I. Zur Aktualität des Themas
So dramatisch, wie der Aufstieg der multinationalen Konzerne war, ist auch die Zunahme ihrer politischen Bedeutung. Schon der Begriff selbst zeigt, daß sie politisch — nämlich die Nation übergreifend — in Erscheinung treten. In den vergangenen zwei Jahren wurde die politische und ökonomische Rolle dieser sich ausbreitenden Unternehmen in den verschiedensten Organisationen diskutiert: im Internationalen Arbeitsamt (ILO), in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), der Europäischen Gemeinschaft und der UN-Vollversammlung. Im Laufe des Jahres 1973 trat eine . Gruppe bedeutender Persönlichkeiten" unter der Schirmherrschaft des Wirtschaftsund Sozialrats der Vereinten Nationen zusammen, um die Rolle der multinationalen Konzerne in den internationalen Beziehungen zu untersu-chen
Die übliche und stark vereinfachende Frage, ob die multinationalen Konzerne die Souveränität der Nationalstaaten untergraben werden, ist nach diesen Untersuchungen sicherlich mit einem modifizierten „Nein" zu beantworten. Unzweifelhaft stellen die Multinationalen eine starke Macht dar, mit der man rechnen muß. Es gibt zur Zeit etwa 200 große multinationale Unternehmen oder Konzern-gruppen, die gleichzeitig in zwanzig oder mehr Nationen operieren und durch Kapital-beteiligungen und Managementstrategie untereinander verbunden sind Die drei Milliarden Dollar jährlichen Wertzuwachses bei jedem der oberen Zehn unter den Multinationalen übersteigt bereits das Bruttosozialprodukt von etwa 80 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, und einige Beobachter sagen voraus, daß bis zum Ende des Jahrhunderts 300 Konzernriesen für den Hauptanteil der industriellen Weltproduktion verantwortlich sein werden.
a Warum nun scheinen die multinationalen Konzerne für viele Staaten heute eine schwere Bedrohung darzustellen? Auf welche Weise greifen sie bewußt oder unbewußt in die Politik ein? Was kann man bereits jetzt über den längerfristigen Einfluß der multinationalen Konzerne sagen? Und zum aktuellsten Streitpunkt der gegenwärtigen Kontroverse: Was läßt sich tun, um den Konflikt, der nach Ansicht vieler Beobachter zwischen den multinationalen Konzernen und den Entwicklungsländern besteht, zu entschärfen oder zumindest zu regeln?
II. Formen der politischen Einwirkung
Nicht allein durch ihre Größe wird die Bedeutung der multinationalen Konzerne bestimmt, sie haben auch dadurch an Wichtigkeit gewonnen, daß wirtschaftliche und soziale Gesichtspunkte einen immer größeren Raum in den Überlegungen zur nationalen Sicherheit einnehmen. Nukleare Technologie und sich wandelnde Wertvorstellungen in der Innenpolitik haben den Einsatz militärischer Mittel zu einer problematischen Alternative für die Re-Mit freundlicher Genehmigung der Heraus-Seber dem Oktober-Heft 1974 der Vierteljahreszeitschrift „Foreign Affairs“, New York, entnommen (Copyright: United Press Internatonal). Übersetzung: Therese Müller, Flensburg. gierungen der Industriestaaten gemacht. Zwar ist in extremen Situationen wohl Gewalt nötig, um das überleben eines Staates zu garantieren, in der internationalen Politik jedoch handelt es sich in vielen Fällen nicht um Fragen, die das überleben berühren, so daß hier eine Streitkraft ein viel zu stumpfes und kostspieliges Werkzeug ist, um von Nutzen zu sein. (Vor einem Jahrhundert mag die Androhung einer Bombardierung den Vereinigten Staaten geholfen haben, Japan zum Anknüpfen von Handelsbeziehungen zu zwingen, aber in dem noch nicht lange zurückliegenden Kampf um die Bewertung des Yen hätte man eine solche Drohung nicht mehr als Waffe einsetzen können.)
Heute ist die Sicherheitspolitik in den meisten Ländern der Welt nicht nur darauf abgestellt, das physische überleben der Individuen innerhalb der nationalen Grenzen sicherzustellen, sondern darüber hinaus Erwartungen an das wirtschaftliche Wohlergehen zu erfüllen, eine gewisse politische und gesellschaftliche Autonomie der Nation und ein entsprechendes Maß von nationalem politischem Prestige zu gewährleisten. Es kommt sogar vor, daß gewisse Risiken auf dem Sicherheitssektor in Kauf genommen werden, wenn so die Chancen für eine Wahrung des wirtschaftlichen Wohlergehens, des politischen Status und der nationalen Autonomie vergrößert werden.
Bei vielen Staaten hat sich das Gefühl einer militärischen Bedrohung der territorialen Integrität auf das Wirtschaftliche verlagert. Oft sind solche Bedrohungen allerdings unkonventionell und unbeabsichtigt. Wie der Kanadier John Holmes Kanadas Beziehungen zu den Vereinigten Staaten beschreibt, ist es „nicht Washington, das wir fürchten müssen. Es sind Houston und Pittsburgh und Hollywood ... Wir haben keine Angst, daß die US-Armee ein zweites Mal Toronto zerstören wird, sondern daß Toronto durch einen Computer in Texas hinwegprogrammiert wird." Hieraus läßt sich leicht ersehen, warum die multinationalen Konzerne ihre Bedeutung in der Weltpolitik erlangt haben, ob sie es nun wollen oder nicht. Die Abwendung von der Gewalt ist gleichzeitig das Ende der Schwäche der Konzerne, und wenn das Gewicht zunimmt, das man dem wirtschaftlichen Wohlergehen zumißt, dann wächst auch die Stärke der Konzerne.
Eine noch weitergehendere Verallgemeinerung der politischen Rolle der Multinationalen erweist sich als ziemlich kompliziert. Konzerne investieren im Ausland aus einer Vielzahl von Gründen. Dienstleistungsunternehmen unterscheiden sich in Größe und Mobilität beträchtlich von jenen, die Rohstoffe gewinnen oder verarbeiten. Sogar innerhalb der verarbeitenden Industrie gibt es große Unterschiede in den Verhandlungspositionen, je nachdem, ob die Investitionen der Unternehmen mehr oder weniger auf den Zugang zu einheimischen Märkten, auf billige Arbeitskräfte in Übersee oder die Ausnutzung technologischer Vorteile ausgerichtet sind. Im übrigen kann ein und dieselbe Firma auf ein Land mit einer schwachen Wirtschaft und einer zersplitterten Gesellschaft einen ganz anderen Einfluß nehmen als auf ein Land mit einer ausgewogenen Wirtschaft und einer stabilen Regierung. Nichtsdestoweniger lassen sich, allgemein gesprochen, wenigstens drei wichtige Rollen anführen, die die multinationalen Konzerne im weltpolitischen Tagesgeschehen spielen. 1. Die „private Außenpolitik" multinationaler Konzerne Diese Art der Einflußnahme kann man durch der dramatische Beispiele belegen — wohl bemerkenswerteste war der Fall der ITT in Chile, der u. a. dazu beitrug, die Schaffung einer speziellen UN-Kommission anzuregen. Ein Fall dieser Art wird besonders bekannt, weil er im Widerspruch steht zu der traditionellen Politik, daß Regierungen mit Regierungen verhandeln und daß Bürger oder Konzerne auf die Regierungen anderer Länder nur indirekt durch eine Politik einwirken, die sie ihrer eigenen Regierung nahebringen. Aber hier nehmen Bürger und Konzerne auch direkten Einfluß auf die Regierungen und die Politik anderer Länder, ganz abgesehen von den Aktivitäten ihrer eigenen Regierungen.
Es läßt sich nicht leugnen, daß die große Publicity, die solche dramatischen Fälle begleitet, ihnen vielleicht eine unangemessene Bedeutung verleiht. Informativ an den chilenischen Enthüllungen ist, daß es ITT bemerkenswerterweise nicht gelang, andere multinationale Konzerne zu einer Beteiligung an der direkten politischen Intervention zu überreden. Während es beinahe unmöglich ist, Fakten über diesen Typus der direkten Intervention auf wissenschaftliche Weise zu beschaffen, legen vorhandene Beweise die Vermutung nahe, daß die Fälle, in denen Konzerne direkt in politische Affären größeren Ausmaßes verwickelt waren — wie United Fruit Tliniere in Katanga in den sechziger Jahren oder ITT in Chile in den siebziger Jahren—, nur einen geringen Teil der Wechselwirkungen von Staaten und Konzernen ausmachen. Tatsächlich zeigt eine sorgfältige Fallstudie, die sich mit der Rolle der amerikanischen Konzerne in Peru befaßt, daß die Entwicklung sich von solchen eklatanten direkten politischen Einflußnahmen fortbewegt Trägt man die direkten politischen Aktionen auf einer Skala ein, an deren oberster Stelle das Anwerben von Privatarmeen durch Bestechung von Soldaten oder Politikern des betreffenden Landes zu stehen hätte, gefolgt von Wahlkampfzuwendungen an politische Parteien, legitimer Lobbytätigkeit bei den ge-
setzgebenden Kräften des Landes und weiter bis hinunter zur Werbung, um den „good will" zu verbessern dann ergibt sich zweifellos eine Häufung der direkten politischen Aktivitäten am unteren Ende der Skala.
Direkte transnationale politische Kontakte der Unternehmen können von entscheidender Bedeutung für bestimmte Staaten sein. Abgesehen von dem ziemlich routinemäßig eingesetzten Arsenal von politischen Aktivitäten auf niedriger Ebene können sich Konzerne bei Verhandlungen mit den Regierungen des Gastlandes auch wirtschaftlicher Mittel bedienen (sei es, indem sie Belohnungen — wie z. B. neue Investitionen — versprechen, sei es durch Androhung von Strafen — wie z. B.den Abzug von Geldern), um eine für sie günstige Politik durchzusetzen.
Wenn man die direkte Rolle der Konzerne in der Weltpolitik betrachtet, erweist es sich als nützlich, noch eine weitere traditionelle Annahme fallen zu lassen, daß nämlich Staaten immer als zusammenhängende Gebilde agieren. Wie man zugeben muß, daß die verschiedenen Gruppen in der Gesellschaft verschiedene Interesse haben und daß die Regierungen manchmal Zusammenschlüsse rivalisierender Gruppen mit verschiedenartigen Bestrebungen sind, ist es einzusehen, daß Teile verschiedener Regierungen und Konzerne sich zusammenfinden, um eine gemeinsame Politik zu verfolgen.
So kann eine „private" Außenpolitik einem Gastland gegenüber sich entweder interne Differenzen zunutze machen oder versuchen, Anaconda gegen Ende der sechziger Jahre mit der Verstaatlichung des chilenischen Kupfers rechnen mußte, verließ er sich auf den politischen Widerstand im Lande, indem er sich mit den konservativen Führungskräften gegen Allende verbündete — ohne Erfolg. Kennecott dagegen organisierte eine raffinierte Gegenwehr von außen, die auf dem trans-nationalen Markt-und Kreditgeflecht basierte. Das hätte im Falle einer Verstaatlichung dazu geführt, daß die chilenische Regierung ihren Kredit bei Großbanken in zahlreichen Staaten gefährdet hätte, wenn sie nicht für eine angemessene Entschädigung hätte sorgen wollen. In einer politischen Lage, die Verstaatlichungen wahrscheinlich macht, dürfte diese letztere Strategie für einen Konzern die sicherere sein. Zurückblickend argumentierte Harold Green, der Präsident der ITT, folgendermaßen: Die Lösung könnte auf multinationaler Ebene liegen. Damit meine ich, daß die Deutschen, die Schweizer, die Weltbank und andere sich an den Investitionen beteiligen. Dann sind sechs Länder betroffen, nicht nur ein einziges. Wenn etwas schief geht, können die Länder massiv werden und zur Tat schreiten. Es wird kein Krieg erklärt, aber vielleicht weigern sich alle, dem Land, das gegen bestimmte Abmachungen verstoßen hat, Kredite zu gewähren.
Schließlich ist es wichtig, klarzustellen, daß transnationale Zusammenschlüsse keineswegs immer gegen die Regierungen der Gastländer gerichtet sind. Der radikale Kritiker der Multinationalen, der seine Aufmerksamkeit auf ihre Einflußnahme in schwachen Staaten oder auf Bündnisse zwischen Konzernen und einflußreichen Gruppen in weniger bedeutenden Staaten konzentriert, läßt manchmal die Tatsache außer acht, daß die Unternehmen auch die Regierung im eigenen Lande beeinflussen können. Ein Paradebeispiel ist die internationale Lobbytätigkeit anläßlich der Bemühungen, die Verteilung des Meeresbodens rechtlich festzulegen. Hier verbündeten sich Olkonzerne (und gewisse Gruppierungen in der US-Regierung) mit einigen armen Staaten gegen die offizielle Position der US-Regierung. 2. Die multinationalen Konzerne als Instrument der nationalen Regierungen Ganz abgesehen von ihren eigenen politischen Initiativen hat die Existenz von Konzernen, deren Herrschaftsbereich sich über mehrere Staatsgrenzen ausdehnt, die nationalen Regierungen mit einer zusätzlichen Waffe ausgerüstet, die gegeneinander anzuwenden dIE vEIduUIIL ElI 1IUYa*• Vereinigten Staaten bemüht, ihre außen-politisch bestimmte Embargo-Strategie auf Staaten außerhalb ihrer Jurisdiktion auszudehnen, indem sie die Handelsbeziehungen von Töchtern einiger in den U. S. A. ansässiger Konzernen einer extraterritorialen Kontrolle zu unterwerfen suchte. In gleicher Weise bedienten sich in den sechziger Jahren die Vereinigten Staaten der von Konzernen aufgestellten Richtlinien über den Kapitaltransfer, um ihre Stellung auf dem internationalen Geldmarkt zu stärken. Auch läßt es sich kaum bezweifeln, daß die US-Regierung gelegentlich, ob bewußt oder unbewußt, zu geheimdienstlichen Zwecken von Informationen Gebrauch macht, deren Beschaffung sie Welt-konzernen mit Sitz in Amerika zu verdanken hat.
Dafür, daß diese Art des Vorgehens politische Probleme aufwirft, lassen sich unschwer Beispiele finden. Von den sechzehn von J. N. Behrman angeführten Konflikten, für deren Entstehen er Aktivitäten der Konzerne innerhalb der atlantischen Staaten in der Mitte der sechziger Jahre verantwortlich macht, standen zwölf in Beziehung zum Gesetz über den Handel Amerikas mit feindlichen Staaten (American Trading with the Enemy Act); bei einem handelte es sich um Computer-Technologie bei nuklearen Waffen und drei betrafen die Durchführung von Sanktionen der Vereinten Nationen. In keinem dieser Fälle hatte ein Konzern den Konflikt direkt oder absichtlich heraufbeschworen und in keinem Fall daraus Profit geschlagen. Ein ähnliches Ergebnis liefern die Daten, die David Leyton-Brown bei der Untersuchung von 61 internationalen Spannungssituationen in Großbritannien, Frankreich und Kanada zusammenstellte, die im Gefolge von Aktivitäten multinationaler Konzerne entstanden waren: Die zwischenstaatlichen Konflikte waren hauptsächlich darauf zurückzuführen, daß versucht worden war, der Jurisdiktion des eigenen Landes über dessen Grenzen hinaus Geltung zu verschaffen. In nur zwei Fällen hatte ein multinationales Unternehmen um die diplomatische Unterstützung seiner Heimatregierung gebeten
Manipulationen mit Hilfe multinationaler Konzerne sind jedoch ein politisches Instru-so zur Verfügung steht wie der des Heimat-landes (ein Aspekt, dem der UN-Report nur wenig Aufmerksamkeit gezollt hat). Das dramatischste Beispiel aus jüngster Zeit war das Olembargo von 1973. Zwar gelang es den Konzernen, eine gewisse Unabhängigkeit zu bewahren, indem sie öl aus nicht-arabischen Quellen in die Niederlande und die Vereinigten Staaten dirigierten; in bezug auf arabisches öl jedoch konnten die arabischen Staaten eine fast uneingeschränkte Befolgung ihrer Vorschriften bei den Konzernen durchsetzen. Sogar ein so kleines Land wie die Philippinen brachte es in den sechziger Jahren fertig, die US-Regierung mit Hilfe einer angedrohten Verstaatlichung amerikanischer Konzerne zu einer Ausweitung der Handelspräferenzen zu veranlassen
Kanada, ein Land, in dem ein Drittel der Konzerne in ausländischem Besitz ist (58 Prozent, wenn man den Produktionswert zugrunde legt), wird manchmal als Beleg dafür angeführt, wie die Regierung des Stammlandes der Konzerne ihre Fähigkeit, diese zu manipulieren, einsetzen kann. Jedoch zeigt eine kürzlich veröffentlichte Studie über 31 politische Konflikte zwischen den Vereinigten Staaten und Kanada, die in den fünfziger und sechziger Jahren auf höchster Ebene ausgetragen wurden daß sich die kanadische Regierung der Konzerne genauso oft als Mittel bediente wie die amerikanische. An insgesamt neun der 31 Fälle waren multinationale Konzerne aktiv beteiligt; in fünf der neun Fälle wiederum traten die Konzerne als Lobby auf, in vier dagegen wurden sie (mit Erfolg) von den Regierungen als Werkzeug benutzt —-zweimal von den Vereinigten Staaten und zweimal von Kanada. In dem Automobil-Pakt von 1965 erreichte die kanadische Regierung ihre Ziele dadurch, daß sie schriftliche Absichtserklärungen von den amerikanischen Automobil-konzernen erhielt, und in der Frage der Jurisdiktion für die arktischen Gebiete stimmte Humble Oil der Ansicht der kanadischen Regierung de facto zu. Im allgemeinen schnitt Kanada nicht schlechter in solchen Regierungsverhandlungen ab, an denen Konzerne beteiligt waren, als in jenen, an denen sie nicht beteiligt waren. Wie die Amerikaner beim Automobil-Pakt oder anläßlich der Ol-Verhandlungen in Teheran 1971 feststellten, haben multinationale Konzerne ihre eigenen Interessen; wenn sie von verschiedenen Regierungen in verschiedene Richtungen gedrängt werden, kann man nicht erwarten, daß sie sich automatisch für die Interessen der amerikanischen Regierung einsetzen. Umfangreiche Investitionen in einem Land können nicht nur . Vorposten', sondern auch Geiseln'sein — sowohl für die nationalen Regierungen als auch für nicht-staatliche Gruppen. Die Benutzung der Konzerne als Geiseln erwies sich als eine besonders wertvolle Waffe in der Hand von Terroristen, mit der sie sich sowohl Geldquellen erschließen als auch die Glaubwürdigkeit einer Regierung zerstören konnten. Innerhalb des letzten Jahres haben Guerilleros allein in Argentinien zwölf Vertreter von Konzernen entführt und dafür ca. 36 Millionen Dollar Lösegeld kassiert. Neben der Anwendung von Gewalt gehört auch die Taktik der politischen Überredung zu den Mitteln, derer sich nicht-staatliche Gruppen gegen die Konzerne bedienen. Von farbigen Arbeitern in den USA ausgeübter Druck führte z. B. dazu, daß Polaroid in Südafrika eine Politik verfolgte, die eine Verbesserung der sozialen Lage der südafrikanischen Neger anstrebte.
Der entscheidende Punkt ist, daß direkte Investitionen eine transnationale gegenseitige Abhängigkeit schaffen, die die Unternehmen oder die Regierungen für eigene politische Zwecke zu manipulieren versuchen. Regierungen und Interessengruppen in entwickelten wie in Entwicklungsländern scheuen sich keineswegs vor dem Gebrauch dieses Instrumentes, wenn sie auch seine Benutzung bei veränderter Lage der Dinge beklagen mögen. Das Messen mit zweierlei Maß ist hier eine weit verbreitete Praxis 3. Die Mitwirkung der Konzerne bei der außenpolitischen Strategie Warum manche Fragen bevorzugt die Aufmerksamkeit von Politikern auf sich lenken, ist ein Problem von beträchtlicher politischer Bedeutung, das bisher zu wenig Beachtung gefunden hat. Abgesehen von anderen Arten der Einflußnahme ist die Rolle, die Konzerne absichtlich oder unabsichtlich bei der Festsetzung der Strategien in der zwischenstaatlichen Politik spielen, nicht unwesentlich. Ihre Lobbytätigkeit mit dem Ziel, spezielle Aktionen ihrer Heimatregierung gegenüber dem Gastland zu erreichen, ist bekannt und insofern problematisch, als es sich oft um Interventionen zugunsten von Ansprüchen gegen die Regierung des Gastlandes handelt. Ein klassisches Beispiel ist der Streit in den sechziger Jahren zwischen der International Petroleum Corporation und Peru, der jahrelang die gesamte nordamerikanische Außenpolitik gegenüber Peru beeinflußt hatte. In anderen Fällen kann die Beeinflussung die entgegengesetzte Richtung einnehmen: So, als Vertreter von multinationalen Konzernen liberalere Zollbestimmungen für ihr Gastland beim amerikanischen Kongreß durchzusetzen versuchten. Kanada hat in einer Anzahl von Fällen von einer solchen Unterstützung profitiert. Am erstaunlichsten war vielleicht — wenn man die Verschiedenheit der Ideologien berücksichtigt — die Tatsache, daß Vertreter des amerikanischen Business als Lobby für liberalere Handelsvereinbarungen mit der Sowjetunion auftraten. Man könnte schließlich noch hinzufügen, daß es kaum Beweise gibt für die Beschuldigung, daß multinationale Konzerne eine mächtige Lobby für eine militaristische Außenpolitik bilden. Mit wenigen Ausnahmen zeigen amerikanische multinationale Konzerne — im Unterschied zu anderen nur großen Gesellschaften — kein besonders starkes Interesse an militärisch orientierter Produktion oder Aktivitäten dieser Art.
Wo multinationale Konzerne Konflikte zwischen Staaten heraufbeschworen, geschah das häufiger unabsichtlich als absichtlich. Die unbeabsichtigte Einwirkung läßt sich in drei Kategorien unterteilen: Erstens haben die Konzerne im vergangenen Jahrzehnt Jurisdiktionskonflikte verursacht und Probleme der Extraterritorialität entstehen lassen, die etwa die Antitrustpolitik, die Kapitalkontrolle, Handelsrestriktionen sowie Steuer-und Zollpolitik betreffen.
Zweitens haben sie einen starken Einfluß auf die Geld-und Warenströme genommen. So ist die Produktion von Töchtern der Konzerne außerhalb ihre Stammländer auf das Zweifache des Gesamtwertes des Handels unter den Industrieländern angewachsen. Darüber hinaus hat sich ein entscheidender Teil des internationalen Handels (mehr als ein Viertel der US-Exporte nach manchen Schätzungen)
zu Transaktionen zwischen den einzelnen Unternehmen eines multinationalen Konzerns entwickelt. Die Konsequenz ist, daß eine Vielzahl neuer handelspolitscher Probleme auf die Tagesordnung von Verhandlungen auf Regierungsebene gesetzt werden mußten. In dieselbe Kategorie gehören auch die Transaktionen von Finanzabteilungen der Konzerne; ihre Fähigkeit, riesige Summen mit außergewöhnlicher Schnelligkeit zu transferieren, war einer der Faktoren, die es vielen Regierungen unmöglich machte, ein internationales Währungssystem beizubehalten, das auf festen Wechselkursen basiert.
Drittens haben die Multinationalen andere Gruppen der Gesellschaft dazu angespornt, ebenfalls auf die Regierungen zugunsten einer bestimmten Politik Druck auszuüben. Banken, Werbeagenturen und andere Wirtschaftssparten drängten auf eine Liberalisierungspolitik, die es ihnen gestattete, der trans-nationalen Strategie der multinationalen Konzerne nachzueifern. Andere Gruppen wiederum — besonders aus Gewerkschaftskreisen, die transnational weniger mobil sind und sich selbst von den Aktivitäten der Konzerne bedroht oder übervorteilt fühlen — drängten dagegen ihre Regierungen zu einer stärker protektionistischen oder nationalen Politik. Ein Beispiel dafür war der jüngste Streit zwischen transnational beweglichen Konzernen und den relativ unbeweglichen Gewerkschaften über das Burke-Hartke-Gesetz, das die Handels-und Investitionspolitik der Vereinigten Staaten stark beeinflußt hätte.
III. Zur langfristigen Wirkung multinationaler Konzerne
Es ist leichter, die verschiedenen Rollen zu erkennen, die multinationale Konzerne im weltpolitischen Tagesgeschehen spielen, als ihre voraussichtlichen langfristigen Wirkungen auf die Struktur der Weltpolitik abzuschätzen. Werden sie noch zunehmen an Bedeutung als Agierende oder Werkzeuge in der Weltpolitik, oder haben sie bereits den Höhepunkt ihrer politischen Bedeutung überschritten? Wenn ihr politisches Gewicht gleich bleibt oder zunimmt, werden sie dann einen wohltuenden oder schädlichen Einfluß auf die Schaffung einer friedlichen und gerechten Weltordnung nehmen? Werden sie politische Macht und wirtschaftlichen Reichtum neu verteilen oder deren wachsende Konzentration bewirken?
Es wird manchmal behauptet, daß die politische Bedeutung der multinationalen Konzerne das Produkt eines einzigartigen Zusammen-treffens von Faktoren in der Weltpolitik in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg ist. Ein wichtiger Aspekt dieser Situation waren die amerikanische militärische Stärke und eine Sicherheitspolitk, die weite Teile der Welt miteinbezog, was in der sogenannten pax americana ihren politischen Ausdruck fand. Nach dieser Auffassung sind die multinationalen Konzerne hauptsächlich ein Ergebnis des politischen Übergewichts Amerikas in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, das an wirtschaftlicher und politischer Bedeutung verlieren wird in dem Umfang, wie die amerikanische Regierung nach dem Ende des Vietnam-Krieges ihre Sicherheitsinteressen in weniger expansiv-militärischen Begriffen definiert.
Wenn es sich auch nicht leugnen läßt, daß es irgendeine Beziehung zwischen der pax ame ricana und den transnationalen Aktivitäten der multinationalen Konzerne gibt, so läßt sich diese Beziehung doch nicht einfach als primär von einem militärisch-sicherheitspolitischen Standpunkt definiert auffassen. Erstens wird manchmal vergessen, daß die amerikanischen multinationalen Konzerne bereits im 19. Jahrhundert aufkamen, daß sie weder damals noch später nur auf die Karibik und Südamerika beschränkt waren und dal sie schon um die Jahrhundertwende die Furcht vor einem defi americain in Europa geschaffen hatten. Tatsächlich erreichten die amerikanischen direkten Investitionen in Ausland 1914 bereits einen ebenso hohen Ar teil am Bruttosozialprodukt wir (7 °/o) 1966
Zweitens sind die Gründe für ein Wachst« und die Gründe für ein Fortbestehen nid notwendigerweise dieselben. Zauberlehrlin? können sich bekanntlich selbständig machet Während in den Nachkriegsjahren die Vere nigten Staaten der Nährboden für das sehne'le Wachstum der multinationalen Korporatit nen waren, gibt es gegenwärtig einen Tren in Richtung auf die Entwicklung von in Eure pa und Japan ansässigen Multinationale: Das amerikanische Übergewicht als die Que le für direkte ausländische Investitione (etwa 60% des Buchwertes in den sechziger Jahren) wird langsam durch die schnelleren Wachstumsraten der europäischen und japanischen direkten Investitionen abgebaut.
Drittens verteilen sich etwa 70% der direkten amerikanischen Investitionen auf andere Industrieländer, nicht auf Entwicklungsländer. Jedoch sind es die letzteren, die am ehesten von einer enger definierten Konzeption nationaler Sicherheitspolitik betroffen sein werden. Mit anderen Worten: das allmähliche Verschwinden der Bipolarität und der Niedergang der amerikanischen Hegemonie muß nicht die Rolle der multinationalen Konzerne abschwächen, es sei denn, eine solche Entwicklung wurde hervorgerufen durch den Einsatz von Gewalt und einer Abwendung von auf wirtschaftliches Wachstum ausgerichteten Zielen. Obwohl es zutrifft, daß multinationale Unternehmen in die Struktur politisch-militärischer Beziehungen in der Weltpolitik eingebettet sind und von ihr beeinflußt werden, folgt daraus nicht, daß die pax americana der Nachkriegsjahre die einzige Struktur ist, in der sie gedeihen könnten.
Aus noch anders gelagerten Gründen ließe sich ein Rückgang der politischen Bedeutung der Multis vorhersagen: wenn nämlich der Nationalismus auch weiterhin seine Bedeutung nicht verliert und der langfristige Trend zu Interventionen der Regierungen in wirtschaftlichen Dingen anhält. Protektionismus ist kein zeitlich begrenztes Fehlverhalten. Es ist unwahrscheinlich, daß Regierungen solchen Organisationen die Zügeln lockern werden, die durch ihre Macht die nationale Volkswirtschaft und damit die nationale Autonomie und den nationalen Status bedrohen. Der Trend zur Politisierung von Fragen, die direkte Investitionen im Ausland berühren, wird wahrscheinlich anhalten. Der Prozeß wird noch beschleunigt durch das schnelle Wachstum und die Größe multinationaler Unternehmen, weil sie Gruppen im Inland zum Wettstreit und Widerstand anspornen.
Solche Politisierung braucht jedoch keinen Rückgang in der politischen Bedeutung einzu-schließen. Wenn die Multis nur ein Ärgernis °der eine bloße Unbequemlichkeit wären, würden die Staaten sie einfach . zurechtstutzen , indem sie auf eine restriktive Wirtschaftspolitik oder sogar ihre Polizeigewalt zurückgriffen. Aber die Existenz der Multis schafft nicht nur Probleme, sie bietet auch Möglichkeiten, so daß die Regierungen wirtschaftliches Wohlergehen und Autonomie ge-
eneinander abwägen müssen. Selbst wenn es en Regierungen gelänge, den direkten Einfluß der Konzerne auf die Weltpolitik unter Kontrolle zu bringen, könnten sie gleichzeitig die indirekte Bedeutung der Multinationalen als strategisches Element in der internationalen Politik vergrößern.
So läßt sich vermuten, daß sowohl die Größe als auch das politische Gewicht der Konzerne weiter wachsen werden. Andererseits basieren die Voraussagen, daß 300 Konzernriesen die Weltwirtschaft bestimmen werden, auf der einfachen Hochrechnung der in der Vergangenheit erreichten jährlichen Wachstumsrate von 10 %, wobei die Nachteile unberücksichtigt bleiben, die mit zunehmender Größe besonders bei der herstellenden Industrie auftreten, wenn zeitlich begrenzte Monopolvorteile durch Konkurrenzkampf verschwunden sind. Die Herausforderung an die Regierungen ergibt sich eher aus der weltweiten Verbreitung und Mobilität als aus der Größe der Konzerne, denn auch kleinere Multis können wichtige Zugeständnisse herbeiführen, die die wirtschaftlichen Ziele von Regierungen in Frage stellen.
Die Mobilität der Konzerne (die bei den Dienstleistungen und den verarbeitenden Industrien größer ist als bei den rohstoffördernden) stellt nicht nur für kleinere Staaten eine Herausforderung dar, sondern auch für so große wie die Vereinigten Staaten (und besonders für die Gewerkschaften, die die Außenpolitik großer Staaten beeinflussen). Je schneller die Hauptquartiere und wichtigen Abteilungen einiger Konzerne verlegt werden können — sei es, daß sie sich auf abgelegene freundliche Inseln in den Tropen zurückziehen, wie manche vermuten, sei es, daß sie als Käufer in den Industriestaaten auftreten —, desto mehr wird sich die Auseinanderentwicklung von Konzerninteressen und denen der Heimatregierung beschleunigen.
Die meisten multinationalen Konzerne lassen sich mit einem einzigen Stammland identifizieren. Sie operieren zwar auf multinationaler Ebene, aber sie sind selten multinational, was die Anteilseigner oder das Management betrifft. Ein Großteil des Vermögens des Konzernimperiums untersteht gewöhnlich der Jurisdiktion des Stammlandes, dessen Regierung meistens enge informelle Beziehungen mit den leitenden Angestellten zu unterhalten pflegt. Da aber die Profite und das Wachstum der Konzerne mehr und mehr von wirtschaftlichen und politischen Bedingungen abhängig sind, die unter ausländische Jurisdiktionen fallen, stellen sich die Konzerne allmählich auf eine differenziertere Auffassung ihrer Interessen ein. Handelt es sich um kurzfristige Interessen, so können sie sich zu verschiedenen Zeiten mit denen verschiedener Regierungen decken, während langfristige Interessen mit denen eines bestimmten Staates jedoch oft nicht übereinstimmen. Diese Tatsache wurde durch die Aussage von Carl Gerstacker, dem Vorsitzenden von Dow Chemical, beleuchtet, als er zugab, daß er davon träume, eine neutrale Insel als Sitz für Dows Hauptquartier zu kaufen, die „keiner Nation und keiner Gesellschaft gehört".
Eine solche gewünschte Loslösung sowohl vom Stammland als auch vom Gastland ist bis jetzt noch nicht weit fortgeschritten. Nach Feststellungen des UN-Sekretariats betrug bei nur etwa neun Prozent der 193 Herstellerfirmen, die transnational operieren und für die Daten zur Verfügung standen, der Anteil der ausländischen Beschäftigten mehr als 50 °/o, sieben Prozent der Firmen schöpften ihre Gewinne zur Hälfte oder mehr aus dem Ausland, und etwa vierzehn Prozent machten dort die Hälfte oder mehr ihrer Umsätze. Trotzdem scheint sich bei einigen Konzernen eine Entwicklung in Richtung auf wachsende Multinationalität und Autonomie der Beschäftigten anzubahnen. Durch technologische Verbesserungen senken sich fortlaufend die Kosten für die Kommunikation und steigert sich die Fähigkeit der Konzerne, globale Strategien zu entwickeln, die sich oft in keiner Weise mit den Interessen eines bestimmten Landes dek-ken.
Dieser Trend wird durch die politische Einstellung zu den multinationalen Konzernen im Stammland unterstützt und bis zu einem gewissen Grade verstärkt. Bis vor einem Jahrzehnt waren die Multis weit weniger ein Objekt inländischer Kontroversen; es wurde allgemein angenommen, daß die Interessen der in Amerika ansässigen Konzerne im Ganzen mit dem „nationalen Interesse" übereinstimmten. Heute ist die Palette der Meinungen im Inland viel farbiger. Der größte amerikanische Gewerkschaftsverband (AFL—CIO) hat zu Beschränkungen der direkten ausländischen Investitionen aufgerufen, und Senator Jackson beschuldigte die Olgesellschaften der Illoyalität, weil sie sich dem saudi-arabischen Embargo sogar bei Lieferungen an die US-Marine gebeugt hätten. Während eine Kritik dieser Art vielleicht manche Firmen zu einer engeren Identifizierung mit ihrer Heimat-regierung zwingt, ist es wenigstens ebenso wahrscheinlich, daß die Erfahrung andere Unternehmen dazu ermutigen wird, ihre Aktivitäten in ein Gebiet außerhalb der ursprünglichen „heimatlichen" Jurisdiktion zu verlegen. Man nimmt an, daß einige Konzerne mit Sitz in Amerika, die fast zur Hälfte im Ausland operieren, für den Fall, daß das Burke-Hartke Gesetz vom Kongreß verabschiedet wird, die Einrichtung binationaler Organisationsstmkturen planen — mit europäischen Hauptquaitieren, die dann für Unternehmungen außerhalb der Vereinigten Staaten zuständig sein werden
Vorausgesetzt, daß sich der Trend zum Wachstum der Konzerne und zur Loslösung ihrer Interessen von den nationalen anhält, welcher Art werden die Auswirkungen auf die Weltordnung sein, positiv oder negativ! Ob nun ein guter oder böser Geist aus der. nationalen Flaschen entweichen wird, darüber sind erklärlicherweise die Meinungen geteilt Die Enthusiasten — oder Optimisten — heißen das Wachsen der Autonomie der Konzerne gut, weil sie glauben, daß hierin ein mächtiges Potential für eine Veränderung de: Weltpolitik und für die Schaffung einer besseren Weltordnung liegt. Nach ihrer Ansicht können in zunehmendem Umfang autonome Konzerne sogar die Weltpolitik aus einet Wettkampf zwischen den Staaten in ein offeneres Spiel mit mehreren Akteuren verwar dein, bei dem es hauptsächlich um verbesserte Lebensbedingungen geht. Die Multis werden ein Vehikel sein, durch das die Menschheit sich über die Nationalstaaten erhebt, die vier Jahrhunderte lang die internationale politische Szenerie beherrschten. Zwar werdet die Staaten nicht zu existieren aufhören, aber ihre Rolle bei der Sorge um das Wohl de: Bürger wird weitgehend von transnationale! Unternehmen übernommen werden — die dann sogar einen Teilanspruch auf die Loyalität der Bürger anmelden werden. Diese Ausdehnung der wirtschaftlichen Einflußsphän wird die Schaffung neuer politischer Institutionen erforderlich machen, die die Grenzer des Nationalstaates sprengen.
Die Optimisten glauben, daß der multinatio nale Konzern die Welt auf eine neue Weis« gestaltet, indem er die Produktion auch in är mere Teile der Erde verlagert. Er transferier Technologie und Management-Ressourcen vo: den entwickelten in weniger entwickelte Län der. Er fördert sowohl die regionale als aud die globale Integration. Der „Economist'ha z. B. vorausgesagt, daß bis zum Ende de Jahrhunderts die meisten Automobile un Maschinen in weniger entwickelten Länder hergestellt werden. Da es aus politische Gründen schwierig wird, Arbeiter aus arme Ländern auf Arbeitsplätze in reichen Länder zu holen, werden die multinationalen Konzerne die weltweite wirtschaftliche Integration fördern, indem sie die Arbeitsplätze zu den Arbeitern bringen. Der multinationale Konzern kann auch helfen, den großen ideologischen Riß, der die Welt spaltet, zu kitten. Schon jetzt gibt es mehr als tausend Abkommen zwischen westlichen Konzernen und kommunistischen Ländern. Viele davon sind einfache Vereinbarungen über „schlüsselfertige“ Werke (ein multinationaler Konzern baut ein Werk, übergibt es der kommunistischen Regierung und wird aus der künftigen Produktion bezahlt). Aber eine Reihe kommunistischer Länder in Osteuropa hat erkannt, daß eine langfristige Bindung an den Konzern durch das Management eher den ununterbrochenen Zufluß von technologischem Wissen garantiert. Jetzt sind einige osteuropäische Regierungen, besonders die jugoslawische, diesem Gedankengang einen Schritt weiter gefolgt: um sich den Zugang zu der jüngsten Generation der Technologie zu sichern, haben sie im Ausland investiert, oft gemeinsam mit Multinationalen.
Blickt man weiter in die Zukunft bis zum Ende des Jahrhunderts, so könnte man vielleicht feststellen, daß der multinationale Konzern selbst in die neue und flexible Form einer funktionalen internationalen Organisation übergeht. Nicht nur werden osteuropäische (und andere) Regierungen beteiligt sein, sondern in dem Umfange, wie die Frage der Kontrolle der Multinationalen in ihrem früheren Stammland zu einem'politischen Problem wird, könnte auch die Forderung an Gewicht gewinnen, daß Regierungen, Gewerkschaften und Verbrauchergruppen im Vorstand der Unternehmen vertreten sind. Große Teile der industriellen Weltproduktion werden durch öffentliche und quasi-öffentliche multinationale Konzerne ebenso wie durch eine Vielzahl kleinerer privater Gesellschaften gelenkt werden. Autonomes Management wird (unabhängig von der Besitzlage) für Flexibilität und Effizienz sorgen. Der Streit zwischen öffentlichem und privatem Besitz wird beigelegt werden. Fraglich wird allein bleiben, ob der Autonomie des Managements oder der demokratischen Kontrolle der Vorzug zu geben ist.
Die Pessimisten stimmen mit den Optimisten in vielen der Voraussagen über die Zukunft der multinationalen Konzerne überein — aber sie glauben, daß die negativen Auswirkungen >e Oberhand über die positiven gewinnen werden. Nach ihrer Ansicht wird der ökonomische Nutzen der globalen Integration nicht 9 eichmäßig auf alle Gebiete verteilt sein, so daß die daraus resultierende Ungleichheit wahrscheinlich Konflikte schaffen wird. Außerdem, selbst wenn die multinationalen Konzerne die industrielle Produktion gerechter über die Erdkugel verteilten, als es jetzt der Fall ist, würden sie bestrebt sein, die Entscheidungsgewalt auf regionale Koordinationszentren und Welthauptquartiere zu konzentrieren. Die Entscheidungen darüber, welche Technologien gefördert und welche Gebiete entwickelt werden sollen, würden in einigen Metropolen gefaßt werden, denen regionale Unter-Hauptstädte beigeordnet wären, während die übrigen Teile der Welt sich auf „ein geringeres Niveau von Aktivität und Einkommen, d. h. auf den Status kleinerer Orte und Dörfer in einem neuen Imperium“ beschränken müßten.
Dies wäre ein Gesichtspunkt, der keine besondere Beachtung verdiente, wnn das wirtschaftliche Wohlergehen das einzige Ziel wäre, das die Menschen anstrebten. Aber Angehörige der Mittelklasse wollen Beschäftigungen mit hohem Status, den Positionen in Management und Forschung ihnen verschaffen können. Zusätzlich verlangen die Menschen oft nach Ansehen für ihre Nation und wollen ein gewisses Gefühl der Autonomie, das Bewußtsein, an Entscheidungen mitzuwirken. Solche Leute befürchten, daß die trans-nationalen Produktionssysteme, die von multinationalen Konzernen organisiert werden, eine internationale ökonomische Struktur erhalten und sogar festigen werden, die sie weiterhin von den fortgeschritteneren Ländern abhängig sein läßt. Das Wort von der „weltweiten Interdependenz“ beschönigt oft nur die Tatsache, daß es keineswegs gleichgültig ist, ob ein Teil sich ständig in größerer Abhängigkeit befindet als der andere.
In dem Maße, wie multinationale Konzerne autonomer werden, würde das Bewußtsein der Abhängigkeit, des bedrohten Status und der verlorenen Autonomie nicht auf die armen Länder beschränkt bleiben. Gesellschaften, Gruppen und Regionen innerhalb entwickelter Länder könnten dasselbe Gefühl erfahren. Autonome Konzerne sind eine Herausforderung für die Regierungen und politisch bedeutenden Gruppen in großen Staaten wie in kleinen.
Von diesem Standpunkt aus betrachtet würde die schrumpfende Bedeutung des Nationalstaates eher einen neuen Feudalismus ankündigen als gesunden Fortschritt. Der Untergang des Nationalstaates wäre nach dieser Auffassung eher das Anzeichen für eine Katastrophe, denn „eine gesunde internationale Ordnung kann nicht auf den Ruinen der Nationalstaaten aufgebaut werden" Denn der Nationalstaat sorge für die innere Ordnung und das Gefühl der politischen Gemeinschaft, das den demokratischen Institutionen zugrunde liegt, und es bestehe wenig Aussicht, daß sich unsere politischen Normen soweit anpassen könnten, daß sie mit der Entwicklung mächtiger und autonomer transnationaler Konzerne, deren politischer Einfluß ständig zunimmt, mithalten können.
IV. Der bedrohte Nationalstaat
Als Vertreter von extremen Positionen werden weder die Optimisten noch die Pessimisten mit ihrer Schilderung der Zukunft recht behalten. Tatsächlich ist es unwahrscheinlich, daß irgendwelche Prognosen, die die Realität, wie sie sich gegen Ende des Jahrhunderts präsentieren wird, exakt wiedergeben können. Unbestreitbar ist jedoch die Tatsache, daß die Entwicklung der Konzerne einen außerordentlich wichtigen Einfluß auf die gegenwärtige und zukünftige Weltordnung hat. Und besonders die langfristigen Auswirkungen auf die Struktur der Weltpolitik rechtfertigen vollauf die Aufmerksamkeit der Vereinten Nationen, die durch ihre Charta verpflichtet sind, eine Kooperation der Staaten und die Harmonisierung ihrer Handlungen zu erreichen. Welcher Auffassung man sich auch anschließen mag, für die nicht allzu ferne Zukunft ist am ehesten damit zu rechnen, daß die Beziehungen zwischen multinationalen Konzernen und Nationalstaaten von unterschiedlicher Art sein werden. Zu einem gewissen Grade sind sie Komplementärinstitutionen: der Konzern wird zumeist ein-spezifisches Bündel wirtschaftlicher Ziele verfolgen, während hingegen bei der an ein bestimmtes Territorium gebundenen Gemeinschaft des Nationalstaates diese Ziele breiter gestreut sind. Jede Institution kann dabei von den Aktivitäten der anderen profitieren.
Aber es ist auch völlig klar, daß es sich hier um eine konfliktgeladene Beziehung handelt. Als nicht-territoriale Gebilde ohne militärische Macht stellen die Konzerne zwar keine Gefahr für das physische überleben einer Nation dar, aber sie könnten ihre wirtschaftliche Macht dazu benutzen, bestimmte politische Parteien oder herrschende Regime zu bedrohen. Eine zweite Gefahr liegt auf dem Gebiet der nationalen Autonomie: Durch den Zustrom von Technologie und Management-Kenntnissen kann sich die Autonomie gegenüber anderen Staaten langfristig zwar vergrößern, kurzfristig jedoch müßte eventuell eine Einbuße an Astronomie in Kauf genommen werden, die möglicherweise auch langfristig bestehen bleibt, wenn eine von dem Unternehmen hervorgerufene Struktur der Abhängigkeit im nationalen System fest verankert wird. Konfliktträchtig ist das Verhältnis zwischen Konzernen und Nationalstaaten auch in der Frage des nationalen Status: dieser kann zwar durch die Beiträge der Konzerne zur Entwicklung des Landes in gewissem Sinne vergrößert werden. Andereseits kann aber auch eine zu starke ausländische Besitzerschaft (besonders dann, wenn die Spitzenkräfte des Managements und der Forschung sich im Ausland konzentrieren) als eine Bedrohung für den nationalen Status empfunden werden. Dies ist die Situation, wie sie sich im Laufe des letzten Jahrzehnts in Kanada entwickelt zu haben scheint.
Auch im Hinblick auf wirtschaftliches Wohlergehen — ein Sektor, auf dem die Konzerne wahrscheinlich den größten Nutzen bringen — ist ein gewisses Maß an Konflikt unvermeidbar. Was das moderne multinationale Unternehmen von großen internationalen Gesellschaften früherer Jahrhunderte unterscheidet, ist seine globale Managementstrategie, die durch die Technik moderner Kommunikation ermöglicht wird. Auch der ehrlichste Konzernmanager, der von seiner transnationalen Perspektive aus Ressourcen rational verteilt, muß notgedrungen mit den Interessen selbst der vernünftigsten unter den Staatsmännern in Konflikt geraten, deren Einsichtsvermögen (und demokratische Verantwort'lichkeit) durch Staatsgrenzen beschränk! wird. So widerstand z. B. Chrysler dem Druck den die britische Regierung 1971 auf die Ge Seilschaft ausübte, und gewährte ihren briti schen Arbeitern einen inflationären Lohn? « schlag; nicht, weil sie die Pläne der Regie rung durchkreuzen wollte, sondern weil vor globalen Standpunkt aus gestiegene Lohnkc sten geringer zu bewerten waren als die Not Wendigkeit, eine Produktionsunterbrechung für den amerikanischen Kleinwagenmarkt zu vermeiden.
Betrachtet man das Gesamtgefüge der möglichen Gefahren, die die multinationale Konzerne in bezug auf eine Vielzahl von nationalen Werten darstellen, und den möglichen Vorteilen, so ist es realistisch, eher konfliktgeladene Beziehungen zu erwarten. Es ist jedoch durchaus genauso wahrscheinlich, daß die Konflikte so beschaffen sein werden, daß ihre Lösungen beiden Seiten Vorteile bringen. Ein Grundprinzip der internationalen Wirtschaftsordnung wird sein, die Möglichkeiten für Staaten und Konzerne zu vergrößern, gemeinsam Gewinne zu erzielen und sie sich zu teilen. Das wird dazu beitragen, die Intensität der Konflikte zu verringern.
Da jedoch viele nationale Werte beteiligt sind und ihr Gewicht je nach Staat und Zeit variieren kann, muß noch ein zweites und gleichermaßen wichtiges Prinzip einer gerechten internationalen Wirtschaftsordnung zugrunde liegen. Jeder Staat muß selbst entscheiden dürfen, welchen Grad der gegenseitigen Abhängigkeit er optimal findet und was er dafür zu zahlen bereit ist. Wenn die Vorteile multinationaler Konzerne so groß sind, wie ihre Befürworter von ihnen behaupten, dann sollte es keinen Widerstand gegen eine freie Entscheidung der Gastländer geben. Wenn die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Kosten so hoch sind, wie die Kritiker den Konzernen vorwerfen, dann sollte es den Gastländern freistehen, die transnationale Organisation abzulehnen.
V. Multinationale Konzerne in Entwicklungsländern
Diese zwei Prinzipien — daß alle Parteien versuchen sollten, den tatsächlich festgestellten wirtschaftlichen Nettogewinn zu vergrößern, und daß letztlich der einzelne Staat die freie Entscheidung haben muß — können den problematischen Teilbereich gegenwärtiger und potentieller Konflikte erhellen, nämlich die Beziehungen zwischen den multinationalen Konzernen und den Entwicklungsländern. Dies ist der Bereich, dem sowohl in den Überlegungen der von den Vereinten Nationen beauftragten „Gruppe" als auch in ihrem Gutachten die größte Aufmerksamkeit gezollt wurde. Wie die Internationale Handelskammer (ICC) korrekt dargelegt hat, läßt das Gutachten die zwei Drittel der Investitionen, die Industrieländer betreffen, weitgehend außer acht. Trotzdem war die Wahl des Schwerpunktes politisch gerechtfertigt. Multinationale Konzerne stellen für weniger entwickelte Länder aus verschiedenen Gründen ein größeres politisches Problem dar: wegen der unterschiedlichen Größenordnung (General Motors jährliche Profite übersteigen das Jahreseinkommen der meisten afrikanischen Staaten), wegen der Empfindlichkeit früherer Kolonial-staaten gegen eine Situation der Abhängigkeit und wegen der inneren Zersplitterung, die oft die politische Ordnung für Eingriffe von außen anfällig macht. Hinzu kommt, daß arme Länder meist Gast-und selten Stamm-länder von Konzernen sind.
In letzter Zeit gab es keinen Mangel an Argumenten in der Diskussion um die wirtschaftlichen Kosten, die multinationale Konzerne we-niger entwickelten Gastländern verursachen, und die Gewinne, die diese Länder ihnen einbringen. Die Befürworter der Multis behaupten, daß der Transfer von Technologie und die Umschichtung in der Produktion von den reicheren zu den ärmeren Teilen der Erde allein von transnationalen Organisationen durchgeführt werden kann, weil nur so die einem vernünftigen wirtschaftlichen Denken im Wege stehende Eigenstaatlichkeit überwunden werden könne. Anders als bei Investitionen bestimmter Ministerien ist der Beitrag, den multinationale Konzerne hier leisten, nicht so sehr eine Kapitalbewegung als vielmehr das Verknüpfen von Kapital, Managemant, Technologie und Zugang zu den Märkten reicher Länder zu einem wirtschaftlichen Paket, das größer ist als die Summe seiner Teile.
Die Kritiker argumentieren andererseits, daß die vier Teile des Pakets oft einzeln erhältlich sind und daß die „Verpackungskosten" zu hoch sind. Unter den Kosten, die manchmal den Konzernen zur Last gelegt werden, finden sich unangemessene Technologie, die Schaffung ineffizienter Oligopol-Strukturen auf kleinen nationalen Märkten, Entmutigung des lokalen Unternehmertums, die Aushöhlung der regionalen Wirtschaftspolitik und ihrer Kontrolle, die Stimulierung überflüssiger Verbraucherwünsche und ungerechtfertigte Einmischung in regionale politische Vorgänge. Für beide Seiten des ökonomischen Disputs lassen sich Beweise anführen, und die Tatsachen variieren von Fall zu Fall. Vom praktischen Standpunkt aus betrachtet, versagen oft sowohl Befürworter als auch Kritiker, die sich auf das System als Ganzes konzentrieren, wenn sie die entscheidende Frage beantworten sollen, nämlich: „Welche realistischen Alternativen gibt es in einer konkreten Situation?" In einigen Fällen läßt sich z. B. fortgeschrittene Technologie einfach in Linzenz erwerben, in anderen Fällen steht sie nur als Teil des Konzernpakets zur Verfügung. Manchmal ist der Zugang zu Märkten eine unkomplizierte Angelegenheit; ein anderes Mal können durch Schutzzölle abgesicherte Märkte in reichen Ländern nur durch das Verkaufsnetz oder den politischen Einfluß eines multinationalen Konzerns erreicht werden. Unterentwickelte Länder können gegenüber den Multis eine weite Skala von Strategien verfolgen. Extreme sind die Strategie des laissez-faire und die vollständige Abriegelung des Marktes. Eine andere Taktik ist es, die Multis zu großzügigen Bedingungen ins Land zu lassen und diese Bedingungen dann neu zu verhandeln, wenn die Unterstützung durch die Konzerne nicht mehr so dringend nötig ist. Dieses „Hereinlassen und spätere Ausquetschen" charakterisiert viele Rohstoffinvesti-tionen, wo die Bedingungen der ursprünglichen Vereinbarung mit der Zeit politisch veralten. Eine ganz andere Art des Vorgehens ist die der „hohen Schwelle". Die Andenstaaten z. B. verlangen von den Konzernen bereits von Anfang an die Zustimmung zu sehr harten Bedingungen (die eine etwaige Enteignung einschließen). Andere Staaten lassen die Konzerne nur ins Land, wenn sie sich zu Gemeinschaftsunternehmen mit einheimischem Kapital oder der jeweiligen Regierung bereit erklären. Eine weitere Variante dieser Taktik ist, das vierteilige Paket der Investitionen zu zerlegen und der Konzene die Niederlassung von vertraglich festgelegten Bedingungen abhängig zu um eine spezielle Versorgung zu gewährleisten.
Diese verschiedenen Strategien werden ausführlich in dem UN-Bericht erörtert. Ein wiederkehrendes Motiv in den unterschiedlichen Kommentaren ist die Furcht, daß jegliche restriktive Strategie die Konzerne von Investitionen in weniger entwickelten Ländern abschrecken könnte und die wünschenswerte Umverteilung der industriellen Produktion in den südlichen Teil der Erdkugel hemmt. Eine vernünftige Schlußfolgerung könnte jedoch sein, daß jede dieser Strategien unterschiedliche Vor-und Nachteile verspricht, die sich daraus ergeben, welche Länder sie zu welcher Zeit auf welchem Sektor anwenden. Keine einzelne Strategie und kein einzelnes Rechtssystem kann wahrscheinlich alle Länder befriedigen, nicht einmal dasselbe Land über einen längeren Zeitraum hinweg. Schon allein aus diesem Grunde sind Verträge über internationale Rechtssysteme für viele Länder nicht akzeptabel. Wie wir bereits feststellten, können auch die multinationalen Konzerne eine Anzahl von Strategien bei ihren Verhandlungen mit den Gastländern verfolgen: Sie können sich erstens an die Regierung ihres Stammlandes wenden und um Unterstützung bitten. Zweitens können sie ihre wirtschaftliche Macht benutzen, um sich legal oder illegal an den politischen Veränderungen im Lande zu beteiligen. Drittens können sie Boykotte und Kreditrestriktionen organisieren. Im anderen Fall können sich die Konzerne auf wirtschaftliche Abkommen beschränken, wobei sie versuchen, die Gaststaaten davon zu überzeugen, daß der Konzern Ressourcen hereinbringt, aus denen beide Seiten Gewinn zu schlagen vermögen.
Wenn man sich um eine internationale Ordnung bemüht, die zu weltweiter Gleichheit und Entscheidungsfreiheit führt, oder wenn man nur versucht, unerträgliche Spannungen und Konflikte zu vermeiden — in beiden Fällen ist es sicherlich vorzuziehen, daß die Konzerne die extremeren Formen der Aktionen meiden. Was wir brauchen und was eine UN-Kommission, deren Aufgabe die Entwicklung von internationalen Verhaltennormen ist, zu fördern versuchen sollte, sind realistische Diskussionen und Verhandlungen mit einzelnen Gastländern — und nicht strenge Regeln, deren Anwendung auf eine Vielzahl von Fällen und politischen Konstellationen unmöglich erscheint. Das Prinzip der freien Entscheidung (und, so könnte man hinzufügen, des politischen Realismus) fordert, daß es den Gastländern frei-stehen muß, das Paket der direkten Investitionen auszupacken und entweder das ganze oder Teile jedes vorgeschlagenen Investitionsprojekts anzunehmen oder zurückzuweisen. Aber wesentlich ist, daß die Verhandlungen frei geführt werden, und freie Entscheidungen verlangen echte Alternativen und genaue Information. Besonders im Hinblick auf wenige entwickelte Länder sollten die internationalen Organisationen helfen, die Bedingungen und Möglichkeiten für freie politische Entscheidungen zu erweitern. Das setzte voraus, daß Furcht und Mißtrauen beseitigt werden, die oft eine klare Einschätzung der eigenen Interessen durch die ärmeren und schwachen Länder blockieren. Es verlangt auch, daß man zwei Dinge einschränken muß: die Einflußnahme der Regierung des Stammlandes da, wo sie weit über eine normale diplomati-ehe Interessenvertretung hinausgeht, und anererseits die politischen Aktivitäten der onzerne, sofern sie durch Einmischung in inere Angelegenheiten eine freie Entscheidung es Gastlandes verhindern. Wie eine Anzahl on Kommentaren im UN-Bericht ausweist, ist es zwar unrealistisch, zu erwarten, daß die Regierungen sich jeglicher Unterstützung ihrer Konzerne enthalten werden. Trotzdem sollten sie die diplomatischen Grundnormen des Prinzips der freien Entscheidung respektieren.
VI. Eine multinationale Politik, als Antwort auf die multinationalen Konzerne
Aanchmal wird die Ansicht geäußert, daß aan nur solche Institutionen braucht, die lurch die Schaffung einer Rechtsordnung die Arbeit der Konzerne erleichtern. Dieser itandpunkt vernachlässigt jedoch den politichen Aspekt, den wir oben beschrieben ha-ien. Auch wenn die Konzerne wirtschaftliche liele verfolgen, ist ihre Verwicklung in den solitischen Prozeß zu unübersichtlich und veränderlich, als daß es möglich wäre, sie in ine statische Rechtsordnung zu zwingen. Vergegenwärtigt man sich darüber hinaus die iefverwurzelten Unterschiede zwischen den . ändern, so ist es in diesem Stadium unrealitisch, von einer starken supranationalen Or-lanisation zu erwarten, daß sie die Aktivitäen der Konzerne oder ihre Zulassung in der [anzen Welt überwacht, wie es von George lall vorgeschlagen wurde oder in dem Auf-atz „GATT für direkte Investitionen" von Charles Kindleberger und Paul Goldberg, ine Genehmigung zur Zulassung für alle . ander würde zwar formal die Herkunft des Konzerns , entnationalisieren‘, aber keinen der wirklichen Konflikte beseitigen, weil sie licht das Zentralproblem löst, das sich durch lie unterschiedlichen Entscheidungsbereiche stellt. Was ein bestimmtes Rechtsabkommen ingeht: Je mehr Länder daran beteiligt sind ind je mehr Punkte es umfaßt, desto geringer sind seine Erfolgschancen.
Pas Problem besteht nicht nur darin, daß eine gemeinsame Aktion von einer Vielzahl von Staaten organisiert werden soll. Es ergibt sich ebenso aus der politischen Realität, die den Verhandlungen zwischen Konzernen und Maaten zugrunde liegt, besonders zwischen ar-nen und reichen. Wenn die Abmachung poliischer Natur ist und im Laufe der Zeit veral-en könnte, halten es nach Raymond Vernon inne Länder für unklug, einen Normenkata-P 9 oder ein Schiedsspruchverfahren zu insti-tutionalisieren, die ihre Gültigkeit in einem Stadium haben, in dem sie verhältnismäßig schlechter gestellt sind Dies ist einer der Gründe, warum eine Anzahl von Staaten sich weigert, dem International Center for the Settlement of Investment Disputes beizutreten (Internationales Zentrum für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten), das von der Weltbank gegründet wurde.
Der UN-Bericht empfiehlt die Einsetzung einer Experten-Kommission, die mit der «Ausarbeitung von Verhaltensnormen für die Multis betraut sein solle. Diese Art ständiger Diskussionen und Verhandlungen über Verhaltensnormen ist als der realistischere Lösungsversuch den oben beschriebenen vorzuziehen. Wie L. K. Jha, der frühere Direktor der Bank von Indien und Vorsitzende der „Gruppe" in seinen Kommentaren zum Report ausführte, brauchen die Entwicklungsländer nicht von den Empfehlungen enttäuscht zu sein, wenn sie den Bericht als den Anfang und nicht das Ende des Versuchs betrachten, Normen aufzustellen. Die UN-„Gruppe" empfahl auch die Schaffung eines Informations-und Forschungszentrums für multinationale Konzerne als Teil des Sekretariats und eine Anzahl spezieller Schritte, darunter technische Hilfe, um die Verhandlungsposition der weniger entwickelten Länder gegenüber den Multis zu stärken. Der Zugang zu Informationen, variable (nationale) Identität und Mobilität der Ressourcen sind die wichtigsten Aktivposten der Konzerne. Die Verhandlungsbedingungen könnten dadurch verbessert werden, daß die Regierungen ihre Kenntnisse von den globalen Aktivitäten der Konzerne erweitern und Alternativen für beide Seiten in Erfahrung bringen. Allerdings wird ein Großteil der Informationen schwer zu beschaffen und zu bewerten sein. Da Wissen Macht ist, werden Konzerne und Regierungen sich gleichermaßen sträuben, es an die andere Seite weiterzugeben. Viele Länder haben keine strengen Regeln für die Of-fenlegung von Konzerninformationen, und manchmal halten die Regierungen es für vorteilhafter, z. B. bei Steueranreizen, nicht die Informationen zu enthüllen über die sie verfügen. Sogar die Kommission der EG mußte, als sie Unterlagen über Konzernfusionen zusammenstellte, auf unzureichende Daten aus öffentlichen Quellen zurückgreifen, weil einige Mitgliedsregierungen sich weigerten, die Informationen, die sie auf nationaler Ebene gesammelt hatten, weiterzugeben.
Trotzdem kann es sich für viele Regierungen als nützlich erweisen, Informationen aus öffentlichen Quellen zu beziehen. Im übrigen kann die Summe der Informationen im öffentlichen Bereich zunehmen, wenn die nationalen Forderungen an Gewicht gewinnen, daß die Konzerne ihren Beitrag zur Wirtschaft des betreffenden Landes offenlegen. Werden Berichte dieser Art von einem internationalen Mitarbeiterstab verglichen, können Unstimmigkeiten erkannt und wichtige Fragen aufgeworfen werden. Die Nützlichkeit der internationalen Organisation wird weitgehend davon abhängen, ob ihre Mitarbeiter im Rufe der Aufrichtigkeit stehen. Dieser letzte Punkt ist von entscheidender Wichtigkeit, da die einzige Sanktion, die eine UN-Kommission gegen die Multis ergreifen könnte, Publicity ist. Man braucht ihren Wert für Konzerne, die mit der Öffentlichkeit zu tun haben, nicht geringzuschätzen, aber er würde sich schnell in nichts auflösen, wenn sich eine Voreingenommenheit nachweisen ließe.
Nicht alle Regierungen sind in der Lage, die Informationen, die ihnen bereits zur Verfügung stehen, voll zu nutzen. Hier Experten einzusetzen, könnte wichtig sein. Technische Hilfe kann nicht alle Konflikte entschärfen, aber sie kann wenigstens dazu beitragen, das Mißtrauen auszuräumen, das aus der Furcht vor dem Unbekannten stammt, und sie kann es den Partnern ermöglichen, auf der Basis eines deutlicher erkannten Eigeninteresses zu verhandeln. Die Erfahrungen des Harvard's Development Advisory Service, der Ländern wie Liberia und Indonesien half, die Bedingungen ihrer Kontrakte mit den ausländischen Konzernen zu verbessern, ist ein instruktives Beispiel. Es sei wiederholt, daß, obschon Kontroversen nicht vermieden werden können (und auch nicht sollen), der Ruf, aufrichtig zu sein, von grundlegender Wichtigkeit ist.
Die Hindernisse, die hier einem stärkeren Einfluß der Vereinten Nationen im Wege stehen, sind zahlreich. Besonders sind es die Probleme der „geographischen Verteilung", der von außen herangetragenen Politisierung und der gelegentlichen Voreingenommen Diese Klippen zu umschiffen, wird unbeo erforderlich sein. Allgemeiner ausgedn darf man nicht zu optimistisch sein, w man die Möglichkeit erwägt, daß es zwis den Staaten kurzfristig zu einer Versta gung über entsprechende internationaleh tutionen kommt, denn sie haben sowohl k dierende als auch sich gegenseitig ergäm de Ziele gegenüber den multinationalen'zernen.
Andererseits lassen sich verschiedene 1 Wicklungen ausmachen, die die Herausm rungen durch die Konzerne in den einze Staaten immer ähnlicher werden lassen , durch daß sich der Fluß der direkten Ime tionen aus Europa und Japan ständig schleunigt, werden immer mehr der bet: nen Regierungen erkennen, daß ihre Ima sen geteilt sind, je nachdem, ob sie sid Stamm-oder Gastland der multinatio Konzerne betrachten. Das trifft besondes die Vereinigten Staaten zu, die bislangs Stammland waren. Zweitens zeigt sic l vielen Konzernen, wie wir gesehen haben Trend zur Differenzierung der eigenen: essen von denen des Heimatlandes ode Gastlandes. Drittens werden die Kon mehr und mehr in die Politik verwicket sie es wollen oder nicht.
Auf diese Herausforderungen werde: i Staaten voraussichtlich zunächst mit eis gen nationalen Anstrengungen anstelle 6 internationalen Kooperation reagieren. 1 solche einseitigen Reaktionen könntet i gegen ihre Urheber richten, wenn es nic nige internationale Regeln für eine Koor tion gibt. Darüber hinaus können sid multinationalen Konzerne selbst so bete fühlen durch widersprüchliche nationak gelungen, daß sie auf verschiedene Rege gen Druck ausüben, damit diese Anstre gen zu einer größeren internationalen Et-lichkeit unternehmen. An diesem Punk bessern sich die Aussichten für eine *int tionale wirtschaftliche Organisation. 0h die Vereinten Nationen oder eine and® stitution ein ausreichend starkes Mandi wirbt, um mit diesen Problemen fertig Z den — die politische Herausforderung I die multinationalen Konzerne scheintfalls allmählich zu einer konzertierten’ tion zu führen. In der heutigen Zeit kau'Rolle der multinationalen Konzerne mehr rein ökonomisch verstanden ", sondern sie muß in einem größeren menhang gesehen werden: als eine Po Herausforderung, die entsprechende Po-Reaktionen erforderlich macht.