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Kommunalwahlrecht für Ausländer? Staatsrechtliche Möglichkeiten und Grenzen | APuZ 8/1974 | bpb.de

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APuZ 8/1974 Kommunalwahlrecht für Ausländer? Staatsrechtliche Möglichkeiten und Grenzen

Kommunalwahlrecht für Ausländer? Staatsrechtliche Möglichkeiten und Grenzen

Christoph Sasse/Otto Ernst Kempen

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Zusammenfassung

In der Europäischen Gemeinschaft leben gegenwärtig über 14 Millionen Ausländer (davon 9 Millionen Erwerbstätige), deren Zahl weiter steigt. Die Wirtschaft einiger Mitgliedstaaten steht in zunehmender Abhängigkeit von ihrer Arbeitsleistung. Politisches Denken und staatsrechtliche Kategorien haben dieses Phänomen bislang nur unzureichend verarbeitet. Die öffentliche Meinung ist geneigt, sich mit Maßnahmen klassischer Sozialpolitik und dem Gedanken zu beruhigen, bei der Anwesenheit der Ausländer handle es sich um eine vorübergehende Erscheinung („Gastarbeiter"). Exekutive und Rechtsprechung klammern sich an die realitätsferne Formel, die Bundesrepublik sei kein Einwanderungsland. Auch die europapolitische Dimension des Problems tritt nicht ins Blickfeld. Die staatsrechtliche Stellung des Ausländers ist durch das Fehlen politischer Mitwirkungsrechte gekennzeichnet: — Von der Konstituierung der Staatsgewalt durch Wahlen ist der Ausländer ausgeschlossen (Volk = Staatsvolk). — Die Grundrechte des Grundgesetzes stehen ihm nur beschränkt zu (§ 6 AusländerG). — Die politische Komponente der Meinungsfreiheit (Teilnahme am öffentlichen Meinungsbildungsprozeß) wird ihm bestritten. — Seine politische Betätigung unterliegt jederzeitiger Beschränkung oder Untersagung auf Grund umfassender Eingriffstatbestände. Hinter diesen Bestimmungen und ihrer restriktiven Interpretation steht die Vorstellung von der politischen Gemeinschaft der Staatsbürger als einer „unentrinnbaren" Abstammungsgemeinschaft: Die biologische Zugehörigkeit bedingt die demokratische Mitwirkung. Es ist jedoch zweifelhaft, ob diese Denkweise den heutigen Gegebenheiten in jeder Hinsicht noch gerecht wird: — Die Verweisung der Ausländer auf die Einbürgerung ist eine Ausflucht, weil sich die weitaus meisten Ausländer nicht für alle Zukunft aus ihrem heimischen Staats-und Gesellschaftsverband lösen wollen. — Die langjährige Zugehörigkeit des ausländischen Bevölkerungsanteils verlangt nicht bloß eine soziale, sondern auch eine politische Mindestintegration. Sie wird sich auf die Dauer nicht auf die bestehenden Möglichkeiten (Betriebsratswahl, Mitgliedschaft in Gewerkschaften und politischen Parteien) beschränken lassen. — Es ist mit dem Selbstverständnis eines demokratisch organisierten Gemeinwesens schwerlich vereinbar, daß einer mit seinem Schicksal eng verbundenen und zu seinen Leistungen gleichmäßig beitragenden Bevölkerungsgruppe jedes Anrecht auf Mitentscheidung in den gemeinsamen öffentlichen Angelegenheiten bestritten wird. — Angesichts der konkreten Zielvorstellung einer Europäischen Politischen Union fehlt in bezug auf die EWG-angehörigen Ausländer das Element der politischen Fremdheit, das die Sorge vor politischer „Überfremdung" bisher bestimmt hat. Auch die mangelnde Vertrautheit mit demokratischen Spielregeln kann diesem Personenkreis nicht entgegengehalten werden. Während nach herrschender Auffassung die Bestimmung der „Staatspolitik" den Staatsangehörigen verfassungskräftig vorbehalten bleibt (Art. 20 Abs. 2 GG), kommt für die politische Teilintegration der Ausländer die kommunale Ebene in Betracht. Hier werden viele der die Ausländer unmittelbar betreffenden Fragen ihrer sozialen Existenz entschieden (Wohnungswesen, Ausbildungsstätten, Kindergärten, Gesundheitswesen). Konsultationsorgane eigener Art (Ausländerparlamente u. ä.) haben weder im In-noch Ausland die gewünschte Integrationswirkung hervorgebracht. Im Unterschied zur Staatswillensbildung und Staatsverwaltung ist in der gemeindlichen Autonomie ein Stück gesellschaftlicher Selbstorganisation erhalten geblieben, das zwar strukturell staatshomogen verfaßt ist (Art. 28 Abs. 2 GG), aber nicht zur mittelbaren Staatsverwaltung gehört. Dies erlaubt es, den Volksbegriff in Art 20 und 28 GG zu differenzieren und den zum Daueraufenthalt berechtigten Ausländern auch ohne Verfassungsänderung die Möglichkeit politischer Mitentscheidung einzuräumen.

Bei der vorliegenden Untersuchung handelt es sich um ein Gutachten des Instituts für Europäische Politik (vormals Bildungswerk Europäische Politik e. V.), Bonn. Es erscheint unter demselben Titel in der vom Institut herausgegebenen Reihe „Europäische Schriften" im Europa Union Verlag, Bonn.

I. Die Fragestellung in ihrem sozio-politischen Kontext

Zu den aktuellsten Themen der gegenwärtigen innenpolitischen Diskussion gehört die sog. Gastarbeiterfrage. Sie ist bisher weniger unter dem Schlagwort „Überfremdung" als unter sozialpolitischen Aspekten betrachtet worden. Allzulange hatte sich die deutsche „Wohlstandsgesellschaft" auf die Leistung importierter Arbeitskräfte gestützt, ohne die ungünstige Lage dieser benachteiligten Minderheit hinreichend deutlich wahrnehmen zu wollen. Ende 1970 schließlich überschritt die Zahl der ausländischen Arbeiter in der Bundesrepublik erstmals die 2-Millionen-Grenze, so daß die Misere ihrer Lebensumstände, insbesondere ihre meist unbefriedigenden Wohnverhältnisse, ihre Hilflosigkeit gegenüber vielfach bedenkenlosen Unternehmern und obrigkeitlichen Behördenpraktiken, vor allem aber die gesellschaftliche Pariasituation ihrer hier lebenden Familien, besonders der — in jeder Beziehung benachteiligten, weil sozio-kulturell entwurzelten — Kinder, nicht länger zu übersehen war.

Das plötzlich aufflammende öffentliche Interesse schlug sich in zahlreichen Anfragen von Abgeordneten aller Fraktionen an die Bundesregierung und die Landesregierungen zu Problemen der ausländischen Arbeiter, vor allem zu den Unterbringungsverhältnissen, zur Gesundheitsversorgung und zur schulischen Betreuung von Ausländern nieder. Im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung wurde ein „Koordinierungskreis Ausländische Arbeitnehmer“ gebildet, bestehend aus Vertretern der beteiligten Bundesressorts, der Arbeitsminister und Senatoren für Arbeit der Länder, der Bundesanstalt für Arbeit, der Sozialpartner, der Kirchen, der kommunalen Spitzenverbände und der mit der Betreuung ausländischer Arbeitnehmer beauftragten Wohlfahrtsorganisationen. Daneben besteht ein Länderausschuß „Ausländische Arbeitnehmer", in dem die Arbeitsminister und Senatoren für Arbeit der Länder vertreten sind. Beide Ausschüsse haben sich auf — inzwischen mehrfach revidierte — „Grundsätze zur Eingliederung ausländischer Arbeitnehmer und ihrer Familien" geeinigt.

Vertreter von Wohlfahrtsverbänden, Kirchen und Gewerkschaften haben sich zu einem „Initiativkreis für die Reform des Ausländerrechts" zusammengeschlossen und Ende Dezember 1973 ein umfangreiches Sofortprogramm mit einer Reihe von Einzelvorschlägen zur Abänderung des geltenden Ausländerrechts vorgelegt. Eine 1971 vom Bundesvorstand der Jungsozialisten beauftragte Arbeitsgruppe legte 1972 ein „Schwarzbuch: Ausländische Arbeiter" mit umfangreichem Material vor. Sogar die brennenden politischen Themen eher abgeneigte „Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer" hat ihre Jahrestagung 1973 u. a.der „Staatsrechtlichen Stellung der Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland" gewidmet. In der Presse sind die „Gastarbeiter" unterdessen zum „Sozialproblem Nr. 1" avanciert und man fordert eine „Kontingentierung" nach Maßgabe der vorhandenen angemessenen Wohnund Lebensbedingungen Rufe nach „Rotation" der Ausländer oder — weitergehend — einer „Denkpause" bei der weiteren Anwerbung lassen sich vernehmen. Nachdem Anfang 1973 bereits über 2, 5 Mill, ausländische Arbeitskräfte und — mit Fami Mill, ausländische Arbeitskräfte und — mit Familienangehörigen — insgesamt über 3, Mill. Ausländer in der Bundesrepublik lebten, trat auch die Bundesregierung Überlegungen näher, den weiteren Zuzug zu stoppen, jedoch gleichzeitig — entsprechend einem im Bundestag eingebrachten Gesetzentwurf — die Anforderungen an die den Ausländern von Unternehmern angebotenen Wohnungen zu steigern 4). Die Energiekrise vom Winter 1973 verschaffte diesen Erwägungen unerwartete Aktualität. Mit Rücksicht auf ein drohendes Beschäftigungsrisiko wies die Bundesregierung am 23. November 1973 die Bundesanstalt für Arbeit an, vorerst keine ausländischen Arbeiter aus Nicht-EWG-Ländern mehr anzuwerben oder zu vermitteln 5). Erwägungen, wonach wegen der Gefahr höherer Arbeitslosigkeit die Rückkehr ausländischer Arbeitnehmer in ihre Heimat durch „Heimkehrerprämien" (anstelle der fälligen Arbeitslosenunterstützung) gefördert werden soll 5), scheinen sich dagegen noch nicht im Stadium der Entscheidungsreife zu befinden.

Diese durch die quantitative Dimension des Problems veranlaßte öffentliche Anteilnahme ist nicht auf die Bundesrepublik beschränkt. Auch in anderen Ländern der Europäischen Gemeinschaft, in denen die Ausländer, wie vor allem in Frankreich und Belgien, nunmehr fast 10 °/o der Erwerbsbevölkerung stellen, deutet sich eine zunehmende Hinwen-düng des öffentlichen Bewußtseins zur Lägel dieses neuen „Unterproletariats" (sous-prol.

tariat) an

Man mag darüber streiten, ob die überwiegend begrüßenswerten Ansätze der aktuellen Diskussion vornehmlich einer Art sozialstrategischen Kalküls, gerichtet auf die Absorption ökonomischen Konfliktstoffs, entspringen oder eher in sozialem Verantwortungsbewußtsein einer für Minoritätsinteressen eintretenden „aktiven Öffentlichkeit" ihren Ur-sprung haben. Wahrscheinlich wirken beide Komponenten zusammen und verstärken in wachsendem Maße die Betroffenheit weiter Schichten über die jahrelange eigene Abgestumpftheit gegenüber den Problemen dieser dienstbaren Minderheit. Die erzeugte Ratlosigkeit mündet in das paternalistische Gefühl der Verpflichtung, quasi vormundschaftlich jene fremden Interessen wahrzunehmen. Denn nach der vorherrschenden Bewußtseinslage kann es sich nur um die Betreuung einer „unmündigen", zu autonomen politischen Aktivitäten nicht fähigen Klientel handeln. Bei al-lem Wohlwollen ist nämlich kaum jemand bereit, für politische Mitentscheidungsrechte der Ausländer zur eigenverantwortlichen Durchsetzung ihrer Bedürfnisse zu plädieren. Statt dessen wird von offizieller Seite immer wieder betont, politische Mitentscheidung setze die Einbürgerung voraus Da indes der Erwerb der deutschen regelmäßig den Verlust der früheren Staatsangehörigkeit nach sich zieht, mindestens aber zur mißlichen Folge der mehrfachen Staatsangehörigkeit führt und da sich die meisten Ausländer aus achtenswerten Motiven eine Rückkehr in die Heimat offenhalten möchten, erscheint dies als sichere, aber kaum dem Sinn der Freizügigkeit zumindest innerhalb der Europäischen Gemeinschaft entsprechende Methode, die „Fremden" von aktiver politischer Beteiligung dauerhaft auszuschließen. Wie wenig solche scheinbar großzügigen amtlichen Überlegungen zur Einbürgerung einer zielbewußten und entschlossenen Lösung des Ausländerproblems dienen können und sollen, ergibt sich auch daraus, daß keineswegs erwogen wird, die nach derzeitiger Verwaltungspraxis übliche Einbürgerungsvoraussetzung einer 10jährigen Niederlassung in der Bundesrepublik zu verkürzen. Erleichtert werden soll lediglich die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen, während man die Zahl der Einbürgerungen nicht zuletzt aus außenpolitischer Rücksicht weiter konstant zu halten hofft Deshalb erhalten Ausländer „aus Einwanderungsgründen", wie es hypokritisch heißt, meist gar nicht die Gelegenheit, die 10jährige Aufenthaltsdauer zu vollenden

Tatsächlich beabsichtigen nur sehr wenige Ausländer, für immer in die Bundesrepublik Deutschland einzuwandern. Die meisten von ihnen möchten hier lediglich für eine gewisse, vielfach erhebliche, aber doch begrenzte Dauer von Jahren leben und arbeiten, ohne deshalb Deutsche zu werden. Ihnen ist an effektiver Freizügigkeit, nicht an liberaler Einwanderungspolitik gelegen, die — wie frühere Erfahrungen mit den eingebürgerten polnischen Bergleuten im Ruhrgebiet zeigen — doch nicht notwendig zur vollständigen Integration der „Fremden" führt. Es geht mithin darum, die nichtdeutschen Bewohner des Bundesgebietes ihren Bedürfnissen und Interessen entsprechend einzugliedern, ohne sie gleichzeitig ihren Heimatländern zu entreißen und damit gänzlich zu entwurzeln. Dafür bedarf es verfassungskonformer Lösungen, um die Ausländer — oder jedenfalls die uns nächststehenden EG-Angehörigen unter ihnen — unter schrittweiser Umformung ihrer bedenklichen Objektrolle derart ins politische Leben un-seres Landes einzubeziehen, daß sie an der Gestaltung ihrer hiesigen Lebensverhältnisse verantwortlich mitwirken können. Vor dieser Notwendigkeit erweist sich der Hinweis auf die Möglichkeit der Einbürgerung unschwer als bequeme Ausflucht, auch wenn man einmal

INHALT I. Die Fragestellung in ihrem sozio-politischen Kontext II. Das verfassungsrechtliche Grundproblem

III. Zur Beteiligung der Ausländer am demokratischen Meinungs-und Willensbildungsprozeß

A. Politische Kommunikation als Legitimationsbasis staatlicher Entscheidungen

B. Zur demokratischen Funktion der „öffentlichen" Meinungsfreiheit C. Meinungs-, Informationsund

Pressefreiheit als Rechte der Ausländer auf politische Beteiligung D. Koalitionsfreiheit als politisches Teilhaberecht des Ausländers E. Zur Versammlungs-, Vereinsund

Parteienfreiheit IV. Das Kommunalwahlrecht als institutionalisierte Teilhabe an der gesellschaftlich-politischen Willensbildung A. Problemstellung B. Zur historischen Entwicklung des Verhältnisses von Staat und Gemeinde

C. Die Verfassungsposition der Gemeinde unter dem Grundgesetz D. Zur Tragweite der speziellen Homogenitätsklausel des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG E. Gemeindebürgerschaft als „aliud* gegenüber der Staatsbürgerschaft V. Voraussetzungen und Umfang einer Übertragung des Kommunalwahlrechts an Ausländer A. Voraussetzungen für den Erwerb des Gemeindebürgerrechts B. Die Besonderheit des Gemeinschaftsbürgerstatus

C. Umfang des Wahlrechts VI. Ergebnisse VII. Verfassungspolitischer Ausblick von den außenpolitischen Schwierigkeiten einer wirklich großzügigen Erstreckung der deutschen Staatsbürgerschaft absieht 12 Bekanntlich, wurzeln zahlreiche spezifische Schwierigkeiten der ausländischen Arbeiter, wie das Wohnungsproblem, die Gesundheitsversorgung und die Schulerziehung (einschließlich der Kleinkinderbetreuung), im gemeindlichen Bereich. Die Europa-Union Deutschland hat deshalb bereits auf ihrem 19. Ordentlichen Kongreß 1971 gefordert, allen Ausländern, die ein unbefristetes Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland haben, das aktive und passive Wahlrecht zu den Organen der kommunalen Selbstverwaltung zu verleihen Entsprechende Initiativen zur Änderung des jeweiligen Kommunalwahlrechts, die an das Bayerische Staatsministerium des Innern, das Berliner Abgeordnetenhaus, die Hamburger Bürgerschaft und die Landtage von Hessen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein gerichtet wurden, blieben jedoch ohne Erfolg.

Die vereinzelt auf Gemeindeebene gegründeten „Gastarbeiterparlamente" haben lediglich beratende Funktionen. Ihre Wirksamkeit ist — insoweit im Gegensatz zu den belgischen Erfahrungen — vorläufig gering geblieben. Geringe Wahlbeteiligung und die Einflußlosigkeit der gewählten Konsultationsorgane dürften dazu beigetragen haben. Auch die von den jeweiligen Innenministern 1971 empfohlene „Beteiligung von Ausländern am kommunalen Geschehen" in Baden-Württemberg (namentlich als beratende Ausschußmitglieder) und die Bildung von „Koordinierungskreisen für ausländische Arbeitnehmer auf kommunaler Ebene" in Schleswig-

Holstein, an denen die Ausländer allerdings kaum beteiligt sein sollen, scheinen bislang keine aufsehenerregenden Ergebnisse erzielt zu haben. Ob der soeben verabschiedeten rheinland-pfälzischen Gemeindeordnung mit ihrer neugeschaffenen Möglichkeit, die Vertreter berührter Bevölkerungsteile im Gemeinderat anzuhören in der Praxis mehr Erfolg beschieden sein wird, bleibt abzuwarten.

Hält man — zunächst ohne Rücksicht auf die Verfassungsrechtslage — nach Möglichkeiten Ausschau, die Ausländer wirksamer an der Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse zu beteiligen, so muß man sich folgende — freilich stark schematisierte — Sachlage vergegenwärtigen:

überlieferte Denkstrukturen und eingeübte Verhaltensweisen des repräsentativen Systems prägen noch sehr die apathische Grundhaltung der Aktivbürgerschaft in der Bundesrepublik. Hohe Wahlbeteiligung steht damit nicht in Widerspruch. Vielmehr erschöpft sich das politische „Verweigerungspotential" der Bevölkerung regelmäßig in der Möglichkeit des Stimmentzugs bei Wahlen.

Deshalb wird man das wichtigste Mittel für die Befriedigung gruppenspezifischer Interessen auf kommunaler, landes-und bundespolitischer Ebene nach wie vor im allgemeinen Wahlrecht sehen müssen Der Einfluß von in Verbänden und Gruppen artikulierten kollektiven Bedürfnissen soll damit nicht geschmälert werden. Doch stützt sich deren Durchsetzungsfähigkeit stets auf ihre Disposition über ökonomische oder politische Sanktionen gegenüber den jeweils die organisierte Staatlichkeit beherrschenden Gruppierungen. Die begrenzten Möglichkeiten der Ausländerorganisationen werden damit evident.

Wird also der politische Entscheidungsprozeß infolge weitverbreiteter Indifferenz maßgeblich vom Konkurrenzkampf der Parteieliten um Wählerstimmen geprägt, so haben die vitalen Bedürfnisse der in der Bundesrepublik lebenden Ausländer nur dann eine reale Chance kontinuierlicher Berücksichtigung, wenn sie sich, unabhängig vom konjunkturbedingten Wohlwollen einiger deutscher Politiker und Publizisten, in Wahlentscheidungen von einiger Relevanz Ausdruck verschaffen können.

Das auf solchem Weg anvisierte Ziel selbständiger Interessenverfolgung erscheint besonders dort erreichbar, wo der ausländische Bevölkerungsanteil gewichtig genug ist, um ein ernst zu nehmendes Wählerpotential darzustellen. Auch aus diesem Grund kommt dafür vorläufig nur die kommunale Ebene in Betracht. So beträgt der Ausländeranteil in den Industriezonen vielfach über 10 °/0; in elf Städten leben jeweils über 40 000 Ausländer und fast jeder fünfte Stuttgarter oder Frankfurter ist nicht Deutscher. Bezogen auf die im wahlfähigen Alter stehenden Personen sind die Verhältniszahlen zugunsten der Ausländer noch höher.

Angesichts der Dauer der Wahlperioden und gewisser Mindestaufenthaltsfristen, von denen das Ausländerkommunalwahlrecht nach allen Vorschlägen abhängig zu machen wäre, erschiene es daher sinnvoll, es auf Ausländer mit grundsätzlich unbegrenztem Aufenthaltsrecht zu beschränken. In Betracht kommen deshalb in erster Linie die Staatsangehörigen anderer EWG-Mitgliedsländer. Sie sind nach dem in Ausführung der Freizügigkeitsnormen des EWG-Vertrags und seiner Durchführungsvorschriften (oben Fn. 5) ergangenen Gesetz über Einreise und Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der EWG vom 22. 7. 1969 prinzipiell aufenthaltsberechtigt. Bei ihnen ist — infolge der Verfassungshomogenität der Mitgliedstaaten — zudem gewährleistet, daß sie mit den politischen Mitwirkungsformen einer freiheitlich-demokratischen Ordnung 7. 1969 18) prinzipiell aufenthaltsberechtigt. Bei ihnen ist — infolge der Verfassungshomogenität der Mitgliedstaaten — zudem gewährleistet, daß sie mit den politischen Mitwirkungsformen einer freiheitlich-demokratischen Ordnung von vornherein vertraut sind und sich unter diesem Gesichtspunkt für ihre kommunalpolitische Partizipation keine Schwierigkeiten ergeben. Jenseits aller sonstigen Opportunitäten entspräche die Einräumung des Kommunalwahlrechts für EWG-Bürger schließlich dem Willen der Gemeinschaftsländer, „die Grundlagen für einen immer engeren Zusammenschluß der europäischen Völker zu schaffen" 19).

Die gemeinsame politische Zielsetzung der Mitgliedstaaten, noch in diesem Jahrzehnt eine Europäische Union zu verwirklichen 20), läßt deshalb bei diesem Personenkreis auch alle traditionell geäußerten Befürchtungen zurücktreten, durch die Teilhabe von Ausländern an der deutschen öffentlichen Gewalt könne schließlich eine „Unterordnung der Ziele deutscher Politik unter ausländische Interessen" 21) stattfinden oder zumindest der Ausländer in einen unlösbaren Gewissenskonflikt gestürzt werden. Wo Staaten in ihrer inneren Verfassung und außenpolitischen Zielrichtung so wenig divergieren wie jene der Europäischen Gemeinschaft, gibt es keine Rechtfertigung mehr dafür, die überall geforderte „Eingliederung" der EWG-Ausländer auf die karitativ-soziale Ebene zu beschränken und sie nicht — als Pendant des unbeschränkten Aufenthaltsrechts — durch eine politische Partizipationschance zu verbessern und zu vervollständigen. Dies gilt zumindest für die gemeindliche Entscheidungsebene, wo praktische Daseinsvorsorgefragen im Vordergrund stehen, die einen ungleich geringeren politischen Identifikationsgrad verlangen, als dies für die — deshalb auf die biologische Abstammungsgemeinschaft beschränkte — „staatspolitische" Beteiligung angenommen wird 22).

Im folgenden soll deshalb untersucht werden, ob gegen die Ausdehnung des Kommunal-wahlrechts auf ausländische Gemeinschaftsbürger verfassungsrechtliche Bedenken bestehen.

II. Das verfassungsrechtliche Grundproblem

Geht man auf die naturrechtlich-aufklärerischen Ursprünge der modernen Demokratie zurück, also auf die Legitimierung aller Staatsgewalt aus der Selbstbestimmung des souveränen Volkes, wie sie auch im Grundgesetz ihren verbindlichen Ausdruck gefunden hat so scheint das Problem einer politischen Beteiligung von Ausländern am demokratischen Willensbildungsprozeß auf den ersten Blick verfassungsrechtlich nicht sonderlich kompliziert.

Das Recht auf politische Beteiligung steht dann prinzipiell jedem als Staatsbürger in das Gemeinwesen aufgenommenen Menschen gleichermaßen zu während dem Ausländer grundsätzlich solche Mitwirkung unter-sagt bliebe. Dementsprechend sind Parlamentswahlrecht und Abstimmungsberechtigung in parlamentarischen Demokratien heute allgemein den Inländern Vorbehalten

Obwohl das Grundgesetz den Begriff „Volk"

in Art. 20 Abs. 2 und Art. 21 Abs. 1 Satz 1 ebensowenig definiert wie es den Kreis der Wahl-und Stimmberechtigten selbst festlegt konkretisieren die in Ausführung des Art. 38 Abs. 3 GG ergangenen §§ 12, 16 BWahlG doch nur den eingangs erwähnten hergebrachten Grundsatz, indem sie das aktive und passive Wahlrecht ausschließlich deutschen Staatsangehörigen zusprechen Dagegen haben die Verfassungen der Bundesländer diese Einschränkung des Wahlrechts auf Deutsche meist schon selbst festgelegt Demnach scheint das Recht jedes Ausländers auf aktive politische Mitwirkung von der vorherigen Einbürgerung abhängig, also von einer Art Gnadenakt auf den — einer historisch-gemeineuropäischen Tendenz zur Nationalisierung des staatsbürgerlichen Status entsprechend —kein Anspruch besteht (vgl. § 8RuStG).

Vor diesem Hintergrund wäre es folgerichtig, dem Ausländer auch jede auf die Angelegenheiten seines Aufenthaltsstaates bezogenen politischen Meinungsäußerungen und erst recht eine Mitgliedschaft in politischen Vereinen und Parteien, kurz jede Beteiligung an der politischen Diskussion und am öffentlichen Leben zu versagen, weil hierdurch fremder Einfluß auf die öffentliche Meinungsbildung und damit zugleich auf die Wahlentscheidung des Staatsvolkes sowie schließlich auf die staatlichen Entscheidungen selbst ausgeübt wird.

Demgegenüber ist aber gerade das Hauptkommunikationsgrundrecht der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG nicht den Deutschen Vorbehalten, sondern jedem, d. h. auch dem Ausländer garantiert, der folglich zumindest an der allgemeinen Diskussion teilnehmen darf. Sollte Art. 5 Abs. 1 GG — wie sein Wortlaut nahelegt — damit zugleich die politische Meinungsfreiheit der Ausländer in Deutschland grundrechtlich schützen und ihnen hierdurch indirekten Einfluß auf staatliche Entscheidungsvorgänge erlauben, so wäre dies ein wichtiger Hinweis darauf, daß das Prinzip der Volkssouveränität die Teilnahme ausländischer Einwohner an der politischen Meinungs-und Willensbildung in der Bundesrepublik Deutschland jedenfalls nicht kategorisch ausschließt. Im folgenden wird deshalb untersucht, wieweit jene grundrechtliche Beteiligungsgarantie reicht (Kap. III) und ob das gleichfalls verfassungskräftige Gebot der Ausübung von Staatsgewalt durch das deutsche Volk eine Übertragung des kommunalen Stimmrechts auf EWG-Ausländer wirklich ausschließt (Kap. IV).

III. Zur Beteiligung der Ausländer am demokratischen Meinungs-und Willensbildungsprozeß

A. Politische Kommunikation als Legitimationsbasis staatlicher Entscheidungen Die Einführung der parlamentarischen Demokratie in Deutschland hat die liberale Trennung von Staat und Gesellschaft als zweier rechtlich und sozial geschiedener Sphären grundlegend modifiziert. Die demokratische Gesellschaft, das „Volk", wurde zur allgemeinen Legitimationsquelle staatlicher Entscheidungen. Staat und Gesellschaft erscheinen nunmehr als unterschiedlich strukturierte Teilbereiche eines durchweg autonom-gesellschaftlich bestimmten politischen Gesamtverbands Angesichts dieses durchgehenden demokratischen Willensbildungsverlaufs sind jene beiden Teilbereiche heute zwar faktisch untrennbar ineinander verwoben doch läßt sich der „gesellschaftliche" Meinungs-

Und Willensbildungsprozeß verfassungsrechtlich hinreichend deutlich von den Vorgängen der verbindlichen Staatswillensbildung differenzieren. Nach dem Grundgesetz übt das Volk als Staatsvolk nur in Wahlen und Abstimmungen selbständig und rechtsverbindlich Staatsgewalt aus (Art. 20 Abs. 2 Satz 2): Seine Willensäußerungen binden hier die Staatsorgane. Im übrigen aber müssen Willensbildung des Volkes und Entscheidungsbildung seiner verfaßten Organe unterschieden werden Die in der Bundesrepublik lebenden Menschen vermögen ihren politischen Willen nicht nur alle vier Jahre in Wahlen, sondern permanent durch Teilnahme an politischen Diskussionen und Demonstrationen, in Bürgerinitiativen und in den Massenmedien, (vgl. Art. 5 GG), über Vereine, Verbände (vgl. Art. 9 GG) und politische Parteien (vgl. Art. 21 GG), also durch Beteiligung an der sog. öffentlichen Meinungsbildung, zu äußern.

Die dabei ausgedrückten Auffassungen, Absichten und Stellungnahmen verpflichten die staatlichen Organe der Gesetzgebung, Exekutive und Rechtsprechung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) zwar nicht zu konformem Verhalten; Volkswillensbildung und staatliche Dezisionsprozesse sind insoweit rechtlich voneinander getrennt. Sie verlaufen jedoch auch nicht beziehungslos nebeneinander, sondern sind dauernd kommunikativ verkoppelt, weil aufeinander bezogen und voneinander abhängig.

So soll sich der einzelne die zu seiner politischen Meinungsbildung notwendigen Fakten-kenntnisse mit Hilfe der grundrechtlichen Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) verschaffen können. Dieses Recht wird durch staatliche Publizitätsgebote speziell durch die — heute paradigmatisch aufzufassende — Öffentlichkeit parlamentarischer Verhandlungen (z. B. Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG) ergänzt und schließlich aufgrund der politischen Rechenschaftspflicht aller parlamentarischen Mandatsträger vor der öffentlichen Meinung demokratisch komplettiert. Jeder Parlaments-abgeordnete ist nämlich seinem demokratischen Gewissen derart unterworfen (vgl.

Art. 38 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Art. 21 GG), daß er seine Entschlüsse pflichtgemäß nur in Kenntnis des öffentlichen Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Art. 21 GG), daß er seine Entschlüsse pflichtgemäß nur in Kenntnis des öffentlichen Meinungsund Interessenspektrums fassen und sich infolgedessen der Notwendigkeit, seine Entscheidungen vor der Öffentlichkeit zu begründen, nur unter politischen Risiken entziehen kann.

B. Zur demokratischen Funktion der „öffentlichen" Meinungsfreiheit Finden staatliche Dezisionen nach alledem im Bereich des politischen Meinungsaustauschs der Öffentlichkeit eine komplementäre demokratische Legitimation 37), so gewinnen die primär zum Schutze politischer Äußerungen normierten Grundrechte der Meinungs-und Pressefreiheit den Charakter demokratischer Beteiligungsrechte. Dieser zunächst von Ridder als „öffentliche Meinungsfreiheit" hervorgehobene partizipatorische Aspekt 38) ist heute in Rechtsprechung und Literatur weithin anerkannt. Dabei können die von Art. 5 GG geschützten diskursiven Äußerungen und Strukturen freilich nicht lediglich als „Vorformung der politischen Willensbildung des Volkes" aufgefaßt werden, denn „öffentliche Meinung" ist mehr als eine bloße Etappe auf dem Wege zur periodischen Wahl-entscheidung. Es handelt sich vielmehr um ein permanentes Kommunikationsverhältnis vor allem mit den staatlichen Instanzen, das deren Entscheidungen auch während der Legislaturperioden unablässig prägen und orientieren soll.

Damit aber hat jeder aktiv an der politischen Diskussion Beteiligte, also potentiell jeder Träger des Grundrechts der „öffentlichen" Meinungsfreiheit, zugleich mittelbaren Anteil an der Ausübung von Staatsgewalt. Dies gilt — weil Art. 5 GG keine Beschränkung auf „Deutsche" enthält — nach dem Wortlaut auch für den Ausländer.

C. Meinungs-, Informations-und Pressefreiheit als Rechte der Ausländer auf politische Beteiligung Ein verfassungskräftiges Recht des Ausländers auf Rede und Kritik auch rein politischen Inhalts scheint allerdings dem eingangs hervorgehobenen Grundsatz zu widersprechen, wonach die deutsche Staatsgewalt nur vom deutschen Volk ausgehen kann, dem Fremden mithin jegliche Teilhabe hieran versagt sei Solche — wie zu zeigen sein wird — vorschnellen Argumente werden überdies durch „ein gewisses Mißbehagen" gegenüber jeder politischen Betätigung der „Fremden" gestärkt die sich — angesichts leicht mobilisierbarer Fremdenfeindlichkeit — ohne Mühe als unzulässiger Einmischungsversuch in deutsche Angelegenheiten populär disqualifizieren läßt, vor allem, solange die Zahl der ausländischen Arbeiter in der Bundesrepublik tendenziell weiter steigt.

Da die Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG „jedem“ ungeteilt garantiert wird, rechtfertigt Tomuschat die erwünschte Beschränkung für Ausländer auf unpolitische Themen mit der Vermutung, der Verfassungsgeber habe die demokratische Funktion dieses Grundrechts „übersehen". Der Verfassungstext sei deshalb interpretatorisch dahin zu korrigieren, „daß die als Ausfluß der Rechtsstellung als Staatsbürger anzusehende politische Meinungsfreiheit dem Fremden nicht zusteht" Tomuschat beruft sich hierfür auf eine Analogie zu Art. 8 und 9 Abs. 1 GG. Die Beschränkung der dort garantierten Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit auf alle Deutschen sei nur wegen der zentralen Bedeutung gerade jener Grundrechte für die öffentliche Meinungsbildung verständlich Endlich könne sich ein Ausländer auch der Verantwortung für die von ihm mitbestimmten Entscheidungen jederzeit durch Rückkehr in seine Heimat entziehen, so daß diesem Status minderer Verantwortung auch ein Status minderen Rechts entsprechen müsse Ähnlich argumentiert Heuer der meint, bei „sinnentsprechender und den inneren Zusammenhang seiner Regelungen berücksichtigender Auslegung" könne dem Grundgesetz nicht entnommen werden, daß Ausländer ein Recht darauf besäßen, sich an der Vorformung des deutschen Staatswillens zu beteiligen. Erbel bestreitet den Ausländern die „große" Meinungsfreiheit als Instrument der politischen „Mitbestimmung“, will ihnen jedoch die „kleine" Meinungsfreiheit „schlichten Stellungnehmens“, z. B. am Stammtisch, zugestehen Unter dem Eindruck der arabischen Terroraktionen im Münchener Olympischen Dorf 1972 hat Kanein schließlich den merkwürdigen Vorschlag gemacht, das Recht auf politische Meinungsfreiheit entgegen seiner Stellung im Grundgesetz einfach „nicht als Grundrecht" zu bezeichnen

Keines dieser Argumente überzeugt indessen wirklich. Ob die demokratische Dimension des Art. 5 Abs. 1 GG dem Verfassungsgeber voll bewußt war, mag dahinstehen. Der „soziale Charakter" von Meinungsfreiheit war jedenfalls schon vor 1945 längst erkannt und die Funktion der „öffentlichen Meinung" als „einer Legitimation der politischen Herrschaft und der durch sie garantierten Ordnung“ hatte bereits Heller hervorgehoben freilich ohne daß man aus diesen Erkenntnissen seinerzeit schon dogmatische Konsequenzen, z. B. hinsichtlich einer Differenzierung zwischen Deutschen und Ausländern, gezogen hätte. Art. 118 Weimarer Reichsverfassung (WRV) beschränkte die Meinungsfreiheit allerdings auch ausdrücklich auf die Deutschen. Dennoch wurde sie von maßgebenden Autoren entgegen dem Verfassungstext zugleich den Ausländern zugeschrieben Manches spricht deshalb für die Annahme, daß der Grundgesetzgeber sich ausdrücklich vom Text der Weimarer Verfassung abwenden wollte, als er Art. 5 Abs. 1 als „Jedermann-Recht" anstatt wiederum, als „Deutschen-

Recht" normierte.

Speziell den Deutschen Vorbehalten blieben indessen die Versammlungs-und Vereinigungsfreiheit der Art. 8 und 9 Abs. 1 GG

Beide Grundrechte enthalten quasi kollektiv verdichtete Konkretisierungen der allgemeinen Meinungsfreiheit, garantieren mithin noch intensivere demokratische Beteiligungsformen als Art. 5 Abs. 1 GG. Da das Grundgesetz also sehr wohl anhand der unterschiedlich ausgeprägten partizipatorischen Komponenten seiner Kommunikationsgrundrechte zwischen Staatsangehörigen und Ausländern differenziert, könnte man mit dem gleichen Recht wie Tomuschat anstatt Art. 5 Abs. 1 GG einzuschränken, Art. 8 und 9 Abs. 1 GG entgegen ihrem Wortlaut auf Ausländer ausdehnen Beides widerspräche jedoch gleichermaßen der Verfassung, die ein sinnvoll abgestuftes System von gesellschaftlichen Mei-nungs-und Willensbildungsgarantien bereitstellt Ein Ausländer ist zwar von der rechtsverbindlichen Ausübung der Staatsgewalt im Wahlakt ausgeschlossen und hinsichtlich seiner Teilhabe an den politisch intensivsten Mitwirkungsformen der Versammlungs-und Vereinigungsfreiheit verfassungsrechtlich jedenfalls nicht voll geschützt wohl aber ist er Träger der Meinungs-und Pressefreiheit wie jeder Deutsche Ohnehin ließe sich die nationale politische Willensbildung durch eine Aufspaltung der Meinungsfreiheit nicht wirksam gegen „fremde", vor allem über ausländische Massenmedien verbreitete Einflüsse abschotten, denn die Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG umfaßt jedenfalls den Empfang derartiger Mitteilungen

Hinfällig wird dann auch der ähnlich motivierte Versuch Erbels, zwischen „großer" und „kleiner" Meinungsfreiheit zu unterscheiden — eine ohnehin nicht praktikable Grenzziehung die überdies stündlich neu vorgenommen werden müßte, denn was heute noch privat ist, kann morgen schon öffentlich und hochpolitisch sein.

Der weitere Hinweis, Fremde könnten sich vor den Konsequenzen ihres politischen Wirkens wieder in die Heimat absetzen, erscheint kaum stichhaltig, weil auch den Deutschen die Ausreise jederzeit offensteht 60). Daß ihnen — wie gelegentlich bemerkt wird — kein Aufnahmeanspruch außerhalb Deutschlands zustehe, ist zumindest in bezug auf die Europäische Gemeinschaft unzutreffend Was endlich das Problem der Terroraktionen betrifft, so berühren sie weder die Grundrechtsqualität des Art. 5 GG noch rechtfertigen derartige Vorkommnisse eine Beschränkung der Meinungsfreiheit von Ausländem, weil die kriminelle Intensität solcher eigens eingeschleuster Täter derart groß ist, daß ihre Vorhaben auch durch eine Beschneidung der Rechte aus Art. 5 GG nicht zu verhindern wären

Das bisher Gesagte gilt in gleicher Weise auch für die neben der Meinungsfreiheit in Art. 5 Abs. 1 GG enthaltenen Grundrechte der Informations-und Pressefreiheit, die ebenfalls entscheidend vor jener demokratischen Mitwirkungsfunktion geprägt sind.

D. Koalitionsfreiheit als politisches Teilhaberecht des Ausländers Bedeutsamer als das den Ausländern zustehende Petitionsrecht (Art. 17 GG), das zwar eine politische Komponente aufweist, im Prozeß der politischen Meinungs-und Willensbildung aber praktisch kaum eine Rolle spielt, ist das ebenfalls nicht auf Deutsche beschränkte Grundrecht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits-und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden (Art. 9 Abs. 3 GG). Die ganz überwiegende Mehrheit des ausländischen Bevölkerungsteils besteht nämlich aus abhängig Erwerbstätigen, d. h. vor allem aus sog. Gastarbeitern im industriellen Produktionsbereich einschließlich des Baugewerbes (1970: 82, 7%) oder im Dienstleistungssektor (1970: 16, 4%)

Durchschnittlich sind diese ausländischen Arbeiter zu etwa 22 % in deutschen Gewerkschaften organisiert, wobei der Organisationsgrad in der chemischen und in der metallverarbeitenden Industrie so erheblich höher liegt, daß der Anteil der ausländischen Mitglieder in den Industriegewerkschaften Chemie und Metall heute bereits 10% des Mitgliedergesamtbestandes überschritten hat -Nachdem § 7 des Betriebsverfassungsgesetzes das aktive und passive Wahlrecht zum Betriebsrat jetzt auch allen Ausländern verleiht dürfte die Attraktivität der Mitgliedschaft in den Gewerkschaften weiter zunehmen.

Im vorliegenden Zusammenhang interessiert primär die Bedeutung des Grundrechts der Koalitionsfreiheit für die allgemeine politische Willensbildung. Zwar scheint der Wortlaut des Art. 9 Abs. 3 GG anzudeuten, daß sich die Verantwortlichkeit der Koalitionen auf tarifvertragliche Vereinbarungen über Lohn-und Arbeitsbedingungen beschränkt doch normierte bereits Art. 165 Abs. 1 WRV diesen Verantwortungsbereich wesentlich umfassender: „Die Arbeiter und Angestellten sind dazu berufen, gleichberechtigt in Gemeinschaft mit den Unternehmern an der Regelung der Lohn-und Arbeitsbedingungen sowie an der gesamten wirtschaftlichen Entwicklung der produktiven Kräfte mitzuwirken." Es kann daher davon ausgegangen werden, daß das Grundgesetz diesen verfassungsrechtlich und faktisch (in den Ländern) bereits vorgefundenen Zustand nicht beseitigen, sondern in der verkürzten Formel ..... Wahrung und Förderung der Arbeitsund Wirtschaftsbedingungen" bestätigen wollte, zumal es die Bundesrepublik zugleich als Sozialstaat (Art. 20 Abs. 1 GG) verfaßt hat -Dem entspricht die seitherige Ent-Wicklung. Das breite allgemein-politische, über den engen Rahmen von Lohnverhandlungen wesentlich hinausreichende Verantwortungsspektrum der sozialen Gegenspieler ist heute weithin anerkannt und durch maßgebliche Beteiligung in unterschiedlichsten Entscheidungsbereichen, wie etwa den Rundfunk-bzw. Fernsehräten an der „konzertierten Aktion" nach § 3 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft oder im Wirtschafts-und Sozialausschuß der Europäischen Gemeinschaft vielfach rechtlich sanktioniert.

Als autonome Organisationen zur Regelung des zentralen Lebensbereichs der industriellen Arbeit, dessen Bedeutung für die Stabilität des Gesamtsystems nicht unterstrichen zu werden braucht, wirken deshalb auch die Koalitionen maßgeblich bei der politischen Willensbildung mit und kommen insoweit den — freilich noch „staatsnäher" agierenden -— Parteien nahe

Damit aber unterliegen die jeweiligen Verbände der gesellschaftsordnenden Dimension des Sozialstaatsprinzips, d. h.dem grundsätzlichen Gebot innerverbandlicher Demokratie Uber das Grundrecht des Art. 9 Abs. 3 können dann auch die Ausländer in den . Koalitionen zu „Mitträgern der freiheitlich demokratischen Grundordnung" werden.

Angesichts des ständig wachsenden Umfangs hoheitlicher Wirtschaftsregulierung nähert sich die konstitutionelle Verbürgung eines autonomen Verantwortungsbereichs für Koalitionen verfassungsrechtlich der Garantie kommunaler Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) Man könnte hier deshalb bei aller sonstigen Verschiedenheit von „sozialer Selbstverwaltung" sprechen. Institutioneile Verdichtungspunkte „sozialer Selbstverwaltung" im organisatorisch tief gestaffelten System der politisch organisierten Gesellschaft ermöglichen auf solche Weise eine intensive Teilhabe am demokratischen Willensbildungsprozeß, ohne daß der einzelne hierbei _ wie als Parlamentswähler (vgl. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) — selbst und unmittelbar „Staatsgewalt" ausübt.

E. Zur Versammlungs-, Vereins-und Parteienfreiheit

Ausdrücklich auf Deutsche beschränkt sind, wie schon hervorgehoben, die Versammlungsund die allgemeine Vereinsfreiheit (Art. 8, 9 Abs. 1 GG), obwohl beide nur kollektive — und deshalb allerdings in besonderem Maße „politische“ — Ausdrucksformen der auch den Ausländern garantierten demokratischen Meinungsfreiheit darstellen Die gemeinsamen sozial-und ideengeschichtlichen Grundlagen dieser Rechte einerseits und des Demokratie- sowie des Menschenrechtsgedankens andererseits machen jedoch deutlich, daß beide Freiheiten einen „menschenrechtlichen Kern" besitzen Niemand kann sich im demokratischen Gemeinwesen ohne intensiveren sozialen Kontakt verantwortlich verwirklichen. Gerade wegen dieses speziellen historischen Demokratiebezuges umfaßt jener menschenrechtliche Minimalbestand auch politische Versammlungen und Vereine soweit sie mit legitimen Staatszwecken nicht in Widerspruch geraten. In ihrer Kernzone ste-hen die Versammlungs-und Vereinsfreiheit daher als Menschenrechte über Art. 1 Abs. 2 GG auch den Ausländern zu was diesen einen — freilich mit dem Vorbehalt der Gemeinverträglichkeit (§ 6 Abs. 2 AuslG) belasteten — weiteren Zugang zur Mitwirkung bei der politischen Willensbildung eröffnet.

Dem hat der Gesetzgeber Rechnung getragen, indem er in Art. 1 Abs. 1 Vereinsgesetz die Gründung von Vereinen sowie in § 1 Abs. 1 VersammlungsG das Abhalten und die Teilnahme an Versammlungen Ausländern wie Deutschen gleichermaßen freistellt, wobei für den Ausländerverein jedoch dehnbar formulierte Verbotsmöglichkeiten existieren (§ 14 VereinsG)

Als Spezialfall der Vereinsfreiheit steht auch die Parteienfreiheit lediglich Deutschen offen, doch gilt das nur für die individualrechtliche Komponente der Parteigründungsfreiheit. Da die deutschen Parteien Ausländer aufnehmen können kommt diesen als Mitglieder das Parteienprivileg des Art. 21 Abs. 2 GG reflexiv zugute, welches, um effektiv zu sein, auch für Funktionäre und Anhänger gilt -Sobald eine Partei oder ihr Vorstand allerdings mehrheitlich aus Ausländern besteht, verliert sie gern. § 2 Abs. 3 Nr. 1 ParteienG ihren privilegierten Parteienstatus; die ausländischen Mitglieder sind dann letztlich — jenseits des Vereinsgesetzes — nur noch nach Maßgabe des menschenrechtlichen Ge-halts von Art. 9 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 2 GG geschützt.

Was schließlich die Europäische Menschenrechtskonvention (MRK) anlangt, so werden zwar durch Art. 10 und 11 Meinungs-, Versammlungs-, Vereinsund Gewerkschaftsfreiheit für jedermann gewährleistet, so daß die soeben zu Art. 8, 9 Abs. 1 vertretene menschenrechtliche Qualifizierung prinzipiell bestätigt wird, doch gestattet es die Auslegungsregel des Art. 16 MRK, alle Fremden von die-sen politischen Garantien auszuschließen und jene Rechte in alter fremdenpolizeilicher Tradition zu Staatsbürgerrechten zu reduzieren

In der Bundesrepublik jedoch kann sich der Ausländer als Träger der grundrechtlichen Meinungsund Koalitionsfreiheit und als In-haber eines gesetzlich umrissenen „Mindeststandards" im Bereich von Vereinsund Versammlungsrecht in vielfältiger Weise am demokratischen Willensbildungsprozeß beteiligen.

IV. Das Kommunalwahlrecht als institutionalisierte Teilhabe an der gesellschaftlich-politischen Willensbildung

A. Problemstellung Die bisherigen, zum Teil als Landtags-Petitionen vorgetragenen Vorstöße der Europa-Union Deutschland, EWG-Bürgern das aktive und passive Kommunalwahlrecht zu verleihen, sind bislang abschlägig beschieden worden. So hat die Ständige Konferenz der Innenminister eine solche Erweiterung des Wahlrechts am 5. 2. 1971 ebenso abgelehnt wie etwa der Hessische Landtag auf Empfehlung seines Hauptausschusses

Die lapidare und etwas schematische Begründung lief stets darauf hinaus, daß die jeweilige Landesverfassung oder das Landeswahlgesetz die aktive und passive Wahlberechtigung auf deutsche Staatsangehörige beschränke. Es sei dies eine Konsequenz aus dem jeweils verfassungskräftig verbürgten Prinzip der Souveränität des (deutschen) „Staatsvolkes", von dem alle Staatsgewalt ausgehe. Darunter müsse die „ganze Staatsgewalt" einschließlich des kommunalen Kompetenzbereichs verstanden werden Demnach stehe auch das Kommunalwahlrecht ausschließlich deutschen Staatsangehörigen zu. Seine Übertragung auf Ausländer sei deshalb (landes-) verfassungswidrig. Tatsächlich verweist Art. 12 Abs. 1 BayVerf für alle Gemeindewahlen auf die „Grundsätze für die Wahl zum Landtag“, während Art. 50 Abs. 1 Rheinl-PfVerf Kommunalwahlen „nach den Grundsätzen des Art. 76" anordnet Die nach beiden Landesverfassungen heranzuziehenden Bestimmungen enthalten nicht nur die traditionellen Grundsätze allgemeiner, gleicher, unmittelbarer, geheimer und freier Wahl sondern beschränken das Wahlrecht zugleich auf deutsche Staatsbürger

Was mit bei den Verweisungen gemeint ist, erschließt sich allerdings erst bei Betrachtung ihres Vorbildes, des Art. 17 der Weimarer Reichsverfassung und seiner Entstehungsgeschichte. Art. 17 WRV — vergleichbar dem Art. 28 GG — enthielt verfassungspolitische Normativbestimmungen für Länder und Gemeinden und hatte folgenden Wortlaut: „Jedes Land muß eine freistaatliche Verfassung haben. Die Volksvertretung muß in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl von allen reichsdeutschen Männern und Frauen nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt werden. Die Landesregierung bedarf des Vertrauens der Volksvertretung.

Die Grundsätze für die Wahlen zur Volksvertretung gelten auch für die Gemeindewahlen. Jedoch kann durch Landesgesetz die Wahlberechtigung von der Dauer des Aufenthalts in der Gemeinde bis zu einem Jahre abhängig gemacht werden."

Während der erste Vorentwurf ebenso wie der erste veröffentlichte Entwurf der Reichsverfassung keinen Hinweis auf die „reichsdeutsche" Zugehörigkeit der Wahlberechtigten enthielten, wurde dieser Zusatz vom Verfassungsausschuß und der Nationalversammlung eingefügt, nachdem der Staatenausschuß mit der Bestimmung:

„Die Ausübung politischer Rechte kann von dem Besitz der Staatsangehörigkeit abhängig gemacht werden“

das einzelstaatliche Bürgerrecht wieder hereinzubringen versucht hatte. Diese Meinungsverschiedenheit entscheidet Art. 17 in seiner verabschiedeten Fassung zuungunsten der politischen Bevorzugung der Landesangehörigen und zugunsten der Rechtsgleichheit der Reichsbürger im Willensbildungsprozeß der Länder, wie es an anderer Stelle und in weiterem Zusammenhang nochmals zum Ausdruck kommt (Art. 110 Abs. 2 WRV). Die Betonung liegt also eindeutig auf reichsdeutsch im Gegensatz zu landesangehörig.

Nichts anderes bedeutet die Verweisung des Art. 17 Abs. 2. Auch hier gilt der Grundsatz der innerdeutschen Nichtdiskriminierung: Zu den Gemeindewahlen waren die Reichsdeutschen zugelassen, mit der wichtigen und gerade diesen Sinn der Verweisung deutlich machenden Einschränkung, daß trotz der Gleichstellung aller Deutschen das Kommunalwahlrecht von einer Mindestaufenthaltsdauer abhängig gemacht werden konnte (Art. 17 Abs. 2 Satz 2)

Dieser entstehungsgeschichtliche Zusammenhang verbietet den Schluß, Art. 12 Abs. 1 Bay-Veit und Art. 50 Abs. 1 RheinlPfVerf bestätigten einen allgemeinen Verfassungssatz, demzufolge nur deutsche Staatsbürger kommunal-wahlberechtigt sein könnten Die Verweisung auf die Grundsätze der Landtagswahl umschließt vielmehr, außer den historisch überkommenen auch in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG wie schon in Art. 22 Abs. 1, 125 WRV enthaltenen, traditionellen demokratischen Wahlrechtsprinzipien dasselbe innerdeutsche Diskriminierungsverbot, wie es Art. 17 WRV — in Fortentwicklung des Art. 3 RV 1871 — zum Ausdruck brachte: Landtags-und gemeindewahlberechtigt sind alle

Deutschen, nicht bloß Landeszugehörige. Damit stimmt es überein, wenn das Grundgesetz zwar eine „Staatsangehörigkeit in den Ländern" ausdrücklich voraussetzt (Art. 74 Nr. 8 GG), aber auch für das Landeswahlrecht jede Differenzierung nach Landeszugehörigkeit verbietet (Art. 33 Abs. 1 GG)

Läßt sich also weder aus der Bayerischen noch der Rheinland-Pfälzischen Verfassung eine ausdrückliche Beschränkung des Kommunalwahlrechts auf deutsche Staatsangehörige entnehmen, so ist damit noch nicht die Behauptung widerlegt, die entsprechenden Regelungen in den Kommunalwahlgesetzen konkretisierten nur das allgemeine Verfassungsprinzip, demzufolge alle Staatsgewalt vom Volke — als der Gesamtheit aller Staatsangehörigen — auszugehen habe. Wer so argumentiert, setzt allerdings zwangsläufig voraus, daß ein Kommunalwähler „Staatsgewalt" ausübt, die von ihm gewählten Gemeindeorgane mithin als Teile der staatlichen Verwaltung tätig werden

Diese Annahme ist problematisch. Ihr steht zunächst entgegen, daß den Gemeinden in Art. 28 Abs. 2 GG ein alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umgreifendes Recht auf Selbstverwaltung garantiert ist. Bloße Verwaltungsuntergliederungen im staatlichen Exekutivapparat könnten schwerlich mit einem so umfassenden eigenen Recht gegenüber höheren Instanzen ausgestattet sein. Nicht zufällig geht das Grundgesetz bei der Normierung der politischen Strukturprin-zipien im zweiten Abschnitt von einer „politischen Dreiteilung" in Bund, Länder und Gemeinden aus, während es verwaltungsorganisatorisch nur Bundes-und Landesverwaltung (VIII. Abschnitt) vorsieht Noch zweifelhafter wird jene Zuordnung der Gemeinden zu den Verwaltungsbehörden im Sinne einer „mittelbaren Staatsverwaltung" wenn man bedenkt, daß die kommunale Selbstverwaltung noch in der Weimarer Reichsverfassung als Grundrecht (Art. 127) neben Versammlungs-und Vereinigungsfreiheit 106 (Art. 123, 124) gestellt war und infolgedessen bis vor kurzem allgemein als gegen den Staat gerichtetes Grundrecht bürgerlicher Autonomie verstanden wurde. Dann aber liegt es nahe, die Gemeinden auch heute eher als eine institutionalisierte Form gesellschaftlicher Selbstorganisation denn als Abteilungen der staatlichen Verwaltung zu begreifen Insoweit müßten sie im Kern auf autonomer demokratischer Legitimation durch die örtliche Gemeinschaft beruhen, d. h. prinzipiell unabhängig von der Legitimation staatlicher Organe durch das Volk bestehen. Die Teilnahme von Ausländern an Kommunalwahlen wäre dann nur eine institutionell gesteigerte Form ihrer Teilhabe am allgemeinen politischen Meinungsund Willensbildungsprozeß. Sie würden damit nicht bei der dem deutschen Volke vorbehaltenen Staatswillensbildung mitwirken, so daß die von hier aus begründeten verfassungsrechtlichen Bedenken entfielen. Im folgenden soll diese Hypothese näher untersucht werden.

B. Zur historischen Entwicklung des Verhältnisses von Staat und Gemeinde Die rechtliche Position der Gemeinde im heutigen Verfassungssystem, das ihre Eigenverantwortlichkeit für „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze" garantiert (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG), beruht vornehmlich auf historischen Entwicklungsstufen gemeindlicher Selbstverwaltung, die ins frühe 19. Jahrhundert zurückreichen.

Damals begann sich der säkulare Dualismus zwischen monarchisch fundierter Staatsgewalt und einer sich hiervon emanzipierenden bürgerlichen Gesellschaft herauszubilden, wie er für den deutschen Konstitutionalismus so charakteristisch ist. Es war dies vor allem ein Dualismus konkurrierender Legitimationsformen von traditional begründeter Staatsverwaltung einerseits und den als Gestaltungen bürgerlicher Selbstorganisation begriffenen politischen Vereinigungen, Gemeinden und Volksvertretungen andererseits

Dabei war es freilich noch das Ziel der Preußischen Städteordnung des Freiherrn vom Stein (v. 19. 11. 1808) gewesen, jenes dualistische Auseinanderfallen von Staat und Gesellschaft dadurch zu verhindern, daß den Städten autonome Verwaltungsbereiche übertragen wurden, um das aufstrebende Bürgertum auf diese Weise an der Gesamtverantwortung und Verwaltung mit zu beteiligen, um es in den monarchischen Staat zu integrieren anstatt es zu separieren

Rückblickend ist hiermit eine für den Status der Gemeinden entscheidende Positionsbestimmung erfolgt: Als „politischer Integrationsfaktor“ sollten sie weder bloß „als Teil der Staatsverwaltung noch als eine rein gesellschaftliche Institution" bestehen

Das Stein'sche Konzept war indessen nur zu verwirklichen, wenn auch die Staatsverwaltung vom Bürgertum mitgetragen, d. h. mindestens teilweise durch gewählte Repräsentanten legitimiert wurde. Tatsächlich hat Stein die Städteordnung selbst nur als Teil einer umfassenden Neuorganisation des Staates gesehen, die über die Reform der Landgemeinden zur Einrichtung von Provinzial-und Reichsständen führen sollte Die Nassauer Denkschrift gibt darüber deutlichen Aufschluß. Bekanntlich scheiterten jedoch Steins weitere Reformansätze in den nachfolgenden Restaurationsjähren, während die politischen Gegensätze zwischen der ausschließlich monarchisch fundierten Staatsbürokratie und den vom Bürgertum gewählten Kommunalverwaltungen immer schärfer wurden Gerade weil das deutsche Bürgertum im 19. Jahrhundert kein parlamentarisches Regierungssystem durchzusetzen vermochte, blieb vor allem die gesellschaftliche Natur der gemeindlichen Selbstverwaltungskörperschaften lebendig. In dieser Nähe zu anderen Formen politischer Selbstorganisation der bürgerlichen Gesellschaft, wie etwa den Vereinen, sah man den wesentlichen Unterschied zur staatlichen Exekutive Folgerichtig verstand die Verfassungspraxis jener Zeit das Recht auf kommunale Selbstverwaltung als einen grundrechtlich ausgegrenzten Bereich gesellschaftlicher Freiheit vor staatlichen Ein-griffen: Schon § 2 der Städteordnung von 1808 hatte jede Staatsaufsicht prinzipiell ausgeschlossen

Erst gegen Ende des Kaiserreiches entwickelte dann vor allem Hugo Preuß den schon in der genossenschaftlichen Staatsdeutung 0. v. Gierkes angeklungenen Gedanken einer strukturellen Homogenität staatlicher und kommunaler Verwaltungsreform fort, indem er die gesamte innere Staatsverwaltung genossenschaftlich kommunalisieren wollte Nachdem die Monarchie untergegangen und das Volk deshalb seit 1919 zur einzigen Legitimationsquelle des Staates geworden war, hätte sich dieses Konzept eigentlich prinzipiell durchsetzen können, denn in der Demokratie „kann die Gemeindeverwaltung nicht auf einem anderen politischen Prinzip beruhen als die Staatsverwaltung selbst" Dennoch normierte die Weimarer Verfassung die Gemeindeautonomie als staatsgerichtetes Grundrecht und bestätigte diesen „konstitutionellen Ausdruck der bürgerlichen Gesellschaft" dadurch nachdrücklich Es sei dahingestellt, ob dies die Folge des überlebens einer an sich monarchisch fundierten Bürokratie war. Festzustellen bleibt die historische Kontinuität, wobei sich die Gemeinden im Zuge der Weimarer Entwicklung freilich immer stärker zu lokalen Untergliederungen der demokratischen Zentralgewalt entwickelten

C. Die Verfassungsposition der Gemeinde unter dem Grundgesetz Nach 1945 war der Verfassungsgeber abermals vor die Aufgabe gestellt, die Position der Gemeinde im demokratischen System zu bestimmen; er entschied sich wiederum für Kontinuität

Wenn auch aus dem Grundrechtskatalog herausgenommen, wurde das Selbstverwaltungsrecht doch in Art. 28 Abs. 2 GG verfassungskräftig als institutionelle Garantie normiert. Damit hat die Gemeinde das „prinzipiell gesellschaitliche Mandat eines politischen Formprinzips behalten" ohne jedoch weiter von strukturellen Gegensätzen zur Staatsorganisation bestimmt zu werden. Im demokratischen Verfassungssystem können Staat und Kommunen vielmehr nur gleichermaßen demokratisch strukturiert sein, wie dies auch die Homogenitätsbestimmung des Art. 28 Abs. 1 Sätze 2, 3 GG vorsieht. Wesentlich ist aber, daß beide unterschiedliche, voneinander unabhängige Legitimationsquellen besitzen: Hier das Staatsvolk als demokratische Zentralinstanz, dort die „örtliche Gemeinschaft" der Gemeindeangehörigen.

Neben diesem gesellschaftlich-autonomen Aspekt soll keineswegs die staatlich-administrative Komponente der Gemeinden geleugnet werden. Die Kommunen waren stets zugleich örtliche (Außen-) Stellen der Zentralverwaltung und sind heute angesichts umfassender Planungssysteme (vgl. Art. 104 a Abs. 4, 109 Abs. 4 Nr. 1 GG) vielleicht mehr denn je in Gefahr, zur bloßen Verwaltungsinstanz oder Planvollzugsstelle herabzusinken.

Ihr überkommener und grundgesetzlich garantierter Kernbereich, sozusagen ihr charakteristischer „Wesensgehalt", läßt sich indessen nicht von diesem Sektor des gemeindlichen Tätigkeitsbereichs her bestimmen.

Grundgedanke der Prinzipien von Selbstverwaltung und Autonomie ist es vielmehr auch heute noch, die in der Bevölkerung lebendigen Kräfte eigenverantwortlich zur Ordnung der sie besonders berührenden Angelegenheiten heranzuziehen und ihren Sachverstand für die Findung des „richtigen" Rechts zu nut-zen also die an der „örtlichen Gemein-schäft" beteiligten Personen zur Lösung ihrer eigenen Probleme zu aktivieren

Man hat jene zweifache Aufgabenstellung der Kommunen als staatliche Verwaltungsbehörde und Selbstverwaltungskörperschaft treffend als ihren „Doppelaspekt" (Köttgen) gekennzeichnet und sodann versucht, den hoheitlichen Vollzug von Gesetzen in den For-men der Eingriffsverwaltung dem staatlichen Bereich, die „Bereitstellung von Einrichtungen" zur Förderung wirtschaftlicher, sozialer oder kultureller Bedürfnisse der Einwohner i. S.der kommunalen Daseinsvorsorge aber dem Selbstverwaltungsbereich zuzuordnen. Das trifft, wenn auch nicht mit voller Trennschärfe, immer noch im Grundsatz zu, mag auch heute der moderne Leistungsstaat soziale Sicherheit und gesellschaftlichen Fortschritt seiner Bürger als eine umfassende öffentliche Aufgabe begreifen. Die selbständige Rolle der Gemeinden dabei zu übersehen und sie zu dezentralen Verwaltungseinheiten im Sinne mittelbarer Staatsverwaltung herabzustufen wäre eine arge Vergröberung, die weder mit dem Normbefund noch mit der Realität übereinstimmt. Art. 28 Abs. 2 GG garantiert den Kommunen vielmehr weiterhin einen — freilich elastischen — kompetenziellen Kernbereich zur „eigenverantwortlichen Erfüllung öffentlicher Aufgaben der engeren Heimat" den sie auch unter den Bedingungen des Sozialstaats effektiv und mit sehr unterschiedlichem Erfolg auszufüllen sich bemühen. Wenn es auch schwieriger geworden sein mag, jenem „Doppelaspekt" der Gemeinden bestimmte öffentliche Aufgabenkreise abstrakt zuzuordnen, so entspricht doch diese Zweigleisigkeit kommunaler Tätigkeit nach wie vor den getrennten Willensbildungsprozessen, denen Gemeinde und Staatsverwaltung unterliegen. Es ist der Doppelaspekt kommunaler Legitimation, welcher den Doppelaspekt des kommunalen Status als eines integrierenden Bestandteils unserer politischen Verfassungsstruktur begründet. Mit der Übernahme des traditionell autonomen Willensbildungsverfahrens im gemeindlichen Be-reich hat sich der Verfassungsgeber zum Dualismus der politischen Legitimationsquellen entschlossen und nicht etwa nur zur Dezentralisation des staatlichen Verwaltungsapparates unter dem Aspekt der „Bürgernähe": Soweit die Gemeinden staatliche Gesetze unter Fachaufsicht ausführen, nehmen sie an deren parlamentarischer Legitimation teil und stützen sich deshalb mittelbar auf das Staatsvolk als Legitimationsquelle. Soweit sie Selbstverwaltungsangelegenheiten besorgen, erhalten sie ihre eigene Legitimation aus den Gemeindewahlen und stützen sich folglich „unmittelbar" auf die Gemeindeangehörigen als Legitimationsbasis.

Folgerichtig lassen sich die Grundsätze, die für die Übertragung rechtsetzender Gewalt durch Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen an die Exekutive gelten, wegen der autonomen demokratischen Legitimation der Gemeinden nicht auf gesetzliche Ermächtigungen zum selbständigen Erlaß von Gemeindesatzungen anwenden Art. 80 Abs. 1 GG und die gleichlautenden Bestimmungen der Landesverfassungen, nach denen in der Ermächtigungsgrundlage Inhalt, Zweck und Ausmaß der Rechtsetzungsbefugnis festgelegt sein müssen, gelten hier nicht Angesichts der beschriebenen Funktions-und Legitimationstrennung im kommunalen Sektor wirkt ein Gemeindebürger jedenfalls als Kommunalwähler nicht rechtsverbindlich bei der Staatswillensbildung mit.

D. Zur Tragweite der speziellen Homogenitätsklausel des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG Dennoch könnte den Ausländern jede Teilnahme an Gemeindewahlen deshalb versperrt sein, weil die spezielle Homogenitätsklausel des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG bestimmt, in den Ländern, Kreisen und Gemeinden müsse „das Volk" eine demokratisch gewählte Vertretung haben. Wenn der Begriff des Volkes hier nämlich inhaltlich mit dem in Art. 20 Abs. 2 Sätze 1, 2 GG ebenfalls verwendeten Ausdruck „Volk" übereinstimmen sollte, so wäre hierunter die Gesamtheit der jeweiligen Staatsangehörigen unter Ausschluß aller „Fremden" zu verstehen.

Nun hat das Wort „Volk" allerdings schon in Art. 20 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 unterschiedli-chen Inhalt: In Satz 1 wird hierunter die „Gesamtbürgerschaft", d. h. alle Staatsangehöri-gen verstanden, in Satz 2 hingegen ist nur die Aktivbürgerschaft", d. h. die Gesamtheit aller wahlberechtigten Staatsbürger gemeint Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG übernimmt aber ersichtlich keinen dieser Begriffe. Entsprechend der Formulierung in der Grundgesetzpräambel soll hiernach nämlich das „Deutsche Volk in den Ländern" ebenfalls demokratisch vertreten werden; mithin nicht als Gesamtbürgerschaft, sondern als Bürgerschaft des jeweiligen Bundeslandes ist es in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG angesprochen. Darunter ist nicht ein entsprechend beschränkter Teil der Bundes-Aktivbürgerschaft zu verstehen, denn dann wäre Art. 33 Abs. 1 GG, der jedem Deutschen in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten garantiert, insoweit überflüssig: Jeder Bundeswahlberechtigte wäre an seinem Wohnort schon nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG zugleich landtagswahlberechtigt. Auch wäre der Landesgesetzgeber nicht mehr „grundsätzlich frei bei der Gestaltung des Landeswahlrechts" könnte also das Wahlalter und andere Wahlvor-aussetzungen nicht abweichend vom Bundeswahlrecht regeln So verstießen alle Landeswahlgesetze, weil sie die Wahlberechtigung an eine bestimmte Aufenthaltsdauer (3 oder 6 Monate) im Land knüpfen, insoweit ge-gen Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG, obwohl das Grundgesetz von einer Staatsangehörigkeit in den Ländern ausgeht (Art. 74 Nr. 8).

In Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG kann also nur die deutsche Bevölkerung des jeweiligen Landes oder Gemeindebzw. Kreisgebietes gemeint sein („das Deutsche Volk in den Ländern"). Damit sind die Ausländer indes nicht generell vom Kommunalwahlrecht ausgeschlossen, denn jene Vorschrift (i. V. m. Art. 33 Abs. 1 GG) bestimmt allein, daß jedenfalls der deutsche Bevölkerungsteil in Ländern, Kreisen und Gemeinden demokratisch vertreten sein muß, verbietet hierdurch aber nicht eine Ausdehnung der demokratischen Vertretung auf ausländische Gemeindeangehörige. Diese Auslegung des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 i. S. einer unverzichtbaren Mindestforderung ergibt sich zwingend aus dem lediglich rahmensetzenden Charakter derartiger Homogenitätsklauseln

Die mit der Teilnahme an Bundesund Land-tags-

(Bürgerschafts-, Abgeordnetenhaus-)

wählen verbundene Ausübung von Staatsgewalt bleibt freilich stets den Deutschen Vorbehalten, weil nach Art. 20 Abs. 2 GG „alle Staatsgewalt" unstreitig nur von deutschen Staatsangehörigen ausgeht. Dahingestellt bleiben kann hierbei, ob auch die Landesstaatsgewalt unter diese Vorschrift fällt oder ob das Landesvolk originäre Langes-Staatsgewalt ausübt Wegen der Mwirkung der Länder bei der Bundesgesetzgebung erstreckt sich Art. 20 Abs. 2 GG nämlich insoweit zugleich auf Landeswahlen und verbietet deshalb auch die Übertragung des Landeswahlrechts an Ausländer.

Im übrigen beschränken fast alle Landesverfassungen (außer in Hamburg, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen) das aktive und passive Wahlrecht zu den Landesparlamenten ohnehin ausdrücklich auf deutsche Staatsangehörige. Diese Beschränkung gilt indessen gerade nicht für Kommunalwahlen, welche allein der Selbstlegitimation des autonomen örtlichen Aufgabenbereichs dienen, ohne daß hierdurch gleichzeitig die zentrale (Landes-bzw. Bundes-) Staatsgewalt berührt würde.

Nochmals: Es geht hierbei nicht um eine konkrete Abgrenzung von kommunalen und staatlichen Zuständigkeiten, sondern nur um die autonome politische Fundierung der gemeindlichen Verwaltung auf der Grundlage von Wahlen durch die Gemeindebürger. Auch die immer engere Verflechtung des kommunalen Tätigkeitsfeldes mit überörtlichen und gesamtstaatlichen Kompetenzen, Institutionen und Planungen, die eine statische Abgrenzung der „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" verbietet und statt dessen seine flexiblere Aufgabenbestimmung erfordert vermag an der verfassungskräftigen, auf die eigene politische Legitimierung gegründeten, gesonderten kommunalen Position „gegenüber der hierarchisch aufgebauten Staatsorganisation" nichts zu ändern. Gewiß wird die Abgrenzung im Einzelfall schwieriger. Sie kann jedoch nicht entfallen, ohne daß zugleich das Recht auf kommunale Selbstverwaltung entfiele. Angesichts der meist technisch oder finanziell bedingten zentralistischen Tendenzen mag eine verstärkte Beteiligung der Gemeinden an überörtlichen Planungen notwendig werden, doch ist der auf sie entfallende Anteil an solchen Vorhaben dann ausschließlich vor den eigenen Wählern politisch zu verantworten.

Geht man mit Scheuner davon aus, daß die Formel von der gemeindlichen Allzuständigkeit den Kommunen ein eigenes Tätigkeitsfeld dort sichert, wo weder Bundes-noch Landesgesetzgeber ausschließlich aktiv geworden sind, so bleibt der Einfluß des Kommunalwählers auf die gemeindliche Verwaltungsführung außerhalb jenes Bereichs kommunaler Eigeninitiative zwangsläufig gering, weil er lediglich über die Personalauswahl für die Spitzen der Gemeindebürokratie vermittelt wird. Jenseits des autonomen Wirkungskreises aber sind die Gemeinde-und Kreisvorstände an Landes-und Bundesrecht gebunden. Dieser umfangreichere Teil ihrer Amtsgeschäfte basiert inhaltlich deshalb auf staatlich-parlamentarischer Grundlage, nicht aber auf kommunaler Legitimation. Trotz der gelegentlich unvermeidbaren Interessenüberschneidungen kann von einem unmittelbaren oder einem verbindlich bestimmenden Einfluß der Kommunalwähler auf die zentral legitimierte Staatsverwaltung schwerlich die Rede sein. Mithin würde die Beteiligung von Ausländern an Gemeindewahlen das auf dem Prinzip der Volkssouveränität beruhende staatlich-parlamentarische Willensbildungssystem nicht verändern. Ausländische Einflußmöglichkeiten im Kommunalbereich würden es nicht stärker berühren als entsprechende Beteiligung in politischen Parteien, Vereinigungen und Gewerkschaften.

Es ist deswegen eine allzu eindimensionale Verkürzung der Perspektive, wenn aus der „Staatshomogenität" der Gemeinden (Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG) und ihrer „überwiegend demokratischen (und nicht grundrechtlichen) Legitimation" geschlossen wird, dem Ausländer sei jede Mitwirkung auch auf der kommunalen Ebene verwehrt Die staatshomogene Position der kommunalen Selbstverwaltung beschränkt sich, wie dargelegt, auf die Anwendung der elementaren Wahlrechtsprinzipien. Ihr autonomes Entscheidungspotential ist nicht mehr und nicht minder demokratisch legitimiert, als dasjenige der sozialen Selbstverwaltung • (Berufsorganisationen, Sozialversicherung, Gewerkschaft, Betriebsrat), das auch Isensee dem Ausländer nicht be-streitet. Die ganze Unterscheidung ist, zieht man die gemeindliche Ebene in Betracht, überhaupt wenig überzeugend, denn hier verpufft das Pathos der teils demokratisch, teils etatistisch anmutenden Argumente, mit denen der Ausschluß des Ausländers von der Staats-willensbildung begründet wird Die „Staatshomogenität" des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 ist eine zu schwache Leine, um damit die kommunale Selbstverwaltung an den großen Prinzipien der Staatsorganisation festzumachen. Hier gibt es keine „unentrinnbare Angewiesenheit“ und keine „spezifischen Lasten", die dem ausländischen Gemeindeeinwohner erspart bleiben. Auch offenbart sich hier die Scheidung der demokratischen von der sozialen, vorgeblich grundrechtlich und nicht politisch begründeten Selbstverwaltung als artifiziell: Die Grenzen zwischen wirtschaftlicher und kommunaler Selbstverwaltung sind eine — in verschiedenen politischen Systemen unterschiedlich gelöste — Angelegenheit der politischen Opportunität, wie sich in bezug auf gesundheitliche Betreuung, Wohnungsfürsorge und selbst gewisse Zweige des Vorschul-und Schulwesens schon in Westeuropa leicht nachweisen läßt. Die Bemühung, den kommunalen Bereich als quasi-staatlich von sozialen Verbandsformen qualitativ abzugrenzen, scheint vielmehr mit weithin überholten Denkformen zusammenzuhängen: Seßhaftigkeit und blutsmäßige Bindung der Gemeindeeinwohner sind weitgehender Mobilität gewichen. Die „Staatshomogenität" der kommunalen Selbstverwaltung schrumpft mehr und mehr auf das Angebot sozialstaatskonformer Darreichungen zurück, deren existenzielle Bedeutung über die vermeintlich „grundrechtlich" begründeten Positionen der sozialen Selbstverwaltung (Sozialversicherung, Gewerkschaft, Betrieb) selten hinausreicht.

Es ist deshalb weder demokratie-noch sonst-wie systemfremd, wenn festgestellt wird, daß sich die landesverfassungsrechtlichen Beschränkungen des Parlamentswahlrechts auf Deutsche nicht auf das Kommunalwahlrecht erstrecken und daß auch die spezielle Homogenitätsklausel des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG an diesem Ergebnis nichts zu ändern vermag. Zusammenfassend: Nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG muß die deutsche Bevölkerung in Ländern, Kreisen und Gemeinden demokratisch vertreten sein, doch wirkt dies nur insoweit als Wahlbeteiligungsverbot für Ausländer, wie vermittels des Wahlaktes (Bundes-oder Landes-) Staatsgewalt ausgeübt wird. Im Selbstverwaltungsbereich hingegen setzt die Vorschrift im Sinne einer Mindestanforderung lediglich den Bevölkerungsteil fest, der unabdingbar vertreten werden muß, zieht jedoch einer Übertragung des Wahlrechts auch auf Ausländer grundsätzlich keine verfassungsrechtlichen Grenzen.

E. Gemeindebürgerschaft als „aliud" gegenüber der Staatsbürgerschaft Bei isolierter Betrachtung der Gemeindeordnungen scheint es, als sei die Gemeindebürgerschaft eine Art gesteigerte, intensivere Form der Staatsbürgerschaft. Gemeindebürger — und d. h. wahlberechtigt — kann danach nur werden, wer Deutscher i. S. d. Art. 116 GG sowie im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte ist und darüber hinaus'bereits seit einer bestimmten Zeit (zwischen 3 Monaten und 1 Jahr) in der Gemeinde wohnt. Teilweise wird der Bürger auch durch Verweisung auf das (gesetzlich die Deutscheneigenschaft voraussetzende) Kommunalwahlrecht definiert „Bürger" sind also die (wahlberechtigten) Aktivbürger einer Gemeinde, während die übrigen dort wohnhaften Personen — mithin auch die Ausländer — nur Einwohner-Status genießen. Ihnen steht freilich das Recht auf Benutzung der gemeindlichen öffentlichen Einrichtungen ebenso wie den Bürgern zu.

Diese automatische, nur an Staatsbürgerschaft und Aufenthaltsdauer geknüpfte Verleihung des Bürgerstatus und damit der Stimmberechtigung geht auf Art. 17 WRV zurück, der die Überreste ständestaatlicher Vorzugsstellungen, wie sie z. B. die in Preußen bis 1918 geltende „Städteordnung für die sechs östlichen Provinzen" von 1853 mit ihrem Dreiklassenwahlrecht zur Stadtverordnetenversammlung vorsah, ablöste. Hiermit schien die alte, gegen ständische Vorrechte gerichtete Forderung nach Umwandlung der Bürgergemeinde in die sog. Einwohnergemeinde endgültig durchgesetzt zu sein Damals durfte nämlich vorausgesetzt werden, daß die Einwohner der deutschen Kommunen praktisch ausnahmslos zugleich deutsche Staatsangehörige waren. Niemand konnte ahnen, wie wenig diese Regelannahme 50 Jahre später noch zutreffen würde.

Aus der Tatsache, daß die geltenden Gemeindeordnungen vom bundes-oder landeswahlberechtigten Staatsbürger noch zusätzlich eine bestimmte Aufenthaltsdauer in der Gemeinde fordern, ehe er stimmberechtigter Kommunalbürger wird, darf indessen nicht geschlossen werden, die Gemeindebürgerschaft sei eine gesteigerte Form der Staatsbürgerschaft und setze diese zwingend voraus. Wer als Wähler bei der staatlichen Entscheidungsbildung rechtsverbindlich mitwirkt und dadurch die umfassend organisierte Entscheidungs-und Wirkungseinheit (Heller) des Gesamtsystems determinierend beeinflußt, bedarf sicherlich einer viel intensiveren Beziehung und gesteigerten rechtlichen Verbundenheit zu diesem System als jemand, der lediglich in einem autonomen Teilbereich, etwa bei der kommunalen Regelung der örtlichen Lebensverhältnisse, mitbestimmen soll. Deshalb ist die Gemeindebürgerschaft nicht weniger oder mehr als die Staatsbürgerschaft, sondern ein hiervon durchaus verschiedener Mitgliederstatus in einer autonomen Körperschaft. Diese Überlegung, der zufolge es sich bei der Gemeindebürgerschaft um ein „aliud" gegenüber der Staatsbürgerschaft handelt, weist im übrigen noch einmal auf den gesellschaftlich-politischen Kern der gemeindlichen Selbstverwaltung. Wie bei allen nichtstaatlichen („gesellschaftlichen") Organisationen kommen hier partikulare („alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft") Interessen zu Wort: Die von Land oder Bund nicht erfaßten örtlichen Bedürfnisse nach Vorsorge und Lebens-verbesserung. Das gilt — bei aller Verschiedenheit der jeweils relevanten Zwecke und der personalen Anknüpfung — auch für Vereine, Gewerkschaften und politische Parteien also für sämtliche gesellschaftlichen Organisationsformen im politischen Willensbildungsprozeß, während sich demgegenüber der Staat gerade als umfassende Ordnung charakterisiert.

Das kommunale Stimmrecht vermittelt nach alledem lediglich eine institutionalisierte Teilhabe an dieser gesellschaftlich-politischen Willensbildung, so daß keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine* Übertragung dieses Rechts an Ausländer bestehen. Die garantierte Selbstverwaltung umfaßt bekanntlich nur das traditionell begrenzte, gleichwohl „vielfältige wirtschaftliche, soziale und kulturelle Veranstaltungswesen der Daseinsvorsorge, das in der gemeindlichen Einrichtung seine Erscheinung findet" Gerade hieran haben die ausländischen Mitbürger, wenn man vom Maßstab ihrer Betroffenheit ausgeht, in erster Linie ein legitimes Beteiligungsbedürfnis.

Es ist in diesem Zusammenhang nicht ohne Interesse, auf die offensichtlich nicht negativen Erfahrungen zu verweisen, die in den Schweizer Kantonen Freiburg, Neuenbury und Thurgau mit der Übertragung des Stimm, rechts an Ausländer gemacht wurden ebenso wie auf den ebenfalls nicht negativ hervorgetretenen Umstand, daß alle geltenden deutschen Hochschulgesetze hinsichtlich der körperschaftlichen Rechte zwischen ausländischen und deutschen Mitgliedern keinen Unterschied machen obwohl die Universitäten als Selbstverwaltungskörperschaften eine dem Status der Gemeinden sehr ähnliche Position in unserem Verfassungssystem einnehmen.

V. Voraussetzungen und Umfang einer Übertragung des Kommunalwahlrechts an Ausländer

Aus den bisherigen Überlegungen folgt zwar, daß es verfassungsrechtlich prinzipiell nicht untersagt wäre, den Ausländern durch entsprechende Änderung der jeweiligen Gemeindeordnungen oder Kommunalwahlgesetze eine Beteiligung an Gemeindewahlen in der Bundesrepublik zu ermöglichen. Doch ist da-mit noch nichts über die näheren Voraussetzungen einer solchen Rechtsverleihung ausgesagt.

A. Voraussetzungen für den Erwerb des Gemeindebürgerrechts

Was die Bedingungen des Erwerbs von aktivem und passivem Gemeindewahlrecht angeht, so können die für Deutsche geltenden Grundsätze hier nicht schematisch auf ausländische Einwohner angewendet werden. Unbedenklich übertragbar sind lediglich die Altersgrenzen und ggf.der Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte.

Dagegen müßten hinsichtlich der Dauer des Wohnsitzes in der Gemeinde spezielle längere Fristen normiert werden. Bei den deutschen Einwohnern kann nämlich wegen ihrer Staatsangehörigkeit bereits eine gewisse Vertrautheit und Verbundenheit mit dem Gesamtsystem der Bundesrepublik, mit ihren Grundlagen, Problemen und Aufgaben unterstellt werden. Die Notwendigkeit einer längeren Eingewöhnung folgt auch aus § 8 Abs. 1 RuStG. Hiernach hängt die Einbürgerung u. a. von einer gewissen Niederlassungsdauer im Inland ab, deren zeitliche Länge zwar nicht gesetzlich festgelegt wurde, die jedoch nach den von allen zuständigen Landesbehörden ausgearbeiteten Richtlinien heute grundsätzlich zehn Jahre beträgt

Sollen die damit verbundenen rechtspolitischen Zwecke erreicht werden, so müßte bei einer Übertragung des Kommunalwahlrechts an Ausländer die Aufenthaltsdauer allerdings erheblich unter dieser Frist bleiben, gleichzeitig aber die nach gegenwärtigem Kommunalrecht für Deutsche geltenden Zeiträume merklich übersteigen. Dabei wäre zu berücksichtigen, daß Gemeinden zwar autonome Selbstverwaltungskörperschaften sind, ihre Politik indes nicht losgelöst vom zentralen politischen Prozeß, sondern nur in ständiger Auseinandersetzung hiermit zu entwickeln vermögen. Ein gewisses Verständnis für diese Zusammenhänge erscheint mithin unerläßlich. Es wäre deshalb vertretbar, neben den bereits in Gemeindeordnungen und Kommunalwahlgesetzen allgemein normierten Fristen einen besonderen Zeitraum (z. B. von einem bis drei Jahren) vorzusehen, währenddessen der Ausländer seinen ständigen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland gehabt haben muß Ferner könnte daran gedacht werden, die Verleihung des Bürgerrechts vom Nachweis ausreichender Deutschkenntnisse abhängig zu machen. B. Die Besonderheit des Gemeinschaftsbürger-Status Das Erfordernis längerer Aufenthaltsfristen zwingt freilich, solange es bei der gegenwärtigen Behandlung der Einwanderungsproble-matik bleibt dazu, die generelle Übertragung des Kommunalwahlrechts auf solche Ausländer zu beschränken, deren Aufenthaltsdauer in der Bundesrepublik grundsätzlich unbegrenzt ist. Ein solches Recht auf Einreise, Aufenthalt und Verbleib gilt derzeit aufgrund der Freizügigkeitsregeln des europäischen Gemeinschaftsrechts nur für Arbeitnehmer und Selbständige aus Mitglieds-ländern der Europäischen Gemeinschaft und deren Familienangehörige. EWG-Bürger dürfen sich hiernach nicht nur während der Dauer ihrer Beschäftigung in Deutschland aufhalten sondern auch nach Beendigung ihrer Beschäftigung gern. Art. 48 Abs. 3 lit. d. EWG-V hier verbleiben Ihre „Unentrinnbar-keit" beschränkt sich nicht mehr auf ihren jeweiligen staatlichen Verband, sondern erweitert sich auf die Gemeinschaft.

Für diesen Personenkreis, insbesondere also die gut 500 000 Italiener in der Bundesrepublik Deutschland, kommt eine Reihe wichtiger Umstände hinzu, die dem widerstreiten, was gemeinhin gegen die Erteilung politischer Mitwirkungsrechte an Ausländer geltend gemacht wird.

Bei den EG-Angehörigen ist infolge der politischen Homogenität der in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Staaten sichergestellt, daß sie im Umgang mit demokratischen Einrichtungen und Verfahrensweisen ein den deutschen Standards im allgemeinen mindestens vergleichbares Maß an Vertrautheit besitzen. Eine Beteiligung am kommunalen Willensbildungsprozeß bedürfte also nicht der zeitraubenden Einübung in Verhaltensweisen einer pluralistischen Gesellschaft und eines Mehrparteiensystems — mit den Risiken, die eine derartige politische Verpflanzung mit sich bringen mag —, sondern könnte auf Traditionen fußen, die den beteiligten anderen Völkern meist wesentlich länger eigen sind als dem unsrigen.

Dieselbe Homogenität wie für die relevante politische Vergangenheit gilt für die Vorstellungen über die gemeinsame europäische Zukunft. Die Staaten der Europäischen Gemeinschaft sind schon heute enger miteinander verbunden als alle anderen Staatenverbindungen. Sie befinden sich — seit der Pariser Gipfelkonferenz vom 19. /20. Oktober 1972 zeitlich terminiert — auf dem Wege zu einer Europäischen Politischen Union, die noch in diesem Jahrzehnt verwirklicht werden soll. Auch wenn noch nicht abzusehen ist, ob diese Europäische Union bereits die entscheidenden Elemente eines Bundesstaates besitzen oder mehr einem staatenbündischen Durchgangs-stadium ähneln wird, so bewirkt doch die unwiderrufliche Konvergenz der Zielrichtungen, daß das „Fremde" nicht mehr als Negation des „Eigenen", sondern beide als komplementäre Elemente einer gemeinsamen Zukunftsgestaltung empfunden werden müssen. Die Vorstellung, durch politische Rechte von Ausländern könne eine „Überfremdung" eintreten oder die Ziele deutscher Politik gerieten in Gefahr, „ausländischen Interessen" zu gehorchen verliert hier, gleich wie man ihren sonstigen Realitätsgehalt einschätzt, ihren auch nur potentiellen Sinn.

Schließlich bringt die auf Gleichberechtigung der Mitgliedstaaten beruhende Gemeinschaft mit ihrem integrierten Entscheidungsprozeß in verschiedenen existenziellen Lebensbereichen die Konsequenz mit sich, daß wichtigste Fragen des staatlichen Gemeinwesens nicht mehr demokratisch-autonom gesteuert werden können. Mit diesem — auf Grund von Art. 24 GG in Kauf genommenen — Maß an „Fremdbestimmung" würde es eigentümlich kontrastieren, wenn man fortführe, den Bürgern anderer Mitgliedstaaten unter Berufung auf die „demokratische Egalität" jede Form politischer Mitgliedschaftsrechte auch auf der untersten, staatsfernsten Entscheidungsebene vorzuenthalten. Denn was — zunächst noch ohne unmittelbare demokratische Legitimation — auf der Ebene der Gemeinschaftsorgane zulässig ist, nämlich die Mitentscheidung ausländischer Organe und Personen in deutschen politischen Angelegenheiten von höchster Tragweite, das kann im Mikrokosmos daseinsvorsorgerischer Kommunalautonomie kaum demokratisch unerträglich sein.

Was die EWG-angehörigen Ausländer betrifft, so entfällt auch jede Art von völkerrechtlichen Bedenken gegen ihre partielle politische Integration. Mag es im allgemeinen eine außenpolitisch und selbst völkerrechtlich delikate Frage sein, in welchem Umfang der Aufenthaltsstaat durch die kollektive Gewährung von Vorteilen und (Mitwirkungs-) Rechten in die Bindung der Ausländer an ihren Heimatstaat störend eingreifen darf so spielt diese Frage im EG-Innenverhältnis mit Sicherheit keine Rolle. Im Gegenteil: Die engeren Beziehungen zwischen den Staaten, auf deren Förderung laut Präambel der Rom-Vertrag abzielt, die Prinzipien der Nichtdiskriminierung und der Inländerbehandlung, die der wirtschaftlichen Freizügigkeit zugrunde liegen, und die Perspektive einer von allen EG-Europäern gewählten Legislative (Art. 138 Abs. 3 EWGV) würden in jeder Form politischer Teilintegration der EG-Ausländer eine sinnvolle Ergänzung und eine schrittweise Verwirklichung des Ziels finden, auch in Europa einmal zu einem „gemeinsamen Indige-nat" zu gelangen.

C. Umfang des Wahlrechts Die dargestellte Verfassungsposition von Gemeinden und Kreisen verbietet es, die stimmberechtigten Ausländer vom passiven Wahlrecht absolut auszuschließen. Zwar muß auch die Wählbarkeit (ebenso wie für deutsche Gemeindebürger) von anderen, längeren Aufenthaltsfristen abhängig gemacht werden dürfen, doch kann sie den Ausländern nicht generell vorenthalten werden. Die Entscheidungskompetenz der Kreis-und Gemeindevertretungen beschränkt sich auf Selbstverwaltungsangelegenheiten, während darüber etwa hinausgehende politische Stellungnahmen im „gesellschaftlichen" Bereich öffentlicher Meinungsbildung verbleiben.

Ob ein Ausländer auch zum — haupt-oder ehrenamtlichen — Kommunalwahlbeamten, praktisch also vor allem zum Bürgermeister, Beigeordneten oder Landrat ernannt werden dürfte, erscheint fraglich, weil § 4 Abs. 1 Nr. 1 BRRG und damit übereinstimmend die Landesbeamtengesetze (z. B. § 7 Abs. 1 Nr. 1 HessBG) den Beamtenstatus prinzipiell deutschen Staatsangehörigen Vorbehalten. Ausnahmen hiervon sind nur möglich, „wenn für die Gewinnung des Beamten ein dringendes dienstliches Bedürfnis besteht" (§ 4 Abs. 1 BRRG), das in den hier relevanten Fällen nicht häufig vorliegen wird. Gegen diesen faktischen Ausschluß der Ausländer aus den Gemeinde-und Kreisvorständen sind auch unter den hier vertretenen Gesichtspunkten Einwendungen schon deshalb nicht zu erheben, weil auf dieser Ebene gemeindliche Selbstverwaltung und staatliche Auftragsangelegenheiten (Pflichtaufgaben nach Weisung) personell miteinander verzahnt sind.

VI. Ergebnisse

1. Verfassungsrechtlich stehen dem Ausländer vor allem die Grundrechte der Meinungsund Koalitionsfreiheit sowie — gesetzlich ausgestaltet — Vereins-, Versammlungsund Parteienfreiheit zu, so daß er insoweit auf die politische Meinungs-und Willensbildung in der Bundesrepublik einwirken kann.

2. Dies allein reicht jedoch — wie die kaum verbesserte Lage des ausländischen Bevölkerungsteils zeigt — in unserem politischen System für eine chancenreiche Bedürfnisartikulation nicht aus. Wichtigste Grundlage für die Befriedigung gruppenspezifischer Bedürfnisse auf kommunaler, landes-und bundespolitischer Ebene ist nach wie vor das allgemeine Wahlrecht’.

3. Einer Übertragung des Bundes-und Landtagswahlrechts auf Ausländer steht jedoch der historisch verfestigte Grundsatz entgegen, demzufolge alle Staatsgewalt vom deutschen Volk auszugehen hat. Die massenweise Einbürgerung von Ausländern widerspräche auch deren Interessen.

4. Die Lösung der wichtigsten Ausländer-

Probleme (Unterbringung, Bildung, soziale Dienste) liegt im Kompetenzbereich der Gemeinden. Diese beruhen — ihrer geschichtlichen Entwicklung entsprechend — verfassungsrechtlich auch heute noch auf autonomer demokratischer Legitimation durch die örtliche Gemeinschaft und bestehen unabhängig von der Legitimation staatlicher Organe durch das Staatsvolk. Staat und Kommunen sind heute zwar gleichermaßen demokratisch strukturiert, besitzen jedoch unterschiedliche, voneinander unabhängige Legitimationsquellen: „Staatsvolk" und „örtliche Gemeinschaft". 5. Das lokale Selbstverwaltungsrecht der Gemeindeangehörigen, die als Kommunalwählerschaft alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung regeln, beruht auf dem politisch-gesellschaftlichen Ursprung der Gemeinden. Im Selbstverwaltungsbereich sind sie weder Untergliederungen der staatlichen Verwaltung noch vermag der Kommunalwähler im Wahlakt (so wie der Bundesoder Landtagswähler) verbindlich Staatsgewalt auszuüben. Nur soweit die Gemeinden im übertragenen Wirkungskreis staatliche Aufgaben vollziehen, handeln sie auf Grund der staatlich-parlamentarischen Legitimation der entsprechenden Gesetze. Da der Gemeindebürger als Kommunalwähler nicht rechtsverbindlich bei der Staatswillensbildung mitwirkt, steht Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG der Übertragung des Kommunalwahlrechts auf Ausländer nicht entgegen. 6. Der Begriff „Volk" in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG meint lediglich die jeweilige Gebietsbevölkerung, beschränkt die aktivbürgerlichen Rechte jedoch nicht auf deutsche Staatsangehörige, sondern schafft zu deren Gunsten lediglich eine demokratische Mindestverbürgung.

7. Die Gemeindebürgerschaft ist als Mitgliederstatus in einer autonomen Körperschaft et-was anders als die Staatsbürgerschaft. Das kommunale Stimmrecht vermittelt lediglich eine institutionalisierte Teilhabe an der gesellschaftlich-politischen Willensbildung. Seine Erstreckung auf ausländische Gemeindeeinwohner beschränkt folglich die alleinige Ausübung der Staatsgewalt durch das deutsche Volk nicht.

8. Voraussetzung für die Mitwirkung von Ausländern an der kommunalen Willensbildung ist eine gewisse Vertrautheit mit den Verhältnissen der Bundesrepublik, so daß eine Mindestaufenthaltsdauer (z. B. 1 bis 3 Jahre) als Wahlrechtsvoraussetzung notwendig erscheint. Schon aus rechtspolitischen Gründen müssen die betreffenden Personen außerdem unbegrenzt aufenthaltsberechtigt sein.

9. Daher kommt eine Übertragung des Kommunalwahlrechts derzeit nur an EG-Angehörige in Betracht. Insoweit würde es — im Vorgriff auf die Europäische Union der achtziger Jahre — einen Anfang politischer Integration von Personen bedeuten, die ein Recht darauf haben, in der Bundesrepublik dauernd zu verbleiben. Bei ihnen ist infolge der politischen Strukturverwandtschaft der EG-Mitgliedstaaten von vornherein die Beherrschung der Spielregeln der repräsentativen Demokratie gewährleistet.

VII. Verfassungspolitischer Ausblick

Die ausländischen Arbeitnehmer verschaffen der deutschen Volkswirtschaft (in den übrigen westeuropäischen Industriestaaten ist die Lage nicht wesentlich anders) auf der Seite des Produktionsfaktors Arbeit eine höchst willkommene Elastizität. Bei stagnierendem und mittelfristig zurückgehendem Beschäftigungsstand der heimischen Bevölkerung, tendenziell sinkender Arbeitszeit und nachlassender Bereitschaft der deutschen Erwerbstätigen zur Übernahme bestimmter Kategorien von Arbeitsplätzen stützt sich das Wachstum unserer Volkswirtschaft zu einem wesentlichen Teil auf die 2, 5 bis 3 Mio ausländischen Arbeitskräfte. Hohe Anlaufkosten und Lohn-gleichheit mit den deutschen Arbeitnehmern verhindern es dabei, daß sich die Verfügbarkeit über ausländische Arbeitskraft in einem unerwünschten Tempoverlust des technischen Fortschritts, also nachlassender Produktivitätssteigerung, niederschlägt Umgekehrt gewinnt ein politisches System, dessen Legitimation zu einem guten Teil auf garantierter Vollbeschäftigung beruht mit Hilfe eines relevanten Bevölkerungsteils von gemindertem ökonomisch-politischem Durchsetzungsvermögen zumindest scheinbar die Möglichkeit, auf ein in der Zukunft nicht gänzlich ausschließbares Beschäftigungsrisiko flexibler zu reagieren. Scheinbar, denn es spricht wenig dafür, daß es über die Manipulation der Aufenthalts-und Arbeitserlaubnispraxis ohne gefährliche soziale und internationale Spannungen gelingen könnte, schmerzhafte Beschäftigungskontraktionen im Bedarfsfälle auf den ausländischen Bevölkerungsteil abzuwälzen, ganz abgesehen von der sich da und dort abzeichnenden Neigung der Arbeitgeber, die stärkere Belastbarkeit der Ausländer und ihren geringeren sozio-politischen Emanzipationsgrad bei derartigen Anpassungsprozessen zu „honorieren".

Gleichviel, wie sich die Konjunktur der Zukunft auf die sog. Gastarbeiterfragen auswirken wird: Es gehört kein prophetisches Vermögen dazu, vorherzusehen, daß es sich hierbei um ein mittel-bis langfristiges ökonomisch-gesellschaftliches Phänomen handelt, dessen Dimension mit dem erwarteten — endowie exogenen — Zuwachs dieser Bevölkerungsgruppe und ihrer zwangsläufig längeren kollektiven Präsenz unaufhaltsam anwachsen wird. Dieser Perspektive muß nicht nur die praktische Politik, sondern müssen auch die Überlegungen der beteiligten Wissenschaftskreise Rechnung tragen. Sig können auch bei Auslegung und Anwendung des rechtlichen Rahmens und beim Nachdenken über seine Fortentwicklung nicht außer Betracht bleiben.

Die Bundesrepublik legt Wert darauf, kein Einwanderungsland zu sein, und ihre Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte handhaben diese Zauberformel virtuos. Freilich: Sie ist kein Einwanderungsland im Stile des 19. Jahrhunderts, sie hat keine menschenleeren Gebiete zu besiedeln, keine Eingeborenen zu vertreiben oder zivilisatorische Rückstände aufzuholen. Und doch steht sie vor einer ähnlichen Erscheinung; denn nicht Landgewinn, Agrarproduktion oder Erschließung von Bodenschätzen stellen nach den Maßstäben der Gegenwart die Lebensgrundlage der Bevölkerungsmehrheit dar, sondern die industriell verwertbare Arbeitsleistung. Man mag die dadurch ausgelöste Umkehrung des Wanderungsstromes in die höher verdichteten Zonen Einwanderung oder anders nennen, das Phänomen bleibt dasselbe: Die spontane Bewe-* gung von Menschen in Gebiete höherer Produktivität dient dem Ziel, für sich und ihre Angehörigen eine neue Lebensgrundlage zu suchen.

Mit der Floskel, die Bundesrepublik sei kein Einwanderungsland, wird also nur eine verbale Abwehrposition bezogen, um der politischen Indifferenz eine Scheinlegitimation zu verschaffen. Dieser Haltung entspricht die Bezeichnung „Gastarbeiter". Sie verschleiert in doppelter Hinsicht den wahren Sachverhalt: Weder sind die ausländischen Arbeiter unsere Gäste, gewissermaßen zur Besichtigung der Bundesrepublik eingeladen und als Besucher behandelt, noch herrscht bei dieser Bevölkerungsgruppe der Wunsch vor, nach einem kurzen touristischen Aufenthalt unser Land wieder zu verlassen. Die romanischen Länder sind da ehrlicher. Frankreich spricht nur von „travailleurs immigres", und in Italien ist auch amtlich nur von „emigrazione" die Rede. Gewiß, den Rückkehrgedanken haben fast alle, und den meisten wäre es sicher lieber, wenn sie ein vergleichbares Arbeitseinkommen in ihren Ursprungsländern verdienen könnten. Aber das war bei den europäischen Auswanderern des 19. Jahrhunderts nicht anders. Auch sie träumten, oft Generationen lang, von der Rückkehr in die Heimat, um mit dem erworbenen Wohlstand dort einen gesicherten Lebensabend zu verbringen. An derart emotionsbeladenen Perspektiven der subjektiven Lebensgestaltung vermag sich die praktische Politik, und auch die Rechtspolitik, nicht auf die Dauer gültig zu orientieren.

Kein Zweifel, es fällt schwer, diese gewaltige europäische Binnenwanderung — und demnächst vielleicht Wanderungsbewegungen, die in nennenswertem Umfang auf Afrika und Asien übergreifen —, als Bestandteil des entwicklungspolitischen Normalzustandes im Verhältnis der beteiligten Staatengruppen zueinander zu begreifen. Natürlich wäre es vom Standpunkt der Entwicklungspolitik vorzuziehen, wenn statt des Imports von Arbeitskräften die entsprechenden Arbeitsplätze in die Herkunftsländer der ausländischen Arbeiter „exportiert" würden. Aber auch die unablässige Wiederholung dieses Postulats in der öf-i fentlichen Diskussion täuscht nicht darüber hinweg, daß es sich trotz steigender Auslands! Investitionen der europäischen Industrieländer hierbei allenfalls um ein langfristig zu er-I reichendes Ziel handelt, dessen Verwirklichung mit zahlreichen Unbekannten (politische und soziale Stabilität, Hebung des allgemeinen Bildungsniveaus, lokale Management-ansprüche, Infrastruktur und vieles mehr) belastet ist. Der geforderte „Export" von Ar-beitsplätzen ist also gegenwärtig keine Alternative der praktischen Wirtschaftspolitik, die man nur zu wählen brauchte, um das Problem der ausländischen Arbeiter unter Kontrolle oder gar zum Verschwinden zu bringen.

Dazu taugen natürlich erst recht nicht Hinweise wie der, durch wenige Wochenstunden Mehrarbeit könne die einheimische Bevölkerung die Arbeitsleistung der Ausländer entbehrlich machen Mit derartigen Appellen an die nationale Disziplin lassen sich sozialpolitische Trends nicht umkehren, jedenfalls nicht unter den Bedingungen der gegenwärtigen politischen Ordnung. Dies gilt für jede Form von Mehrarbeit, ganz besonders aber für die Aufrechterhaltung der Arbeitsleistung in solchen Branchen, in denen aus Gründen der Arbeitsplatzwertigkeit im letzten Jahrzehnt ein fortschreitender Rückzug einheimischer Arbeitskräfte zu verzeichnen war (Bergbau, Stahl, Automobile, Tiefbau u. a.).

Unter der Hypothese wirtschaftlicher Stabilität stellt die Beschäftigung einiger Millionen ausländischer Arbeitskräfte und das Leben dieses Bevölkerungsteils mit seinen Angehörigen in der Bundesrepublik also eine realistische mittel-und langfristige Perspektive dar, auf die sich das sozialstrategische Kalkül notgedrungen wird einstellen müssen. Dabei wird es bei der — in dieser Studie beschriebenen — schiefen Front der politischen Rechte der Ausländer auf die Dauer und jedenfalls in bezug auf die nächststehende Gruppe der EG-angehörigen Ausländer sein Bewenden kaum haben können: Die Einräumung der — auch politischen — Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 GG), das Fehlen grundrechtlich geschützter Versammlungsund Vereinigungsfreiheit (Art. 8 und 9 Abs. 1 GG), die Zulässigkeit massiven Beitritts zu politischen Parteien (§ 2 Abs. 3 PartG) bei gleichzeitigem Vorbehalt jeder Form politischer Mitwirkung für deutsche Staatsbürger sind historisch bedingte Zufälligkeiten, die angesichts der qualitativen Wandlung der Ausländerfrage von einem individualrechtlichen zu einem gesamtgesellschaftlichen Problem neu durchdacht werden müssen.

So abwegig, wie er zunächst scheinen mag, ist der Versuch keineswegs, in dieser neuartigen Lage einige Lehren aus der Minderheiten-problematik zu entnehmen. Bei aller grundsätzlichen Verschiedenheit ähneln sich beide Komplexe insoweit, als dem mehrheitlichen Staatsvolk eine Bevölkerungsgruppe gegenübersteht, der ein Mitbestimmungsrecht an der gemeinsamen Zukunftsgestaltung nicht zugestanden wird. Die Minderheit, mag sie auch Staatsbürgerrechte besitzen, ist bekanntlich historisch meist dadurch gekennzeichnet gewesen, daß ihr nicht bloß ihre ethnische und kulturelle Eigenart, sondern auch ihre politische Mitbestimmungschance bestritten wurde. So ist allmählich, wie ein unverdächtiger Zeuge treffend beobachtete „in den Begriff der Minderheit das Moment der politischen Unterlegenheit und Hörigkeit hineingetragen" worden.

Freilich, des ethnisch-kulturellen Konflikt-stoffs entbehrt die heutige Ausländerfrage, wenn man von einigen faktischen Schwierigkeiten der Schulerziehung einmal absieht. Der Assimilationsdruck, der von den Lebensverhältnissen der westlichen Industriestaaten ausgeht, überschreitet kaum das funktional, d. h. durch die Eingliederung der Ausländer gebotene Maß und trifft insoweit auf überwiegende Bereitwilligkeit. Fraglich bleibt allein, ob es den aufnehmenden Gemeinwesen auf die Dauer zuträglich ist, zahlenmäßig relevante Bevölkerungsgruppen zu beherbergen, die sich im Zustande politischer Hörigkeit befinden. Hier ergeben sich zwei Aspekte. Der eine hat Bezug und eine gewisse Verwandtschaft mit dem Hintergrund des Minderheitenschutzes. Wenn es richtig ist, was Clemenceau im Namen der Alliierten am 24. Juni 1918 an den widerstrebenden Paderewski schrieb dann waren für die Politik des Minderheitenschutzes nach dem Ersten Weltkrieg in erster Linie Zweckmäßigkeitserwägungen maßgebend und nicht verschwommene Selbstbestimmungsideale: Minderheitenrechte zur Sicherung des staatlichen und gesellschaftlichen Friedens in den neu errichteten osteuropäischen Staaten

Vergleichbar virulent ist die gegenwärtige Ausländerproblematik schon deswegen nicht, weil es an geschlossenen Siedlungsräumen fehlt und die nationale Zersplitterung bislang noch kein übergreifendes Gruppenbewußtsein hat entstehen lassen. Auf den ewigen Fortbestand dieses Zustandes zu rechnen, wäre indes leichtfertig. Die Ausländer in der Bundesrepublik stellen — organisatorisch-politisch be165 trachtet — ein enormes Vakuum dar, in das über kurz oder lang formende, mobilisierende Kräfte einströmen werden. Der Zeitpunkt dafür dürfte erreicht sein, wenn angesichts eines gewissen materiellen Sättigungsgrades und der nachlassenden Bindung an das heimische politische Leben die Bereitschaft reift, der Einsicht in die Interessenidentität der Ausländer mit den typischen Pressionsmitteln der pluralistischen Gesellschaft Ausdruck zu verleihen. Gerade eine freiheitlich verfaßte Ordnung schafft dafür starke Anreize. Die wilden Streiks türkischer Arbeiter, die vor einigen Monaten in westdeutschen Industriebetrieben stattfanden, vermitteln eine Vorahnung der eruptiven Kräfte, die hier schlummern. Ob man sie, bei gleichbleibender Arbeitsmarktlage, mit den Mitteln des Ausländerrechts auch dann unter Kontrolle halten kann, wenn sie sich in kollektiver Großaktion Luft verschaffen, bleibt fragwürdig.

Der andere Gesichtspunkt betrifft die inneren Verhältnisse unserer staatlichen Ordnung. Für sie ist der Kontrast zwischen dem politisch volljährigen Staatsvolk und der unmündigen Gruppe der Ausländer wenig zuträglich. Demokratie als einzig menschenwürdige politische Lebensform ist unter den heutigen Verhältnissen nicht mehr überzeugend teilbar: Biologische Kriterien geben kein evidentes Unterscheidungsmerkmal mehr ab für die Trennung privilegierter Demokraten von politisch bevormundeten Heloten.

Dieser als kollektives Mißbehagen empfundene Tatbestand wird allein dadurch verdunkelt, daß — historisch nicht zufällig, aber wohl auch nicht zwangsläufig — der Ursprung der modernen Demokratie zusammenfällt mit der Geburt des Nationalstaats, wobei sich beide kaum je in einem spannungsfreien Verhältnis befunden haben. Freilich, der menschheitsbefreiende, radikaldemokratische Elan der „Fraternite" (Decret v. 6. 8. 1790 für den die staatsbürgerliche Mitwirkung von der Zugehörigkeit jur politischen Gesinnungsgemeinschaft nicht von der Abstammung abhing, verpuffte in den Revolutionskriegen und machte unter dem Kaiserreich und der nachfolgenden Restauration der nationalstaatlichen Erstarrung Platz, die — nach wechselvollem, häufig un-* klarem Verlauf der Entwicklung — den auch im Deutschen Bund gegen Mitte des 19. Jahrhunderts erreichten Zustand kennzeichnet Der seither — und vermehrt nach dem Zweiten Weltkrieg — zu verzeichnende Bedeutungsverlust der Staatsangehörigkeit infolge sich ausbreitender Inländerbehandlung und ihre fortschreitende Internationalisierung sind noch nicht tief genug ins öffentliche Bewußtsein gedrungen, um die Möglichkeit und Notwendigkeit einer differenzierteren Betrachtung allenthalben einsichtig zu machen. Wo die Geschlossenheit des nationalstaatlichen Gefüges weder Axiom noch Ziel praktischer Politik sein kann, sondern wo dies Gefüge für internationale, vor allem aber regionale Funktionsverlagerungen durchlässig geworden ist, kann das Tabu der auf Staatsangehörige begrenzten politischen Mitwirkung keine unangefochtene Geltung mehr beanspruchen. Mag auch der Staat aus seiner Rolle, die wichtigste historische Wirkungseinheit menschlichen Zusammenlebens zu verkörpern, keineswegs verdrängt sein, so macht es seine Einbindung in größere Ordnungszusammenhänge und der Verzicht auf das vorrangige Ziel nationaler Selbstbehauptung doch möglich, das Verhältnis von blutsmäßiger Staatszugehörigkeit und politischer Teilhabe gelassener zu betrachten. Vor allem wird es denkbar, die Gestaltung des Rechtsstatus gebietsansässiger Fremder zu bestimmten politischen Strukturen des eigenen Staatswesens in Beziehung zu setzen und abzuwägen, inwieweit elementare Gestaltungsprinzipien auf einzelne Bevölkerungsgruppen ohne Schaden unangewendet bleiben können.

Es wäre sicher übertrieben zu behaupten, die politische Rechtlosigkeit der Ausländer habe dem Demokratiebewußtsein der Deutschen Schaden zugefügt. Dazu ist das Phänomen noch zu kurzlebig und im allgemeinen Vorstellungsvermögen zu sehr mit dem beruhigenden Etikett des Transitorischen behaftet. Auf die Dauer allerdings, so scheint es, wird sich das öffentliche — soziale und verfassungspolitische — Gewissen damit nicht zufriedengeben, sondern eine Überprüfung fordern an Hand der Maßstäbe, die in diesem Staate als Grundlage der politischen Ordnung gelten. Die Entstehung politischer Paria-Situationen zu verhindern, kann so zu einer Frage des demokratischen Selbstverständnisses, ja der Selbstachtung werden. Wenn wir sie recht deuten, so beruhen schon die bisherigen Impulse der Ausländer-Diskussion ganz wesentlich auf diesem Gesichtspunkt.

Gelingt es, die aktivbürgerschaftliche Mitwirkung aus ihrer nationalstaatlichen Verkrampfung zu lösen, so bedeutet das keinen Zwang zur undifferenzierten Ausschüttung politischer Teilhaberrechte an eine fluktuierende Einwohnerschaft. Es bedeutet lediglich die Chance, in behutsamen Schritten die soziale Eingliederung bestimmter Ausländerkategorien durch Anfänge einer politischen Integration zu ergänzen. In dieser Untersuchung wurde der Versuch unternommen nachzuweisen, daß jedenfalls für Angehörige der Europäischen Gemeinschaft auch ohne Verfassungsänderung das Tor der Mitwirkung auf lokaler Ebene geöffnet werden dürfe. Mit fortschreitender Verwirklichung der beiden auf das Ziel des Beitritts gerichteten Assoziierungsabkommen mit Griechenland und der Türkei wird es denkbar, entsprechend den Freizügigkeitsnormen der beiden Abkommen auch die griechischen und türkischen Arbeiter in eine solche Regelung einzubeziehen. Dabei bleibt freilich gegenwärtig zu berücksichtigen, daß der Vollzug des Assoziierungsabkommens mit Griechenland seit 1967 eingefroren ist und insoweit von politischer Konvergenz vorläufig nicht die Rede sein kann.

Was die Angehörigen von EG-Mitgliedstaaten — und in Zukunft vielleicht auch Griechen und Türken — anlangt, so entfällt, wie schon oben Seite 25 kurz angedeutet, auch der gelegentlich gebrauchte Einwand gegen jede Form politischer Teilnahmerechte von Ausländern, dadurch werde in völkerrechtlich bedenklicher Weise in die Loyalitätsbeziehung der Ausländer zu ihrem Heimatstaat eingegriffen. Auf die internen Beziehungen in einer Staatsgemeinschaft, die sich politisch zusammengehörig fühlt und deren Angehörige in einem übergreifenden marktbürgerschaftlichen Statusverhältnis miteinander verbunden sind, paßt dieser Einwand nicht. Hier fehlt der traditionelle politische Hintergrund dieses Denkschemas: der jederzeit mögliche Loyalitätskonflikt des Individuums bei kollidierendem politischen Verhalten des Heimat-und des Gastlandes. Die Lage ist also ähnlich wie bei der — über die hier diskutierten politischen Mitwirkungsrechte weit hinausgehenden — Mehrfachangehörigkeit. In Rechtssystemen, die in hohem Grade Konflikte zu absorbieren vermögen und jedenfalls bewaffnete Ausein-andersetzungen nicht zulassen, wie typischer-weise Bundesstaaten, wird sie zu einem unbedenklichen, ja oft selbstverständlichen Faktum Daß auch die Europäische Gemeinschaft ein solches System dauerhafter Konfliktbegrenzung darstellt und für ihre Angehörigen damit existentielle Zerreißproben entfallen, ist nicht zweifelhaft.

Die Erweiterung der Friedensgrenze in Europa ist nicht bloß für diesen Teilaspekt, sondern für das Verständnis der Staatsbürgerschaft insgesamt von Interesse. Die Staatsangehörigkeit, wie sie sich seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts herausgebildet hat und mit apriorischem Geltungsanspruch noch heutiges Staatsdenken prägt, verdankt ihre beiden wichtigsten Züge, Totalität und Exklusivität, den inneren und äußeren Lebensbedingungen des Nationalstaats. War es im Innern die begrenzte soziale Leistungsfähigkeit der damaligen öffentlichen Ordnung, die angesichts der früh-industriellen Massenverarmung dazu zwang, den Fremden als bloßen Einwohner vom unterstützungsberechtigten Bürger abzuheben so war es in den äußeren Beziehungen der jederzeit mögliche oder nötige existentielle Ernstfall, der es angeraten sein ließ, die staatliche Sicherheit auf die umfassende und ausschließliche Loyalität der blutsmäßig verbundenen Gebietszugehörigen zu gründen, während den insoweit weniger zuverlässigen Fremden ein in Rechten und Pflichten (Kriegsdienst) geminderter Status zufiel.

Die Existenzbedingungen des heutigen Staates haben diese Ausgangslage weit hinter sich gelassen. Die Ausländer stellen kein Fürsorgeproblem dar, sondern nehmen infolge ihrer günstigeren Altersschichtung Sozialleistungen unseres Staates, zu denen sie ebenso beitragen wie jeder andere, in vergleichsweise geringerem Umfang in Anspruch als die einheimische Bevölkerung. In den auswärtigen Beziehungen herrscht zu den Heimatländern ein spannungsfreier Zustand, der es ausschließt, daß die Ausländer jemals zu einem außenpolitischen Unsicherheitsfaktor werden könnten. Dies gilt ganz besonders für die Angehörigen anderer EG-Mitgliedstaaten, überhaupt versteht sich die staatliche Gemeinschaft heute nicht mehr in erster Linie als Kampfgemeinschaft, sondern viel stärker als Verband zur Erreichung von Wohlstands-und Reformzielen unter den Rahmenbedingungen eines dauerhaften Friedens, zu dessen Erhal-tung allenfalls eine gewisse Verteidigungsbereitschaft erforderlich ist. Damit rücken ökonomische Variablen in die Rolle der systemstabilisierenden Kräfte ein, zu denen sich — angesichts des geringeren Autoritätsbedarfs unserer staatlichen Ordnung — auf Befriedigung drängende, das ganze Spektrum der Innenpolitik erfassende Partizipationsansprüche gesellen. Von der dosierten Umwandlung dieser Ansprüche in eine verbreiterte Mitverantwortung dürfte der konfliktfreie Fortbestand der gegenwärtigen Ordnung wesentlich stärker abhängen als von der aktivbürgerlichen Monopolstellung der gebietsansässigen Abstammungsgemeinschaft. Im Verständnis der Staatsangehörigkeit haben diese Wandlungen bisher keinen Niederschlag gefunden. Ihr Bewußtsein könnte dazu führen, in perspektivischer Erweiterung Staatsangehörigkeit und Aktivbürgerrecht nicht mehr als zwangshaft gekoppelte, sondern eher als trennbare, differenzierungsfähige Aspekte dauernder oder zeitweiliger Zugehörigkeit zu einem Gemeinwesen zu betrachten. Damit träte neben die blutsmäßige Total-bindung der Staatsangehörigkeit ein ganzes Spektrum von Möglichkeiten, den Ausländer-status aktivbürgerrechtlich der Vollmitgliedschaft näherzurücken — mag jenseits der kommunalen Ebene dafür auch ein Eingreifen des Verfassungsgesetzgebers nötig sein. Eine In-kongruenz von Rechts-und Pflichtenposition der Ausländer entstünde dadurch nicht. Der Hinweis auf die Wehrpflicht, die Ausländern nicht obliege und deshalb ihren geminderten politischen Status rechtfertige entspringt angesichts der verbreiteten Hinwendung zum System der Berufsarmee ohnehin höchster Verlegenheit, ganz zu schweigen von der — hier meist auch erwähnten — „Last" staatlicher Ehrenämter. Welcher Ausländer würde sich wohl weigern, Schöffe oder Geschworener zu werden? Bei etwas weniger Dogmatismus könnte hier der Weg frei werden für Lösungen, wie sie bis tief ins 19. Jahrhundert hinein in Gestalt des Einwohnerbürgerrechts gegolten haben und heute im Bereich der Betriebsverfassung längst verwirklicht sind (§§ 7 und 8 BetrVG).

Zum Schluß sind noch einige Bedenken gegen die hier für möglich gehaltene Erweiterung des Kommunalwahlrechts auf länger ansässige EG-Angehörige kurz zu vermerken. Das eine bezieht sich darauf, daß eine so bedeutsame Frage von gemeinsamem Interesse nach Möglichkeit von der Europäischen Gemein-schaft und nicht von einzelnen ihrer Mitglieder isoliert behandelt und entschieden werden sollte Bei näherem Zusehen hat dies auf den ersten Blick einleuchtende Argument erhebliche Schwächen. Die Mitgliedstaaten sind von der Gastarbeiterproblematik verschieden betroffen, ihre Interessenlage ist daher nicht dieselbe. Die Gemeinschaft besitzt keine Zuständigkeit, die es ihr erlaubte, Fragen des Wahlrechts in den Mitgliedstaaten zu regeln. Das wäre also nur durch ein — außerhalb der Gemeinschaftsorgane geschlossenes — völkerrechtliches Abkommen möglich, dessen Aushandlung und Durchführung übrigens in der Bundesrepublik erhebliche föderale Schwierigkeiten bereiten würde. Davon abgesehen brächte die Verschiebung des Problems auf die Gemeinschaftsebene die Gefahr der Verzögerung und sogar des Scheiterns derartiger Ansätze aus Gründen diplomatischer Indifferenz oder Opportunität mit sich, was wiederum ein späteres einzelstaatliches Vorgehen zusätzlich erschweren würde.

Das zweite Bedenken ist ernster. Ist es vertretbar, so wird man sich fragen müssen, jenen Beginn politischer Teilhabe von Ausländern am lokalen politischen Geschehen auf EG-Angehörige, praktisch also die reichlich 400 000 Italiener in der Bundesrepublik zu beschränken? Wird dadurch nicht an einem ohnehin verschwindenden Symptom herumkuriert, denn daß der Anteil an EG-Ausländem tendenziell nicht wächst, sondern weiter abnimmt, erscheint sicher. Zudem: Ist es vorteilhaft für die Entspannung des Sozialklimas, innerhalb der ausländischen Bevölkerung Menschen erster und zweiter Klasse zu schaffen, solche mit gewissen politischen Rechten und solche ohne? Liegen die Sozial-und Eingliederungsprobleme nicht ohnehin bei der „schweigenden Mehrheit“ von Türken, Jugoslawen, Griechen und Spaniern?

Das sind Einwände von Gewicht, deren Entkräftung nicht das Ziel dieser Studie ist. Es ist vielmehr einsichtig, daß die Gewährung kommunalpolitischer Mitwirkungsrechte an EG-Angehörige nur einen — allerdings besonders gut begründbaren — Anfang darstellt. Die vollständige Rechtsgleichheit aller Aus-länder braucht im übrigen nicht den zwangsläufigen Endpunkt dieser Entwicklung zu bilden. Politische Nähe oder Distanz vermögen vielmehr durchaus Differenzierungen zu rechtfertigen; denn es geht nicht um Menschenrechte oder Sozialleistungen, sondern um den Versuch, das aufnehmende Gemeinwesen durch den Abbau explosiver Ghettosituationen zu entlasten. Hier steht der politischen Opportunität breiter Raum offen. Wenn sich z. B. in bezug auf die Nicht-EG-Angehöri-gen wirklich Vorstellungen über eine relativ kurzfristige „Rotation" (4— 6 Jahre) durchsetzen sollten, so mag es angesichts des verminderten Integrationsbedarfs insoweit genügen, die verbleibenden politischen Artikulationsbedürfnisse durch kommunale Repräsentationsorgane eigener Art aufzufangen. Es scheint sicher, daß hier noch nicht alle denkbaren Möglichkeiten ausgeschöpft sind.

Andererseits ist zu erwarten, daß die einmal in bezug auf EG-Angehörige in Gang gesetzte Entwicklung eine gewisse Eigendynamik entfalten wird. Sobald Ausländer als Wähler — seien sie auch bloß Kommunalwähler — in Betracht kommen, werden sich die politischen Parteien stärker als bisher auf ihren Erwartungshorizont einstellen. Das könnte, außer einer verstärkten öffentlichen Anteilnahme an den spezifischen Ausländerproblemen, einen vermehrten Eintritt von Ausländern in politische Parteien zur Folge haben, wodurch die politische Eingliederung auch der nicht der Europäischen Gemeinschaft entstammenden Ausländer zwangsläufig stärker in den Blickpunkt der politischen Entscheidungsträger rücken würde.

Damit ist schon ein letztes Bedenken gestreift: Wie werden sich die Ausländer politisch verhalten, wenn sie erst einmal politische Rechte, z. B. also das Gemeindewahlrecht, besitzen? Eines wird man vorweg als sicher ansehen dürfen: Zur Gründung von Ausländerparteien wird, abgesehen von der Sperre des § 2 Abs. 3 Ziff. 1 PartG, schon wegen der erheblichen Heterogenität der ausländi-sehen Bevölkerung keine Neigung bestehen. Das schließt freilich nicht aus, daß sich Ausländer zu kommunalen Wählergruppen zusammenschließen und als solche Wahlvorschläge einreichen, sofern die Stimmenverhältnisse im Einzelfall aussichtsreich erscheinen. Selbst wenn es gelänge, für eine derartige Liste die Stimmen aller Gruppen zu gewinnen, würden die Ausländer stets eine geringe Minderheit darstellen und deshalb allenfalls in Koalitionen ihren Einfluß geltend machen können. Aus diesem Grunde dürfte es für ihre Interessen längerfristig günstiger sein, die bestehenden politischen Parteien durch gezielte Unterstützung für die Ausländerbelange stärker zu engagieren und so einen ausländerpolitischen Wettbewerb unter ihnen in Gang zu setzen. Daß dabei auch die Plazierung ausländischer Kandidaten und ihre innerparteiliche oder innerfraktionelle Rolle werbewirksame Merkmale darstellen würden, versteht sich von selbst.

Das alles hat nichts Schreckhaftes. „Überfremdung", wie der xenophobe Terminus aus glücklicherweise vergangenen Epochen enger Nationalstaatlichkeit lautet, braucht niemand zu befürchten, und zwar weder zahlenmäßige noch wirtschaftliche, wobei man sich unter der letzteren kaum etwas vorzustellen vermag, es sei denn die Rolle multinationaler Unternehmen, die aber mit den Ausländerproblemen wenig zu tun haben. Auch werden die „ausländischen Interessen" (was ist das?) die deutschen nicht übertönen oder gar die Ziele deutscher Politik sich unterwerfen wollen oder können Mit der Mobilisierung des politisch aktiven Ausländers als Bürgerschreck wird der rationalen Qualität der Diskussion kaum gedient, sondern werden höchstens notwendige Korrekturen des staatspolitischen Gegenwartsverständnisses weiter hinausgeschoben — eine Haltung, deren Gefahren für die politische Ruhelage und das Selbstverständnis unseres Gemeinwesens ungleich größer sein dürften als diejenige einer vermeintlichen Fremdbestimmung deutscher Politik durch kommunalwahlberechtigte Ausländer.

Fussnoten

Fußnoten

  1. BArbBl 1970, S. 281 ff., letzte Fassung v. 20. 4. 1972. Vgl. FAZ v. 31. 12. 1973. Die Vorschläge sehen namentlich eine Koordinierung des Aufenthaltsrechts in Gestalt eines Systems normativ verkoppelter Berechtigungsstufen (Gebietszulassung, Aufenthaltsgenehmigung, Aufenthaltsberechtigung), Einschränkung der Ausweisungsmöglichkeit und die Erlaubnis zu grundsätzlich freier politischer Betätigung der Ausländer im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung vor.

  2. Th. Sommer, Nigger, Kulis oder Mitbürger? Unser Sozialproblem Nr. 1: Die Gastarbeiter, in: Die Zeit Nr. 15 v. 6. 4. 1973, S. 1.

  3. J. Eick, Die Schallmauer ist erreicht. Zum Gastarbeiterproblem, in: FAZ v. 23. 5. 1973, S. 2.

  4. FAZ v. 24. 11. 1973, S. 1. Von dieser oder ähnlichen zukünftigen Maßnahmen nicht betroffen sind EWG-Angehörige wegen der Freizügigkeitsnormen des EWG-Vertrages (insb. Art. 48, 52, 59) und der Ausführungsvorschriften hierzu; vgl. vor allem die — Richtlinie Nr. 64/220/EWG zur Aufhebung der Reise-und Aufenthaltsbeschränkungen für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten innerhalb der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Niederlassung und des Dienstleistungsverkehrs vom 25. 2. 1964 (ABI., S. 845); neugefaßt durch die Richtlinie Nr. 73/148/EWG vom 21. 5. 1973 (ABI. L 172, 14. v. 28. 6. 1973);

  5. Vgl. FAZ v. 10. 1. 1974, S. 5.

  6. Vgl. John Nielson, Les ilotes de l'Europe: Les travailleurs immigrs, 30 Jours d’Europe Nr. 183, Oktober 1973, S. 33 ff., -TIME-Cover Story v. 3. 12. 1973: Will Migrants Become the Victims Again?, S. 12— 19.

  7. Vgl. z. B. die Äußerungen eines Vertreters des Bundesministers des Innern auf einer Tagung der Theodor-Heuss-Akademie, wiedergegeben in FAZ v. 27. 4. 1973; ferner die Antwort des Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz auf eine Große Anfrage der CDU-Fraktion v. 27. 3. 1973, Drucksache 7/1781, wonach die Einbürgerung der stufenweisen Gewährung staatsbürgerlicher Rechte vorzuziehen sei.

  8. Vgl. dazu das im Rahmen des Europärates geschlossene Europäische Übereinkommen über die Verringerung der Mehrstaatigkeit und über die Wehrpflicht von Mehrstaatern vom 6. 5. 1963, BGBl. II, S. 1954.

  9. Vgl. die Antwort des Min. Präs, von Rheinland-Pfalz, a. a. O. (Anm. 7).

  10. Vgl.den alarmierenden Beschluß des BVerwG v. 29. 8, 1972, DOV 1973, S. 414. Ähnlich der BayVGH (Beschl. v. 23. 1. 1973, BayVBl 1973, S. 441) wonach auch ein lOjähriger Aufenthalt das behördliche Ermessen nicht derart einschränkt, daß für eine Ausweisung besonders schwerwiegende Verstöße gegen die öffentliche Ordnung gefordert würden.

  11. Vgl. BVerfGE 27, 1 ff„ 6; 30, 1 ff.; 33 ff.; 40 (abweichende Meinung); Dolde, Die politischen Rechte der Ausländer in der Bundesrepublik (1972), S. 98.

  12. Deshalb ist auch die von Grabitz, a. a. O. Anm. 5), S. 114 ff., erwogene Lösung (Einbürge-rungsanspruch mit Wiedereinbürgerungsanspruch bei Rückkehr ins Heimatland) — abgesehen von ihren zahllosen Komplikationen — nicht gang-bar. Auch wird von Regierungsseite nicht ohne Anlaß die Befürchtung geäußert, die Heimatländer könnten auf eine weitherzige Einbürgerungspraxis der Bundesrepublik Deutschland mit Paßbefristungen reagieren und damit ihrerseits eine Rotation erzwingen.

  13. Europa-Union-Korrespondenz Nr. 1/71, S. 16; ähnlich auch das „Schwarzbuch: Ausländische Arbeiter", 1972, S. 202; s. auch Dolde, a. a. O. (Anm. 11), S. 78, mit weiteren Nachweisen in Fußn. 44.

  14. Z. B. in Troisdorf und Bergisch-Gladbach, vgi. FAZ v. 29. 3. 1973, S. 5; neuerdings auch in Nürnberg, vgl. Der Spiegel Nr. 23 v. 4. 6. 1973, S. 70. Dagegen scheint sich das sog. Opladener Modell (s. dazu M. Kotthaus, Europäische Gemeinschaft 11/1973, S. 28 ff.) auf die kulturell-sozialen Probleme der Eingliederung zu beschränken.

  15. Vgl. hierzu „Das politische Mitspracherecht der Wanderarbeitnehmer im Raum Brüssel", in: Europäische Dokumentation 1973/74, hrsg. von den Europäischen Gemeinschaften. In mehr als 30 belgischen Städten und Gemeinden, vorwiegend der Ballungszentren, bestehen seit 1968 gegründete sog. CCCI (Conseils Consultarifs Communaux pour Immigres), teils aus ernannten, teils schon aus gewählten Mitgliedern. Sie nehmen auf die gemeindlichen Entscheidungen einen aktiven, freilich formell nur beratenden Einfluß. Dieser ist jedoch deswegen von Gewicht, weil die Tätigkeit der CCCI informell von dem Comite de Liaison des Organisations de Travailleurs Immigres (CLOTI), einer mit Hilfe der beiden belgischen Gewerkschaften (FGTB und CSC) gegründeten Dachorganisation der Ausländervereinigungen, koordiniert wird. Die Schaffung der CCCI wird allgemein als eine erste Etappe auf dem Weg zum Wahlrecht für Ausländer angesehen.

  16. Vgl. FAZ v. 5. 12. 1973, S. 7

  17. Vgl. Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie und Anpassung, 1970, S. 66; siehe auch Herzog, Allgemeine Staatslehre (1971), S. 339/40; H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, 19622, S. 632 ff.

  18. Vgl. dazu Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, 19502, S. 427 ff.

  19. BGBl. I, S. 927.

  20. Kritisch Grabitz, a. a. O. (Anm. 5), S. 106 ff.

  21. Vgl. Art. 20 Abs. 1 und 2 GG.

  22. Vgl. G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl. 1921 (7. Neudruck 1960), S. 723.

  23. Rechtsvergleichende Hinweise bei Grabitz, a. a. O. (Anm. 5), S. 27.

  24. Ebenso Art. 31 Abs. 2 NRW Verf; ohne ausdrückliche Entscheidung auch Art. 6 Abs. 4 HambVerf und Art. 3 Abs. 4 SchlHLSatzg.

  25. H. M., vgl. z. B. C. Schmitt, Verfassungslehre, 19283, S. 169; v. Mangoldt-Klein, Das Bonner Grundgesetz, 19662, Art. 20 Anm. V 4 c (S. 595); Maunz, in: Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz, 19693, Art. 20 Rn. 49; Hamann, in Hamann-Lenz, Grundgesetz, 19703, Art. 20 Anm. B 5 (S. 342); Dolde, a. a. O. (Anm. 11), S. 72 f. m. w. N.; Behrend, Kommunalwahlrecht für Ausländer in der Bundesrepublik, DOV 1973, S 376 f.

  26. Art. 26 Abs. 1, 28 Abs. 2 BWVerf; 4, 7, 14 Abs. 2 BayVerf; 26 Abs. 3, 4 BerIVert; 69 Abs. 1, 76 BremVerf; 73 Abs 1, 75 Abs. 2 HessVerf; 4 Abs. 2 NsVerf; 76 Abs. 2, 80 Abs. 2 RhPfVerf; 66, 68 Abs. 2 Satz 2 SaariVerf.

  27. Vgl. BVerwGE 4, 298, 301: „Nähe eines Gnadenaktes“.

  28. Zu dieser im 19. Jahrhundert vollzogenen Entwicklung vgl. Grabitz, a. a. O. (Anm. 4), S. 34 ff.

  29. Nach Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 1972®, S 8, wurde der Staat „zu einem Stück Selbstorganisation der modernen Industriegesellschaft". Herzog, a. a. O. (Anm. 16) bezeichnet Gesellschaft und modernen Staat als „das Volk in jeweils verschiedener Organisation und Verhaltensweise" (S. 141), als „unterschiedliche Aggregatzustände" des Volkes (S. 145).

  30. Zur unterschiedlichen Beurteilung dieser Entwicklung vgl. Ridder, Zur verfassungsrechtlichen Stellung der Gewerkschaften, 1960, S. 14 ff.; Ehmke, .. Staat" und „Gesellschaft" als verfassungstheoretisches Problem. Festschrift Smend, 1962, S. 23 ff.; E. -W. Böckenförde, Die Bedeutung der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft im demokratischen Sozialstaat der Gegenwart. Festschrift Hefer-mehl, 1972, S. 11 ff.

  31. BVerfGE 20, 56, 98.

  32. BVerfGE 27, 71, 81.

  33. Vgl. dazu Häberle, Struktur und Funktion der Öffentlichkeit im demokratischen Staat, in: Pol. Bildung, Heft 3, 1970.

  34. Vgl. Kempen, Pressefreiheit, regierungsamtliche Werbung und Verfassung, DOV 1972, S. 740 ff.

  35. Kap. „Meinungsfreiheit" in: Die Grundrechte. Handbuch der Theorie und Praxis der Grundrechte, herausgegeben von Neumann-Nipperdey-Scheuner, Band II, 1954, S. 249 ff.

  36. BVerfGE, 7, 198, 208; 8, 104, 113; 20, 56, 98.

  37. Z. B. Scheuner, Pressefreiheit, VVDStRL 22 (1965), S. 1 ff., 27 ff.; Hesse, a. a. O. (Anm. 31), S. 62 f., 158; Lenz, in: Hamann-Lenz, a. a. O. (Anm. 27), Art. 5 Anm. A 2 (S. 183); Herzog, in: Maunz-Dürig-Herzog, a. a. O. (Anm. 27), Art. 5 Rn. 4— 8.

  38. So aber — mißverständlich — Scheuner und Hesse, a. a. O. (Anm. 40) und BVerfGE, a. a. O. (Anm. 39).

  39. So ausdrücklich Tomuschat, a. a. O. (Anm. 21), S. 57; vgl. außerdem Ridder, a. a. O. (Anm. 38), S. 269; Heuer, Politische Betätigung von Ausländern und ihre Grenzen (1970), S. 36 f. Ähnlich schon H. Krüger, a. a. O. (Anm. 16), S. 592, Fn. 66.

  40. Auf dieses Mißbehagen greift z. B. auch Tomuschat, a. a. O. (Anm. 21), zurück.

  41. A. a. O. (Anm. 21), S. 61, unter Berufung auf Ridder, a. a. O. (Anm. 38), S. 269; ders., Art. Meinungsfreiheit, in: Staatslexikon (Görres-Gesellschaft) 19606, Bd. 5, Sp. 652.

  42. A. a. O. (Anm. 21), S. 60.

  43. Tomuschat, a. a. O. (Anm. 45).

  44. A. a. O. (Anm. 42), S. 36.

  45. Die ausländerpolizeiliche „Maulkorb“ -Verfügung, JuS 1971, S. 34 ff., 35.

  46. Das Ausländergesetz im Meinungsstreit, NJW 1973, S. 729 ff., 730.

  47. Smend, Das Recht der freien Meinungsäußerung, VVDStRL 4 (1928), S. 44 ff., 50; C. Schmitt, a. a. O. (Anm. 27), S. 165.

  48. In: Staatslehre (1934), S. 175.

  49. Vgl. z. B. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, 193314, S. 511 ff.; C. Schmitt, Inhalt und Bedeutung des zweiten Hauptteils der Reichsverfassung, HdbDStR Bd. 2, 1932, S. 590 f.

  50. § 6 Abs. 1 AuslG wiederholt diese Beschränkung des Ausländers auf die Menschenrechte, was indes im Bereich der sog. Deutschenrechte nicht vollständige Rechtlosigkeit bedeuten kann. Die einfach-gesetzlichen Regelungen des Versammlungsgesetzes, das die Ausländer den Deutschen gleichstellt, und des Vereinsgesetzes, das nur erhöhte Verbotsmöglichkeiten für Ausländervereine vorsieht (§ 14), gehen als Spezialgesetze vor, freilich unter dem Vorbehalt von einschränkenden oder untersagenden Maßnahmen gemäß § 6 Abs. 2 AuslG. Siehe dazu Kap. III/D.

  51. Dolde, a. a. O. (Anm. 11), S. 96.

  52. E. Stein, (Lehrbuch des Staatsrechts, 1971®, S. 148) sieht hier ein System wachsender gesellschaftlicher Integration zum Staat hin.

  53. Vgl. dazu näher Kap. III/D.

  54. H. M., vgl. z. B. Dolde, a. a. O. (Anm. 11), S. 94 m. w. N.; Zuleeg, Menschen zweiter Klasse?, DOV 1973, S. 361 ff., 369.

  55. BVerfGE 27, 71, 81 ff.

  56. Dolde, Nodimals: Die ausländerpolizeiliche „Maulkorb" -Verfügung, JuS 1971, S. 314 ff., 315. 60) Vgl. Dolde, a. a. O. (Anm. 11), S. 69 f.

  57. Isensee, Staatsrechtslehrer-Tagung 1973, Korreferat zum Thema „Die Stellung des Ausländers im Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland", VVDStRL 32 (1974).

  58. S. die oben in Anm. 5 zitierten Vorschriften und Grabitz, a. a. O. (Anm. 5), S. 85 ff.

  59. Vgl. auch Rittstieg, Aktuelle Fragen des Ausländerrechts, NJW 1972, S. 2153 ff., 2159.

  60. Quelle: Ausländische Arbeitnehmer 1970, Bericht der Bundesanstalt für Arbeit, 1971, S. 9.

  61. Schwarzbuch, a. a. O. (Anm. 13), S. 89.

  62. V. 15. 1. 1972, BGBl. I, S. 13.

  63. Bisher stand das passive Wahlrecht lediglich EWG-Angehörigen gern. Art. 8 der VO Nr. 1612/68 (EWG) über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft v. 15. 10. 1968 (ABI. L 257 v. 19. 10. 1968) nach einjähriger Betriebszugehörigkeit zu.

  64. So z. B. Dietz, Kap. Die Koalitionsfreiheit, in: Die Grundrechte, Handbuch der Theorie und Praxis der Grundrechte, herausgegeben von Neumann-Nipperdey-Scheuner, III. Band, 1. Halbbd., 1958, S. 417 ff., 460; W. Weber, Die Sozialpartner in der Verfassungsordnung, FS OLG Celle, 1961, S. 239 ff., 246.

  65. BVerfGE 4, 96, 102; Lerche, Verfassungsrechtliche Zentralfragen des Arbeitskampfes, 1968, S. 27.

  66. Vgl. z. B. § 5 Abs. 2 Nr. 7, 8 Ges. über d. Hess. Rundfunk (v. 2. 10. 1948; Hess. GVBl. S. 123); § 14 Abs. 1 lit. g. h. StaatsV üb. d. Errichtung der Anstalt des öff. Rechts „Zweites Deutsches Fernsehen“ v. 6. 6. 1961 (Hess. GVBl. S. 199).

  67. V. 8. 6. 1967, BGBl. I, S. 582.

  68. Art. 193 Abs. 2 EWGV.

  69. Vgl. BVerfGE 20, 56, 98 f.; 28, 295, 305; Ridder, a. a. O. (Anm. 32), S. 3 ff., 29 ff.; Scheuner, Koalitionsfreiheit, in: Scheuner-Weber-Dietz, Koalitionsfreiheit, 1961, S. 36 ff., 43; Leibholz, Staat und Verbände, VVDStRL 24 (1966), S. 5 ff., 24; Lerche, a. a. O. (Anm. 69), S. 28; Säcker, Anmerkung zu BVerfGE 28, 295, JZ 1970, S. 774, 775.

  70. Ridder, a. a. O. (Anm. 32), S. 12 ff.; Scheuner, a. a. O. (Anm. 73), S. 39, 68; Lenz,, in: Hamann-Lenz, a. a. O. (Anm. 27), Art. 9 Anm. B 8 a (S. 231); Lerche, a. a. O. (Anm. 69), S. 27; a. A. z. B. Scholz, Die Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, 1972, S. 170 ff.

  71. Ridder, a. a. O. (Anm. 32), S. 12 ff., 24 ff.; ferner Scheuner, a. a. O. (Anm. 73); v. Münch, Bonner Kommentar, Art. 9 (Zweitbearbeitung 1966), Rn. 149; vgl. auch Wengler, Die Kampfmaßnahme im Arbeitsrecht, 1960, S. 48.

  72. Diese Charakterisierung der sozialen Gegenspieler findet sich bei Lerche, a. a. O. (Anm. 69), S. 29.

  73. Vgl. Scheuner, a. a. O. (Anm. 73), S. 39.

  74. Sacker, a. a. O. (Anm. 73).

  75. So insbesondere Mallmann, Stichwort „Vereins-und Versammlungsfreiheit" in: Staatslexikon (Görres-Gesellschaft), Bd. 8, 19636, Sp. 107, 108; BVerfGE 20, 56, 98.

  76. Vgl. Herzog, in: Maunz-Dürig-Herzog, a. a. O., (Anm. 27), Art. 8 Rn. 4 ff.; Maunz, ebd., Art. 9 Rn. 12; Dolde, a. a. O. (Anm. 11), S. 102 f.; 125 f.

  77. Vgl. Leisner, Stichwort „Versammlungsfreiheit“ in: Evangel. Staatslexikon, 1966, Sp. 2372, 2373; 8 A Herzog, a. a. O. (Anm. 80), Rn. 6 mit Fn. 1.

  78. Dolde, a. a. O. (Anm. 11), S. 102.

  79. Dolde, a. a. O. (Anm. 11), S. 103, 125; im Ergebnis auch Herzog, a. a. O. (Anm. 80), Rn. 6; Maunz, ä a O. (Anm. 80), Rn. 23.

  80. Krit. hierzu Dolde, a. a. O. (Anm. 11), S. 107 ff.

  81. Herrschende Meinung, vgl. BVerfGE 2, 1, 13; Maunz, a. a. O. (Anm. 27), Art. 21, Rn. 38.

  82. Umkehrschluß aus § 2 Abs. 3 Nr. 1 ParteienGes.

  83. BVerfGE 12, 296, 305; vgl. im übrigen die Differenzierungen bei Dolde, a. a. O. (Anm. 11), S. 135 ff.

  84. V. 4. 11. 1950; Zustimmungsgesetz v. 7. 8. 1952, BGBl. II, S. 685.

  85. Vgl. dazu Grabitz, a. a. O. (Anm. 5), S. 39 ff.

  86. Vgl. Tomuschat, a. a. O. (Anm. 21), S. 39; Grabitz, a. a. O. (Anm. 5), S. 49 f. (Fn. 98); Dolde, a. a. O. (Anm. 11), S. 167.

  87. Vgl. z. B. Hess. Landtag, Petition Nr. 1944/IV.

  88. Gemeint ist das Wahlrecht zu den Vertretungskörperschaften der Gemeinden und Gemeindeverbände.

  89. Sten. Ber. d. 82. Sitzung v. 2. 10. 1970, S. 4498. Vgl. auch die Antwort des Hess. Ministers des Innern auf die Große Anfrage der SPD-Landtags-Fraktion (Landtags-Drucksadie Nr. 7/3049) betr. die „Mitwirkung ausländischer Arbeitnehmer an politischen Entscheidungen auf kommunaler Ebene" (Landtags-Drucksache Nr. 7/3394).

  90. Z. B. Art. 70 HessVerf.

  91. Vgl. die in Anm. 93 zitierte Antwort des Hess. Ministers des Innern.

  92. Eine gleichlautende Verweisung in Art. 137 Abs. 6 HessVerf. wurde schon 1950 gestrichen.

  93. Vgl. Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG.

  94. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BayVerf.; Art. 76 Abs. 2 Rheinl-PfVerf.

  95. Triepel, Quellensammlung zum deutschen Reichsstaatsrecht, 4. Aufl., S. 6 ff., § 12.

  96. Reichsanzeiger 1919, Nr. 15; vgl. hierzu und zum folgenden: H. Preuß, Reich und Länder (1928), S. 135— 154.

  97. Nicht ohne Interesse ist hier ein Seitenblick auf ein frühes Gastarbeiterproblem der Weimarer Republik: Im Zusammenhang mit der durch den Versailler Vertrag vorgeschriebenen Schleifung der Befestigungen von Helgoland hielten sich dort zahlreiche nicht eingesessene Arbeiter auf, denen nach Meinung der einheimischen Bevölkerung das Kommunalwahlrecht nicht schon nach Ablauf eines Jahres erteilt werden sollte, weil sie trotz jahrelangen Aufenthalts doch keine Berührung mit den eigentlichen Gemeindeangelegenheiten und Gemeindeinteressen der Insel besäßen (Preuß, a. a. O. [Anm. 100], S. 144). Um diesen Wünschen Rechnung zu tragen, wurde auf Grund eines verfassungsändernden Zusatzes (Art. 178 Abs. 2 Satz 3 WRV) und des pr. Gesetzes v. 11. 12. 1920 (GS S. 541) die Aufenthaltsdauer in Helgoland vor Erreichung des Gemeindewahlrechts auf fünf Jahre verlängert. — Die Besonderheit dieses Falles liegt freilich in der Insellage der Gemeinde Helgoland und der effektiv vorübergehenden Anwesenheit der fremden Arbeitskräfte auf Grund eines begrenzten Zweckes.

  98. So aber ohne nähere Begründung das Bayerische Staatsministerium des Innern in einem Bescheid an den Landesverband Bayern der Europa-Union vom 16. 2. 1970 — Az. 1 B 1 — 3013— 2/2 — und der wissenschaftliche Dienst beim Landtag Rheinland-Pfalz in einem Vermerk vom 1. 12. 1970, S. 2; ebenso wohl die Antwort des Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, a. a. O. (Anm. 7), S. 12.

  99. Art. 7 ff.der französischen Verfassung vom 24. 6. 1793 verwirklichten zum erstenmal das Institut des allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlrechts; vgl. G. Jellinek, a. a. O. (Anm. 24), S. 524.

  100. So auch Nawiasky-Leusser, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 1948, Erl. zu Art. 12 (S. 87); Süsterhenn-Schäfer, Kommentare der Verfassung für Rheinland-Pfalz, 1950, Art. 50, Anm. 2 (S. 225).

  101. Vgl. zu diesem Zusamenhang Strupp, Die Rechtsstellung der Staatsangehörigen und der Staatsfremden, in HdbDStR I, (1930), S. 274 ff.

  102. Vgl. Dolde, a. a. O. (Anm. 11), S. 77; Maunz, a. a. O. (Anm. 27), Art. 33 Rn. 6. Siehe auch Art. 3 RV 1871 und Art. 110 WRV.

  103. Vgl. etwa die Argumentation im Vermerk des wissenschaftlichen Dienstes beim Landtag Rheinland-Pfalz a. a. O. (Anm. 102), S. 6, und die Ant-wort des Hess. Ministers des Innern, a. a. O. (Anm. 93).

  104. Vgl. R. Scholz, Das Wesen und die Entwicklung der gemeindlichen öffentlichen Einrichtungen, 1967, S. 44 L; Lerche, Verfassungsfragen um Sozialhilfe und Jugendwohlfahrt, 1963, S. 114 f.

  105. Vgl. dazu Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 197310, S. 524 ff.; Gönnen wein, Gemeindereiht (1963), S. 61 ff.

  106. Dazu Gönnenwein, a. a. O. (Anm. 109), S. 64 ff.

  107. Köttgen, Die Gemeinde und der Bundesgesetzgeber, 1957, S. 28.

  108. Gönnenwein, a. a. O. (Anm. 109), S. 12ff.; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I (1957), S. 173 ff.; J. v. Gierke, Die erste Reform des Frhr. vom Stein, (1957). S. auch Emmelius, Das Rangverhältnis von Staat, Gemeinde und freier Gesellschaft bei der Wahrnehmung wohlfahrtsfördernder Aufgaben, Diss. Bonn 1964, S. 7 ff.

  109. Vgl. Köttgen, a. a. O. (Anm. 111); Emmelius, a. a. O. (Anm. 112), S. 7 ff.

  110. Zur Gedankenwelt Steins vgl. D. Schwab, Die „Selbstverwaltungsidee" des Freiherrn vom Stein und ihre geistigen Grundlagen (1971), insb. S. 11 ff.

  111. Vgl. in: Karl Freiherr vom und zum Stein. Briefe und amtliche Schriften. Bearbeitet von Erich Botzenhart, neu herausgegeben von Walter Hubatsch, Bd. II/l, S. 391.

  112. Aus der Sicht des Zeitgenossen dazu Dahlmann, Die Politik, 1. Aufl. 1835, §§ 245 ff. (S. 218 ff.des Neudrucks v. 1968).

  113. Vgl. z. B. L. v. Stein, Verwaltungslehre, Teil 1, Abt. 2, 18692, S. 6, 16.

  114. Vgl. Köttgen, a. a. O. (Anm. 111), S. 30. Zu der von ihrem positivistischen Ansatz gänzlich andersartigen, aber ein — antistaatliches — subjektives Recht auf Selbstverwaltung gleichwohl bestätigenden Lehre Labands vgl. Emmelius, a. a. O. (Anm. 112), S. 13 f.

  115. Das städtische Amtsrecht in Preußen, 1902, S. 53, 217 f.; ders., Selbstverwaltung, Gemeinde, Stadt, Souveränität. Festschrift Laband, Bd. 2, S. 197 ff.; ders., Die Lehre Gierkes und das Problem der Preußischen Verwaltungsreform. Festschrift O. v. Gierke, Bd. 1, S. 24 ff., 269 ff., 278 ff., 287 ff.

  116. Scheuner, Gemeindeverwaltung und kommunale Aufgabenstellung in der Gegenwart, AfK 1 (1962), S. 149 ff„ 151.

  117. Scholz, a. a. O. (Anm. 108), S. 43.

  118. Die von Smend vorgenommene Einschätzung der Gemeinde als „technische Hilfseinrichtung" des Staates scheint hierfür typisch zu sein (vgl. Verfassung und Verfassungsrecht, 1928, in: Staatsrechtliche Abhandlungen, 1968=, S. 119 ff., 271).

  119. Vgl. BVerfGE 1, 167, 174 f.

  120. H. M., vgl. K. Stern, Bonner Kommentar, Art. 28 (Zweitbearbeitung 1964), Rn. 60 ff., BVerfGE 1, 167, 175. Mit dem Grundgesetz stimmen in dieser Hinsicht die Verfassungen aller Bundesländer mit Ausnahme der Stadtstaaten Hamburg und Berlin überein.

  121. Scholz a. a. O. (Anm. 108), S. 44; ähnlich Köttgen, Innenpolitik und allgemeine Verwaltung, DOV 1964, S. 145, 150; Lerche, a. a. O. (Anm. 108), S. 114 ff.; Salzwedel, Staatsaufsicht in Verwaltung und Wirtschaft, VVDStRL 22 (1965), S. 206 ff.; 223; Gönnenwein, a. a. O. (Anm. 109), S. 33; Emmelius, a. a. O. (Anm. 112), S. 20 f.; Stern-Bürmeister, Die kommunalen Sparkassen, 1972, S. 53 f.

  122. Formulierung in Anlehnung an BVerfGE 33, 125, 159.

  123. BVerfGE, 11, 266, 275 f.

  124. Vgl. dazu Forsthoff, a. a. O. (Anm. 109), der jedoch an anderer Stelle (S. 536 ff.) Demokratie und kommunale Selbstverwaltung, Parlamentswahlen und Gemeindewahlen deutlich voneinander abhebt.

  125. BVerfGE, 11, 266, 275 f.

  126. BVerfGE 12, 319, 325; Ridder/Ladeur, Das sogenannte politische Mandat von Universität und Studentenschaft, 1973, S. 23.

  127. Gönnenwein, a. a. O. (Anm. 109), S. 148. Ha-mann, Autonome Satzungen und Verfassungsrecht (1958), S 68 ff.; Hamann-Lenz, a. a. O. (Anm. 27), Art. 80 Erl. B 3b (S. 545).

  128. Maunz, in: Maunz-Dürig-Herzog, a. a. O. (Anm. 27), Art. 20, Rn. 49.

  129. BVerfGE 4, 31, 44.

  130. S. dazu Maunz, in: Maunz-Dürig-Herzog (Anm. 27), Art. 28, Rn. 22.

  131. Vgl. Maunz ebd. (Anm. 135), Rn. 2 und 3; zu Art. 17 WRV siehe in demselben Sinne schon Anschütz a. a. O. (Anm. 52), Erl. 6.

  132. So z. B. Hamann-Lenz, a. a. O. (Anm. 27), Art. 20 Anm. 5 (S. 342).

  133. So z. B. Maunz, in: Maunz-Dürig-Herzog, a. a. O. (Anm. 27), Art. 20, Rn. 48.

  134. Vgl. dazu Scheuner, Zur Neubestimmung der kommunalen Selbstverwaltung, AfK 12 (1973), S. 1 ff., 20 ff., 23 f.

  135. Scheuner, a. a. O. (Anm. 139), S. 10.

  136. A. a. O. (Anm. 139), S. 24.

  137. So Josef Isensee, a. a. O. (Anm. 61), Leitsätze 17 ff.

  138. A. a. O. (Anm. 61), Leitsatz 19.

  139. Isensee, a. a. O. (Anm. 61), Leitsatz 18 (b): „Die demokratischen Mitgliedschaftsrechte des Staatsbürgers kompensieren seine unentrinnbare Angewiesenheit auf den Staatsverband. Die demokratische Egalität verbietet, das aktive wie passive Wahlrecht Personen einzuräumen, die nicht Staatsbürger auf Lebenszeit sind." (c) „Die spezifischen Lasten, die aus der demokratischen Mitgliedschaft im Staatsverband erwachsen (insbesondere die Wehrpflicht), obliegen Ausländern nicht.“

  140. Art. 15 Abs. 2 BayGO; §§ 8 HessGO; 21 Abs. 2NsGO.

  141. Gönnenwein, a. a. O. (Anm. 109), S. 71.

  142. Gönnenwein, a. a. O. (Anm. 109), S. 68 f.

  143. Vgl. hierzu z. B. Hesse, Die verfassungsrechtliche Stellung der politischen Parteien im modernen Staat, VVDStRL 17 (1959), S. 11 ff., 21, gegen die Lehre vom „Parteienstaat" bei Leibholz, Strukturwandel der modernen Demokratie, 19673, S. 93 ff. S. 93 ff.

  144. Stern, a. a. O. (Anm. 124), Rn. 88.

  145. Dazu H. P. Moser, Die Rechtsstellung des Ausländers in der Schweiz, ZSR 86 (1967) II, S. 3258, 350.

  146. Dolde, a. a. O. (Anm. 11), S. 83 ff.

  147. Vgl. Makarov, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, 1971«, S. 63.

  148. Dies entspräche den in Petitionen der Europa-Union Deutschland an die Landtage von Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein enthaltenen Vorschlägen.

  149. Siehe dazu oben S. 4/5.

  150. Vgl. neben den bereits oben in Anm. 5 gemachten Angaben für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer: Art. 69 EGKSV, 96 EAGV, 48 ff. EWGV und die auf letztere Vorschriften gestützten Nor-men des Sekundärrechts, insb. die VOen Nr. 1612 v. 15. 10, 1968 (ABI. L 257, 2), Nr. 1251 v. 29. 6. 1970 (ABI. L 142, 24), Nr. 1408/71 v. 14. 6. 1971 (ABI. L 149, 2) und die Richtlinien Nr. 68/360 v. 15. 10. 1968 (ABI. L 257, 13) und Nr. 73/148 v. 21. 5. 1973 (ABI. L 172, 14). Niederlassungs-und Dienstleistungsrecht sind gemäß Art. 52 ff. und 59 ff. EWGV fortschreitend liberalisiert worden, wenngleich das in Art. 52 und 59 gesetzte zeitliche Limit (31. 12. 1969) nicht eingehalten wurde. Zum erreichten Stand und den Folgerungen für die bisher nicht erfaßten Bereiche siehe Nicolaysen, Angleichung des Rechts der Wirtschaft in Europa, KSE 11 (1971), S. 78 ff., und Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht (1972), S. 641 ff.

  151. Das gilt wegen des sachlichen Zusammenhangs auch für Selbständige und im Dienstleistungsbereich Tätige, obwohl das Einreiseund Aufenthaltsrecht des Art. 48 Abs. 3 lit. a—c EWGV in den Vertragskapiteln über „Niederlassungsrecht“ und über „Dienstleistungen" nicht ausdrücklich wiederholt wird, vgl. Grabitz, a. a. O. (Anm. 4), S. 84, s. auch Anm. 155.

  152. Vgl. die VO Nr. 1251/70 der Kommission v. 29. 6. 1970 (ABI. L 142, 24) sowie Grabitz, a. a. O. (Anm. 5), S. 87.

  153. In ihrer Deklaration über die europäische Identität und das europäisch-amerikanische Verhältnis vom 10. September 1973 haben die neun Außenminister der EG-Mitgliedstaaten das System der repräsentativen Demokratie und des Rechtsstaats als gemeinsame politische Grundlage bekräftigt (Ziff. 3 der Deklaration, s. Le Monde, v. 27. 9. 1973, S. 3).

  154. So Tomuschat, a. a. O. (Anm. 21), S. 60.

  155. Siehe dazu die Ausführungen von K. Doehring, Die Staatsrechtliche Stellung der Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland. Der Status der Fremden im Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland unter dem Gesichtspunkt der normativen Verschränkung von Völkerrecht und Verfassungsrecht, Erstbericht anläßlich der Staatsrechts-lehrertagung 1973 in Mannheim, VVDStRL 32 (1974), Thesen Nr. 12 und 19.

  156. Die entsprechenden Befürchtungen des TIME-Korrespondenten John Nielson in: Europäische Gemeinschaft 1091973, S. 11 ff. (15), dürften jedenfalls auf die Bundesrepublik nicht zutreffen.

  157. Vgl. Forsthoff, Der Staat der Industriegesell-schaft (1971), insb. S. 164 ff.

  158. Nach Nielson, a. a. O. (Anm. 161), S. 12, sagen UN-Prognosen für die Gemeinschaft bis 1980 einen Zustrom von weiteren 4 Mio. ausländischen Arbeitern voraus.

  159. So z. B. Dürig in der Diskussion zum Thema . Die staatsrechtliche Stellung der Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland" anläßlich der Staatsrechtslehrertagung 1973 in Mannheim.

  160. Vgl. Grentrup S. V. D., Art: Minderheiten, in: Staatslexikon (Görres-Gesellschaft), 19295, Bd. 3, Sp. 1310 ff., 1314.

  161. Auszugsweise zitiert bei Grentrup, a. a. O. (Anm. 165), Sp. 1311.

  162. Vgl. dazu die zusammenfassende Beurteilung bei Grentrup, a. a. O. (Anm. 165), Sp. 1311.

  163. Martens, Recueil des principaux Traites, t. VI, S. 289. Siehe dazu Grawert, Staat und Staatsangehörigkeit, 1973, S. 156 ff.

  164. Man erinnere sich an die Ernennung von Klopstock zum citoyen francais aus Anerkennung für seine Revolutions-Ode; s. Grawert, a. a. O. (Anm. 168), S, 163. Vanel, M., Evolution historique de la notion de Francais d'origine du XVIe siecle au Code civil, Paris 1945, p. 114 ff.

  165. S.den zweiten Bundesbeschluß über die Wahl der deutschen Nationalversammlung V. 7, 4. 1848. Ziff. 3, bei Huber, Dokumente zur Deutschen Ver fassungsgeschichte I, S. 274. Grawert, a. a. O. (Anm. 168), S. 181 ff. (insb. 191).

  166. Art. 44 Vertrag von Athen vom 9. 7. 1961; Art. 12 Vertrag von Ankara vorn 12. 9. 1963.

  167. Vgl. Grawert, a. a. O. (Anm. 168), S. 241/42.

  168. Zu dieser Entwicklung s. Grawert, a. a. O. (Anm. 168), S. 133 ff. mit vielen Nachweisen.

  169. Isensee, a. a. O. (Anm. 61), These Nr. 18.

  170. S. dazu Grawert, a. a. O. (Anm. 168), S. 124 ff.

  171. So erklärte der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Innern in einer Fragestunde des Bundestags am 5. Mai 1971, die Frage einer Verleihung des Kommunalwahlrechts an ausländische Arbeitnehmer aus dem EWG-Bereich bedürfe nidit nur einer sorgfältigen verfassungspolitischen und verfassungsrechtlichen Prüfung, sondern könne überhaupt nur diskutiert werden, wenn in allen Mitgliedstaaten gleichzeitig dieselben Voraussetzungen geschaffen werden könnten (Niederschrift 118. Sitzung, 6. Wahlperiode, S. 6891).

  172. Von den vier im Bundestag vertretenen Parteien nehmen SPD und FDP schon heute ausländische Mitglieder auf; vgl. E. O. Maetzke, Deutsche Kommunisten auf der Suche nach Italienern, FAZ v. 1. 11. 1973, S. 2.

  173. Tomuschat, a. a. O. (Anm. 21), S. 60, allerdings spricht von der „zumindest vorstellbaren Extremhypothese zahlenmäßiger oder auch nur wirtschaftlicher Entfremdung".

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Otto Ernst Kempen, Dr. iur., geboren 1942 in Potsdam. Studium der Rechtswissenschaft in Berlin und Hamburg, 1970— 1973 wissenschaftlicher Assistent für öffentliches Recht an der Universität Gießen, jetzt Rechtsanwalt und juristischer Referent beim Hauptvorstand einer Industriegewerkschaft sowie Lehrbeauftragter an der Universität Gießen. Veröffentlichungen u. a.: Widerstandsrecht (Art. 20 Abs. 4 GG), in: Kritik der Notstandsgesetze (Hg. D. Sterzel), Frankfurt/Main 19692; Staatsraison über Verfassungsraison? Die „Funktionsfähigkeit der Bundeswehr" als ungeschriebene Grundrechtsschranke in Art. 4 Abs. 3 GG?, in: Juristenzeitung 1971; Pressefreiheit, regierungsamtliche Werbung und Verfassung, in: Die öffentliche Verwaltung 1972; Grundgesetz, amtliche Öffentlichkeitsarbeit und politische Willensbildung. Zu einem Aspekt des Legitimationsproblems in Verfassungsrecht, Verfassungspraxis und Verfassungstheorie (erscheint 1974).