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Bürger oder Bourgeois? Eine literatursoziologische Studie zu Thomas Manns „Buddenbrooks" | APuZ 22/1975 | bpb.de

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APuZ 22/1975 Artikel 1 Zeitgeschichte und Zeitperspektive Versuch einer didaktischen Ortsbestimmung Leicht gekürzte Fassung eines Vortrages zur Ein-Nttung der Jahrestagung des Landesverbandes 195rhein-Westfälischer Geschichtslehrer am 10. 3. Bürger oder Bourgeois? Eine literatursoziologische Studie zu Thomas Manns „Buddenbrooks"

Bürger oder Bourgeois? Eine literatursoziologische Studie zu Thomas Manns „Buddenbrooks"

Michael Zeller

/ 36 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Das Frühwerk Thomas Manns thematisiert das deutsche Bürgertum zwischen Reichs-gründung und Erstem Weltkrieg. Die vorliegende Untersuchung zu den „Buddenbrooks" geht deshalb von einer Analyse der konkurrierenden Termini „Bürger" und „Bourgeois" aus. Die Begriffe werden einmal in ihrem wechselvollen Gebrauch in Deutschland von der Französischen Revolution her durch das 19. Jahrhundert verfolgt. Diese Perspektive wird durch die synchrone ergänzt, indem die soziologische und kulturkritische Literatur um 1900 auf ihren Bürger/Bourgeois-Begriff hin untersucht wird. Die aus der Begriffsanalyse gewonnenen unterschiedlichen Bestimmungen von „Bürger“ und „Bourgeois" werden einer detaillierten Interpretation der „Buddenbrooks" zugrunde gelegt. Es wird gezeigt, welche gesellschaftlichen Gruppen in dem Roman als „Bürger" dargestellt werden und welche ideologische Position der Autor damit — bewußt und unbewußt — vertritt. Ein Blick in die Geschichte Lübecks während des 19. Jahrhunderts macht deutlich, daß die beiden Familien Buddenbrook und Hagenström eine provinzielle Eigenentwicklung im deutschen Bürgertum repräsentieren, nicht jedoch „das" deutsche Bürgertum, wie es Thomas Mann verstanden wissen wollte. Anhand der „Buddenbrooks" -Interpretation, die Th. Mann in den „Betrachtungen eines Unpolitischen" gibt, kann nachgewiesen werden, wie er versucht, den „Typus" Buddenbrook nun als „Bourgeois" zu definieren, um seine weltanschauliche Orientierungsnot während des Ersten Weltkriegs zu überwinden.

Das bürgerliche Jahrhundert ist das Jahrhundert des unvollkommenen Bürgers F. van der Ven

I. Vorbemerkung

„Buddenbrooks. Verfall einer Familie“, das erste große epische Werk Thomas Manns, ist ein . bürgerlicher'Roman. Das betrifft zum einen das soziale und bildungsmäßige Herkommen des Autors, zum anderen die Schicht, innerhalb derer der Roman spielt: Proletariat und Aristokratie kommen nur als Randphänomene der dargestellten Gesellschaft vor, um das Bürgertum auch an seinen Standesgren-zen Profil gewinnen zu lassen. Der Wahl des bürgerlichen Stoffes liegt weniger eine Eigenmächtigkeit des jungen Romanciers als vielmehr die soziologisch faßbare Tatsache zugrunde, daß das Bürgertum seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland die zentrale Klasse darstellt, „von der aus man die gesellschaftliche Stellung der anderen Gruppen zu begreifen hat"

In welcher Zeit und an welchem Ort siedelt Thomas Mann das Personal von . Buddenbrooks' an? Th. Mann schildert nicht das zeitgenössische deutsche Bürgertum — er arbeitet an dem Roman von 1897 bis 1900—, sondern er greift auf die Vergangenheit zurück (im Gegensatz zu seinem älteren Bruder Heinrich, der, zeitlich parallel zu . Buddenbrooks', in seinem zweiten Roman , 1m Schlaraffenland'

den Berliner Bourgeois der Jahrhundertwende satirisch zeichnet): die dargestellte Zeit in . Buddenbrooks'reicht vom Oktober 1835 bis in das Jahr 1877, wobei der Autor die historische Vorlage seines Stoffes, die Geschichte der eigenen Familie, um rund 15 Jahre vordatiert (Lebenszeit Johann Heinrich Manns:

1840— 1891, Lebenszeit Thomas Buddenbrooks:

1826— 1875). Th. Mann erfaßt in seinem Roman eine bereits historisch gewordene Stufe des Bürgertums, allerdings ist die entscheidende Wende der frühen siebziger Jahre noch dargestellt. Dem entspricht es, daß der 24jährige Autor sich nicht nur auf Selbsterlebtes verlassen kann, sondern archivarische Studien betreiben muß, wenn er das auch noch nicht mit der später für ihn bezeichnen-

en Akribie und Extensität durchführt. Er be-schränkt sich auf briefliche Anfragen an seine lübischen Verwandten (etwa an Elisabeth Mann oder an Wilhelm Marty

Das Romangeschehen von . Buddenbrooks'spielt in der Provinz, in (einem ungenannt bleibenden) Lübeck, wobei Th. Mann jedoch offenbar die Tatsache der Provinzialität seines Ortes nicht hinreichend bewußt zu sein scheint. Lübeck hat sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts von den Folgen der Kontinentalsperre Napoleons politisch und wirtschaftlich nicht mehr erholen können. Die Einschränkungspolitik von Seiten Dänemarks und nicht zuletzt die immer mächtiger werdende innerdeutsche Konkurrenz von Stettin, dann — nach dem Bau des Nordostseekanals — von Hamburg hatte den Ostseehafen wirtschaftlich weiter ins Hintertreffen gebracht;

1867 betrug die Einwohnerzahl der Stadt keine 50 000 mehr. Im Anschluß Lübecks an den Norddeutschen Bund und den Zollverein (unter der Hegemonie Preußens) und schließlich in seiner Integration im Deutschen Reich — verbunden mit dem Verlust der Eigenstaatlichkeit — dokumentierte sich auch politisch der Abstieg der einstigen Handelsmetropole zu einer deutschen Mittelstadt unter anderen. Dieser Verfall, der in die Jahre der , Budden-brooks'-Handlung fällt, mochte bewußtseinsmäßig noch nicht bei den Einwohnern Lübecks durchgedrungen sein, zumal nicht bei dem jungen Th. Mann, der die Fakten selbst nicht hinreichend kannte. Er mußte sie erst bei der Niederschrift des Romans recherchieren. So notierte er als Frage in ein Notizbuch, in dem er Material zu seinem ersten Roman zusammentrug: „Lübecks Handelspolitik von 1830— 1870. Ob und wann im Zollverband oder Freihaven, oder eigener Stadtzoll"

Ziel dieser Untersuchung ist es, zu zeigen, inwieweit und in welcher Form sich das Zeitge-schehen um 1900 in Thomas Manns Roman nachweisen läßt: an dem konkreten Fall von . Buddenbrooks’ soll die Komplexität von Gegenwartserfassung und -Verarbeitung in einem poetischen Text sichtbar gemacht werden. Es kann dabei nicht unsere Absicht sein, die geistige und ästhetische Autonomie eines Dichtwerks in seiner Zeitbedingtheit streng deterministisch aufgehen zu lassen. Wohl aber soll diese Autonomie durch den Aufweis von Zeittendenzen und Gegenwartsströmungen, die einem Autor, zumal einem jungen, möglicherweise unabhängig von den ideellen Absichten seines Werks bei der erzählerischen Konkretion miteingeflossen sind, aus der Sphäre eines nicht weiter ableitbaren Individualbegriffs entrückt werden: Der Roman . Buddenbrooks'ist aus seiner für den heutigen Leser — ästhetischen Abgeschlossenheit und an zu befreien die zeitgenössischen Vorstellungen seiner Entstehungsjahre anzuschließen. Wir versuchen, die „Dokumentschicht“ des Romans bloßzulegen; darunter ist der Sinngehalt eines Werkes zu verstehen, der nur über die Vergegenwärtigung der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Verhältnisse seiner Entstehung seines einstmals aktuellen, heute historischen Umkreises zu ermitteln ist.

In diesem Sinn strebt die Studie eine wechselseitige Erhellung von Romangeschehen und Zeitgeschehen um 1900 an. Ihr liegt die Zuversicht zugrunde, die einer der bahnbrechenden Literatursoziologen in Deutschland, Leo Löwenthal, formulierte, daß sich die „imaginären Gestalten der Dichtung mit der spezifischen Situation, der sie entstammen", zueinander in Beziehung setzen lassen

Die epische Gattung erweist sich für diese Fragestellung geeigneter als die Lyrik oder das Drama, da sich in ihr das „Problem der Korrespondenz zwischen dem literarischen Werk und der Wirklichkeit, die es nachahmt", am eindringlichsten stellt Der Roman ist die Form, die ästhetisch am wenigsten selbstgenügsam ist, weil ihre Sprache stärker als die anderer literarischer Formen „Verweisungscharakter" hat Nach Ian Watt hat der Roman als ein tendenziell „vollständiger authentischer Bericht über menschliche Lebenserfahrung" die „Pflicht", dem Leser „solche Einzelheiten der Geschichte zu liefern, die ihn über die Individualität der agierenden Personen und die Besonderheit von Zeit und Ort ihrer Handlung informieren"

dient Als methodischer Ansatz uns dabei der in der Gesellschaftstheorie schillernde Begriff des „Bürgers" in Opposition zu dem des meist polemisch verwendeten „Bourgeois". Welchen sozialhistorischen Tatbestand erfassen die beiden Termini in Th. Manns Roman? Es gilt deshalb im Folgenden, „den" Bürger bzw. „den" Bourgeois in seinen verschiedenen Erscheinungsformen aus der epischen Gestaltung von . Buddenbrooks" herauszupräparieren und ihn, vielleicht über Kenntnis und Absicht des Verfassers hinaus, zu messen an der konkreten Wirklichkeit, an seiner Erscheinungsform in Deutschland um 1900, zur Zeit der Niederschrift des Romans. Dazu ist zunächst ein kurzer historischer Abriß der Begriffe „Bürger" und „Bourgeois" notwendig, um den weltanschaulichen Hintergrund der Jahrhundertwende andeutungsweise wiederherzustellen, um das Gespinst von unausgesprochenen Wertvorstellungen und Bedeutungsnuancen aufzulösen, das sich um 1900 sei es bewußt, sei es assoziativ, über die beiden Begriffe gelegt hatte.

II. . Bürger'und . Bourgeois'in historischer Sicht

Die Dimension des Geschichtlichen ermöglicht es oft erst, den Tatbestand einer jeweiligen Gegenwart verständlich und einsehbar zu machen, indem man ihn nach rückwärts verlängert und Schicht um Schicht seine historische Vergangenheit offenlegt: dabei erst mag an dem Gegenstand mehr in den Blick geraten und sich dem Verständnis erschließen als seine in der Aktualität isolierte Erscheinung. Die Begriffs-Geschichte dagegen, zumal im politischen Bereich, vermittelt nicht selten einen gegensätzlichen Eindruck: Hier fächern sich Phänomene, die sich für den aktuellen Gebrauch auf eine bestimmte Bedeutung abgeschliffen haben, beim Rückwärtsgehen in ein unübersehbares Spektrum von Definitionsansätzen auf, in denen die sozialen Verhältnisse vergangener Zeiten und ihre intellektuelle Abspiegelung im Begriff aufgehoben sind. Schwierig ist es, den Weg zu rekonstruieren, der zu der heutigen eindimensionalen Bedeutung führte, und die Stationen seines Werdens abzuschreiten. Dennoch läßt sich der beschwerliche Ausflug in die Geschichte nicht vermeiden, wenn man die Nuancen und subtilen Wertungen, die polemischen Untertöne, die Rechtfertigungsbemühungen, die sich um einen inhaltlich eindeutig gewordenen Begriff ablagern, erfassen will.

Die Geschichte des Begriffs . Bürger'vom Mittelalter bis heute kann hier nicht gegeben werden, das ist bereits von kompetenter Seite geschehen Es seien hier nur kurz die Marken angegeben, an denen sich in Konkurrenz zu . Bürger'der Gegenbegriff des . Bourgeois'herausbildete. „Das Wort Bürger hat im Deutschen mehr Würde als das französische bourgeois", schreibt 1792, als Reflex auf die Französische, die „bürgerliche" Revolution, der „Popularphilosoph" der deutschen Aufklärung, Christian Garve. „Und zwar deswegen hat es mehr, weil es bei uns zwei Sachen zugleich bezeichnet, die im Französischen zwei verschiedene Benennungen haben. Es heißt einmal ein jedes Mitglied einer bürgerlichen Gesellschaft, — das ist das französische cilo-yen; — es bedeutet zum andern den unadligen Stadteinwohner, der von einem gewissen Gewerbe lebt, — und das ist der bourgeois."

In diesem vergleichsweise frühen Zitat werden bereits die zwei Momente im Bürger-Begriff herausgehoben, die die Auseinandersetzung bis ins 20. Jahrhundert hinein bestimmen sollten: die inhaltliche Überlastung des Begriffs und seine affektive Besetzung, seine Wertgeladenheit. In der modernen Definition von . Bürger'fließen in Deutschland zwei Bestimmungen zusammen, die ganz verschiedene Tatbestände mit je eigener Tradition abdecken: 1. . Bürger'meint zum einen, von der mittelalterlichen Ständeordnung herkommend, den Stadtbewohner, und zwar den ratsfähigen, den Inhaber des „Bürgerrechts". . Bürger'ist man durch Teilhabe am „Commercium", d. h., wenn man das Erwerbsrecht durch Handwerk, Handel, Kauf-und Marktrecht erhalten hat. . Bürger'ist mithin ein Rechtstitel, der aufgrund einer wirtschaftlichen Qualifikation, der Fähigkeit, sich „bürgerliche Nahrung“ zu verschaffen, ausgegeben wird. Er ist regional begrenzt, denn er gilt nur innerhalb einer bestimmten Stadt, und er kann nur so lange gelten, als die Stadt oberste politische Einheit ist, also in (im modernen Sinn) vorstaatlichen Zeiten, wie etwa im Mittelalter.

2. Dieser Bürgerbegriff wird in dem Moment zu eng und damit unzureichend, die politischen Tatbestände zu decken, als größere staatliche Organisationformen die Stadt übergreifen und damit ein umfassenderer Bürger-Begriff notwendig wird. „Der Staat, nicht mehr die Stadt ist der Lebensraum des bestimmenden politischen Geschehens, die entscheidende politische Gemeinschaft. Mit dieser an sich für gewöhnlich unmerklichen Wandlung wandelt sich ebenso unmerklich der Begriff . Bürger'vom Stadtbewohner zum Staatsangehörigen."

Der Begriff . Bürger'erfährt eine inhaltliche Ausweitung, als er die Bestimmung eines allgemeinen und gleichen Untertanenverhältnis, ohne Unterschied des Standes, im absolutistischen Staat zu erfassen hat. Hierfür tritt im späten 18. Jahrhundert eine Lehnschöpfung aus dem Französischen ein: der . Staatsbürger'(zuerst belegt 1789 in Wielands . Teutschem Merkur'). „Da . Bürger'ohne Zusatz allgemein . Bürger einer Stadt'bedeutete, übersetzte Wieland , citoyen'mit . Staatsbürger'" Damit wird für den politisch neuen Tatbestand auf einen durch Tradition geadelten, klangvollen Namen zurückgegriffen. Die Antike wird mit ihm beschworen, die Erinnerung an den Ehrentitel des Civis Romanus, und so wie sich Marc Aurel als römischer Bürger fühlte, so soll auch der Monarch sich — idealiter! — als „erster Bürger seiner Nation" begreifen Bei Fichte heißt es 1806 entsprechend, unter Bezugnahme auf den Artikel 1, 7 der französischen Deklaration von 1793 (Le peuple souverain est Tuniversite des citoyens franqais): „So sind .. . keineswegs die Regierenden der Staat, sondern sie sind Mitbürger desselben, so wie alle übrigen: es gibt im Staate überhaupt keine Individuen außer Bürgern." Zu dieser idealisierend-abstrakten Bestimmung trug — neben der Französischen Revolution — in Deutschland vor allem die Wandlung der Militärmacht in den Befreiungskriegen zum „Volksheer" bei, in dem jeder Ansehen der -ohne seines Standes „natio nalen Sache" diente

In der Anwendung des Begriffs . Staatsbürger'auf den Untertanen im absolutistischen Staat wird bereits um 1800 die Wertgeladenheit des Begriffs . Bürger'in Deutschland sichtbar, die in ihm ruhende Tendenz, verklärend rückwärts zu schauen auf gesellschaftlich völlig andersgelagerte Fälle (antiker Polis-Gedanke, mittelalterliche ständische Ordnung): Die faktische Unfreiheit der Person in einem auf Gottesgnadentum gegründeten Fürstenstaat wird hinter einem mühsam hergestellten anachronistischen Traditionszusammenhang verborgen. Doch damit sind die Verbindungen zwischen dem alten ständischen Bürger-Begriff und dem neuen . Staatsbürger'noch nicht erschöpft: dem Staatsbürger werden neben dem alten Namen auch inhaltliche Bestimmungen des Standesbegriffs beigegeben, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu folgenschweren ideologischen Kämpfen führen sollten. So übernimmt Kant etwa die wirtschaftliche Grundlage in den neuen Begriff mit hinein. Die zum Staatsbürger „erforderliche Qualität ... außer der natürlichen (daß er kein Kind, kein Weib sei)", umfaßt die Definition, „daß er sein eigener Herr (sui iuris) sei, mithin irgend ein Eigentum habe ..., welches ihn ernährt" (Kant kann sich dabei übrigens auf die französische Konstitution von 1791 berufen, die noch zwischen „citoyen ac-tif" und „citoyen passif" unterscheidet; ein „citoyen actif" mußte volljährig, ansässig, beeidigt sein und eine Kontribution zahlen können, die dem Wert von drei Arbeitstagen entsprach. Erst 1793 fällt dieser Eigentumsanspruch fort). Da jedoch zu gleicher Zeit die Privilegien des Stadt-Bürgers, vor allem durch Einführung der Gewerbefreiheit wegfiel, und dadurch der Unterschied zwischen Stadt-und Landgemeinde eingeebnet wurde, gingen die wesentlichen Bestimmungen dieses Begriffs auf den neuen Staatsbürger über. Der (Stadt-) „Bürger" verlor zwar wirtschaftliche und politische Rechte, die ihm jedoch als „Staatsbürger" später wieder zu-wuchsen. Der Eigentumsgedanke wurde bruchlos auf ihn übertragen.

Damit sich zwischen hatte die Antinomie dem Standesbegriff, der an den Besitz gebunden war, und dem als allgemein postulierten Staatsbürger-Begriff („Der Staat ist die Summe aller Bürger einschließlich der Regierenden") nur verlagert, nicht aufgehoben. Die Universalität des Staatsbürgers war nur ein Postulat, eine begrifflich-abstrakte Setzung, sie wurde in der gesellschaftlichen Realität nicht eingelöst. Die Tendenz zur Universalität, die dem Bürger-Begriff beigelegt wurde, läßt sich bis in den Sprachgebrauch hinein verfolgen: die Steigerungsfähigkeit des Adjektivs „bürgerlich" (sehr bürgerlich, bürgerlicher, bürgerlichst) reicht nach W. Meschke bis ins 19. Jahrhundert zurück „Der Anteil an den Staatsbürgerrechten (politische Wahlfähigkeit) war durch die Zugehörigkeit zu bestimmten Ständen, durch die Höhe des Vermögens (Zensuswahlrecht) und die Zugehörigkeit zu einer der drei christlichen Konfessionen bedingt. Das deutsche Staats-bürgertum war ... eine Mischung von ständischen, wirtschaftlichen, konfessionellen Elementen und somit auf eine geringe Zahl von Staatsangehörigen beschränkt"

Diese Polarität zwischen partikularem Klassen-und allgemeinem Staatsbürgerbegriff war nicht zu übersehen, und man strebte deshalb eine Trennung an. In der Theorie des konservativen Staatsdenkers der Romantik, Adam Müller, wurde die moderne „Allerweltsbürgerlichkeit", die — in gut idealistischer Verkehrung von Ursache und Wirkung — für Industrialisierung und Kommerzialisierung des Lebens im frühen 19. Jahrhundert verantwortlich gemacht wurde, gegenübergestellt dem rückwärtsgewandten, ständischen Gesellschaftsideal des „altdeutschen Bürgergeistes" im Mittelalter, dieser durch Tradition geheiligten, feste Grenzen ziehenden Institution. Bei Adam Müller fallen begrifflich zum ersten Mal der moderne . Bürger', wie er real existiert, und der „eigentliche" . Bürger’, so wie er einmal angeblich war und immer sein sollte, auseinander. Bei dieser Idealisierung blieb völlig unberücksichtigt (Marx behauptete dann später: wurde bewußt unterschlagen), daß das Goldene Bürgerzeitalter nur für eine kleine, durch Besitz ausgezeichnete Gruppe gelten konnte und damit gegen den Anspruch der Universalität verstieß. Diese rückwärts gewandte Idealisierung zerstörte dann Karl Marx mit aller Energie, indem er die latenten Spannungen des Bürger-begriffs aufbrach und neben den , Bürger'den Bourgeois’ stellte, den er mit einem deutlichen Unwertakzent versah: . Bourgeois'als Mitglied der „besitzenden Klasse". Der Begriff . Bürger', als dreifacher „Bedeutungsträger" (Stadt-Bürger, Staats-Bürger, Besitz-Bürger) historisch überladen und als soziologischer Terminus unbrauchbar geworden, wird von Karl Marx vereinfacht, um für die gesellschaftliche Analyse wieder verwendet werden zu können: der Stadt-Bürger wird als geschichtliches Relikt ausgegrenzt; er faßt im 19. Jahrhundert keine konkrete Wirklichkeit mehr. Der Besitz-Bürger wird als . Bourgeois'bestimmt, der Staats-Bürger bleibt bestehen als alle gesellschaftlichen Gruppierungen übergreifender Sammelbegriff in einer staatlichen Organisation (in dem Sinn, wie . Bürger'heute als neutraler Rechtsbegiiff verwendet wird, während alle Klassenspezifika des einstigen . Bürgers'von dem . Bourgeois'bzw.dem . Bürgerlichen'abgedeckt sind). Marx faßt die Dissonanzen, die '„zwischen dem Kaufmann und dem Staatsbürger, zwischen dem Tagelöhner und dem Staatsbürger, zwischen dem lebendigen Individuum und dem Staatsbürger" bestehen und führt sie auf die konkreten Besitzverhältnisse in seiner Zeit zurück. Er rekurriert dabei bewußt auf das französische Wort . Bourgeois’, weil ihm die deutsche Entsprechung . Bürger'zu positiv, zu wertträchtig klang, als daß sie zu einer pole-mischen Auseinandersetzung mit dem Bürgertum getaugt hätte — war zudem . Bürger'ja auch, als Entsprechung zum . Citoyen'der Französischen Revolution, Anredeform in den Arbeitervereinen und selbst noch beim Gründungskongreß der II. Internationale 1899

Genau diese Begriffsstrategie durchschaute auch der . bürgerliche'Historiker und Apologet eines formalen Staatsbürgerbegriffs, Heinrich von Treitschke, wenn er schreibt: „Während die deutsche Literatur zu allen Zeiten, wo sie Großes wirkte, sich mit warmem Herzen an unser Bürgertum wandte, überschütteten die Schriftsteller des Jungen Deutschland’ mit giftigem Hohne die , bourgeoisie'— denn zu einem Schimpfworte wollte der Ehrenname Bürgerthum’ doch nicht werden" Und 1851 stellt der Kulturhistoriker Wilhelm Heinrich Riehl treffend fest, man hätte sich den Begriff . Bürger’ „als . Bourgeoisie’ erst ins Französische übersetzt, um dann, ohne zu erröten, den Kampf gegen dasselbe beginnen zu können" Man sieht hier deutlich, wie sowohl von sozialistischer wie von traditionalistischer Seite her in gleicher Weise die Wertaura, die den . Bürger’ umgibt, in Rechnung gestellt wird und jeder auf seine Weise damit politisch arbeitet. Wie stark die Begriffe , Bürger'/, Bourgeois'bis in die heutige Gegenwart hinein affektiv besetzt sind, zeigt ein. Satz aus der Regierungserklärung des Bundeskanzlers Willy Brandt vor dem Deutschen Bundestag vom 18. Januar 1974: „Wir wollen den Bürger, nicht den Bourgeois"

III. Vergegenwärtigung des Fernen: Thomas Manns Bürgerideal

1. Der Begriff des Bourgeois in . Buddenbrooks'

Der Begriff . Bourgeois’ wird in . Buddenbrooks’ von Thomas Mann noch ohne polemische Untertöne, gleichsam unschuldig, verwendet. Morten Schwarzkopf, Sohn des Tra-vemünder Lotsenkommandeurs und angehender Arzt, bezeichnet sich als Angehöriger der „Bourgeoisie, des dritten Standes" (101, 103) 28). Diese Formulierung ist anachroni-* H. Bartholmes (Anm. 8), S. 120. stisch, sie weist zurück auf die französische Revolution, denn inzwischen — im Deutschland um 1850 — hat sich die Auseinandersetzung um die Vorherrschaft im politischen Leben auf die beiden „Stände" Adel und Bürgertum zugespitzt, wobei der Begriff „Bürgertum"

selbst keine einheitliche soziologische Größe darstellt. So sind etwa die besonderen Verhältnisse einer Freien Hansestadt (Lübeck)

in Rechnung zu stellen, wenn Morten Schwarzkopf behauptet, daß Buddenbrook und Schwarzkopf, obwohl beide formal „Bourgeois", in der gesellschaftlichen Wirklichkeit ein „Abgrund" trennt (101, 105). Das Patriziat des Stadtstaats Lübeck bildet de facto eine Aristokratenschicht und ist funktional vom preußischen Junkertum nicht zu scheiden:

„Sind bei uns [in der Freien Hansestadt] etwa die Menschen freier, gleicher, brüderlicher als in Preußen?" (101, 105). Der Medizinstudent deckt damit auf, daß die Verwendung des Begriffs . Bürger'im Munde Thomas Buddenbrooks — und auch seines Autors! — ein Understatement ist, das bewußt oder unbewußt die eigenen Privilegien verschleiert. Es meint den alteingesessenen, besitzenden und damit ratsfähigen Großkaufmann. Dieser Anspruch wird mit dem Elitebegriff einer statischen Gesellschaftsvorstellung legitimiert:

„Bürger" kann man nicht aufgrund individueller Leistung werden, „Bürger" muß man sein, d. h. man wird als „Bürger" geboren.

Thomas Buddenbrook klagt in diesem Sinn über die Demokratisierung des (lübischen) Senats (die sein Vater Johann 1848 noch zu verhindern mithalf) und stellt dabei fest: „kaufmännische Tüchtigkeit tut es doch nicht ganz, meiner Meinung sollte man nicht aufhören, ein wenig mehr zu verlangen" (101,, 506). Dieses „ein wenig mehr" zu rationalisieren, versagt sich Thomas Buddenbrook, es wird ihm ivon seinem „Stilgefühl" (101, 506) diktiert, wobei sich die Nonchalance des aristokratischen Ästhetizismus als ängstliche Verteidigung eines sozialen Privilegs entlarvt. Thomas Buddenbrook mobilisiert den zeitlosen Formelvorrat konservativen, kulturpessimistischen Denkens (sinkendes „Niveau" im Senat, Verletzung des „Geschmacks", des „Stils"

101, 506), um den eigenen konkreten sozialen Vorsprung (ökonomischer, kommunalpolitischer Art) zu 'wahren. Die Herrenästhetik erweist sich dabei deutlich als „uneigentlich":

die „großen Füße" und das „Bootsmannsgesicht" des Alfred Lauritzen (101, 506) sind keine Ästhetika, sondern sie dienen vielmehr als Argument im Kampf gegen den politischen Rivalen, wobei dieser „eigentliche"

Aspekt bewußt unterschlagen wird: im Namen von „Stil" und „Geschmack" wird handfeste Interessenpolitik ausgetragen.

Wir sehen hier, daß die ethische Aura des Bürgerbegriffs, von der bei seiner historischen Sichtung die Rede war, speziell bei Thomas Mann sehr stark mit irrational-ästhetischen Momenten besetzt ist, ja daß das in der deutschen Klassik neubelebte Menschheitsidealder Kalokagathie hier eindeutig auf die eine Schicht des Bürgertums eingeschränkt wird. Mit der Strategie, das Bürgerliche zum Menschlichen kat exochen zu steigern, lassen sich mühelos alle unbürgerlichen Züge (seien sie adliger, vor allem aber proletarischer Herkunft) als humaner Mangelzustand begreifen. Thomas Mann übernimmt die Rechtfertigungsideologie des deutschen Bürgertums im ausgehenden 19. Jahrhundert weitgehend unbewußt; sie hat sich für ihn, der 1875 in ein bereits konsolidiertes Bürgertum hineingeboren wird, wie für seinen Helden Thomas buaaenorook zu einem „bürgerlichen Instinkt" vertieft (101, 500), sie ist zu einer zweiten Natur geworden. . Bourgeois'und . Bürger'werden von dem Autor der . Buddenbrooks'mithin nicht als soziologische Kategorien verwendet. . Bourgeois'steht noch unbefangen gleichwertig als französische Übersetzung von . Bürger'neben seiner deutschen Entsprechung, frei von Unwertakzenten, die Treitschke und Riehl herausgespürt hatten. Gleichwohl reichen beide Begriffe nicht aus — die Figur des Morten Schwarzkopf macht das deutlich —, um einen konkreten gesellschaftlichen Tatbestand zu erfassen. So ist es etwa schwer vorstellbar, daß sich Thomas Buddenbrook je als . Bourgeois'bezeichnet hätte, denn im Wort . Bürger'bleibt die historische Dimension der mittelalterlichen Stadtstaatoligarchie aufgehoben. Sie schwingt immer mit, und zwar nicht zufällig, sondern bewußt intendiert, wenn ein Buddenbrook sich . Bürger'nennt. Dies ist ein Reflex auf die gesellschaftliche Wirklichkeit von Lübeck, die Thomas Mann mitlebt, ohne sich ihrer bewußt zu werden. Auch in der lübischen Verfassung von 1848 ist die Unterscheidung von „Bürger" und „Einwohner“ noch gewahrt. Das volle Bürgerrecht, d. h. aktives und passives Wahlrecht innerhalb ihres Standes, haben Gelehrte, Kaufleute, „Krämer", Gewerbetreibende und Landleute. Die zahlenmäßig starke, politisch aber nicht repräsentierte Gruppe der „Einwohner" umfaßt jede Art von Abhängigen (Angestellte, Gesellen usw.). Johann Buddenbrook als Vertreter des „ständischen Prinzips" hat sich also in der geschichtlichen Wirklichkeit gegenüber Hinrich Hagenström durchgesetzt, der für ein „allgemeines Wahlrecht" eintrat (101, 133) 2. Die . Buddenbrooks'-Interpretation in den . Betrachtungen eines Unpolitischen 1 In der schweren weltanschaulichen Krise zur Zeit des Ersten Weltkrieges, die in den . Betrachtungen eines Unpolitischen'ihr Dokument findet, versichert sich Thomas Mann seines etwa 15 Jahre zurückliegenden Ro mans: er interpretiert . Buddenbrooks', indem er die darin dargestellte soziale Schicht ar dem Begriffspaar . Bürger/Bourgeois'mißt. E ist erstaunlich zu sehen, wie schwer siel auch der mittlerweile 40jährige Autor noc tut, den gesellschaftlichen Zustand seiner Ze zu erfassen, und er liefert auf wenigen Seite den Beweis, daß seine kokettierende, fünfmvariierte Entschuldigung, er habe die »Verwandlung des deutschen Bürgers in den Bourgeois" „ein wenig“, „gewissermaßen", „fast" „verschlafen", nur zu Recht besteht (116, 104 ff.). Der Bourgeois-Begriff hat zwar gegenüber seiner Verwendung in . Buddenbrooks'an Unschuld verloren, und Thomas Mann hält nun die dort praktizierte Ineinssetzung von Bürger'und . Bourgeois'für einen „Literaten-unfug" (116, 101). Doch selbst während des Weltkriegs noch verweigert er eine klare begriffliche Trennung und behilft sich damit — wie so oft in Fällen gedanklicher Not —, den Gegensatz in einem Paradoxon aufgehen zu lassen und damit einer klaren Stellungnahme auszuweichen.

Auch in den . Betrachtungen eines Unpolitischen'bleibt die Wertung des . Bourgeois'in der Schwebe:

1. Einerseits ist der . Bourgeois'die „kapitalistisch-imperialistische" „Verhärtung" des „Bürgers", der „harte Bürger" (116, 102), der „modem-kapitalistische Erwerbsmensch" (116, 108), der „große Amusische, Engherzige und auf Nützlichkeit Bedachte" (116, 100). Thomas Mann kann die moderne Erscheinungsform, in der sein an der Vergangenheit orientiertes und als überzeitlich postuliertes Bürgerideal nach der Reichsgründung in Deutschland konkret geworden ist, nicht leugnen. Und wenn er auch die Geburt des . Bourgeois'„verschlafen" haben will, so nimmt er ihn doch jetzt, am Ende des Kaiserreichs, als solchen in den Blick und benennt ihn.

2. Neben dem amusischen „harten Bürger“ ist der . Bourgeois'zugleich aber auch die „modem-heroische Lebensform und -haltung des überbürdeten und übertrainierten Leistungsethikers“ (116, 107, Hervorhebung Thomas Manns), ist der . Bourgeois'— Thomas Buddenbrook! Wieder versucht Thomas Mann, ein Gegenwartsphänomen durch Rekurs auf die Geschichte zu erklären. Hatte er 1900 bei der Konzeption der . Buddenbrooks'auf das zweite und dritte Drittel des 19. Jahrhunderts zurückgegriffen, um sein damaliges Bürger-ideal episch Gestalt werden zu lassen, so scheut er in den . Betrachtungen eines Unpolitischen nicht davor zurück, den Bürgertypus von 1914 von seinem Romanhelden her, den er 1875 sterben läßt, zu erklären. Hier dient Geschichte nicht mehr dazu, das Verständnis der Gegenwart zu vertiefen, sondern vor diesem Verständnis auszuweichen. Auch 1915/18 noch will Thomas Mann den . Bourgeois'als eine positive moderne Spielart des . Bürgers'

retten. und damit sein eigenes „Verschlafen“

Meder relativieren. Bezeichnenderweise führt omas Mann als Illustration dieses Bour-geols'-Typus Thomas Buddenbrook an und nicht die scheinbar näherliegende Gestalt des Hermann Hagenström, den „Aufstiegsbürger, den Neuankömmling, Aufkäufer und Nachfolger“; dieser sei nur „flüchtig und ohne daß ich an diesem Gegentyp in irgendeinem Sinne sonderlich teilgenommen hätte", entstanden (116, 104).

Die Entscheidung, wer denn nun der wahre zeitgenössische deutsche Repräsentant der . Bourgeoisie'sei — der entseelte „harte Bürger" oder der asketische „Leistungsethiker" — sie bleibt in den . Betrachtungen eines Unpolitischen'offen, sie muß offenbleiben, denn um den „neuen Bürger" als „politisch-wirtschaftliche Erscheinung" einzuordnen, reichen „weder meine Sympathie noch meine Kenntnis" (116, 107) aus. Immerhin, gegenüber den . Buddenbrooks'ist der Begriff . Bourgeois'in den . Betrachtungen eines Unpolitischen'differenzierter, wirklichkeitsbezogener geworden. Den Abstand zwischen dem über-zeitlichen Ideal des . Bürgers'und seiner konkreten zeitgenössischen Erscheinungsform kann auch Thomas Mann nicht länger übersehen, doch wird der Bürger-Begriff der . Buddenbrooks'durch das formale Prädikat „Leistungsethiker" eher tendenziös als vorurteilsfrei den gesellschaftlichen Verhältnissen während des Kaiserreichs angepaßt: das von der Gegenwart widerlegte Ideal des . Bürgers'wird zwar relativiert, aber nur halben Herzens (ohne „Sympathie" und „nähere Kenntnis"): den „harten Bürger" kann Thomas Mann nicht mehr leugnen, doch er gilt im Grunde immer noch nicht für ihn. Er läßt sich weder durch den Ersten noch durch den Zweiten Weltkrieg durch die historische Tatsache, daß das Bürgerideal von 1848 von der Wirklichkeit nicht eingelöst worden ist, sondern zum . Bourgeois'depraviert ist, von seiner Vorstellung abbringen. Thomas Mann „bagatellisiert die objektive geschichtliche Entwicklung" zugunsten seines Ideals

Auch in den . Betrachtungen eines Unpolitischen'mutet sich Thomas Mann noch keine Unterscheidung zu in den . Bürger'(als idealistischen Wesensbegriff) und den . Bourgeois'

(als Klassenbegriff). Er versucht immer noch, Ideal und Wirklichkeit auf Kosten der letzteren zu versöhnen. Thomas Mann hätte sich den Vorwurf politischen „Verschlafens" ersparen können, wenn er die ins Visier des „Zivilisationsliteraten" geratene moderne Spielart des Besitzbürgers mit der Bezeichnung . Bourgeois'versehen und von dem „reinen" Typus abgehoben hätte. Thomas Mann wählt den mühsameren, weil widerspruchsvollen Weg, wobei er sich aber — auf dem • Stand der . Betrachtungen eines Unpolitischen'— den kritischen Einblick in die politischen Zusammenhänge seiner Zeit weiterhin verstellt. So versucht er auch den . Bourgeois'

noch zu retten, indem er ihn zu Thomas Buddenbrook in Beziehung setzt und diesen als Repräsentanten der . Bourgeoisie'ausgibt.

Diesen Versuch einer begrifflichen Scheidung unternimmt 1933 der Staatsrechtler Rudolf Smend. Smend, der das Ideal eines „dem Staat sittlich verpflichteten Bürgers" erneuern will, trennt konsequent von einem überzeitlich verstandenen Bürger-Ideal die gegenwärtige Erscheinungsform des Bourgeois als Depravation ab und schlägt alle Negativa auf dessen Seite. Smend charakterisiert den . Bourgeois'als den „rechenhaften Egoisten der kapitalistischen Zeit, der unfähig ist zu Liebe und Wagnis, zu Schönheit und innerer Lebendigkeit", einen Menschen, „von dem für den schöpferischen Aufbau einer lebendigen neuen Welt nichts zu hoffen ist" Den . Bourgeois'gibt Smend auf, um so eindringlicher hofft er auf den . Bürger', wie noch 1974 Dolf Sternberger, der an dem Bürger-Begriff in seinem „uralten, klassischen Sinne" festhält, jenseits des „bloßen Rechtsbegriff(s) wie (des) bloßen Klassen-begriffs" 3. Werner Sombarts , Bourgeois‘-Kriterien und die Figur der Hermann Hagenström Warum versagt es sich Thomas Mann, die scheinbar geeignete Gestalt des Hermann Hagenström als Ausweis für seine kritische Auseinandersetzung mit dem politisch diskreditierten Bourgeois’ in Anspruch zu nehmen?

Anstelle des vorsichtigen Autors war es Georg Lukäcs, der den Gegensatz von . Bürger'und . Bourgeois'in . Buddenbrooks'gestaltet sehen will. Lukäcs, der Thomas Manns antizipatorische Kraft eher zu hoch veranschlagt, führt den im Roman sichtbar werdenden Gegensatz zwischen Thomas Buddenbrook und Hermann Hagenström genau auf das Zeitgeschehen der Reichsgründung von 1870/71 zurück: hier — noch —-der Bürger Buddenbrook, dort — schon — der Bourgeois Hagenström. Lukäcs geht noch weiter, wenn er Rathenau, Max Weber und Troeltsch als den „führenden Soziologen unter den Zeitgenos-sen Thomas Manns" vorwirft, sie hätten versucht, den „Hagenströmschen Weg moralischkulturphilosophisch zu buddenbrookisie.

ren‘" Es sind nun aber gerade diese Soziologen (M. Weber, Troeltsch, Sombart), auf die sich der Thomas Mann der . Betrachtungen eines Unpolitischen'beruft, um zu betonen, daß sein Thomas Buddenbrook „nicht nur ein deutscher Bürger, sondern ein moderner Bourgeois"

sei (116, 108).

Zur Lösung dieses Widerspruchs zwischen Autor und Interpret bietet sich der Versuch an, die Typologie des . Bourgeois', wie sie Werner Sombart entworfen hat, auf die Figur des Hermann Hagenström anzuwenden, um zu sehen, inwieweit sie davon erfaßt wird. Sollten sich der „Hagenströmsche Weg" und die Sombartsche Typologie nicht treffen, so entfiele auch der Vorwurf des „Buddenbrookisie-

rens", den Lukäcs erhebt. Diese Feststellung gilt natürlich nur für den eingeschränkten Bereich der uns hier allein interessierenden Buddenbrook-Analyse, nicht in einem weiteren ideologiekritischen Sinn

Sombart setzt in seiner historischen Ableitung der wirtschaftlichen Organisationsformen Westeuropas drei Phasen an: den Vor-, Früh-und Hochkapitalismus. Den allein für uns in Betracht kommenden Übergang vom Früh-zum Hochkapitalismus datiert Sombart für Deutschland um das Jahr 1800, doch erst ab 1850 kommt der „kapitalistische Geist" voll zum Tragen (Hermann Hagenström übernimmt die Firma seines Vaters 1851, Thomas Buddenbrook 1855). Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts vollzieht sich das Wirtschaften innerhalb eines ausbalancierten, statischen Systems. Es besteht ein fester, umgrenzter Kundenkreis: das Abwerben von Käufern, das Unterbieten des Preises, vor allem aber die Eigenwerbung für das hergestellte oder vertriebene Produkt gelten als unseriöse Praktiken, als Zeichen geschäftlicher Unsolidität. Das Betriebspersonal ist hierarchisch gegliedert. Auf technische Neuerungen wird bewußt verzichtet, wenn dadurch zu viele Arbeiter ihr Einkommen zu verlieren drohen, über das Prinzip der Bedarfsdeckung des Einzelnen hinaus — abgestuft nach einer festgefügten „Standesgemäßheit" — wird nicht gewirtschaftet. Ab 1800 verändern sich in Deutschland diese Produktionsverhältnisse, die bis dahin in den überschaubaren Bedürfnissen Einzelner ihre Grenze hatten. Das soziale Gefüge und mit ihm die wirtschaftliche Tätigkeit werden dynamisiert. In Produktion und Handel entfaltet sich die Erwerbstätigkeit frei und ungehemmt, ihr Rhythmus bestimmt sich nun allein durch die ökonomischen Sachzwänge und nicht mehr durch außerwirtschaftliche Rücksichtnahmen, seien sie gesellschaftspolitischer, ethischer oder religiöser Art. Jetzt werden vor allem auch alle technischen Errungenschaften ohne Rücksicht auf die sozialen Folgen genutzt.

Sombart hat sich zur Aufgabe gestellt, den Reflex dieses Vorgangs auf das „Seelengefüge" des ihn tragenden „modernen Wirt-, schaftsmenschen" darzustellen; er nennt diesen neuen Unternehmertypus „Bourgeois". Der „Bourgeois" dieser Prägung baut auf den „Bürgertugenden“ der „Rechenhaftigkeit" „Bedachtsamkeit“, „Vernünftigkeit" auf und vollendet sie. Die Wirtschaftsführung wird sowohl weiter rationalisiert '(korrekte Buchführung, präzise Organisation, arbeitsteiliges Vorgehen) als auch ökonomisiert (genaue Zeitberechnung, „Idee des Sparens" ). In diesem Sinn ist der Bourgeois eine „höhere", perfektere Entwicklungsstufe des Bürgers: „in jedem Bourgeois steckt ein . Bürger'" aber die bürgerlichen Eigenschaften sind „aus der Sphäre persönlicher Willensbetätigung herausgetreten und sind zu Sachbestandteilen des Geschäftsmechanismus geworden. Sie haben aufgehört, Eigenschaften lebendiger Menschen zu sein und sind stattdessen zu objektiven Prinzipien der Wirtschaftsführung geworden."

Zu diesem „gesteigerten" Bürger treten nun allerdings Eigenschaften, die für die Führung eines modernen Wirtschaftsunternehmens unabdingbar werden und die der bisherigen Bestimmung von Bürgerlichkeit fremd, ja zuwiderlaufend sind: „Abenteuerlust" (wie beim Eroberer, Hasadeur, Spekulanten) und „Erfindungsgeist". Damit erst, aus der Verschmelzung von Bürgertum und (antibürgerlichem)

Unternehmergeist, wird der moderne Bourgeois geboren. Vier „elementare Wertkomplexe zeichnen ihn nach Sombart aus:

al die „Quantitätsbewertung" alle Bereiche menschlichen Lebens, auch die nicht wägbaren, werden quantifiziert; man kann sie „messen“, „zählen". Das Größere ist der höhere Wert; alle Tätigkeit, alles Erfolgsstreben wird damit unter den Imperativ der Expansion gestellt (K. Mannheim bezeichnet die kapitalistische Wirtschaftsdynamik als ein „ständiges Sich-selbst-überholen" );

b) die größtmöglichste Schnelligkeit eines Vorgangs (verkörpert im „Rekord"); , c) das „Neue" als ein „noch nicht Dagewesenes" die Neuerung als Wert für sich, vor allem in der Technik;

d) der „Machtkitzel" das Streben, die eigene Position auszuweiten, Konkurrenten zu überflügeln, . auszuschalten

Allen vier Kriterien ist die Maßlosigkeit gemeinsam, der Verzicht auf einen Sinn für das Leben des einzelnen Menschen. Das moderne Wirtschaften ist zu einem „autonomen“, „to-talistischen System" geworden in dem die menschliche Tätigkeit in immer wachsenden Maße „versachlicht" wird: Größe, Schnelligkeit, das senationell Neue und die Macht entfalten eine Eigendynamik, die sich selbst überlassen bleibt: „Für den Erwerb ebensowenig wie für die Blüte eines Geschäfts gibt es irgendwelche natürliche Begrenzung, wie sie etwa durch den . standesgemäßen'Unterhalt einer Person aller früheren Wirtschaft gegeben war. An keinem noch so fernen Punkte kann der Gesamtgewinn so hoch steigen, daß man sagen könnte: es ist genug."

Wenn wir dieses stark formalisierte Schema Sombarts auf Hermann Hagenström, den erfolgreichen Konkurrenten Thomas Buddenbrooks, anwenden, so finden wir ihn davon — außer von Kriterium c) — nicht erfaßt. Es ist überhaupt schwierig, seiner Person habhaft zu werden, denn nur zweimal taucht er — als Erwachsener — im Roman auf, ohne aus der Perspektive einer anderen Romanfigur gesehen zu werden: einmal im Erzählbericht (das Äußere, sein geschäftliches und öffentliches Auftreten betreffend: 101, 309 f.), ein anderes Mal als Handelnder (er besichtigt das Haus in der Mengstraße, das er kaufen will). Im übrigen erscheint er ausschließlich indirekt, in den Vorstellungen Thomas Buddenbrooks und seiner Schwester Tony, die ihn beide, jeder auf seine Art, als eine negative Reizfigur empfinden. Tony sieht in ihm den „hergelaufenen"

Eindringling, der nicht vor dem Namen Buddenbrook in die Knie sinkt, sondern sich selbst einen „Namen" zu machen wagt. Thomas erlebt in ihm den gleichaltrigen Rivalen, dessen beunruhigende geschäftliche Erfolge er sich nur als ein unsolides Handelsgebaren deuten kann, um sich selbst nicht persönliches Versagen eingestehen zu müssen. Bei allen seinen wichtigen Geschäftsentscheidungen — so auch vor dem verhängnisvollen Ankauf der Pöppenrader Ernte „auf dem Halm" —, wann immer die althergebrachten Faustregeln seiner Vorväter in der konkreten Situation versagen, blickt Thomas wie gebannt auf den Kontrahenten, dessen Ungebundenheit er beneidet; die moralische Entrüstung über die fragwürdigen „Manöver" (101, 345), die Thomas Buddenbrook Hagenström andichtet, sind nur vorgeschoben; in Wirklichkeit ist er auf die Praxis des überlegenen Rivalen fixiert: er nutzt sie als Orientierungshilfe, da sie durch Erfolg ausgewiesen und damit gerechtfertigt ist. Gerade diese suggestive Wirkung Hagenströms auf Thomas Buddenbrook überträgt sich auf den Leser, da Hagenström im Roman überwiegend aus der Sicht seines glücklosen Gegenspielers darge-stellt ist.

Die beiden Male, da Hagenström unvermittelt, durch den Erzähler selbst gesehen wird, ist er mit vielleicht etwas Herablassung, im ganzen aber mit Sympathie und Wohlwollen, ohne alle dämonische Machtgier gezeichnet, wobei Thomas Buddenbrooks Verdächtigungen bezüglich seiner geschäftlichen „Manöver" indirekt widerlegt werden. Der Erzähler führt mehrfach an, daß sich Hermann Hagenström durch geschickte Heiratspolitik nicht nur „bürgerliche" Nobilität, sondern auch einen beträchtlichen Vermögenszuwachs erworben hat, daß es also bei seiner wirtschaftlichen Ausdehnung doch mit verhältnismäßig „natürlichen" Dingen zugegangen sein muß. Diese Praxis kann Thomas Buddenbrook um so weniger als unlauteres „Manöver" verurteilen, als ja auch beim Aufstieg der Buddenbrooks, noch bei seinen eigenen Eltern, ein mit Banknoten geschürzter Eros die Ehen stiftete. Hagenströms Haus mit „schlichter Olfassade, praktisch ausgebeuteten Raumverhältnissen und reicher, eleganter, bequemer Einrichtung" (101, 310) läßt nicht auf die Selbst-betäubung durch kalten Protz schließen (Sombarts Bourgeois-Kriterium c) ). Wenn ihm der Erzähler eine „unbeschränkte, fortgeschrittene, duldsame und vorurteilsfreie Denkungsart“ attestiert (101, 310), bezeichnet das ebensowenig den Vertreter eines skrupellosen Manchestertums.

Auch bei der Unterredung mit Thomas und Tony Buddenbrook anläßlich der Hausbesichtigung strahlt Hagenström „bürgerliche“ Bon-

homie aus, Gelassenheit, selbst Achtung vor den Gefühlen der alten Besitzer: sein „Gehaben war frei, sorglos, behaglich und weltmän-

nisch" (101, 457), wie sich sogar Tony mit innerem Widerwillen eingestehen muß. „Er ließ sich sogar darauf ein, seinen Wunsch in beinahe entschuldigendem Ton ... zu begründen" (101, 457).

Gewiß bedeutet das wenige, was wir von Hagenströms Geschäftsmethoden vom Erzähler „aus erster Hand" erfahren, gegenüber Thomas Buddenbrook eine Weiterentwicklung auf eine höhere Rationalität hin (Sombarts Bourgeois-Kriterium a)): die Raumverhältnisse seines Hauses sind „praktisch ausgebeutet" (101, 310); er ist der erste in Lübeck, der „seine Wohnräume und seine Comptoirs mit Gas beleuchtet" hatte (ebd.). Doch seine Erscheinung weicht von dem lübischen Durchschnitt nicht stärker, nur in entgegengesetzter Richtung ab als die Thomas Buddenbrooks. Man muß dabei auch auf die politische und wirtschaftliche Rückentwicklung Lübecks und auf sein Absinken zu einer mittleren Provinz-stadt im Verlauf des 19. Jahrhunderts achten. An die Stelle hanseatischer Weltoffenheit treten kleinliche, kleinbürgerliche Verhaltens-maßstäbe, die dem, der sich ihnen entzieht, Skepsis und Argwohn eintragen. Thomas Buddenbrook ist selbst davon betroffen: er fällt wegen seiner sorgfältigen Toilette, des literarischen Geschmacks (Heine!) und der extravaganten Erscheinung seiner Frau Gerda aus dem engen Rahmen seiner Mitbürger: „Ein bißchen prätentiös, dieser Thomas Buddenbrook, ein bißchen ... anders: anders auch als seine Vorfahren" (101, 222). Dennoch bleibt Thomas eine vergleichsweise vertraute Erscheinung innerhalb der Bürgerschaft, weil seine Exklusivität nach rückwärts weist: in ihm verkörpert sich noch einmal verblichener hanseatischer Glanz. Der lokale Wirkungskreis wird zwar von Thomas Buddenbrook in seiner tatendurstigen Aufbruchphase bei Geschäftsantritt als „kleine Welt" relativiert, doch er wird als solcher auch angenommen. Die gesellschaftlichen Spielregeln werden eingehalten, zuerst spielerisch-souverän, gegen Ende seines Lebens ängstlich und verkrampft. Das „Neuartige und damit Reizvolle" der Person Hagenströms läßt sich für seine Mitbürger dagegen schwerer einordnen. Hagenström weist vorwärts ins Großstädtische („eine großstädtische Figur" 101, 456) und überregionale. Er bringt, „imposanter Börsentypus" (ebd.), einen Hauch von . Hamburg'in die engen Gassen Lübecks (was auch die Heirat seines Bruders Moritz mit einer Hamburgerin andeutet), ihm gelingt, woran Thomas Buddenbrook scheitert: sich Ansehen, Einfluß und Macht an dem’ begrenzten Ort seines Wirkens, in der „kleinen Welt" zu erringen, ohne doch von deren Milieu eingeholt und aufgebraucht zu werden, vermöge des „liberalen und toleranten Grundzugs seines Wesens", seiner „legeren und großzügigen Art" (101, 310). Diese Eigenschaften als „bourgeois" werten zu wollen, hieße, das „Bürger" -Ideal Thomas Buddenbrooks für ungültig zu erklären, sind es doch eben gerade Toleranz, Liberalität und Weltoffenheit, die Thomas Buddenbrook sich zur Maxime seines Handelns gesetzt hat, und die er zu Beginn seiner öffentlichen Laufbah auch verwirklichen kann. Es sind Züge zumal, die Thomas Mann nicht müde wurde, als das „Bürgerliche" schlechthin herauszustellen. (Die'Nutzung moderner technischer Einrichtungen kann für Thomas Mann selbst um so weniger den Übergang vom „Bürger" zum „Bourgeois" markieren, beschreibt er doch 1907 seine eigene „bürgerliche" Lebensweise — freilich ironisch gebrochen —wie folgt: „Ich bin Herr einer großen Wohnung in feinster Lage mit elektrischem Licht und" allem Komfort der (, 1m Neuzeit"

Spiegel', 119, 25)).

Der Produktionsprozeß, der sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts „progressiv vom menschlichen Maß, dem menschlichen Tempo und schließlich auch vom fortwährenden Eingreifen des Menschen gelöst“ hat erfährt in dem Verhalten Hermann Hagenströms keine überzeugende Entsprechung. Es scheint vielmehr eher so, daß sich in diesem Sinn „bourgeoise" Bewußtseinsformen spurenweise eher in Thomas Buddenbrook ankündigen. Wenn es bei Sombart heißt, das hochkapitalistische Unternehmen träte dem „Wirtschaftssubjekt mit selbstherrlicher Gewalt gegenüber; es fordert von ihm; es zwingt ihn. Und es rastet nicht; ... Es lebt sein eigenes Leben" so begegnen wir diesem entfremdeten Verhältnis zum eigenen verselbständigten Betrieb gerade in Thomas Buddenbrook wieder: „Sein Tätigkeitstrieb, • seine Aktivität, die stets etwas gründlich anderes gewesen war als die natürliche und durable Arbeitslust seiner Väter", hatte „überhandgenommen und wurde zur Marter... Er war gehetzt" (101, 465); „Es trieb ihn vorwärts und ließ ihm keinen Frieden"

(101, 317): eine Versklavung durch das eigene Tun, das sich einer vernünftig bestimmbaren Zielvorstellung (sogar der des materiellen Gewinns) entzogen hat in eine „falsche Unendlichkeit". Der Beruf wird zu einem „Betäubungsmittel" (101, 317), das die Richtungslo-sigkeit, ja Haltlosigkeit der eigenen Person vergessen machen soll.

Gegenüber Thomas Buddenbrook, dem Don Quixote eines überlebten Kaufmannsideals, verkörpert Hermann Hagenström dessen triviale Alltagserscheinung; auch und gerade, wenn Hagenström die Buddenbrooksche „bürgerliche" Exklusivität „auf die Füße" stellt, bleibt er Bürger: Hagenström erkauft sich mit dem traditionsbeladenen Haus seines überwundenen Rivalen die „historische Weihe"

(101, 454), statt sich auf dem Land ein neugotisches Prunkschloß mit gußeisernen Badewannen aufzutürmen (Sombart stellt die Vorliebe des . Bourgeois'für „Prachtentfaltung", in Schloßbauten etwa, heraus In seiner „Deutschen Volkswirtschaft im 19. Jahrhundert" skizziert Sombart den Werdegang des. Bourgeois der von dem der Hagenströms völlig abweicht: „Das kapitalistische Unternehmen, das den Reichtum der Familie begründet hatte, wird veräußert; die Söhne und Enkel kaufen sich auf dem Lande an, stiften ein Majorat, verschwägern mit altadeligen Familien, lassen ihre Nachkommen bei der Gardekavallerie dienen und bei den Saxoborussen eintreten und denken nicht mehr daran, einen Sohn etwa als Lehrling in ein kaufmännisches Geschäft zu geben." (Diese „bourgeoise" Karriere gestaltet etwa Fontane 1892, acht Jahre vor . Buddenbrooks, in seinem Roman , Frau Jeriny Treibe!'in der Figur des Leopold Treibei). Nichts davon in . Buddenbrooks'! Hermann Hagenström wird im ehemaligen Haus der Buddenbrooks „alles möglichst konservieren, er wird nichts umbauen, er wird auch das , Dominus providebit’ über der Haustür stehen lassen" (101, 455), wie Thomas Buddenbrook über den neuen Hausbesitzer mutmaßt. Hagenströms Ideal ist nach rückwärts gerichtet; es heißt nicht Siemens, Strousberg oder Rockefeller, sondern — Buddenbrook, denn es ist ein ästhetisches Ideal. Hagenström verkörpert mit seinen fünf kräftigen Kindern eine biologisch vitale Stufe des Bürgertums. Er ist nicht die ökonomische Weiterentwicklung dieser „geistigen Lebensform" auf den . Bourgeois'hin, der am Ersten Weltkrieg den . großen Schnitt'machen wird und den Thomas Mann, da er ihn „verschlafen" hatte, noch in seinen . Betrachtungen eines Unpolitischen'meinte rechtfertigen zu müssen als den Vertreter einer „unbeschränkten, fortgeschrittenen, duldsamen und vorurteilsfreien Denkungsart" (101, 310). Hagenström bleibt der in eine zeitlose, abstrakte Idealität entrückte . Bürger', der den kleinen Hanno immer wieder in sich erleben und immer wieder durch sich überwinden kann. 4. Thomas Manns Geschichtsmodell in . Buddenbrooks'

Bei dem Versuch, Sombarts Typologie von . Bürger'und . Bourgeois'an Hermann Hagenström durchzuspielen, verflacht die von Lukäcs behauptete grundsätzliche Antinomie zu einer allenfalls graduellen Abstufung. Es besteht soziologisch kein kategorialer Unterschied zwischen Thomas Buddenbrook und Hagenström, der die Anwendung eines begrifflichen Gegensatzpaares auf sie rechtfertigen könnte; nirgends wird das „Inkrafttreten neuer Motivationsstrukturen des wirtschaftenden Handelns" sichtbar Der Geschichtsabstand zwischen Buddenbrook und Hagenström ist nicht an einem konkreten Zeitgeschehen (etwa das der Reichsgründung 1870/71) und einer dynamischen ökonomischen Entfaltung zu objektivieren, sondern mündet ein in einen statischen Kreislauf. Hier ist Thomas Mann ideologisch noch ungebrochen Schopenhauer und Nietzsche verpflichtet. Insofern stimmen wir J. Kuczynski zu, der 1963 schreibt: „Es ist ... ein aussichtsloses Unternehmen, die . Buddenbrooks'zu einem Roman erheben zu wollen, der die Geschichte der deutschen Bourgeoisie ... während des 19. Jahrhunderts erzählen will. Die . Buddenbrooks'sind der Roman einer untypischen Familie; sie sind keine dichterische Gestaltung des Werdegangs der deutschen Bourgeoisie."

Thomas Mann geht es in seinem ersten Roman zweifellos vor allem um den über-zeitlichen Mechanismus eines physisch-psychischen Auflösungsprozesses, um die Herabminderung vitaler Kräfte durch die Selbst-beobachtung des Erkennenden. So bleibt die Dialektik der beiden Familien Buddenbrook und Hagenström in Ansätzen stecken;

sie kann sich nicht in dem Machtkampf zwischen der untergehenden und aufsteigenden Elite an einer bestimmten geschichtlichen Zeitenwende realistisch entfalten, weil sie von der vorgeordneten Absicht des Autors zurückgedrängt wird, in dem „Spätling" Hanno die Geburt des Künstlers aus dem Geist der Dekadenz darzustellen. Bei der zentralen Bedeutung, die dem Haus in der Mengstraße in der Symbolik des Romans zukommt, „bedeutet" sein Ankauf durch Hermann Hagenström mehr als der höhnische Kraftakt des siegenden Kapitalismus der Gründerzeit gegenüber dem vernichteten Rivalen. Das Haus, mit dessen Einweihungsfeierlichkeiten im Oktober 1835 die Erzählung einsetzt, hat Johann Buddenbrook von einer „ehernes so glänzenden Familie, ... die verarmt, heruntergekommen davongezogen war" (101, 16), erworben. Jetzt, nach 37 Jahren in Buddenbrookschem Besitz, da im Billardsaal eine, freie Katzenfamilie" sich eingenistet hat und man dort Gefahr läuft, „durch den Fußboden zu brechen“

(101, 442), geht es an Hermann Hagenström über, der sich im Rat der Stadt durch die Verweigerung von Geldern „zur Restaurierung und Erhaltung der mittelalterlichen Denkmäler" (101, 310) gleichzeitig als ein Mann von ungebrochenem Fortschrittsbewußtsein profiliert. Hermann Hagenström nähme in dieser Beziehung die Stelle des alten Johann Buddenbrook ein, des Käufers von 1835, der „mit beiden Beinen in der Gegenwart" steht (101, 41) und den Thomas Buddenbrook als einen „hellen Kopf, jovial, einfach, humoristisch und stark" (101, 396) beschreibt. Wenn Hermann Hagenström im wohlwollenden Selbstgefühl des Erfolgreichen das Haus in der Mengstraße erwirbt, so gibt er damit einer Neigung nach, auf die er bislang „mit Überlegenheit und Vorurteilslosigkeit" (101, 455) verzichtet hatte: dem Bedürfnis nach „historischer Weihe, sozusagen dem Legitimen" (ebd.). Die Deutung, daß mit dem Kauf des Hauses in der Mengstraße der historische Kreislauf von Werden und Vergehen auch die Familie Hagenström bereits erfaßt hat, zwingt der Symbolgehalt des Romans geradezu auf.

Als ein weiteres Indiz dafür, daß der „Verfall" der Buddenbrooks über die Darstellung einer bestimmten Geschichtsepoche hinauszu-gehen den Ehrgeiz hat und modellhaft das allgemeine Geschichtsgefühl des Autors repräsentiert, ist die Umriß-Gestalt des Moritz Hagenström zu werten, Bruder des erfolgreichen Konkurrenten Thomas Buddenbrooks. Er ist von schwächlicher Konstitution und gilt als ein „Schöngeist“ (101, 420). Bei der Wahl seiner Ehefrau, einer Hamburgerin mit „übermäßig leidenschaftslosen, augenscheinlich anglisierenden, aber außerordentlich schönen und regelmäßigen Gesichtszügen" (101, 263), läßt er sich von seinem ästhetisch verfeinerten Geschmack leiten: er „hätte es mit seinem Rufe als Schöngeist nicht vereinbaren können, ein häßliches Mädchen zu ehelichen" (101, 263). Hier melden sich in dem glänzend aufblühenden Geschlecht bereits Ansprüche, die außerhalb vitaler, zweckgebundener Interessen liegen. Zwar ist in Moritz Hagenström und seinen Söhnen, die sich in der Schule vor Ehrgeiz verzehren, das Streben nach äußerem Erfolg noch dominant und die „Schöngeisterei" eher schmückendes Beiwerk für diesen dynamischen Behauptungswillen, doch wird durch diese selbstbewußte, spielerische Konzession an das Uber-Nützliche ein erster feiner Riß in dem Karriere-Gebäude dieses Geschlechtes sichtbar, Ansätze zu seiner eigenen „Buddenbrookisierung".

Der Prozeß von Elitebildung und Eliteverfall wird von Thomas Mann nicht in seiner aus den geschichtlichen Verhältnissen heraus-wachsenden Dynamik begriffen, sondern als menschliche Konstante, als eine immer wiederkehrende, notwendige Gesetzlichkeit. Alfred von Martins soziologische Untersuchung über den Bürgertypus der italienischen Renaissance, der, wirtschaftlich saturiert, immer fremder der Geschäftswelt gegenübersteht, erfaßt einen Umbruch im Lebensgefühl, das man bei dem ästhetisierten Bürgerbegriff der . Buddenbrooks'immer im Auge behalten muß: „Der der nüchternen Wirklichkeit zugekehrte rationelle Sinn des Großbürgertums ist im Begriff, sich zu verflüchtigen und einem humanistisch-ästhetischen Geiste auch in den arbeitenden und erwerbenden Kreisen Raum zu geben" — was für Thomas Buddenbrook und Hagenström in verschiedenen Graden, grundsätzlich aber wieder gleichermaßen zutrifft

Zur Zeit der . Buddenbrooks'überwiegt für Thomas Mann noch die Faszination des sterbenden Knaben, der sich dem Anruf einer banalen, aber im Grunde gutmütigen Hagenström-Realität verweigert. Thomas Mann mußte jedoch über die Figur Hannos hinaus-gelangen, wollte er nicht als blinder Sänger kränkelnder Epheben enden. In „Tod in Venedig" erfolgt die endgültige Grablegung des „gespannten Helden", der das Leben in seiner Alltäglichkeit vernichten will und dabei selbst zugrunde geht. Gleichzeitig wird in dieser Novelle in dem Komplex „Venedig" als dem Ort des „fernen Gottes" (Dionysos) versuchsweise der Raum eines Gemeinschaftserlebens eröffnet, das allerdings in seiner Rauschhaftigkeit noch nicht als gesellschaftlich geordnetes Zusammenleben erfaßt und dargestellt werden kann.

Der Bourgeois’, d. h. die unmittelbare, poli-tisch-ökonomische Zeitgeschichte Thomas Manns während der Entstehung seines ersten Romans, bleibt rettungslos „verschlafen", auch Hagenström verschlummert als jovialer lübischer „Bürger". Der Weg zur Gesellschaft wird für Thomas Mann erst dann zum moralischen Gebot, als er mit dem Kriegsende 1918 seine Sympathie für Hanno, den dgnr, als sozial bindungslos und damit als politisch mißbrauchbar erkennen muß. „Ich zweifle nicht", schreibt Thomas Mann 1939, „daß ich dem Wunsch des deutschen Bürgertums am besten gedient hätte, wenn ich mein Leben lang lauter . Buddenbrooks'geschrieben hätte“ (119, 312).

Ab 1918 reift bei Thomas Mann die Einsicht, daß in der Figur Hagenströms eben nicht der „harte Bürger" des wilhelminischen Deutschlands getroffen ist. Er muß sich eingestehen, daß er mit dieser ästhetisierend-verharmlosenden Darstellungsweise der realen bourgeoisen Erscheinungsform der Buddenbrooks/Hagenströms, dem Bourgeois von 1900, im engbegrenzten Freiraum einer „machtge-schützten Innerlichkeit“ gedient hat. Zu dieser Erkenntnis bedurfte es für Thomas Mann des Zusammenbruchs seines politischen Wertsystems als Folge des verlorenen Weltkriegs; dazu bedurfte es der gleichzeitigen künstlerischen Krise nach der Niederschrift des , Tod in Venedig'und des Bekenntnisses, „wie ich es nun überhaupt noch weiter treiben wollte"

Fussnoten

Fußnoten

  1. LieLd/öBwerleinnt 1h 9a 6l 4,, sL. it 1e 3r 8a. tur und Gesellschaft, Neu-

  2. Vgl. Thomas Mann-Archiv, Zürich, Mp XI 13 Mat. — 7.

  3. Ebd. Mp XI 13 Mat. — 2. Vgl. dazu vom Verf., Väter und Söhne bei Thomas Mann. Der Generationsschritt als geschichtlicher Prozeß, Bonn 1974, S. 64.

  4. L. Löwenthal (Anm. 1), S. 248.

  5. I. Watt, Der bürgerliche Roman, Frankfurt 1974, S. 10.

  6. Ebd., S. 33.

  7. Ebd., S. 35.

  8. Hier sei vor allem Manfred Riedels fundierter Artikel „Bürger, Staatsbürger, Bürgertum" genannt, der sich in dem Handwörterbuch „Geschichtliche Grundbegriffe", Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland", Bd. 1, 1972, S. 672 bis 725, findet. Idi stütze mich im folgenden vor allem auf diese Arbeit. Als weitere Titel führe ich an: H. Bartholmes, Bruder, Bürger, Freund, Genosse, Diss. Göteborg 1970; H. Freyer, Bürgertum, Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, Bd. 2, Göttingen 1959, S. 452— 456; A. Lemmnitz, Bourgeoisie, Bürgertum, in: Ökonomisches Lexikon, Berin.

  9. 19702, S. 395 L; A. von Martin, Bürgertum, in: Wörterbuch der Soziologie, Stuttgart 19692, S. 138 bis 145; W. Meschke, Das Wort „Bürger". Geshichte seiner Wandlungen im Bedeutungsund Wortgehalt, Diss. Greifswald 1952; A. Meusel, Bürgertum, in: Handwörterbuch der Soziologie, Stuttgart 1931, S. 90— 99; F. Steinbach/O. Köhler, Bürger-tum, in: Staatslexikon. Recht — Wirtschaft — Gesellschaft, Bd. 2, Freiburg 1958’, S. 306— 316.

  10. W. Meschke (Anm. 8), S. 53.

  11. H. Bartholmes (Anm. 8), S. 111.

  12. Scheidemantel 1782; zit. nach Riedel (Anm. 8), S. 684.

  13. Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters, 1806, SW Bd. 8, 1846, S. 145 ff.; zit. nach Riedel (Anm. 8), S. 695.

  14. Vgl. dazu auch D. Stemberger, Ich wünschte ein Bürger zu sein, Frankfurt 1967, S. 46.

  15. Uber den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis, 1973, AA Bd. 8, 1912, S. 295 f.; zit. nach Riedel (Anm. 8), S. 696.

  16. In Preußen wird im Rahmen der Stein-Hardenbergschen Reformen 1808 die freie Berufswahl durchgesetzt; 1811 erfolgt die Aufhebung des Zunftzwangs.

  17. W. Meschke (Anm. 8), S. 138.

  18. M. Riedel (Anm. 8), S. 714 f.

  19. Die Elemente der Staatskunst, Bd. 1, S. 302, 306; zit. nach Riedel (Anm. 8), S. 710.

  20. H. Bartholmas (Anm. 9) S. 120

  21. Zur Judenfrage, 1844, MEW Bd. 1, S. 355; zit. nach Riedel (Anm. 8), S. 717.

  22. H. Bartholmes (Anm. 8), S. 98.

  23. Zit. nach W-Meschke (Anm. 8), S. 99.

  24. Die bürgerliche Gesellschaft, 18858, S. 211; zit. nach Riedel (Anm. 8), S. 720.

  25. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19. Januar

  26. Thomas Mann wird nach der 20bändigen Ta-

  27. Vgl. A. v. Brandt, Geist und Politik in der L beckischen Geschichte, Lübeck 1954, S. 184.

  28. W. Hellmann, Das Geschichtsdenken des frühen Thomas Mann (1906— 1918), Tübingen 1072, S. 155.

  29. R. Smend, Bürger und Bourgeois im deutschen Staatsrecht, Berlin 1933, S. 5 f.

  30. D. Sternberger, Leopold Sonnemann, Bürger und Gründer, in: FAZ vom 13. Juli 1974. — 25 Jahre zuvor, 1949, formulierte Sternberger entsprechend: „Ich wollte, wir brächten es heute zuwege, die alte Haut des bürgerlichen Charakters abzustreifen, um Bürger zu werden“ (Anm. 14), S. 27.

  31. G. Lukäcs, Faust und Faustus. Ausgewählte Schriften II, Hamburg 1968, S. 223.

  32. Zur Kritik Lukäcs'am Typologisieren der „bürgerlichen“ Soziologie vgl.: Die Zerstörung der Vernunft, Bd. III: Irrationalismus und Soziologie, Darm stadt/Neuwied 1974, S. 63.

  33. W. Sombart, Der Bourgeois. Zur Geistesgeshichte des modernen Wirtschaftsmenschen, München/Leipzig 1920, S. 216

  34. Ebd., S. 194.

  35. Ebd., S. 24.

  36. Ebd., S. 139.

  37. Ebd., S. 135.

  38. Ebd., S. 236.

  39. Ebd., S. 222.

  40. Ebd., S. 222.

  41. K. Mannheim, Wissenssoziologie. Auswahl aus dem Werk, Berlin/Neuwied 1964, S. 671.

  42. W. Sombart (Anm. 33), S. 225.

  43. Ebd., S. 225.

  44. M. Scheler, Der Bourgeois, in: Vom Umsturz der Werte, Bd. 2, Leipzig 1919®, S. 245- 279: Scheler schließt sich diesen vier Kriterien Sombarts an, bewertet sie aber in schroff kulturpessimistischer Sicht als „infantile Ideale", die den Rückfall in den Primitivismus des Motivationslebens in unserer Zeit [1914] .. . zum Ausdruck" bringen (S. 276).

  45. F. van der Ven, Sozialgeschichte der Arbeit, Bd. 3: 19. und 20. Jahrhundert, München 1972, S. 160.

  46. W. Sombart (Anm. 33), S. 219.

  47. F. van der Ven (Anm. 45), s-

  48. W. Sombart (Anm. 33), S. 447. 151.

  49. Ebd., S. 238.

  50. Dieser fiktive Werdegang findet seine völlige Entsprechung bei A. Meusel (Anm. 8), S. 96: „Der reich gewordene Bürger hatte den Ehrgreiz, seinen studierenden Sohn ih ein feudales Korps zu bringen, ihn in einem der vornehmen Regimenter Reserveoffizier werden zu lassen, seine Tochter mit einem Adeligen zu verheiraten. Wem das Glück besonders hold war, der wurde selbst nobilitiert und mit Orden von überdurchschnittlichem Kurswert ausgezeichnet." Vgl. in gleichem Sinn H. Grebing, Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, München 19712, S. 70.

  51. W. Sombart, Die deutsche Volkswirtschaft im neunzehnten Jahrhundert und im Anfang des 20. Jahrhunderts, Berlin 1921®, S. 470.

  52. M. Scheler (Anm. 44), S. 260.

  53. J. Kucynski, Gestalten und Werke. Soziologische Studien zur deutschen Literatur, Berlin/Weimar 1969, S. 278.

  54. A. v. Martin, Humanismus als Romantik und estauration, in: Wege der Literatursoziologie, msg. von N. Fügen, Neuwied/Berlin 1968, S. 149.

  55. Th. Mann, On Myself, in: Blätter der Thomas-Mann-Gesellschaft Zürich, Nr. 6, 1966, S. 21.

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Michael Zeller, Dr. phil., geb. 1944; Studium der Germanistik in Marburg und Bonn; z. Zt.freier Mitarbeiter bei verschiedenen Zeitungen. Veröffentlichung: Väter und Söhne bei Thomas Mann. Der Generationsschritt als geschichtlicher Prozeß, Bonn 1974.