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Das Scheitern der einheitsgewerkschaftlichen Bewegung nach 1945 in Westeuropa | APuZ 16/1975 | bpb.de

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APuZ 16/1975 Wirtschaftsdemokratie Theoretische und praktische Ansätze, entwickelt auf der Basis des DGB-Grundsatzprogramms Das Scheitern der einheitsgewerkschaftlichen Bewegung nach 1945 in Westeuropa

Das Scheitern der einheitsgewerkschaftlichen Bewegung nach 1945 in Westeuropa

Lutz Niethammer

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Zusammenfassung

Die Gewerkschaften sind in den letzten Jahren durch politische und wirtschaftliche Faktoren wie auch durch die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit im Rahmen der europäischen Integration immer deutlicher mit der Frage konfrontiert worden, ob ihre Organisationsform und ihre strategische Festlegung den Interessen ihrer Mitglieder wie auch dem heutigen gesellschaftlichen Umfeld noch gerecht werden. Solche Überprüfung fällt schwer, wo die bestehende Organisation nach Form und Inhalt bereits als Einlösung langfristiger gewerkschaftlicher Zielbestimmungen genommen wird. Im Zentrum des gewerkschaftlichen Selbstverständnisses stehen hierbei die Begriffe der Einheitsgewerkschaft, der Tariffreiheit und der Mitbestimmung. Im europäischen Zusammenhang steht der DGB als mitbestimmungsorientierte Einheitsgewerkschaft einzig dar. Der Beitrag untersucht, wie diese Sonderentwicklung zu verstehen ist und warum es an Parallelen in anderen westeuropäischen Ländern mangelt. überprüft man die Entstehungsphase der Einheitsgewerkschaft in Westdeutschland 1945— 49 und vergleicht man sie mit den Parallelentwicklungen in anderen westeuropäischen Ländern (hier: Italien, Frankreich und England), erweist sich der DGB als späte Sonder-form einer gesamteuropäischen einheitsgewerkschaftlichen Bewegung. Diese entsprang vornehmlich aus einem Bündnis sozialdemokratischer und kommunistischer Richtungen im Zuge der Befreiung vom Faschismus, wozu in den postfaschistischen Ländern auch die katholische Arbeiterbewegung hinzutreten konnte. Diese Einheitsgewerkschaften haben sich nicht primär als ökonomische Interessenorganisationen ihrer Mitglieder verstanden, sondern als politischer Anwalt der arbeitenden Massen und in ihrem Namen am ökonomischen Aufbau in den einzelnen Ländern auf politischer Ebene mitgewirkt. Um die Lähmungskrise der frühen Nachkriegsgesellschaften zu überwinden, kam ihnen dabei zunächst vor allem eine stabilisierende und disziplinierende Funktion zu, wofür sie auf der anderen Seite erhebliche politische Zugeständnisse zur Einführung von Strukturreformen (wie Nationalisierung, Mitbestimmung, sozialpolitische Fortschritte) erwirken konnten.

Im Vergleich mit den Parallelverbänden westeuropäischer Länder wie auch mit der gewerkschaftlichen Zersplitterung in der Weimarer Republik spielt der DGB in der Bundesrepublik eine machtvolle Sonderrolle, sowohl in seiner Funktion wie Organisation. Seine Gewerkschaften haben entscheidende Beiträge zum Umfang des Wirtschaftswachstums und zur Höhe des Lebensstandards in der Wiederaufbauperiode geleistet, sind ein Rückhalt der Bestrebungen um gesellschaftliche Demokratie geblieben und stellen einen Verband von in dieser Größenordnung unvergleichlicher Integrationskraft und Geschlossenheit dar. Wenn hier der Blick auf die Ent

I. Phasen westdeutscher Gewerkschaftsgeschichte

Zwei Phasen im ersten Nachkriegsjahrzehnt Im Überblick gliedern sich die drei Jahrzehnte westdeutscher Gewerkschaftsentwicklung in vier Etappen Zwischen 1945 und 1948 wurden wie in den meisten vom Faschismus befreiten Ländern Europas auch in Deutschland politische Einheitsgewerkschaften aufgebaut, d. h. eine umfassende Organisation der Arbeiter und Angestellten unter Integration der sozialdemokratischen, kommunistischen, katholischen und liberalen Elemente gewerkschaftlicher Tradition, und zwar mit dem primären Ziel, antikapitalistische Strukturreformen durchzusetzen. In dieser Phase waren die Gewerkschaften in Deutschland in ihrem organisatorischen Aufbau durch die unmittelbare Regierungstätigkeit der Alliierten in ihren Dieser Beitrag wird gleichzeitig in dem von Heinz O. Vetter hrsg. Band „Vom Sozialistengesetz zur Mitbestimmung" (Festschrift für Hans Böckler), Bund-Verlag Köln, veröffentlicht. stehung und Rollenfindung dieser Gewerkschaften zurückgelenkt und durch vergleichende Untersuchung die besondere Form, welche die internationale einheitsgewerkschaftliche Bewegung in Westdeutschland ausgeprägt hat, näher bestimmt werden soll, so geschieht dies nicht aus akademischer Nostalgie. Es handelt sich vielmehr um die Aufgabe kritischer Traditionspflege. Denn vor neuen politischen Herausforderungen kann die Kenntnis ihres geschichtlichen Entstehungsprozesses die einmal entstandene Organisation und ihre Ziele ihrer Selbstverständlichkeit entkleiden und sie gedanklich für neue Aufgabenstellungen öffnen.

Zonen behindert; andererseits wirkten sie in alle gesellschaftlichen und politischen Bereiche hinein und übernahmen Aufgaben, die weit über den Rahmen herkömmlicher gewerkschaftlicher Tätigkeit hinausgingen.

Die zweite Etappe führt von der Verschärfung des Kalten Krieges nach der Verkündung des Marshall-Plans und dem Prager Umsturz zur Anpassung an die Verhältnisse in der Bundesrepublik und endet Mitte der 50er Jahre.

Am Anfang steht hier die Spaltung der kontinentaleuropäischen Gewerkschaftsbewegung, wie sie sich in den romanischen Ländern durch den Auszug der sozialdemokratischen und katholischen Richtungen aus den kommunistisch-dominierten Einheitsgewerkschaften und ihre Anlehnung an das amerikanische Modell der lohnpolitisch orientierten Interessenorganisation zeigte. In Deutschland war sie ein Element im Rahmen der nationalen Spaltung und bewirkte die Verdrängung des jeweils im anderen Teil vorherrschenden politischen Elements aus den Führungen der Gewerkschaften. Zwar blieb die Initiative, das Gewerkschaftsmodell der USA auch in deren europäischem Einflußbereich zu fördern, in den deutschen Westzonen nicht ohne Auswirkung, zumal sie hier mit der Liberalisierung der Wirtschaftsordnung einherging. Zugleich jedoch wurde in der Bundesrepublik erst der gewerkschaftliche Aufbau auf überregionaler Ebene abgeschlossen und der einheitsgewerkschaftliche Ansatz, wenn auch mit Abstrichen, formal bewahrt. Trotz schwerer Rückschläge — insbesondere wurden die von den Alliierten beschlagnahmten Unternehmen un-ter europäischer Kontrolle reprivatisiert, statt neugeordnet und sozialisiert — blieb bei der Gründung des DGB die wirtschaftsdemokratische Programmatik erhalten. In der praktischen Politik wurde sie hingegen auf die gesetzliche Verankerung bzw. Erweiterung der erworbenen Mitbestimmungsmöglichkeiten auf Betriebs-und Unternehmensebene konzentriert. Wie bei der Montanmitbestimmung war dem DGB auch auf tarifpolitischem Gebiet in dieser Phase nur ein Teilerfolg be-schieden: die krisenhaften Folgen der Währungsreform und der Zuzug der Vertriebenen und Flüchtlinge gaben der Schaffung von Arbeitsplätzen Priorität vor der Lohnhöhe. Unterstützung des Wirtschaftswachstums bremste harte Verteilungskämpfe. Mit der Konsolidierung der bürgerlichen Regierungsmehrheit, der Aufrüstung und der Westintegration verfiel zunehmend die Möglichkeit wirtschaftsdemokratischer Reformen. Die Gewerkschaften konzentrierten sich deshalb nun auf die Aufgaben eines wirtschaftlichen Interessen-verbandes. Die einheitsgewerkschaftliche Organisationsform und das Fortwirken des früheren ordnungs-und allgemeinpolitischen Engagements bewirkten dabei ein im internationalen Vergleich als Sonderrolle hervortretendes Verhalten, das mehr aus der Raison gesamtwirtschaftlichen Wachstums als aus der Vertretung spezieller Mitgliederinteressen bestimmt wurde.

Konsolidierung der Sozialpartnerschaft Die dritte Etappe reicht vom DGB-Aktionsprogramm von 1955 bis zur „Konzertierten -Ak tion" Ende der 60er Jahre. Sie ist von einer wachsenden kapitalistischen Hinnahme der Marktwirtschaft als Rahmen gewerkschaftli -chen Handelns gekennzeichnet und zeigt den DGB im Zeichen der Sozialpartnerschaft nunmehr in einer ausgeprägten Sonderrolle in Westeuropa. Die gemeinwirtschaftlichen Grundlagen des wirtschaftsdemokratischen Konzepts wurden in der Praxis — außer bei der Sozialisierung der Verluste im Ruhrbergbau — und 1963 sogar auch in der Programmatik an den Rand gedrängt, während eine gesamtwirtschaftlich orientierte Tarifpolitik ins Zentrum gewerkschaftlichen Handelns trat

Indessen mußten die Gewerkschaften in dieser Etappe schwere Rückschläge hinnehmen. Die tariforientierten Industrieverbände hielten nicht Schritt mit dem Strukturwandel der lohnabhängigen Klasse insgesamt, der sich am deutlichsten im rapide anwachsenden Import unqualifizierter Arbeit sowie in der Ausweitung der Angestelltenschaft und des Tertiärsektors niederschlug. Als Folge ging der Anteil der gewerkschaftlich Organisierten an allen abhängig Erwerbstätigen in den 50er und 60er Jahren beinahe kontinuierlich zurück, wenn auch der Organisationsgrad mit ca. 30 °/o deutlich über dem der romanischen EWG-Länder lag*). Der abnehmenden Repräsentativität des DGB entsprachen auf der anderen Seite eine Abschwächung seines politischen Einflusses und die Lockerung seiner parteipolitischen Querverbindungen hinzu kam die programmatische Umstellung der SPD zur Volkspartei. Vor allem mußten jedoch schwere Einbrüche in die im Wiederaufbauboom verfestigte Orientierung auf Wachstum, erhöhten Lebensstandard und soziale Sicherheit sowohl sektoral (Kohlenkrise) wie gesamtwirtschaftlich (Rezession von 1967) hingenommen werden.

In beiden Fällen wurden die Gewerkschaften insbesondere durch vermehrte Institutionalisierung der sozialen Partnerschaft in das System integriert. Dabei wurden Elemente der Weimarer Tradition — Zentralarbeitsgemeinschaft und weniger deutlich: Wirtschaftsdemokratie — in den nunmehr akzeptierten Rahmen kapitalistischer Marktwirtschaft und eines antizyklischen Konjunktur-managements eingeschmolzen. Die Funktion als gesellschaftlicher Ordnungsfaktor wurde auch offen im gewerkschaftlichen Selbstverständnis ausgesprochen zugleich jedoch als Hebel zur reformerischen Entwicklung des kapitalistischen Systems interpretiert. Aus modifiziert-wirtschaftsdemokratischer Tradition stellte der DGB die Mitbestimmung an der Verfügung über die Produktionsmittel ins Zentrum seiner Agitation, während die Gemeinwirtschaft als Alternative zur Marktwirtschaft beinahe ganz verschwand. Weitergehende innerkapitalistische Reformen wie Vermögensbildung, Umstrukturierung der Arbeitsorganisation im Betrieb und Investitionslenkung wurden weniger einheitlich vertreten. Der zweite Akzent — ebenfalls ein Kernpunkt des wirtschaftsdemokratischen Programms — lag auf der Bildungsreform im Sinne vermehrter sozialer Chancengleichheit und der allgemeinen Hebung des Qualifikationsniveaus Als auf Industrieverbänden aufgebaute Gewerkschaft ohne nennenswerte kommunistische Beteiligung oder Konkurrenz spielte der DGB am Ende dieser Etappe mit den Modellen der „Konzertierten Aktion" und der Mitbestimmung im Rahmen der europäischen Gewerkschaftsbewegung eine herausragende Rolle ohne vergleichbare Partner.

Anzeichen einer Krise des integrativen Gewerkschaftsmodells Gerade von der transnationalen ökonomischen Organisation im euroatlantischen Bereich und vom Wandel gewerkschaftlicher Politik in den anderen großen EG-Ländern gingen jedoch in der jüngsten, vierten Etappe entscheidende Impulse auch für die Lage in der Bundesrepublik aus. Eine neue Spontaneität im Betrieb und die Zuwendung von Teilen der wissenschaftlichen Intelligenz zur gewerkschaftlichen Arbeit radikalisierten in teils umfassenden, teils modellartigen Streikbewegungen wie in Frankreich (Mai 1968, LIP), in Norditalien (FIAT) und in England (Bergarbeiterstreik) gerade auch die dortigen nicht-kommunistischen Gewerkschaften. Diese Entwicklungen griffen, wenn auch in sehr viel geringerem Umfang, seit den September-streiks 1969 auf die Bundesrepublik über

Durch die Renaissance des Marxismus in der neuen Linken und die Übertragung von Erfahrungen und Programmen der europäischen Kollegen wurden die deutschen Gewerkschaften teils mit Elementen ihrer eigenen Geschichte, teils mit neuen Forderungen und Aktionsformen konfrontiert. Diese wurden jedoch von einem beträchtlichen Teil der Gewerkschaftsfunktionäre angesichts der so alternativlos erscheinenden westdeutschen Entwicklung zunächst nur defensiv ausgenommen. Handelte es sich nicht um einen Rückfall in längst überwundene Gefahren für die „schlagkräftige" Einheitsgewerkschaft? Etwa die Gefahr der Gewerkschaftsspaltung, als eine der maoistischen Gruppen eine Mi-niatur-RGO (Rote Gewerkschaftsopposition) aufzubauen versuchte? Oder eines unausgesprochenen Syndikalismus, als neomarxistische Intellektuelle in den Gewerkschaften als den einzigen proletarischen Klassenorganisationen eine politische Massenbasis suchten? Oder des Verlusts organisatorischer Einsatzfähigkeit und gesamtwirtschaftlicher Rationalität durch lokalistische und spontaneistische Tendenzen? Zu nahe lag verunsicherten Gewerkschaftsfunktionären der Verdacht, daß hinter den neuen Erscheinungen nur kommunistische Drahtzieher aller Sorten stünden und daß die Basis durch eine vom Apparat eingeleitete Kampftätigkeit wieder zu binden sei. Ein solches Heilmittel mußte jedoch die Organisation in unausgetragene Widersprüche mit ihrem integrationistischen Konzept bringen und den Konflikt am Rande zu einer Orientierungskrise im Kern machen * Die Herausforderung durch Alternativansätze ist aber nicht die einzige, vielleicht nicht einmal die wichtigste Schwierigkeit gewerkschaftlicher Politik in den letzten Jahren. Gerade in seinen Beziehungen zur sozialliberalen Koalition ist der DGB trotz seiner integrativen Grundtendenz unerwartet an die Grenzen der Einlösbarkeit seiner reformerischen Konzepte gestoßen: schon zuvor war die Zustimmung der Sozialdemokratie zu den Notstandsgesetzen weithin als eine gewerkschaftliche Niederlage empfunden worden. Bei der Mitbestimmung und der Vermögensbildung zeichnet sich ab, daß aus den gewerkschaftlichen Reformvorstellungen wichtige Kernelemente herausgebrochen oder die Vorhaben überhaupt vertagt werden könnten. Die Stagnation infrastruktureller Investitionen insbesondere auf dem Bildungssektor zugunsten einer Steuerreform, die nur eine kurzzeitige Inflationsentlastung bedeuten kann, gefährdet die weitere Realisierung eines der gewerkschaftlichen Grundpostulate der 60er Jahre. Schließlich ist es den Gewerkschaften nicht gelungen, die Deflationspolitik der Regierung rechtzeitig zu stoppen, um angesichts wachsender Arbeitslosigkeit die Stabilitätspriorität auf einen mit der internationalen Entwicklung harmonisierten Grad herabzudrücken. Damit verengt sich nun auch hierzulande der gewerkschaftliche Spielraum: die bisher praktizierte Einheit aus Systemintegration und aktiver Tarifpolitik wandelt sich tendenziell in eine Alternative.

Diese Probleme weisen hin auf den zunehmenden Widerspruch zwischen der transnationalen Organisation von Kapital und Produktion in den ökonomischen Leitsektoren und der nationalen Besonderung und Integration der Gewerkschaftsbewegungen. Hinzu kommt die Minderung der kollektiven Profite der Industrieländer durch die Kartellisierungstenden-zen auf den Rohstoffmärkten. Die beginnende Diskussion um die multinationalen Konzerne und die Erfahrung der Ölkrise haben die Grenzen des Wachstums und der Umverteilung ins öffentliche Bewußtsein gehoben. Indem der wirtschaftliche Manövrierspielraum der einzelnen Nationalstaaten zunehmend geringer wird und durch Gewinnverlagerungen und Währungsmanipulationen Profite erwirtschaftet werden können, die vorab außerhalb der Tarifauseinandersetzungen bleiben, wird eine Neuformulierung gewerkschaftlicher Stragetie und Organisation unabweisbar: sie muß einerseits die europäische Steuerungsebene erreichen, darüber hinaus übernationale Solidarität praktisch werden lassen und zugleich an der lokalen und betrieblichen

Basis elastischer und politischer werden. Dieser Prozeß wird auf jeden Fall schmerzhaft sein, denn entweder schmilzt der gewerkschaftliche Aktionsspielraum in den Nationalstaaten und damit ihre soziale Leistungsfähigkeit zusammen oder es müßten festgefügte Organisationen in allen europäischen Gewerkschaften aufgebrochen, eingefahrene Strategien gemeinsam modifiziert und ein neuer Anlauf zur gewerkschaftlichen Einheit auch mit Kommunisten in Frankreich und Italien, der hierzulande nicht ohne Rückwirkung bleiben könnte, unternommen werden

Methodische Überlegungen Es ist hier nicht meine Aufgabe, diese aktuellen strategischen Fragen zu diskutieren. Auch will ich keine Bilanz der gewerkschaftlichen Arbeit aufmachen und die erwähnten Probleme mit den Leistungen des DGB auf materiellem Gebiet wie als Rückhalt bei der Bewahrung und Ausgestaltung sozio-politischer Demokratie aufrechnen. Der Überblick über die Etappen westdeutscher Gewerkschaftsgeschichte sollte vor allem zeigen, daß die Gewerkschaften Änderungen in ihrer Organisation und in ihrer Politik hinnehmen müssen, wenn sie in der Verteidigung der gesellschaftlichen Interessen der Lohnabhängigen angesichts neuer Bedingungen wirksam bleiben wollen.

Die Lösung der neuen Aufgaben wird aber nicht zuletzt durch eine apparathaft organisierte Gewerkschaftstradition behindert, die sich der Diskussion ihrer Angemessenheit und Wirksamkeit entzieht. In der voraufgegangenen dritten Etappe war diese Tradition im wesentlichen durch hochkonjunkturelle Bedingungen konsolidiert worden, geschichtlich gebildet aber wurde sie in den ersten beiden Nachkriegsphasen, als die deutsche Sonder-form der Einheitsgewerkschaft entstand und an das gesellschaftliche System der Bundesrepublik in der Ära Adenauer angepaßt wurde. Eine Untersuchung der historischen Bedingungen dieser Genese vermag am ehesten die Zeit-gebundenheit dieser Organisation und Strategie aufzuzeigen und damit ihre Weihe durch das „Wirtschaftswunder" zu durchbrechen. Geschichtliche Rückfrage erweist sich damit* als ein Akt der Entmythologisierung, d. h.der Befreiung und Ermöglichung kreativer Gewerkschaftsarbeit.

Zwei Mythen gilt es dabei vor allem aufzuklären: nämlich daß der DGB bereits das alte Ziel der Einheitsgewerkschaft organisatorisch und politisch voll eingelöst habe, mithin jede Änderung nur Rückfall bedeuten könne. Und daß der Typ von Einheitsgewerkschaft, der sich 1949 unter der Führung Hans Böcklers zum DGB konstituierte und Mitbestimmung und Gemeinwirtschaft auf seine Fahnen schrieb, allein aus der nationalen gewerkschaftlichen Tradition zu verstehen sei, denn dies schützt die Sonderrolle des DGB im internationalen Zusammenhang. Beide Mythen entstanden als Verteidigungsargumente in der Zeit des Kalten Krieges. Mit der ersten wandte man sich gegen links und schützte die Dominanz der Industrieverbände und ihre tarifpolitische Priorität. Mit der zweiten wehrte man Angriffe der Unternehmer ab, die Mitbestimmung sei einem Oktroy der Besatzungsmächte und die Sozialisierungsforderung der kommunistischen Mitwirkung an der Gründung der Einheitsgewerkschaften zu danken

Die neuere, gerade auch die gewerkschaftskritische Literatur zur Nachkriegsgeschichte der Arbeiterbewegung hat durch die nationale Begrenzung ihres Gegenstandes einiges dazu beigetragen, diese Mythen zu tradieren. Gewiß geschah dies unabsichtlich und hatte forschungsimmanente Gründe. Im Ergebnis aber kommen in ihr internationale Faktoren nur in Sicht, wenn sie unmittelbar in Deutschland eingegriffen haben, namentlich als ein Lucifer ex machina, der die sozialistischen Perspektiven einer als revolutionär hypostasierten Basis vereitelt habe. Demgegenüber blieben der Vergleich mit den Strukturproblemen der Gewerkschaften in anderen europäischen Ländern wie auch die internationalen Beziehungen der Gewerkschaftsbewegung weitgehend im dunkeln. Daraus ergab sich eine Überbetonung der nationalen Kontinuitätselemente von der Zentralarbeitsgemeinschaft über die Wirtschaftsdemokratie, die „Gleichschaltung von innen" bis hin zur Aus der Sicht des Inter-DAFälteren nationalismus wurde dieser Verengung aus ganz unterschiedlichen politischen Richtungen mit dem Plädoyer für eine breitere Perspektive widersprochen Auf der anderen Seite war diese nationalgeschichtliche Erforschung äußerst fruchtbar, indem sie ein großes empirisches Material zur Entstehung der westdeutschen Gewerkschaften, zum Scheitern der Sozialisierung der Montanindustrie und zum Kampf um die Montanmitbestimmung erschloß Dieselben Vor-und Nachteile charakterisieren im übrigen auch die Literatur zur Gewerkschaftsgeschichte unserer europäischen Nachbarländer. Demgegenüber soll hier der ganz vorläufige Versuch gemacht werden, die einheitsgewerkschaftlichen Tendenzen der Nachkriegszeit in Italien, Frankreich, England und Deutschland zu vergleichen, um daraus einen historischen Typus der Einheitsgewerkschaft zu entwikkeln und eine grobe Einschätzung der jeweiliB gen nationalen Besonderungen, insbesondere auch der deutschen, zu ermöglichen. Der vergleichende Zugriff zur Gewerkschaftsgeschichte ist aber nicht nur ein methodischer Kniff zur näheren Bestimmung nationaler Entwicklungen, sondern wird auch von der Sache selbst gefordert. Die ökonomischen Grundprobleme waren in allen europäischen Industrieländern nach dem Zusammenbruch des Faschismus sehr ähnlich; die Kommunisten verfolgten eine jeweils . nationale', aber übernational konzipierte und vereinheitlichte Politik; der Einfluß der Amerikaner war, mit Abstufungen, überall in Westeuropa wirksam Obwohl die bürgerlichen und sozialdemokratischen Politiken weniger koordiniert waren, entwickelten sie sich vor den Herausforderungen dieser drei internationalen Faktoren im Prinzip sehr ähnlich. Auf der anderen Seite gab es in jedem Land besondere Traditionen und eine spezifische machtpolitische Konstellation. Eine realistische Einschätzung der gescheiterten internationalen Entwicklung zur nationalen Einheitsgewerkschaft, der Rolle der Basis wie auch der deutschen Sonderform kann nur innerhalb dieses — zudem noch allzu grobmaschigen — Koordinatennetzes erfolgen.

Daneben gilt es, auf ein weiteres methodisches Problem der bisherigen Gewerkschaftshistoriographie aufmerksam zu machen: ihre neohistoristische Fixierung auf politische Machtfragen, die sich methodisch in der Bevorzugung von Theorie-, Personen-und Organisationsgeschichte niederschlägt, wie sie ge-rade von Ausländern auch an der „linken" Sozial-und Geschichte der Arbeiterbewegung in Deutschland kritisiert wird Auch wer die Machtfragestellung als strategisches Lernziel letztlich teilt, wird nicht übersehen können, daß sie mit dem Zugriff auf die Akten der Führungskader vorschnell beantwortet wird. Entscheidende Problembereiche wie die Funktion, die Basis und der wirtschaftliche Spielraum von Organen der Arbeiterbewegung, die ihre Machtentfaltung maßgeblich mitbestimmen, werden dadurch nicht mitaufgeklärt, sondern durch theoretische Konstruktionen oder apriorische Annahmen abgedeckt. Auf der einen Seite droht so die Verkümmerung von Gewerkschaftsgeschichte zu einer Art Diplomatiegeschichte der Apparate und einer Chronik der Kongresse. Auf der anderen Seite gerät ein marxisierender Historismus in die Gefahr strategischer Fehleinschätzungen durch die Hypostasierung einer revolutionären Basis.

Nun soll hier nicht so getan werden, als sei es möglich, diese methodischen Defizite ohne breite empirische Arbeiten auszugleichen oder ihre Ergebnisse essayistisch vorwegzunehmen. Wenn im folgenden internationale, vergleichende und ökonomische Gesichtspunkte zur Thematisierung meines Resümees der Gewerkschaftsliteratur über die Aufbauphase verwandt werden, so soll damit nur in einer vorläufigen Weise getestet werden, ob sich durch eine neue Abgrenzung und Qualifizierung der Phasen der gewerkschaftlichen Entwicklung ein besseres historisches Verständnis ihrer heutigen Probleme anbahnt.

ll. Bedingungen der einheitsgewerkschaftlichen Bewegung in der unmittelbaren Nachkriegszeit

Der Typ der politischen Einheitsgewerkschaft Die erste Phase der internationalen Gewerkschaftsgeschichte der Nachkriegszeit steht im Zeichen des Aufbaus und des Zerfalls des Weltgewerkschaftsbundes (WGB) Sie ist auf die Jahre 1945 bis 1947 zu datieren, mit Vorläufern in einzelnen Ländern ab 1943 und der Ausformung des Zerfalls zur internationa-len Spaltung in den Jahren 1948/49. Die WGB-Phase wird beherrscht durch das Bestreben um eine möglichst einheitliche Organisation oder zumindest Aktionsbündnisse der Gewerkschaften auf nationaler und internationaler Ebene, die Überwindung der parteipolitischen Ausrichtung der einzelnen Verbände und um eine gesamtgesellschaftliche Schlüsselposition der Gewerkschaften. Zu ihren Aufgaben sollte nun gehören: die Beteiligung an der antifaschistischen Säuberung, an der Ingangsetzung, Umstellung und Steigerung der Produktion zur Überwindung der ökonomischen Nachkriegskrise durch schnelleres Wachstum und an der Institutionalisierung der Mitwirkung der Arbeiterbewegung an der ökonomischen Leitung durch staatliche Aufbaupläne, staatliche Monopolkontrolle bzw. Nationalisierung von Grundstoffindustrien und durch die Einrichtung von Betriebsräten oder anderen Formen der Mitbestimmung auf Unternehmens-oder überbetrieblicher Ebene. In der Ausprägung des Einheitsgewerkschaftskonzepts herrschte organisatorische Vielfalt gemäß den nationalen Voraussetzungen, jedoch war eine Konzentration von Berufs-zu Industrieverbänden und deren politische Zusammenfassung auf den Ebenen öffentlicher Einflußnahme-Möglichkeiten unübersehbar.

Der politische Kern der Einheitsgewerkschaft in der WGB-Phase lag in der Integration der reformistischen Gewerkschaftsorganisationen der Vorkriegszeit mit der im europäischen Widerstand gegen den deutschen Faschismus gewaltig angewachsenen kommunistischen Richtung zu einer nach Möglichkeit exklusiven gewerkschaftlichen Massenbewegung. Namentlich in den ehemals faschistischen Ländern, in denen selbständige Gewerkschaften ganz zerschlagen und durch korporativibund, stische Integrationsorgane für Arbeiter und Unternehmer ersetzt worden waren, wo also auch keine selbständige christliche Gewerkschaftsbewegung mehr bestand, konnte auch deren Potential in die Einheitsorganisation eingebracht werden. Diese wurde wesentlich ermöglicht, indem sich die Kommunisten seit der stalinistischen Bündnispolitik einer reformistischen Programmatik unterstellten, die national unterschiedliche Kombinationen von Teilsozialisierung, Partizipation und Rahmenplanung fand, im ganzen jedoch mit dem Konzept „Wirtschaftsdemokratie" des ADGB von 1928 vergleichbar war Durch die Erweiterung des politischen Aufgabenbereichs der Gewerkschaften, die zwischen den einzelnen parteipolitischen Richtungen unter dem Gesichtspunkt des Wiederaufbaus und antifaschistischer Reformen grundsätzlich unstrittig war, wurde zugleich dem kommunistischen Gewerkschaftsverständnis ein Wirkungsraum gegeben, wonach Gewerkschaften ein Mittel zur Mobilisierung und Erziehung der proletarischen Massen seien, d. h. zur Ausdehnung des Einflusses der kommunistischen Kader.

Taktisch gesprochen, ermöglichte ihnen die Einheitsgewerkschaft die Anwendung der Einheitsfrontpolitik von oben und von unten, was für die Kommunisten im westlichen Bereich zur Verankerung in staatlichen und wirtschaftlichen Machtpositionen und im östlichen zur Ausschaltung organisierter Opposition gleichermaßen interessant war.

Auch die reformistischen Führungskader wollten nicht nur die Macht der Arbeiterbewegung durch die Vermeidung einer proletarischen Binnenfront stärken, sondeIrn sie woll-ten sich zugleich davor schützen, daß durch die Popularität des östlichen Alliierten in den von deutscher Besetzung befreiten Ländern und die Stärke der Kommunisten in den nationalen Befreiungsbewegungen die frühere Konkurrenz bedrohliche Ausmaße annahm. Die Diskreditierung der europäischen Rechten und die weitverbreitete Ansicht, daß der Sozialismus geschichtlich auf der Tagesordnung stehe und Sachzwang für den Wiederaufbau geworden sei, das Vertrauen auf die Unverbrüchlichkeit der Anti-Hitler-Koalition und die sozialistische Beteiligung an den Regierungen in fast allen europäischen Ländern bewirkten den Optimusmus, mit der die einheitsgewerkschaftlichen Experimente in der WGB-Phase eingegangen wurden. Die wirtschaftsdemokratische Tradition eignete sich schon deshalb als Programmkompromiß der Einheitsgewerkschaft, als sie einerseits durch ideologische Kontinuität die Praxis der reformistischen Gewerkschaften in der Vorkriegszeit in den Hintergrund rückte und andererseits als Etappenziel mit der „antifaschistischdemokratischen" Übergangsstrategie des Stalinismus vereinbar war. Zugleich meinten beide Partner, sich auf die praktische Tüchtigkeit ihrer Kader verlassen zu können. Ökonomische Bedingungen Die wirtschaftsdemokratische Zielsetzung eignete sich angesichts der Lähmung der europäischen Volkswirtschaften aber auch als gewerkschaftliches Ersatzziel. Denn in dieser Phase der beginnenden gesellschaftlichen Rekonstruktion standen sich rapide gewerkschaftliche Organisationsfortschritte und vergleichsweise dürftige gewerkschaftliche Funktionsmöglichkeiten im Sinne der organisierten Beteiligung am Verteilungskampf gegenüber. Der große Zustrom zu den Gewerkschaften nach dem Krieg in allen europäischen Ländern ist angesichts dieses Widerspruchs ein erklärungsbedürftiges Phänomen, das in der Forschung noch zu wenig Berücksichtigung gefunden hat. Allgemein schlug sich in ihm offenbar ein spontanes Bekenntnis der Arbeiter zu ihrer prononciertesten Klassenorganisation nach ihrer Entrechtung unter dem Faschismus bzw.seinen Besatzungsregimen nieder, zugleich die Hoffnung auf eine irgendwie geartete sozialistische Alternative der Zukunft. Die Gewerkschaften standen jedoch zunächst vor konkreteren Problemen.

Alle europäischen Wirtschaftssysteme waren vom Krieg durch negatives Wachstum betroffen einseitige Produktionsstruktur, mas18) senhafte Vernichtung von Werten, Ausplünderung, Tod, Verschleppung oder Kriegsdienst eines großen Teils der Arbeitskräfte, Zusammenbruch der Infrastruktur, extreme Einschränkung des außenwirtschaftlichen Austauschs. Nach der Befreiung befanden sie sich in einer akuten wirtschaftlichen Krise. Sie erforderte umfangreiche Produktionsumstellungen, in den Gebieten mit großen Kriegszerstörungen, insbesondere den Wiederaufbau der Infrastruktur (Verkehrs-und Versorgungsanlagen). Den wenigen einsatzfähigen Produktionsanlagen stand ein sich durch Vertreibung und die Rückkehr von Verschleppten, Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen auf dem Kontinent ständig vermehrendes Überangebot von z. T. überqualifizierter Arbeitskraft gegenüber — trotz der hohen Verluste an menschlichem Leben durch Krieg und Terror. Der Bedarf an Gütern aller Art übertraf bei weitem die Produktionskraft der Systeme, so daß die Krise vor allem durch eine umfassende Rekonstruktion und Leistungssteigerung der Produktion — zunächst vor allem in der Grundstoff-und Schwerindustrie, insbesondere im Kohlebergbau — überwunden werden mußte, sollte der Produktionsapparat so ausgeweitet werden, daß hinreichend Arbeitsplätze entstanden und die notwendigsten Bedürfnise der Bevölkerung befriedigt wurden.

Anders als in zyklischen Wirtschaftskrisen lag das Problem also nicht in Unterkonsumtion oder Überproduktion, es sei denn, wie teilweise in USA und Deutschland, an Kriegs-ausrüstungen, sondern in einer Ausweitung und Umstrukturierung des Produktionsapparats. Verstanden sich die Gewerkschaften nicht nur als Interessenvertreter einer jeweiligen Mitgliedsgruppe an Produktionsarbeitern, sondern als Anwalt der arbeitenden bzw.der arbeitswilligen Massen, so mußten sie in der Lähmungskrise ihre ganze Kraft auf die Förderung des Wachstums — Produktionssteigerung, Arbeitsdisziplin, Vermeidung von Streiks, Einwirkung auf eine planvolle Steuerung des Produktions-und Verteilungsapparats — konzentrieren, um Arbeitsplätze zu schaffen und den Güterausstoß zu erhöhen. Sie mußten gleichzeitig dafür sorgen, daß die Produktionsumstellung nicht (wie in den USA und anfänglich auch in Deutschland) durch Massenentlassungen in Rüstungsbetrieben auf dem Rücken der Arbeiter ausgetragen wurde. Und sie mußten alle im Hinblick auf die Friedensproduktion kurzfristig nicht ersetzbaren Elemente des Wirtschaftssystems — insbesondere die technisch hochqualifizierte Schicht des unteren Managements, der wissenschaftlich-technischen Intelligenz und des selbständigen Mittelstands — integrieren, um die Produktion wieder in Gang zu bringen und auszuweiten. Diese Aufgaben waren sozusagen ein ökonomischer Sachzwang, obwohl sie vom traditionellen Kampf der Gewerkschaften um eine Verminderung der Ausbeutung der Arbeitskraft abwichen. Und genau diese Aufgaben haben die Einheitsgewerkschaften und in ihnen die Kader aller parteipolitischen Ausrichtungen in allen europäischen Ländern, ob Ost, ob West, in den Jahren 1944 bis 1947 erfüllt. Ihre Funktion der Disziplinierung der Arbeitskraft im Sinne eines organisierten gesamtgesellschaftlichen Aufbaus machte sie so notwendig, daß sie auf politischem Gebiet hohe Forderungen — insbesondere nach Strukturreformen — an die politische Führung und die anderen gesellschaftlichen Kräfte stellen konnten.

Alternativen?

Gab es eine grundsätzliche Alternative? Zur Rechtfertigung, daß bei Kriegsschluß von den Partei-und Gewerkschaftsführungen nicht auf einen unmittelbaren Übergang zum Sozialismus — außer im überwiegend agrarischen Jugoslawien — gedrängt wurde, wird in der kommunistischen Literatur in der Regel auf das im Faschismus (und offenbar auch im antifaschistischen Kampf) verschüttete Klassenbewußtsein der Arbeiter hingewiesen Dieses Argument lenkt von den wirklichen Ursachen ab. Ein unmittelbarer Übergang zum Sozialismus hätte ökonomisch bedeutet, daß die oben skizzierten wirtschaftlichen Bedingungen durch zusätzliche Belastungen des Produktionsapparats (Mangel an Fachleuten, Ausfall von Arbeitszeit, bürgerliche Sabotage, weitere Lähmung der Infrastruktur) entschie19 den verschärft worden wären. Schon die Befriedigung der unmittelbarsten Lebensbedürfnisse der arbeitenden Massen erzwang den Verzicht auf eine punktuelle Revolution. Zweitens stand Westeuropa voller amerikanischer Truppen mit dem Auftrag, bei Seuchen und Unruhen einzugreifen. Revolution hätte also weiteren Krieg bedeutet, insbesondere wäre auch die Sowjetunion, die vor derselben akuten Mangellage stand, zur Intervention bei völlig offenen Erfolgschancen gezwungen worden. Da sie sich aber angesichts ihrer eigenen Krise in keine derartigen Abenteuer hineinziehen lassen wollte, duldete sie keine derartigen Unternehmungen in ihrem eigenen Machtbereich und entmutigte entsprechende KP-Initiativen in West-und Südeuropa. Sie favorisierte vielmehr eine schrittweise Politik, die national angepaßt und auch in ihrer Entwicklung verlangsamt oder gestoppt werden konnte Aber selbst ohne die militärische Stabilisierung der bestehenden Systeme durch die Amerikaner läßt sich das Ausbleiben der Revolution in einer kriegerischen Zusammenbruchskrise hochindustrialisierter Systeme schwerlich allein auf einen Mangel an gutem Willen zurückführen. Es gab zwar ein Potential revolutionärer Aktivisten, aber es war in regionale Partisanenverbände und lokale Ausschüsse zersplittert und parteipolitisch nicht zu koordinieren. Auch bestanden rein ökonomisch in den meisten europäischen Ländern ein hinreichender Kapitalstock und eine hinreichend qualifizierte Arbeitskraft, um hohe Wachstumsraten während der Rekonstruktionsperiode auch nach einer Vergesellschaftung der Produktionsmittel zu gewährleisten. Die Übergangskrise war jedoch eine zu hohe Schwelle, denn sie hätte den Versorgungsapparat vollends zusammenbrechen lassen und das Produktionsniveau nicht schnell anzuheben vermocht. Auch eine Revolution braucht Nachschub, soll sie nicht in Hunger und Terror ihrer Ziele entfremdet werden.

Die andere Alternative, das kapitalistische System durch Beendigung des kriegswirtschaftlichen Lenkungsapparats unmittelbar zuliberalisieren, können wir schneller beiseite schieben. Sie hätte die Kosten der Krise allein auf die Schultern der Arbeiter verlagert und gleichwohl eine Fülle von Staatseingriffen zur Überwindung der Lähmungskrise erfordert. Insofern hätte sie die Verbindung ökonomischer Liberalisierung mit einer politischen Rechtsdiktatur bedeutet, für die es in den befreiten Ländern keine Voraussetzungen gab. Bewaffnete Partisanen hätten der Reaktion der Arbeiterbewegung Nachdruck verliehen. Auf keinen Fall eignete sich diese Alternative als gewerkschaftliche Strategie.

Es bleibt also die Frage, welche Möglichkeiten konkret im — jetzt abgekürzt gesprochen — Konzept der Wirtschaftsdemokratie als Aufbauprogramm enthalten waren, insbesondere, ob es Alternativen zu seinem Scheitern gab. Um diese Möglichkeiten näher zu bestimmen, müssen mehr Variablen eingeführt und die nationale Konstellation in den wichtigsten Ländern verglichen werden.

III. Einheitsgewerkschaft und begrenzte Strukturreform: Italien

Vor allem Italien eignet sich zur Verdeutlichung der Besonderheiten der gewerkschaftlichen Entwicklung im besetzten Deutschland. Italien hatte 1943/44 nicht nur einen opportunistischen Schwenk auf die Seite der Alliierten vorgenommen, wie man dies für die Badoglio-Regierung und die soziale Führungsschicht feststellen könnte, sondern bereits Monate vor der alliierten Landung in Sizilien hatte sich die italienische Arbeiterklasse in weitgehend spontanen Streiks in den industriellen Zentren des Nordens als selbständige antifaschistische Kraft bewiesen. Derartige politisch-ökonomische Massenstreiks wurden in zunehmend organisierter Form in den nächsten zwei Jahren mehrfach auch gegen die deutsche Besatzung in Norditalien wiederholt und bildeten einen wesentlichen Rückhalt für den Aufbau des bewaffneten Partisanenwiderstandes. Diese führte in der Schlußphase des Krieges nicht nur sowohl in verschiedenen städtischen Zentren, wie in den so-genannten Partisanenrepubliken, zur Selbst-befreiung durch örtliche Aufstände, sondern auch zur Errichtung von Bastionen der Arbeitermacht in vielen Fabriken durch Befreiungsund Agitationskomitees. Während solche Aktionen seit Mitte 1943 Norditalien in den Rahmen der von deutschen Truppen besetzten europäischen Länder und ihrer aus nationalen und sozialen Motiven kämpfenden Befreiungsbewegungen einordnen, zeichnet sich das übrige Italien vor allem dadurch aus, daß es hier zu selbständigen Massenaktionen noch unter den Bedingungen des autochthonen faschistischen Regimes im Kriege gekommen war

Anders als in der Selbsttätigkeit der Arbeiterklasse zeigen sich, jedenfalls vor der deutschen Besetzung Norditaliens, auf der Ebene der politischen und gewerkschaftlichen Organisationen eher der deutschen Erfahrung vergleichbare Phänomene. Auch die Übergangsregierung Badoglios ist ja in die Nähe des konservativen Widerstands des 20. Juli 1944 zu stellen. Wie in Deutschland war auch in Italien der parteipolitisch und gewerkschaftlich organisierte Widerstand — als im Unterschied zu den spontanen Massenaktionen der Spätphase — schwach, isoliert und uneffektiv geblieben. Der Sturz des Regimes führte jedoch durch die Rückkehr von Führungsfunktionären der politischen Parteien und der Gewerkschaften aus innerer und äußerer Emigration zu einer schnellen Rekonstituierung der vorfaschistischen Organisationsspitzen. Wie auch im deutschen Widerstand geplant, begann die gewerkschaftliche Reorganisation unter Badoglio mit der Einsetzung gewerkschaftlicher Spitzenfunktionäre verschiedener Parteirichtungen als Kommissare in die Führungen der korporativistischen Organisationen des Faschismus, die wie in der DAF nach dem Industrieprinzip gegliedert waren. Zwar gab es von der Basis her Widerstand gegen diese Verwendung der faschistischen Organisationsformen, aber die Phase vor der deutschen Besetzung ist zu kurz, um den damit angelegten Konflikt in seinen Entwicklungsperspektiven zu beurteilen. Immerhin brachten die Führungsfunktionäre in dieser kurzen Frist sogleich ein Abkommen mit den Unternehlano, mern über die Wahl von Betriebsräten zustande, das „wilden" Aktionen in den Betrieben zuvorkam und sich als bleibende Grundlage der Arbeitervertretung in den Betrieben erweisen sollte. Schon diese ersten Ansätze zeigten indessen die Bereitschaft der gewerkschaftlichen Führungskader zur Zusammenarbeit mit den Unternehmern beim Wiederaufbau der Wirtschaft, wenn dadurch sofort umfassende gewerkschaftsähnliche Monopolorganisationen gesichert werden konnten. Dasselbe Interesse kennzeichnet die Konzeptionen Leuschners und Tarnows für die Umwandlung der DAF in eine umfassende Gewerkschaft mit Zwangsmitgliedschaft 1943/1944

Mit der Besetzung Norditaliens und der Flucht der Badoglio-Regierung aus Rom in den von den Alliierten besetzten Süden veränderten sich jedoch die Bedingungen für den gewerkschaftlichen Aufbau grundlegend. Der Umwandlung des Korporativismus von der Spitze her in eine Einheitsgewerkschaft entzogen nun im Norden die parteipolitisch inspirierten Widerstandsformationen, im Süden die Besatzungsmacht, die einen freien gewerkschaftlichen Wiederaufbau forderte zugleich den Boden. In der Folge entwickelte sich hieraus ein dualistisches System politisch-ökonomischer Klassenorganisation der Arbeiter in Italien. Es läßt sich grob als verhältnismäßig autonome Bildung gewerkschaftlicher Macht in der nationalen Spitze — im Süden — einerseits und an der betrieblichen Basis — im Norden — andererseits charakterisieren und sollte sich nach der Befreiung als ein nationales Zwei-Ebenen-System von langfristiger Bedeutung erweisen. Die Autorität der gewerkschaftlichen Spitze war — ganz anders als in den deutschen Westzonen und noch am ehesten dem Zustandekommen des FDGB der SBZ vergleichbar — abgeleitet von derjenigen der antifaschistischen Parteiführungen. Im Süden hatten sich zunächst parteipolitisch angelehnte Richtungsgewerkschaften (eine sozialistisch-kommunistische, eine überparteiliche und eine kathöHsche) gebildet. Sie wurden nach Verhandlungen zwischen gewerkschaftlichen Repräsentanten der nationalen Parteileitungen im „Pakt von Rom" vom 3. 6. 1944 in eine Einheitsgewerkschaft, Confederazione Generale Italiana del Lavoro (C. G. I. L.), zusammengeschlossen. Dabei wurde eine kombinierte horizontale und vertikale Organisationsstruktur in Aussicht genommen, bei der sich in der weiteren Entwicklung die regionalen und lokalen gegenüber den Industrieverbänden weitgehend durchsetzen sollten, nicht zuletzt weil parteipolitische Integration durch Proportionalwahlen und Minderheitenschutz auf diesen Ebenen vereinbart worden war. Allerdings dürfte auch von der autonomen lokalen und regionalen Machtbildung bei der Befreiung des Nordens erheblicher Einfluß ausgegangen sein. An der Spitze der Einheitsgewerkschaft standen ein Sozialist, ein Kommunist und ein Katholik als gleichberechtigte General-sekretäre, wobei sich in den folgenden Jahren durch eine personelle Zufallskonstellation in der Führung und geschickte Kader-politik das kommunistische Element eindeutig zum beherrschenden aufschwang

Gerade diese Erfolge der kommunistischen Organisationspolitik in der C. G. I. L. waren im Zuge ihrer Ausdehnung auf den befreiten Norden von entscheidender Bedeutung für ihre Rolle beim politischen und ökonomischen Aufbau Italiens. In einer extrem elastischen Politik — Togliatti trat sogar in die von der UdSSR anerkannte Badoglio-Regierung ein — legten die Kommunisten auch die Gewerkschaften auf den „antifaschistisch-demokratischen" Weg fest: Unterstützung einer Allparteienregierung zum Aufbau einer parlamentarischen Republik, personelle und ideologische Säuberung, Schutz der Produktionsumstellung und -Steigerung durch Zusammenarbeit mit den Unternehmern, durch Förderung der Arbeitsdisziplin und lohnpolitische Zurückhaltung. Bei der Ausarbeitung der Verfassung wurden dem Staat weitgehende Planungsmöglichkeiten eingeräumt, die politisch durch Beteiligung der Arbeiterparteien an der Regierung abgesichert schienen. Zugleich wurde die Möglichkeit künftiger Erweiterung der bereits von Mussolini vorgenommenen Verstaatlichung von Banken und Unternehmen des Energiesektors und der verarbeitenden Industrie eröffnet. Durch Übernahme zahlreicher staatlicher und kommuna-ler Positionen erschien die Arbeiterbewegung als integrierender Bestandteil des Systems; durch die Einrichtung von Arbeiterkammern und die Bildung von paritätischen Leitungsausschüssen in vielen Unternehmen des Nordens erwarb sie Mitbestimmungsmöglichkeiten in wirtschaftlichen und sozialen Fragen. Diese Leitungsausschüsse waren meist im Zuge des Befreiungskampfs auf Grund des Interesses der Unternehmer wie der Belegschaften am Schutz der Produktionsanlagen vor Vernichtung durch die Deutschen entstanden. Bei einem vom faschistischen Regime ohnehin stark erweiterten öffentlichen Sektor der Wirtschaft ließ sich diese Konstellation, trotz geringerer rechtlicher Absicherung, in ihrer Perspektive durchaus mit dem Konzept der Wirtschaftsdemokratie vergleichen. Die kommunistische Führung unterstützte die Verfassung, beteiligte sich an den Regierungen und strebte trotz eines Rechtsrucks 1947, der zu ihrem Ausscheiden aus dem Kabinett führte, in sie zurück. Die KP durfte sich zu Recht ihres Beitrags rühmen, nationale Streiks weitgehend verhindert bzw. auf kurzfristige und lokale Kämpfe begrenzt zu haben

Tatsächlich scheiterte diese Politik jedoch auf allen Ebenen. Ähnlich wie in Deutschland wurde der Grad der Zerstörung von Produktionsanlagen in Italien von den Zeitgenossen weit überschätzt. War die Kontinuität des Eigentums einmal im Prinzip anerkannt, wurde deshalb die Position der Bourgeoisie immer stärker, während das eigentliche Problem in einer akuten Zuspitzung der chronischen Unterbeschäftigung Italiens lag, die die ökonomische Position der Arbeiterklasse entschieden schwächte. Vor diesem Hintergrund muß die Arbeitsteilung in der Regierung gesehen werden: Sozialisten und Kommunisten übernahmen überwiegend den Apparat der Ar-beits-und Sozialverwaltung, während sie, z. T. aus bloßem Mangel an Konzepten und Experten, die entscheidenden Positionen in der Wirtschafts-und Finanzpolitik den bürgerlichen Partnern überließen. Diese wurden überwiegend von einer Gruppe altliberaler Ökonomen eingenommen, die sich in effektiven Einzelmaßnahmen für die Stabilisierung des Mittelstands und für eine zügige Liberalisierung des Wirtschaftssystems einsetzten, während sie den Planungsapparat nur zur Überwindung der Lähmungskrise benutzten und durch fiskalische Maßnahmen (Senkung der progressiven Besteuerung, Deflation ohne Sozialausgleich und Sicherung der Arbeitsplätze) die Kapitalakkumulation erleichterten

Da die Führung der C. G. I. L. im Zuge ihrer gesamtwirtschaftlichen Orientierung und des politischen Wiederaufbaupaktes einen dämpfenden Einfluß auf das Lohnniveau und auf die Proteste gegen die Verdrängung der lokalen Organe des Widerstandskampfes durch zentralisierte administrative und parlamentarische Institutionen ausübte, wurde die Kluft zwischen Basis und Führung nicht geschlossen. Neben der erwähnten Polarisierung der gewerkschaftlichen Entwicklung im Süden und Norden während der doppelten Besatzung waren für diese Kluft auch politische Perspektiven und ökonomische Bedingungen verantwortlich. Immer wieder war gegen Ende des nationalen Befreiungskampfes von Seiten sozialistischer und kommunistischer Partisanen der Versuch gemacht worden, die lokalen Aufstandsbewegungen in die Richtung einer sozialistischen Revolution weiterzutreiben. Die . antifaschistisch-demokratische'Strategie der kommunistischen Europakonzeption, deren Anwendung während der Anwesenheit anglo-amerikanischer Truppen in Italien zwingend erschien, bewirkte jedoch, daß die Organisationsspitzen solchen Bestrebungen jegliche Unterstützung entzogen: Symbol dafür wurde die sizilianische Stadt Ragusa, wo die Niederschlagung eines kommunistischen Aufstandsversuchs von der nationalen Parteiführung gutgeheißen wurde. Während der Jahre 1945 und 1946 wurde an der Basis zäh an der Bewahrung der Organe des Befreiungskampfes festgehalten, während die erstarkten Unternehmer die paritätischen Leitungsausschüsse aushöhlten und die staatliche Verwaltung sich gegen die Konkurrenz der Befreiungsausschüsse durchsetzte. Noch schwerwiegender war, daß bei der gewerkschaftlichen Lohnstabilisierungspolitik die Nachkriegsinflation und die Umstellung der Rüstungsbetriebe voll auf die Lebenshaltung und die Beschäftigungsverhältnisse der Arbei-ter durchschlugen. Während sich die nationalen Führungen der Arbeiterbewegung um die Vermeidung von Streiks bemühten, wurde das Land von Wellen spontaner oder lokal organisierter Streiks mit meist kurzer Dauer und Protestcharakter überzogen Ihre Unfähigkeit, die Arbeiter im allgemeinen oder auch nur ihre unteren Organe zu disziplinieren, machte die Bündnispolitik der Organisationsspitzen mit dem Bürgertum unglaubwürdig, während umgekehrt deren Betonung die mangelnde Integrationskraft der Eliten unterstrich. Damit wurde auch die Volksfronteinheit brüchig. Antikommunismus eignete sich seit 1946 zunehmend als Medium zur Schwächung der Arbeiterbewegung.

Schon die Forcierung der Einheitsfront zwischen Kommunisten und Sozialisten hatte zu sozialdemokratischen Absplitterungen geführt und die Spannungen innerhalb der Einheitsgewerkschaft erhöht. Die Entlassung der Kommunisten aus der Regierung und die absolute Mehrheit für die Christlichen Demokraten, die sich 1948 als antikommunistische Abwehrfront gegen den kommunistisch-sozialistischen Volksblock empfohlen hatten, sprengten auch die C. G. I. L., aus der sich im Herbst 1948 eine regierungstreue katholische Richtungsgewerkschaft (L. C. G. I. L.) mit tarifpolitischer Orientierung, später auch Teile der liberalen und sozialistischen Gewerkschafter organisatorisch verselbständigten. Als Katalysator der Spaltung hatte das forciert politische Gewerkschaftsverständnis der Kommunisten gewirkt, von dem sich angesichts des verengten ökonomischen Spielraums und amerikanischer Wohlverhaltensforderungen für die Einräumung von Krediten die anderen Richtungen distanzierten und auf die Vertretung der unmittelbaren Interessen ihrer Anhänger zurückzogen. Nachdem das ökonomische Kampfpotential der Arbeiter in den Jahren 1945/46 nicht in einen politisch-ökonomischen Kampf der kommunistisch dominierten Gewerkschaften verwandelt worden war, folgten zwar 1947/48 noch große Massen den Aufrufen zu politischen Streiks aus Protest gegen den Marshallplan und gegen ein Attentat auf Togliatti, aber diese Aktionen beschleunigten nur den organisatorischen Zerfall und erschöpften sich jeweils bald im Demonstrativen Die Rekonstruktion der liberalen Wirtschaftsordnung bei anhaltender Unterversorgung und Unterbeschäfigung (und übrigens auch der Aufbau eines gewaltigen Polizeiapparats) hatte das Potential für eine anhaltende Kampftätigkeit zusammenschmelzen lassen, da politischer Protest und einlösbare ökonomische Forderungen zunehmend auseinanderklafften. Mit der Rückkehr des Systems zur Emigration als Ersatzheilmittel der chronischen, nun wieder unverschleierten Unterbeschäftigung war der Einheitsgewerkschaft die strategische Position entzogen.

IV. Beschränkte Einheitsgewerkschaft und Strukturreform: Frankreich

Die Entwicklung der einheitsgewerkschaftlichen Bewegung in Frankreich weicht vor allem durch wesentlich andere historische Rahmenbedingungen von derjenigen in Italien — und Deutschland — ab. Die Kontinuität und Eigenständigkeit der französischen Parteien und Gewerkschaften wurde weder von einem autochthonen Faschismus völlig vernichtet noch wurde ihre Weiterentwicklung nach der Befreiung schon im Ansatz durch eine angloamerikanische Besatzung gesteuert. Beide Faktoren übten hier vielmehr nur einen indirekten Einfluß aus. Gleichwohl finden sich zahlreiche Gemeinsamkeiten mit Italien, die sich insbesondere auf das parallele Verhalten der Kommunisten zurückführen lassen.

Auch hier sind sie die treibende Kraft der Vereinigung der Gewerkschaften und gewinnen durch taktische Überlegenheit beherrsehenden Einfluß auf ihre Organisation. Darüber hinaus können sie einen massenhaften Mitgliederzustrom als Folge des Prestiges, das ihnen ihr dynamischer Einsatz in der Resistance in der zweiten Kriegshälfte erbracht hatte, verbuchen. Auch hier findet sich die Polarisierung zwischen der Koalitionspolitik der Führungskader und den häufig auf einen revolutionären Aufbau drängenden autonomen Widerstandsorganen auf lokaler Ebene (hier vor allem im Süden), die durch die zentralisierten Institutionen der Verwaltung, des Parlaments und der Verbände zurückgedrängt werden. Auch hier werden die aus Moskau zurückgekehrten Exilführer der KP zu Vorkämpfern dieser Normalisierung innerhalb der Linken, vertreten aktiv den bürgerlich-proletarischen Aufbaupakt der drei Massenparteien (P. C. F., S. F. I. O., M. R. P.) und setzen ihr Prestige gegen lokale Hungerstreiks und sonstige ökonomisch motivierte, sich spontan entfaltende Arbeitskämpfe ein. Und wie in Italien streben auch hier die Kommunisten nach ihrer Entlassung aus der Regierung im Frühjahr 1947 zurück in das Bündnis und setzen über Monate hinweg ihre Kooperationspolitik fort — bis zu den Auseinandersetzungen über den Marshall-Plan

Indessen traf hier das einheitsgewerkschaftliche Experiment von Anfang an in der Arbeiterbewegung selbst auf Widerstand, deren Traditionen aus der Dritten Republik durch den Dröle de Guerre, Vichy, die Resistance und die Exilregierung de Gaulles hindurch wirksam blieben. Außer in Spanien hatten Sozialisten und Kommunisten in Europa nur in Frankreich die Erfahrung einer Volksfrontregierung gemacht. Sie bewirkte zunächst eine verstärkte Abgrenzung der beiden Parteien gegeneinander und 1939 anläßlich des Hitler-Stalin-Pakts die Ausstoßung der Kommunisten aus der Confederation Generale de Tra-vail (C. G. T.), mit der sie bei der Vorbereitung der Volksfrontpolitik ihren zuvor unbedeutenden Gewerkschaftsapparat zusammengeschlossen und in der sie während der von ihnen nur tolerierten Regierung Blum zunehmenden Einfluß gewonnen hatten. Die christlichen Gewerkschaften C. F. T. C., damals noch eine wenig bedeutende klerikale Bewegung, waren abseits geblieben und hatten Volksfrontgegner gesammelt Wie die Kommunisten durch ihren revolutionären Defätismus während des Hitler-Stalin-Pakts, so waren auch Teile der Sozialisten durch ihre Kollaboration mit dem Vichy-Regime im Sinne des nationalen Selbstverständnisses der Exilregierung de Gaulles und der Resistance schwer belastet. Vichy verbot sowohl C. G. T. wie C. F. T. C. und ersetzte sie durch korporativisti29) sehe Organisationen; beide bewahrten jedoch beträchtlichen Zusammenhalt in der Illegalität. So kam es z. B. im Mai 1941 zu einem großen Bergarbeiterstreik in Nordfrankreich. Das natürliche Bündnis schien sich deshalb zunächst zwischen der C. F. T. C. und dem nichtkollaborationistischen Teil der C. G. T.

anzubahnen. Sie einigten sich auf ein gemeinsames Manifest, das den Kapitalismus für die Niederlage Frankreichs verantwortlich machte. Die politischen Funktionen des Staates sollten von den ökonomischen der Gewerkschaften getrennt und die Produktion durch verbindliche Planung geleitet werden Nachdem sich jedoch Ende 1941 die KP, befreit vom Hitler-Stalin-Pakt, mit eigenen dynamischen Organisationen dem nationalen Widerstand angeschlossen hatte, betrieb sie erfolgreich die Wiederannäherung an die alte C. G. T. -Führung. Durch die „Vereinbarungen von Perreux" vom 17. 4. 1973 wurden drei Kommunisten in die achtköpfige illegale Gewerkschaftsleitung ausgenommen. In den Industrieverbänden und in den Lokalorganisationen sollten die parteipolitischen Verhältnisse wiederhergestellt werden, die vor der Trennung 1939 bestanden hatten Die vereinigte C. G. T. war durch einen den Kommunisten nahestehenden Parteilosen im „Nationalen Befreiungsrat" der Resistance vertreten. Von ihm wurde ein Programm ausgearbeitet, dessen ökonomische Kernforderungen — Nationalisierung der Monopole, Bodenschätze und Banken, staatlich geplanter Wiederaufbau der Wirtschaft — an die sozialistische Programmatik der Zwischenkriegszeit anschlossen, während die Kommunisten nur die Enteignung der Kollaborateure forderten, d. h. einen Punkt, der unter den Resistance-Organisationen allenfalls wegen mangelnder Präzision strittig war. Obwohl insbesondere die Kommunisten drängten, kam es jedoch zu keiner Fusion der wiedervereinigten C. G. T. mit der C. F. T. C. Die christlichen Gewerkschaften gingen zwar im nationalen Widerstandskampf und im sozioökonomischen Bereich ein Aktionsbündnis mit der C. G. T. ein, befürchteten jedoch, bei einer Fusion im politischen Sog der weit größeren C. G. T. ihren besonderen kulturpolitischen Forderungen keine Geltung mehr verschaffen zu können und organisationspolitisch ins Schlepptau der Kommunisten zu geraten. Im Gegensatz zur Kollaboration der kirchlichen Hierarchie waren die christlichen Gewerkschaften jedoch ein aktiver Bestandteil der Resistance und beteiligten sich am gewerkschaftlichen Kampf gegen die deutsche Besatzung durch Streiks und Sabotage. Das Aktionsbündnis bewährte sich bei großangelegten Aktionen während der Befreiung, insbesondere während des am 18. 8. 1944 ausgerufenen Generalstreiks, der die inneren Voraussetzungen zur Befreiung von Paris schuf

Nach der Befreiung gewannen beide Gewerkschaften gewaltig an Mitgliedern: die C. G. T. erreichte erneut ihre höchsten Zahlen aus der Zeit der Volksfront 1936 mit rd. fünfeinhalb Millionen, die C. F. T. C. mit etwa einer Drei-viertelmillion einen absoluten Höchststand. Da diese auch jetzt auf ihrer organisatorischen Eigenständigkeit beharrte, wurde der einheitsgewerkschaftliche Ansatz in Frankreich auf ein kommunistisch-sozialistisches Bündnis reduziert. Aber auch dieses erwies sich im Vergleich mit Italien als weniger geschlossen, da die französischen Sozialisten wenigstens teilweise ihre Kontinuität bewahrt hatten und auf eine geschlossenere und erfolgreichere Tradition zurückgreifen konnten. Anders als die linke Mehrheit der italienischen Sozialisten grenzte sich die S. F. I. O. von der P. C. F.organisatorisch ab und schuf in der Regierung durch Zusammenarbeit mit der M. R. P., einer damals überwiegend fortschrittlichen katholischen Massenpartei, ein Gleichgewicht gegenüber dem Sog des kommunistischen Koalitionspartners. Diese Distanz konnte auf die Dauer auch die Einheitsgewerkschaft nicht ausnehmen, da diese in der Lähmungskrise weniger als wirtschaftlicher Interessenverband denn als ordnungspolitisches Instrument wirkte. Sie zeigte sich seit 1946 durch eine zunehmende sozialistische Fraktionierung innerhalb der C. G. T., die sich insbesondere der kommunistischen Kaderpolitik und der Umwandlung der Gewerkschaft in einen politischen Massenverband widersetzte. Auf beiden Gebieten bezahlten die Sozialisten ihre ambivalente Bündnispolitik mit beträchtlichen Verlusten an Wählern bzw. gewerkschaftlichen Anhängern sowie mit innerparteilichen Zerreißproben

Auf der anderen Seite war es das Verdienst des mit den beiden großen Gewerkschaften verbündeten Systems der drei Regierungsparteien, daß ein großer Teil der im Programm des „Nationalen Befreiungsrates" vorgesehenen Strukturreformen 1945/46 in die Wirklichkeit umgesetzt wurde: Nationalisierung der Bodenschätze, großer Verkehrsbetriebe, der größten Banken und Versicherungsgesellschaften, Enteignung von Kollaborateuren (insbesondere der Renault-Werke), Einrichtung wirtschaftlicher Planungsinstrumente des Staates, Beteiligung der Gewerkschaften und Verbraucherverbände an der Aufsicht über die nationalisierten Unternehmen, gesetzliche Absicherung der Betriebsräte, Ausbau der Sozialversicherung. Mochte auch diese Politik noch gegenüber sozialistischen Forderungen zurückbleiben, so kam sie doch von allen derartigen Versuchen im westlichen Bereich der wirtschaftsdemokratischen Zielvorstellung in der Praxis am nächsten

Die Strukturreformen lösten jedoch die wirt-schafts-und finanzpolitische Problematik des Wiederaufbaus nicht. Vielmehr ergab sich durch die Vermeidung eines wirksamen Lastenausgleichs und die schrittweise Liberalisierung der Wirtschaft ein ähnlicher Widerspruch zwischen bürgerlicher Rekonsolidie-rung auf der einen Seite und Unterversorgung und Unterbeschäftigung der Arbeiter auf der anderen, wie er für Italien mit seinen weit weniger eingreifenden Strukturreformen charakteristisch war. Auch die Führung der P. C. F. konnte dem ökonomischen Druck ihrer Basis — am wichtigsten war ein umfassender Lohnstreik auf den nationalisierten Zechen — nicht dauernd aus politischen Gründen widerstehen und mußte schließlich widerstrebend die Führung eines spontanen Streiks in ihrer Hochburg Renault übernehmen Der sozia-listische Regierungschef, der mit den USA über Kapitalhilfe verhandelte, nahm dies zum Anlaß, die K. P. F. aus der Regierung zu entlassen. Obschon in die Opposition gedrängt, verhielt sich die kommunistische Parteiführung noch über Monate des Frühsommers 1947 hinweg als „Partei der Regierung“, aber in der staatlichen Lenkung war im Takt mit der amerikanischen Initiative in Europa eine Gewichtsverlagerung nach rechts eingetreten. Diese Entwicklung förderte entscheidend die Fraktionierung innerhalb der C. G. T., die mit der Abspaltung der sozialistischen Force Ou-vriere (C. G. T. /F. O.) endete, nachdem die Kom-, munisten die Gewerkschaft zur Entfesselung der schon aus Italien bekannten politischen Streiks gegen den Marshallplan benutzt hatten. Zwar blieben diese auch in Frankreich in der Demonstration stecken, aber wie in Italien hatte die herausragende Beteiligung der KP an der Befreiungsbewegung und an der Nachkriegskoalition bewirkt, daß die Spaltung der Kader der Einheitsgewerkschaft keinen entsprechenden Mitgliederabfluß nach sich zog. Die C. G. T. blieb die beherrschende politisch-ökonomische Interessenvertretung der französischen Arbeiter, die F. O. eine auch im Vergleich mit der C. F. T. C. relativ unbedeutende Richtungsgewerkschaft

V. Einheitsbewegung ohne Einheitsorganisation, Strukturreform ohne Mitbestimmung: England

Daß die einheitsgewerkschaftliche Bewegung der frühen Nachkriegsjähre zwar ohne sozialistisch-kommunistische Zusammenarbeit undenkbar, aber doch kein bloßes Ergebnis einer kommunistischen Übermacht war, wie dies vielleicht die Entwicklung in den romanischen Ländern vermuten lassen könnte, zeigt der Vergleich mit England. Die KP Großbritanniens war zwar nach ihrem Einschwenken auf die Volksfrontlinie und namentlich seit 1941 aus ihrer sektenhaften Isolierung herausgekommen und errang während des Krieges die Führung in einer Reihe gewerkschaftlicher Einzelverbände bzw. Regionalorganisationen. Die Auseinandersetzungen über die Aufnahme der KP als korporatives Mitglied in die Labour Party zeigten jedoch, daß die Kommunisten und ihre Fürsprecher 1943 nur wenig mehr als ein Drittel, 1946 nicht einmal mehr ein Fünftel der Stimmen auf den gewerkschaftlich dominierten Parteitagen abgeben konnten, wobei die Fürsprecher ihrerseits eine große Mehrheit über die eigentlichen kommunistischen Militanten ausgemacht haben dürften Zwar war deren Stellung im Gewerkschaftskongreß T. U. C. wesentlich stärker, zumal die Grenzen zum übrigen linken Flügel fließend waren; gleichwohl ist dieser sicher nicht allein oder unmittelbar verantwortlich für die epochale T. U. C. -Initia-tive zur Überwindung der Spaltung der internationalen Gewerkschaftsbewegung. Diese entsprang vielmehr der Lage von 1941, als nur noch die Sowjetunion und Großbritannien die bedrängten Kriegsgegner des deutschen Faschismus waren und der T. U. C. dies zum Anlaß nahm, eine sowjetisch-britische Gewerkschaftskommission zu initiieren. Dieser Ansatz wurde in den folgenden Jahren zur Gründung eines einheitlichen Weltgewerkschaftsbundes am 30. 5. 1945 ausgeweitet, der kommunistische, frei-und einheitsgewerkschaftliche Organisationen mit Ausnahme der Föderation der gewerkschaftlichen Industrieverbände in USA, A. F. L., zusammenführte Ähnlich wären ohne das politische Gewicht des linken, weit über die Kommunisten hinausgehenden Flügels des T. U. C. die großen sozialpolitischen Fortschritte der Kriegskoalition und der Labour-Regierung schwerlich zustande gekommen. Andererseits waren auch diese epochenmachenden Reformen auf den Gebieten Sozialversicherung, öffentliche Gesundheitsfürsorge, Bildungsreform und Städte-bau eher liberalen und technokratischen Innovationen zu verdanken als aus sozialistischen oder gar marxistischen Theorien abzuleiten Neben der Initiative zur politischen Gewerkschaftseinheit und den sozialpolitischen Fortschritten gab es vom linken Flügel weniger abhängige Entwicklungstendenzen, welche die britischen mit den kontinentalen Perspektiven der Einheitsgewerkschaft verbanden. Zu nennen sind zunächst die großen Organisationsfortschritte des T. U. C., mit denen die Niederlagen der Zwischenkriegszeit mehr als wettgemacht wurden. Das Rückfluten alter Mitglieder in die Organisation und deren Zu-gewinn verteilten sich nicht gleichmäßig auf alle Verbände der stark in Berufs-und Regionalorganisationen zersplitterten englischen Gewerkschaftsbewegung, sondern stützten namentlich die großen Verbände und hier wiederum jene im T. U. C. Gegenüber 1930 hatte sich 1945 die durchschnittliche Größe der T. U. C. -Verbände verdoppelt, ihre Anzahl um 10% auf 192 gesenkt, ihre Gesamtmitgliedschaft auf sechseinhalb Millionen nahezu verdoppelt, von denen sich über die Hälfte in sechs Großgewerkschaften konzentrierte. Der Anteil der im T. U. C. vereinigten Gewerkschaften an allen Gewerkschaftsmitgliedern erreichte einen auch später nicht mehr erreichten Höchststand von 84, 7 °/o. Auch in den ersten fünf Nachkriegsjahren ist die Konzentration zugunsten der Großverbände weitergegangen, der T. U. C. konnte jedoch sein Monopol proportional bis zur Mitte der 60er Jahre nicht weiter ausdehnen. Gegenüber dem Ende des Ersten Weltkrieges war am Ende des Zweiten die Anzahl der Einzelgewerkschaften halbiert, wenngleich mit 780 immer noch sehr hoch. Angesichts der außerordentlich schwierigen, zersplitterten Voraussetzungen kann jedoch festgestellt werden, daß in der Kriegs-und unmittelbaren Nachkriegsphase eine erhebliche Ausweitung der Mitgliedschaft mit entschiedenen Fortschritten in die Richtung vereinheitlichender Organisationen zur Zusammenfassung in einem nationalen Gewerkschaftskartell und zu großen Industriegewerkschaften verbunden war. Zusammen mit der im Krieg erfolgten Öffnung nach links wird deshalb auch unter den spezifisch britischen Voraussetzungen die Perspektive der Einheitsgewerkschaft in politischer und organisatorischer Hinsicht erkennbar

Diese Fortschritte wären ohne eine gemeinsame Politik nicht denkbar gewesen. Obwohl es gegen Ende des Krieges zunehmend spontane Lohnstreiks gab, blieben seit 1941 die Führungen des T. U. C., der Labour-Party und der KP bei der Unterstützung der Bemühungen der Regierung Churchill um die Erhöhung der Produktion und die Stabilisierung der Löhne. Bevin, der prominenteste Gewerkschaftsvertreter im Kabinett, konnte sogar als Arbeitsminister durchsetzen, daß organisierte Streiks für illegal erklärt wurden, eine Regelung, welche die Labour-Regierung bis 1951 verlängerte Produktionssteigerung, Lohnstabilisierung und Streikvermeidung bei Vollbeschäftigung sollten sich jedoch in der sich nach dem Krieg verschärfenden englischen Finanz-und Außenwirtschaftskrise als Zerreißprobe zwischen Labour-Regierung und T. U. C. und hier wiederum zwischen Linken und Rechten, Basis und Führung erweisen Die in mehr oder minder spontanen Streiks ohne gewerkschaftliche Organisation verbrachten Arbeitstage sprechen eine beredte Sprache: 1944 3, 7 Mio., 1945 2, 8 Mio., 1946 2, 1 Mio., 1947 2, 4 Mio. Unter dem Lohnstopp von 1948 senkte sich die Ziffer der Streiktage unter die 2-Millionen-Grenze, um sie erst 1952 wieder zu überschreiten

Charakteristisch schließlich für die trade-unionistische Abwandlung der epochalen einheitsgewerkschaftlichen Bewegung ist die Haltung des T. U. C. zum Programmkomplex der Strukturreformen. Großbritannien entwikkelte in der Rekonstruktionsphase nicht nur die staatlichen Planungsinstrumente der Kriegswirtschaft weiter, sondern die Labour-Regierung, maßgeblich getragen vom T. U. C., führte eine Serie spektakulärer Nationalisierungen durch, beginnend mit der Bank of England, dem Transportgewerbe und anderen infrastruktureilen Schlüsselbereichen wie dem Gesundheitswesen sowie der Elektrizi-täts-und Gaswirtschaft über die Verstärkung öffentlicher Planungsund Enteignungsrechte für die Gründung neuer Städte bis zu Kohle und Stahl. Sicher waren diese Maßnahmen nicht auf Druck der Kommunisten zustande-gekommen; sie entsprachen weit eher der technokratischen Tradition der rechtssozial-demokratischen Fabier, ja es ist überhaupt in Zweifel gezogen worden, ob derartige Teilsozialisierungen im Interesse der Arbeiterklasse lägen Die Nationalisierungen der Labour-Regierung hatten (wenn auch z. T. durch die Deckung eines Nachholbedarfs) einen größeren Umfang als in irgendeinem anderen westlichen Land in dieser Phase und überstiegen auch die kurzfristigen Ziele der Arbeiterbewegung in Westdeutschland.

Ganz im Gegensatz zum Kontinent wollten die englischen Gewerkschaftsführungen aber nicht an der Leitung der nationalisierten Unternehmen beteiligt werden, es sei denn vermittelt über den parteipolitischen und staatlichen Lenkungsapparat. Aus ihrer Tradition heraus verstanden sie Mitbestimmung einerseits als Ausdruck eines linken Syndikalismus, wie er sich ihnen in der innerbetrieblichen Konkurrenz der Shop-Stewards, des Guild Socialism und der Workers Control nach dem Ersten Weltkrieg dargeboten hatte, und andererseits als Bedrohung gewerkschaftlicher Kampfsubstanz durch unternehmer-freundliche Konsultativausschüsse in den Betrieben. Die Gewerkschaftsführer wollten das Prinzip der Tarifautonomie auch im nationalisierten Sektor nicht beeinträchtigen. Entsprechend der englischen Demokratietradition legten sie industrielle Demokratie als Übertragung der parlamentarischen Auseinandersetzung zwischen Regierung und Opposition auf den oppositionellen Kampf der Arbeiter um ihre Arbeits-und Lebensbedingungen auch gegen die nationalisierten Untemehmensregierungen aus. Gewerkschaftliche Teilnahme an der Unternehmensleitung lasse ambivalente Verantwortlichkeiten entstehen, was angesichts verbreiteter Selbsttätigkeit der Basis in der britischen Arbeiterbewegung hieß: eine Legitimitätskrise der Gewerkschaftsführungen. Der T. U. C. unterstützte deshalb die Nationalisierungspolitik im Sinne erhöhter gesamtwirtschaftlicher Rationalität, lehnte aber seine Beteiligung an der Führung und Kontrolle dieser Betriebe ab. Als Kompromiß wurden jedoch eine Reihe der bedeutendsten Gewerkschaftsführer in die Aufsichtsorgane der nationalisierten Sektoren berufen, die dadurch jedoch ihre gewerkschaftlichen Funktionen verloren. Freilich konnte damit der Vorwurf, Pfründen für die gewerkschaftlichen Eliten geschaffen zu haben, nicht vermieden werden, der auftauchte, sobald sich herausstellte, daß Lage und Löhne der Arbeiter sich durch die Nationalisierung ihrer Betriebe nicht grundlegend veränderten

VI. Versagte Einheitsgewerkschaft und vertagte Strukturreformen: Westdeutschland

Zwar lassen sich auch für das besetzte Deutschland und insbesondere die Westzonen ähnliche einheitsgewerkschaftliche Entwicklungsrichtungen in der Organisationsund Funktionsfrage feststellen wie in den anderen großen Industrieländern Europas. Im Vergleich erscheint als deutsches Kennzeichen jedoch der Widerspruch zwischen besonders geringen machtpolitischen Entfaltungsmöglichkeiten der Arbeiterbewegung und einer umfassenden programmatischen Erwartung in Gestalt einer gemeinwirtschaftlichen Utopie. In der Literatur besteht die Gefahr, diese Perspektive mit der erzwungenen Rolle der Basis bei der Gründung der Gewerkschaften zu einem dynamischen sozialistischen Potential zu synthetisieren, dem repressive Besatzungsmächte als rein exogene Faktoren gegenübergestellt werden. Wird aber die Frage nicht beantwortet, warum namentlich Franzosen und Amerikaner dazu in der Lage waren, eine zügige Herausbildung einer Einheitsgewerkschaft in Deutschland zu verhindern und die Realisierung grundlegender Programmpunkte teils zu untersagen, teils zu vertagen, wird der problematische Kontrast im Theorie-Praxis-Verhältnis verfehlt.

Die Chance wie auch das Haupthindernis der einheitsgewerkschaftlichen Bewegung in Deutschland lassen sich darauf zurückführen, daß hier die Arbeiterbewegung durch den Faschismus eine so fundamentale Niederlage erlitten hatte, daß sie in organisierter Form überhaupt verschwunden war. Der Ausfall demokratischer Gegengewichte — liberaler Institutionen und der organisierten Arbeiterbe-wegung — ermöglichte erst den selbstdestruktiven Amoklauf, den die kapitalistische Gesellschaft in Deutschland unter Führung der Nationalsozialisten 1933 antrat. Insofern weist der Verlust der nationalen Souveränität am Kriegsende, der auch die Entwicklung von Parteien und Gewerkschaften unmittelbar von den jeweiligen Interessen der Siegermächte abhängig machte, auf das gemeinsame und jeweilige Versagen der Organisationen gegenüber dem Nationalsozialismus in der Weltwirtschaftskrise zurück. Die Selbstisolierung der RGO und die „Gleichschaltung von innen" mit der freie und christliche Gewerkschaftsführer ihre Organisationen auch im Dritten Reich zu bewahren hofften, hatten teils die Einheit der Gewerkschaften, teils die Mobilisierung ihrer Kampfkraft verhindert. Gemeinsamer Kampferfahrung bar, konnte die Arbeiterklasse nicht zu gemeinsamem effektiven Widerstand geleitet werden Die Verfolgung gewerkschaftlicher und parteipolitischer Kader im Faschismus trieb diese, wo nicht in Haft und Tod, in die Vereinzelung der inneren und äußeren Emigration.

Es war jedoch bezeichnend für den Klassencharakter gewerkschaftlicher Organisation (im Unterschied zum Sammlungscharakter parlamentarischer Parteien), daß die organisatorische Einigung der Arbeiterbewegung bei den Vorüberlegungen im Widerstand und in der Emigration ihre größten Fortschritte auf gewerkschaftlichem Gebiet erzielte. Die gemeinsame Tendenz zur organisatorischen und politischen Vereinheitlichung meinte jedoch nicht, daß überall nach Form und Inhalt dieselbe verfolgt worden wäre. In der Emigration reflektierten die Ansätze der deutschen Gewerkschaftsgruppen unübersehbar die Grundströmungen ihrer Gastländer; ähnliches läßt sich auch für Deutschland behaupten, insofern im gewerkschaftlichen Widerstand velfach die DAF als Ausgangspunkt einer demokratischen Gewerkschaftsentwicklung hingenommen wurde. Organisatorisch lassen sich im wesentlichen drei Haupttypen unterscheiden:

Spitzenfunktionäre des ADGB und der christlichen Gewerkschaften im Widerstand und in der Schwedischen Emigration wollten die nach Industrieverbänden gegliederte DAF in einem Prozeß demokratischer Evolution ihrer korporativistischen Züge entkleiden Die Kommunisten vertraten das an die Erfahrung in ihren romantischen Hochburgen angelehnte Modell der sog. „Eintopfgewerkschaft", einer politischen Einheitsgewerkschaft, in der die politische Machtbildung auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene die überhand gegenüber der ökonomischen Orientierung der Industrie-und Branchenverbände haben sollte Im Bannkreis des Internationalen Gewerkschaftsbundes entwickelte die gewerkschaftliche Emigration in England hingegen ein Modell, das den organisatorischen Akzent weniger eindeutig setzte und anstelle der politischen Vereinigung von Sozialdemokraten und Kommunisten mit der Betonung parteipolitischer Neutralität mehr als Angebot an die christlichen Gewerkschaften zu verstehen war

Alle drei Modelle wurden, sobald die Alliierten Deutschland besetzten, in den lokalen gewerkschaftlichen Gründungsversuchen virulent;

daneben gab es Varianten wie lokale Betriebsobleutebewegungen sowie die Wiederanknüpfung branchengewerkschaftlicher Funktionäre an ihr früheres Geschäft. Maßgeblich für die Vermittlung dieser Modelle in die örtlichen Gründungsgruppen war die in der bisherigen Literatur unterschätzte Bedeutung der Rückkehr zahlreicher Gewerkschafter aus der Emigration, die häufig mit den ersten alliierten Truppen bereits nach Deutschland kamen. Allgemein bekannt ist dies von den KP-Gruppen, die der Roten Armee atta-citiert waren; auch im Westen gab es jedoch zahlreiche Delegierte des „Nationalkomitees Freies Deutschland für den Westen", die aus Frankreich, der Schweiz und Belgien vor allem nach Westund Süddeutschland geschleust wurden. Schließlich ist eine Gruppe von Sozialdemokraten aus der englischen Emigration zu nennen, die als Mitarbeiter des amerikanischen Nachrichtendienstes „OSS" sogleich in den wichtigsten deutschen Großstädten eingesetzt wurden und, obwohl in nur beratender Funktion, durch ihren Informationsvorsprung und ihre Beziehungen bedeutende programmatische und organisatorische Hilfestellung gaben

Dieser mittelbaren Hilfe standen sehr unmittelbare Eingriffe der Alliierten in die gewerkschaftliche Selbstorganisation gegenüber. Die Sowjets förderten das Modell der „Eintopfgewerkschaft" als Zonen-und möglichst Reichsverband mit zentraler, von oben parteipolitisch zusammengesetzter Leitung, für das auch in anderen Zonen bei starker kommunistischer Beteiligung gewöhnlich der Name FDGB gewählt wurde. Alle Besatzungsmächte gaben der Rückwandlung der DAF zur Gewerkschaft, wie sie z. B. Hans Böckler in Köln und Markus Schleicher in Stuttgart anstrebten, keine Chance. Die Amerikaner favorisierten Gewerkschaften als branchenmäßig organisierte ökonomische Interessenvertretung. Engländer und Amerikaner erzwangen mit einem Stufenplan den Aufbau der Organisationen von der betrieblichen und lokalen Ebene her und verhinderten damit eine schnelle gewerkschaftliche Machtbildung bei höheren Führungskadern der Weimarer Zeit, während die Franzosen Landesverbände zuließen, aber dem Zusammenschluß von Reichsgewerkschaften zähen Widerstand entgegensetzten Neben der Emigration und den Mili52) tärregierungen spielte noch die Aktivität ausländischer Gewerkschaften eine Rolle, die — z. T. mit der Besatzungsmacht koordiniert — die deutschen Kollegen für die Übernahme ihrer eigenen gewerkschaftlichen Organisationsformen und Ziele gewinnen wollten. Am längsten engagierte sich die amerikanische AFL, die das stufenförmige Wachstumsmodell der Militärregierung ablehnte, weil sie von ihm, wohl gegen seine Intentionen, eine Förderung des kommunistischen Einflusses erwartete und statt dessen die Bildung ökonomisch orientierter Industrieverbände in den Westzonen unter namhafter Beteiligung der reformistischen Gewerkschaftseliten der Vorkriegszeit befürwortete. Wichtig wurde daneben eine Delegation des T. U. C., die den Gewerkschaftsführern der britischen Zone klarmachte, daß die Briten sich mit keiner Form zentralistischer Einheitsgewerkschaften, seien sie nun vom DAF-oder vom KP-Modell her entwickelt, einverstanden erklären würde

Damit waren in der Organisationsfrage Vor-entscheidungen getroffen, die darauf hinausliefen, daß der Gewerkschaftsaufbau eine große Vielfalt zeigen und zunächst auf der regionalen und Zonenebene stagnieren würde. Von vornherein war er auf zwei getrennte Wege festgelegt: Einmal den der politischen, zentralen Einheitsgewerkschaft im Machtbereich der Sowjetunion und in westlichen Lokalorganisationen mit besonders starker kommunistischer Basis, andererseits in unterschiedliche, noch weiter verwässerte Varianten des ohnehin elastischen Modells der englischen Emigration in den Westzonen. Die Dominanz der regionalen Organisationsebene dürfte von den Westalliierten auch deshalb unterstützt worden sein, weil so eine Wiederholung der Polarisierung autonomer Machtbildung in der lokalen Basis und in der nationalen Spitze der Arbeiterbewegung, wie sie in Italien den Amerikanern zu schaffen gemacht hatte, in Deutschland vermieden würde Das zweite Grundproblem im Organisatorischen war die Frage nach dem Umfang, den Interessen und der Spontaneität des gewerkschaftlichen Potentials. Seine Organisation begann unmittelbar nach der Besetzung, wurde auch von den Beteiligten in aller Regel für wichtiger gehalten als der Aufbau politischer Parteien und konnte schnell einen großen Umfang annehmen. Unabhängig von unmittelbaren Interessen und parteipolitischen Einstellungen erschien der Eintritt in die sich nun bildenden Gewerkschaften, nach welchem Modell sie am einzelnen Ort immer aufgebaut werden mochten, großen Teilen der Arbeiter und Angestellten als die natürlichste und unmittelbarste Reaktion auf ihre UnterN-drückung im Dritten Reich. Dabei wurden die Gewerkschaften von zwei unterschiedlichen Polen her zugleich gegründet, einmal von gewöhnlichen älteren Führungskreisen auf regionaler Ebene, andererseits von der betrieblichen Basis her Im Unterschied zu Italien war die Machtbildung auf beiden Seiten jedoch wesentlich begrenzter: bei den Führungen durch ihre regionale Zersplitterung; an der Basis mangelte es an der Kampferfahrung und Militanz der nationalen Befreiungsbewegungen. Ohne das Selbstbewußtsein erfolgreichen Widerstands, vermindert um große, zum Kriegsdienst eingezogene Teile der Arbeiterschaft und demoralisiert durch die Kluft gegenüber der Reservearmee der europäischen Zwangsarbeiter im Faschismus war die spontane politische Aktion der deutschen Arbeiter vor allem bei der Säuberung verhältnismäßig gering. Auf der anderen Seite demonstrierten sie z. T.sehr aktiv ihr Interesse an genossenschaftlicher Selbsthilfe und gewerkschaftlicher Vertretung, um die Produktion wieder anzukurbeln, die Arbeitsplätze zu sichern und wenigstens ein Minimum an Versorgung zu gewährleisten. Diese Arbeiterklasse war viel eher als z. B. die Partisanen in Südeuropa geeignet, im Rahmen eines Wachstumspaktes zur Überwindung der Lähmungskrise lohnpolitische Zurückhaltung in den Gewerkschaften mitzutragen. Zwar lassen sich auch in Deutschland einzelne Beispiele für die aus anderen Ländern bekannten Unterschiede zwischen der Mitwirkung der Gewerkschaften an der gesamtgesellschaftlichen Rekonstruktion und den unmittelbaren Interessen an der Basis aufzeigen, aber es handelt sich vergleichsweise um Andeutungen. Der Abbau des Einflusses der Antifaund Betriebsausschüsse und späteren Betriebsräte im Zuge des gewerkschaftlichen und administrativen Aufbaus verlief undramatisch. Dieselben Aktivisten übernahmen häufig nur eine neue Funktion, durch die sie zwar zur Demokratisierung der von regionalen Führungskreisen her gebildeten Gewerkschaftsorganisationen beitrugen, zugleich aber auch ihrer Verantwortung und Disziplin unterworfen wurden

Neben dem geringen Kampfpotential waren für die zurückhaltenderen Formen der „Klassenkämpfe in den Westzonen" die unmittelbare Regierung durch die Alliierten und die in Deutschland noch verschärfte ökonomische und infrastrukturelle Lähmungskrise verantwortlich. Zugleich verminderten diese Bedingungen Gewicht und Einflußmöglichkeiten der Gewerkschaften. Wo Planung und Lohnstopp nicht durch eine nationale Regierung, die auf die Mitwirkung der Gewerkschaftsspitzen angewiesen war, sondern in Zonen zerteilt unmittelbar von Militärregierungen erwirkt wurde, ersetzte deren militärische Macht die Integrationskraft der Arbeiterbewegung im Prozeß der Reorganisatiop und Steigerung der Produktion. In dem Maße wie Gewerkschaften in Deutschland jedoch nicht systemnotwendig waren, gewannen sie auch nicht die Positionen, um sozio-ökonomische Strukturreformen oder doch wesentliche sozialpolitische Fortschritte als Preis ihrer Mitwirkung zu erreichen. Insofern die Verhandlungsposition der Gewerkschaften am Anfang der Besetzung sehr schwach war, kollidierte sie auch weniger als in anderen Ländern mit der ohnehin geringeren Aktivität der lokalen und betrieblichen Basis, die an sich durch die Lokalisierung der Gesellschaft in der Lähmungskrise begünstigt wurde. Vielmehr wurden die Energien beider darauf gerichtet, überhaupt eine Einheitsgewerkschaft gegen die alliierten Beschränkungen aufzubauen. Deshalb waren die ersten Jahre von einem Primat der Organisationsfrage bestimmt. Und was bei deren Lösung an integrierender Tradition aus gemeinsamem Widerstand gegen den Faschismus fehlen mochte, wurde durch den gemeinsamen Widerstand gegen die Beschränkung gewerkschaftlicher Entwicklungsmöglichkeiten sowie gegen die Demontage ersetzt.

Diese Lage änderte sich erst, als die Besatzungsmächte planten, z. B. die Kohleproduktion über das erzwingbare Maß hinaus zu steigern und sich mit Zwangsmaßnahmen generell zurückzuhalten. Prompt stellte sich 1947 vorübergehend die bekannte Konstellation ein: Produktionssteigerungskampagne, Hungerstreiks, Fortschritte bei Mitbestimmung und Sozialisierung Obwohl die deutschen Gewerkschaften von den Besatzungsmächten an der Wahrnehmung der gesamtgesellschaftlichen Funktionen der westeuropäischen Einheitsgewerkschaft zumindest bis 1947, z. T. bis 1949 gehindert wurden, griffen sie deren Funktionsbestimmung auf. Sie fügten sich als subsidäre Hilfsorgane in den von den Alliierten gesteuerten Rekonstruktionsprozeß, denn viele Gewerkschafter glaubten wie Hans Böckler, daß mit dem Wirtschaftspotential auch die kapitalistische Wirtschaftsordnung hierzulande im Kern getroffen sei Insofern könne man zuerst aus gesamtgesellschaftlicher Verantwortung heraus am Wiederaufbau helfen und dann immer noch sozialisieren und andere Strukturreformen durchsetzen. Gerade die Sozialdemokraten, die 1945 häufig den Sozialismus als Tagesaufgabe betrachteten, stellten diese mit dem Wort Kurt Schumachers „Primum vivere, deinde philosophari" wieder dahin und trafen sich damit in der Praxis mit der kommunistischen Taktik, durch Bewährung in pragmatischer Aufbauarbeit Stärke für eine künftige sozialistische Transformation zu gewinnen.

Die Wiederanknüpfung an die wirtschaftsdemokratische Programmatik in der Lage 1945 schien zunächst deren größten Nachteil, nämlich den Mangel, eine Strategie zur Erzwingung von Sozialisierung, Planung und Mitbestimmung zu entwickeln, aufzuwiegen. Denn viele glaubten, um dieses Konzept müsse man jetzt nicht mehr kämpfen, sondern es nur noch durch bloße politische Stimmentscheidung in eine zur Disposition stehende Wirtschaftsordnung einführen. Dabei wäre den Gewerkschaften die gesellschaftliche Schlüsselstellung eines gemeinwirtschaftlichen Ordnungsfaktors zugefallen. Die Gewerkschaften selbst wären zum Medium des gesellschaftlichen Interessenausgleichs geworden, indem sie die in England bewußt festgehaltene Rolle hintenangestellt hätten unterschiedliche Partikularinteressen von Arbeiter-gruppen in Arbeitskämpfen durchzufechten. Durch den erweiterten Sozialisierungskatalog und die Forderung nach paritätischer gewerkschaftlicher Mitbestimmung ging das deutsche Konzept auch erheblich über das französische hinaus, obwohl die C. G. T. strategisch in einer unvergleichlich günstigeren Position gegenüber der Reformkoalition war als die zersplitterten deutschen Verbände gegenüber den Besatzungsmächten. Für die Mehrheit der Gewerkschaftsführer wird man deshalb einen unaufgelösten Widerspruch zwischen einer überhöhten gemeinwirtschaftlichen Utopie und einer praktizierten Wiederaufbaupartnerschaft mit den Militärregierungen, verbliebenen Unternehmern und staatlichen Organen feststellen müssen, deren Konsolidierung die Verwirklichung des Programms zunehmend unwahrscheinlicher machte. Dieser Widerspruch gründete in einer Fehleinschätzung der internationalen Interessenlage sowie in einem abstrakten gewerkschaftlichen Aufbau-Schema, bei dem Organisation und Funktion von Gewerkschaften nicht aufeinander und auf die tatsächliche Lage, sondern auf die Erwartung künftiger Gemeinwirtschaft bezogen waren.

Es verbleibt noch, die Sonderrolle der Kommunisten in den Gewerkschaften der Nachkriegsjahre zu kennzeichnen. So wie die Kommunisten in der SBZ durch zwischenorganisatorische Spitzenverhandlungen im FDGB eine Musterform der eingangs beschriebenen Form der Einheitsgewerkschaft zu gründen versuchten, so kooperierten sie auch in den Verbänden der Westzonen und sind in ihrem praktischen Verhalten nur in Nuancen zu unterscheiden. Gleichwohl dürfte es zu weit gehen, wenn vielfach für 1945/46 gesagt wird, daß parteipolitische Unterschiede beim Gewerkschaftsaufbau keine Rolle gespielt hätten; es lassen sich jedenfalls genügend Beispiele aufführen, in denen ehemalige freie und christliche Gewerkschafter die Zunahme der Kommunisten im Gewerkschaftsapparat und insbesondere in den Betriebsräten als Bedrohung empfanden und nach Kräften zurückschnitten Die Kommunisten wollten jedoch die Gewerkschaften durch praktizierte Gemeinsamkeit und Disziplin zum Medium der Einheit und ihrer Etablierung machen. Tilman Fichter hat daran die These geknüpft, daß dieser Weg der Verankerung und Mobilisierung an der Basis realistischer gewesen sei als die Losung vom Sozia- als Tagesaufgabe, daß die Kommunisten aber 1947 die Konsequenz ihrer Politik verfehlt hätten. Als damals im Ruhrgebiet — wie in Frankreich — spontane Streiks gegen die von den Gewerkschaften mitgetragene Produktionssteigerungskampagne bei anhaltender Unterversorgung ausgebrochen seien, hätten sie diese nunmehr sozusagen aktionsfähig gewordene sozialistische Basis nicht entwickelt, sondern den Klassenkampf domestiziert, wohingegen sie später mit politisch motivierten Kämpfen gegen den Marshall-Plan kein entsprechendes Potential mehr hätten mobilisieren können. Da eine genauere Analyse der Motive und des Verlaufs dieser Streiks noch aussteht, mag die Einschätzung des Potentials hier dahinstehen. Die Kritik verfehlt aber völlig den Bedingungsrahmen der damaligen kommunistischen Politik. Berücksichtigt man einerseits die französischen Ereignisse vom Frühjahr 1947 und andererseits das fortgesetzte Bemühen des FDGB auf den Interzonen-konferenzen, eine gesamtdeutsche Gewerkschaftseinheit, und zwar nach Möglichkeit im Sinne des FDGB, herzustellen so ist unzweifelhaft, daß die Kommunisten am einheitsgewerkschaftlichen Modell aus übergeordneten Gesichtspunkten festhielten, nämlich um die nationalen Entwicklungen in der . antifaschistisch-demokratischen'Ubergangsphase parallel und koordinierbar zu halten und sich nicht durch einen punktuell aktualisierten Klassenkampf gesamteuropäisch zu isolieren.

VII. Die Spaltung

Die einheitsgewerkschaftliche Bewegung in den westeuropäischen Ländern ist im Jahre 1948 abgebrochen. In Frankreich spalteten sich Sozialisten, in Italien Katholiken, Liberale und ein Teil der Sozialisten von den Einheitsgewerkschaften ab, die damit vollends zu KP-Massenorganisationen wurden. In England wurde eine Kampagne gegen kommunistische Gewerkschaftsfunktionäre entfaltet und die Mitgliedschaft des T. U. C. im WGB widerrulismus fen. Antikommunismus und Anschluß an die aus der WGB-Spaltung entstehende westliche Internationale IBFG bestimmten auch die Entwicklung in den deutschen Westzonen, nachdem Bemühungen um nationale Gewerkschaftseinheit (die für Deutschland erst die politische Einheitsgewerkschaft hätte herstellen können) gescheitert waren. Diese letzten Abschnitte sollen aufzeigen, welche Faktoren zur politischen Spaltung der Gewerkschaften führten und welche Folgen sich daraus für den Funktionswandel der Rumpfgewerkschaften, insbesondere des erst in dieser Phase konstituierten DGB, ergaben. Einige Gründe für das Ende der WGB-Phase sind bereits angeklungen und in der neueren Forschung gegenüber der zeitgenössischen Selbstdarstellung — die Gewerkschaftsspaltung sei Ausdruck des demokratischen Selbstbehauptungskampfes gegen kommunistische Unterwanderung gewesen — besonders herausgearbeitet worden: die umfassende politisch-ökonomische Initiative der US-Europapolitik seit 1947 und die Unterstützung der AFL für die europäischen Gegner der einheitsgewerkschaftlichen Praxis Diese exogenen Faktoren sollen sogleich näher beleuchtet werden. Indessen hätten diese äußeren Einflüsse nicht wirksam werden können, wenn nicht in den politischen Einheitsgewerkschaften und im Verhältnis ihrer Politik zur Entwicklung der gesellschaftlichen Bedingungen bereits der Sprengsatz enthalten gewesen wäre, den die amerikanische Politik zündete. Auch hier gilt es wieder, durch die Analyse der endogenen Problematik der politischen Einheitsgewerkschaft einer oberflächlichen Manipulationsthese entgegenzutreten, die so tut, als wären vitale Grundströmungen der europäischen Arbeiterbewegung mit diplomatischen Tricks und etwas Schmiergeld aufzuhalten

Gründe in der Organisation Es wurde hier herauszuarbeiten versucht, daß der Realtyp der politischen Einheitsgewerkschaft im Kern einem Bündnis zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten — wozu im Falle der postfaschistischen Länder, in denen durch die Zerschlagung aller Gewerkschaften und die korporativistischen Zwangsvereinigungen einer größeren Lösung der Weg bereitet war, auch katholische Gewerkschafter hinzukamen, — zu danken war. Für die Kommunisten waren die Einheitsgewerkschaften ein Medium für ihre parteipolitische Etablierung und für die Vermittlung ihrer abgestuften . antifaschistisch-demokratischen'Übergangsstrategie; für die Sozialdemokraten ein Mittel, die Arbeiterbewegung zu integrieren, um mit ihrem Gewicht ordnungspolitische Strukturreformen im Sinne der Wirtschaftsdemokratie durchzusetzen und die Gewerkschaften zum Medium rationaler Planung und gesamtgesellschaftlichen Interessenausgleichs zu machen. Für beide Ansätze rangierte die nationale politische Ökonomie angesichts von Lähmungskrise, Mangelwirtschaft und Wachstumszwang vor der traditionellen Funktion, partikulare Arbeiterinteressen zu vertreten. Andererseits waren gerade die nicht-kommunistischen Gewerkschaftskader noch in den auf Tarifpolitik fixierten Verbänden ausgebildet worden und sahen in den wirtschaftsdemokratischen Zielperspektiven, wie sie in den 20er Jahren von sozialdemokratischen Intellektuellen in Parteien und Gewerkschaften ausgearbeitet worden waren, keineswegs durchgehend ihre primäre Aufgabe.

Der damit angelegte Konflikt zwischen Sozial-und Tarifpolitik im Interesse spezifischer Mitglieder und der gesamtwirtschaftlich motivierten Mitwirkung der politischen Einheitsgewerkschaften an Lohnstabilisierung, Wachstum und Strukturreformen hatte 1945/46 in den Spannungen der betrieblichen und Lokalorganisationen mit den gewerkschaftlichen Verbandsspitzen geschwelt. Nur in den Westzonen kannte dieser Konflikt wegen der Verzögerung des gewerkschaftlichen Aufbaus keine eindeutigen Fronten. Aber auch in den anderen Ländern hatte er nicht die Organisation gesprengt, weil zunächst in der Umbruchskrise Selbsthilfe die Bedeutung von Lohn-/Preisfragen überlagert hatte, die Zukunft offen schien und der Arbeiterbewegung ein Vertrauensvorschuß entgegengebracht wurde. Je mehr sich das wirtschaftliche System konsolidierte, um so wichtiger wurde jedoch die Lohnfrage und um so schwieriger die gewerkschaftliche Mitwirkung an der Produktionssteigerung. Nach dem schweren Winter 1946/47, in dem in weiten Bereichen Europas die Energie-und Lebensmittelversorgung einen Tiefstand erreichte, spitzte sich dieser latente Konflikt in größeren Streikbewegungen zu. Sowohl vom linken wie vom rechten Flügel der Arbeiterbewegung wurden die zentristischen Spitzenfunktionäre bedrängt, die politische Einheitsgewerkschaft im Sinne vermehrten Einsatzes für die unmittelbaren ökonomischen Interessen der Produktionsarbeiter umzufunktionieren. Hier fand die europäische AFL-Delegation z. B. in Frankreich bei den Opponenten ein williges Ohr mit ihrem Argument, daß Arbeiterinteressen vor politischer Einheit rangierten und am besten durch von der Einheitsgewerkschaft notfalls abzuspaltende Branchenorganisationen zu vertreten seien

Auf einer anderen Ebene ist dieser Konflikt schon früher in Deutschland aufgetreten: der Primat der Industrieverbände vor politischen Einheitsorganen ist den Gewerkschaftsführern nicht nur von Militärregierung und T. U. C. abgerungen worden, sondern hatte von Anfang an — am deutlichsten in Hamburg — Rückhalt beim alten branchengewerkschaftlichen Apparat der Weimarer Zeit gefunden, wo von einer zentralistischen Einheitsgewerkschaft die Ersetzung der alten Gewerkschaftsfunktionäre durch kommunistische Politiker und die Vernachlässigung der Tarifvertrags-arbeit zugunsten politischer Aufgaben mit ungeklärten Zielen befürchtet wurde. Hätte den angloamerikanischen Einflüssen nicht ein bereitwilliges Reservoir organisationserfahrener branchengewerkschaftlicher Kader gegenüberstanden, dann hätten die gegen die zentrale Einheitsgewerkschaft gerichteten Auflagen als Formsache behandelt und umgangen werden können. Tatsächlich waren sie jedoch eine Entscheidung zwischen Gruppierungen, von denen die eine zwar den Einheitswillen an der Basis artikulierte, die andere aber mit stummer Effizienz weitgehend selbständige Industrieverbände aufzubauen vermochte. In Frankreich und Italien hingegen klagten die Sezessionisten über Kadermangel, weil hier die syndikalistische Tradition und die extreme Ausweitung der Nachkriegsgewerkschaften einer ähnlichen Entwicklung entgegenwirkten. Dieser Konflikt wurde von parteipolitischen Auseinandersetzungen teils verstärkt, teils überlagert. In der einheitsgewerkschaftlichen Organisation konkurrierte unmittelbar das taktische und propagandistische Geschick und die Dynamik der kommunistischen und sozialdemokratischen bzw. katholischen Funktionäre. In dieser Konkurrenz machten überall, wo nicht von den Besatzungsmächten Gegendruck ausgeübt wurde, die Kommunisten bis 1947 schnelle Fortschritte, ohne daß ihnen ein offener Loyalitätsbruch nachgewiesen werden konnte. Dies gilt nicht nur für die C. G. T., die C. G. I. L. und den T. U. C. und führte bei den ersten beiden zu einer deutlichen KP-Dominanz, sondern läßt sich auch in Deutschland z. B. am FDBG Großberlin oder an Branchengewerkschaften wie dem Industrieverband Bergbau in der britischen Zone ablesen Zugleich war der KP-Vormarsch auch in den Führungsgremien des WGB festzustellen

Nach der Erfahrung der stalinistischen Schwenkungen in der Einheitsfrage standen die Kommunisten bei ihren Konkurrenten jedoch im Verdacht, daß ihre taktische Wandlungsfähigkeit ihre Glaubwürdigkeit weit übertreffe. In Deutschland wurden sie in dieser Überzeugung vor allem durch die forcierte Vereinigung von KPD und SPD in der SBZ bestärkt; man reagierte im Westen mit der Isolierung der Kommunisten. Nur die publikumswirksame Entlarvung des kommunistischen Vormarschs als Unterwanderung mit unlauteren Mitteln, wie Wahlverfälschung, organisatorischen Tricks, politischer Illoyalität (z. B. Anzettelung „spontaner" Streiks) oder als parteipolitische Zweckentfremdung der Interessenorganisation der Arbeiter konnte den Ausmanövrierten die Rückeroberung ihrer Basis und Mehrheiten versprechen. An in diesem Sinne interpretationsfähigen Vorgängen mangelte es nicht und sie wurden zwischen 1946 und 1948 insbesondere in den KP-beherrschten Organisationen mit zunehmender — z. T. durch Hilfestellung der AFL ermöglichter — propagandistischer Wirksamkeit von der traditionalistischen Opposition herausgestellt. In Deutschland war die Bildung der Berliner Unabhängigen Gewerkschaftsopposition gegen den FDGB, UGO, der spektakulärste Ausdruck dieser weitverbreiteten Tendenz

Gründe in der internationalen Politik Letztlich entscheidend für die Entladung dieses einheitsgewerkschaftlichen Konfliktpotentials war jedoch die gesellschaftliche Krise 1947 in den meisten europäischen Ländern, in denen die Arbeiterbewegung im Bündnis mit bürgerlichen Kräften die Regierung stellte. Auf den wirtschaftlichen Einbruch im Winter und Frühjahr 1947 und die folgenden Streikbewegungen reagierten die bürgerlichen und ein Teil der sozialistischen Vertreter in diesen Regierungen überwiegend mit dem Wunsch nach ausländischer Kapitalhilfe.

Das Kalkül der liberalen Ökonomen, die in den meisten Ländern die Wirtschafts-und Finanzpolitik steuerten (auch in der Bizone seit Mitte 1947), zielte dabei auf eine Restabilisierung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse, indem der politische Wachstumspakt durch Marktmechanismen abgelöst wurde Wirtschaftliche Stabilisierung wurde hier von der Abschöpfung des Geldüberhangs des Krieges und vom Abbau der zwangswirtschaftlichen Maßnahmen erwartet, die das Eigentum an Produktionsanlagen und Grundbesitz aufwerten, Rationalisierung erzwingen, den Preis der Arbeitskraft senken und verschleierte Arbeitslosigkeit freisetzen, Investitionen anreizen und die produzierten Güter auf den Markt bringen sollten. Auswärtige Kapitalhilfe konnte dabei helfen, den Zusammenbruch der Staatsfinanzen und des Zahlungsausgleichs zu verhindern und durch Zusatzinvestitionen einen Wachstumsstoß auszulösen, der wenigstens teilweise den zu erwartenden Lohnverfall und die wachsende Arbeitslosigkeit eindämmen könnte. Da sich am Marshall-Plan, dessen Kapitalzusage diese Reformen ermöglichte, auch in den Gewerkschaften die Geister schieden, darf nicht verschwiegen werden, daß nur im Rahmen dieses Liberalisierungsprogramms die amerikanische Kapitalhilfe eine unerläßliche wirtschaftliche Voraussetzung war. Im übrigen war der Einbruch Anfang 1947 vor allem auf eine Wachstumskrise im infrastrukturellen und distributiven Bereich in und zwischen den europäischen Ländern, in der Bizone z. B. im wesentlichen auf den Zusammenbruch des Verkehrs Ende 1946 zurückzuführen Insofern hätte der Einbruch auch durch intensivere Nutzung und Koordinierung der staatlichen Lenkungsinstrumente — insbesondere auch eine weniger einschränkende Kontrolle der Besatzungsmächte über die deutsche Produktion und Außenwirtschaft — im Sinne der Weiterentwicklung der eingeleiteten Steuerreform überwunden werden können.

Die Zustimmung der westdeutschen Gewerkschaften zu den US-Krediten war eine Schlüsselentscheidung, weil die bizonalen Ernährungsprobleme der Anlaß des amerikanischen Projekts waren und die Kommunisten in vielen anderen Einheitsgewerkschaften gegen die US-Hilfe agitierten. Soweit ersichtlich, fühlten sich die deutschen Gewerkschaftsführer durch die unter dem diskriminierenden Außenhandelssystem der Besatzungsmacht notwendige Kreditierung der Nahrungsmittel-importe erpreßt, obwohl sie die Gefahren einer Beschleunigung der deutschen Spaltung und noch größeren amerikanischen Einflusses gegen Strukturreformen, vor allem gegen die Sozialisierung an der Ruhr sahen. Da sie einen direkten Kampf gegen die Besatzungsmacht aber für aussichtslos hielten, blieb ihnen nur der Versuch, die Kredite zu befürwerten und wenigstens die Option auf Strukturreformen offenzuhalten. Hans Böckler prägte die publikumswirksame Alternative, man solle notfalls lieber die Sozialisierung vertagen als verhungern

Die Amerikaner, ohnehin an einer produktiven Umwandlung ihrer europäischen Hilfslieferungen interessiert, griffen zu, da ihnen dieser Kapitalexport auf einen Schlag eine strategische Position in den betroffenen europäischen Volkswirtschaften verschaffen und diese zugleich ordnungspolitisch integrieren konnte Bereits in der Vorphase des Marshall-Planes machten sie jedoch nicht nur durch die Eingriffe ihrer Militärregierung in Deutschland, sondern auch bei Anleiheverhandlungen mit Frankreich und Italien klar, daß sie als flankierende Maßnahme die Absicherung gegen eine revolutionäre Reaktion der Arbeiterbewegung bzw. die Eindämmung ihres Einflusses sowie der antikapitalistischen Strukturreformen erwarteten. Grundlegende Bedeutung hatte dafür die Auflösung der Bindungen mit den Kommunisten in den Regierungen Gewerkschaften.der Mit Entlassung der Kommunisten aus der französischen Regierung und der Abspaltung einer christlichen Gewerkschaft in Italien wurden die Voraussetzungen der Kapitalhilfe geschaffen

In Westdeutschland konnten die Amerikaner — nachdem die Briten im Gefolge amerikanischer Kredite die Führungsrolle der USA in Deutschland anerkannt hatten — selbst tätig werden: die Dekartellisierung verzögern, die Sozialisierung in Hessen und NRW suspendieren, die sozialdemokratische Mehrheit in der Bizone durch die Konstruktion einer zweiten Stufe brechen, die UGO fördern, Lohnstopp und Streikverbot beibehalten, die Währungsreform weitgehend selbst vornehmen Die Militärregierung sah mit Wohlgefallen das Ausscheiden der Kommunisten aus Landesregierungen, die zunehmenden Schwierigkeiten der gewerkschaftlichen Interzonenkonferenzen und ihr schließliches Ende, und Clay empfahl den Gewerkschaftsführern, von Strukturreformen abzulassen und sich mehr um die unmittelbaren Interessen der Mitglieder ihrer einzelnen Verbände zu kümmern, hatte aber auch davon offenbar sehr enge, sozusagen wirtschaftsfriedliche Vorstellungen

Die Sowjet-Union sah im Marshall-Plan nicht zu Unrecht den Versuch, der kommunistischen Strategie eines . antifaschistisch-demokratischen'Übergangs zum Sozialismus, der über die Beteiligung der Kommunisten an den Regierungen und Massenverbänden, namentlich den Gewerkschaften, gesteuert werden sollte, zugleich die ökonomische Basis und den Steuerungshebel der Bündnis-und Einheitsorganisationen zu entwinden. Die KPs Westeuropas setzten deshalb seit der zweiten Hälfte 1947 ihr ganzes Potential zur Demonstration gegen die Initiative der USA ein. Gerade diese Zuspitzung der ökonomischen zu einer politischen Krise mußte jedoch den amerikanischen Absichten im Ergebnis nutzen. Denn linksbürgerliche und sozialdemokratische Zweifler, die im Marshall-Plan wesentlich eine willkommene Kapitalspritze erblickten, konnten nun erkennen, wie die Kommunisten die Gewerkschaften zum Transmissionsriemen ihrer parteipolitischen Defensive zu machen versuchten und im Konflikt mit den bisherigen Regierungspartnern ihre Zurückhaltung fallen ließen. Die sowjetische Gewerkschaftszeitung forderte, die reformistischen Befürworter des Marshall-Plans aus der Führung des WGB zu verdrängen. Der T. U. C. führte den Gegenstoß an, der mit der Spaltung des WGB endete

Zweitens sah die Sowjet-Union im Marshall-Plan auch einen Angriff auf die Integrität ihres osteuropäischen Einflußbereiches. Der Wunsch der tschechischen Regierung, Marshall-Plan-Gelder zu erhalten, galt als Indiz, daß die Eindämmungspolitik der USA bereits „Roll back" -Erfolge hatte. Als unbesetztes Land aber war die SR das Musterbeispiel des „antifaschistisch-demokratischen" Über-gangs zum Sozialismus im Gewand der bürgerlichen Republik; votierte sie für die US-Kredite, so stand als nächstes die Alternative auf der Tagesordnung, ähnliche Wünsche in anderen volksdemokratischen Ländern mit militärischer Gewalt zu unterdrücken oder auch hier eine rückläufige Entwicklung durch die ordnungspolitischen Folgen des amerikanischen Kapitalexports hinzunehmen. Deshalb mußte in der CSR mit einer kommunistischen Gegenoffensive die Flucht nach vorn angetreten werden: zunächst wurde die tschechische Regierung mit ultimativem Druck zur Rücknahme ihrer Zusage zur Marshall-Plan-Konferenz bewogen und damit vergleichbare Neigungen z. B. in Polen von vornherein abgeblockt. In der Folge wurde die innere Entwicklung in der SR insbesondere über die kommunistisch dominierten Betriebsgruppen und Gewerkschaften forciert, die Koalition durch den auf breiter Grundlage herbeigeführten Prager Umsturz abgelöst, schließlich jedoch eine stalinistische Diktatur errichtet

Der Prager Umsturz, zumindest vorbereitet durch eine hysterische Abwehrreaktion der Sowjet-Union, war hinsichtlich Westeuropas eine politische Dummheit erster Ordnung. Vergleichbar der SED-Gründung zwei Jahre früher und mehr noch als die spätere Blockade Berlins wurde er zum psychologischen Schlüsselereignis, das zur weitgehenden Isolierung der Kommunisten in Westeuropa führte und ihre Nachkriegsarbeit zunichte machte. Besser als es alle Propaganda und aller Druck der USA vermocht hätten, dementierte der Prager Umsturz die kommunistische Glaubwürdigkeit in den Augen ihrer Bündnis-partner in den Gewerkschaften. Die kommunistische Reaktion auf die Ankündigung des Marshall-Plans erleichterte der nichtkommunistischen Arbeiterbewegung die Anpassung an den ordnungspolitischen Rahmen der US-Sanierungspolitik. Diese Reorientierung begann damit, daß die unterschwelligen Konflikte der Einheitsgewerkschaft zum Austrag kamen und endete in der Spaltung des WGB. Je nach den nationalen Mehrheitsverhältnissen kam es zur Sezession nicht-kommunistischer Gewerkschaften (Frankreich, Italien, Berlin) oder zur antikommunistischen Abgrenzung vorwiegend sozialdemokratischer Gewerkschaften (England, deutsche Westzonen)

Die AFL, die aus kompromißloser Gegnerschaft zum Kommunismus der internationalen Gewerkschaftsbewegung auch 1945 femgeblieben war, förderte diesen Sezessionsprozeß durch mehrere nach Europa entsandte Missionen mit materieller und moralischer Unterstützung. Ihre den Marshall-Plan ergänzende Initiative zur Isolierung der Kommunisten in den Gewerkschaften fand nach Anfangserfolgen die Rückendeckung des amerikanischen Geheimdienstes CIA In Frankreich schuf sie überhaupt erst die Voraussetzungen für die Abspaltung der sozialdemokratischen F. O. von der C. G. T., konnte damit jedoch deren Massenbasis in der Arbeiterschaft kaum zum Übertritt bewegen. Gleichwohl wurde die innere Dynamik der C. G. T. gebrochen, zumal sie von den Unternehmern auf tarifpolitischem Gebiet sabotiert wurde. Auch dieser Vorschlag, eine Sozialpartnerschaft mit den nicht-kommunistischen Gewerkschaften zu bilden und damit die Kommunisten ökonomisch funktionslos zu machen, entsprach einer amerikanischen Anregung. Die Rest-C. G. T. war aber zu stark, als daß sie hätte umgangen werden können. Im Ergebnis führten diese Taktiken nach dem Bruch der Einheitsgewerkschaft nur zu einer Schwächung der gesamten französischen Gewerkschaftsbewegung auf mehr als ein Jahrzehnt hinaus

In Westdeutschland wollte die AFL nicht nur durch CARE-Pakete für bewährte Gewerkschaftsfunktionäre, Papier und Geld für antikommunistische Propaganda z. B.der UGO und durch Einflußnahme zugunsten weitgehend selbständiger, auf ökonomische Aufgaben konzentrierter Industrieverbände das in ihrem Sinn eingestellte gewerkschaftliche Potential stärken. Insbesondere vermochte sie auf die amerikanische Regierung Druck auszuüben, den. gewerkschaftlichen Organisationsaufbau auf bi-und trizonaler Ebene nicht länger zu behindern, weil dies die Stellung der alten Gewerkschaftskader in den Spitzen der Industrieverbände gegenüber der integrierten Organisationsform des FDGB schwächte

Dadurch gerieten die führenden Gewerkschafter vor die — angesichts des nach 1945 betonten nationalen Engagements der Arbeiterbewegung bis in die CDU hinein — besonders schmerzliche Entscheidung, entweder den gewerkschaftlichen Organisationsaufbau nicht bis zur politisch entscheidenden Ebene fortführen zu können oder sich in der Kooperation mit den Besatzungsmächten auf deren Weststaatsinitiative mit ihren ordnungspolitischen Konsequenzen einlassen zu müssen. Die Bevorzugung eines Kartells trizonaler Industrieverbände gegenüber dem Fernziel der politischen, nationalen und organisatorischen Einheit hieß nicht nur, den Spatz in der Hand festzuhalten, nachdem die gewerkschaftlichen Interzonenkonferenzen über der UGO-Frage Mitte 1948 geplatzt waren. Der Provisoriumscharakter des Grundgesetzes erleichterte vielmehr die Zustimmung zum Weststaat und den Verzicht auf die verfassungsrechtliche Sanktionierung der strukturreformerischen gewerkschaftlichen Grundforderungen. Daß dieselben wirtschaftsdemokratischen Programmpunkte jedoch das Grundsatzprogramm des DGB 1949 bestimmten zeigte außerdem, daß die führenden Gewerkschafter nach allen Beschränkungen und Niederlagen der Besatzungszeit die Einlösung der typischen einheitsgewerkschaftlichen Programmatik noch vor sich glaubten. Denn nun konnte den Ansprüchen der Arbeiter nicht mehr mit militärischen Befehlen begegnet werden.

VIII. Die Sonderrolle des DGB

Nach der internationalen Gewerkschaftsspaltung geriet die Arbeiterbewegung in den meisten westeuropäischen Ländern für gut ein Jahrzehnt in die Defensive. In der Reaktionszeit des Kalten Krieges ermöglichte der Zerfall der politischen Einheitsgewerkschaft nicht nur den Unternehmern, die neuen Richtungsgewerkschaften gegeneinander auszuspielen, sondern führte auch zu einer schwelenden Funktionsund Identitätskrise der konkurrierenden Verbände, namentlich in Frankreich und Italien. Die Strukturreformen der Nachkriegsjahre wurden teilweise rückgängig gemacht — so Teile der britischen Nationalisierungen — oder veränderten unter den Bedingungen kapitalistischer Restauration völlig ihre gesellschaftliche Funktion — so etwa Planung und Investitionslenkung in Frankreich. Das gegebene Mittel zur Über-windung dieser Identitätskrise war für die meisten Gewerkschaften die Rückkehr zu einer aggressiven Lohnpolitik, sei es nun in klassenkämpferischer oder sozialpartnerschaftlicher Absicht, was insgesamt zu einem relativ hohen Lohnniveau bei beschränkten gesamtwirtschaftlichen Wachstumsraten führte. Zugleich wurden damit die Leistungs-und Konsumzwänge der kapitalistischen Gesellschaft in weiten Kreisen der Arbeiter und insbesondere der Angestellten verinnerlicht. Wo die bürgerliche Währungssanierung strukturelle Arbeitslosigkeit wieder aufgedeckt hatte, wie in Italien, blieben jedoch auch die lohnpolitischen Möglichkeiten eng begrenzt.

Vor diesem internationalen Hintergrund begann der neugegründete DGB eine Sonderrolle auszubilden, die langfristig seine Gestalt und sein Verhalten bestimmen sollte. Orientiert in den Anfängen seiner Gründungsphase am Typ der politischen Einheitsgewerkschaft, hatte er seine organisatorische Endform erst zu einer Zeit erreicht, in der dieser Typ im europäischen Maßstab gescheitert war. Zudem in einer verkürzten Form: das Einheitspostulat war national auf einen Teilstaat und politisch auf einen Kompromiß zwischen Sozialdemokraten und katholischer Arbeiterbewegung begrenzt, insbesondere seitdem die Kommunisten ihre Isolierung durch eine zwischenzeitliche Anknüpfung an die sektiererische RGO-Politik 1951 vollendet hatten und damit gescheitert waren

Und doch war nach der territorialen Form der Gewerkschaftsspaltung in Westdeutschland erstmals eine einheitliche, d. h. konkurrenzlose Interessenvertretung der Arbeiter entstanden, wenn diese Feststellung auch durch den Hinweis auf das geringe Gewicht der Bundesorgane im DGB auf allen Ebenen und die weitgehende Selbständigkeit und Interessen-divergenz der einzelnen Industrieverbände eingeschränkt werden muß. Dadurch war es auch immer weniger möglich, als Anwalt der gesamten Arbeiter und Angestellten an der staatlichen Steuerung der Wirtschaft zentral teilzunehmen. Auf der anderen Seite war die einheitsgewerkschaftliche Aufgabenstellung, den Güterausstoß zu erhöhen und günstige Wachstumsbedingungen für die Schaffung von Arbeitsplätzen zu sichern, nach der Währungsreform und der unmittelbar auf sie folgenden Arbeitslosigkeit wieder aktuell geworden Aber nun waren für einen Wachstumspakt keine Strukturreformen mehr einzuhandeln, sondern er wurde mittels Marktmechanismen dem DGB durch die im Anfang der Bundesrepublik unerschöpflich erscheinende industrielle Reservearmee der Vertriebenen, Flüchtlinge und heimkehrenden Kriegsgefangenen mittels eines verengten lohnpolitischen Spielraums aufgezwungen. Vom Markt bestimmt, hielten das relativ niedrige Lohnniveau und die außergewöhnliche Leistungsbereitschaft der Arbeiter die Gewerkschaften über Jahre hinweg tendenziell in einer Rolle, welche in den anderen Ländern mit der Spaltung beendet wurde. Selbst wenn die DGB-Gewerkschaften eine aggressive Lohnpolitik für ihre Hauptaufgabe gehalten hätten — durch ihre Konkurrenzlosigkeit standen sie jedoch nicht unter diesem Zwang —, hätte sie der Arbeitsmarkt in die maßvollen Lohnforderungen der Wiederaufbaupartnerschaft gezwungen, die ein wesentlicher Faktor des erhöhten Wachstums in Westdeutschland waren

Noch deutlicher wird die deutsche Phasenverzögerung durch den Umstand, daß die einzige größere Strukturreform im Sinne der einheits-gewerkschaftlichen Programmatik, die Montanmitbestimmung, erst zu einer Zeit, und zwar mit erheblichem gewerkschaftlichen Druck, institutionalisiert wurde, als im übrigen Westeuropa von solchen Reformen längst nicht mehr, allenfalls von ihrem Abbau, die Rede war. Dies ist nicht einem abstrakten Nachholbedarf an Reformen zuzuschreiben, sondern der verspäteten Erreichung einer strategischen Schlüsselstellung der Gewerkschaften in der Gesellschaft. Wie oben geschildert, war die soziopolitische Integration der Arbeiterklasse zuvor zum größten Teil durch die Besatzungsmächte und die schwach entwickelte Kampfbereitschaft und Organisation der Arbeiter ersetzt worden. Mit der Staatsgründung wandelte sich diese Lage trotz der fortdauernden Aufsicht der Alliierten grundsätzlich: Wegen ihrer hauchdünnen bürgerlichen Mehrheit im Bundestag und der unkonsolidierten Machtmittel des Staates war die Regierung auf die Kooperation der Gewerkschaften angewiesen, wollte sie sich nicht mit einer unüberbrückbaren Polarisierung das eigene Grab schaufeln. Dies galt weniger für ökonomische Fragen, in denen das marktwirtschaftliche System selbst die Disziplinierung der Arbeit übernahm, als vielmehr für politische Optionen. In den beiden ersten Jahren der Ära Adenauer waren dies Westingetration (Schuman-Plan) und Wiederaufrüstung.

Seit 1949 hatten die Gewerkschaften ihre ökonomisch schwache, aber politisch starke Stellung in eine Kampagne für die Mitbestimmung umgesetzt und den Protest der enttäuschten Arbeiter auf diese unter den internationalen und gesellschaftlichen Machtverhältnissen noch am ehesten einzulösende Strukturreform gelenkt. Das dabei zutage tretende Potential für politische Massenaktionen machte die Regierung angesichts der umstrittenen Aufrüstung trotz vehementer unternehmerischer Opposition kompromißbereit. Daß die Montanmitbestimmung — 1947 von der Besatzungsmacht gewährt, um die gewerkschaftliche Mitwirkung an der Produktionssteigerung zu gewinnen, und auch von Unternehmern im Kampf gegen Demontagen und Dekartellisierung befürwortet — im Zuge der Reprivatisierung nicht abgebaut, sondern gesetzlich fixiert wurde, war zwar im Sinne des wirtschaftsdemokratischen Programms nur ein Detailerfolg. Aber dieser zwischen Adenauer und Böckler ausgehandelte Kompromiß war gleichwohl ein Fortschritt in einer Prinzipienfrage, Modell einer größeren, das Wirtschaftssystem qualitativ verwandelnden Möglichkeit

Gegenüber diesem grundsätzlichen Wert ist die praktische Bedeutung der Montanmitbestimmung in der damaligen Lage eher skeptisch zu beurteilen. Inmitten einer Restauration der privaten Verfügung über die Produktionsmittel war sie eine Insel, die den um sie brandenden Elementen nicht ihre Gesetze aufzwingen konnte Denn das Grundproblem des wirtschaftsdemokratischen Modells war unverändert, daß das gesamtwirtschaftliche Ensemble von Gemeinwirtschaft, Rahmenplanung und Mitbestimmung einen qualitativen Sprung gegenüber der kapitalistischen Ordnung dargestellt hätte, das Programm aber keine politisch-ökonomische Strategie enthielt, wie dieser Sprung durch gradualistische Einzelfortschritte erzielt werden sollte. Konkret nahm der Teilerfolg der Montanmitbestimmung sogar der Reformkampagne den Wind aus den Segeln, verhärtete den bürgerlichen Widerstand und bereitete damit der gewerkschaftlichen Niederlage in der größeren Frage des Betriebsverfassungsgesetzes den V, eg Der DGB formulierte im Aktionsprogramm von 1955 die pragmatische Funktionsbestimmung eines Interessenverbandes, der unter Offenhaltung seiner Option auf eine andere Ordnung deren Realisierung nicht auf die Tagesordnung setzte Solange Arbeitskräftezufluß, Aufrüstung und internationale Stabilität den Wiederaufbauboom nährten, wirkten die Gewerkschaften durch eine maßvolle Tarifpolitik aus gesamtwirtschaftlicher Verantwortung an ihm mit, ohne die strukturelle Herausforderung des kapitalistischen Systems aufzunehmen. AIs systemintegrierte Gegenmacht waren sie sogar teilweise bereit, gesamtpolitische Ordnungsfunktionen zu übernehmen, denn auch darin bot die einheitsgewerkschaftliche Vergangenheit eine programmatische Tradition: die Ausklammerung der ordnungspolitischen Machtfrage zugunsten einer integrativen Verbindung von Wachstums-pakt und partieller Mitbestimmung.

Hinweis der Redaktion :

In der Arbeit von Jost F. Nöller, „Apartheid in Südafrika", B 12/75, muß es auf Seite 7, 1. Sp., Zeile 20 und auf Seite 14, 2. Sp., Zeile 28 statt „nationalsozialistische Regierung" heißen: „nationalistische Regierung".

Fussnoten

Fußnoten

  1. In diesem synthetisierenden Versuch dienen Anmerkungen vor allem dem Hinweis auf weiterführende Literatur, insbesondere empirische Untersuchungen. Die beste analytische Kurzdarstellung der westdeutschen Gewerkschaftsgeschichte gibt H. Limmer, Die deutsche Gewerkschaftsbewegung, München/Wien 1973, S. 69 ff.; eine offiziöse Über-sicht schrieb D. Schuster, Die deutschen Gewerkschaften seit 1945, Stuttgart 1973. Kritik aus der Sicht des damaligen linken Gewerkschaftsflügels übt Th. Pirker, Die blinde Macht, 2 Bde., München 1960; aus der Sicht des F. D. G. B.der DDR: A. Behrendt u. a., Die westdeutschen Gewerkschaften und das staatsmonopolistische Herrschaftssystem 1945 bis 1966, Berlin (DDR) 1968; und des deutschen Industrieinstituts: G. Triesch, Die Macht der Funktionäre, Düsseldorf 1956.

  2. DGB-Aktionsprogramm von 1955 bei Behrendt u. a., S. 604 ff.; ausführliche Dokumentation der programmatischen Äußerungen des DGB seit den 60er Jahren jetzt bei G. Leminsky/B. Otto (Hrsg.), Politik und Programmatik des DGB, Köln 1974. Zur Periode der relativ kampflosen Sozialpartnerschaft P. Waline, Cinquante Ans de Rapports entre Patrons et Ouviers en Allemagne 1918— 1968, Bd. 2, Paris 1970, S. 220 ff., insbes. S. 236 ff. Für den personellen Hintergrund der Spitzengespräche W. Mühlbradt/E. Lutz, Der Zwang zur Sozialpartnerschaft, Neuwied/Berlin 1969.

  3. Soziologische Modelle zu den Strukturverschiebungen in der lohnabhängigen Klasse bei K. H. Höring (Hrsg.), Der „neue" Arbeiter, Frankfurt 1971; F. Deppe, Das Bewußtsein der Arbeiter, Köln 1971. Rückwirkungen für die Mitgliedschaftentwicklung des DGB analysiert H. Schellhoss, Apathie und Legitimität, München 1967. Gewerkschaftliche Probleme der ausländischen Arbeiter diskutieren St. Castles/G. Kosack, Immigrant Workers and Class Structure in Western Europe, London 1973, S. 116 ff.

  4. H. W. Schmollinger, Abhängig Beschäftigte in Parteien der Bundesrepublik, in: Zs. f. Parlaments-fragen 5 (1974), S. 58 ff. sowie ders., Gewerkschafter in der SPD und R. Ebbighausen/W. Kaltenborn, Arbeiterinteressen in der CDU?, in: J. Ditt-berner/R. Ebbighausen (Hrsg.), Parteiensystem in der Legitimationskrise, Opladen 1973, S. 229 ff. bzw. 172 ff.

  5. Vgl. z. B. G. Leber, Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand, Frankfurt 1964, S. 50 ff., Die Paralleli-

  6. Leminsky/Otto, S. 107 ff., 79 ff.

  7. D. Albers/W. Goldschmidt/P. Oehlke, Klassenkämpfe in Westeuropa, Reinbek 1971; B. Morawe, Aktiver Streik in Frankreich oder Klassenkampf

  8. Ablesbar sind diese Konflikte u a. in der Behandlung der innergewerkschaftlichen Opposition um „express" bzw. EVA, der Maoisten in den Automobilarbeiterstreiks 1972/73, der Versuche zur Gründung eigener Gastarbeitervereinigungen und der spontanen Streiks seit 1969. Andererseits kam es auch zu fruchtbaren Veränderungen in den Zielen und Formen von Arbeitskämpfen während der Hochkonjunktur, bes. im württembergischen Metallarbeiterstreik. Daß solche Veränderungen nicht für die gewerkschaftlichen Eliten als ganze charakteristisch genannt werden können, dürfte wohl damit Zusammenhängen, daß diese im Rahmen der Mitbestimmung sowie in den gewerkschaftlichen Eigenbetrieben auch die Rolle von „Arbeitgebern" kennengelernt haben. Dabei haben die Eigenbetriebe weitgehend ihre früheren Funktionen als genossenschaftliche und gemeinwirtschaftliche Modelle zugunsten effizienter Kapital-verwertung des Gewerkschaftsvermögens verloren. Vgl. K. Hirche, Die Wirtschaftsunternehmen der Gewerkschaften, Düsseldorf/Wien 1966.

  9. Ch. Levinson, International Trade Unionism, London 1972; E. Piehl, Multinationale Konzerne und internationale Gewerkschaftsbewegung, Frankfurt 1974; K. Busch, Die Multinationalen Konzerne, Frankfurt 1974; K. P. Tudyka (Hrsg.), Multinationale Konzerne und Gewerkschaftsstrategie, Hamburg 1974; O. Kreye (Hrsg.), Multinationale Konzerne, München 1974 (gute Bibliographie); E. Kitz-müller/H. Kuby/L. Niethammer, Der Wandel der nationalen Frage in der Bundesrepublik Deutschland, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 33— 34/73.

  10. Charakteristisch die im übrigen sehr informative Darstellung von E. Potthoff, Der Kampf um die Montanmitbestimmung, Köln 1957.

  11. Dieser Akzent verbindet eine Reihe wichtiger Darstellungen aus z. T.sehr unterschiedlichen politisch-historischen Sichtweisen, z. B. A. Enderle/B. Heise, Die Einheitsgewerkschaften, 3 Bde., hekt. (nicht) hrsg. v. DGB, Düsseldorf 1959, -W. Hirsch-Weber, Gewerkschaften in der Politik, Köln/Opla-den 1959; die Biographie Jakob Kaisers von E. Kosthorst/E. Nebgen/W. Conze, 4 Bde., Stuttgart 1967 ff.; G. Beier, Einheitsgewerkschaft, in: Archiv f. Sozialgesch. 13 (1973) S. 207 ff.; J. Klein, Vereint sind sie alles? Hamburg 1972; U. Borsdorf, Der Weg zur Einheitsgewerkschaft, in: J. Reulecke (Hrsg.), Arbeiterbewegung an Rhein und Ruhr, Wuppertal 1974, S. 385 ff.; Institut für Marxismus-

  12. J. Braunthal, Geschichte der Internationale, Bd. 3, Hannover 1971; W. Abendroth, Sozialgeschichte der europäischen Arbeiterbewegung, Frankfurt 1965, S. 156 ff.; W. Z. Foster, Abriß der, Geschichte der Weltgewerkschaftsbewegung von den Anfängen bis 1955, Berlin (DDR) 1960, Teil IV; H. Gottfrucht, Die internationale Gewerkschaftsbewegung im Weltgeschehen, Köln 1962, S. 161 ff.

  13. Neben den meisten der in Anm. 1, 10 u. 11 genannten Studien vgl. G. Beier, Zum Einfluß der Gewerkschaften auf die Verfassungs-und Gesellschaftsordnung in der Gründungsphase der BRD, in: Zs. f. Parlamentsfragen 5 (1974) S. 40 ff.; I. v. Reitzenstein, Solidarität und Gleichheit — Ordnungsvorstellungen der deutschen Gewerkschaften nach 1945, Berlin 1961; F. Deppe u. a., Kritik der Mitbestimmung, Frankfurt 1969; J. Kolb, Metall-gewerkschaften in der Nachkriegszeit, Frankfurt 1970; regionale Untersuchungen wie F. Hartmann, Geschichte der Gewerkschaftsbewegung nach 1945 in Niedersachsen, Hannover 1972; P. Brandt, Antifaschistische Einheitsbewegung, Parteien und Gewerkschaften, Diss. masch. Berlin 1972 (für Bremen); U. Cieplik, Organisation und Funktion, Diss. masch. Konstanz 1973 (für Bayern); H. Christier, Widerstand und Wiederaufbau der Hamburger Arbeiterbewegung, Diss. masch. Hamburg 1974, und gewerkschaftliche Selbstdarstellungen wie IG Metall (Hrsg.), 75 Jahre Industriegewerkschaft 1891 bis 1966, Frankfurt 1966, S. 323 ff.; K. Anders, Stein für Stein, Frankfurt 1969, S. 232 ff.; H. Mommsen u. a., Bergarbeiter (Ausstellungskatalog) Bochum 1969, Kap. 32 ff.; DGB Landesbezirk Berlin (Hrsg.), Berliner Gewerkschaftsgeschichte von 1945— 1950, Berlin 1971.

  14. Insofern sind die neueren, global angelegten Untersuchungen zur Außenpolitik der USA auch für unseren Zusammenhang methodisch wegweisend. Vgl. insbes. G. Kolko, The Politics of War, New York 1970; J. u. G. Kolko, The Limits of Power, New York 1972 (zur Kritik der Quellengerechtigkeit und der naiven Analyse der Sowjet-Union bei Kolko vgl. R. J. Maddox, The New Lest and the Origins of the Cold War, Princeton 1973, S. 103 ff.) sowie die Darstellungen des Kalten Krieges z. B. von H. Feis, A. Fontaine, W. LaFeber, E. Nolte, etc. Vgl. im übrigen Anm. 16 u. 17. Ein vierter Faktor, die Europa-Föderations-Programmatik der sozialdemokratischen und bürgerlichen Gruppen in den europäischen Widerstandsbewegungen, kam in der frühen Nachkriegszeit nicht zum Zuge. Zur Dokumentation vgl. W. Lipgens (Hrsg.), Europa-Föderationspläne der Widerstands

  15. Vgl. die Abschlußsitzung in: H. Mommsen/D. Petzina/B. Weisbrod (Hrsg.), Industrielles System und politische Entwicklung in der Weimarer Republik, Düsseldorf 1974, vor allem die Bemerkungen T. Masons, S. 966.

  16. Eine historische Untersuchung des WGB bis zur Gründung des IBFG liegt noch nicht vor. Einstweilen Informationen bei Braunthal, Bd. 3, S. 23 ff.; Gottfurcht, S. 169 ff.; Foster, S. 524 ff., 593 ff. Einige wichtige Dokumente des WGB sind greifbar in: FDGB (Hrsg.), Zwanzig Jahre Weltgewerkschafts-

  17. Zu den Ergebnissen der Strukturreformen vgl. die Bestandsaufnahmen W. Weber (Hrsg.), Gemeinwirtschaft in Westeuropa, Göttingen 1962; R. Krisam, Die Beteiligung der Arbeitnehmer an der öffentlichen Gewalt, Leiden 1963; G. Leminsky, Der Arbeitnehmereinfluß in englischen u.französischen Unternehmen, Köln 1965.

  18. Die unmittelbare Nachkriegsphase ist wirtschaftshistorisch noch wenig erforscht, zumal die Rekonstruktion statistischer Unterlagen für diese Periode extremer Fluktuation besondere Schwierigkeiten aufwirft. Als Überblick vgl. M. M. Postan, An Economic History of Western Europe 1945 bis 1964, London 1967; für die amerikanische Einschätzung der politischen Ökonomie Westeuropas 1945/46 vgl. Kolko, Limits, a. a. O., S. 146 ff. Grundlegend das Rekonstruktionsmodell bei F. Jänossy, Das Ende der Wirtschaftswunder, Frankfurt o. J. (1969) sowie für die Anschlußphase die vergleichende Analyse des Arbeitskräftepotentials bei Ch. P. Kindleberger, Europe s Postwar Growth, Cambridge Mass. 1967. Die Lähmungskrise am Kriegsende verbarg einen weitgehend erhaltenen Kapital-stock an industriellen Produktionsanlagen und ein in seiner Qualifikationsstruktur bewahrtes Arbeitskräftepotential, die sich in allen europäischen Ländern alsbald zu hohen Wachstumsraten ergänzten. Im deutschen Fall wurde die kriegswirtschaftliche Expansion, die über das Maß der Zerstörungen hinausging, durch die Nachkriegszuwanderung in der Bizone ausgewogen. Der Aufschwung wurde hier durch längeres Nachwirken der Lähmungskrise (Zusammenbruch der Zwischenproduktversorgung, Einwirkungen des Besatzungsregimes) verzögert, ist jedoch nicht erst durch Liberalisierung und Marshall-Plan initiiert. Vgl. W. Abeishauser, Die Wachstumsbedingungen im britisch-amerikanischen Besatzungsgebiet 1945— 1948, Diss. masch. Bochum 1973; M. Manz, Stagnation und Aufschwung in der französischen Besatzungszone von 1945 bis 1948, Diss. masch. Mannheim 1968.

  19. Daran hat sich wenig geändert, seitdem Walter Ulbricht am 25. 6. 1945 in Berlin deutsche KP-Funktionäre darüber informierte, daß die „ideologische Verwüstung ... bis tief in die Reihen der Arbeiterklasse geht." (Walter Ulbricht, Zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 2, Berlin (DDR) 1963, S. 437). Die Begründung der Bündnispolitik trotz einer „revolutionären Welle (in) ganz Europa" in: IML, Arbeiterbewegung, Kap. XII, S, 28 ff.; J. Duclos u. a., Historie du Parti Communiste frangais (Manuel), Paris 1964, S. 439ff.

  20. Die Politik der US-Streitkräfte gegenüber der Zivilbevölkerung in den befreiten Gebieten dokumentieren H. L. Coles/A. K. Weinberg, Civil Affairs: Soldiers become Governors, Washington 1964. Den Zeitgenossen stand vor allem das Eingreifen der Engländer in Griechenland vor Augen: Heinz Richter, Griechenland zwischen Revolution und Konterrevolution (1936— 1946), Frankfurt 1973, S. 495 ff. Zur amerikanischen Haltung zur europäischen Linken vgl. Kolko, War, a. a. O., S. 31 ff., 428 ff. Noch 1946 wollten die USA in Frankreich und Italien im Fall eines kommunistischen Wahl-siegs bzw. Putschversuchs militärisch intervenieren: Kolko, Limits, S. 149 f., 156 f.

  21. Zur gewerkschaftlichen Entwicklung in Nachkriegsitalien vgl. B. Salvati, The Rebirth of Italian Trade Unionism, 1943— 54, in: S. J. Woolf: The Rebirth of Italy 1943— 50, London 1972, S. 181 ff.; D. Albers, Von der Einheit zum Kampf um die Einheit, in: Das Argument AS 2 (1974) S. 120 ff.; D. L. Horowitz, The Italian Labor Movement, Cambridge Mass. 1963, S. 181 ff.; zum politischen Zusammenhang die Beiträge von Quazza und Cata-

  22. E. Rosen, Victor Emanuel III und die Innenpolitik des ersten Kabinetts Badoglio im Sommer 1943, in: Vjh. f. Zeitgesch. 12 (1964) S. 44 ff., bes. S. 81 ff.; Text des sog. Buozzi-Mazzini-Abkommens über Betriebsräte bei M. F. Neufeld, Labor Unions and National Politics in Italian Industrial Plants, Ithaka N. Y. 1954, Anhang A. für die deutsche Parallele F. Tarnow, Labor and Trade Unions in Germany, in: The Annals 260 (1948) S. 90 ff.: „Great eagerness to arrange a , May 2nd in reverse'and to , take over'the German Labor Front" (S. 92).

  23. Für die Entwicklung unter der deutschen Besatzung im Norden vgl. Salvati, S. 189 ff.; für die Haltung der Alliierten im Süden C. R. S. Harris, Allied Military Administration of Italy 1943 bis 1945, London 1957, S. 445 ff.

  24. Salvati, S. 185 ff.; Horowitz, S. 186 ff.; M. F. Neufeld: Italy: School for Awakening — The Italian Labor movement ... 1800— 1960, r New York 1961, S. 451 ff.

  25. Zu Togliattis „svolta" (Ausbruch aus der antifaschistischen Opposition gegen Badoglio Eintritt in die königliche Regierung) vgl. Delzell, S. 336 ff., Claudin, Bd. 2, S. 403 ff. Für den Einfluß der KP auf CGIL und die verbündeten Sozialisten Braunthal, S. 79 ff. und ausführlich Horowitz, S. 202 ff., 244 ff. Die Nationalisierungen in Italien gingen nicht auf KP-Einfluß zurück; sie wurden vielmehr sowohl von Mussolini wie von De Gasperi vorgenommen, um durch öffentliche Übernahme von der Krise bedrohter Betriebe die privatwirtschaftliche Ordnung zu schützen. Vgl. R. Jochimsen, Die öffentlichen bzw. öffentlich beherrschten Wirtschaftsunternehmen in Italien, in: W. Weber, S. 229 ff. bes. S. 245; M. Einaudi (Hrsg.), Nationalization in France and Italy, Ithaka N. Y. 1955, S. 196 f.

  26. M, De Cecco, Econonuc Policy in the Reconstruction Period, 1945— 51, in Woolf, a. a. O., S 156 ff.

  27. Salvati, S. 189, 195 ff. Zwar wurden eine Lohn-Gleitklausel grundsätzlich vereinbart (Albers, S. 128 ff.) und zunächst Massenentlassungen verhindert, aber das Lohnniveau erreichte gerade die mageren Einkommen des Vorkriegsfaschismus, als sich die Preise verdoppelt hatten.

  28. Albers, S. 132 ff.; Horowitz, S. 208 ff.

  29. Vgl. Anm. 16; daneben W. Goldschmidt, Ökonomische und politische Aspekte des gewerkschaftlichen Kampfes in Frankreich seit dem Zweiten Weltkrieg, in: Das Argument AS 2 (1974) S. 1 ff.; V. R. Lorwin, The French Labor Movement, Cambridge Mass. 1966, S. 99 ff.; G. Lefranc, Le mouvement syndical de la Liberation aux evenements de Mai-Juin 1968, Paris 1969, S. 11— 40; J. Bruhat/M. Piolot, Aus der Geschichte der CGT, Berlin (DDR) 1961, S. 169 ff.; A. Barjonet, La C. G. T„ Paris 1968. Für die kommunistische Politik noch R. Tiesky, Le mouvement communiste en France (1920— 1972), Paris 1973, S, 94 ff.; J. Fauvet, Flistoire du Parti Communiste Francais, Bd. 2, Paris 1965, S. 139 ff.; zu den Spannungen zwischen der KP-Führung und lokalen Resistance-Gruppen vgl. Rieber, S. 133 ff. 159 ff. und Lokalstudien wie P. Guiral, Liberation de Marseille, Paris 1974, S. Ulfs.; Etienne Dejonghe/D. Laurent, Liberation du Nord et du Pas-de-Calais, Paris 1974, S. 157 ff., 217 ff.; für das kommunistische Verhalten bei der Säuberung der C. G. T. von kollaborationistischen Sozialisten neben Rieber, S. 177 ff. P. Novick, The Resistance versus Vichy, New York 1968, S. 131 ff.

  30. H. W. Ehrmann, French Labor from Populär Front to Liberation, New York 1947; Anon, La C. F. D. T„ Paris 1971, S. 32 ff.; G. Adam, La C. F. T. C. 1940— 1958, Paris 1964, S. 37 ff.

  31. Text bei Lorwin, S. 315 ff.

  32. Ehrmann, S. 262 ff.

  33. Programm des C. N. R. und Vorschlag der C. G. T. hierfür bei H. Michel/B. Mirkine-Guetzevitch (Hrsg.), Les Idees politiques et sociales de la Resistance, Paris 1954, S. 199 ff., 215 ff. Dem Vorschlag der CGT waren kommunistische und sozialistische Sondervoten beigegeben, aus denen hervorging, daß die KP für die Wiederherstellung der Sozialgesetzgebung der Volksfront, die Sozialisten aber für einen großen Bereich entschädigungsloser Sozialisierungen eintraten. Zur Haltung der C. F. T. C. vgl. Adam S. 93 ff.; Lefranc, S. 16 ff.;

  34. B. D. Graham, The French Socialists and Tripar-tisme 1944— 1947, London 1965, bes. S. 184 ff.

  35. Zu den Nationalisierungen s. H. Raidl, Unternehmen und Institutionen der öffentlichen Wirtschaft in Frankreich, in: W. Weber, S. 97 ff.; M. Bye, Nationallization in France, in: M. Einaudi, Nationalization, S. 238 ff.; den Vergleich zu England in: W. A. Robson (Hrsg.), Problems of nationalized industry, London 1952, S. 238 ff. Zur Partizipation vgl. Leminsky, a. a. O., S. 70 ff.; P. Du-rand, Die Beteiligung der Arbeitnehmer an der Gestaltung des wirtschaftlichen und sozialen Lebens in Frankreich, Luxemburg 1962. Zur Planung und ihrer Veränderung P. Bauchet, La planification francaise, Paris 1966.

  36. Zur Produktionskampagne der KPF und zu den Streiks bis zur Entlassung aus der Regierung: Lefranc, S. 29 ff., 42 ff.; Braunthal, Bd. 3, S. 61— 5; Lorwin, S. 105 ff.; Graham, S. 252 ff. Rieber, S. 310 ff., 347 ff.; Duclos u. a., Manuel, S. 469 ff.

  37. Zur Spaltung und den voraufgegangenen sog. Molotow-Streiks s. Lefranc, S. 52 ff.; Lorwin, S. 119 ff.; Barjonet, S. 49 ff., der die Mitwirkung des amerikanischen Geheimdienstes an der Bildung der F. O. betont (s. u.). Aus syndikalistischer Sicht P. Monatte, Trois Scissions syndicales, Paris 1958, S. 176 ff.; aus kommunistischer Sicht Duclos u. a., S. 507 ff.; und bes. Bruhat/Piolot, S. 193 ff.; aus der Sicht der F. O.selbst: G. Vidalenc, Die französische Gewerkschaftsbewegung, Köln 1953, S. 60 ff.; A. Bergeron, F. O., Paris 1972, S. 24 ff.

  38. Braunthal, Bd. 3, S. 24 ff.; H. Pelling: British Communist Party, London 1958.

  39. s. Anm. 16.

  40. Zum Einfluß der Arbeiterbewegung auf die Regierung H. Pelling, A History of British Trade Unionism, Harmondsworth 1971, S. 210 ff.; P. Oehlke, Grundzüge der Entwicklung der britischen Gewerkschaftsbewegung, in: Das Argument AS 2 (1974) S. 65 ff. bes. S. 91 ff.; E. Bandholz, Die englischen Gewerkschaften, Köln 1961, S. 41 ff.; sowie zum Beitrag der beiden wichtigsten Gewerkschaftsführer W. Citrine, Two Careers, London 1967 und A. Bullock, The Life and Times of Ernest Bevin, Bd. 2, London 1967.

  41. P. E. P. (Hrsg.), British Trade Unionism, London 1948, S. 5 ff.; Tabellen auch bei Pelling, Trade Unionism, S. 280 ff.

  42. Um einen Lohnstopp oder ähnliche Regierungskontrollen zu vermeiden, schuf Bevin durch Order 1305 vom 10. 6. 1940 institutionalisierte Tarifverhandlungen mit Zwangsschlichtung bei Verbot von Streik und Aussperrung. J. Lovell/B. C. Roberts, A short History of the T. U. C. London 1968, S. 146 f.; zu den Institutionen: P. E. P., S. 35 ff.; zum Widerstand gegen die Maßhaltepolitik der Regierung: Pelling, Trade Unionism, S. 216 f., 224 ff.; Oehlke, S. 92.

  43. Zu den Versuchen der Regierung, durch Lohn-stabilisierung die außenwirtschaftliche Krise Englands zu mildern, die 1948 zu einem bis 1951 eingehaltenen Lohnstoppabkommen mit dem TUC führte, vgl. G. A. Dorfman, Wage Politics in Britain 1945— 1967, London 1974, bes. S. 51 ff.; Kritik aus kommunistischer Sicht bei Oehlke, S. 97 ff.

  44. Pelling, Trade Unionism, S. 282 f.

  45. Aus der Literatur zu den britischen Nationalisierungen seien hier nur erwähnt: E. F. Schumacher, Die Sozialisierung in Großbritannien, in: W. Weber, S. 1 ff.; die Bestandsaufnahme bei W. A. Robson (Hrsg.), Problems; B. W. Lewis, British Planning and Nationalization, New York/London 1952; D. Goldschmidt, Stahl und Staat, Stuttgart Düsseldorf 1956 (hier auch zur Reprivatisierung). Zur Kritik der gemischten Wirtschaft aus marxistischer Sicht z. B. A. Glyn/B. Sutcliffe, British Capitalism, Workers and the Profits Squeeze, Harmondsworth 1972, S. 162 ff.

  46. H. A. Clegg, Industrial Democracy and Nationalization, Oxford 1955; für die innergewerkschaftliche Opposition dagegen K. Coates/T. Topham, The New Unionism — the Case for Workers'Control, London 1972, S. 109 ff. Vgl. Leminsky, S. 21 ff.; W. W. Haynes, Nationalization in Practice: The British Coal Industry, London 1953, Kap. 9 ff.

  47. Beier, Einheitsgewerkschaft, S. 230.

  48. Zwar sind viele Gewerkschafter von den Nationalsozialisten politisch verfolgt worden und allgemein ein Verbindungs-Halten der früheren Gewerkschafter, Besprechungen über Wiederaufbau-pläne nach dem Faschismus wie auch heroische Einzelaktionen belegbar, aber es kam weder zu aktivem Massenwiderstand noch zu organisierten Putschversuchen aus der Arbeiterbewegung heraus. H. -G. Schumann, Nationalsozialismus und Gewerkschaftsbewegung, Hannover 1958; H. Bednareck, Gewerkschafter im Kampf gegen die Todfeinde der Arbeiterklasse und des deutschen Volkes 1933— 1945, Berlin (DDR) 1966; H. Esters/H. Feiger, Gewerkschafter im Widerstand, Hannöver 1967; L. Reichhold, Arbeiterbewegung jenseits des totalen Staates — Die Gewerkschaften und der 20. Juli 1944, Köln/Stuttgart/Wien 1965.

  49. Vgl. Borsdorf, S. 394 ff. Hier auch zur zeitweiligen Taktik der KPD, im Kampf gegen den Nationalsozialismus in den Institutionen der DAF zu arbeiten. Vgl. auch Anm. 22.

  50. Zur Berliner FDGB-Gründung s. Klein, S. 232 ff.; W. Conze, Jakob Kaiser, Politiker zwischen Ost und West, Stuttgart 1969, S. 11 ff.; daneben vgl. K. Blank, Beiträge zum innerdeutschen Gewerkschaftsdialog, Bonn 1971, Bd. 1, S, 15 ff.; G. Griep/Ch. Steinbrecher, Die Herausbildung des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes, Berlin (DDR) 1968; K. Fugger, Geschichte der deutschen Gewerkschaftsbewegung, Berlin (Ost) 1949, Wiederdr. Berlin (West) 1971, S. 251 ff. Die Bedeutung der CGT bei der Herausbildung der Gewerkschaftskonzeption der Komintern und der KPD 1935 betont: H. Bednarek, Die Gewerkschaftspolitik der KPD 1935— 1939, Berlin (DDR) 1969, S. 121 ff. u. ö.; die Erfahrungen der anderen kommunistischen Parteien (insbes.der italienischen) nach 1943 für die Bündnispolitik des ZK der KPD: Laschitza, S. 125. Vgl. im übrigen Anm. 52.

  51. Klein, S. 108 f.; Borsdorf, S. 398.

  52. Zum NKFD für den Westen und zur deutschen Sprachgruppe in der CGT vgl. Klein, S. 111 ff.; K. Pech, An der Seite der Resistance, Frankfurt 1974, S. 263 ff.; H. Duhnke, Die KPD von 1933 bis 1945, Köln 1972, S. 407 ff.; zur Zusammenarbeit des OSS-Labor-Desk in London mit dem IGB: P. H. Smith, OSS, Berkeley 1972, S. 204 ff. (U. Borsdorf und der Vers, werden diesen Komplex für Deutschland demnächst näher dokumentieren.)

  53. Zur Gründungsgeschichte der Gewerkschaften in dem von den Besatzungsmächten gesetzten Rahmen vgl. die in Anm. 11 u. 13 genannte einschlägige Lit. Dabei wird nicht immer realisiert, daß die wesentlich von Sozialisten und Kommunisten getragene französische Regierung ihre Obstruktionspolitik in der 9. Sitzung des Alliierten Kontrollrats am 20. 10. 1945 damit begann, daß sie die von den anderen drei Mächten gewünschte gesamtdeutsche Gewerkschaftsbildung verhinderte: U. S. Dep. of State, (Hrsg.), Foreign Relations of the United States, Diplomatie Papers 1945, vol. III, Washington 1968, S. 846— 52.

  54. Auf Grund englischer und amerikanischer Gewerkschaftsmaterialien hierzu jetzt grundlegend das dem Vers, freundlicherweise zur Verfügung gestellte Manuskript von G. Beier, Probleme der Gründung und des Aufbaus westdeutscher Gewerkschaften unter dem Primat der Außenpolitik, Kronberg 1972 (51 S.). Daneben R. Radosh, American Labor and United States Foreign Policy, New York 1969, S. 325 ff. und G. S. Wheeler, Die amerikanische Deutschlandpolitik, Berlin (DDR) 1958, Teil II. Für die Beziehungen des WGB zu Deutschland findet sich ein Überblick aus der Sicht des FDGB in den Kap. 2— 6 von A. Behrendt, Der Weltgewerkschaftsbund und die deutschen Gewerkschaften, Berlin (DDR) o. J. (1965).

  55. Vgl. z. B. Th. R. Fisher, Allied Military Government in Italy, in: The Annals 267 (1950), S. 114 ff., bes. S. 117 ff.

  56. Von wenigen Ausnahmen wie Kurt Schumacher abgesehen, galt die Tätigkeit der Arbeiterbewegung in den ersten Tagen nach der Befreiung der Bildung von überparteilichen Aktionsausschüssen und von Gewerkschaften bzw.deren Vorformen (Betriebsräte, Obleutebewegungen), da die Einheit in diesem Bereich unumstritten schien (vgl. Anm. 58 u. 73). Zugleich machte die Haltung der amerikanischen Militärregierung, die zunächst die Bildung von Gewerkschaften in Aussicht gestellt, poli-tische Betätigung aber verboten hatte, gewerkschaftliche Arbeit auch als Ersatzpolitik interessant. Für die Gewerkschaftspolitik s. Klein, S. 134 ff.; für die Lizensierung politischer Betätigung: L. Niethammer, Entnazifizierung in Bayern, Frankfurt 1972, S. 126 ff., 198 ff.

  57. Zahlreiche Beispiele hierfür z. B. bei Brandt, Hartmann, Klein, E. Schmidt.

  58. Lit. zu den Aktionsausschüssen bei Niethammer, Entnazifizierung, S. 124 ff. und neuerdings für empirische Untersuchungen aus dem norddeutschen Raum Brandt, Christier, Hartmann sowie Niet-hammer (Hrsg.), Walter L. Dorn — Inspektionsreisen in der US-Zone, Stuttgart 1973, S. 34 ff. Der Unterschied zur Radikalität mancher Partisanenbewegungen wird vielleicht am griechischen Beispiel am deutlichsten, vgl. D. Eudes, Les Kapitanios, Paris 1970.

  59. Mit diesem Untertitel wollen umgekehrt Schmidt/Fichter auf die Existenz eines radikalen Potentials hinweisen. Auf gewerkschaftlicher Ebene scheint mir G. Beier, Gründungsphase, S. 40, eine ähnliche Fehlakzentuierung zu suggerieren, wenn er die Gewerkschaften die „stärkste Macht im Interregnum" nennt.

  60. Zu diesem Zusammenhang im Ruhrgebiet 1947 vgl. Potthoff, S. 34 ff.; E. Schmidt, S. 74 ff., 134 ff.; Schmidt/Fichter, S. 23 ff.; Deppe u: a., Kritik, S. 58 ff.; Mommsen u. a., Kap. 36 ff.; P. Hüttenberger, Nordrhein-Westfalen und die Entstehung seiner parlamentarischen Demokratie, Siegburg 1973, S. 410 ff.; J. Gimbel, Amerikanische Besatzungspolitik in Deutschland 1945— 1949, Frankfurt 1971, S. 159 ff., 225 ff.; Mannschatz/Seider, S. 195 ff.; R. Badstübner, Restauration in Westdeutschland 1945— 1949, Berlin (DDR) 1965, S. 233 ff.

  61. „Der Kapitalismus liegt in seinen letzten Zügen" sagte z. B. Hans Böckler 1946 (E. Schmidt, S. 68).

  62. Auf dem Nürnberger Parteitag der SPD 1947 (Beier, Primat der Außenpolitik, S. 43) — diese Äußerung war zwar erst auf die Zustimmung zum Marshall-Plan gemünzt, beschreibt jedoch auch die Parteipraxis zuvor.

  63. Zur Weiterentwicklung der wirtschaftsdemokratischen Tradition in Gewerkschaften und Sozialdemokratie vgl. E. Schmidt, S. 61 ff.; H. P. Ehni, Sozialistische Neubauforderung und Proklamation des „Dritten Weges", in: Archiv für Sozialgeschichte 13 (1973) S. 131 ff.; R. Blum, Soziale Marktwirtschaft, Tübingen 1969, S. 13 ff.; W. Weddigen (Hrsg.), Untersuchungen zur sozialen Gestaltung der Wirtschaftsordnung, Berlin (West) 1950.

  64. Vgl. Anm. 50. Ähnlich wie CGIL und die vereinigte CGT wurde der FDGB einer zentralen von Spitze für die SBZ aufgebaut. Die westdeutschen Gewerkschaftsführer wurden nur durch die Besatzungsmächte von diesem Modell auf die regionale Ebene abgedrängt.

  65. E. Schmidt, S. 120 ff.; H. Mommsen u. a., Kap. 35 und 38.

  66. T. Fichter /E. Eberle, Kampf um Bosch, Berlin (West) 1974, S. 26 ff.; ähnliche Kritik aus der Tradition der KPO auch schon bei Schmidt /Fichter, S. 43 ff.; E. -U. Huster u. a., Determinanten der westdeutschen Restauration 1945— 1049, Frankfurt 1972, S. 175 ff.

  67. Hierzu liegen bisher nur zwei polemisch zugespitzte Dokumentationen vor: A. Behrendt, Die Interzonenkonferenzen der deutschen Gewerkschaften, Berlin (DDR) 19602; DGB-Bundesvorstand (Hrsg.), Versprochen — gebrochen. Die Interzonen-konferenzen der deutschen Gewerkschaften von 1946— 1948, Düsseldorf o. J. (1961). Die Kompromißbereitschaft der Kommunisten sprach sich insbesondere in ihrem Vorschlag aus, die Marshall-Plan-Frage im WGB auszuklammern.

  68. T. U. C. (Hrsg.), Die unabhängigen Gewerkschaften verlassen den Weltgewerkschaftsbund, London 1949.

  69. J. und G. Kolko, Kap. 12 ff.; für die Gewerkschaften vgl. Anm. 54.

  70. Dies die Tendenz in der vom FDGB hrsg. Teil-aufl. von G. S. Wheeler, Amerikanische Politik, 1. und 2. Teil, unter dem Titel: ders., Politik mit dem Dollar, Berlin (DDR) 1958.

  71. Radosh, S. 316 ff.

  72. Klein, S. 192 ff.; Christier, S. 103 ff.

  73. Dieser Einheitswillen wird vielfach als Innovation eines neuen Klassenbewußtseins überinterpretiert, ohne daß seine autoritären und traditio-nalen Elemente gewürdigt werden. Vgl. dazu F. Moraw, Die Parole der „Einheit" und die Sozialdemokratie, Bonn 1973, S. 60 ff.

  74. Vgl. Anm. 25, 65; Lorwin, S. 107 ff.

  75. Wie Anm. 68; Gottfurcht, S. 185 ff.

  76. Radosh, S. 310 ff., bes. 331 ff.; J. Fijalkowski u. a., Berlin — Hauptstadtanspruch und Westintegration, Köln/Opladen 1967, S. 41 ff.

  77. Diese Position ist am italienischen Beispiel analysiert bei M. De Cecco, S. 100 ff.; für die deutschen Westzonen Blum, S. 38 ff., S. 207 ff., wo die Währungsreform als Höhepunkt amerikanischer Liberalisierungsintervention interpretiert wird. Im europäischen Zusammenhang J. und G. Kolko, Limits, S. 428 ff.

  78. Ebenda, S. 346 ff.; für das Gebiet der Bizone vgl. Abeishauser, S. 212 ff.

  79. Insgesamt zur Haltung der deutschen Gewerkschaften vgl. G. Beier, Primat der Außenpolitik, S. 42 ff.; E. Schmidt, S. 114 ff., Pirker, S. 84 ff., Schmidt /Fichter, S. 37 ff.; Daß die politisch-ökonomischen Probleme der Westzonen der unmittelbare Anlaß für den Marshall-Plan waren und hier die Amerikaner die institutioneilen Modelle (JEIA, GARIOA) für seine Durchführung entwickelten, ist in der Lit. unstrittig. J. und G. Kolko, Limits, S. 349 ff.; Gimbel, S. 196 ff., 216 ff.; H. Arkes, Bureaucracy, the Marshall-Plan, and the National Interest, Princeton 1972, S. 19 ff.; J. H. Backer, Priming the German Economy, Durham N. C. 1971, S. 157 ff.; A. Piettre, L'economie allemande contem-poraine, Paris o. J. (1952), S. 469 ff.

  80. ökonomische Stabilisierung in Westeuropa und in den USA als Motiv zeigen neben Kolko, Gimbel, J. M. Jones, The Fifteen Weeks, New York 1953, S. 205; H. B. Price, The Marshall Plan and its Meaning, Ithaka 1955, S. 29 ff.; E. -O. Czempiel, Das amerikanische Sicherheitssystem 1945— 1949, Berlin 1966, Abschnitt 3; Arkes, S. 43 ff., 153 ff. Demgegenüber war die antikommunistische Eindämmungsideologie, die die Entstehung des Hilfsprogramms in und außerhalb der USA zunehmend begleitete, eher eine Kampagne, um die Bereitschaft für diese Investitionen freizusetzen. Hierzu R. M. Freeland, The Truman Doctrine and the Origins of McCarthyism, New York 1972.

  81. Vgl. Anm. 86.

  82. Den besten Überblick gibt Gimbel, passim; für den ökonomischen Bereich Blum, S. 182 ff.; H. -H. Hartwich, Sozialstaatspostulat und gesellschaftlicher Status quo, Köln/Opladen 1970, S. 61 ff.

  83. Beier, Primat der Außenpolitik, S. 33 ff., 46 ff.; ders., Gründung, S. 47 f. für besonders deutliche Beispiele. Dokumentarisches Material auch bei Wheeler, Dollar, passim.

  84. Für Überblicke J. und G. Kolko, Limits. S. 361 ff.; H. Feis, From Trust to Terror, New York 1970, S. 260 ff.; Foster, S. 606 ff.; Gotfurcht, S. 189 ff.

  85. Braunthal, Bd. 3, S. 179 ff.; J. und G. Kolko, Limits, S. 384 ff.; Claudin, Bd. 2, S. 525 ff. für Überblicke. Die Ablösung der Koalition in der SR in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Scheitern des „dritten Weges" angesichts des Marshall-Plans in Frankreich interpretiert R. Künstlinger, Partei-diktatur oder demokratischer Sozialismus, Starnberg 1972, S. 78 ff.; s. auch J. K. Hoensch, Geschichte der Tschechoslowakischen Republik, Stuttgart 1966, S. 136 ff.; als rein endogene Revolution in der populären Selbstinterpretation der SSR-Gewerkschaften: Prace (Hrsg.), Menschen, Arbeit, Gewerkschaften in der Tschechoslowakei, Prag 1959, S. 55 ff.

  86. Für die Spaltung in Italien vgl. Salvati, S. 201 ff.; Horowitz, S. 215 ff.; in Frankreich Lorwin, S. 125 ff.; Lefranc, S. 65 ff.; für Berlin vgl. Anm. 76; für das Scheitern des geplanten Interzonenkongresses in Deutschland E. Schmidt, S. 118; Behrend, Interzonenkonferenzen, S. 172 ff.; vgl. Anm. 65. Zur antikommunistischen Kampagne im TUC 1948, den die KP-Agitation wegen seines gleichzeitig abgeschlossenen Lohnstillhalteabkommens besonders störte: Pelling, Communist Party, S. 153 ff.

  87. Barjonet, S. 51; Radosh, S. 323.

  88. Goldschmidt, S. 22 ff.; Lefranc, S. 77 ff.

  89. Neben Beier, Primat der Außenpolitik, S. 33 ff. die Dokumentation Free Trade Union Committee of the A. F. of L. (Hrsg.), Die A. F. of L. und die deutsche Arbeiterbewegung, New York 1950 und die zeitgenössische Kritik bei V. Agartz'Gewerkschaft und Arbeiterklasse, München 1 9732, S. 97 ff. („Der gewerkschaftliche Marshallplan'').

  90. Gewerkschaftsführern wie Böckler war der Zusammenhang zwischen Marshall-Plan und nationaler Spaltung klar. Es fehlt aber noch eine vergleichbare umfassende Darstellung des gewerkschaftlichen Verhaltens 1947/48, wie H. -P. Schwarz, Vom Reich zur Bundesrepublik, Neuwied /Berlin 1966, S. 299 ff., 483 ff., für Jakob Kaiser und Kurt Schumacher als Repräsentanten der nationalen Arbeiterbewegung den Entscheidungszwang unter Voraussetzung des Marshall-Plans einerseits und der Abgrenzung gegenüber den Kommunisten andererseits analysiert hat. Zur gewerkschaftlichen Politik bei der Verfassunggebung vgl. Beier, Gründung, S. 53 ff., -W. Sörgel, Konsensus und Interessen, Stuttgart 1969.

  91. Zum reduzierten Begriff der Einheitsgewerkschaft gehörte insbesondere auch das partielle Scheitern in der Angestelltenfrage. Zur Gründung der DAG und des DBB vgl. Enderle, S. 697 ff., Zur RGO-Phase der KPD 1951 vgl. Fichter /Eberle, S. 115 ff.

  92. Für einen Überblick über die selbständige Entstehung der 16 Industrieverbände vgl. Enderle, S. 401 ff.

  93. Einige Indikatoren der Währungsreform-Folgekrise bei Niethammer (Hrsg.), Dorn, S. 127; die Bedeutung des Arbeitskräfteüberflusses für das Wirtschaftswachstum in der BRD zeigt Kindleberger, S. 28 ff.; eine Analyse der sich daraus für die gewerkschaftliche Lohnpolitik ergebenden Probleme ist zu erwarten, von J. Bergmann /O. Jacobi /W. Müller-Jentsch: Gewerkschaften in der BRD, (hekt. Vorbericht Frankfurt 1974).

  94. Potthoff, Kap. 3; E. Schmidt, S. 182 ff.; dabei werden häufig die politischen Kosten mißachtet. Vgl. zum Zusammenhang von Mitbestimmung und Wiederaufrüstung A. Baring, Außenpolitik in Adenauers Kanzlerdemokratie, Bd. 2, München 1971, S. 66 ff.

  95. Vgl. die Übersicht bei Deppe u. a., S. 110 ff.

  96. E. Schmidt, S. 193 ff.

  97. Limmer, S. 93 ff.

Weitere Inhalte

Lutz Niethammer, Dr. phil., Prof, für Neuere Geschichte an der Universität Essen, geb. 1939 in Stuttgart, Studium der ev. Theologie, Geschichte, Politik und Soziologie, 1968— 1972 wiss. Assistent an der Abt. Geschichtswissenschaft der Ruhr-Universität in Bochum. Veröffentlichungen u. a.: Angepaßter Faschismus. Praktische Politik der NPD, Frankfurt 1969; Entnazifizierung in Bayern. Säuberung und Rehabilitierung unter amerikanischer Besatzung, Frankfurt 1972; (als Hrsg.) Walter L. Dorn, Inspektionsreisen in der US-Zone, Stuttgart 1973; (zus. m. Heinz Kuby u. Erich Kitzmüller) Der Wandel der nationalen Frage in der Bundesrepublik Deutschland — Nationalstaat ohne Nationalökonomie, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 33 u. B 34/73; sowie eine Reihe von Aufsätzen zur Zeitgeschichte.