Einführung
Die Verfasser besuchten im Herbst 1974 — zum zweiten Male, nach drei Jahren — Südkorea und führten u. a. längere Gespräche mit dem Ministerpräsidenten, dem Minister für Kultur und Information, dem Minister für Nationale Wiedervereinigung, dem Stellvertretenden Außenminister und mit dem Vizepräsidenten des Roten Kreuzes.
Südkorea („Hanguk Dähan Minguk", Republik Korea, Republic of Korea — ROK) umfaßt 98 477 qkm und besitzt 33, 59 Millionen Einwohner. Die wirtschaftliche Wachstumsrate belief sich in den vergangenen Jahren auf durchschnittlich zehn Prozent; das Pro-Kopf-Einkommen, das 1961 umgerechnet nur 83 US-Dollar betrug, dürfte Ende 1974 die 500-Dollar-Grenze überschritten haben. Andererseits haben Inflation und Ölkrise auch Südkorea stärker getroffen. Die Republik Korea will eine asiatische Demokratie sein; dortiges Denken und dortige Traditionen mit ihren patriarchalischen Wertvorstellungen mit westeuropäischen Augen messen zu wollen, wäre — wie generell in Asien — verfehlt.
Nordkorea („Tschoson Mindschudschu üi In-min Konghoaguk", Koreanische Volksdemokratische Republik — KVDR) hat eine Größe von 127 158 qkm und eine Bevölkerung von wahrscheinlich heute über 15 Millionen. Absolute statistische Unterlagen aus jüngster Zeit sind nicht bekannt. Nordkorea ist ein kommunistisches, aber auf Unabhängigkeit bedachtes System; auffällig erscheinen die Abgeschlossenheit des Landesteils, die überaus starke Militarisierung und der sehr große Personenkult um den Präsidenten Kim II-Sung. Zwischen den beiden Landeshälften finden seit rund viereinhalb Jahren Gespräche über menschliche Erleichterungen und eine Wiedervereinigung statt.
Die Entwicklung Koreas bis zum August 1970
Auf der Konferenz von Kairo 1943 beschlossen die Alliierten, dem seit dem Jahre 1910 von Japan annektierten Lande Korea wieder die Unabhängigkeit zu geben. Einige Tage nach der Kapitulation Tokios, Mitte August 1945, überschritten sowjetische Einheiten die Nordgrenze des Landes; Anfang September landete die erste US-Division im Südteil. Der Jubel der befreiten, aber wie Besiegte behandelten Koreaner verstummte schnell: Aus der provisorischen Demarkationslinie am 38. Breitengrad entstand eine permanente Grenze. Unter Moskauer Einfluß bildete sich im Norden ein kommunistisches Regime, das bald die für den Süden sehr notwendige Lieferung von Elektrizität stoppte; dann wurde der gegenseitige Reiseverkehr und schließlich auch der Postaustausch eingestellt — bereits im Jahre 1948 war die Trennung vollständig. Nachdem im Mai 1946 alle Bemühungen um die Bildung einer gesamtkoreanischen Regierung gescheitert waren, versuchten die USA 1947, die Vereinten Nationen einzuschalten. Der UNO-Beschluß über die Abhaltung freier Wahlen in beiden Teilen Koreas wurde von sowjetischer Seite nicht anerkannt und der UN-Kommission im Mai 1948 die Einreise nach dem Norden verweigert. Im gleichen Jahre zog die Sowjetunion ihre Streitkräfte aus Nordkorea ab; sie hinterließ allerdings eine gut ausgerüstete Armee. Im Juni 1949 verließen die USA-Truppen (bis auf 500 militärische Berater) das Land; sie hatten eine moderne Ausstattung der südkoreanischen Armee abgelehnt. Im Januar 1950 erklärte US-Außenminister Acheson, Korea liege außerhalb jener Gebiete, welche die USA in ihrem Sicherheitsinteresse zu verteidigen bereit seien.
Am 25. Juni 1950 überfielen überlegene nord-koreanische Truppen den Süden
Auf der sogenannten Indochina-Konferenz in Genf 1954 spielte Korea nur eine Nebenrolle; in der Frage der Wiedervereinigung konnte kein Ergebnis erzielt werden. Die 15 UN-Mitgliedstaaten und Südkorea bestanden auf der Forderung nach freien Wahlen; die UN-Truppenkontingente sollten erst nach Errichtung eines vereinigten Korea abgezogen werden
Auch in der Folgezeit beharrte die Republik Korea auf freien Wahlen. Die Koreanische Volksdemokratische Republik machte wiederholt Vorschläge für eine Wiederaufnahme des Postverkehrs und auch für eine Wiedervereinigung; Voraussetzung aber waren allgemein ein vorangegangener Abzug der amerikanischen UN-Truppen oder bzw. und der Sturz der südkoreanischen Regierung
Trotz der vollständigen Abschnürung der beiden Landesteile und des unversöhnlichen ideologischen Dogmatismus im Norden erhielt sich in Gesamt-Korea das verbindende Nationalgefühl. Nicht nur die ROK betont, daß die Bevölkerung in Süd-und Norkorea aufgrund ihrer 5 000jährigen Geschichte, ihrer gemeinsamen Sprache, Kultur und Sitten noch heute ein einziges Volk und eine einheitliche Nation darstellt
Staatsrechtlich vertrat Pjöngjang die Ansicht: „Das koreanische Volk hat als eine einheitliche Nation nur einen Staat und eine Regierung. Der einzige Staat für die koreanische Nation ist die Koreanische Volksdemokratische Republik, und nur die Regierung der KVDR repräsentiert die wirklichen nationalen Interessen und den Willen des ganzen Volkes von Nord-und Südkorea. Die sogenannte . Regierung der Republik Korea'in Südkorea ist ein Marionettenregime, das niemals das Volk Südkoreas vertreten kann.“
Erste Vorstöße Seouls
Erst Anfang März 1969 hatte die ROK ein Ministerium für Nationale Wiedervereinigung eingerichtet; die neue Ostpolitik Bonns wurde in Seoul zumindest mit großem Interesse beobachtet
Auf dem V. Parteitag der Partei der Arbeit, am 2. 11. 1970, führte Kim Il-Sung hingegen aus: „Um die große Sache der Vereinigung des Vaterlandes zu verwirklichen, ist es notwendig, die imperialistischen USA-Aggressoren, die das Haupthindernis auf dem Wege zur Vereinigung unseres Vaterlandes sind, aus Südkorea zu vertreiben, ihr Kolonialregi-
'ne zu liquidieren, die militärfaschistische* Diktatur zu stürzen und den Sieg in der Revolution zu erringen." 15)
In seiner Pressekonferenz zu Neujahr 1971 ging der südkoreanische Präsident erneut auf die Dringlichkeit der Wiedervereinigung ein. Am 12. 4. 1971 legte die nordkoreanische Regierung einen Acht-Punkte-Plan zur Einheit vor, der auch freie Wahlen — in seinem ersten Punkt jedoch den Abzug der UN-Truppen sowie die Annullierung aller Verträge Seouls mit Washington und Tokio — vörsah. In einem Statement vom 14. 4. lehnte die ROK diese „völlig undurchführbaren und unbegründeten Forderungen" ab, die südkoreanische Presse verwies auf die von der KVDR nicht erwähnten Verträge Pjöngjangs mit Moskau und Peking
Bei seiner Rede am 1. Juli 1971 empfahl Park Chung Hee eine mutige, flexible Haltung in der Frage der Einheit, die Schritt für Schritt erreicht werden müsse: „Gleichgültig, wo sie leben — im Norden oder im Süden oder fern im Ausland —, es sollte der brennende Wunsch aller Koreaner sein, die ihr Volk und ihr Vaterland lieben." Auf einer Kundgebung am 6. August verurteilte Kim Il-Sung „diese dummen betrügerischen Täuschungsmanöver“, erklärte sich aber bereit, „zu beliebiger Zeit Kontakte mit allen politischen Parteien, gesellschaftlichen Organisationen und mit einzelnen Persönlichkeiten Südkoreas .. . aufzunehmen"
Beginnende Rote-Kreuz-Gespräche
Am 12. August 1971 ging der Präsident des südkoreanischen Roten Kreuzes (ROKNRC) in einer Festrede auf die rund zehn Millionen in Nord-und Südkorea seit über zwanzig Jahren getrennt lebenden Familien ein: „Erstens, (wir wünschen) ein Gespräch mit den Repräsentanten des nordkoreanischen Roten Kreuzes hinsichtlich der (in seiner Rede) bereits erwähnten . Kampagne für die Suche nach den getrennten Familien'vorzuschlagen. Zum anderen (wünschen wir) ein Vorbereitungs-Treffen mit den Repräsentanten des nordkorea-nischen Roten Kreuzes (NKRC) im schweizerischen Genf vor Ende des kommenden Oktober zu haben, um die Verfahrensarten der Gespräche zu diskutieren." Da es keine Verbindungsmöglichkeit gab, wurde das Angebot per Rundfunk nach dem Norden ausgestrahlt. Auf die gleiche Art stimmte dieser bereits nach zwei Tagen zu. Das auslösende Moment auf beiden Seiten war wahrscheinlich der Schock, den die Ankündigung der Reise Nixons nach Peking auslöste, und die Gewißheit, fortan selbständiger handeln zu müssen. Bei Pjöngjang dürfte es vielleicht auch ein Wink Pekings gewesen sein sowie die wachsende Sorge, in den Strudel der sowjetisch-chinesischen Differenzen zu geraten. Zweifellos wird auch die Furcht vor dem Aufstieg Japans zu denken gegeben haben. Heute, nach den vielen Enttäuschungen, glaubt man in Seoul, der Norden habe den Südteil nur ideologisch und insbesondere militärisch schwächen sowie durch die Gespräche eine „Volksfront" -Bildung im Süden erreichen wollen. Die nordkoreanische Propaganda wiederum behauptet neuerdings, die Verhandlungen seien damals durch den „wachsenden Druck der Volksmassen im Süden und die steigende Stärke der sozialistischen KVDR" zustande gekommen. Politische Stellen Washingtons und Tokios vermuten, Kim Il-Sung habe die Wiedervereinigungsgespräche in dem falschen Glauben begonnen, der Norden sei dem Süden wirtschaftlich überlegen und würde in einem vereinigten Korea dominieren können
Einige Tage nach der damaligen Zustimmung Pjöngjangs erinnerte Park an die südkorea-nischen Wiedervereinigungs-Vorschläge und sah im den bevorstehenden Roten-Kreuz-Gesprächen „ein gutes Omen". Am 28. August stand in dem nordkoreanischen Zentralorgan „Nodong Sinmun": „Das ganze Volk Nord, und Südkoreas wird das Hindernis niederrei. ßen, das zwischen dem Norden und dem Süden liegt, den Kontakt und den Verkehr zwischen dem Norden und dem Süden verwirklichen und die . .. Wiedervereinigung des Vaterlandes .. . ganz gewiß erreichen."
Am 20. August kam es im Grenzort Panmun-jom zu einer ersten Begegnung von Abgesandten. Nach fünf weiteren Treffen erfolgte am 20. September „in einer Atmosphäre betonter Herzlichkeit" die erste Runde der Vorbereitungsgespräche; beide Seiten ließen erkennen, daß diese Kontakte „auf einer privaten und unpolitischen Basis" geschahen und damit weder ein Aufgeben des jeweiligen Alleinvertretungsanspruches noch eine staatliche Anerkennung des anderen Landesteils bedeuteten. Zwei Tage später wurde in Panmun jom eine erste Telefonleitung mit einer Gesamtlänge von 182 Metern über die Grenze gelegt und nach knapp 26 Jahren das erste Telefongespräch zwischen Nord-und Südkorea geführt. In der Tat mußte der hoffnungsvolle Beginn als „die erste Seite eines neuer Kapitels in der Geschichte Koreas" erscheinen
Beim dritten Vorbereitungstreffen am 6. Oktober einigten sich beide Seiten, die Plenar-Vollgespräche später abwechselnd in Seoul und Pjöngjang durchzuführen. Ende desselbei Monats schlug das ROKNRC die Einrichtune eines Suchdienstes für die getrennten Familie! vor, als zweite Stufe die Einführung eine: Briefverkehrs zwischen ihnen, Möglichkeit« von Begegnungen und gegenseitigen Besu chen sowie schließlich die Eröterung der Pro bleme der Familienzusammenführung. De Gegenvorschlag des NKRC beinhaltete im er sten Punkt freien Reiseverkehr und gegensei tige Besuche sowohl zwischen den getrennte Familien als auch zwischen Verwandten um Freunden. Die Südkoreaner akzeptierten de Begriff der „Verwandten", fühlten sich be der sehr dehnbaren Formulierung von „Freunden" jedoch stark an die nordkoreanische Subversions-und Infiltrationstätigkeit erinnert
Anfang Januar 1972 erachtete Kim Il-Sung die internationale Lage als sehr günstig für eine mögliche Wiedervereinigung Koreas. Bei den Roten-Kreuz-Gesprächen wurde der Vorschlag der Vertreter Pjöngjangs nach einem völlig freien Reiseverkehr — als einem Weg zur Einheit — von den Delegierten Seouls für den Moment verneint, da diese politische Frage die Befugnisse der Roten-Kreuz-Vertreter überschreite. Die Olympischen Winterspiele in Sapporo (Februar 1972) sahen dennoch herzliche Begegnungen zwischen den beiden koreanischen Mannschaften und südkorea-nischen „Schlachtenbummlern“; die Leiter der zwei Sportdelegationen waren jeweils Regierungsbeamte, die hier angeblich auf Regierungsebene direkte, wenn auch noch formlose Kontakte aufnahmen
Nach insgesamt 19 Vorbereitungsgesprächen begann Mitte Februar das erste Arbeitstreffen der beiden Roten-Kreuz-Delegationen. In der zweiten März-Hälfte kam es zu einem vertraulichen Gespräch der führenden RK-Vertreter in Wien, auf dem augenscheinlich die entscheidende Einigung erreicht werden konnte. Am 16. Juni 1972 wurde schließlich die vollständige Einigung über die Tagesordnung der eigentlichen Roten-Kreuz-Verhandlungen erzielt. Das 5-Punkte-Programm sah im einzelnen vor: „Die Frage des Suchens und Registrierens der Aufenthalte und Schicksale von getrennten Familien und Verwandten in dem Süden und Norden. Die Frage der Möglichkeit für Besuche und freie Zusammenkünfte zwischen Angehörigen getrennter Familien und Verwandte in dem Süden und Norden. Die Frage der Einräumung des freien Korrespondenz-Austausches zwischen Angehörigen getrennter Familien und Verwandte in dem Süden und Norden. Die Frage der Zusammenführung von Mitgliedern der getrennten Familien in dem Süden und dem Norden nach ihrem freien Willen und andere vereinbarte humanitäre Fragen."
Zeitungen in Seoul sahen in dem Agreement „nur einen Anfang“, andere wieder fühlten „keine Veranlassung für eine optimistische Vorausschau". Von nordkoreanischer Seite wurde gefordert, „daß die südkoreanische Seite ihre Vorurteile über Bord werfen und, auf nationalem Standpunkt stehend, aufrichtig verhandeln sollte"
Wiedervereinigungsgespräche
Nachdem Kim Il-Sung noch zu Neujahr 1972 von dem „Weg zu einer Revolution in Südkorea" gesprochen hatte, erklärte er sich einige Tage später gegenüber der japanischen Zeitung „Yomiuri Shimbun“ wiederum zu Gesprächen mit allen Parteien der ROK bereit. Ende Februar fügte „Nodong Sinmun" hinzu: „Die Beendigung der Tragödie der nationalen Spaltung ist für das ganze Volk in Nord-und Südkorea eine äußerst wichtige Forderung." Park seinerseits betonte ebenfalls erneut seinen Willen zur Einheit, forderte als Beweis des guten Willens vom Norden aber die Beendigung seiner Infiltration und die Herausgabe der entführten südkoreanischer Fischer und einer Flugzeugbesatzung. Anfang Mai führte in Seoul der Vorsitzende der Regierungspartei aus: „Wir sind bereit, über die Wiedervereinigung des geteilten Landes zu verhandeln."
In der Zwischenzeit, vom 2. bis 5. Mai, hatte der Direktor des südkoreanischen Central Intelligence Agency (CIA), Lee Hu-Rak, im Auftrage Park Chung Hees in Pjöngjang Geheimgespräche über die Wiedervereinigung geführt und war dabei auch mit Kim Il-Sung zusammengetrofffen; ebenso war der zweite Stellvertretende Ministerpräsident Nordkoreas, Park Sung Chui, vom 29. Mai bis l. Juni zu vertraulichen Verhandlungen nach Seoul* gekommen
II. Die beiden Seiten kamen überein, von der Verleumdung der anderen Seite und von bewaffneten Provokationen Abstand zu nehmen, ob groß oder klein, und aktive Maßnahmen zu treffen für die Verhinderung von Zwischenfällen unerwarteter militärischer Konflikte, um die Spannung zwischen dem Norden und dem Süden zu mindern und um eine Atmosphäre des Vertrauens zu schaffen.
III. Die beiden Seiten kamen überein, einen vielseitigen gegenseitigen Austausch auf zahlreichen Gebieten zwischen dem Norden und dem Süden zu verwirklichen, um die nationalen Bindungen wiederherzustellen, die jetzt unterbrochen sind, um das gegenseitige Verständnis zu fördern und um eine unabhängige friedliche Wiedervereinigung zu beschleunigen. IV. Die beiden Seiten kamen über eine aktive Zusammenarbeit überein, um die im Gange befindlichen Roten-Kreuz-Gespräche zwischen dem Norden und dem Süden, auf welche die ganze Nation große Hoffnungen setzt, zu einem baldigen Erfolg zu führen.
V. Die beiden Seiten kamen überein, ständige direkte Telefonleitungen zwischen Pjöngjang und Seoul zu installieren, um unvorhergesehene militärische Zwischenfälle zu verhindern und um Fragen, welche sich zwischen dem Norden und dem Süden ergeben, direkt, schnell und sorgfältig zu behandeln. VI. Die beiden Seiten kamen überein, ein Nord-Süd-Koordinierungskomitee zu bilden mit Direktor Kim Yong-Ju und Direktor Lee Hu-Rak als Ko-Vorsitzende zum Zwecke der Förderung der Durchführung all dieser Punkte der Vereinbarung und gleichzeitig zur Verbesserung und Regelung verschiedener Probleme zwischen dem Norden und dem Süden und zur Lösung der Frage der Wiedervereinigung des Landes auf der Grundlage der Vereinbarten Prinzipien für die nationale Wiedervereinigung. VII. Im festen Glauben, daß die oben erwähnten Punkte der Übereinkunft mit dem einmütigen Wunsch der ganzen Nation in Einklang stehen, die nach der nationalen Wiedervereinigung verlangt und welche die Tage wie Jahre empfindet, versprechen die beiden Seiten der ganzen Nation, diese Punkte der Übereinkunft ehrlich zu erfüllen."
Park Sung Chui kommentierte diese Gemeinsame Erklärung: „Die höchste nationale Aufgabe ist es jetzt, das Vaterland wiederzuvereinigen. Die Koreaner dürfen nun nicht diese oder jene Differenzen zwischen dem Norden und dem Süden in den Vordergrund stellen, sie müssen sich vielmehr über sie erheben und die gesamtnationalen Interessen an die erste Stelle setzen und die große Einheit der Nation herstellen."
In der Tat stellte sich bald heraus, daß der Süden die Einheit durch freie Wahlen
Erste Unstimmigkeiten
Am 30. August 1972 kam es in Pöngjang zum ersten formellen Roten-Kreuz-Gespräch; beide Seiten verwendeten dabei erstmals den offiziellen Namen des anderen Landesteils. Der nordkoreanische Delegationsleiter appellierte an die Anwesenden: „Wir sollten die dunklen, über unserer Nation lastenden Wolken der tragischen Teilung durch die vereinte Kraft der ganzen Nation vertreiben und diesem Land die helle Dämmerung der Wiedervereinigung bringen." Der südkoreanische Chefdelegierte mahnte seinerseits, die offenen Fragen in „aller Aufrichtigkeit" und „mit geduld" zu lösen
Bei den Roten-Kreuz-Verhandlungen in Seoul Mitte September ergaben sich erste Unstimmigkeiten: Der Süden wollte die Gespräche zumindest im jetzigen Stadium auf die vereinbarte Familienzusammenführung beschränkt sehen; für die Nordkoreaner hingegen war das Hauptthema die Wiedervereinigung auf der Grundlage der „großen Juche-Idee“ ihres „großen, geachteten und geliebten Führers Kim I*l-Sung
Auf der vierten Zusammenkunft der Vollsitzung der Roten-Kreuz-Komitees Ende November kamen beide Seiten überein, ein gemeinsames Arbeitsgremium für den Suchdienst nach den getrennten Familien einzurichten
Einstellung der gegenseitigen Propaganda
Anfang November 1972 vereinbarten Seoul und Pjöngjang, „ab 11. November alle Propaganda-Aktivitäten einzustellen, die gegen den anderen Landesteil gerichtet sind“. Süd-und Nordkorea versprachen im einzelnen, „alle Propagandasendungen des Rundfunks, die jeweils in das andere Land ausgestrahlt werden, alle Lautsprecherübertragungen über die militärische Demarkationslinie hinweg sowie jegliches Verbreiten von Flugblättern auf dem Territorium des anderen Landesteils ab 11. November 1972 einzustellen“
Sowohl in Nord-als auch in Südkorea traten im Dezember 1972 neue Verfassungen in Kraft. Beide enthalten ausdrückliche Bekenntnisse zur Herstellung der Einheit: Art. 5 der jetzigen Verfassung der KVDR verspricht „das Land friedlich auf demokratische Weise wiederzuvereinigen“, und auch in Art. 35 der Verfassung der ROK findet sich — ähnlich wie in der Präambel — die Formulierung von der „heiligen Mission der Wiedervereinigung des Vaterlandes". Die nordkoreanische Verfassung sieht als Hauptstadt nunmehr allerdings Pjöngjang vor — in der bisherigen wurde noch Seoul genannt—, während andererseits die KVDR auch weiterhin „die Interessen aller Koreaner" zu vertreten behauptet; die neue südkoreanische Verfassung hingegen spricht nicht mehr vom Alleinvertretungsanspruch. Beide Verfassungen scheinen in ihren politischen Reformen Voraussetzungen für die Einheit Koreas schaffen zu wollen, sie stärkten aber auch besonders die Positionen der zwei Staatsoberhäupter
In seiner Neujahrsansprache 1973 erneuerte Park „den tiefen nationalen Wunsch nach einem friedlichen, aufstrebenden Vaterland". Die Neujahrsbotschaft Kim Il-Sungs rief dazu auf, „die selbständige und friedliche Einheit des Vaterlandes zu verwirklichen und den sozialistischen Endsieg zu erringen"
Mitte März machte der Delegationsleiter der KVDR auf der Sitzung des Koordinierungsausschusses den Vorschlag, das gegenseitige Wettrüsten zu beenden, die Bewaffnung und Armeestärke in beiden Landesteilen auf 100 000 Mann oder weniger zu reduzieren, „die US-Streitkräfte aus unserem Land zu verweisen" sowie einen Friedensvertrag zwischen Nord-und Südkorea abzuschließen. Der Delegationsleiter der ROK verwies darauf, daß „nur durch die Reduzierung der Streitkräfte die Spannung nicht vermindert werden kann". Wichtiger sei die Herstellung einer Atmosphäre des Vertrauens; „zu diesem Zweck sollten wir die Nord-Süd-Gespräche zu einem frühen Erfolg bringen und die humanitäre Frage der Linderung des Leides der getrennten Familien lösen“
Da derartige para-militärische Organisationen allgemein nicht Objekt einer Truppenreduzierung sind, würde nach Ansicht der ROK eine Verminderung der eigentlichen Streitkräfte der KVDR die militärische Schlagkraft des Nordens kaum ernsthaft berühren und somit auch nicht das Risiko erneuter Spannungen beseitigen
Bei der fünften Roten-Kreuz-Konferenz (20. — 23. 3. 1973) verknüpften die Nordkoreaner die Frage des Familiensuchdienstes wieder mit dem Problem der Wiedervereingung; bei einer Trennung der beiden Komplexe, behauptete KCNA, würde es „unmöglich sein, die Arbeit zur Linderung der durch die Teilung bedingten Not der Landsleute erfolgreich zu gestalten". Eine Einigung konnte somit nicht erzielt werden. Am 27. März machte „Nodong Sinmun" als „die sicherste und zuverlässigste Art, die Probleme zu lösen" den Vorschlag, daß die Getrenntlebenden „sich frei zwischen dem Norden und Süden bewegen und ihre Familien und Verwandten selbst ausfindig machen können"
Auf dem Treffen der Roten-Kreuz-Vertreter im Mai wiederholten die Delegierten Pjöngjangs ihre bisherigen Forderungen. Beide Delegationen konnten nicht einmal Einigung über die Herausgabe eines gemeinsamen Sitzungsprotokolls erzielen
Park Chung Hee: Für doppelten UNO-Beitritt
Um die festgefahrenen Gespräche voranzutreiben und insbesondere um menschliche Erleichterungen zu erreichen, erließ der südkoreanische Präsident — nach vorheriger Fühlungnahme mit westeuropäischen Staatsmännern — am 23. Juni 1973 ein besonderes Statement. In ihm bezeichnete er nochmals die friedliche Wiedervereinigung des Landes als „die oberste Aufgabe des koreanischen Volkes", für die weiterhin „alle Anstrengungen" gemacht werden müßten. Das überraschende aber war (obwohl es bereits in der Neujahrsrede 1971 angedeutet worden war), daß Seoul sich fortan nicht mehr gegen eine Aufnahme Nordkoreas in die UN-Weltorganisation sträubte. Den Beitritt der beiden Koreas machte Park allerdings von der Voraussetzung abhängig, daß die Mehrheit der UN-Mit-gliedstaaten zustimme und ein solcher Schritt kein Hindernis für die Errichtung der nationalen Einheit darstelle. Ohnehin sei die Vertretung der zwei Teile Koreas lediglich ein Interimsschritt bis zur Wiedervereinigung
Auch hinsichtlich des Vorschlags Pjöngjangs nach einer Truppenreduzierung wurde die Parallele zu Ost-Berlin und Bonn gezogen, „obwohl das Beispiel Deutschland nicht völlig relevant für Korea ist — wenn ein Deutschland auf einer Minderung der militärischen Sicherheitsstruktur der anderen Seite als eine qen bestanden hätte, wäre kein Agreement möglich gewesen"
In seiner Antwort entwickelte Kim Il-Sung ein 5-Punkte-Programm, in dem er eine gemeinsame nord-südkoreanische Staats-Organisation offerierte: „Wir halten daran fest, daß der Norden und der Süden (Koreas) der UNO nicht getrennt beitreten sollten, und erwägen, daß im Falle eines gewünschten UN-Beitritts vor der abgeschlossenen Wiedervereinigung des Landes die beiden Teile als ein einziger Staat unter dem Namen . Konförderation Republik Koryo'Mitglied werden sollten."
Seoul wiederum fragte nach dem Präsidenten der geplanten Konföderation, den Verantwortlichen in Außenpolitik und Sicherheitsfragen und hielt „unter den gegenwärtigen Umständen" eine Konföderation für „undenkbar". Zuvor sollte besser eine Atmosphäre der Verständigung geschaffen werden
Einseitiger Abbruch der Gespräche?
Am 28. August gab der nordkoreanische Ko-Vorsitzende des Nord-Süd-Koordinierungsausschusses in einer Erklärung bekannt, daß seine Kommission die Gespräche mit dem südkoreanischen Ko-Vorsitzenden, Lee Hu-Rak, nicht fortsetzen werde; dieser sei für das Kidnapping des Seouler Oppositionsführers Kim Dae Jung in Tokio verantwortlich
Um die verhärteten Fronten aufzulockem, erklärte Seoul sich schließlich Mitte November zu einer Reorganisierung der Zusammensetzung des NSCC bereit. In ihrer Antwort schlugen die Nordkoreaner die Umbildung dieses Ausschusses zu einem großen Nationalkongreß vor: „Wir sind überzeugt, daß sich die Angehörigen aller Bevölkerungsschichten und die Mitglieder der verschiedenen politischen Parteien und Gruppierungen im Norden und im Süden, die gegen die nationale Spaltung sind und die die Wiedervereinigung des Landes anstreben, im Interesse der großen Sache unserer Nation zusammenschließen können, ganz gleich, welche unterschiedlichen ideologischen und politischen Auffassungen, welchen Glauben, welchen gesellschaftlichen Status sie auch haben"
Als nach längerer Unterbrechung Ende November 1973 die Vertreter der Roten-Kreuz-Gesellschaften wieder zusammentrafen, forderte der Norden den Ausschluß aller Mitglieder des CIA der ROK, die an den Roten-Kreuz-Verhandlungen teilnehmen würden, „die sofortige Beendigung der Unterdrückung des patriotischen Volkes" in Südkorea und schließlich die Weiterführung der Verhandlungen anstatt in Seoul fortan in Pjöngjang
Hu-Rak im Zuge der Seouler Regierungsumbildung von seiner Funktion als CIA-Leiter und auch als Ko-Vorsitzender des NSCC zurück
Im Dezember 1973 sprachen sich bei den NSCC-Verhandlungen beide Seiten für eine Wiederbelebung der Arbeit aus und erreichten — wie mitgeteilt wurde — eine Annäherung der Standpunkte. Während derselben Wochen kam es andererseits zwischen Seoul und Pjöngjang zu einem erbitterten Streit um die Grenzgewässer, insbesondere um fünf Inseln im Gelben Meer auf der Höhe des 38. Breitengrades
Die UNO für die Wiedervereinigung Koreas
Nach der seinerzeitigen Aufnahme der Gespräche mit der KVDR vertrat die ROK die Ansicht, daß eine Behandlung der Korea-Frage durch die UNO sich auf die Wiedervereinigungsbemühungen nur störend auswirken würde. Tatsächlich beschloß die Weltorganisation im September 1971, dem britischen Antrag zu folgen und die Debatte zu verschieben.
Anfang 1972 erklärte Park Chung Hee: „Es ist undenkbar, daß Süd-und Nordkorea gleichzeitig zu den Vereinten Nationen zugelassen werden, weil dies gegen den ausdrücklichen Willen der Bevölkerung Koreas ist, die sich nach der Wiedervereinigung ihres Vaterlandes sehnt."
Das Memorandum der nordkoreanischen Regierung ging auch auf den Beitritt der beiden Teile Deutschlands zu den Vereinten Nationen ein und vertrat die Ansicht, „daß sich die Korea-Frage und die deutsche Frage voneinander unterscheiden. In Deutschland haben die beiden deutschen Staaten sich einander als völlig gleichberechtigte souveräne Staaten anerkannt und waren sich völlig einig, getrennt den UN beizutreten. Aber in Korea ist die Lage ganz anders. Korea ist dank der Besetzung Südkoreas durch ausländische Truppen künstlich geteilt"
Innerhalb der Weltorganisation wurde bald deutlich: Würde die Vollversammlung die Resolution des Südens annehmen und Seoul anschließend seine Mitgliedschaft in der UNO beantragen, würde die Volksrepublik China — die die beiden Teile Deutschlands ohne weiteres in die UN passieren ließ — zweifel-los ein Veto einlegen. Auch die Sowjetunion, die früher die Aufnahmegesuche der ROK mit Hilfe ihres Vetorechtes und dem Hinweis blockiert hatte, die beiden koreanischen Staaten dürften nur gleichzeitig aufgenommen werden, würde zumindest äußerlich die Forderung Pjöngjangs unterstützen. Fände hingegen der Entwurf der Nordkoreaner die Mehrheit der Vollversammlung, so wäre der Sicherheitsrat zur Auflösung des UNO-Kommandos in Südkorea aufgefordert, was wiederum die USA durch ihr Veto verhindert hätten
Südkoreanischer Vorschlag eines Nichtangriffspaktes
Anfang 1974 versprach Kim Il-Sung »alles zu tun, um die drei Prinzipien der nationalen Wiedervereinigung gründlich zu befolgen, die in der gemeinsamen Nord-Süd-Erklärung niedergelegt wurden, und unsere Kräfte mit allen fortschrittlichen Kräften in Südkorea zu vereinen, um energisch gegen die Spalter im In-und Ausland zu kämpfen". Daß er die Roten-Kreuz-Gespräche nicht erwähnte, zum „revolutionären *Kampf im Südteil aufrief, wurde in Seoul enttäuscht registriert
Mitte Januar schlug Park Chung Hee einen Nichtangriffspakt zwischen den beiden Koreas vor: Im ersten Punkt sollte die Bereitschaft der zwei Seiten festgelegt werden, keinen militärischen Angriff zu beginnen. Zum anderen sollte er das Versprechen der Nicht-einmischung in die inneren Angelegenheiten des anderen Partners bekräftigen. Nicht zuletzt müßte die Vereinbarung die Entschlossenheit zum Ausdruck bringen, das derzeitige militärische Waffenstillstandssystem aufrechtzuerhalten. Seit der Unterzeichnung hätten die Nordkoreaner dieses immer wieder verletzt; wie ihre jüngsten Angriffe auf die südkoreanischen Hoheitsgewässer bewiesen, bedürfe es einer neuen Friedensregelung
Zur etwa selben Zeit griffen nordkoreanische Kriegsschiffe außerhalb der Hoheitsgewässer der KVDR zwei südkoreanische Fischerboote an; das erste wurde versenkt, das zweite nach Norden entführt. Alle Bitten und Proteste des südkoreanischen Roten Kreuzes und der Seouler Vertreter im NSCC sowie auch das Einschalten des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes in Genf blieben ohne Erfolg
Anfang März beteuerte der nordkoreanische Präsident wiederum seinen Willen zur Einheit, rief dann aber aus: „Unsere Unterstützung für den revolutionären Kampf der süd-koreanischen Bevölkerung ist in keiner Weise eine . Einmischung in die inneren Angele
Nordkorea: Für einen Friedensvertrag mit den USA
Ende März 1974 schlug der Ministerpräsident der KVDR den Vereinigten Staaten von Amerika formell vor, das seit 1953 bestehende Waffenstillstandsabkommen durch ein Friedensabkommen zu ersetzen. Darin müßten sich beide Seiten zum Gewaltverzicht verpflichten; insbesondere sollten auch die USA sich in keiner Weise in die inneren Angelegenheiten Koreas einmischen. Beide Parteien dürften keine neuen Waffen mehr auf die koreanische Halbinsel einführen. Außerdem sollten die amerikanischen UN-Truppen „zum frühestmöglichen Termin mit allen ihren Waffen" abgezogen werden. Zur Erläuterung hieß es u. a.: „Es wird immer offensichtlicher, daß es unmöglich ist, die Spannung zu beseitigen und den Frieden in Korea zu festigen, solange die US-Truppen in Südkorea bleiben . . . Heute ist das Waffenstillstandsabkommen bereits veraltert, und es entspricht in vieler Hinsicht nicht mehr der Wirklichkeit. Die Ersetzung des Waffenstillstandsabkommens durch einen Friedensvertrag duldet keinen weiteren Aufschub ..."
Der Regierungssprecher Südkoreas vermerkte, daß dieser Schritt einen De-facto-Abbruch des innerkoreanischen Dialogs beinhalte. Niemand aber könne das Korea-Problem lösen, indem er die Republik Korea ignoriere. Das eigentliche Motiv des Vorschlags der Nord-koreaner sei der Abzug der amerikanischen UN-Soldaten
Die Begegnung der stellvertretenden NSCC-Vorsitzenden blieb ohne Resultat: Der Norden wollte — parallel zu den Sitzungen des Koordinierungsausschusses — die von ihm bereits mehrfach geforderte politische Konsultativkonferenz stattfinden lassen, die der Süden jedoch ablehnt. Als Seoul nach dem Schicksal der verschleppten Fischer fragte, stellte dies nach Ansicht Pjöngjangs nur „ein neues Hindernis für den Dialog" dar. Ebenfalls endete die Nord-Süd-Zusammenkunft der Roten-Kreuz-Vertreter Ende April ergebnislos. Der Vorschlag der ROK, auf niedriger Verhandlungsstufe die Gespräche durchzuführen, erhielt keine Antwort — man konnte sich lediglich auf den Termin der nächsten Begegnung einigen
Zunehmende Spannungen
Nachdem kurz zuvor bereits der Süden eine Spionagegruppe der KVDR festgenommen hatte, gab er Anfang Mai die Verhaftung eines weitverzweigten Spionagenetzes von insgesamt 30 Personen bekannt
Trotzdem kamen Ende Mai beide koreanischen Landesteile überein, die Roten-Kreuz-Gespräche wieder auf höherer Arbeitsebene zu beginnen und die Wiederaufnahme der seit dem August 1973 eingefrorenen Verhandlungen über die Familienzusammenführung zu erörtern; die Einigung erfolgte, nachdem die KVDR ihre Vorbedingungen für die Konferenz überraschend zurückgezogen hatte
Bereits Mitte Juni hatte eine internationale Konferenz über Fragen der Familienzusammenführung einem Resolutionsantrag des süd-koreanischen Delegierten nach einer umgehenden Zusammenführung der Getrennten in Korea zugestimmt. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes wandte sich an die zwei Roten-Kreuz-Gesellschaften in Korea und lud sie zu einer Begegnung nach Genf ein. Zugleich schlug es dem Roten Kreuz in Pjöngjang vor, eine Delegation in die KVDR einreisen zu lassen, um dort den Verbleib von 426 gefangengehaltenen Südkoreanern zu ermitteln
Zweifellos verfügt auch der Südteil über geheime Augen im Norden, doch erscheint auffällig, daß Seoul gerade in den letzten Jahren überaus viele Spionageringe Pjöngjangs zerschlagen konnte. Kriegsschiffe der ROK versenkten im Juli südlich von Pusan ein unbekanntes Drei-Tonnen-Schiff, das jede Auskunft über sich verweigerte und den üblichen kleinen nordkoreanischen Schnellbooten für Guerilla-Einsätze entsprach. Seoul hielt dem Nordteil vor, seit 1953 insgesamt 23 549 Verletzungen des Waffenstillstandsabkommens begangen zu haben, davon 2 504 allein im vorigen Jahr. Die KVDR behauptete daraufhin, der Süden habe seit der gemeinsamen Erklärung vom Juli 1972 „mehr als 33 000 Verstöße" verübt, davon in den ersten drei Monaten 1974 „mehr als 4 000"
Anläßlich des zweiten Jahrestages der gemeinsamen Absichtserklärung über eine friedliche Wiedervereinigung wählte Nordko-rea das Forum der Vereinten Nationen, um der Regierung in Seoul „Betrug am koreanischen Volk" vorzuwerfen
Am 20. Juli 1974 stellten die Südkoreaner erneut ein nordkoreanisches Guerilla-Schiff und enterten es nach einem Feuergefecht.
Ende des gleichen Monats konnte auf der Arbeitssitzung der Roten-Kreuz-Unterhändler kein Durchbruch in den langandauernden Verhandlungen über die Familienzusammenführung erzielt werden. Vergeblich schlug der Vertreter Seouls vor, als ersten Schritt zumindest den Verbleib betagter Eltern festzustellen. Der Norden bejahte zwar den Vorschlag als solchen, lehnte ihn aber ab als „weiteres Hindernis auf dem Wege zur Wiederaufnahme der Roten-Kreuz-Verhandlungen"; diese könnten ohnehin erst dann wieder aufgenommen werden, „wenn der Süden seine antikommunistischen und nationalen Sicherheitsgesetze abschafft und seine antikommunistischen Organisationen auflöst"
Nach südkoreanischer Darstellung äußerte ein hoher nordkoreanischer Funktionär während eines Empfangs zu Ehren einer rumänischen Delegation Anfang August 1974, daß Pjöngjang den festgefahrenen Dialog mit Seoul nicht eher wieder aufnehmen werde, bis die UN-Streitkräfte den Süden verlassen hätten
Am 15. August 1974, dem vierten Jahrestag des Beginns der innerkoreanisdien Kontaktaufnahme, erinnerte Präsident Park Chung Hee in seiner Rede an die 5000jährige ungebrochene historische Kontinuität der koreanischen Nation und an die Wiedervereinigung als „die höchste Sehnsucht des Volkes". Für dieses Ziel sollte auf der koreanischen Halbinsel der Friede gesichert sein und deshalb ein gegenseitiger Nichtangriffspakt abgeschlossen werden. Nord-und Südkorea sollten ihre Türen für einander öffnen, und zwischen ihnen müßte gegenseitiges Vertrauen hergestellt werden. Auf dieser Grundlage sollten freie Wahlen in Gesamt-Korea abgehalten werden und — entsprechend der Bevölkerung — die Einheit des Landes herbeigeführt werden
Kraftprobe in der UNO
Der Vorschlag der ROK, daß zum Neujahrstage 1975 betagte Eltern ihre Kinder aus dem jeweils anderen Landesteil für wenigstens einige Stunden am Grenzort Panmunjom sehen könnten, lehnten die Vertreter Pjöngjangs als „unrealistisch" ab
Andererseits behauptet die KVDR immer noch, für die Einheit Koreas einzutreten. Ende September 1974 erklärte Kim Il-Sung: „Das wichtigste Kampfziel, das von unserer Partei heute verfolgt wird, ist die Verwirklichung der Wiedervereinigung des Landes, größter Wunsch und geliebtes Streben unserer Nation"
Mitte November entdeckten die Südkoreaner in der „Entmilitarisierten Zone" einen von Nordkorea aus gegrabenen Tunnel, der nach seinem Umfang sicherlich zur Einschleusung größerer Guerilla-Einheiten dienen sollte.
Kurz zuvor hatten Seouler Stellen dargelegt, daß sich die Flugblatt-Propaganda Pjöngjangs im Laufe des letzten Jahres versiebenfacht habe; Anfang Dezember erhöhte der nordkoreanische Untergrundsender sein tägliches Programm auf nunmehr zwölf Stunden
Nach längerer Debatte entschied der politische Ausschuß der UN-Vollversammlung am 9. Dezember 1974 für den weiteren Verbleib der unter UNO-Flagge in Südkorea stationierten Truppen. Der Ausschuß nahm mit 61 gegen 42 Stimmen bei 32 Enthaltungen den westlichen Antrag an, wonach diese Truppen nicht gegen den Willen der USA oder Südkoreas abgezogen werden können. Mit Stimmen-gleichheit von 48 gegen 48 Stimmen bei 38 Enthaltungen wurde ein Antrag der Anhänger Nordkoreas für den Abzug der ausländischen Truppen aus dem Süden abgelehnt. Der angenommene westliche Antrag erklärt, daß die Frage über den Verbleib bzw. die Auflösung des UNO-Truppenkommandos in den Zuständigkeitsbereich des Sicherheitsrates gehört; dort können die USA kraft ihres Vetorechtes jede ihr unerwünschte Entscheidung blockieren. Der Antrag erkennt die weitere UN-Mit-verantwortung für den Frieden und die Sicherheit auf der koreanischen Halbinsel an und fordert die beiden Landesteile auf, ihre Wiedervereinigungsgespräche fortzusetzen. „Die zweiwöchige Korea-Debatte im Politischen Ausschuß war von den Sympathisanten Nordkoreas als eine Kraftprobe gegen Südkorea, die USA und den gesamten Westen aufgezogen worden..."
In diesem „Land der Morgenstille“ eine baldige Morgenröte zu sehen, fällt dem zeitgenössischen Betrachter schwer. Angesichts des Verhaltens Nordkoreas wäre ein Austausch simpler Postkarten über den 38. Breitengrad schon ein sehr großer Fortschritt. „Aber wenn sich die beiden Seiten nicht einmal über die einfachsten Fragen einigen können, wie können sie sich über die sehr bedeutsamen Ziele der Wiedervereinigung verständigen?" “
Die Korea-Frage und die Großmächte
Während die Teilung Deutschlands sich letztlich als eine Folge des von Hitler begonnenen Zweiten Weltkrieges darstellt, sollte die Besetzung Koreas primär eine Befreiung von der japanischen Okkupation sein. Im Gegensatz zu Deutschland hat Korea niemals in seiner Geschichte einen Krieg begonnen, die Sorge vor einem politisch-militärisch zu starken Korea besteht daher bei den — ohnehin mächtigeren — Anliegerstaaten nicht. Dennoch darf die strategisch wichtige Lage der Halbinsel und das daraus abzuleitende Interesse der Großmächte keineswegs übersehen werden. Es ist daher die Frage, ob sie eine Wiedervereinigung des Landes und eine etwaige Neutralisierung wünschen oder den jetzigen Status quo (mit ihren jeweiligen Einflußsphären) vorziehen — wobei ohne die Unterstützung oder auch nur die Duldung der Mächte eine Wiedervereinigung zumindest in nächster Zukunft kaum erreicht werden könnte. Ein Gesamt-Korea mit rund 50 Millionen Einwohnern, die den Fleiß und die Ausdauer der Chinesen sowie die Härte und die Anpassungsfähigkeit der Japaner kombinieren, und einem starken Wirtschaftspotential wäre in manchen Augen vielleicht ein unwägbarer Faktor. Eine Neutralität nur Südkoreas müßte für Japan bedenklich sein: Die Sicherheit der Insel verlangt eine strategische Abdeckung, und in Tokio sieht man den Süden Koreas gern als Teil des japanischen Verteidigungssystems; da Nippon bislang Amerikas stärksten Partner in Asien darstellt, wird Washington auf dieses Sicherheitsbedürfnis Rücksicht nehmen. Wirtschaftlich ist Tokio im Süden mit umfangreichen Investitionen und Krediten vertreten, es hat seit 1972 aber auch seinen Handel mit dem Norden relativ stark vergrößert
Die rund 40 000 US-Soldaten in der ROK sind im Rahmen der UN stationiert, aber auch auf der Basis eines zweiseitigen Sicherheitsver -trages von 1954 zwischen Washington und Seoul. Wie der amerikanische Präsident Ford bei seinem Besuch Ende November 1974 in Seoul versicherte, ist an einen Abzug größerer Truppeneinheiten aus Südkorea bis auf weiteres nicht gedacht. Zweifellos wird die US-Präsenz nicht zeitlich unbegrenzt dauern — zumindest aber so lange andauern, bis die militärische Macht-Balance sichergestellt ist. Denn bisher bilden die USA das Schutzschild, ihr Rückzug ließe eine unzureichend ausgerüstete südkoreanische Armee zurück. Bis zum „Pueblo" -Zwischenfall widersprach es der amerikanischen Politik, den Südkoreanern schwere, offensive Waffen zu überlassen. Ein 5-Jahr-Programm soll nun die Streitkräfte der ROK, insbesondere ihre Luft-und Panzerwaffe, modernisieren
Pjöngjang besteht nach wie vor auf dem Abzug der amerikanischen Soldaten aus dem Südteil
Die sino-sowjetischen Differenzen hat die KVDR geschickt zu ihrem Vorteil ausgenutzt. Im Jahre 1966 verkündete die Partei der Arbeit Koreas ihren unabhängigen Kurs, in den zwei folgenden Jahren wurde sie von der VR China zwar wiederholt angegriffen, doch haben sich die Beziehungen seit 1969 wieder gebessert. Man wird am zutreffendsten sagen können, daß die ideologische Trennung Pjöngjangs von Moskau größer ist als von Peking
Ob die VR China tatsächlich die Herstellung der Einheit Koreas bejaht, bleibt eine offene Frage; primär wird für Peking — ohnehin in wachsender Sorge vor einer Einkreisung durch Sowjetrußland — die Ausdehnung der eigenen Einflußsphäre sein. Südkorea hat in den letzten drei Jahren wiederholt sein Interesse an wirtschaftlichen und kulturellen Kontakten mit der VR China gezeigt, doch gibt es bis heute eigentlich keine Verbindungen; hinzukommt, daß die ROK nicht bereit ist, ihr sehr enges Verhältnis zu Nationalchina zu lösen
Im Gegensatz zur deutschen Frage „wünschen die Sowjetmenschen dem koreanischen Volk neue Erfolge im Kampf für die friedliche Vereinigung des Landes". In der dem Moskauer Außenministerium nahestehenden Wochen-zeitung „Neue Zeit" war zu lesen: „Früher oder später müssen die nationalen Interessen (der Koreaner) sich doch durchsetzen ... trotz der verschiedenen Ideologie und Gesellschaftsordnung muß eine nationale Konsolidierung erzielt werden." Auch nach den Glückwünschen Breschnews, Podgornys und Kossygins an die nordkoreanische Regierung anläßlich des Befreiungstages 1973 findet die Wiedervereinigungspolitik Pjöngjangs „die unerschütterliche Solidarität und Unterstützung des Sowjetvolkes"
Andererseits hat eine gewisse Annäherung zwischen der UdSSR und der ROK begonnen: Im Mai 1973 konnte erstmals ein südkoreanischer Bühnenautor in Moskau auftreten, kurz danach besuchte ein Journalist das Land und im August gleichen Jahres nahm an der Universiade in der Sowjethauptstadt eine südkoreanische Mannschaft teil
Auch die anderen Ostblockstaaten begrüßten die innerkoreanischen Gespräche für eine Wiedervereinigung, obwohl sie eine solche in Deutschland als angeblich unmöglich ablehnen. Die polnische Nachrichtenagentur hob die „Wünsche und Hoffnungen des (koreanischen) Volkes nach Wiedervereinigung" positiv hervor, und nach den Worten des Generalsekretärs der KPC, Dr. Husak, unterstützt auch Prag „die gerechten Forderungen der koreanischen Seiten auf eine friedliche Vereinigung beider Teile des Landes". Die rumänische Presse schrieb im gleichen Zusammenhang: „Besonders bemerkenswert ist die Tatsache, daß die beiden Seiten übereinkamen, in der Frage der Wiedervereinigung davon auszugehen, daß es jenseits der unterschiedlichen Ideologien, Ziele und Systeme eine einzige Nation gibt, deren legitime Hoffnung es ist, in einem einzigen Staat zu leben. Dies ist ein weiterer Beweis für die wichtige Rolle, die die Nation als treibende Kraft des Fortschritts und Friedens auch heute noch spielt."
Schweigende DDR . . .
Zwischen der DDR und der KVDR gab es früher sehr enge Verbindungen. Der Vorsitzende der DDR-CDU und jetzige Volkskammerpräsident, Götting, bezeichnete noch im Mai 1970 bei seinem Besuch in Pjöngjang die Wiedervereinigung als „ein unveräußerliches Recht des koreanischen Volkes“
Immer wieder kam es zu merkwürdigen Er-scheinungen, wenn etwa selbst die außenpolitische Zeitschrifft der DDR in einem ausführlichen Artikel über Korea die dort wichtigste frage — nämlich das Problem der Einheit — einfach negierte. Als Anfang Mai 1973 der damalige Vizeaußenminister Fischer in Pjöng-* jang den nordkoreanischen Kommunisten zu-rief: „Ich möchte ... Euch von neuem versichern, daß die SED und Volk und Regierung der DDR den beharrlichen Kampf des koreanischen Volkes für die Wiedervereinigung ihres Landes unterstützen", wurden diese Worte in der nordkoreanischen Presse groß herausgestrichen, in den DDR-Zeitungen und Massenmedien hingegen unterdrückt. Das Abschlußkommunique der von Generalsekretär Dr. Husak geleiteten Partei-und Regierungsdelegation der CSSR im Juni desselben Jahres forderte die Einheit des Landes, in der Veröffentlichung des SED-Zentralorgans fehlte gerade dieser Passus. Den Vorschlag Seouls über den Beitritt zur UNO wie auch die Gegenargumente Pjöngjangs schwiegen Radio und Fernsehen der DDR tot; lediglich die „Berliner Zeitung" meldete die Antwortrede Kim Il-Sungs, doch verfälschte sie seine Äußerung über die Wiedervereinigung durch das Wort „Entspannung"
Auch die Ausführungen des Mitgliedes des SED-Politbüros Mückenberger in der nordkoreanischen Hauptstadt im November 1973, wonach „die SED und die DDR-Regierung die koreanische Bevölkerung in ihrem gerechten Kampf für die Lösung der nationalen Frage unterstützen", wurden in Mitteldeutschland genausowenig veröffentlicht wie der Dank des Mitgliedes des Politischen Komitees der Partei der Arbeit für die DDR, nämlich deren „Unterstützung und Solidarität ... für die Beschleunigung der Wiedervereinigung des Landes"
Von der Erklärung des Politischen Ausschusses der UNO, die Wiedervereinigung Koreas herbeizuführen, berichtete das „Neue Deutschland" lediglich, sie hätte „die Fortsetzung der Kontakte zwischen den beiden Teilen Koreas" empfohlen. Die „Berliner Zeitung" erwähnte in diesem Zusammenhang nur die Erklärung des nordkoreanischen Außenministeriums und „die Entschlossenheit des koreanischen Volkes .... für den Abzug der USA-Truppen aus Südkorea zu kämpfen“. Die Rede des DDR-Chefdelegierten bei den UN, Florin, vor dem Weltforum unterstützte die Thesen der KVDR und wandte sich gegen alle Parallelen zwischen Korea und Deutschland — seine Worte von dem innerkoreanischen Agreement über die Herstellung der Einheit wurden von der staatlichen Nachrichtenagentur Ost-Berlins unterschlagen
Augenscheinlich sind die koreanischen Au rungen über eine Wiedervereinigung auchs die heutigen DDR-Verhältnisse immer m zu gefährlich, um publiziert zu werden. Alle dings würde sich die Bevölkerung zwischa Elbe und Oder zweifellos fragen, wesha selbst die Kommunisten in Korea (we wahrscheinlich auch nur äußerlich) einew dervereinigung ihres Landes unter weid schwierigeren Voraussetzungen für durchs möglich halten — jedoch nicht die SED-Fi rung im ebenfalls geteilten Deutschland..