Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Thomas Mann, die Universität Bonn und die Zeitgeschichte | APuZ 43/1974 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 43/1974 Thomas Mann, die Universität Bonn und die Zeitgeschichte Ist nun die Presse Teil der Verfassungswirklichkeit...?Anmerkungen über Zusammenhänge und Konsequenzen

Thomas Mann, die Universität Bonn und die Zeitgeschichte

Paul Egon Hübinger

/ 69 Minuten zu lesen

, Nihil veritas erubescit nisi solummodo abscondi“ . *

* „Die Wahrheit errötet nur, wenn sie unterdrückt wird.'

Tertullian, Adversus Valentinianos III, 2 (Corpus Christianorum, Series Latina II, 2, S. 755).

Unser Ausgangspunkt war der Wunsch, aufgrund aller verfügbaren Quellen zu ermitteln, wie und durch wen es im Dezember 1936 zu , der berüchtigten Entziehung" der Ehren-doktorwürde gekommen ist, mit der die Philosophische Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Thomas Mann 1919 ausgezeichnet hatte. Diese Verleihung des Dr. phil. h. c. an den Dichter — die erste öffentliche Ehrung, die er erfuhr — war, anders als der Entzug, nicht bloß zu ihrer Zeit wenig beachtet worden. Merkwürdigerweise haben ihre Gründe und Hintergründe auch später und bis zum heutigen Tage noch nie Aufmerksamkeit erregt. Darum ist auch die Bedeutung dieser Ehrenpromotion für die innere Biographie von Thomas Mann bisher so wenig zu erkennen gewesen wie die Absicht, die die verleihende Fakultät damit im Sinn hatte. Präzise Aussagen in den Akten über Motiv und Urheber sucht man vergebens. Allein auf dem Weg der historischen Methode, durch kritische Analyse und Kombination verstreuter, für sich allein genommen wenig besagender Tatsachen und Quellenzeugnisse, durch Rekonstruktion des Lebenszusammenhangs im Augenblick der Hundertjahrfeier der Universität Bonn, die den äußeren Anlaß zu der hier durchaus ungewöhnlichen Auszeichnung eines literarischen Autors bot, endlich durch Anamnese der für diesen Akt hauptsächlich verantwortlichen Personen, namentlich Berthold Litzmanns und Ernst Bertrams, konnte gezeigt werden, daß in dem Dichter der „Buddenbrooks“ von der Fakultät der Verfasser der „Betrachtungen eines Unpolitischen" geehrt werden sollte. Niemand ahnte damals, daß Thomas Mann schon während der Niederschrift sich von den Meinungen, die dieses Buch enthielt, zu lösen begonnen Dieser Beitrag stellt das im Text stellenweise, im Anmerkungsteil erheblich gekürzte Schlußkapitel . Epilog“ eines Buches dar, das, ausgestattet mit einem umfangreichen Dokumentenanhang, unter dem hier als Überschrift gewählten Titel vom Verlag Oldenbourg, München, in diesen Tagen vorgelegt wird. hatte. Seine Promotion honoris causa stellte eine demonstrative Geste dar, die den Zeitgenossen auch als solche bewußt war. Sie richtete sich gegen die soeben in Versailles triumphierenden Mächte und gegen die gleichzeitig in Weimar für das zur Republik gewordene Reich beschlossene Verfassungsform, die parlamentarische Demokratie. Wenn das Bild der Beziehungen Thomas Manns zur Bonner Universität bislang vom Entzug der Ehrendoktorwürde eines Hitler-Deutschland meidenden prominenten Gegners der Nationalsozialisten beherrscht war, die als fanatische Kämpfer gegen Versailles und Weimar hochgekommen sind, so erhält es durch die aufgedeckten Motive der Ehrenpromotion des Dichters eine unerwartete, aber der geschichtlichen Wirklichkeit und der inneren Entwicklung Thomas Manns entsprechende Tiefenschärfe. Das Bild gewinnt zugleich — und zwar in mehrfacher Hinsicht — Züge jener ironischen Dialektik, die der Dichter seinen Schöpfungen beizumischen pflegte, weil er in ihr ein Element des menschlichen Daseins sah. Sie zeigte sich im Zusammenhang mit der Bonner Ehrenpromotion Thomas Manns zunächst darin, daß ihn diese Auszeichnung davon überzeugte, er habe nicht bloß im Bereich des künstlerischen Schaffens eine Aufgabe zu erfüllen, sondern auch durch erzieherische Einwirkung, besonders auf die Jugend. So kam es, daß Thomas Mann nicht bei der Absicht blieb, sich in den Zauberberg-Roman „einzuspinnen", sondern daß er wieder mit politisch wirkenden, politisch gemein-ten Reden an die Öffentlichkeit trat — zuerst 1921 mit dem in einer adhortatio ad juventutem ausklingenden Vortrag „Goethe und Tolstoi“, ein Jahr später vor Studenten in der Reichshauptstadt mit der Rede „Von deutscher Republik“, die seine Mitwelt überraschte und Folgen hatte, von denen gleich zu sprechen sein wird.

An ironisch-dialektischem Einschlag, ja an Beispielen tragischer Ironie fehlt es auch sonst im Verlauf der Begebenheiten nicht, die wir darzustellen hatten. Die literarhistorische Forschung hat bei dem Thema „Thomas Mann und sein Publikum" „hie und da tragikomische Züge" konstatiert Wenn sie sagt, nicht selten werde dabei „das Tragische gestreift," so trifft das in einem weiteren Sinne zu, nämlich auf das Verhältnis zwischen Thomas Mann und seiner Zeit überhaupt, zwischen diesem Dichter und seiner Welt, dem Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er fühlte sich zu ihrem Repräsentanten geboren und war dies auch in beträchtlichem Maße. Dennoch stand er zugleich immer wieder in Spannung und Gegensatz zu ihr. Die nicht abreißende Kette heftiger Auseinandersetzungen — zum geringsten Teil literarischer und ästhetischer Art — welche sich durch das Leben Thomas Manns zieht, ein kaum sonst einmal aus unserer Literaturgeschichte in solchem Ausmaß bekannter unversöhnlicher Haß, den der Dichter — nicht wenig verstört deswegen — neben tiefster Bewunderung in seinem Heimatland fand, zeugen von dieser tragischen Kluft auf unübersehbare Weise. Thomas Manns 1922 vollendete Wendung vom Autor der „Betrachtungen" zum Lobredner „Von deutscher Republik“ spielt dabei eine wesentliche Rolle. Sie bildete die primäre Ursache für ein Gutteil der Konflikte, die er gegen seine Zeit und Zeitgenossen auszufechten hatte — bis zur völligen Veränderung seiner Existenz, der Aufgabe von Heimat, Habe und Staatsangehörigkeit. Zwar konnte jene Wendung von 1922 die verehrend freundschaftlichen Gefühle, die sein deutschnationaler Bonner Promotor und späterer Münchner Hausnachbar Litzmann für ihn hegte, nicht zerstören. Auch war der triumphale Empfang, den Universität und Fakultät ihrem Ehrendoktor im Herbst 1929 auf dem Weg zur Entgegennahme des Nobelpreises bereiteten, ein Zeichen dafür, daß die damals hier maßgebenden Persönlichkeiten und auch noch die große Mehrzahl der Bonner Studenten mit einem Thomas Mann in Einklang standen, der von . machtgeschützter Innerlichkeit“ als Ideal für Deutschland abgerückt war. Aber sonst trug dem Dichter sein Bekenntnis zur Republik und Demokratie als den besten Garanten der Humanität, erst recht natürlich seine Hoffnung auf einen „Karl Marx', der „den Friedrich Hölderlin gelesen hat“ in bürgerlichen Kreisen weithin und besonders bei den ungestüm auf der Szene erscheinenden Nationalsozialisten heftigste Feindschaft ein. Sie war stark ressentimentgeladen, teilweise auch schon früh antisemitisch gefärbt. All das mündete 1933 bruchlos in den bösartigen „Protest der Richard-Wagner-Stadt München", unmittelbar danach in wilde SA-Gewaltakte und wenig später in die von Amts wegen gegen den Dichter inszenierten Verfolgungsmaßnahmen aus. Diese erreichten mit der mehrfach, zuerst schon im Januar 1934 durch den bayerischen Innenminister und Gauleiter Adolf Wagner, beim Reichsministerium des Innern beantragten Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit von Thomas Mann am 2. Dezember 1936 ein jahrelang zäh verfolgtes Ziel.

In den Zusammenhang dieser Kampagne gehört der Entzug von Thomas Manns Bonner Dr. phil. h. c. Er bildete nicht ein isoliert dastehendes Ereignis, nicht eine selbständig geplante Handlung, sondern die faktisch automatische Konsequenz der über den Dichter verhängten Ausbürgerung. So bestimmten es die von den nationalsozialistischen Machthabern auf Drängen ihrer Studentenfunktionäre schon 1933 erlassenen generellen Vorschriften. Bei der Universität Bonn und ihrer Philosophischen Fakultät hat die Aversion rechts-bürgerlicher Kreise und nationalsozialistischer Aktivisten gegen Thomas Mann deutliche Spuren in den Akten hinterlassen. Gleichwohl steht diese Gesinnung einzelner Professoren in keinerlei nachweisbarem Kausalzusammenhang mit dem Entzug seiner Ehren-doktorwürde. Als sich 1934 ein direkter Anlaß zu einem derartigen Schritt bot, wurde ei ausdrücklich nicht wahrgenommen. Der auf Aberkennung zielende Vorstoß, den im folgenden Jahr einer der wenigen überzeugten und kämpferisch aktiven Nationalsozialisten im Lehrkörper der Hochschule, der Chemiker Professor v. Antropoff, aufgrund von Presse-nachrichten über kommunistenfreundliche Äußerungen Thomas Manns spontan und auf eigene Faust, allerdings unter Ausnutzung der ihm als Stellvertreter des Dekans bei den damals herrschenden Verhältnissen offenstehenden Möglichkeiten, unternahm, scheiterte an den Bedenken des Auswärtigen Amtes und des Reichspropagandaministeriums.

Die Frage einer Schuld der Fakultät in diesem Zusammenhang erledigt sich nicht bloß dadurch, daß v. Antropoffs Schritt nachweislich ohne ihre Beteiligung oder Kenntnis unternommen worden ist. Sie geht überhaupt von einer irrigen Vorstellung aus. Das gilt auch im Hinblick auf das Schreiben des Dekans Obenauer vom 19. Dezember 1936, das Thomas Mann dann tatsächlich den Verlust seines Bonner akademischen Ehrengrades eröffnete. In der nationalsozialistischen Ära haben nämlich an den deutschen Hochschulen Fakultäten als Beschlußkörperschaften nicht bestanden, wie es vor 1933 selbstverständlich seit 1945 wieder der Fall war. Seit dem Erlaß des Kultusministers Rust „zur Vereinfathung der Hochschulverwaltung" vom 18. Oktober 1933, besonders aber nach schäreren Richtlinien vom 1. April 1935, die die zunächst noch verbliebenen spärlichen Reste früherer Beratungs-und Entscheidungskompeenz völlig beseitigten, konnte davon keine lede mehr sein. Einzig und allein der Dekan >esaß von da an die Befugnis, Entscheidungen u treffen, selbst in rein wissenschaftlichen Fachfragen wie der Bewertung von Dissertationen. Er konnte zu diesen Beschlüssen nach Gutdünken die Ansicht der Fakultät einholen oder dies auch unterlassen. In keinem Fall war er an sie gebunden. Seine nach nationalsozialistischem „Führerprinzip“ zustande gekommenen Entscheidungen wurden freilich weiterhin als „Fakultätsbeschlüsse" bezeichnet. Bei Auswahl und Bestellung des Dekans hatten die Fakultäten nicht einmal mehr ein Mitspracherecht. Selbstverständlich gilt auch für diese Verhältnisse, daß Verfassungsvorschrift und Verfassungswirklichkeit sich nicht immer deckten und daß der Umfang, in dem dies jeweils doch geschah, mannigfache Abstufungen aufwies. Trugschlüssen kann nur entgehen, wer genau prüft, wie es sich im einzelnen Fall verhalten hat. Aus den Akten ergibt sich, daß der im November 1936 aus rein politischen, allein in seiner SS-und SD-Zugehörigkeit liegenden Gründen zum Dekan ernannte Professor Obenauer das „Führerprinzip" in perfekter Weise praktiziert hat. Das war auch, ja insbesondere bei der kurz nach dem Amtsantritt des neuen Dekans vollzogenen Aberkennung von Thomas Manns Dr. phil. h. c.der Fall. Dieser Akt kann nicht zutreffender charakterisiert werden als mit den Worten des jüngsten Kommentars zu dem Antwortschreiben des Dichters: „Unter dem Druck der faschistischen Machthaber in Deutschland wurde Thomas Mann die Ehren-doktorwürde durch den Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn, Professor Dr. Karl Justus Obenauer am 19. 12. 1936 aberkannt", und bereits der Autor eines 1945 in den Vereinigten Staaten veröffentlichten Buches, das Thomas Mann in der Zeit zwischen 1933 und dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft behandelt, hatte richtig geurteilt, daß diese „klägliche Geste. . . in Gefolgschaft der staatlichen Ausbürgerung" des Dichters „stand“ Sa). Weder ist vor diesem Akt die Fakultät befragt oder von Obenauers Absicht unterrichtet noch nachher über das Ereignis informiert worden, auch nicht über das vom Dekan als streng geheim-zuhaltendes Dokument betrachtete Antwort-schreiben des Dichters vom Neujahrstag 1937. Eine Besprechung Obenauers über die Aberkennung vor dem verhängnisvollen Schritt mit mindestens einem, von ihm als vertrauenswürdig betrachteten Mitglied der Fakultät kann nicht ausgeschlossen werden. Dieser Professor, der als repräsentativer Anhänger des Nationalsozialismus und Panegyriker Hitlers hervorgetretene, als Rektor allerdings für die Machthaber enttäuschende und deshalb 1935 dieses Amtes enthobene Germanist Hans Naumann, will Obenauer abgeraten haben. Nachweislich hat er sich im März 1937 gegenüber einem ausländischen Presseorgan kritisch distanzierend über den Fall geäußert.

Der Entzug von Thomas Manns Ehrendoktor-würde war nicht rechtswirksam, weil schon die den Akt ausschließlich begründende Ausbürgerung des Dichters dies nicht gewesen ist. Thomas Mann hatte mit seiner am 19. November 1936 vollzogenen Naturalisierung in der Tschechoslowakei die deutsche Staatsangehörigkeit verloren und war so dem Erlaß, der sie ihm nehmen sollte, um vierzehn Tage zuvorgekommen. Universität und Fakultät haben davon niemals etwas erfahren. Die Berliner Ministerien kannten Anfang 1937 die Tatsachen; sie schwiegen jedoch — anders als in* einem entsprechenden Fall —, weil sie die für das nationalsozialistische Regime wegen des weltweiten Widerhalls von Thomas Manns Antwort an den Bonner Dekan übel ausgelaufene Sache nicht von neuem aufrühren wollten. Was Obenauer betrifft, so war er 1935 durch das Ministerium auf den infolge der politischen Umwälzung mehr als zwei Jahre hindurch vakant gebliebenen Lehrstuhl für Neuere Deutsche Literaturgeschichte in Bonn berufen worden. Dies geschah unter Nicht-achtung verschiedener anderslautender Vorschläge der Fakultät und gegen deren ausdrücklichen Willen, den sie in einer unter den obwaltenden Umständen geradezu erstaunlichen Weise mehrfach bekundet hatte. Das Ministerium wollte in der von den Nationalsozialisten verschiedentlich als ein für sie schwieriges Terrain bezeichneten Bonner Universität auf ein Ordinariat der Philosophischen Fakultät mit weitreichender Ausstrahlungskraft einen politisch und weltanschaulich absolut zuverlässig wirkenden Vertrauensmann bringen. Ausschlaggebend bei Obenauers Berufung war der Einfluß der SS und vor allem des SD, dem er angehörte. Diese Machtorganisationen wollten damit eine Position an der Bonner Hochschule gewinnen.

Das dritte Kapitel aus der Geschichte der Beziehungen zwischen Thomas Mann und der Bonner Universität bietet der historischen Kritik und Darstellung weit geringere Probleme als die beiden ersten. Es umfaßt das Jahrzehnt vom Ende der nationalsozialistischen Herrschaft bis zum Tode des Dichters. Die entscheidenden Vorgänge sind seit fast 25 Jahren öffentlich bekannt. Aus bisher unbekannten Quellen hat sich ergeben, daß nach Abschluß der Kampfhandlungen im Mai 1945 keine andere Sorge die Universität Bonn so frühzeitig und so dringend beschäftigt hat wie die Bereinigung des durch Obenauers Vorgehen geschaffenen „Falles Thomas Mann". Nachdem sich der provisorische Verwaltungsrat der Hochschule Anfang Juni 1945 bei seiner ersten Sitzung mit der Sache befaßt hatte, konnte die in den letzten Julitagen rekonstituierte Philosophische Fakultät den entscheidenden — übrigens von dritter Seite nicht beeinflußten — Beschluß am 27. August 1945 fassen. Die weiteren Beziehungen zwischen Thomas Mann und der Fakultät verliefen korrekt und gewannen zunehmend an Wärme. 1955 nahm Thomas Mann eine Einladung der Universität zu einem Vortrag an, dessen Thema er bereits mitgeteilt hatte, als der Tod ihn traf.

Als 1965 unsere auf den Entzug der Ehren-doktorwürde bezüglichen Forschungsergebnisse erstmals im Zusammenhang öffentlich mitgeteilt worden sind, hat Richard Alewyn geurteilt, für die Universität Bonn liefe der „Fall Thomas Mann" auf einen Freispruch wegen erwiesener Unschuld hinaus. Nachdem sogar die früher durch die postume Kritik vermißte öffentliche Distanzierung von dem gegen Thomas Mann geführten Streich des Dekans durch wenigstens einen Bonner Professor nachzuweisen ist — mag die historische Ironie auch wollen, daß dies kein anderer als der Festredner bei der Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933 war —, wird man sich Alewyns Ansicht schwerlich verschließen mögen. In den Akten der nationalsozialistischen Studentenorganisation findet sich geraume Zeit nach der Machtübernahme durch die NSDAP die bündige Klage: „unsere Hochschulen in Bonn und Köln besitzen noch keineswegs eine nationalsozialistisch ausgerichtete Dozentenschaft, von ganz geringen Ausnahmen abgesehen. Die Schwierigkeiten, welcher [sic! ] einer Überwindung dieses Zustandes gegenüberstehen", werden beim Adressaten dieses Berichts als wohlbekannt vorausgesetzt; „sie sind bedingt durch den Mangel an nationalsozialistischen Lehrkräften, Wissenschaftlern usw." Andererseits hat die Forschung über das nationalsozialistische Kapitel deutscher Vergangenheit bisher nicht widerlegt, was anderweitige Erfahrungen nur bestätigt haben und Thomas Mann für die braune Herrschaft in den lapidaren Satz faßte, der sich schon in einem Brief aus dem Hochsommer 1933 findet: „Die Unzufriedenen, groß an Zahl ohne Zweifel, sind ohnmächtig" Doch würde eine hierauf gestützte Pauschalabsolution so vordergründig bleiben wie ein vorschnelles Verdikt über die Universität, das, von irrigen Voraussetzungen ausgehend, den Blick nur auf ein einziges und isoliertes Faktum, das Schreibens des Dekans an Thomas Mann vom 19. Dezember 1936, richten wollte. Geschichtliches Urteil muß zugleich umfassender begründet sein und differenzierter vorgenommen werden.

Zunächst ist am „Fall Thomas Mann" — und zwar im ganzen Umfang des Verlaufs seiner Behandlung durch die verschiedenen damit zwischen 1933 und 1937 befaßten Stellen — das Funktionieren eines aus vielen Elementen persönlicher, legislativer und organisatorischer Art bestehenden, durch verfassungsmäßige öffentliche Organe nicht mehr kontrollierten Staats-und Verwaltungsapparats zu beobachten, dessen Mechanik anscheinend gar nicht oder nur wenig von den ihm dienstbaren Individuen abhängig ist. Den einzelnen Elementen dieser Maschinerie kommen — wie in jedem modernen Staatswesen — jeweils nur begrenzte Funktionen zu; daher ist ihnen kaum je Gesamtverantwortung bewußt. Ihr Ineinandergreifen und Zusammenarbeiten, die über Ressortgrenzen hinweg wirkende Automatik der Apparatur, erzeugen die von den übergeordneten, jeder Kontrolle entzogenen Steuerungsmächten des Ganzen gewünschten Effekte, sofern nur der Apparat die dafür zweckmäßigste Konstruktion erhalten hat. Diese kann — wie im Falle des totalen Umsturzes im Bereich der Universitätsund Fakultätsverfassung unter einem so harmlosen Etikett wie „Vereinfachung der Hochschulverwaltung" — relativ unschwer erzielt werden. Die Mechanik ist, wie gerade unser Beispiel lehrt, offenbar selbst heute und sogar für kritisch veranlagte Köpfe im allgemeinen nicht leicht durchschaubar. Zu der politisch gewünschten Umfunktionierung waren 1933— 1935 nur wenige Manipulationen vorzunehmen; die äußeren Formen samt dem überkommenen, nun sinnentleerten Vokabular konnten beibehalten werden. Andererseits kann auch in einer solchen Apparatur — und dies ist als genau so wichtig zu beachten — immer noch Spielraum für die Rolle bleiben, die einzelnen Menschen und ihren jeweiligen Entscheidungen in dem täglich zur geschichtlichen Vergangenheit erstarrenden Leben zukommt. Diese Tatsache hat der nationalsozialistische Staat sogar besonders klar hervortreten lassen, da von der Spitze bis in die untersten Bereiche der Verwaltung gemäß dem »Führerprinzip“ demokratische und genossenschaftliche Mehrheitsbeschlüsse durch die Entscheidungskompetenz einzelner Amtsträger ersetzt waren. Hierin lagen auch gewisse Chancen, um die von der Obrigkeit verfolgten Absichten mildern oder sogar ins Gegenteil verkehren zu können. Ob und wie derartige Möglichkeiten wahrgenommen wurden, hing von vielen Umständen ab, jedenfalls letztlich in höchst nuancierter Weise von individuellen und momentanen Entschlüssen bestimmter Personen.

Für diesen Sachverhalt bietet die Geschichte der Ausbürgerung Thomas Manns und des Entzugs seiner Ehrendoktorwürde verschiedene Beispiele. So ist der vorgeschriebene und mehrfach eingeschärfte Entzug akademischer Grade infolge Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit bei den durch dasselbe Dekret wie Thomas Mann Betroffenen aufgrund einer in derartigen Verfahren vorgesehenen Rundverfügung des Reichskultusministeriums erst im Frühjahr 1937 ausgesprochen worden. Es geschah speziell im Bereich der Bonner Philosophischen Fakultät durch den Beschluß Obenauers über Siegfried Thalheimer vom 11. März 1937. Wenn Thomas Mann unabhängig hiervon schon Mitte Dezember 1936 sein Dr. phil. h. c. entzogen worden ist, so muß dieser Vorwegnahme der persönliche Entschluß eines einzelnen zugrunde liegen, wer immer dies gewesen sein mag. Denn nicht bloß möglich, sondern normal, nämlich im Einklang mit dem sonst stets beobachteten Geschäftsgang, würde es sein, daß auch die Maßnahme gegen den Dichter erst durch die erwähnte Rundverfügung vom März 1937 ausgelöst worden wäre. Im Licht mancher inzwischen zu Tage getretenen Vorgänge aus der inneren Geschichte des nationalsozialistischen Reiches wäre es sogar denkbar, daß ein mit dem Vorgehen der Machthaber nicht einverstandener und als Verwaltungsroutinier zu einem derart aus Kühnheit und List gepaarten Verhalten befähigter Amtsträger die Entscheidung geschickt verzögert, wenn nicht gar zu verhindern gesucht hätte. Aktivitäten solcher Art in den Berliner Ministerien sind bei dem Ausbürgerungsverfahren gegn Thomas Mann nachzuweisen. Der Dekan Obenauer war aus vielen, in seinem Wesen, Werdegang und damaligen politisch-weltanschaulichen Standort liegenden Gründen zu derlei Taten gewiß nicht der Mann. Andererseits können die nach 1945 von ihm und dem ehemaligen Rektor, Professor Schmidt, gelieferten Erklärungen in dem springenden Punkt nicht überzeugend dartun, daß die Initiative für die Ingangsetzung des akademischen Verfahrens gegen den Dichter im Dezember 1936 bei den Berliner Zentralstellen gelegen habe. Vielmehr spricht alles dafür, daß sie in Bonn zu suchen und daß Obenauer bei ihr die Hauptfigur gewesen ist, wenn vielleicht auch ein erster Anstoß dazu in einem Hinweis vermutet werden darf, den der Universitätskurator Bachem geliefert haben mag. Obenauers individuelle, in gewissem Umfang von dem damaligen Rektor geteilte moralische und politische Verantwor7 tung für den mit seiner Unterschrift vollzogenen Akt der akademischen „Exkommunikation" des großen deutschen Dichters liegt damit fest — so unbezweifelbar auch der Dekan dabei im Rahmen der zu jener Zeit geltenden Gesetze und Vorschriften als einfaches Exekutivorgan gehandelt hat und so gewiß dies nach Fühlungnahme mit dem zuständigen Ministerium geschehen ist, das die bestehende Vorschrift natürlich nur bestätigen konnte. Es war diese moralische und politische Verantwortung Obenauers für den Entzug von Thomas Manns Ehrendoktorwürde, welche die Bonner Philosophische Fakultät 1957 bewog, den formell durch das Entnazisierungsverfahren Entlasteten trotz seines durch Verwaltungsgerichtsurteil gesicherten und vom Kultusminister des Landes unterstützten Anspruchs nicht wieder als Glied ihrer Korporation zuzulassen.

Das Problem von Schuld und Verantwortung Ob angesichts der formaljuristischen und faktischen Sachlage, die eine Schuld der Fakultät an dem Geschehen mit Sicherheit ausschließt, nicht doch auch ihr ein Teil Verantwortung zuzumessen ist, muß losgelöst von dem einzelnen Ereignis beurteilt werden, das bislang dafür herhalten mußte, um diese Fakultät speziell wegen dieses Aktes zu verurteilen. Das legt sich schon dadurch nahe, daß das Vorkommnis gar nicht so einzigartig in der deutschen Hochschulgeschichte während der nationalsozialistischen Ära dasteht, wie oft angenommen worden ist. War schon der Entzug von Thomas Manns Ehrendoktorwürde wie ihre Verleihung in einen umfassenderen Zusammenhang zu stellen, um adäquat beurteilt werden zu können, so gilt genau das gleiche vom Verhalten der Bonner Philosophischen Fakultät nach der nationalsozialistischen Machtübernahme. Die Stunde ihrer Bewährung hatte nicht erst geschlagen, als es darum ging, Thomas Mann den ihm einst zuerkannten Ehrengrad zu nehmen. Will man überhaupt einen solchen Entscheidungsmoment zeitlich festlegen, so kommt dafür ein Tag in Frage, der mehr als drei Jahre vor dem Schreiben Obenauers an den Dichter liegt. Für den rückschauenden Blick, der — wie das spätere Urteil — häufig schärfer zu sein pflegt als die Einsicht der beteiligten Zeitgenossen im Moment derartig folgenschwerer Entscheidungen, ist dieser „dies ater" der Fakultät schon der 8. November 1933 Damals, bei der ersten Sitzung im Wintersemester, nahm sie ohne erkennbare Regung, ohne Widerspruch, ja selbst ohne Bedenken zu äußern, den Erlaß des Kultusministers „zur Vereinfachung der Hochschulverwaltung" vom 28. Oktober zur Kenntnis, der ihre sonst eifersüchtig gehüteten, unverzichtbar mit dem Wesen einer wissenschaftlichen Korporation zusammenhängenden Fundamentalrechte beseitigte. Die Fakultät bemühte sich sogar, die neuen Vorschriften in einer aus willfährigem Gehorsam und holpriger Ratlosigkeit gemischten Bereitschaft noch am selben Tage anzuwenden. Sie scheiterte bei diesem Versuch, das ihr Unangemessene zu tun, ohne darum auch zur Einsicht in die Lage zu gelangen. Indem die Fakultät sich so dem „Führerprinzip" unterwarf, hatte sie sich ihre verbrieften Rechte nehmen lassen; sie konnte damit aber nicht der moralischen und politischen Verantwortung für alles entschlüpfen, was künftig aufgrund dieser Tatsache in ihrem Namen geschehen sollte. Darin liegt ihr Teil Verantwortung für den Entzug von Thomas Manns Dr. phil. h. c. im Dezember 1936.

Wir sind uns bewußt, mit diesem Urteil zahlreiche Fragen unbeantwortet zu lassen oder sogar neu aufzuwerfen. Sie sind hier nicht weiter zu erörtern. Ihre Lösung ist dringlich und sollte von der zeitgeschichtlichen Forschung über die deutschen Universitäten in Angriff genommen werden. Dazu gehört z. B. das schwierige Problem, ob in der Lage, der sich die Hochschulen zu Beginn des Wintersemesters 1933/34 gegenübersahen, eher Widerstand oder taktische Anpassung geboten erscheinen mochte, und ob die von den Erfahrungen der Zukunft noch nicht gewitzten Betroffenen damals überhaupt derjenigen Entscheidung fähig sein konnten, die heute als angemessen betrachtet wird. Solche Fragen tauchen bekanntlich nicht nur in diesem Zusammenhang auf, sondern bei zahlreichen Ereigniskomplexen aus der Geschichte des nationalsozialistischen Deutschland oder anderer Herrschaftssysteme, natürlich besonders solchen totalitärer Art. Sie führen schließlich auf Grundprobleme des menschlichen Verhaltens und auf Zentralfragen der Geschichtswissenschaft als einer Disziplin, die im Spannungsfeld zwischen Erkennen und Verstehen auf der einen Seite, Werten und Richten auf der anderen Seite liegt. In der Novelle „Mario und der Zauberer", die Thomas Mann gerade vollendet hatte, als er im November 1929 die Feststunde in der Bonner Universität erlebte, finden sich die folgenden Sätze: w... Wahrscheinlich kann man von Nichtwollen seelisch nicht leben; eine Sache nicht tun wollen, das ist auf die Dauer kein Lebensinhalt; etwas nicht wollen und überhaupt nicht mehr wollen, also das Geforderte dennoch tun, das liegt vielleicht zu benachbart, als daß nicht die Freiheitsidee dazwischen ins Gedränge geraten m* üßte Georg Lukäcs hat darin eine unübertreffliche Beschreibung der „Wehrlosigkeit jener Menschen aus dem deutschen Bürgertum“ gefunden, „die Hitler nicht wollten, ihm jedoch über ein Jahrzehnt widerspruchslos gehorchten" Die Erkenntnis Thomas Manns kann vielleicht auch für manches tief Befremdliche in Universitäten und Behörden Deutschlands während des Dritten Reiches in Anspruch genommen werden, — um es zu erklären, nicht aber, um daraus eine Entschuldigung zu zimmern. Das Schlußurteil über das Verhalten der deutschen wissenschaftlichen Hochschulen gegenüber dem Nationalsozialismus wird zahlreiche weitere Umstände zu berücksichtigen haben. Nicht zuletzt muß das Gesamturteil davon beeinflußt werden, welcher Anteil an Schuld und Verantwortung den Hochschulen hinsichtlich der Entwicklung zuzumessen ist, die in der Machtübernahme durch den Nationalsozialismus einen Abschluß fand. Thomas Mann hat in seinem Antwortschreiben nach Bonn auf die Mitschuld an dem, was in Deutschland eingetreten war und sich damals weiter schmachvoll ereignete, hingewiesen. Die Bedeutung von Hochschulen, Fakultäten und einzelnen Professoren für die unheilvolle Wendung, die die deutsche Geschichte während der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts genommen hat, läßt sich in der Tat nicht auf das Verhalten reduzieren, das sie 1933 und in den Jahren danach gezeigt haben. Es ist in diesem Zusammenhang nicht immer leicht, zwischen Institutionen und Personen zu scheiden, da die korporative Verfassung der Universitäten ebenso wie das soziale und geistige Ansehen bestimmter einflußreicher Professoren die Grenze stark verwischt erscheinen lassen. Berthold Litzmann war einer der Geheimräte, die mindestens in der Zeit, die uns wegen Thomas Manns Ehrenpromotion näher zu beschäftigen hatte, eine derart beherrschende Rolle in der Bonner Philosophischen Fakultät spielten. Er ist in den erwähnten neueren Darstellungen nirgends berücksichtigt worden, obwohl er als akademischer Lehrer jahrzehntelang bewußt und eindringlich national-politische Erziehung betrieben hat, und zwar im Sinne des imperialistischen deutschen Machtstaatsgedankens. Daß Litzmann nicht in den Gesichtskreis dieser Untersuchungen einbezogen wurde, ist um so verwunderlicher, als er ein besonders deutliches Bindeglied zwischen dem politischen Professorentum der Reichsgründungszeit, dessen eiferndes Wirken er fortsetzen zu müssen meinte, und der nationalsozialistischen Enkelgeneration bildete. Von ihr hat Joseph Goebbels übrigens 1917 als Bonner Student zu den Hörern einer Heine-Vorlesung Litzmanns gezählt. Sie dürfte ihn schwerlich in Richtung seines späteren Judenhasses beeinflußt haben, denn Litzmann war ein Verehrer Heines und wurde lange vor 1914 von antisemitischen Hetzern wegen seines Eintretens für ein Denkmal des Dichters in dessen Geburtsstadt wüst attackiert. Wenn aber der Reichspropagandaminister im Mai 1933 für sein eben gegründetes Ressort beanspruchte, „in Deutschland eine geistige Mobilmachung zu vollziehen" und „auf dem Gebiete des Geistes dasselbe“ zu bedeuten, was das Wehrministerium auf dem Gebiete der Waffen sei so hatte Litzmann, wie wir uns erinnern, schon 1906 beim Arbeitsbeginn der „Literarhistorischen Gesellschaft" nach Wort und Sinn beängstigend gleichlautende Forderungen erhoben. Die Invektiven schließlich, die Litzmann 1913 gegen den Literatur-Nobelpreis, den mit ihm ausgezeichneten Gerhart Hauptmann als Autor des „Festspiels in deutschen Reimen" und als Anhänger der Friedensbewegung, schließlich auch gegen literarische Ästheten richtete, die sich in Selbstbespiegelung erschöpften, anstatt Errungenschaften zu verherrlichen, welche ein Volk groß und stark machen, finden sich teilweise zwölf Jahre später genauso und wegen der gleichen Sache im „Völkischen Beobachter" an die Adresse des nämlichen Gerhart Hauptmann gerichtet wieder. Sie schlagen dieselben Töne an, die nationalsozialistische Zeitungen und die bürgerlich-nationalistische Publizistik in den zwanziger und dreißiger Jahren ständig gegenüber Thomas Mann und anderen ihnen verhaßten Autoren erklingen ließen. Es muß genügen, diese wenigen Einzelzüge, die unsere Untersuchung aufgedeckt hat, als gewiß doch symptomatische Anzeichen für Zusammenhänge ins Licht zu rücken, die ebenso wie personen-und institutionsgeschichtliche Tatsachen aus dem Bereich der „braunen Universität“ sehr genau historisch erforscht und nicht bloß al fresco geschildert oder als „chronique scandaleuse“ ausgebeutet zu werden verdienen.

Wider Erwarten boten insgesamt nicht die Fakultätsakten für unser Vorhaben den größten Gewinn an neuer Faktenkenntnis, überhaupt erwies sich ja der Entzug von Thomas Manns Bonner Ehrendoktorwürde nicht als Ereignis autonomen Ranges, sondern als Nachgeburt der Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit des Dichters. Indem auch in diesem Falle der Lebenszusammenhang eines Einzelgeschehens berücksichtigt wurde, konnten für dessen Interpretation Tatsachen ermittelt werden, die nicht einfach den Akten zu entnehmen sind, welche allein Thomas Mann betreffen. Um hier ebenfalls das allgemeinste Resultat zunächst vorwegzunehmen: kein Ausbürgerungsverfahren in der gesamten Geschichte des Dritten Reichs hat die Behörden so ausführlich beschäftigt und so viele Wechselfälle erlebt, wie das von Thomas Mann. Auch darin spiegelte sich dialektisch-ironisch der unvergleichliche Rang, den der Dichter als Repräsentant deutschen Geisteslebens in der Welt einnahm. Hitler selbst mußte schließlich die Entscheidung treffen. Verschiedene Vermutungen über den Anlaß des Verfahrens und die hinter ihm steckenden treibenden Kräfte erwiesen sich als irrig. Thomas Mann hatte selbst richtig geurteilt, daß sein mit denkbar schärfster Kritik an den heimischen Machthabern verbundenes Bekenntnis zu den deutschen Emigranten in dem Offenen Brief an Eduard Korrodi vom 2. Februar 1936 die Ausbürgerung des Verfassers unweigerlich nach sich ziehen mußte. Sie drohte ihm freilich schon seit Jahren. Nicht Goebbels war ihr Urheber, wie gern vermutet wurde. Sein Ministerium hat ihr vielmehr lange widerraten und sich deswegen zusammen mit dem Reichsministerium des Innern und dem bis zuletzt bremsenden Auswärtigen Amt sogar das von Heydrich deutlich zum Ausdruck gebrachte Mißfallen der Geheimen Staatspolizei zugezogen. Diese selbst war es, die das Verfahren gegen den Dichter mit unbeirrter Zielstrebigkeit betrieb. Die durch das Gespann Himmler/Heydrich beherrschte Bayerische Politische Polizei hatte den Stein ins Rollen gebracht, gleich nachdem das Reichsgesetz vom 14. Juli 1933 über die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit und den Widerruf von Einbürgerungen hierzu die Möglichkeit geliefert hatte. Der Inhalt der Akten und die sonst gewonnenen Erkenntnisse illustrieren den Anteil, den die SS an dem Vorgehen gegen Thomas Mann gehabt hat, näher, einsetzend mit der überraschenden Tatsache, daß die „Münchner Neuesten Nachrichten" soeben Himmler hörig geworden waren, als sie Mitte April 1933 den „Protest der Richard-Wagner-Stadt München“ veröffentlichten, der Thomas Mann für die Einlieferung in das Konzentrationslager Dachau qualifizierte und so dem entsprechenden „Schutzhaft" befehl präludierte. Die Bayerische Politische Polizei, die Thomas Mann nicht aus den Augen ließ, war und blieb seit der gleichen Zeit unter staatlicher Firma faktisch ein SS-Instrument. Als Himmler und Heydrich unter Mitnahme einer großen Zahl ihrer Münchner Helfer ihr Tätigkeitsfeld nach Berlin verlegen konnten, wurde auch die ihnen jetzt unterstellte Preußische Geheime Staatspolizei zu einer SS-Domäne, in deren Aufgabenbereich fortan die Verfolgung Thomas Manns lag. Die beiden Bonner Professoren, die im Zusammenhang mit dem Entzug der Ehrendoktorwürde des Dichters aktiv geworden sind — v. Antropoff, der ihn 1935 vergeblich anregte, und Obenauer, der ihn anderthalb Jahre später vollzog — gehörten ebenfalls dem schwarzen Orden an und fühlten sich ihm besonders verpflichtet. Wir haben keinen Beweis dafür finden können und dürfen es auch für unwahrscheinlich halten, daß sie etwa auf Weisung ihrer SS-und SD-Vorgesetzten gehandelt haben. Aber es ist natürlich auch kein Zufall, daß gerade sie wie viele andere, im Verlauf der zu schildernden Begebenheiten auftretende Personen — die Heydrich, Beck, Schreie-der, Mattiat, Krieck, Spengler, Rößner und schließlich auch der im Spätjahr 1936 von Himmler persönlich in die SS aufgenommene Legationsrat Schumburg, der jahrelang im Auswärtigen Amt die Angelegenheit Thomas Mann bearbeitet hatte, ferner zwei der drei Professoren, die als Gutachter bei der Berufung Obenauers nach Bonn durch das Ministerium herangezogen worden waren — die Uniform mit dem Totenkopfabzeichen und den SS-Runen trugen oder das Vertrauen des SD genossen. Die zu ihrer Zeit von der Öffentlichkeit wenig bemerkte Gewichtsver-Schiebung zugunsten der SS im Herrschaftsgefüge des Dritten Reiches, Himmlers still, aber erstaunlich zügig vorgenommene interne Machtübernahme, verrät sich in diesen Einzelheiten. In die gleiche Richtung weisen Erkenntnisse, die der Fall Thomas Mann über die Entwicklung des Verfahrens zur Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit vermittelt. Bemühten sich die Beamten des Reichsinnenministeriums und anderer Ressorts anfangs nicht ohne gewissen Erfolg darum, gegen nationalsozialistische Wünsche den Kreis der von Ausbürgerung unmittelbar Betroffenen sowie die Erstreckung auf Dritte in Grenzen zu halten, und konnte es zunächst im mündlichen oder schriftlichen Meinungsaustausch der beteiligten Ministerien gelingen, Rücksichtnahme auf Bedenken zu erreichen, so fungiert schließlich nicht mehr die Polizeibehörde als Exekutivorgan des Innenministeriums, sondern dieses als ausführende Instanz für die von Himmler, Heydrich und ihren Gehilfen in der Gestapo verfolgten Absichten. Schon im Spätjahr 1933, als die Angelegenheit nur erst Münchner Amtsstellen beschäftigte, deutet die Behandlung der Eingabe von Thomas Manns Rechtsanwalt durch den Bayerischen Kultusminister an, wohin das Schiff steuerte.

Schemm verschleppte die Sache, bis die Politische Polizei ihr Ersuchen um Ausbürgerung des Dichters im Geschäftsgang der Regierung auf gutem Wege wissen durfte. Die totale Wirkungslosigkeit, die Fricks günstigem Erlaß vom 28. Mai 1935 in Sachen Thomas Mann trotz seines klaren Inhalts bei der Bayerischen Politischen Polizei beschieden war, verrät, bis zu welchem Grade die Selbst-herrlichkeit des SS-beherrschten Polizeiapparats damals gediehen war — mochten hier auch örtliche Besonderheiten mit im Spiel sein, die selbst damals gegenüber einer Berliner Zentralstelle hinhaltenden Widerstand nahelegen konnten. Im Gegensatz zu der bis Mitte 1935 im Reichsinnenministerium noch deutlich spürbaren mäßigenden Tendenz dokumentieren dann ein Jahr später die auf schnellste Erfüllung von Heydrichs Verlangen nach Ausbürgerung Thomas Manns drängenden, durch dieselben Beamten wie früher bearbeiteten Schreiben des gleichen Hauses den inzwischen vollzogenen Wandel deutlich genug. Er wird im September 1936 kraß sichtbar, wenn auf einem Kopfbogen des Reichsinnenministeriums ungeniert ein Geschäftszeichen der Geheimen Staatspolizei erscheint, unter dem Heydrich die — schon einmal in München 1933 vorbereiteten — vermögensrechtlichen Konsequenzen von Thomas Manns nur erst beantragter, noch gar nicht beschlossener Ausbürgerung so gut wie vorwegnahm. Einige Zeit später hatte die von der Geheimen Staatspolizei durch die zuständigen Reichsressorts den Hochschulen übermittelte Nachricht, der Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei habe ein Ausbürgerungsverfahren eingeleitet, schon zur Folge, daß den Betroffenen durch „Fakultäts" beschlüsse reihenweise ihre akademischen Grade entzogen wurden. Mit alledem soll nicht bestritten werden, daß „die SS ... alles andere als eine einheitliche und straff geführte, . monolithische'Organisation, sondern ein durch zahlreiche Parteiungen gespaltenes . .. Gebilde darstellte" und daß es eine ungeschichtliche Vereinfachung sein würde, von einem SS-Staat zu sprechen. Auch mag die Ansicht richtig sein, daß Himmler um 1935 planvolles Handeln nicht nachzuweisen sei. Gleichwohl fügten sich — das lehrt das Gesamtergebnis unserer Beobachtungen — die einzelnen Handlungen, die auf ihn und die Leute seiner SS zurückgingen, zu einem Symptomenkomplex, der die wachsende Herrschaft von SS und SD sicherstellte und zu beträchtlicher Wirkung brachte.

Es fällt heute nicht schwer, einen Hauptgrund für das an Balzacs „Peau de Chagrin" erinnernde Dahinschwinden der von den Beamten des Reichsinnenministeriums verwalteten Macht im Bereich des Staatsangehörigkeitsrechts zu erkennen. Wenn sie in den ersten zwei, drei Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft noch versuchten, die seit dem einschlägigen Gesetz vom 14. Juli 1933 der Exekutive gebotenen Möglichkeit nicht ausufern zu lassen, so kurierten sie an Symptomen eines Übels, dessen absolut verderblicher Kern dadurch keineswegs berührt wurde. Er besteht darin, daß das Gesetz und die dazu erlassenen Richtlinien den Entzug der Staatsangehörigkeit einem Verwaltungsverfahren zuwiesen, das sich im geheimen abspielte und Kabinettsjustiz von reinstem Wasser darstellt. Thomas Manns Rechtsanwalt hatte nur durch besondere Umstände in München davon erfahren und damit ausnahmsweise die Möglichkeiten erhalten, einzugreifen, um den Versuch zu machen, das Verfahren zugunsten des Inkulpanten zu beeinflussen. Einen Rechtsanspruch darauf besaß er nicht. Die Ausbürgerung wurde als schwere entehrende Strafe verhängt — so lautete die amtliche Interpretation. Aber die Betroffenen wurden bei dem Verfahren nicht gehört. Sie hatten weder Gelegenheit, sich zu verteidigen, noch die Möglichkeit, nach ergangenem Urteil eine Revisionsinstanz anzurufen. Indem die meist im anspruchsvollen Dienst der inneren Verwaltung bewährten, z. T. auch nachweislich nicht zu Hitlers Anhängern zählenden Beamten des Reichsinnenministeriums diese jeder Rechtsstaatlichkeit hohnsprechende Prozedur behutsam zu handhaben, jedoch nicht prinzipiell zu bestreiten willens waren, erfolgte ein Deichbruch, der dem späteren Polizei-und Terrorregime Himmler/Heydrich freie Bahn bereitete. Er war möglich, weil offenbar entgegen dem Sprichwort „C’est le premier pas qui cote" der erste Schritt im Sommer 1933 aus mancherlei Gründen unverfänglich erschien. Künftige Forschung wird zu klären haben, ob nicht sogar die Referenten und Abteilungsleiter, die sich zunächst bemühten, nur in Ausnahmefällen das Gesetz anzuwenden, aufgrund dessen erst einige, später aber Hunderte, ja viele, viele Tausende von Deutschen der Staatsangehörigkeit beraubt worden sind, die betreffenden Bestimmungen selbst im Frühjahr und Sommer 1933 auf höhere Weisung formuliert haben. Die Frage nach der Möglichkeit und Zweckmäßigkeit prinzipiellen Widerstandes, die sich bereits im Zusammenhang mit dem Verhalten der Universitäten und Fakultäten stellte, erhebt sich hier aufs Neue. Aus dem Bericht eines unmittelbar Beteiligten entnehmen wir, wie die sogenannten Nürnberger Gesetze, für die die gleiche Abteilung des Reichsinnenministeriums federführend war, die auch die Ausbürgerungsangelegenheiten bearbeitete, durch düsteres Zusammenwirken von Rassefanatismus der NSDAP und gesetzestechnischem Sachverstand der Beamten unter heftiger Pression auf dem Reichsparteitag 1935 zustande gekommen sind, danach aber stellenweise im Vollzug zu mildern versucht wurden Man weiß, wohin die sogenannte Rassepolitik des Regimes schließlich geführt hat. Der Verlauf der Anwendung des zu einer verwandten Rechtsmaterie erlassenen Gesetzes über den Entzug der Staatsangehörigkeit auf Thomas Mann zeigt, bis zu welchem Grade der inneren Verwir-rung, ja hilflosen Korrumpierung des Rechtsbewußtseins und schließlich doch Erfolglosigkeit allen Bemühens um milde Praxis die Bereitwilligkeit zur Kooperation auch hier gedeihen konnte. Sie begründete faktisch eine verhängnisvolle Komplizenschaft.

So hat unsere Arbeit einige Beobachtungen zu den zeitgeschichtlichen Fragenkreisen „Partei und Staat im Dritten Reich", „Beamtentum im nationalsozialistischen Staat" und „Aufstieg des SS-Staates“ beisteuern können, die die Forschung in den letzten Jahren lebhaft beschäftigt haben. Der Ausbau der SS-Macht zu einem im Wirtskörper des bestehenden Staates sich entwickelnden und diesen immer mehr beherrschenden Organismus ist an zahlreichen Stellen zu beobachten; gerade die relative Enge unseres Untersuchungsfeldes verleiht den hierzu ermittelten Tatsachen besondere Beweiskraft. Wir stoßen auf die entsprechenden Fakten nicht allein bei der inneren Verwaltung — zunächst in Bayern, dann bei den Berliner Reichsbehörden — sondern ebenso schon bemerkenswert früh bei dem führenden Blatt Münchens, später im Reichskultusministerium und bei personalpolitischen Entscheidungen im Hochschulbereich bis hinunter zur Besetzung einer Assistentenstelle des Bonner Germanistischen Seminars mit einem hauptamtlichen SD-Mitarbeiter. SS-und SD-Einfluß läßt sich sogar bei der sorgfältig gesteuerten publizistischen Behandlung aufdecken, die Thomas Manns Antwort an den Bonner Dekan in Deutschland erfuhr. Beim Auswärtigen Amt traten, soweit unsere Beobachtungen reichen, d. h. in den mit Thomas Manns Ausbürgerung befaßten Referaten und in höheren Rängen des Hauses bis zur Jahreswende 1936/37, Expansion und Einfluß der SS noch nicht in Erscheinung — von Schumburg abgesehen, der später als eine „rara avis“ von SS-Treue unter den Diplomaten gerühmt wurde, die Linie des Hauses im Falle Thomas Mann jedoch, soweit die Akten dies erkennen lassen, loyal eingehalten hat. Freilich war er gerade in den Oktobertagen 1936, die die Entscheidung innerhalb des Amts auf dramatische Weise heranreifen sahen, an den Geschäften nicht beteiligt; gleich danach zeigte er sich als frisch eingekleideter SS-Offizier in der Rolle des wachsamen Judengegners. Die Wilhelmstraße erscheint in dem uns entgegentretenden Bild vorwiegend in der Rolle einer Schutzmacht für Thomas Mann, wenn auch nicht unbedingt durch alle auftretenden Angehörigen des Auswärtigen Dienstes verB körpert. Die Quellenlage ist hier günstiger als bei fast allen anderen Behörden und Institutionen, deren Akten benutzt werden konnten, so daß wir — im Unterschied besonders zu den übrigen Reichsministerien — beim Auswärtigen Amt auch den Niederschlag amtsintemen Denkens und den Werdegang der Entscheidungen kennen. Doch bleibt selbst hier fraglich, ob erfahrungsgesättigter und pflicht-mäßig geübter außenpolitischer Pragmatismus oder tiefergehende „kulturmoralische" Bedenken bei den verschiedenen Beamten jeweils maßgebend gewesen sind, die immer wieder hemmend den Gang des Verfahrens gegen Thomas Mann beeinflußt haben. Man ist versucht, für Leser, die die Wirklichkeit des Lebens in einem totalitären Staats-und Gesellschaftssystem nicht aus persönlicher Erfahrung kennen, hinzuzufügen, daß Auskunft hierüber in amtlichen Akten natürlich auch gar nicht zu erwarten ist. Ebenfalls läßt sich der persönliche Anteil einzelner Angehöriger des Auswärtigen Amtes am Gang der Ereignisse trotz der vorzüglichen Überlieferung nicht immer mit aller wünschenswerten Deutlichkeit feststellen. So bleibt vor allem offen, ob das Verhalten des Vortragenden Legationsrates v. Kotze, der den Reichsaußenminister v. Neurath in den letzten Oktobertagen 1936 bewog, seine gerade getroffene Entscheidung aufzuheben, um zu fordern, Hitler selbst solle über den Antrag auf Ausbürgerung Thomas Manns befinden, dem eigenen Entschluß v. Kotzes entsprach oder ob es von dritter Seite inspiriert worden ist. Die zweite Möglichkeit ist deshalb in Betracht zu ziehen, weil v. Kotze als Persönlicher Referent des Ministers zu einer derartigen Intervention in erster Linie als Vermittler geeignet und die auf seinen Vortrag hin getroffene Entscheidung schon vorher in dem zuständigen Referat des Auswärtigen Amtes vorgeschlagen worden war. Es muß uns genügen, festzustellen, daß v. Kotze jedenfalls einen ungewöhnlichen Schritt unternommen und ein nicht alltägliches Ergebnis erzielt hat, als der Minister seine erste Entscheidung umstieß, und daß dieser beherzte Vorstoß eines Beamten nur um Haaresbreite das angesteuerte Ziel verfehlte. Die durch v. Neuraths zweite Entscheidung gewonnene Zeitspanne wäre ausreichend gewesen, um der Welt das Schauspiel und Deutschland die Schande zu ersparen, daß Thomas Manns Zugehörigkeit zum Deutschtum durch regierungsamtliches Dekret verneint wurde. Denn die Annahme der tschechoslowakischen Staatsangehörigkeit durch den Dichter, deren Projektierung das Auswärtige Amt gerüchteweise erfahren hatte und die es offenbar zu seiner verzweifelten Hinhaltetaktik bewog, wurde ja in eben jenen Novembertagen perfekt, während derer die Sache Thomas Mann darauf wartete, Hitler zur Entscheidung vorgelegt zu werden. Es gehört zu den schon mehrfach erwähnten Zügen historischer Ironie — diesmal von ausgesprochen tragischem Charakter — daß die Scheu des Dichters, seinen Staatsangehörigkeitswechsel sofort bekanntzugeben, Hoffnungen zunichte machte, die sich im Auswärtigen Amt an jene unverbürgten Nachrichten knüpften. „Wenn einer so beschaffen ist, geht Haut und Fleisch mit bei der Loslösung von dem unbewohnbar gewordenen Lande", so lautete schon 1933 das Urteil Bruno Franks über den nach Deutschland nicht zurückgekehrten Thomas Mann Nach allem, was sich über seine innersten Beweggründe ermitteln läßt, war die Ursache für das Zögern, die Tatsache der Einbürgerung in der Tschechoslowakei zu publizieren, nichts anderes als die seelische Erschütterung, welche ihn die Annahme einer fremden Nationalität kostete. Mit einer Feststellung solcher Art betreten wir den Bereich, der für den Historiker großenteils jenseits der Grenze des Erforschlichen liegt — in der Sphäre der menschlichen Person. Bei allem Fortschritt, den Psychologie und philosophische Anthropologie auf der einen, Sozialgeschichte und Soziologie auf der anderen Seite erzielt haben mögen, bleibt diese Sphäre voller Geheimnis und Überraschung. Da der Fortgang des gesellschaftlichen Lebens, kristallisiert in der Geschichte, eben darauf beruht, daß und wie Menschen die Herausforderung der Zustände und der ihrerseits handelnden Zeitgenossen handelnd oder duldend beantworten, muß aber jener persönliche Innen-bereich tunlichst weit erschlossen werden, wenn es um ein zuverlässiges Bild der Vergangenheit geht. Darum hatten wir die in wesentlichen Rollen auftretenden und einige als Begleitfiguren wichtige Personen so genau wie nur irgend möglich ins Visier zu nehmen.

Hierdurch kamen denn auch wirklich Tatsachen zutage, die vieles klarer erkennen lassen; Umstände, die ein besseres Verständnis der Ereignisse und ihres Zusammenhangs ermöglichen, wurden aufgehellt. Anderes blieb nur in Umrissen erkennbar, manches dunkel und unerklärlich. „Individuum est ineffabile".

Das „Phänomen menschlicher Ambivalenz"

Abbildung 1

Die minutiöse Analyse der Begebenheiten und der an ihnen beteiligten Personen laßt vor allem eines erkennen: die Vielschichtigkeit nicht bloß der Gesamtheit handelnder Individuen, sondern jedes einzelnen von ihnen, eine kaum vorstellbare, zuweilen proteushafte und im Geschichtsbild einer ganzen Epoche natürlich gar nicht immer so differenziert darstellungsfähige Mannigfaltigkeit menschlichen Wesens. Eine der wichtigsten Figuren aus dem ersten Abschnitt der Beziehungen zwischen Thomas Mann und der Universität Bonn, Ernst Bertram, hat auf sich das Dichter-wort angewandt, er sei kein ausgeklügelt Buch, sondern ein Mensch mit seinem Widerspruch. Das äußerte sich schon früh darin, daß es ihm möglich war, mit den Antipoden Stefan George und Thomas Mann gleichzeitig nah verbunden zu sein. Hatte er in seinen Münchner Jahren dem einen von ihnen aus dem damals entstehenden Nietzsche-Buch ein Kapitel zur Kenntnis gebracht, so las er es am nächsten Abend vor den kritischen Ohren des anderen. Später vermochte Bertram dann seine ungebrochen freundschaftlichen Gefühle für den geschmähten und verfolgten „Zauberberg" -Dichter mit hoffender Zuversicht auf die inbrünstig geglaubte Heilswirkung des Nationalsozialismus und seines „Führers" zu verbinden. Er versuchte — so hat man gesagt — „aus seinem völkischen Wahn und der Verehrung für den Dichter eine Art von Kentaur zu bilden" Multivalenz und Vielschichtigkeit von Bertrams Wesen finden nach 1945 geradezu dramatischen Ausdruck in der bis heute noch nicht zur Ruhe gekommenen Debatte über seine intellektuelle Mitschuld am deutschen Verhängnis.

Wie viele Persönlichkeiten, deren Tun oder Lassen samt ihrer Stärke oder Schwäche, ihren Gedanken und Handlungen an uns vorübergezogen sind, hätten das gleiche wie Bertram'nicht auch von sich sagen können! Sie erscheinen alle nicht als starre Schnitzfiguren eines Puppenspiels; auch verhalten sie sich nicht wie die ein für alle Mal festgelegten Charaktertypen, die in alten Komödien auftreten. Manche von ihnen zeigen nicht bloß wechselnde Aspekte in zeitlich aufeinander-folgenden Phasen, sondern sprechen in ein und derselben Lebenslage verschiedene Sprachen. Die nationalsozialistische Gewaltherr, schäft hat das Phänomen menschlicher Am. bivalenz deutlicher als andere, liberale Zeitspannen hervortreten lassen. Es geschah auf zwei Arten: viele meinten damals, Unvereinbares mindestens in ihrer eigenen Person verschmelzen zu können — aus Ehrgeiz, Torheit, Irrtum, Feigheit, Opportunismus; andere fanden sich genötigt, eine doppelbödige Existenz zu führen — sei es einfach, um sich zu schützen, sei es, um, so verlarvt, dem Regime entgegenzuwirken. Man kennt heute die erstaunlichsten Beispiele für jede dieser Möglichkeiten. Ihre Erkenntnis im einzelnen Fall pflegt mit einem Verblüffungseffekt verbunden zu sein, wenn die Extreme der verschiedenen Haltungen weit auseinanderklaffen. Ist es nicht schon verwunderlich, daß der in vergleichsweise milderer Zeit lebende Berthold Litzmann Überzeugungen, die zum festen Bestand der nationalsozialistischen „Weltanschauung" wurden, predigen konnte, sich aber der einsetzenden Hitlerbewegung gegenüber ablehnend verhalten hat, die doch so viele seiner Art in ihren Bann zu schlagen wußte? Das vielleicht eindrucksvollste Beispiel facettenreicher Inkonsequenz stellt in dem von uns erforschten Bereich neben Bertram sein Fachgenosse Hans Naumann dar. Er hat sie wie jener doppelt büßen müssen: zunächst während des Dritten Reiches, dann nach dessen Sturz. Merkwürdige Zwiegesichtigkeit weist das Verhalten des Reichspropagandaministeriums gegenüber Thomas Mann auf. Anscheinend bietet dafür nicht bloß der kalte politische Kalkül seines Herrn und Meisters eine Erklärung, sondern auch die keineswegs eindeutige Persönlichkeit des für Literaturangelegenheiten zuständigen Abteilungsleiters Wismann. Ebenso gab die Person Obenauers denen, die ihn näher kannten und während seiner Bonner Professoren-und Dekansjahre Tür an Tür mit ihm wohnten, psychologische Rätsel auf. Bei totaler Anonymität im „Briefwechsel" wurde der Dekan zwar weltbekannt, doch blieb seine Gestalt dabei ohne jeden individuellen Zug. So konnte er als Objekt freier Vermutungen mit den Merkmalen eines als typisch angesehenen SS-Mannes ausgestattet und gelegentlich geradenwegs zur Symbolfigur werden. Gewiß war Obenauer weit entfernt davon, ein Widerstandskämpfer zu sein. Vielmehr wirkte er als williger Vollstrecker dessen, was die nationalsozialistische Weltanschauung und Staats-führung ihm zu fordern schienen, und er hat in einer für den Ordensgedanken der SS höchst bezeichnenden Weise bekannt, froh und stolz im Dienst ihres Reichsführers Pflichten zu erfüllen — nicht etwa des Führers Adolf Hitler oder Deutschlands. Aber seine kritisch veranlagten, dem Nationalsozialismus mit Sicherheit völlig fernstehenden Hausgenossen und Nachbarn wußten ihn mit ihrem Bild von der SS nicht zur Deckung zu bringen. Man mag einwenden, daß diese Vorstellung dann nicht gestimmt habe. Doch sie war ja aufgrund unzähliger Erfahrungen und Informationen entstanden, die — wie sich inzwischen erwiesen hat — auch zutrafen. Ein idealtypisches Bild verträgt aber offensichtlich im Einzelfall Korrekturen und Ergänzungen. Der Blick auf das eigentliche Problem, die Lösung der Hauptfrage, würde tatsächlich versperrt bleiben, wenn man dies nicht anerkennen wollte — hier wie auch in anderen Fällen — und wenn man nicht einsehen würde, daß in der individuellen Vielfalt, in der atypischen Mannigfaltigkeit der Menschen und jedes einzelnen von ihnen die schwierigste, die entscheidende Klärungsaufgabe einer historischen Forschung liegt, die menschliches Handeln und nicht nur Zustände zum Gegenstand hat. Die Gefahr der „terrible simplification“ lauert nirgends gefährlicher als da, wo die legitime Frage zu beantworten ist, wer Verantwortung und Schuld für Begebenheiten trägt, die wir mit vollem Recht als bedrückende Last empfinden. Aber die erwähnte Forderung gilt nicht nur im Hinblick auf die Klärung historischer Schuld; sie muß für alle Zeiten und Zonen des geschichtlichen Verlaufs, für jede historisch auf irgend eine Weise wirksam gewordene Person erfüllt werden. Sie gilt auch für Thomas Mann. Wie Andre Gide hätte er gleichfalls von sich sagen können: „Ma valeur est dans ma complication", und so ist sein Bild tatsächlich von „Ironien, die da zwischen Wesen und Wirkung spielen' umfunkelt. Wie vielschichtig war seine Natur, wie stark wechselte der Ausdruck, den er ihr gab, wie schwer ist seine Entelechie zu begreifen! Wir maßen uns nicht an, dazu vollkommen fähig zu sein. Aber wir dürfen uns deswegen nicht davon dispensieren, in dem spezifischen Zusammenhang, den wir zu klären unternommen haben, auch die Figur Thomas Manns näher ins Auge zu fassen, um den Dichter als passiven, aber durchaus nicht inaktiven Helden der langen „sad story" zu verstehen.

Stefan Zweig rühmte Thomas Mann in einem besonders kritischen Moment des Spätjahrs 1933 als einen „Menschen höchster Redlichkeit", Joseph Roth kennzeichnete ihn bei aller Kritik gleichzeitig als „absolut rechtschaffen", und erst kürzlich bezeugte ein von hoher Warte aus urteilender Kritiker anläßlich des letzten großen Werkes aus der Feder Thomas Manns ihm „souveräne Wahrhaftigkeit" Andere sahen Thomas Mann in anderem Licht. „Bei aller Stärke seines Ichs hatte dessen Identität nicht das letzte Wort: nicht umsonst schrieb er zwei voneinander höchst abweichende Handschriften, die freilich dann doch wieder eine waren". So charakterisiert den Dichter des „Doktor Faustus" der durch Mitarbeit an diesem Werk ihm nah-vertraute, ihn bewundernde Theodor Adorno; er sah im wechselnden Rhythmus der Extreme von Thomas Manns Lebensgefühl „die Doppelbödigkeit seines Naturells zutage" kommen Das janusköpfige Wesen der „Betrachtungen eines Unpolitischen" war sogleich der Kritik aufgefallen; noch jüngst ist das Buch als „das heikle Gebiet, in welchem der Künstler sich fortwährend in Widersprüchen zu bewegen scheint", bezeichnet worden Ein berühmter marxistischer Interpret hat die Problematik von Thomas Manns „politischer Verirrung im ersten Weltkrieg" nicht anders zu meistern gewußt als dadurch, daß dem Verfasser der „Betrachtungen" attestiert wird, er habe aus seinem eigenen Schaffen leidenschaftlich falsche Konsequenzen gezogen, weil er die tiefsten Ergebnisse seiner schriftstellerischen Wirkung nicht recht erfaßt habe; das sei jedoch nicht als zufällige, sondern als notwendige Phase in der verhängnisvollen Gesamtentwicklung der deut-sehen Ideologie zu verstehen In der Emigration hat Thomas Mann später ein mit dialektischer Bewunderung untermischtes Befremden erregt, weil er Schriften publizierte, deren politische Resultate freudige Zustimmung der marxistischen Kritik fanden, aber wegen ihrer dazu gar nicht passend erscheinenden Prämissen „lebhaften Widerspruch" weckten Es kam damals zu noch weit verwirrenderen Äußerungen. 1939 unternahm Thomas Mann es, seinen Haß auf Hitler „moralisch" zu überwölben durch „humoristischasketische Ansätze zum Wiedererkennen, zur Identifikation, zum Solidaritätsbekenntnis“ — in „Bruder Hitler" entdeckte er „eine Erscheinungsform des Künstlertums“, „eine reichlich peinliche Verwandtschaft“, und bei sich selbst „die Bereitschaft zur Selbstvereinigung mit dem Hassenswerten'1 Man begreift die Betroffenheit der Verfolgten und Leidenden, die solcher Halbironie nicht gewachsen waren: „In der damaligen politischen Situation erregte es allgemeines Schütteln des Kopfes"

Die Literaturwissenschaft hat den „Rollencharakter“ hervorgehoben, den Thomas Manns Äußerungen besitzen, und sie hat „Perspektivenwechsel" als die Ursache für schwer miteinander zu vereinbarende. Ansichten des Dichter bezeichnet Er selbst wies 1935 darauf hin, daß „taktische Partei-und Stellungnahme zu den Problemen der Zeit „sie in politicis jeweils bestimmt habe So konnte „die dauernde, den Reportern anheimgegebene Politik dieses alten Unpolitischen klug und töricht, weitherzig und ungerecht, tiefsinnig und ahnungslos, liebend und bitter" zugleich erscheinen Die Spannungen zwischen ihm und seiner Umwelt von denen wir hörten, entstanden vor allem dadurch, daß die Zeitgenossen Thomas Manns eigentümlicher Vielschichtigkeit, seiner „ambiguitas“ nicht gerecht zu werden wußten. Das lateinische Wort bedeutet nicht bloß „Vieldeutigkeit 1 sondern kann auch Wankelmut bezeichnen _ und dieser war es, der dem Dichter seit der Rede „Von deutscher Republik" als Charaktermangel vorgeworfen wurde. 1933 wurde daraus politische Denunziation. Bald nach diesem Schicksals) ahr fand ein amerikanischer Autor, Harry Slochower, seinerseits „Entschluß-und Entscheidungslosigkeit“ Thomas Manns in Hinsicht auf sein Verhalten gegenüber dem nationalsozialistischen Deutschland zu kritisieren In gleicher Bahn verlaufende schärfere Angriffe wurden aus dem Kreis der deutschen Emigranten und ausländischer Sozialisten gegen den „halb freiwillig, halb unfreiwillig" im Exil verharrenden und öffentlich lange beharrlich schweigenden Dichter gerichtet. Thomas Mann hat damals gleich Slochower gegenüber seine Position in einer Weise klargestellt, die spätere, aus den letzten Lebensjahren stammende erstaunliche Äußerungen von ihm vorbereitet, welche man sonst geneigt sein könnte, als neuen Beweis für unverbesserlichen Wankelmut zu buchen. Sie scheinen nämlich nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft auslöschen zu wollen, was Thomas Mann die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit wie der Bonner Ehrendoktorwürde eingetragen hatte. Waren die „absurden und kläglichen" Akte seiner nationalen, seiner akademischen „Exkommunikation" nicht bloß rechtsunwirksam gebliebene Verwaltungsmaßnahmen, schändliche Handlungen eines Regimes von Gewalt und Unrecht, sondern etwa gar die Ausgeburt eines Mißverständnisses, eine geistesgeschichtliche Groteske? Stand die Ehrung, die die Bonner Philosophische Fakultät Thomas Mann hatte zuteil werden lassen, nicht nur 1919, im Augenblick ihres Vollzugs unter den uns jetzt bekanntgewordenen Voraussetzungen, im fatalen Zeichen historischer Ironie, sondern erst recht, wie die angedeuteten Bekenntnisse des Dichters nahelegen, in den Dezembertagen 1936, als der nationalsozialistische Dekan dem Dichter ihre Rücknahme mit-teilte? Diese Fragen sind bedeutend genug, um uns eingehend beschäftigen zu müssen.

Wir sind dazu um so mehr verpflichtet, als die Forschung bisher jene anscheinend als verwirrend, wenn nicht gar peinlich betrachteten Selbstaussagen des späten Thomas Mann unerörtert gelassen hat.

Das Problem Künstler — Bürger, das dem . Buddenbrooks'-Dichter vom 19. Jahrhundert überkommen war, spitzte sich zu seinen Lebzeiten in veränderter Richtung auf die Frage nach der gesellschaftsmoralischen Verantwortlichkeit des Künstlers zu. Davon ist nach früheren Ansätzen seit den „Betrachtungen eines Unpolitischen“ bei Thomas Mann immer wieder ausführlich die Rede, zuletzt in dem Vortrag „Der Künstler und die Gesellschaft" aus dem Spätsommer 1952 Er stellt eine Synthese entgegengesetzter Anschauungen dar, die der nunmehr fast Achtzigjährige in seinem Leben und Schaffen vertreten hatte und jetzt, nicht ohne einen Schuß Resignation, in Harmonie zueinander setzte. Was Thomas Mann in seinem Dankschreiben an den Dekan der Bonner Philosophischen Fakultät aus dem Jahr 1919 für sich reklamierte, die dem Künstler vorbehaltene, rein artistische, um Werte, um Moral nicht im geringsten bekümmerte Einstellung gegenüber der Welt, beschrieb auch dieser Vortrag, und der Autor hieß sie ausdrücklich gut. Aber der zweite berühmte Brief, den Thomas Mann an einen Bonner Dekan gerichtet hatte, das Manifest vom Neujahrstag 1937, findet gleichfalls seinen Widerhall. Die gesellschaftliche, unverblümt als moralisch bezeichnete und durch diese Eigenschaft politisch wirksame Verpflichtung des Künstlers wird als sein Vorrecht proklamiert. Allerdings gilt das letzte Wort nicht mehr — wie in einem denkwürdigen Dokument von 1939, der für den internationalen Pen-Club bestimmten Rede Thomas Manns über „Das Problem der Freiheit“ — der Rolle des Geistes als David gegen Goliath, als St. Georg „gegen den Lindwurm der Lüge und Gewalt" Es gilt vielmehr der Kunst als der im Grunde einflußlosen, nur einen Trost bildenden Macht, von deren Unschuld bloß die Menschheit „nie ganz das schuldgetrübte Auge wenden könne"

Wie verzweifelt die Situation für den Künstler sein kann, den die Disposition zu innerer Vielfalt kennzeichnet, verbunden mit höchster geistiger und seelischer Empfindlichkeit sowie dem Drang, sich im Wort ganz ohne moralische Absicht auszudrücken, hatte Thomas Mann immer wieder schmerzlich genug erfahren. Auch für ihn lagen „Leiden und Größe" in seinem Wesen beschlossen, dem Wesen eines Künstlers, der freien Spielraum beansprucht: „Schicksal ist ja auch nur Auswirkung des Charakters" So wurde Thomas Mann wie selten ein deutscher Dichter „bewundert viel und viel gescholten". Die allgemeine Formel „Dichter sind versatilen Gemüts" die er in seinem letzten Lebensjahr einmal gebraucht, deutet nur an, was er schon 1910 in einem Fontane-Essay als geheimes Selbstbildnis skizziert, dann immer wieder an anderen Künstlern exemplifiziert und später Pfitzner gegenüber — nun offen auto-biographisch trotz der Anspielung auf Nietzsche — mit dem Satz beschrieben hat, es gäbe Fälle einer bewußten Selbstdisziplinierung, „die ihrem Manne den Namen des Judas eintragen" In der tagespolitischen Polemik, von den Widersachern Thomas Manns, wurde der Sachverhalt weit gröber ausgedrückt. Galt der Dichter nach seinem republikanischen Bekenntnis in Deutschland als Apostat, weil er den „Betrachtungen eines Unpolitischen“ nicht treu geblieben sei, so zitierten später seine Feinde in den Vereinigten Staaten eben dieses, vor allem dann vom Kampfeseifer der McCarthy-Ara hervorgekramte Buch, um nachzuweisen, der als fellow-traveller des Kommunismus angegriffene Autor sei trotz späterer Bekenntnisse zur Demokratie in Wahrheit kein wahrer Demokrat. Aber den Gralshütern der antidemokratischen nationalsozialistischen „Weltanschauung" ist gerade dieses Werk des verhaßten Dichters gleichfalls nicht nach der Mütze gewesen So mußte Thomas Mann alle Konsequenzen dessen erfahren, was er 1932 an Goethes „Proteusnatur“ beobachtet und sogar mit dem Wort „Dichtergesinnungslosigkeit" bezeichnet hat Der als gesinnungslos Angegriffene hat die organische Einheitlichkeit der in den „Betrachtungen", der Republikrede und späteren Äußerungen wie der „Deutschen Ansprache" von 1930 vertretenen Überzeugung stets verfochten und sich dagegen verwahrt, daß zwischen ihnen ein innerer Bruch angenommen werde. Hingegen gab er im März 1952 einem Vertrauten gegenüber zu, wer seinen demokratischen Optimismus „to good to be true" genannt habe, sei im Recht. Seine „demokratische Attitüde" sei bloß Gereiztheitsreaktion auf den deutschen „Irrationalismus" und Tiefenschwindel „und auf den Faschismus überhaupt". Dieser habe „es fertiggebracht", ihn „zeitweise zum demokratischen Wanderredner zu machen“, und Thomas Mann fügte hinzu: „eine Rolle, in der ich mir oft wunderlich genug vorkam" Einige Monate später, in dem erwähnten Vortrag vom Spätsommer 1952, wo dieses Bekenntnis für die Öffentlichkeit wiederholt wurde, heißt es noch ungleich drastischer, es sei eine Rolle gewesen, „für deren Komik“ der Verfasser, „selbst zur Zeit" seines „leidenschaftlichen Verlangens nach Hitlers Untergang, nie ohne Blick" gewesen sei Das wenig ältere briefliche Zeugnis für diese Abkehr von gewissen präzisen politischen Konsequenzen, die aus unzähligen Reden und Schriften Thomas Manns während dreier Jahrzehnte beinahe zwangsläufig gezogen worden waren, fügt einen Satz von größter Wichtigkeit für die Erkenntnis der Psyche des Dichters hinzu. Er lautet: „Ich fühlte immer, daß ich zur Zeit meines reaktionären Trotzes in den „Betrachtungen'viel interessanter und der Platitüde ferner war“ Schon 1944 hatte Thomas Mann das gleiche Gefühl geäußert, freilich noch verhüllt, indem er es seinem damaligen Publikum unterschob, von dem er schrieb „die amerikanische Intelligenz“ sei „dessen was sie meine demokratischen Sonntagspredigten nennt, ... gründlich müde, und mit den . Betrachtungen" würde ich ihr heute literarisch viel mehr imponieren" Was an den beiden Stellen zutage tritt, sind keine politischen, sondern ästhetische Gesichtspunkte. Kategorien der künstlerischen Leistung, der literarischen Kritik bilden den Maßstab für Thomas Manns Urteil, nicht die Wertskala politischer oder sozialer Ordnung und schon gar nicht das gedankliche System einschlägiger Verfassungstheorien oder staatsphilosophischer Traktate. Der als großer Repräsentant der Demokratie gefeiert worden war, blieb in Wahrheit immer der große „Unpolitische". „Er hatte keine rechte Lust, im Leben so ganz mitzutun . . ., der Praxis mißtraute er nicht nur als Politik, sondern als jeglichem Engagement" Die individualpsychologische Deutung dieses Urteils darf freilich nicht als ausreichend betrachtet werden. Soweit es sich um das Problem des politischen Engagements handelt, ist bisher nicht beachtet worden, daß Thomas Mann als „Unpolitischer“ Gesinnung und Verhalten der bürgerlichen Umwelt beibehalten hat, in der er aufgewachsen war. „Kaisersaschern" hat ihn darin niemals ganz losgelassen. Sein neun Jahre jüngerer Zeitgenosse Arnold Brecht, der im gleichen lübisehen Milieu groß geworden ist, hat geschildert, wie sehr man dort als „politisch“ diejenigen Ansichten empfand und verurteilte, die mit der eigenen, ganz unreflektiert als „unpolitisch" betrachteten Meinung nicht übereinstimmten. „Alles, was weiter rechts oder links stand, das waren die Politiker", mit denen man nichts gemein haben wollte Zugleich wurde die Position, die man selber einnahm, in naiver Selbstverständlichkeit mit der natürlichen Ordnung der Dinge identifiziert, wie Thomas Mann es tat, als er 1920 dem Grafen Keyserling darin beipflichtete, daß „in kurzem die Konservativen wieder am meisten in Deutschland zu sagen haben werden’, und dazu bemerkte: „die Natur stellt sich am Ende irgendwie wieder her" Hielt Thomas Mann es 1910 für möglich, der alte Fontane „hätte ... sich das Wort" „verantwortungsvolle Ungebundenheit" „vielleicht zu Bezeichnung seines politischen Verhältnisses gefallen lassen", so enthüllte er damit seinen eigenen Standort Der Dichter der . Buddenbrooks" und des „Zauberberg" wollte nie spezifisch politische Rezepte liefern, wie zuerst diejenigen irrig meinten, die sie in den . Betrachtungen" finden zu dürfen glaubten und deren Verfasser Beifall, später, nach der Enttäuschung, die er ihnen bereitet hatte, weil er den wilhelminischen Obrigkeitsstaat für die Republik Friedrich Eberts dahingab, Haß und Verachtung zollten.

Solcherart enttäuschte Hoffnungen wiederholten sich. Ein bewußt und aktiv politischer Autor wie Johannes R. Becher, der Thomas Mann auf einer Rundreise zu verschiedenen Gruppen der linken Emigration im Herbst 1934 aufsuchte, um herauszufinden, ob er „bei einem Klärungsprozeß" zu beeinflussen sei, mußte berichten: „... er gab offen zu, daß er vollkommen desorientiert und unsicher sei, daß er das, was in Deutschland vorgehe, überhaupt nicht mehr richtig verstehe: das alles sei vollendeter Wahnsinn usw.". Eine Mobilisierung im Sinn der politisch linksstehenden Gruppen, für die dieser Bericht verfaßt wurde, hielt Becher nur mit beträchtlichem Vorbehalt und „zu einem gewissen Teil" für möglich; er hatte anscheinend den Eindruck, daß dabei auf Seiten seines Gesprächspartners ganz subjektive Momente und weniger politische Gesichtspunkte von Gewicht wären Auch später hat Thomas Mann sich nicht — wie ihm auf den Tag genau im Augenblick seiner Ausbürgerung, am 3. Dezember 1936, nahegelegt worden ist — an der „Debatte .. über die sozialistische Revolution" als Weg zur Organisierung der Humanität" beteiligt, sondern sich von Ratgebern solcher Art peinlich berührt gezeigt Der Versuch anderer Kräfte, Thomas Mann für eine der mit konkreten Erwägungen über den Wiederaufbau demokratischen politischen Lebens in Deutschland nach der Niederlage Hitlers befaßten Gruppen zu gewinnen, endete für seine Urheber ebenfalls enttäuschend. Ähnlich war es schon gleich nach dem Ersten Weltkrieg und dem Erscheinen der „Betrachtungen eines Unpolitischen" den nationalkonservativen Kreisen gegangen, die gehofft hatten, der Verfasser werde sich für ihre politischen Aktivitäten engagieren lassen

Was sich in der Gedankenwelt Thomas Manns während der zweiten Lebenshälfte mit dem Begriff Demokratie verband, erhellt aus seinem Versuch, Goethe trotz dessen zugegebener notorischer Aversion gegen Pressefreiheit, Mitreden der Masse, Demokratie und Konstitution für „das demokratische Europa" in Anspruch zu nehmen Nacheinander wird dabei vielerlei und höchst Heterogenes als „demokratisch" bezeichnet: der Pragmatismus, auf den Goethes Lob des „praktischen Verstandes" gemünzt sei — sodann ein Verhalten, das als entscheidendes Merkmal dafür, daß „die europäische Demokratie" Goethe „zu den ihren zählen darf", bezeichnet und mit den Worten umschrieben wird: „to make a success of things, dieser der Menschlichkeit nützliche Wille zu überleben, statt poetisch in Stücke zu gehen" — „Lebensfreundschaft", „Lebensverbundenheit ... im Gegensatz zum poetischen Aristokratismus des Todes" — das Christentum, das „Demokratie als Religion"

genannt wird, so „wie man sagen kann, daß die Demokratie der politische Ausdruck des Christentums ist" — „Goethes Ausspruch . Alles Leiden hat etwas Göttliches'", zu dem der Autor bemerkt, „nichts" könne „christlicher, nichts aber auch im höchsten Sinne demokratischer sein“, weil „die Neigung zum Niedrigen, die Erhebung des Leidens ...dem Christentum eingeboren" sei — die der „Humanität" dienende, eine „sittigend-antibarbarische Tendenz" verkörpernde „Sendung des Christentums innerhalb der völkisch-germanischen Welt" — das Ergebnis von Luthers Auftreten, das als „religiöse Demokratie"

charakterisiert wird — schließlich Goethes Verse „Edel sei der Mensch, Hilfreich und gut ...", in denen Thomas Mann „den höchsten Ausdruck aller Demokratie" sieht. Am Schluß des Aufsatzes sagt er, halte man es so mit Goethe — dem Dichter, dem es nicht ziemte, „in Opposition zu sein", sondern der, so heißt es an anderer Stelle, „Anspruch auf Menschheitsrepräsentanz" besaß — wie es Goethe selbst mit dem Positiven, der schöpferischen Güte gehalten habe, dann werde man „niemals das Unglück haben, in Opposition zu stehen gegen Liebe und Leben". Es bedarf keines Hinweises, daß der historisch-politisch gewiß nicht immer eindeutig verstandene, aber verfassungsgeschichtlich und staatsrechtlich doch präzise Begriff „Demokratie“ nur unter einer einzigen Bedingung dazu benutzt werden kann, um derartige sozial-philosophisch-ethische Überzeugungen zu etikettieren: er muß — wie Thomas Mann es bewußt tut — „sehr weit“ gefaßt werden, so weit, daß er der Prägnanz gänzlich entbehrt und damit beliebig austauschbar gegen andere politische Denominationen wird, mit einem Wort „unpolitisch" ist. Kein Zweifel: der Autor, der auf solche Weise Demokratie beschreibt und zu ihrem so verstandenen Wesen Goethe in die von Thomas Mann ausgemalte Beziehung rückt, gehört zum Gefolge von Schriftstellern des Aufklärungszeitalters, bei denen sich, wie er selbst einmal sagte, „Philantropie und Schreibkunst als herrschende Passionen einer Seele finden"

Das geheime Selbstporträt, das demnach auch Thomas Manns Aufsatz über „Goethe und die Demokratie" enthält, wird abgerundet durch den Hinweis, Goethe habe „unerschöpflichen Reichtum an Widersprüchen" aufgewiesen die aber — wie „auch" dasjenige, „was in seiner politischen Weltanschauung unstimmig gegeneinander zu stehen scheint" — „für den tieferen Blick sich in" einer „unfehlbaren Menschlichkeit" auflösten. Gleichwohl hätten die Zeitgenossen ihm Nihilismus angelastet — wir dürfen hinzufügen: wie es auch Thomas Mann geschah, der sich diesen Vorwurf „über alles Maß zu Herzen nehmen konnte" Das Bild erhält weitere autobiographische Glanzlichter durch den an anderer Stelle des gleichen Essays stehenden Fingerzeig auf Goethes „Apolitismus" und die beiläufige Bemerkung, Schopenhauer sei mit seiner Skepsis gegenüber liberalen Regierungsformen Goethes Schüler gewesen. Man weiß, wie dankerfüllt sich Thomas Mann in den von gleicher Skepsis getragenen „Betrachtungen eines Unpolitischen" seinerseits als Schüler Schopenhauers bekannt hat. Er „brauche kaum zu ihm zurückzukehren", schrieb er aber auch noch 1952 in unmittelbarem, bezeichnendem Zusammenhang mit dem Eingeständnis der Abkehr von seiner demokratischen „Attitüde" — „habe ich ihn doch eigentlich nie verlassen und verloren" Was im Kontext des Goethe-Essays von 1949 Thomas Manns eigenen „Apolitismus" kennzeichnet, ist der Umstand, daß dort, wo die verfassungspolitische, in der realen Staatsordnung zu lösende Kernfrage hinter dem demokratischen Credo erreicht wird — das Problem nämlich, wie Freiheit und Gleichheit miteinander zu vereinbaren sind — es beim bloßen Hinweis auf diese Frage und die drohende Gefahr „einer fürchterlichen Auseinandersetzung" zwischen West und Ost bleibt. Thomas Mann wendet kein Wort daran, wie Demokratie politisch zu konkretisieren sei. Sie war ihm die gesinnungsethische Verwirklichung seines Begriffs von Humanität, aber er äußerte sich nicht darüber, ob und wie sie in bestimmter verfassungsrechtlich und institutionell festgelegter Weise politisch gesichert sein mochte. Ja, als Vision einer glücklichen Menschheitszukunft schwebte ihm schließlich gar „eine gewisse Entpolitisierung des Staatenlebens überhaupt" vor, die — so meinte er — . über die bürgerliche Demokratie hinausgehe" und von ihm mit dem Kennwort „sozialer Humanismus" belegt wurde

Als Gehalt seines Humanitätsbegriffs hat Thomas Mann mehrfach die Idee des Gleichgewichts, ja der Verschmelzung zwischen den im Menschen angelegten Kräften der Natur und des Geistes, als den Bund von Vernunft und Blut bezeichnet. Für die damit erzielte Harmonie nahm er längere Zeit den aus chiliastisch-mystischen Hoffnungsträumen stammenden Ausdruck „Drittes Reich" in Anspruch, selbst dann noch — und das charakterisiert Thomas Manns Fremdheit gegenüber der Politik —, als er zum nationalsozialistischen Propaganda-Schlagwort geworden war. Die Rücksicht auf diese Humanitätsidee — so schrieb der Dichter 1935 dem amerikanischen Mahner zu entschiedenem Entschluß — habe jeweils seine „taktische Partei-und Stellungnahme zu den Problemen der Zeit bestimmt“ Im Zusammenhang damit findet sich bereits damals der Hinweis, daß seine rationalistisch-idealistische Haltung „nur unter dem Druck des .. . um sich greifenden Irrationalismus" entstanden sei. Tatsächlich hat Thomas Mann sich in seinen Äußerungen gegen „jede Art von Faschismus“ speziell den Nationalsozialismus und dessen „Drittes Reich“, nie und nirgends über prägnant politische Fragen, die herrschaftsrationalen Aufgaben einer demokratischen Staatsführung im Innern oder im Bereich der Außenpolitik, Organisationsprobleme der politischen Willensbildung oder des Rechtsstaats, mit einem Wort: die Realien dieser Sphäre menschlichen Handelns ausgelassen. „Ce que l’crivain retient de ses reflexions sur la rpublique allemande n’est pas un Systeme, mais une dialectique" Das politisch zentrale Anliegen, durch zweckmäßige gewaltenteilende Konstruktion eines Systems von Institutionen den „check of powers" zu schaffen, um der Freiheit des Staatsbürgers einen Schutzbereich zu gewährleisten, hat Thomas Mann nicht beschäftigt. Der intensiven Diskussion, die in den zwanziger und beginnenden dreißiger Jahren Carl Schmitt über den „Begriff des Politischen" und Hans Kelsen über „Wert und Wesen der Demokratie" in Gang gesetzt haben, blieb der Dichter fern. Höchstwahrscheinlich ist davon überhaupt nichts zu seiner Kenntnis gelangt. Wenn vom „Zauberberg“ kürzlich geurteilt werden konnte, daß es seinen „wesenlosen Gestalten an realen Lebensbeziehungen" fehle, „die man doch von einem Epochenroman zu erwarten geneigt ist“, und wenn darin „Elemente der politischen und sozialen Wirklichkeit nur wie durch ein umgekehrtes Opernglas vorgeführt werden", indem dieses Werk „die Bedingungen der Möglichkeit reflektiert, unter denen sich die Epoche beurteilen läßt .. ., ohne konkrete Schritte zur Realisierung einer partikularen Möglichkeit ins Auge zu fassen", so ist damit zugleich beschrieben, wie der Schöpfer dieses Zeitromans sich zur politisch-sozialen Wirklichkeit in seiner Zeit und seinem Lande verhielt Bei aller tiefreichenden Verschiedenheit zwischen Thomas Mann und Hugo v. Hofmannsthai fällt die Übereinstimmung beider in dieser Hinsicht auf. Die eingehende Analyse von Hofmannsthais politischem Denken hat ergeben, daß er „nirgendwo eine deutliche politische Position auskristallisiert oder Konsequenzen zieht, die zu einer solchen führen können". Wie Thomas Mann, so „enthält" auch er „sich . . .der Reflexion darüber, in welcher Weise die ... ihrer inneren Form nach bestimmte politische Ordnung sich rechtlich, organisatorisch und verfassungsmäßig konstituieren soll". Der Politik-Begriff des einen wie des andern war „der durchaus vor-politische Katalysator für mögliche politische Konsequenzen, die dann durchaus kontrovers ausfallen konnten" Der erstaunliche Parallelismus führt seinerseits das bislang im-57 mer auf Thomas Mann angewandte Verfahren individualpsychologischer Interpretation des politischen Denkens und Verhaltens ad absurdum. Es kann dem an Glanz und Tragik reichen Verhältnis zwischen dem Künstler und der politischen Welt nicht gerecht werden.

1932 hatte Thomas Mann Goethes Alterswort angeführt: „Es war nie meine Art gegen Institute zu eifern ..." und es damit erläutert, der von ihm als „Repräsentant des bürgerlichen Zeitalters“ Vorgestellte sei „ein Kämpfer im Sittlichen, im Geistigen", aber „nicht im Staatlichen und Bürgerlichen“ gewesen Bedeutungsvoll kehrt das gleiche Zitat noch im selben Jahr, nur sechs Wochen vor Hitlers Berufung zum Reichskanzler, unter der Feder Thomas Manns wieder, um den Sozialismus Gerhart Hauptmanns zu kennzeichnen, der auch nicht politisch, „kein Programm", sondern „Kunst" sei, in der „der soziale Wille schon mitlebendig“ walte Genau so hat auch Thomas Mann es nicht als seine Art betrachtet, „gegen Institute" zu eifern. Er war nicht „ein geborener Adept der Politik" wie Franklin D. Roosevelt, dem er dies nachrühmte. Der Dichter urteilte über den „shrewd politician", es hätte nicht genügt, wenn er statt dessen ein Intellektueller gewesen wäre. Ein Mann der Tat sei kein Intellektueller, „es sei denn in dem weitesten Sinn, nach welchem das Gute und Rechte mit •em Geistigen zusammenfällt Damit ist ein zentraler Gedanke Thomas Manns zu einer Voraussetzung gemacht, die vice versa so gut auf ihn selbst wie auf den verstorbenen Präsidenten zutriftt.

Sein „politisches" Wunschbild schien dem Dichter jeweils unter beliebigen Formen der staatlichen Ordnung realisierbar zu sein — nur nicht im Zeichen des Hakenkreuzes. So kommt es, daß sich „je nach Auswahl der Zitate .. . Thomas Mann als Aristokrat oder Sozialist hinstellen" ließ Was er im Falle des Nationalsozialismus schon vor 1933 verurteilte, wogegen er mehr und mehr heftig polemisierend und schließlich in offen ausgesprochenem Verdikt über die Machthaber

Stellung bezog, war das überwiegen der einen, der naturhaften, unzivilisierten Seite des Menschen, „des Rohen, bildungslos Fanatischen", das verschiedene Erscheinungsformen und Wirkungen der Unmenschlichkeit nach sich zog. „Wäre ich auf der Stufe der . Betrachtungen eines Unpolitischen', die schließlich kein anti-humanes Buch waren, stehen-geblieben, so hätte ich mit derselben Wut und mit derselben Berechtigung gegen diesen Greuel Stellung genommen, wie ich es als . Demokrat'— sit venia verbo — heute tue“ Dieser Satz aus einem mitten im Zweiten Weltkrieg, 1943, an Reinhold Niebuhr gerichteten Brief Thomas Manns verdient, ernst genommen zu werden, obwohl auch er nicht völlig im Einklang mit anderen Äußerungen des Dichters steht, die die Gesinnungsstufe der „Betrachtungen" und die von ihr aus denkbare, allerdings nicht eingetretene Entwicklung ihres Verfassers kritischer beurteilen.

Die erwähnten Selbstzeugnisse aus den letzten Lebensjahren, in denen Thomas Mann sein Bekenntnis zur Demokratie revoziert hat, richten eine unüberbrückbare Schranke zwischen seiner Existenz als Künstler und der Sphäre der Politik auf. Hieran ändert auch die ihm bewußte und von ihm ausgesprochene Tatsache nichts, daß „in jeder geistigen Haltung das Politische ... latent" ist und ohnedies eine scharf gezogene Trennungslinie weder seiner komplexen Natur noch der Wirklichkeit des Lebens entsprechen könnte. Als „politischer Präzeptor Germaniae" hat Thomas Mann sich jedenfalls — anders als es ihm nachgesagt wurde — in keiner Phase seines Lebens „gefühlt“, und wenn er „Politiker" genannt worden ist so ist zugleich mit vollem Recht vor dem Versuch gewarnt worden, ihn „schlechterdings als Politiker zu werten“ War er es selbst im eingeschränkten Sinn dieses Wortes? Die Frage ist nicht sogleich mit einem klaren Ja oder Nein zu beantworten. Indem Thomas Mann, wie er offen gestand, zu den Problemen der Zeit jeweils nach taktischen Gesichtspunkten Stel-lung bezog, nahm er — so scheint es auf den ersten Blick — politisch-pragmatisch handelnd Partei. Große, von ihren Völkern und darüber hinaus verehrte Staatsmänner haben sich so verhalten und keinen Tadel dafür geerntet. Doch Thomas Manns politische Meinungen wurden, da ein Dichter von sehr erheblichem geistigem Ansehen, das moralische Autorität nach sich zog, sie äußerte, als dogmatisch fundierte, bindend verpflichtende Bekenntnisse aufgefaßt. Darum geriet ihr Autor ins Zwielicht, sobald er sie wechselte. Seine Lage war aber noch weit verzwickter, als der erste Blick zu erkennen vermag. Tatsächlich hatte es nämlich nur den Anschein, als bewege Thomas Mann sich als Pragmatiker auf dem Feld der Politik, die er „eine kunstähnliche Sphäre" genannt und die ihn vielleicht auch deshalb angezogen hat. In Wirklichkeit verließ er beim Wechsel seiner Meinungen nie die ihm gemäße Sphäre, die nicht kunstähnlich, sondern die Kunst selber war.

Der Schlüssel zu dem befremdlich wirkenden, zwischen Sein und Schein irisierenden „politischen" Verhalten Thomas Manns, den fundamentalen Mißverständnissen und quälenden Mißhelligkeiten, denen er deswegen ausgesetzt war, liegt in einem Satz aus der Gedenkrede, die er im Spätjahr 1918 auf den Grafen Eduard Keyserling gehalten hat, im Augenblick des Erscheinens der „Betrachtungen eines Unpolitischen". Es heißt dort, der verstorbene Dichter habe niemals „. geschriftstellert', .. irgend etwas wie Urteil, Meinung und . Stellungnahme'" sei von ihm nicht bekannt. Kunst habe eben in Keyserlings besonderer Lage Freiheit bedeutet. „Der Redende" — so fährt Thomas Mann fort mit einer Wendung, die blitzartig sein Innerstes erhellt — „Der Redende, Meinende aber ist nicht frei, nur der Bildende ist es" Frei, ein Künstler, der bildet, wollte Thomas Mann sein, auch dann, wenn er seiner Mitwelt als „der Redende, Meinende“ erschien; niemals hatte er darum im Sinn, Politiker zu sein. Aber er operierte mit politischen Begriffen und äußerte sich damit kritisch über Bereiche, in denen politische Entscheidungen getroffen werden. Er verhielt sich so wie ein Mensch, der — ohne'eine Sprache näher zu kennen oder sie sprechen zu wollen — aus metasprachlichen, z. B. musikalischen Gründen Ausdrücke dieser Sprache verwendet und dann erstaunt oder betroffen ist, wenn seine Äußerungen von denen, die des Idioms mächtig sind, genau im Wortsinn verstanden werden. Erinnern wir uns, daß er in dem Dank, den er der Bonner Philosophischen Fakultät für seine Ehrenpromotion abstattete, sich ausdrücklich als „Träumer und Zweifler" bezeichnete und „bildende, führende, helfende Wirkungen", die sein „Treiben und Schreiben in der äußeren Menschenwelt" gezeitigt haben mochte, ein ihn selbst überraschendes „Accidens" nannte. Es war der Autor der „Betrachtungen eines Unpolitischen", der hier in dem Bewußtsein, eben nicht zuletzt um dieses Buches willen ausgezeichnet worden zu sein, seine künstlerische Freiheit gegen jede Inanspruchnahme für Aufgaben der politischen Erziehung verteidigte. Indem Thomas Mann nach über dreißig Jahren und allen Wechselfällen seines Lebens dieses Buch aufgrund literarästhetischer Wertkategorien höher als seine „demokratischen Sonntagspredigten" stellte, blieb er sich als Künstler treu, der das Werk sogleich, als es den Weg zu den Lesern begann, auch nicht anders klassifiziert hatte: es sei „als Roman" zu lesen, „d. h. als Darstellung eines bewußt erlebten und dabei schon innerlich distanzierten geistigen Schicksals", ein Kunst-gebilde also, schrieb er wenige Tage, bevor er am Sarge Keyserlings die Gebundenheit des Redenden, Meinenden gegenüber der Freiheit des Künstlers abgrenzte. „Aber keine musische Differenziertheit, die er zwischen den Parteien seiner Zeit oft bis zur scheinbaren Unzuverlässigkeit und Zweideutigkeit bewahrt, hindert seine Männlichkeit am humanitären Entschluß." So las man 1929 über Lessing aus der Feder von Thomas Mann, der sich auch hier wieder selbst porträtiert, in einem Beitrag, wo es von der Gegenwart mit sichtlichem Mißvergnügen heißt, ihr bestimmendes Element sei die Politik. Das Eintreten für humane Werte, der Kampf gegen Unmenschlichkeit bediente sich politischer Begriffe, richtete sich gegen politische Kräfte, zeitigte darum politische Wirkungen und erhielt aus diesem Grunde auch im Kalkül rivalisierender politischer Mächte einen politischen Stellenwert, der ganz unabhängig von der Sphäre der Moralität und Humanität war. Darum sind die „kulturmoralischen" Gedanken und Forderungen des Künstlers Tho-70 mas Mann — wie zahlreicher Dichter vor und nach ihm — zum Politicum, ist er selbst, der zunächst ein Verteidiger des wilhelminischen Obrigkeitsstaates, dann der Schöpfer des Begriffs „konservative Revolution“ und bald darauf der Lobredner der deutschen Republik gewesen war, schließlich zum „demokratischen Wanderredner" geworden, der sich aber auf einem Höhepunkt ausdrücklich politischer Rhetorik doch auch wieder vor aller Welt als „einen unpolitischen Menschen im Grunde“ bezeichnet hat T

Ein Höchstmaß an politischer Wirkung mußte das Eintreten Thomas Manns für menschliche, für moralische Werte gewinnen, als der Humanität in Deutschland eine Gegenwelt erstand, die dem Künstler geradezu einen „Zwang zur Politik" auferlegte, während sie zugleich im Machtkampf der Staaten eine wichtige Rolle mit verhängnisvollen Konsequenzen für den Frieden der Welt spielte. So war es nur folgerichtig, daß die Nationalsozialisten einem Anwalt der Menschlichkeit, der sich ihnen während ihres politischen Aufstiegs immer wieder entgegengestellt hatte, seine deutsche Staatsangehörigkeit aberkennen wollten. Der Verlauf des Verfahrens, Thomas Manns Reaktion darauf und seine spätere Entwicklung demonstrieren — man ist versucht zu sagen: wie ein zu diesem Zweck veranstaltetes Experiment — die dargelegte Wechselbeziehung mit aller wünschenswerten Deutlichkeit. Die verschiedenen Anträge auf Ausbürgerung des Dichters bleiben so lange ohne Erfolg, wie dieser den seit seinem Verzicht auf Rückkehr in die Heimat zunächst bekundeten Wunsch, „als Privatmann lebend" seine „persönlichen Aufgaben zu Ende führen zu können" verwirklicht. Anfang Januar 1936 berichtet Thomas Mann über seinen Leseabend in Bern, bei dem die Hörer mit aufmerksamster Anteilnahme „einem Joseph-Kapitel" gelauscht hatten, und man empfindet das erleichterte Bewußtsein des Dichters nach, wenn er über dieses Publikum hinzufügt, daß es „nicht den , Republika. ner'oder . Demokraten’ in mir sah, sondern den Dichter. Das ist eine große Wohltat nach den letzten zehn oder zwölf Jahren in Deutschland" *). Doch der „Zwang zur Politik“ erweist sich als stärker. Vier Wochen später zeigt sich seine Macht endgültig. Der lang hingeschleppte „Reizungszustand“, dem das „moralisch-kritische Gewissen“ Thomas Manns drei Jahre hindurch ausgesetzt war entlädt sich unter dem Anstoß von Korrodis provozierendem Artikel in der befreienden Antwort vom 3. Februar 1936. Dieses klärende, anklagende Wort führt nicht bloß zum politischen Gegenschlag aus Berlin in Gestalt der Ausbürgerung Thomas Manns samt Angehörigen mit dem akademischen Nachhall aus Bonn, dem die Replik des Ausgestoßenen stärkste Resonanz verschaffte. Die Antwort an Korrodi bedeutet auch eine Wendemarke im Leben des Dichters. Mit diesem Dokument hatte er —-so äußerte Thomas Mann unter dem Eindruck erster Wirkungen seines Schritts — nichts anderes getan, als „von der Möglichkeit, seinen Beruf als Schriftsteller zu erfüllen, Gebrauch" zu machen Aber dadurch tritt er augenblicklich in die ausgesprochen „politische" Phase seines Lebens und Schaffens ein. Am 5. Februar 1936 — zwei Tage nur nach der so entschlossenen Kampfansage Thomas Manns an die nationalsozialistischen Machthaber in Deutschland — nimmt er brieflich erstmals, vorsichtig Gemeinsames berührend, Kontakt mit Johannes R. Becher auf *, der im Herbst 1934 bei seiner Erkundungsreise so wenig befriedigt von ihm geschieden war. Nun setzt die Fülle der politischen Aufsätze, Reden, Manifeste ein.der „demokratischen Sonntagspredigten'1 Wie immer ihr Autor sich selbst zu ihnen verhalten haben mag, wie fühlbar auch seine offenbar natürlichen Erkenntnisgrenzen hie und da sein mögen — der kulturmoralische Rang dieser Schriften bleibt davon unberührt, gerade auch dann, wenn sie sich in ohnmächtig idealistischer Bitternis gegen die Interes-senpolitik der Mächte richten. Nicht weniger zeugt auch der politische Gehalt der zwischen 1936 und 1947 niedergeschriebenen Romane Lotte in Weimar", „Joseph der Ernährer" and „Doktor Faustus" von der Wendung, die ihr Schöpfer genommen hat. Wie schon seit dem Doppelwerk der „Betrachtungen eines Unpolitischen" und des „Zauberberg“ läßt sich keine scharfe Grenze zwischen erzählender Dichtung und kritischer Essayistik Thomas Manns ziehen. Beide entwachsen — auch und gerade dann, wenn der Autor sich „politisch' äußert — dem gleichen Wurzelgrund, der geistigen Einheit eines Künstlers, dem Hermes besonders vertraut unter den Göttern war und der, wie Roosevelt, als „Hermesnatur' sich interpretiert zu sehen, selbst „nicht nur statthaft, sondern absolut richtig" fand 76). Als Thomas Mann nach langem Schweigen mit dem ausdrücklichen Bekenntnis zu den Emigranten öffentlich schwerste Anklagen gegen das heimische Regime verband, wandte er sich nicht mittels politischer Argumente gegen die deutsche Regierung, und er verurteilte nicht politische Entschlüsse als solche, sondern geißelte die dahinter stekkende Inhumanität. Er tat es vor allem dort, wo er einen spezifisch politischen Aspekt berührte, indem er die zum Kriege führende Machtpolitik zum Anlaß mahnender Beschwörung nahm. Die damit unvermeidlich verbundene politische Wirkung war Thomas Mann bewußt und erwünscht, aber daß er „unwillkürlich und notgedrungen ... das seltsame Doppeldasein von Künstler und Kämpfer“ auf sich genommen hatte machte ihn jetzt so wenig wie früher zum „Politiker". Es bestand in dieser Hinsicht Übereinstimmung zwischen ihm und den „Besseren unter den Deutschen", über die er 1939 schrieb, sie schauerten vor dem moralischen Abgrund zurück, in dem sie zu versinken drohten, der abscheulichen Verkommenheit im Sittlichen und Kulturellen . Die tiefe, mißtrauische und angsterfüllte Abneigung des deutschen Volkes gegen seine Nazi-Regierung ist nicht primär . politischer'Natur" — dieser Satz war dem zitierten Urteil als generelle Feststellung vorausgesetzt Der Künstler Thomas Mann hat keinen Zweifel darüber gelassen, er sei sich bewußt, „daß ein gewisser Widerspruch besteht zwischen der Existenz und Lebensstimmung des Künstlers und seiner bekennenden, aber auch werbenden Parteinahme in politischen Dingen". Er gab offen zu, „daß ein solches Auftreten der künstlerischen Bescheidenheit abgewonnen werden muß" — die Hervorhebung stammt von ihm selbst — und bezog „es in jedes politische Bekenntnis", das er ablege, „stillschweigend ein" 79a). Das Idealbild des Unpolitischen hatte seine lockende Kraft nicht eingebüßt.

Es war dann abermals folgerichtig, daß Thomas Mann, nachdem Hitlers Untergang, „die Rückkehr Deutschlands zur Menschlichkeit" sich vollzogen und er selbst sich von den Erschütterungen durch das „Leiden an der unglücklichsten Epoche deutscher Geschichte" befreit hatte, „wie der Dichter sich befreit" — im „Doktor Faustus" —, nun wiederum frei für die artistische Seite seiner Kunst sich fühlte. Darum gab er jetzt den „Betrachtungen eines Unpolitischen“ den ästhetisch-literarischen Vorzug gegenüber späteren Bekenntnissen zur Demokratie, die so irrig wie vordem das Lob des Obrigkeitsstaats in jenem Buch als Option für eine bestimmte, von Lesern und Hörern dogmatisch aufgefaßte politische Lebensform verstanden worden waren. „Der Zwang zur Politik“ endet für Thomas Mann freilich nicht mehr; aber mit dem Ende Hitlers milderte er sich offenkundig im Bewußtsein des Dichters beträchtlich.

Hierzu trugen auch enttäuschende Erfahrungen bei, die ihn schließlich veranlaßten, auf europäischem Boden, in der Schweiz Ruhe zu suchen. Das in Resignation endende „Bekenntnis zur westlichen Welt" aus dem Dezember 1952 enthält — abgesehen von der unumgänglichen Loyalitätsbekundung, die der Dichter als amerikanischer Bürger abgab, und einem Hinweis auf seinen persönlichen Beitrag „zum großen kulturellen Erbe des Westens: ein wenig mehr Freude, Erkenntnis und höhere Heiterkeit" — „politisch" nur ein ma-geres Votum in denkbar relativierender Form zugunsten „unserer traurig zugerichteten und sehr gefährdeten Demokratie" Im Jahr zuvor hatte Thomas Mann, „zwischen den Lagern" stehend, wissen lassen, er wolle sich „zur Partei der Menschlichkeit" schlagen, jedoch auch dabei „unabhängig und allein" bleiben, entschlossen, sich „an keiner politischen oder auch kulturell verhüllten Kollektiv-Aktion mehr beteiligen und in Zukunft, das, was ich etwa noch zu sagen habe (und was sich noch sagen läßt), auf eigene Hand und im eigenen Namen sagen" zu wollen Der Dichter hielt es nicht für überflüssig, ausdrücklich hinzuzufügen, das heiße „wahrhaftig nicht, daß ich mich von der Sache des Friedens, der Freiheit und des sozialen Fortschritts zurückziehe“. Diesen humanitären Postulaten, die die Auseinandersetzungen der Tagespolitik weit hinter sich ließen, blieb er treu. Gleichwohl war es ein Rückzug. Thomas Mann bezog für seine letzten Lebensjahre die prinzipielle — nicht die gedankliche — Position, die er eingenommen hatte, als er, aufgeschreckt durch den ersten Weltkrieg, mit sich selbst und den politischen Gegebenheiten, die ihn als Künstler mit vehementem Druck zur Stellungnahme reizten, auf seine Art „unpolitisch" ins Reine zu kommen versuchte. „Man bleibt eben im Grunde doch , semper idem'“ schrieb der äußerlich Wandlungsreiche, indem er auf „gewisse Verbindungsfäden“ hinwies, die von den „Betrachtungen eines Unpolitischen" „zum Dr. Faustus führen" Der Antwortbrief Thomas Manns vom Neujahrstag 1937 an den Bonner Dekan, der „zu den klassischen Dokumenten freiheitlichen Geistes in einer verfinsterten Zeit" gehört enthält kein Bekenntnis zur Demokratie. Er spricht als „eines der bedeutendsten Zeugnisse echter Humanität aus dieser Zeit" nur von der wahren „Totalität, welche die Humanität selber ist" und stellt sie dem im damaligen Deutschland herrschenden politischen Totalitätsanspruch entgegen. So konnte sein Verfasser, der 1950 zunächst die vom Verleger geplante Sammlung seiner politi-sehen Äußerungen seit 1933 freudig begrüßte dann aber mit triftigen Gründen zu unterlassen bat, dem „Bonner Brief" im Gegensatz zu allem Früheren, das „rasch die Stimmigkeit'verliere und „altbacken“ werde, prophezeien dieses Stück werde „vielleicht" „nie altbak. ken" sein Wie der Dichter zur Demokratie stand, verrät sich darin, daß er es ablehnte, bei der Jahrhundertfeier der Revolution von 1848, des ersten deutschen demokratischen Parlaments, in der Frankfurter Pauls-kirche zu sprechen, und diesen Entschluß mit dem Eingeständnis erklärte: „über 48 könnte ich nur steif und ohne rechten Glauben reden" Aber vier Jahre später bietet der Vortrag über den „Künstler und die Gesellschaft" fast wörtlich die gleiche, auch sonst von Thomas Mann gern verwandte Chiffre „Totalität des Menschlichen“ wie 1937 der Brief nach Bonn. Darunter wird eine mehr sittlich verpflichtende als rational begriffene Macht verstanden, die die an und für sich getrennten Bereiche des künstlerischen Schaffens und der staatlichen Ordnung umschließt und unlösbar miteinander verbindet Mochte der Humanitätsbegriff Thomas Manns „vage" und der Dichter selbst für die Zeit, in der er ihn stets aufs neue beschwor, „Pathetiker" genannt werden können, mögen vielleicht auch „der völlige Mangel an begrifflicher Schärfe und gedanklicher Disziplin', „die panoramahafte Verspieltheit des Denkens", die ihm angekreidet werden, in einem „Relativismus" wurzeln, den ihm vorzuwerfen nur deshalb „nicht notwendig" sei, „weil er selbst hinreichend darunter leidet“ — die Fülle und Einheitlichkeit der sich gleichbleibenden Zeugnisse über viele Jahrzehnte hinweg muß es verbieten, die Erkenntnissicherheit der späten Selbstaussage des Dichters zu bezweifeln, daß er nie anderes habe tun wollen, als die Humanität zu verteidigen ’ 0a). Die abgewogene Formulierung impliziert die Mög-ichkeit des Irrtums, des Mißgriffs, von denen mhomas Mann sich nie freigesprochen hat.

Damit ist kein Raum für besserwisserische (der gar anklägerische Kritik gelassen. In tiesem autobiographischen Bekenntnis ist auch die metapolitische Größe bezeichnet, die -soweit es sich um Thomas Mann handelt -als Konstante dem „beunruhigenden Eindruck“

wechselnder Aspekte eines Künstlers ugeordnet werden muß, welche der in den Bereich des Politischen hineinwirkende Dich-

er 1919, 1929, 1936, 1945 aufweist, den vier Stichjahren, die die Beziehung zwischen ihm md der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Uni-

rersität zu Bonn im Guten wie im Bösen kullinieren sahen.

* Unsere letzten Erwägungen sollen dieser Universität gelten. Die Professoren, die heute an hr wirken, sind wegen des Falles Thomas Mann angegriffen worden. Ein einfallsreicher Kopf hat daraufhin gesagt, sie befänden sich in der Lage der Mannschaft eines Schiffs, auf dem vor Jahrzehnten ein Mord verübt worden sei, das inzwischen aber längst unter neuer Führung und Flagge mit anderer Besatzung fahre. Der Vergleich enthält viel Wahrheit, doch trifft er nicht ganz ins Schwarze. Eine Universität versteht sich durch den Wechsel der Jahre und Menschen hindurch als stets identische Korporation. Sie pflegt voll Stolz auf bedeutende Gelehrte, die ihr angehört haben, und auf deren zeitüberdauernde geistige Leistung zurückzublicken. Wenn die sich immer erneuernde „Mannschaft", die im Lauf der Jahrzehnte an der Universität Bonn Dienst tut, der großen und berühmten Vorgänger von Niebuhr und Schlegel über August Kekule und Heinrich Hertz bis zu Karl Barth und Ernst Robert Curtius gern gedenkt, so darf sie es schon um ihrer Glaubwürdigkeit willen nicht dabei belassen, die „magnalia universitatis" zu preisen. Sie hat sich auch der dunklen Seiten ihrer Geschichte, schlimmer Versäumnisse und beschämender Taten zu erinnern, die mit dem Namen der Universität oder ihrer Fakultäten und einzelner Professoren für immer verknüpft sind. Sie soll ihre Gewissenserforschung „über das entsetzliche, herz-und hirnlose Versagen der deutschen Intelligenz bei der Probe, auf die sie 1933 gestellt wurde“ nicht in dem Wahn unternehmen, damit eine Vergangenheit vom drückenden Gewicht der „niedrigsten Travestie des Deutschtums" „bewältigen" zu können. Die Forderung ist an die Universität gerichtet, weil sie sich selbst und ihre Verpflichtung für Gegenwart und Zukunft erkennen muß, weil sie, unter dem Leitstern der Wahrheit und ihrer Erkenntnis wirkend, dies ihrem Wesen schuldig ist und weil auch sie „durch Erfahrung nicht sowohl klug (für ein andermal) als weise (für immer) werden" soll’ wie es Jacob Burckhardt, einer der Größten unter den Bonner Studenten, als erwünschte Frucht des wissenschaftlichen Umgangs mit der geschichtlichen Vergangenheit bezeichnet hat.

Fussnoten

Fußnoten

  1. O. Bihalji-Merin, Thomas Mann — Weitsicht und Selbstvollendung (Sinn und Form. Sonderheft Thomas Mann, 1965), S. 103.

  2. H. Lehnert, Thomas-Mann-Forsdiung. Ein Bericht, Stuttgart 1969, S. 15.

  3. Goethe und Tolstoi, Gesammelte Werke in zwölf Bänden, Frankfurt/M. 1960, Bd. IX, S. 170.

  4. Bundesarchiv Koblenz, NS 15/246.

  5. Thomas Mann an A. M. Frey, 27. Juli 1933 (Briefe I, S. 334).

  6. Zum Folgenden vgl. Protokolle der Fakultätssitzungen der Philosophischen Fakultät 1932— 1944, Universitätsarchiv Bonn.

  7. Thomas Mann, Mario und der Zauberer, Gesammelte Werke, Bd. VIII, S. 702.

  8. G. Lukäcs, Thomas Mann, Berlin 1950, S. 38.

  9. Zitiert nach E. Leiser, „Deutschland erwache!“ Propaganda im Film des Dritten Reichs, Reinbek 1968, S. 31.

  10. R. Bollmus, Das Amt Rosenberg und seine Gegner, Stuttgart 1970, S. 242.

  11. Vgl. die Schilderung des beteiligten Ministerialrats Dr. Lösener in der von W. Strauß angeregten und veröffentlichten Aufzeichnung „Als Rassereferent im Reichsministerium des Innern" (Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 9, 1961, S. 272 ff.).

  12. Wiederabdruck bei K. Schröter, Thomas Mann im Urteil seiner Zeit, Dokumente 1891— 1955, Hamburg 1969, S. 224.

  13. M. Rychner, Von der Politik der Unpolitischen. Die Briefe Thomas Manns an Paul Amann und Ernst Bertram, in: Der Monat XIII, 18. Januar 1961, S. 53.

  14. Zum Vergleich mit Gide vgl. M. Schlappner, hu sens moraliste chez Thomas Mann et Andre Gide (Hommage de la France ä Thomas Mann, Paris 1955), S. 147; Das folgende Zitat: Thomas Mann, Leiden und Größe Richard Wagners, Gesammelte Werke a. a. O„ Bd. IX, S. 405.

  15. St. Zweig an J. Roth, November 1933 (J. Roth, Briefe 1911— 1939, Köln—Berlin 1970, S. 291); J. Roth an St. Zweig, 5. November 1933 (ebd. S. 285). Zur umstrittenen politisch-moralischen Situation, in der Thomas Mann sich damals — wie auch Stefan Zweig — befand, vgl. in der vollständigen Ausgabe S. 147, Anm. 136.

  16. Th. Adorno, Zu einem Porträt Thomas Manns in: Die Neue Rundschau 73, 1962, S. 323.

  17. H. Stresau, Thomas Mann und sein Werk, Frankfurt/M. 1963, S. 124.

  18. G. Lukäcs, Thomas Mann, Berlin 1950, S. 25.

  19. Vgl. dazu zuerst in der Moskauer Zeitschrift „Das Wort" veröffentlichten Aufsatz von A. Kurella, Thomas Mann und die Gegenwart (Wiederabdruck nach den unter dem Titel „Zwischendurch" gesammelten Essays des Autors, Berlin 1961, bei Schröter, Thomas Mann im Urteil seiner Zeit, Dokumente 1891— 1955, S. 295 ff.).

  20. Thomas Mann, Bruder Hitler, Gesammelte Werke, a. a. O., Bd. XII, S. 845 ff.

  21. Vgl. W. A. Berendsohn, Thomas Mann — Künstler und Kämpfer in bewegter Zeit, Lübeck 1965, S. 143.

  22. Siehe R. H. Thomas, Thomas Mann, Oxford 1956, S. 172.

  23. Thomas Mann an H. Slochower, 1. September 1935 (Briefe I, S. 398).

  24. H. Brandenburg, Im Feuer unserer Liebe. Erlebtes Schicksal einer Stadt, München 1956, S. 212.

  25. Mit den im Text zitierten Worten charakterisiert Thomas Mann selbst in dem eben erwähnten Brief vom 1. September 1935 die Darstellung seines Verhaltens durch das ihm als Manuskript bekannt gewordene, später publizierte Buch von H. Slochower, Three Ways of Modem Man, New York 1937.

  26. Die Wendung findet sich in dem Brief an H. Slochower (siehe Fußnote 23).

  27. Gesammelte Werke, a. a. O., Bd. X, S. 386 ff.

  28. Ebd„ Bd. XI, S. 972.

  29. Thomas Mann, Der Künstler und die Gesellsdraft, ebd., Bd. X, S. 399.

  30. Thomas Mann, Leiden und Größe Richard Wagners, ebd., Bd. IX, S. 409.

  31. Thomas Mann, Heinrich von Kleist und seine Erzählungen, ebd., Bd. IX, S. 837.

  32. Thomas Mann an H. Pfitzner, 23. Juni 1925 (Briefe I, S. 241).

  33. H. Langenbucher, Deutscher Literaturführer? (Börsenblatt des deutschen Buchhandels Nr. 144 vom 23. Juni 1934, S. 570 f.).

  34. Thomas Mann, Goethe als Repräsentant des bürgerlichen Zeitalters, Gesammelte Werke, Bd. IX, S. 319. Das Wort erläutert den an gleicher Stelle erwähnten, zuvor mit verschiedenen Beispielen belegten „ironischen Nihilismus", den Thomas Mann bei Goethe fand und der ihm selbst bekanntlich von der zeitgenössischen Kritik bescheinigt worden ist. Eine Bezugnahme Thomas Manns auf seine eigene Position legt sich ferner wegen der direkten Parallele nahe, die in diesem Aufsatz zwischen Goethes „Grauen vor der Politisierung, das heißt Demokratisierung Europas“ und dem gleichen „Kulturentsetzen vor der heraufkommenden Politisierung ... in unseren Tagen, in den Jahren 1916 bis 1919 etwa" hergestellt wird. Die genannten Jahre bezeichnen exakt die Phase Thomas Manns, in der die „Betrachtungen eines Unpolitischen" entstanden sind und die darin niedergelegten „Meinungen“ Thomas Mann die Anhängerschaft derjenigen Kreise sicherten, die ihm dieses Buch vor-hielten, seitdem sie ihn von 1922 an der gesinnungslosen Unzuverlässigkeit ziehen.

  35. Zuerst 1922 im Vorwort zu der Einzelausgabe der Rede „Von deutscher Republik", Gesammelte Werke, Bd. XI, S. 809 ff.

  36. Thomas Mann an F. Lion, 13. März 1952 (Briefe III, S. 248).

  37. Thomas Mann, Der Künstler und die Gesellschaft, ebd., Bd. X, S. 397.

  38. Thomas Mann an F. Lion, 13. März 1952 (Briefe III, S. 248).

  39. Thomas Mann an A. E. Meyer, 17. Juli 19« (Briefe II, S. 376).

  40. Theodor Adorno, Zu einem Portrait Thomas Manns, in: Die Neue Rundschau, 73/1962, S. 323.

  41. A. Brecht, Aus nächster Nähe, Lebenserinnerungen 1884— 1927, Stuttgart 1966, S. 17.

  42. Thomas Mann an H. Graf Keyserling, 18. Jannar 1920 (Briefe I, S. 173).

  43. Thomas Mann, Der alte Fontane, Gesammelte werke, a. a. O„ Bd. IX, S. 30.

  44. J. R. Becher, Bericht über eine Reise nach Prag, turich und Paris (Oktober/November 1934) (Zur ndition der sozialistischen Literatur in Deutschand. Eine Auswahl von Dokumenten, Berlin— Weimar 1967), S. 679 f.

  45. I K. Hiller, Für Thomas Mann, in; Die Neue Welt-bühne 32, 1936, S. 1543.

  46. Vgi. die bei Schröter, a. a. O., S. 510 im Kommentar zitierte, in der westdeutschen Ausgabe des Briefwechsels zwischen Heinrich und Thomas Mann sowie in Briefe I, S. 341 nicht enthaltene Stelle aus einem Brief von Thomas an Heinrich Mann vom 12. Dezember 1936.

  47. Zu den Enttäuschungen der Konservativen nach dem Ersten Weltkrieg vgl. in der vollständigen Ausgabe S. 63, 68, Anmerkung 147. Für die Zeit des Zweiten Weltkriegs siehe u. a. die Eintragung vom 14. Dezember 1943 bei O. Zoff, Tagebücher aus der Emigration 1939— 1944 (Veröffentlichungen der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung 41), Heidelberg 1968, S. 260: „Thomas Mann . . . sollte es unternehmen, eine deutsche Regierung im Exil aufzustellen . .. Nach vielen Unterredungen hat er schließlich zu guter Letzt erklärt, er könne die Sache nicht machen . . . Sein Rücktritt hat außerordentliche Enttäuschung und Verärgerung erregt. Zuerst ergreift er bei jeder nur möglichen politischen Gelegenheit das politische Wort und tritt als der politische Hauptopponeht der Nazis auf — und sobald es sich um mehr handelt als Worte, kneift er".

  48. Thomas Mann, Goethe und die Demokratie, Gesammelte Werke, a. a. O., Bd. IX, S. 755 ff.

  49. Diese Wendung findet sich in dem Abschnitt über Goethe aus Thomas Manns Aufsatz „Die drei Gewaltigen", der bei der Erstveröffentlichung im Jahr 1949 „Goethe, das deutsche Wunder“ überschrieben war, ebd., Bd. X, S. 381.

  50. Thomas Mann, Der Künstler und der Literat, ebd., Bd. X, S. 64.

  51. Th. Adorno, a. a. O., S. 326.

  52. Thomas Mann an F. Lion, 13. März 1952 (Briefe III, S. 248).

  53. Deutschland und die Deutschen, Gesammelte Werke, a. a. O., Bd. XI, S. 1148.

  54. Thomas Mann an H. Slochower, 1. September 1935 (Briefe I, S. 398).

  55. Thomas Mann, Rede über Lessing (1929), Gesammelte Werke, a. a. O., Bd. IX, S. 245.

  56. So P. P. Sagave, L'idee de l'Etat chez Thomas Mann, Paris 1955, S. 128, der vorher auf den Einfluß von Emst Troeltsch auf Thomas Manns Hin-wendung zum „humanisme politique Occidental" hinweist.

  57. U. Karthaus, Der „Zauberberg“ — ein Zeit-roman (Zeit, Geschichte, Mythos) in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 44, 1970; R. Gray, The German Tradition in Literature 1871— 1945, Cambridge 1965, S. 12 weist darauf hin, daß Thomas Manns Gesichtsfeld in seinen Romanen, soweit diese nicht historischen oder mythischen Charakter tragen, eng auf das Bürgertum begrenzt ist und von sozialen und politischen Kräften und Bewegungen, die für das nachbismarcksche Deutschland maßgebendes Gewicht besaßen, ganz unberührt geblieben ist.

  58. Die auf Hofmannsthai bezüglichen Feststellungen in den verschiedenen angeführten Zitaten bei H. Rudolph, Kulturkritik und konservative Revolution. Zum kulturell-politischen Denken Hofmannsthais und seinem problemgeschichtlichen Kontext, Tübingen 1971, S. 189 ff.

  59. Thomas Mann, Goethe als Repräsentant des bürgerlichen Zeitalters, Gesammelte Werke, a. a. O., Bei. IX, S. 315.

  60. Die Ansprache zum 70. Geburtstag Gerhart Hauptmanns erschien am 15. Dezember 1932 in der Vossischen Zeitung. Zitat: Gesammelte Werke, a. a. O., Bd. X, S. 343.

  61. Gesammelte Werke, a. a. O., Bd. XII, S. 942.

  62. H. Lehnert, Thomas-Mann-Forschung. Ein Bericht, Stuttgart 1969, S. 56.

  63. Thomas Mann an R. Niebuhr, 19. Februar 1943 (Briefe II, S. 301).

  64. Thomas Mann, Die Stellung Freuds in der modernen Geistesgeschichte, Gesammelte Werke, Bd. X, S. 267.

  65. D. H. Sarnetzki, Ein biblisches Epos von Thomas Mann (Kölnische Zeitung, Literaturbeilage, Nr. 42 vom 15. Oktober 1933).

  66. K. Sontheimer, Thomas Mann und die Deutschen, München 1961, S. 181.

  67. Ebd., S. 183.

  68. Thomas Mann, Franklin Roosevelt, Gesammelte Werke, a. a. O„ Bd. XII, S. 942.

  69. Thomas Mann, Zum Tode Eduard Keyserlings, ebd., Bd. X, S. 417.

  70. Thomas Mann, Zu Lessings Gedächtnis, ebd., Bd. X, S. 255.

  71. In Thomas Manns Einleitung zum Februar-heft 1921 der „Süddeutschen Monatshefte", die unter dem Titel „Russische Anthologie“ in die Sammlung seiner Werke aufgenommen ist, heißt es: .... Konservatismus braucht nur Geist zu haben, um revolutionärer zu sein als irgendwelche positivistisch-liberale Aufklärung, und Nietzsche selbst war von Anbeginn, schon in den . Unzeitgemäßen Betrachtungen’, nichts andereres als konservative Revolution.“

  72. Deutsche Hörerl Ansprache an die Amerikaner deutscher Herkunft, 15. Oktober 1942, Gesammelte Werke, Bd. XI, S. 1056.

  73. Thomas Mann an R. Olden, 8. Mai 1934 in: M. Wegner, Exil und Literatur, Frankfurt/M., Bonn 1968, S. 114.

  74. Thomas Mann an O. Basler, 7. Januar 1936 (Altes und Neues, S. 735 f.).

  75. Thomas Mann an O. Basler, 6. Februar 1936 (Altes und Neues, S. 736).

  76. Thomas Mann an J. R. Becher, 5. Februar 1936 (Druck in: Dem Dichter des Friedens Johannes R. Becher zum 60. Geburtstag, Berlin 1951, S. 1671 das Datum nach Wenzel, a. a. O.. S. 189.

  77. Die zitierten Worte finden sich als deutlich erxennbares Selbstzeugnis in dem zum 60. Geburtstag von E. v. Kahler verfaßten Artikel, Gesammelte Werke, Bd. XI, S. 506.

  78. Thomas Mann am H. Mann, 14. Mai 1939 Briefwechsel, S. 181).

  79. Mann an F. Werfel, 26. Mai 1939 (Briefe II, S. 94). Thomas Mann, Zur Gründung einer Dokumentensammlung in Yale University, Gesammelte Werke, a. a. O„ Bd. XI„ S. 465 f.

  80. Mit diesen Worten bezeichnet Thomas Mann in der am 10. Mai 1945 ausgestrahlten letzten Sendung an „Deutsche Hörer" das Kriegsende, Gesammelte Werke, Bd. XI, S. 1123.

  81. „Bekenntnis zur westlichen Welt", ebd., Bd. XII, S. 971 ff.

  82. „An einen jungen Japaner", datiert 15. März 1951, ebd., Bd. XII, S. 969 f.

  83. Thomas Mann an einen ungenannten Adressaten, ohne Datum (Katalog 577 [1966] der Firma Stargardt, Marburg, S. 66, Nr. 257).

  84. W. H. Perl, a. a. O., S. 15.

  85. W. A. Berendsohn, Thomas Mann, Künstler und Kämpfer in bewegter Zeit, Lübeck 1965, S. 141.

  86. Gesammelte Werke, Bd. XII, S. 788.

  87. Thomas Mann an Bermann Fischer, 10. Juni 1950, Thomas Mann, Briefwechsel mit seinem Verleger Gottfried Bermann Fischer, Frankfurt/M. 1973. S. 537).

  88. H. Bürgin — H. O. Mayer, Thomas Mann, Eine Chronik seines Lebens, Frankfurt/M. 1965, S. 214. aus einem unveröffentlichten Brief Thomas Manns an 1. Mazzucchetti.

  89. Gesammelte Werke, Bd. X, S. 394.

  90. U. Greiner, Was heißt bürgerlich? Politische Schriften von Brecht, Broch, Hesse und Thomas Mann. Ein Vergleich ihrer Aussagen und Irrwege, FAZ vom 22. 9. 1970 (Literaturblatt).

  91. Thomas Mann an H. F. Blunck, 22. Juni 1346 (Briefe II, S. 496 f.).

  92. Thomas Mann an E. Bertram, 30. Juli 1934 (Briefe aus den Jahren 1910— 1955, hrsg. von J. Jens, Pfullingen 1960, S. 185).

  93. J. Burckhardt, Weltgeschichtliche Betrachtungen, hrsg. von A. Oeri (Gesamtausgabe 7), Stuttgart— Berlin—Leipzig 1929, S. 7.

Weitere Inhalte