprinzip" gilt somit nicht. Da jedoch mit steigenden staatlichen Aufgaben die Zahl der ausführungsfähigen und -bedürftigen Gesetze wächst, entsteht den — Bundesgesetzen nach Art. 83 GG ausführenden — Ländern eine progressive Ausgabenlast, die nur im Wege des vertikalen Finanzausgleichs, insbesondere die Umsatzsteuer, ausgeglichen werden kann. Deshalb ist innerhalb der Enquete-Kommission „Verfassungsreform" der Vorschlag gemacht worden, Bundesgesetze mit einer näher zu bestimmenden finanziellen Belastung für die Länder der Zustimmung durch den Bundesrat zu unterwerfen. 6. 1 Eine Abweichung von dem Lastenverteilungsgrundsatz des Art. 104 a Abs. 1 GG besteht für — Kriegsfolgelasten (Art. 120, 120 a)
— Länderverwaltung im Auftrag des Bundes (Art. 104 a Abs. 2 GG)
— sog. Geldleistungsgesetze (Art. 104 a Abs. 3 GG). Jedoch werden diese Gesetze im Auftrage des Bundes mit entsprechenden Ingerenzrechten des Bundes gegenüber den Länderverwaltungen ausgeführt, wenn der Bund die Hälfte der Ausgaben oder mehr zu tragen hat.
— Finanzhilfen des Bundes nach Art. 104 a Abs. 4 GG, soweit es sich um besonders bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände) handelt, die zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts oder zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet oder zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums erforderlich sind. 6. 2 Die Finanzhilfen nach Art. 104 a Abs. 4 GG — auch „Dotationen" genannt — werden vor allem bei konjunkturell oder infrastrukturell besonders bedeutsamen Investitionen der Länder und Gemeinden vom Bund gewährt (Volumen im Haushaltsjahr 1974: 4 148 915 DM
Sie werden im weiteren Sinne, jedoch ungenau, zu den „Gemeinschaftsaufgaben" gerechnet, obwohl dem Bund in diesem Bereich eine Mitwirkung an Verwaltungsaufgaben der Länder versagt ist. Dies hat auch das Bundesverfassungsgericht in seinem jüngsten Urteil vom 4. März 1975 — 2 BvF 1/72 — ausdrücklich bestätigt.
Finanzhilfen des Bundes werden nach Art. 104 a Abs. 4 Satz 2 GG entweder in Form von zustimmungsbedürftigen Bundesgesetzen oder aufgrund des Bundeshaushaltsgesetzes durch Verwaltungsvereinbarung geregelt. Beispiele: Städtebauförderung Förderung des sozialen Wohnungsbaus Investitionen im öffentlichen Personen-Nahverkehr Förderung des Krankenhausbaues (hier: Gesetze); Förderung durch Konjunkturprogramme des Bundes (hier: Verwaltungsvereinbarungen).
In den vorgenannten Gesetzen und Verwaltungsvereinbarungen wird auch die Kostenbeteiligung des Bundes und der Länder geregelt.
Die Finanzhilfen des Bundes nach Art. 104 a Abs. 4 GG, die nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (a. a. O., S. 20) nur eine Ergänzungsfunktion zu der durch den vertikalen und horizontalen Finanzausgleich angestrebten gleichgewichtigen Verteilung des Steueraufkommens auf den Finanzbedarf des Bundes und der Länder für ihre Aufgaben haben, sind ebenso und mit ähnlicher Begründung wie die Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern (vgl. oben Ziff. V., 5., 6.) ständiger Streitpunkt zwischen dem Bund und den Ländern. Wegen der restriktiven Feststellungen des o. e. Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 4. März 1975 dürfte allerdings die Bereitschaft des Bundes, den Ländern Konjunkturhilfen ohne entsprechende Einflußnahme zu gewähren, erheblich gemindert werden. 6. 3 Schließlich sind noch die ungeschriebenen Verwaltungs-und Finanzierungskompetenzen des Bundes zu erwähnen, die zum Gegenstand einer Verwaltungsvereinbarung über die Finanzierung öffentlicher Aufgaben von Bund und Ländern gemacht worden sind Auch in diesem Bereich entstehen häufig Streitigkeiten zwischen Bund und Ländern.
IX. Auswärtige Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland
1. Vertragsschließungskompetenz des Bundes Strittig ist zwischen Bund und Ländern die Vertragsschließungskompetenz des Bundes über Bereiche, in denen die Länder eine ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit besitzen. Nach Auffassung des Bundes hat dieser eine Abschluß-und Transformationskompetenz, d. h. das Recht, den normativen Inhalt völkerrechtlicher Verträge in innerstaatliches — auch für Länder verbindliches — Recht umzusetzen. Nach der gegenteiligen Auffassung der Länder hat der Bund zwar die Ab-
Schluß-, aber nicht die Transformationskompetenz Zwischen dem Bund und den Ländern ist. ein Kompromiß in der Weise geschlossen worden daß vor Vertragsschluß solcher völkerrechtlicher Verträge das Einverständnis der Länder herbeigeführt werden muß. Dafür verpflichten sich die Länder, die zur Durchführung der Verträge erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Eine entsprechende Ergänzung des Grundsatzes (in Art. 32 Abs. 3) ist auch von der Enquete-Kommission „Verfassungsreform" vorgeschlagen worden.
Außerdem besteht in Bund und Ländern eine Vereinbarung dahingehend, daß die Länder unter bestimmten Voraussetzungen das Recht erhalten, an den Delegationen des Bundes bei Vertragsverhandlungen mit auswärtigen Staaten beteiligt zu werden 2. Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Organisationen Ein Sonderproblem betrifft den Abschluß von völkerrechtlichen Verträgen der Bundesrepublik Deutschland, mit denen gemäß Art. 24 Abs. 1 GG Hoheitsrechte der Länder an zwischenstaatliche Organisationen (insbesondere die EG) übertragen werden. Das Grundgesetz hat insofern ein „integrationsfreundliches" Modell entwickelt, als solche Verträge — jedenfalls nach der Auffassung der Bundesregierung — ohne Verfassungsänderung, ungeachtet aber mit Verfassungsrang, dessen ohne Zustimmung der Länder (Bundesrat) abgeschlossen werden können, selbst wenn der ausschließliche -Gesetzge bungsbereich der Länder betroffen wird. Insofern besteht eine umfassende „Integrationskompetenz" des Bundes. Die Enquete-Kommission „Verfassungsreform“ hat dagegen vorgeschlagen, im Grundgesetz zum Ausdruck zu bringen, daß der Bund Hoheitsrechte der Länder auf zwischenstaatliche Einrichtungen nur durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates übertragen darf. 3. Finanzierung von EG-Maßnahmen Mit der Zunahme der „Integrations" -Tätigkeit der EG hat die innerstaatliche Durchführung und Finanzierung von Rechtsakten der EG Aktualität gewonnen. an 3. 1 Nach Auffassung der Bundesregierung erscheint es erforderlich, daß der Bund für die innerstaatliche Durchführung von EG-Rechtsakten auch dann eine (konkurrierende) Gesetzgebungskompetenz erhält, wenn der ausschließliche Gesetzgebungsbereich der Länder betroffen wird. * Begründung: Die innerstaatliche Durchführung von EG-Recht, das Gegenstände der ausschließlichen Landesgesetzgebungskompetenzen betrifft, darf nicht von dem jeweiligen Verhalten der Länder abhängig sein. Sonst könnten für den Bund als (externem) Partner der EG Schwierigkeiten bei der Erfüllung des EG-Vertrages entstehen.
Von Länderseite sind bisher keine ernsthaften Einwendungen gegen ein derartiges Modell erhoben worden. 3. 2 Hinsichtlich der (innerstaatlichen) Finanzierung von Maßnahmen auf Grund von Rechtsakten der EG ist im Grundgesetz keine ausdrückliche Regelung enthalten. Hierzu hat der Bund bisher die Auffassung vertreten, daß die Finanzierungslast nach der allgemeinen Kostenverteilungsregelung des Art. 104 a Abs. 1 GG allein die Länder treffe, da dies zu deren (primären) Erfüllung ihrer staatlichen Aufgaben gehöre.
Die Länder haben demgegenüber die Auffassung vertreten, daß dem Bund eine „Schutzfunktion“ zur innerstaatlichen Finanzierung solcher Rechtsakte obliege, da die Länder keinen — zumindest keinen ausreichenden — Einfluß bei der Mitwirkung an solchen Rechtsakten der EG hätten.
Innerhalb der Enquete-Kommission „Verfassungsreform" hat sich eine einhellige Auffassung noch nicht herausgebildet; jedoch scheint sich ein Modell zu entwickeln, das für die Durchführung von Geldleistungen gewährenden Rechtsakten der EG eine fixe Beteiligung des Bundes (voraussichtlich 80 °/o) und für die Durchführung sonstiger kostenverursachender Rechtsakte der EG eine flexible Kostenverteilung zwischen Bund und Ländern anstrebt 3. 3 Föderalismus und europäische Integration Von Länderseite wird vielfach behauptet, daß die europäische Integration nachteilige Aus-Wirkungen auf das föderalistische System der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere zu Lasten der Länder, habe bzw. noch haben werde, zumal die Organe der EG keine Rücksicht auf die Bundesstaatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland nähmen
Durch den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu den EG im Jahre 1957 sind gemäß Art. 24 Abs. 1 GG Hoheitsrechte des Bundes und der Länder auf die Organe der EG — einer von den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten unabhängigen Institution mit eigener Rechtsordnung — übertragen worden. Die zuständigen Organe der EG sind berechtigt, durch entsprechende Hoheitsakte unmittelbar in den Gesetzgebungsund Verwaltungsbereich des Bundes und der Länder einzugreifen und damit den Hoheitsraum von Bund und Ländern zu beschneiden. Der Bund nimmt im Ministerrat der EG auf Grund seiner auswärtigen Kompetenzen (Art. 32 Abs. 1 GG) die Interessen der Bundesrepublik Deutschland im ganzen wahr, auch soweit sie ausschließliche Kompetenzen der Länder betreffen. Dadurch tritt jedoch keine Benachteiligung der Länder im Verhältnis zum Bund ein, da — Vertreter der Länder regelmäßig an den vorbereitenden Ressortbesprechungen zu Tagungen des Ministerrates der EG teilnehmen — Länderbeamte in den Delegationen des Bundes bei den Beratungen des Ministerrates der EG vertreten sind, soweit Materien behandelt werden, welche die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder berühren — die Fachressorts des Bundes von sich aus an die Länder herantreten, wenn Beratungen solcher Themen innerhalb der zuständigen Organe der EG zu erwarten sind, die Bereiche der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenzen der Länder berühren.
Darüber hinaus ist eine Beteiligung der Länder insoweit gesichert, als nach Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zu den EG-Verträgen vom 27. Juli 1957 (BGBL 1957 II, S. 753) die Bundesregierung Bundestag und Bundesrat — die Vertretung der Länder im Bund — über die Entwicklung im Rat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und im Rat der Europäischen Atomgemeinschaft zu unterrichten hat. Soweit durch den Beschluß eines Rats innerdeutsche Gesetze erforderlich werden oder in der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar geltendes Recht geschaffen wird, soll die Unterrichtung vor der Beschlußfassung des Rats erfolgen.
Da der größte Teil der Hoheitsrechte, die die Bundesrepublik Deutschland auf die EG übertragen hat und die entsprechend von den Organen der EG durch Erlaß von Rechtsakten wahrgenommen werden, den Gesetzgebungsbereich des Bundes (vor allem im Bereich der Wirtschaft und Landwirtschaft) betrifft, könnte man eher die These aufstellen, daß der Bund erhebliche Einbußen durch den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu den EG erlitten hat, nicht jedoch die Länder.
Auch wenn der — vielfach angestrebte — Weg zur Errichtung eines „europäischen Bundesstaates“ fortgesetzt Würde, hätte dies auf die gegenwärtige Struktur der föderativen Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland keinen entscheidenden Einfluß. Denn auch dann würde der bisherige Reservatbereich der Länder — insbesondere für kulturelle Angelegenheiten — nicht (zwangsläufig) auf den Bund übergehen, sondern es würde beim bisherigen Status quo mit gleichwertigen Einbußen von Bund und Ländern zugunsten der EG verbleiben.
Die Gefahr einer „Regionalisierung", durch die die Länder — im Widerspruch zum Grundgesetz — ihre Qualität von Staaten verlieren und zu europäischen „Provinzen" (Regionen) ohne Staatsqualität werden könnten, wäre dann nicht gegeben. Im ürigen würde im Konfliktfalle die Integrationskompetenz des Bundes nach Art. 24 GG durch die „Sperrklausel" des Art. 79 Abs. 3 GG begrenzt
X. Gerichtsbarkeit
Nach Art. 92 GG wird die rechtsprechende Gewalt durch das Bundesverfassungsgericht, durch Bundesgerichte und durch die Gerichte der Länder ausgeübt. Das Schwergewicht der Gerichtsbarkeit (untere und mittlere Gerichtsbarkeit) wird von den Ländern ausgeübt. Soweit in den Bundesgesetzen keine Sonderre-gelungen getroffen sind, sind letzte Instanz in Rechtsfragen (Revisionssachen) die obersten Gerichtshöfe des Bundes (Bundesgerichtshof, Bundesverwaltungsgericht, Bundesarbeitsgericht, Bundessozialgericht, Bundesfinanzhof, Bundespatentgericht, vgl. Art. 95 und 96 GG). über die Auslegung des Grundgesetzes, insbesondere bei Bund/Länder-Streitigkeiten nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 und 4 GG, entscheidet das Bundesverfassungsgericht, deren Richter im übrigen auch vom Bundesrat gewählt werden (vgl. Art. 94 Abs. 1 Satz 2 GG). Das Bundesverfassungsgericht erweist sich hierbei als „Garant des Föderalismus" Daneben existieren noch Verfassungsgerichtshöfe der Länder, die über Landesverfassungsrecht judizieren. Landesverfassungsgerichtsbarkeit und Bundesverfassungsgerichtsbarkeit vollziehen sich im Bundesstaat in grundsätzlich getrennten Räumen (vgl. BVerfGE 36, 342 [347]).
XI. Die Gemeinden (Kommunen)
Die Gemeinden (Gemeindeverbände) sind organisatorisch Teile der Länder und somit nicht — wie bisweilen behauptet wird — „dritte Säule im Staat". Sie genießen aber kraft Tradition durch grundgesetzliche Verankerung (vgl. Art. 28 Abs. 2 GG) das Recht der kommunalen Selbstverwaltung (Autonomie), d. h., es muß ihnen das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze zu regeln (institutionelle Garantie der Gemeinden). Die Selbstverwaltung der Gemeinden darf in ihrem Kern nicht ausgehöhlt werden d. h., der Bestand der Institution „Gemeinden" darf durch die Gesetzgebung nicht beseitigt werden; dies gilt jedoch nicht für den Bestand einer Gemeinde in concreto Gebietsreformen mit dem Ziele eines besseren Zuschnitts der Gemeinden, die gerade jetzt sehr aktuell sind, sind daher als zulässig zu erachten. Zugleich dienen Gebietsreformen auch der besseren (einheitlichen) Ausführung von Bundes-gesetzen, an der in hohem Maße auch die Gemeinden beteiligt sind
Durch die Finanzreform im Jahre 1969 ist eine sog. „Realsteuergarantie" in Art. 106
Abs. 6 GG festgelegt worden, d. h., das Aufkommen der Realsteuer steht den Gemeinden zu, ebenso das Aufkommen der örtlichen Verbrauchs-und Aufwandsteuer (z. B. Getränke-, Vergnügungs-, Hunde-, Jagd-, Fischerei-und Speiseeissteuer). Außerdem steht den Gemeinden kraft Bundesgesetzes mit Zustimmung des Bundesrates ein Anteil an dem Aufkommen der Einkommensteuer (vgl. Art. 106 Abs. 5 GG) und ein von der Landesgesetzgebung zu bestimmender Hundertsatz der Umsatzsteuer (Art. 106 Abs. 7 GG) zu.
Reformbestrebungen:
Die Kommunalen Spitzenverbände streben in folgender Hinsicht eine Stärkung der Stellung der Gemeinden im Staate an: — Mitwirkung der Kommunen im Bundesrat. Eine solche ist aber abzulehnen, da hierdurch die Funktion des Bundesrates als eines Gremiums von Landesministern verändert würde, überdies werden die besonderen Interessen der Kommunen von den Ländern, deren Teile sie sind, wahrgenommen — Beteiligung der Kommunen am Planungsverbund von Bund und Ländern
Dieses Petitum hängt eng mit der Problematik einer gesamtstaatlichen Aufgabenplanung zusammen. Die hiergegen erhobenen Bedenken (vgl. oben VII) gelten auch hier. Im übrigen ist jedoch darauf hinzuweisen, daß die Kommunen in vielfältigen (vertikalen) Bund/Länder-Gremien vertreten sind und dort ihren Einfluß geltend machen können.Mitwirkung der Kommunalen Spitzenverbände an der Bundesgesetzgebung.
iesem Anliegen ist inzwischen durch eine rgänzung der Gemeinsamen Geschäftsordung der Bundesministerien — Teil II — GO II) in der Weise Rechnung getragen orden, daß die Kommunen bei vorbereitenen Entwürfen zu Gesetzen und Rechtsverord-ungen, durch die Belange von Gemeinden nd Gemeindeverbänden berührt werden, frühzeitig einzuschalten sind. Dies gilt insbesondere für die Vorbereitung von Gesetzen.
— Verstärkung der Einnahmequellen der Kommunen, insbesondere durch Beteiligung am (variablen) Steuerverbund der Umsatzsteuer (Art. 106 Abs. 3 GG).
Dieses Petitum der kommunalen Spitzenverbände dürfte kaum eine Realisierungschance haben.
XII. Schlußbemerkungen und Ausblick
Das gegenwärtige System einer Aufgabenver-eilung zwischen Bund und Ländern sowie die n Grundgesetz festgelegte föderalistische Ordung der Bundesrepublik Deutschland haben ich trotz aller Spannungen zwischen Bund nd Ländern im ganzen bewährt. Eine Abchaffung dieses Systems ist nicht nur wegen ler Unabänderlichkeitsklausel des Art. 79 Abs. 3 GG unmöglich, sondern auch deshalb licht anzustreben, weil sich die gegenwärtige inndesstaatliche Ordnung trotz besatzungsechtlicher Einflußnahme auf bewährte Vor-ilder in früheren deutschen Verfassungen berufen kann.
Die Vorteile des Föderalismus 111a) lassen sich wie folgt zusammenfassen:
-Dezentralisierung und Gewaltenteilung 113), damit auch Machtkontrolle
in vertikaler Hinsicht zwischen Bund und Ländern; dadurch Verhinderung einer Zentralisierung, die noch nicht einmal in Einheitsstaaten als wünschenswert angesehen wird (vgl. die Tendenz einer „Regionalisierung“ in Italien, Großbritannien, Frankreich)
— Demokratisierung des politischen Lebens, da der Staatsbürger durch Wahlen auf Bundes-, Länder-und Gemeindeebene stärker mit dem Staat und dessen Schicksal verbunden wird. — Bürgernähe und damit Uberschäubarkeit des staatlichen Lebens
— Förderung der Pluralität
des gesellschaftlichen und staatlichen Lebens.
Bei diesen Vorzügen des Föderalismus müssen die Vielfalt von Behörden und Zuständigkeiten sowie die Existenz von elf Landesregierungen mit entsprechendem Behördenapparat und elf Landtagen in Kauf genommen werden. Auf der anderen Seite sind auch in einem föderativen Staat die legitimen Belange des Gesamtstaates zu berücksichtigen. Diese kommen vor allem in der Gesetzgebung, Verwaltung, Planung und im auswärtigen Bereich zum Ausdruck; sie dienen damit letzten Endes auch dem Staatsbürger. Damit wird das Sozialstaatsprinzip
des Grundgesetzes erfüllt. Der Bund darf jedoch bei der Wahrnehmung seiner Befugnisse nicht den Eigen-bereich der Länder in seinem Kern beeinträchtigen oder beseitigen. Eine moderne Form des Verhältnisses von Bund und Ländern ist der sog. „kooperative Föderalismus“, der sich nicht in einem Gegeneinander, sondern einem Miteinander von Bund und Ländern — unter Wahrung der jeweiligen Eigenständigkeit — äußert. Dadurch wird auch eine Ausgewogenheit zwischen den legitimen Ansprüchen des Bundes und der Länder im Gesamtstaat erreicht. Abschließend sei noch die Frage aufgeworfen, ob nicht das — wie ausgeführt — befriedigend funktionierende bundesstaatliche System der Bundesrepublik Deutschland als Modell für einen in einem späteren Zeitpunkt zu verwirklichenden europäischen Bundestaat
Hansjörg Jellinek, Dr. jur., Ministerialrat im Bundesministerium des Innern; geb. 1919 in Kiel. Veröffentlichungen u. a.: Der automatische Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit durch völkerrechtliche Vorgänge, Köln 1951; Grenzen der Versicherungspflicht auf öffentlichen Straßen, in: Forschungen und Berichte aus dem öffentlichen Leben, Gedenkschrift für Walter Jellinek, München 1955; Zeitschriftenaufsätze zu verfassungsrechtlichen und verfassungspolitischen Fragen, u. a.: Recht und Macht in der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 34/66 vom 24. August 1966; Die Weiterentwicklung des Grundgesetzes durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Jahrbuch des öffentlichen Rechts, NF, Band 16 (1967), S. 183 ff.
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