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Wer ist ein Verfassungsfeind? Stellungnahme zu Hermann Borgs-Maciejewskis Erwiderung | APuZ 5/1974 | bpb.de

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APuZ 5/1974 Um eine westliche Konzeption der Koexistenz und Zusammenarbeit Erwiderung auf den Beitrag von Ernst Martin: „Extremistenbeschluß und demokratische Verfassung" Wer ist ein Verfassungsfeind? Stellungnahme zu Hermann Borgs-Maciejewskis Erwiderung

Wer ist ein Verfassungsfeind? Stellungnahme zu Hermann Borgs-Maciejewskis Erwiderung

Ernst Martin

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Borgs-Maciejewski macht es sich und seinen Kontrahenten zu leicht, wenn er in seiner Stellungnahme zu meinem Aufsatz „Extremistenbeschluß und demokratische Verfassung" (B 50/73) nur seine bereits vorgetragenen Argumente — wenn auch in verschärfter Form — wiederholt, es aber vermeidet, die entscheidende Frage, nämlich die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Extremistenbeschlusses, weiterzudiskutieren und sich dort mit der Feststellung begnügt, ich befinde mich mit meiner Argumentation „in honoriger Gesellschaft exzellenter Juristen und demokratischer Politiker".

Meine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Extremistenbeschlusses stützten sich im wesentlichen auf zwei Punkte, nämlich auf das Parteienprivileg und die Auslegung des Begriffes „freiheitlich demokratische Grundordnung".

Das Parteienprivileg des Grundgesetzes verweist eine Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit einer Partei ausschließlich in die Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts und verbietet bis zu dieser Feststellung jede Benachteiligung der Partei und ihrer Mitglieder wegen ihrer Zugehörigkeit zu dieser Partei. Ich habe aus dem Parteienprivileg die Un-zulässigkeit einer zwischen Verfassungsmäßigkeit und Verfassungswidrigkeit angesiedelten „Mischzone" der Verfassungsfeindlichkeit hergeleitet. Borgs-Maciejewski bestreitet in seiner Stellungnahme zunächst, daß er von einer solchen „Mischzone" ausgehe, begründet aber gleich im nächsten Satz, warum er eben doch eine solche Mischzone konstruiert, nämlich um das Verhalten politischer Gruppen klassifizieren zu können, das weder eindeutig verfassungsgemäß noch — mangels Richterspruch — verfassungswidrig sei. Eben gegen dieses Vorgehen hatte ich aber verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht. Hier ist nun über die verfassungsrechtliche Unzulässigkeit einer solchen Mischzone hinaus die Frage zu stellen, warum die Befürworter des Extremistenbeschlusses diese Mischzone der Verfassungsfeindlichkeit benötigen. Die Frage hängt eng zusammen mit dem ebenfalls oft gebrauchten Begriff der „streitbaren Demokratie", die das Grundgesetz konzipiere und die „keine Freiheit den Feinden der Freiheit" gewähren wolle.

Ist die Demokratie des Grundgesetzes eine „streitbare"? Wer ist ein „Feind der Freiheit" oder ein „Verfassungsfeind", und wer hat das Recht, jemanden als solchen zu klassifizieren — mit den entsprechenden Konsequenzen? Ich habe über den Weg der Interpretation der „freiheitlich demokratischen Grundordnung" versucht, den Rahmen der grundgesetzlichen demokratischen Freiheit abzustecken, um in etwa zu bestimmen, welchen einander widersprechenden Anschauungen das Grundgesetz noch das gemeinsame Dach bieten will. Aus der Entstehungsgeschichte der Verfassung und aus zahlreichen ihrer Normen ließ sich dabei ableiten, daß das Grundgesetz auch die Verfassung einer sozialistischen Demokratie sein könnte. Daraus habe ich die Schlußfolgerung gezogen, daß das positive Eintreten für politische Vorstellungen, die sich in diesem Rahmen bewegen, nicht gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung verstoßen kann.

Aus dieser Argumentationskette greift Borgs-Maciejewski lediglich die Schlußfolgerung auf, nämlich daß die so verstandene Verfassung auch „zersetzende Zweifel an der Grund-26 richtigkeit der bestehenden Ordnung" zuläßt. Er wiederholt dabei den Fehler, auf den ich schon in meinem Aufsatz hingewiesen hatte: Er setzt „freiheitlich demokratische Grundordnung" gleich mit der „bestehenden Ordnung". Für ihn wird also meine „Kritik an der bestehenden Ordnung" zur „Kritik an der freiheitlich demokratischen Grundordnung".

Alle von mir vorher angestellten Überlegungen dienten aber dem Nachweis, daß die freiheitlich demokratische Grundordnung nicht einfach mit dem konkret bestehenden Herrschaftsgefüge gleichgesetzt werden kann, sondern eben auch andere Ordnungsvorstellungen zuläßt. Borgs-Maciejewski ignoriert nicht nur diese Überlegungen, sondern er stattet die in seinem Sinne interpretierte freiheitlich demokratische Grundordnung auch gleich noch mit dem erhöhten Bestandsschutz des Art. 79 III GG aus. Diese Vorschrift, die unter anderem die in Art. 20 GG niedergelegten Grundsätze jeder Änderung entzieht, macht aber gerade deutlich, worum es in dieser Diskussion geht bzw. gehen sollte: nicht um eine Änderung der Prinzipien des demokratischen und sozialen Rechtsstaates, der Volkssouveränität, der Bindung an Recht und Gesetz, sondern um die Ausgestaltung der staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung im Rahmen dieser Prinzipien. Ich hatte selbst (auf S. 21 in B 50/73) kritisiert, daß das Bundesverfassungsgericht den erhöhten Bestandsschutz des Art. 79 III GG durch eine bedenkliche Interpretation aufweicht, indem es die Möglichkeit der „systemimmanenten Modifikation" dieser unabänderlichen Grundsätze einführt.

Was ist nun „streitbare Demokratie"? Das Grundgesetz wurde von seinen Verfassern unter dem unmittelbaren Eindruck der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft geschaffen, und zahlreiche Vorschriften gewinnen unter diesem Aspekt erst ihren eigentlichen Sinn, wie etwa die Unantastbarkeit der Menschenwürde, die freie Entfaltung der Persönlichkeit, das Diskriminierungsverbot des Art. 3 GG. Auch die konstruktiven Sicherungen der Verfassung, wie etwa der eben erwähnte Art. 79 III GG, sind in diesem Zusammenhang zu sehen. Diese konstruktiven Sicherungen machen auch deutlich, daß „streitbare Demokratie" aus der Verfassung heraus im wesentlichen als „Rückwärtssperre" zu verstehen ist. (Ein Argument, das z. B. durch die Existenz des Art. 139 GG erhärtet wird.) Es geht nicht nur darum, den Grundrechtsmißbrauch einzelner oder von Organisationen und Parteien zu verhindern. Streitbare Demokratie dient zuallererst dem Schutz der Verfassung. Die dem erhöhten Bestandsschutz unterliegenden Verfassungsprinzipien des demokratischen und sozialen Bundesstaates enthalten durch ihren an die politischen Gewalten gerichteten Auftrag zur Gestaltung des Gemeinwesens in einem bestimmten Sinne gleichzeitig die Aussage, daß alle Bestrebungen als verfassungsrechtlich illegitim einzustufen sind, „die den mit der Formel vom demokratischen und sozialen Bundesstaat bezeichneten politisch-kulturellen und zivilisatorischen Standard auf einen Status quo ante zurückzudrehen versuchen" (Ulrich K. Preuß, Legalität und Pluralismus, 1973, S. 152).

Diese Überlegungen sind deshalb bedeutsam, weil sie Einfluß haben auf die Interpretation der Verfassungsschutzbestimmungen im engeren Sinne, also auf die in den Art. 9, 18 und 21 GG vorgesehenen Möglichkeiten der Verwirkung von Grundrechten, das Verbot von Vereinigungen und Parteien. Diese Vorschriften sind nämlich nun nicht mehr einer unbeschränkten Auslegung im Sinne der jeweiligen Staatsraison zugänglich, sondern sind unter dem Gesichtspunkt zu sehen, daß sie dem Bestand einer Verfassung dienen, deren zentrale (und besonders gesicherte) Prinzipien einen freien und offenen gesellschaftlichen Willensbildungsprozeß konstituieren, der auch einander widersprechenden politischen Ansichten das Ringen um eine bessere gesellschaftliche Ordnung ermöglichen will. Daraus folgt, daß die in den Art. 9, 18 und 21 GG enthaltenen Mittel des „repressiven“ (U. Scheuner) Verfassungsschutzes den Bestand der Verfassung nur in engen Grenzen gewährleisten können. Sie bewirken nämlich — werden sie angewandt — das Ausschalten bestimmter Kräfte aus dem politischen Prozeß und die Einschränkung ihrer politischen Freiheit. Sie stärken nicht die Verfassung, die auf freier Zustimmung beruht, „und tragen die Tendenz in sich, die Sicherung der Verfassung und des durch sie konstituierten Staates mehr in einem gut funktionierenden überwachungsund Abwehrsystem als in der Legitimität und Integrationsfähigkeit der Grundprinzipien der Verfassung zu suchen, auf der der Bestand der Verfassung in erster Linie beruht. Wenn daher diese Form des Verfassungsschutzes mit der Formel von der . streitbaren Demokratie'begründet wird, so darf dabei nicht übersehen werden, daß die Substanz freiheitlicher Demokratie sich prinzipiell nicht durch Verkürzung von Freiheit sichern läßt" (K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 20). Oder, wie es im Minderheitenvotum zum Abhörurteil des Bundesverfassungsgerichts heißt: „Die , Staatsraison'ist kein unbedingt vorrangiger Wert. Verkennt der Gesetzgeber die Schranken, so kehrt die . streitbare Demokratie'sich gegen sich selbst." Und: „Es ist ein Widerspruch in sich, wenn man zum Schutz der Verfassung unveräußerliche Grundsätze der Verfassung preisgibt" (JZ 1971, S. 179).

Verfassungsschutz hat also vorwiegend in eine andere Richtung zu gehen; darauf hatte ich (auf S. 18) hingewiesen, und diesen Aspekt zu betonen erscheint mir nach der Stellungnahme von Borgs-Maciejewski notwendiger denn je. Nicht nur durch „Unterwanderung von unten" kann eine Verfassung beseitigt werden. Die Gefahr der Außerkraftsetzung und Aushöhlung der Verfassung „von oben" scheint mir mindestens ebenso groß zu sein. Die Verfestigung bestehender Machtstrukturen zieht die Gefahr nach sich, daß unbequeme Kritiker und Verfechter alternativer politischer Vorstellungen mit „legalen Mitteln" aus dem politischen Willensbildungsprozeß ausgeschaltet werden. Ich habe den Extremistenbeschluß in diesen Zusammenhang eingeordnet und verfassungsrechtliche Bedenken gegen ihn geltend gemacht, nicht nur weil er gegen das Parteienprivileg verstößt, sondern weil er für die Betroffenen Grundrechte außer Kraft setzt, die den freien politischen Willensbildungsprozeß gewährleisten sollen.

Borgs-Maciejewski wirft mir vor, daß ich die „zentralen Aussagen des höchsten deutschen Gerichts ... mit Entschiedenheit" bekämpfe, das Gericht, von dem er im übrigen meint, daß es die Staats-und Gesellschaftsordnung unseres Grundgesetzes „verbindlich" interpretiere. Er übersieht dabei, daß Rechtsprechung nicht ein über den „Niederungen" der Politik schwebender besonderer Vorgang, sondern auch eine politische Tätigkeit ist. Ich habe dies in anderem Zusammenhang dargestellt („Rechtsprechung als politische Entscheidung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 38/71). Wie politisch gerade die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist, darauf hat der von Borgs-Maciejewski zitierte und auch von mir geschätzte Verfassungsrechtler G. Leibholz besonders hingewiesen. Wie wäre es sonst auch zu verstehen, daß der Vorgang der Richterwahl eine so starke Aufmerksamkeit der verschiedenen politischen Parteien und Gruppen hervorrufen kann? Auf die noch weitgehende Entwicklung am Supreme Court der USA sei nur am Rande verwiesen.

Eine als politischer Vorgang verstandene Rechtsprechung muß auch politischer Kritik offenstehen. Ich halte nichts von Juristen, die sich auf die Neutralität ihrer Funktion und die Objektivität der Methode ihrer Rechtsfindung berufen und hinter diesem „schwarzen Schleier" gesellschaftlich weittragende Entscheidungen fällen. Die Methoden der Rechtsfindung und insbesondere die politische Kategorie des Vorverständnisses, das der jeweiligen Entscheidung zugrunde liegt, müssen einer offenen Diskussion zugänglich sein. Wie wichtig eine solche Untersuchung des Vor-verständnisses auch in der hier diskutierten Frage des Extremistenbeschlusses ist, habe ich versucht aufzuzeigen durch die Diskussion der staatstheoretischen Vorstellungen, die der These vom „Verfassungsfeind" zugrunde liegen. Borgs-Maciejewski geht darauf nicht ein, er beklagt sich lediglich, „faschistoid herabgewürdigt" zu werden. Ich hätte es gerne gesehen, wenn er sich mit meinen Thesen argumentativ auseinandergesetzt hätte.

Die Erörterung der juristischen Methodik in diesem Zusammenhang macht auch deutlich, worin die entscheidenden rechtsstaatlichen Bedenken gegen den Extremistenbeschluß bestehen. Der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht und frühere CDU-Landtagsabgeordnete in Nordrhein-Westfalen, Herbert Scholtissek, hat darauf hingewiesen: „Mein Hauptbedenken gegen den Erlaß ... liegt darin, daß dieser Erlaß die Definition dessen, was nun ein Staatsfeind eigentlich ist, vermissen läßt... Entweder ist die Partei verboten, dann genügt die bloße Mitgliedschaft zur Fernhaltung von dem Beamtentum, oder aber sie ist gesetzlich zugelassen, dann muß auch ein Mitglied ebenso wie ein Kandidat dieser Partei Beamter werden können. Ich fürchte also, daß bei der Durchführung dieses Erlasses die Grundrechte nicht immer ausreichend gewahrt bleiben" (WDR I, 30. 10. 73, 20. 15 Uhr).

Wer ist nun ein „Verfassungsfeind"? Wer hat das Recht, jemanden als „Verfassungsfeind" zu bezeichnen? Die Verfassung selbst schreibt vor, daß das Prinzip der freiheitlichen Demokratie es zwingend notwendig macht, die Beantwortung dieser Frage mit ihren weittragenden Konsequenzen nur der Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts zu unterstellen, um einen Mißbrauch im Alltag der politischen Auseinandersetzungen zu verhindern. Der Extremistenbeschluß öffnet aber einem solchen Mißbrauch Tür und Tor, weil er es der Exekutive und Administration ermöglicht, mißliebige politische Gegner als Verfassungsfeinde zu bezeichnen, sie aus dem politischen Willensbildungsprozeß auszuschalten und sich so einer politisch-inhaltlichen Auseinandersetzung mit ihnen zu entziehen. Darin sehe ich die oben angesprochene Gefahr einer Aushöhlung der Verfassung.

Auch die Argumentation von Borgs-Maciejewski bewegt sich auf dieser Ebene. Sie vermeidet eine rationale Diskussion der von ihr bekämpften Theorien und Zielvorstellungen und greift statt dessen Schlagworte auf, deren Wiedergabe lediglich geeignet ist, Emotionen zu wecken. Dies wird beispielhaft deutlich an der Art, in der Borgs-Maciejewski sich mit der DKP auseinandersetzt: Er greift erneut — diesmal in der Leninschen Formulierung — den Begriff der Diktatur des Proletariats auf, ohne auf die von mir versuchte Problematisierung des Begriffs einzugehen. Der Begriff genügt ihm für eine Skizzierung der Praxis der sozialistischen Staaten. Die Klammer dazwischen bildet die DKP, da sie sich zu bei-

dem bekennt. Nicht in diese Argumentation paßt der Programmsatz der DKP, daß sie eine gesellschaftliche Umgestaltung „auf der Basis der im Grundgesetz verkündeten demokratischen Prinzipien und Rechte" anstrebe. Der Hinweis auf diesen Programmsatz kann für Borgs-Maciejewski deshalb nur von „skrupelhaften Gemütern" kommen. Um dies wiederum zu belegen und die „Gefährlichkeit" der DKP nachzuweisen, muß er auf Aussagen führender Kommunisten der Weimarer Zeit zurückgreifen, deren Gegenwartsbezug er dann durch das Bekenntnis der DKP zur revolutionären Tradition der Arbeiterbewegung herstellt. Ich schlage vor, diese Aussagen in ihrem historischen Kontext zu diskutieren, einem Kontext, in den dann auch Aussagen und Tätigkeiten der Angehörigen anderer politischer Richtungen gehören, auch aus der Zeit, in der die KPD sich nicht mehr äußern konnte. Ich habe nicht die Absicht, mich zum Anwalt der DKP aufzuschwingen; auf einige Punkte habe ich hingewiesen, in denen sie sich herbe Kritik gefallen lassen muß. Die ansatzweise Diskussion der gegen diese Partei erhobenen Vorwürfe sollte nur zeigen, daß man dieser Problematik nicht mit begrifflichen Verkür29 zungen und stereotyper Wiederholung antikommunistischer Formeln beikommen kann. Ich wollte darauf hinweisen, welche Gefahren für die freiheitliche Demokratie entstehen, wenn man diese Auseinandersetzung auf der Ebene der „Verfassungsfeinde" führt. Der französische Politologe Alfred Grosser hat in der ZEIT vom 11. 1. 74 beschrieben, wie merkwürdig sich diese — offensichtlich spezifisch deutsche — Problematik aus französischer Sicht darstellt.

In derselben Weise wie mit der DKP setzt Borgs-Maciejewski sich auch mit den von mir angestellten Überlegungen auseinander: Meine Kritik des KPD-Urteils des Bundesverfassungsgerichts wird zum „Verriß", meine — wie ausdrücklich hervorgehoben — ansatzweise Diskussion der DKP-Problematik wird zur „Reinwaschung der DKP", die selbstverständliche Feststellung, daß die Treue zur Verfassung unabdingbare Voraussetzung für die Einstellung in den öffentlichen Dienst ist, wird zum wohl nicht so recht glaubwürdigen „nachträglichen Einschub". Und aus alledem wird dann ein „Freibrief für linke Revolutionäre", ausgestellt von einem „Schizophrenen". Auf die Funktion solcher Anleihen bei der Medizin habe ich schon hingewiesen (B 50/73, S. 24). Und schließlich muß — so Borgs-Maciejewski — die Bundeszentrale für politische Bildung sich die Frage gefallen lassen, wie sie dazu kommt, einen solchen Beitrag wie den meinigen überhaupt abzudrucken, da er doch wohl offensichtlich nicht der „Festigung des demokratischen Bewußtseins" diene. Welches Verfassungsverständnis, welches Verständnis vom Grundrecht der Meinungsfreiheit und von „demokratischem Bewußtsein" steht hinter einer solchen Auffassung? Es soll also wohl nicht nur der in seinen Grundrechten eingeschränkt werden, der als „Verfassungsfeind" klassifiziert worden ist, sondern auch der, der die Verfassungsmäßigkeit dieser Klassifizierung bestreitet. Das demokratische Bewußtsein soll „gefestigt" werden, indem man die staatlichen Medien von der Diskussion zentraler demokratischer Fragen freihält. Wer so argumentiert, muß sich die Frage gefallen lassen, ob ihm überhaupt an einer rationalen Auseinandersetzung über diese zentralen Fragen gelegen ist. Auch dies ist eine Frage des Schutzes der Verfassung — in dem oben angesprochenen Sinn.

Fussnoten

Weitere Inhalte

Ernst Martin, geb. 1946, Studium der Rechts-und Politikwissenschaften in Marburg, Gerichtsreferendar in Marburg. Veröffentlichungen: Sittengesetz und Strafrechtsreform, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 25/70; Rechtsprechung als politische Entscheidung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 38/71; Extremistenbeschluß und demokratische Verfassung. Eine Stellungnahme zu H. Borgs-Maciejewski: Radikale im öffentlichen Dienst (B 27/73), in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 50/73.