Mitte vergangenen Jahres schloß der Chef des Bonner ARD-Büros, Friedrich Nowottny, seinen Beitrag über die Berliner Sitzung des Petitionsausschusses des BT, auf der über eine Stärkung seiner Rechte debattiert wurde, sinngemäß mit folgenden Worten: Wir brauchen keinen Ombudsman! Es muß ausschließliche Aufgabe des Petitionsausschusses bleiben, die Kontrolle über Exekutive und Verwaltung auszuüben, um somit dem Bürger zu seinem Recht zu verhelfen.
Ähnlich konzipiert Frau Tesche ihre Kritik an einem möglichen deutschen Bürgerbeauftragten
a) Durch die zusätzliche Einfügung einer weiteren Kontrollinstitution (des Bürgerbeauftragten) kann die „Staatsverdrossenheit" nicht beseitigt werden;
b) ausländische Vorbilder sind für bundesdeutsche Überlegungen ungeeignet;
c) der Bürgerbeauftragte bietet keine Gewähr für effizientere Exekutiv-und Verwaltungskontrolle als ein reformierter Petitionsausschuß; außerdem sieht Frau Tesche die Gefahr einer Überschneidung von Tätigkeitsbereichen, die eine der beiden Petitionsinstanzen überflüssig macht; d) Einwirkungen auf Gesetzesnovellierungen sind — auch im Ausland — kaum gegeben;
ebenfalls sei das „Anklagerecht" auf Grund der Rechtsvorschriften im Öffentlichen Dienst illusorisch.
Ihre ablehnende Haltung liegt für Frau Tesche also in der Erkenntnis begründet, daß „dieser nicht mehr leisten könnte als das, was dem Petitionsausschuß bei Stärkung seiner Rechte möglich wäre" (S. 22).
Zu a) Nahezu alle Betrachter des deutschen Parlamentarismus
Zu recht weist Frau Tesche auf die unser Ausschußwesen oftmals kennzeichnende und den Verfahrensprozeß lähmende parteipolitische Einflußnahme hin. Für den Petitionsausschuß -------------------—*je zwei Ausschußmitgliedern verschiedener Couleur bearbeitet werden, die somit jeden Beschluß über eine Petition gegenseitig blokkieren können.
Eine solche negative Kontrolle, die durch die-sen Parteienproporz die Glaubwürdigkeit un-seres Petitionswesens erschüttert, kann wohl kaum als vrünzchenswert angesehen werden. Die Unabnängigkeit des Bürgerbeauftragten dagegen, sofern er ex officio tätig wird und eben nicht auf Weisung der Petitionsausausschüsse in Bund und Ländern, schließt sol-che Einflußnahme aus und garantiert dem Petenten eine objektive Bearbeitung seiner Eingabe. Zu b) Frau Tesche sieht die „Heranziehung des Vergleichs mit anderen Staaten zur politischen Reform im eigenen Bereich" als äußerst problematisch an, zumal wenn dem Vergleich „unterschiedliche Verfassungsstrukturen" in den analysierten Ländern zugrunde liegen.
Diesem Vorwurf ist dann zuzustimmen, wenn es ein Autor versäumt, die jeweils differenzierten Verfassungsstrukturen mit zu berücksichtigen. Ist es aber als eines der wesentlichen Merkmale der Comparative-government-Forschung anzusehen, daß „sie als ein wertvolles Hilfsmittel zur Erforschung der Eigenarten der für die einzelnen Regierungssysteme typischen Machtverteilungen und Herrschaftstechniken gelten kann"
Schweden wurde als Beispiel für den „Urvater" des Ombudsmannes mit seinen weitreichenden Kompetenzen herangezogen, Großbritannien für die Anbindung des Parliamentary Commissioners an die Abgeordneten, Frankreich als Exempel für einen kontinental-europäischen Staat mit ausgebauter Verwaltungsgerichtsbarkeit. Natürlich hätten auch andere Staaten betrachtet werden können, so z. B. Österreich
unberücksichtigt zu lassen.
FT—": uu— e 3e—permanent ue» schworene Gefahr einer Alternative „Petitionsausschuß oder Bürgerbeauftragter" ist m. E. völlig unbegründet, da unser hochkomplexes politisches System sowohl eines mit weitgehenderen Kompetenzen ausgestatteten Petitionsausschusses bedarf als auch eines Bürgerbeauftragten. Der befürchtete Dualismus dieser beiden Institutionen wird auf keinen Fall entstehen, sofern der Gesetzgeber den Parlamentskommissar als sein Hilfsorgan institutionalisiert und nicht als „Zuträger" für die Mitglieder des Petitionsausschusses.
Es muß in diesem Zusammenhang noch einmal betont werden, daß ein deutscher Ombudsman nur dann seinen vollen Wirkungsgrad entfalten kann, wenn er Petitionen, die eine ausgesprochene politische Gewichtung beinhalten und seine Stellungnahme ins parteipolitische Schußfeld rücken lassen, an den Petitionsausschuß zu delegieren vermag, um somit die für sein Amt unbedingt erforderliche politische Neutralität und damit seine Unabhängigkeit zu bewahren.
Hieraus nun seine Überflüssigkeit als parlamentarisches Kontrollorgan abzuleiten, halte ich für äußerst problematisch, wenn auch das Engagement der wissenschaftlichen Mitarbeiter des BT für den Petitionsausschuß zu würdigen ist.
Der Petitionsausschuß des BT soll zwar durch einen gemeinsamen Gesetzentwurf aller Fraktionen endlich die schon lange geforderte Kompetenzausweitung erfahren. Ob dadurch aber seine Effizienz erheblich gesteigert wird, läßt sich bedauerlicherweise nicht mit Gewißheit sagen, liegen doch — neben dem ihm immanenten Arbeitsstil
Abgesehen von diesen materiellen Mängeln wiegt kein bisher angefügtes Argument die sozial-psychologische Bedeutung des Ombudsmannes auf. Hier erhält der Bürger, und zwar vor allem derjenige, der zu den Unterprivilegierten in unserem Staat zählt, die Chance, sich an eine durch Kompetenz und Qualifikation ausgezeichnete Persönlichkeit zu wenden, kann als ein parteipolitisch zusammengesetztes Kollegialorgan.
Soll das Defizit an parlamentarischer Kontrolle auf dem Gebiet des Petitionswesens nicht weiter ausufern, ist die o. g. Alternative energisch zurückzuweisen, denn nur eine enge Kooperation zwischen Petitionsausschuß und Bürgerbeauftragten ist akzeptabel, um dem Bürger vor Behördenwillkür den Schutz zu gewähren, auf den er ein Grundrecht besitzt. Zu d) Nach § 100 der Verfassungsbestimmungen über den schwedischen Ombudsman (um bei diesem Beispiel zu bleiben) ist dieser verpflichtet, den Reichstag „auf Mängel in Gesetzen und anderen Rechtsvorschriften hinzuweisen und Vorschläge zu deren Verbesserung zu machen"
Diese weitgehende, oft genutzte Kompetenz erlaubt ihm, wie der langjährige schwedische Bürgerbeauftragte Prof. Alfred Bexelius vor der Interparlamentarischen Union ausführte
Auch der Einwand, die schärfste Waffe der skandinavischen Parlamentskommissare, Anklage gegen Bedienstete zu erheben, sei wegen der deutschen Rechtsvorschriften für den öffentlichen Dienst nicht denkbar, muß mit dem Hinweis auf die Möglichkeit einer Dienstaufsichtsbeschwerde
Widerstände gegen ein solches, dem Petitionsausschuß gleichwertiges Organ zur Exekutiv-und Verwaltungskontrolle sind jedoch in der Bundesrepublik besonders ausgeprägt; sie können u. a. mit Thomas Ellweins These, gegenüber solchen Bestrebungen mache sich „in Deutschland das Gewicht einer autoritären Tradition bemerkbar