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Konfliktformationen in der gegenwärtigen internationalen Gesellschaft | APuZ 49/1973 | bpb.de

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APuZ 49/1973 Artikel 1 Konfliktformationen in der gegenwärtigen internationalen Gesellschaft Japans Außenpolitik im Spannungsdreieck Washington -Peking -Moskau

Konfliktformationen in der gegenwärtigen internationalen Gesellschaft

Dieter Senghaas

/ 51 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die vorliegende Studie untersucht vorherrschende Konfliktformationen in der gegenwärtigen internationalen Gesellschaft. Sie beginnt mit einigen methodischen und sachlichen Überlegungen, die in bisherigen Abhandlungen über die internationale Gesellschaft immer wieder formuliert worden sind. In diesen wird internationale Gesellschaft als eine mehr oder weniger anarchische Situation umschrieben. Das vorliegende Papier versucht demgegenüber, wesentliche Konfliktformationen der heutigen Gesellschaft herauszuarbeiten, die auf relativ langfristige und relativ verfestigte Strukturen in der internationalen Gesellschaft hindeuten. Die Studie beginnt mit der These, daß erst mit der Durchdringung des Kapitalismus, vermittelt über Kolonialismus, Imperialismus und Neokolonialismus, und durch die Entstehung antikapitalistischer Bewegungen in der internationalen Gesellschaft von einer Globalisierung internationaler Politik die Rede sein kann. Eine Beschreibung der wesentlichen Konfliktformationen, die die gegenwärtige internationale Gesellschaft kennzeichnen, schließt sich an: Dabei wird insbesondere auf die interkapitalistische Konfliktformation, auf die West-Ost-Konfliktformation, auf die sogenannte Nord-Süd-Konfliktformation und schließlich auf intersozialistische Konflikt-formationen und solche, die innerhalb der Dritten Welt zu beobachten sind, eingegangen. Überlegungen über Formationen struktureller Gewalt schließen sich an. Auf diese Analyse folgt eine thesenförmige Diskussion einiger Grundprinzipien von Frieden und sozialer Gerechtigkeit in der internationalen Gesellschaft, die durch abschließende Anmerkungen über die Grundlegung einer strukturellen Theorie der internationalen Gesellschaft abgeschlossen werden. In diesem letzteren Teil der Studie vertritt der Autor die These, daß eine weitere Beschäftigung mit der internationalen Gesellschaft diese als widerspruchsvolle Totalität zu begreifen hat, die ihrerseits durch eine Analyse von Produktionsverhältnissen und den ihnen entsprechenden Austauschverhältnissen im internationalen Ausmaß begriffen werden kann. Das Theorem ungleicher und kombinierter Entwicklung gewinnt dabei eine besondere Bedeutung.

I. Einleitung: Einige methodische und sachliche Überlegungen

Hans Wilhelm Vahlefeld: Japans Außenpolitik im Spannungsdreieck Washington-Peking-Moskau .. S. 25

Wie vor Jahrzehnten, wird auch heute noch die internationale Gesellschaft vor allem mit solchen Theorien analysiert, die den Mangel an verbindlichem Recht und stabiler Ordnung im zwischenstaatlichen Verkehr als struktur-bedingtes Merkmal des internationalen Systems betonen Der klassische Nationalstaat erscheint in diesen Untersuchungen als Kontrastwirklichkeit: Hoheitliche Gewalt, durch allgemeine Rechtsnormen eingegrenzt sowie durch Loyalitätsbande der Staatsbürger abgesichert, gilt — in der Theorie prinzipiell und in der Wirklichkeit durchschnittlich — als Garant innergesellschaftlichen Friedens, der seinerseits als Abwesenheit von willkürlicher Herrschaft einzelner sozialer Gruppen und von kollektiver Gewalt definiert wird Werden Spielregeln, zum Beispiel solche des Parlamentarismus, als allgemeinverbindlich unterstellt, so erscheinen gesellschaftliche Konflikte friedlicher Konfliktregelung wenigstens prinzipiell zugänglich, während internationale Konflikte, im Grenzfall Kriege, immer wieder das unverrückbare Grundmerkmal internationaler Gesellschaft: eine gewissermaßen anarchische, potentiell eruptive und aktuell von offener Gewalt vielfach durchsetzte Struktur verdeutlichen. Lassen sich innergesellschaftliche Interessenkonflikte, selbst solche prinzipiell-antagonistischer Natur, im national-staatlichen Rahmen ihres explosiven Charakters entkleiden und vermittels vielerlei institutioneller und rechtlich verbindlicher Arrangements in Kanäle „friedlicher", d. h. hier nicht offen-gewaltsamer Auseinandersetzung lenken, so werden Interessenunvereinbarkei-ten in der internationalen Gesellchaft potentiell und aktuell als der Ort interpretiert, aus dem oft nur schwer eindämmbare gewaltsame Auseinandersetzungen sich herausentwickeln, ohne daß eine den Antagonisten übergeordnete, mit hoheitlicher Gewalt ausgestattete Institution präventiv konflikt-schlichtend und damit nach herkömmlichem Verständnis „friedenssichernd" eingreifen würde

Deshalb gilt in vielen Theorien und öffentlichen Meinungsäußerungen die internationale Gesellschaft als eine in vieler Hinsicht defi- ziente Sozialordnung: defizient hinsichtlich ihrer wenig ausgebildeten Rechts-und noch weniger fundierten Loyalitätsbasis; defizient hinsichtlich ihrer Fähigkeit zur Konfliktregulierung im Sinne nicht-gewaltsamer Interessenauseinandersetzungen; defizient auch hinsichtlich ihrer Fähigkeit, sich kognitiv und organisatorisch an veränderte Machtkonstellationen und dynamische Entwicklungen wie solchen anzupassen, die durch technologischen Fortschritt bedingt sind. Letzterer hat in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur punktuell, sondern in der Tendenz prinzipiell die Organisationsbasis der traditionellen Staatsordnung, vor allem im militär-technologischen Bereich und hinsichtlich internationaler Informationsund Kommunikationschancen, in Frage gestellt, wodurch die Idee nationaler Souveränität immer illusorischer wur-de Defizient ist diese internationale Gesellschaftsordnung auch hinsichtlich der in ihr vorherrschenden Disparitäten: Produktionsleistungen, Einkommensverteilung und Wohlfahrtsmaßnahmen sind aus später zu untersuchenden Gründen viel ungleicher ausgeprägt als innerhalb der meisten hochentwickelten National-und Industriestaaten

Nimmt man den gewöhnlichen Nationalstaat oder ein gewisses Idealbild von ihm als Vorbild, so ist die internationale Gesellschaft eher als eine Struktur von Unordnung und Chaos und bestenfalls als ein System von brüchiger, immer potentiell in sich zusammenfallender Ordnung zu charakterisieren, sicher nicht als eine besonders überlebensfähige Organisation. Selbst hergebrachte Versuche, diese mit Mangelerscheinungen ausgestattete Sozialordnung zu festigen und zu sichern, ihre Lebensfähigkeit und Selbstverwaltungskapazität zu vergrößern oder gar zu optimieren, scheinen die gegebene Grundstruktur entweder zu zementieren oder nur wenig zu ändern. Das erstere, Verfestigung, ist im Falle einer militärisch organisierten Sicherheitspolitik, die heute wie ehedem im Rahmen von Freund-Feind-Strukturen zu internationalen Rüstungswettläufen und gegebenenfalls zu offenen Kriegen führt, zu beobachten; das zweite, marginale Veränderungen, läßt sich gelegentlich im Falle internationaler Organisationen feststellen, mit deren Hilfe nach allgemeinem Verständnis in diese mangelhafte Gesellschaftsordnung kooperationsfördernde Elemente eingebaut werden sollen: psychisch und institutionell abgesicherte Loyalitätsbindungen, die den Nationalstaat übergreifen (Integrationsbewegungen); Vorkehrungen der Konfliktregulierung, die in Su-pra-und internationalen Organisationen verankert sind und entweder zu einer Interessen-abklärung beitragen sollen, ehe Konflikte virulent werden, oder Konfliktschlichtung fördern sollen, sofern ein Konflikt bis zur tatsächlichen Gewaltanwendung schon eskalier-te. Es gibt privilegierte Zonen in der gegenwärtigen internationalen Gesellschaft, in der solche kooperationsfördernden Stützen zu einer regional begrenzten Überwindung der herkömmlichen, oben dargestellten Grundstruktur beigetragen haben, ohne daß hierdurch allerdings diese weltweit immer noch existierende Struktur insgesamt überwunden worden wäre (zu denken ist hier beispielsweise an die nordischen Staaten in Europa

Die Gegenüberstellung von einer im national-staatlichen Rahmen organisierten innergesellschaftlichen Ordnung mit einer auf wie immer fragwürdigen souveränen Nationalstaaten aufbauenden internationalen Gesellschaft führt häufig zu der These, daß auf Grund der erwähnten Mangelerscheinungen die Entwicklung der internationalen Gesellschaft weit weniger verläßlich, weil unberechenbarer und deshalb von viel mehr Geradewohlprozessen durchsetzt sei als innergesellschaftliche Entwicklungsprozesse, die eher prognostizierbar seien und durch die Organe des Nationalstaates (Rechtsordnung, politisches System, Sozialisationsprozesse u. a.) gewöhnlich verläßlich gesteuert würden. Mit dieser These wird oft implizit behauptet, daß auf Grund dieses Mangels an Strukturiertheit und scheinbar wenig zielgerichteter politischer Vorgänge die internationale Gesellschaft einer ihre Grundstruktur transparent machenden wissenschaftlichen Analyse weniger zugänglich sei als innergesellschaftliche Ordnungen mit ihren relativ festgefügten Subsystemen (Politik, Wirtschaft, Recht, Sozialisation u. a.) und deren relativ rigiden Interaktion

Diese häufig gehörte These dürfte im großen und ganzen falsch sein. Wenn wir von den ins Auge springenden Haupt-und Staatsaktionen absehen, d. h. von jener internationalen Politik, die gewöhnlich in den Schlagzeilen von Massenmedien sich widerspiegelt, so läßt sich zeigen, daß diese internationale Gesellschaft auf einer Struktur beruht, die trotz wechselnder diplomatischer Konstellationen und trotz Machtverschiebungen in sich gefestigter ist und sich kalkulierbarer ändert, als uns gewöhnlich bewußt ist, obgleich sie in der Tat mit der Infrastruktur von Nationalstaaten nicht ohne weiteres verglichen werden kann. Solche im einzelnen beobachtbare Strukturiertheit ermöglicht in diesem Zusammenhang überhaupt erst von Struktur im Unterschied zu Geradewohlprozessen hinsichtlich der internationalen Gesellschaft zu sprechen. Diese Strukturen, die in den folgenden Teilen dieser Studie untersucht werden sollen, ändern sich gewöhnlich nur langsam; sie sind relativ in sich verfestigt und weisen deshalb auch noch angesichts des massiven Einflusses von neuen Faktoren (z. B. technologischen Errungenschaften) eine erhebliche Rigidität auf. Prozesse, gerade im Bereich der so-genannten „hohen Politik", erwecken demgegenüber den Anschein des ständigen Fluktuierens und dezisionistischer Beliebigkeit. Man muß jedoch gerade auch hinsichtlich der heutigen internationalen Gesellschaft Strukturen als restriktive Bedingungen für Prozesse definieren. Solche weniger sichtbaren Strukturen engen die Beliebigkeit von eher augenfälligen Prozessen ein, während andererseits Prozesse durchaus über Zeit zu Verschiebungen oder zu radikal erscheinenden, in Wirklichkeit aber historisch herangereiften Brüchen in Strukturen und zu neuen strukturellen Konstellationen führen können. Diese wechselseitigen Rückkoppelungsvorgänge, durch die alte Strukturen aufgelöst und neue aufgebaut werden, lassen sich gerade auch in der internationalen Gesellschaft beobachten, wenn man historische oder Zeitreihenperspektiven nicht aus dem Auge verliert, wenn Veränderungsraten über relativ lange Zeiträume verfolgt werden und wenn tagespolitisch spektakuläres Geschehen nicht ernster genommen wird als die ihm zugrunde liegenden, wenigstens auf Zeit relativ rigiden Rahmenbedingungen. Eine solche methodische Zuordnung von Struktur und Prozeß ist gerade angesichts dessen zu betonen, daß Tagespolitik gewöhnlich eine relativ große Faszination ausübt.

Diese trägt aber bei ständig wechselnden Kommunikationsinhalten über Vorgänge in der internationalen Gesellschaft und einer wachsenden Informationsfülle wenig zu realitätsangemessenen, zu strukturierten Umwelt-bildern bei. Sie provoziert gewöhnlich geradezu Bilder des Chaos.

Der Mangel an Realitätsprüfung oder — was dasselbe ist — die trotz wachsender Kommunikation relative Realitätsferne der internationalen Gesellschaft für im wesentlichen nationalstaatlich organisierte Menschen verstärkt die Neigung von Individuen und Staaten zu egozentrischen Selbstbildern und inhaltlich amorphen Weltbildern, die dann ihrerseits offen sind für miteinander nicht verbundene, insbesondere spektakuläre Informationen (wie z. B. die in den politischen Nachrichten im Fernsehen gebotenen), ohne selbst auf kognitiv und affektiv flexible Interpretationsmuster zu stoßen, die das Tagesgeschehen und die ihm zugrunde liegenden Strukturen rational zu erhellen vermöchten Es ist eine Aufgabe der Friedensforschung, solche Strukturen transparent zu machen, um auf diese Weise den chaotischen Eindruck, den die internationale Gesellschaft vermittelt, analytisch aufzulösen. Denn aus der Psychologie ist bekannt, daß eine chaotisch perzipierte Umwelt Fehl-wahrnehmungen fördert sowie die Suggestibi-lität von Menschen und die Irrationalität ihres Verhaltens erhöht. Solche kognitiven und affektiven Fehlleistungen von Regierungen und Kollektiven können aber heute, angesichts unvergleichlicher Zerstörungspotentiale und der Unfähigkeit von Nationalstaaten, sich gegeneinander effektiv abzukapseln, möglicherweise tödlich sein. Es ist deshalb von allergrößter Bedeutung, öffentlich mächtige Images über die internationale Gesellschaft dort zu kritisieren, wo diese den Blick für Realitäten verstellen oder nur Teilaspekte angemessen erfassen

Natürlich ist die internationale Gesellschaft nicht ein Nationalstaat im großen; ihre relativ lockere Organisations-und Interaktionsstruktur ist mit den dichten innergesellschaftlichen Verflechtungen und Netzwerken des Nationalstaates nicht ohne weiteres vergleichbar Doch wird diese internationale Gesellschaft von Strukturen getragen und baut sich aus Elementen auf, die insgesamt große Regelmäßigkeiten aufweisen. Deren Dynamik jedoch treibt, wie die Geschichte der vergangenen 400 Jahre zeigt, immer wieder zu ernsthaften Krisen und gewaltsamen Auseinandersetzungen, die ihrerseits das Bild des Chaotischen zu rechtfertigen scheinen. Will man die internationale Gesellschaft als anarchisch bezeichnen, dann nur in dem Sinne, daß ihre Struktur von Widersprüchen durchsetzt ist, die herkömmlicherweise gewaltsame Konflikte eher fördern als im Ansatz ausschließen

II. Konfliktformationen in der gegenwärtigen internationalen Gesellschaft

I II III IV Einleitung: Einige methodische sachliche Überlegungen Konfliktformationen internationalen Gesellschaft in der gegenwärtigen Zur Problematik von Frieden und sozialer Gerechtigkeit in der internationalen Gesellschaft Abschließende Anmerkungen zur Grundlegung einer strukturellen Theorie der internationalen Gesellschaft 1. 2. 3. 4. 5. INHALT Kapitalismus und die Globalisierung internationaler Politik Uber die interkapitalistische Konfliktformation über die West-Ost-Konfliktformation Uber die sogenaက

Nach diesen einleitenden Überlegungen wollen wir uns der Analyse einiger vorherrschender Konfliktformationen in der gegenwärtigen internationalen Gesellschaft zuwenden. Diese Analyse muß mit der Darstellung einiger struktureller Gegebenheiten beginnen. 1. Kapitalismus und die Globalisierung internationaler Politik Die Geschichte der internationalen Gesellschaft ist identisch mit der Entwicklung des modernen Kapitalismus und der durch seine Existenz provozierten antikapitalistischen Bewegungen im Weltmaßstab. Dies zu formulieren, heißt nicht, einem Eurozentrismus zu frönen. Die in den vergangenen Jahrhunderten erfolgte Globalisierung der internationalen Politik ist jedoch unbestritten von einem durch die Entwicklung des Kapitalismus dynamisierten Europa ausgegangen. Was heute als weltweite Interdependenz erscheint, hat sich nicht zuletzt als Folge von Kolonialismus, Imperialismus und Neokolonialismus ergeben. Der dynamische Pol dieser Entwicklung waren die jeweils führenden Metropolen in Europa, die ihrerseits wiederum seit dem 16. Jahrhundert um Spitzenstellungen rivalisierten

Zu Beginn dieses Jahrhunderts war der Aus-griff dieser europäischen kapitalistischen Metropolen, einschließlich der USA, auf diejenigen Kontinente, die wir heute insgesamt als Dritte Welt bezeichnen, noch nicht abge-schlossen. Gleichzeitig machten sich im verstärkten Maße antikapitalistische und antiimperialistische Bewegungen bemerkbar, deren erste und bedeutendste im Jahre 1917 bleibenden Erfolg hatte. 1949 folgte China, dessen Dissoziation aus einem kapitalistisch organisierten Weltwirtschaftssystem zur Institutionalisierung einer weltweiten Systemkonkurrenz wesentlich beigetragen hat. Die Globalisierung des sozioökonomischen Antagonismus zwischen Kapitalismus und Sozialismus hat ihrerseits die Globalisierung internationaler Politik wesentlich gefördert. Bereiche in der Dritten Welt, die nach den imperialistischen Auseinandersetzungen des vergangenen Jahrhunderts und zu Beginn dieses Jahrhunderts als unbestrittene Einflußsphären einzelner Metropolen galten (z. B. Kolonialbereiche), wurden nunmehr in die neuen antagonistischen Auseinandersetzungen hineingezogen, wodurch ihr Eigengewicht sich vielfach steigerte, während gleichzeitig die Dritte Welt im Verlaufe ihres Kampfes um politische Emanzipation (Dekolonisierung) begann, in einem wie immer beschränkten Sinne sich als ein neues Subjekt internationaler Politik zu konstituieren (Warum die Dritte Welt kein kollektiv handelndes Subjekt darstellt, werden wir später zu betrachten haben.)

Seit dem 15. oder 16. Jahrhundert war damit die moderne internationale Gesellschaft, auf die sich ein solcher Begriff nur beziehen läßt, mehr denn je Realität geworden. Aufgebaut auf spezifischen, noch darzustellenden Strukturmustern, ist sie heute, obgleich immer noch in einem rapiden oder 16. Jahrhundert war damit die moderne internationale Gesellschaft, auf die sich ein solcher Begriff nur beziehen läßt, mehr denn je Realität geworden. Aufgebaut auf spezifischen, noch darzustellenden Strukturmustern, ist sie heute, obgleich immer noch in einem rapiden Entwicklungsprozeß begriffen, nur noch als Totalität zu begreifen. Terminologisch sprechen wir in diesem Zusammenhang bewußt von internationaler Gesellschaft und nicht nur vom System internationaler Beziehungen oder gar von internationaler Politik, weil der Grad an Interdependenz durch den ersten Begriff deutlicher zum Ausdruck kommt und der heutigen Realität angemessener ist als noch vor wenigen Jahrzehnten. Die rapide Entwicklung von Kommunikations- und Informationstechnologien und die durch sie erhöhte Chance von Kontakt und Penetration haben heute erst die objektive Basis für ein Gebilde geschaffen, das trotz bleibender Differenzen zu innergesellschaftlichen Ordnungen immer mehr gesellschaftlichen Charakter annimmt.

Was sind wesentliche Strukturmerkmale dieser internationalen Gesellschaft und was begründet diese Struktur als Totalität? 2. über die interkapitalistische Konfliktformation Wie vor Jahrhunderten, wenn auch heute weit mehr umstritten als noch vor wenigen Jahrzehnten, liegt ein dynamischer Pol der internationalen Gesellschaft, von dem zentrale Entwicklungsimpulse ausgehen, in den kapitalistischen Metropolen. Immer noch wird der größte Teil eines im wesentlichen kapitalistisch organisierten Weltwirtschaftssystems von diesen Zentren her bestimmt 14). Diese Tatsache ist vor allem darin begründet, daß in ihnen seit der industriellen Revolution der technologische Fortschritt, wie an keiner anderen Stelle in den vergangenen Jahrzehnten, organisiert und vorangetrieben worden ist, was seinerseits zu einer maßgeblichen Erhöhung der Produktivkräfte und des technologischen Entwicklungsniveaus geführt hat 15). Im Unterschied jedoch zur Geschichte internationaler Beziehungen bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges sind diese kapitalistischen Metropolen heute nicht nur durch eine Fülle von realen Transaktionen (wie Handel u. a.) miteinander verbunden, sondern auch miteinander durch gemeinsame Interessenorganisationen zusammengeschlossen. Zwar gibt es immer noch, wie zu Zeiten des klassischen Imperialismus, handfeste Auseinandersetzungen um Macht-und Marktpositionen in der internationalen Politik und Wirtschaft, doch werden diese Auseinandersetzungen heute weit mehr mit Hilfe gemeinsamer Organisationen derart kanalisiert, daß offene kriegerische Konflikte zwischen den kapitali-stischen Zentren als äußerst unwahrscheinlich gelten können

Im Anschluß an den Zweiten Weltkrieg und im Zusammenhang der allmählichen Bewältigung der Kriegsfolgen kam es in den vergangenen 20 Jahren zu einer maßgeblichen neuen Hierarchisierung der Beziehungen zwischen diesen Metropolen Die USA standen lange unbestritten an der Spitze dieser Hierarchie, während mit der allmählichen Konsolidierung der durch den Krieg in Europa hart getroffenen ehemaligen Zentren, insbesondere im Rahmen der EWG, und mit dem Jahren zu einer maßgeblichen neuen Hierarchisierung der Beziehungen zwischen diesen Metropolen 17). Die USA standen lange unbestritten an der Spitze dieser Hierarchie, während mit der allmählichen Konsolidierung der durch den Krieg in Europa hart getroffenen ehemaligen Zentren, insbesondere im Rahmen der EWG, und mit dem rapiden Wachstum Japans effektive Gegengewichte gegen diese Vormachtstellung der USA geschaffen worden sind, was seit wenigen Jahren allmählich zu einem Rearrangement der Kräftekonstellation zwischen USA, einer erweiterten EWG und Japan geführt hat 18). Dieses Rearrangement hat bis heute im wesentlichen nur die politisch-diplomatische und anfänglicherweise auch die militär-strategische Ebene tangiert; sie hat an den typischen Transaktionsmustern, so wie sie sich in den vergangenen 20 Jahren zwischen den kapitalistischen Zentren selbst herausgebildet haben, wenig geändert.

Diese interkapitalistischen Beziehungsmuster sind durch eine für internationale Beziehungen unvergleichliche Interaktionsdichte gekennzeichnet. Gewiß ist diese Interaktionsdichte immer noch relativ gering, wenn man sie mit den innerhalb der Gesellschaften sich abspielenden vielfältigen Transaktionen vergleicht; verglichen mit dem, was im weltweiten Durchschnitt in zwischenstaatlichen Beziehungen an Interaktion zu beobachten ist, stellt sie sich überdurchschnittlich groß dar. Diese dichten Interaktionsmuster lassen sich besonders auf wirtschaftlichem Gebiet beobachten. Die im Rahmen des kapitalistischen Weltwirtschaftssystems organisierten Handels- und Kapitalströme zirkulieren heute vor allem zwischen den hochindustrialisierten Staaten des kapitalistischen Westens selbst (kreuzweise Investitionstätigkeit und multinationale Konzerne). Dasselbe gilt für das Bankwesen, für Lizenz-und Patentvergabe 19). Auch sind die internationalen Kommunikationswege (Verkehrs-und Informationssysteme) insbesondere zwischen diesen kapitalistischen Zentren mit beispielloser Dichte aufgebaut. Keine Region der Welt kennt so viele gemeinsame supranationale (gouvernementale und nicht-gouvernementale) Organisationen, mit deren Hilfe die Interessenpolitik der beteiligten Staaten wechselseitig abgeklärt werden soll (z. B. OECD, EWG u. a.). Obgleich diese Organisationen funktional jeweils spezialisiert sind (vgl. OECD im Unterschied zur NATO), ist ihre Grundstruktur relativ ähnlich; doch wesentlicher ist, daß ihre politischen Zielsetzungen miteinander synchronisiert sind 20).

Diese organisatorische Untermauerung und institutionelle Uberwölbung der realen Beziehungen zwischen den kapitalistischen Zentren ist ein relatives Novum, das die weltpolitische Szenerie vor 1945 nicht kannte. Zwar haben auch vor 1945, zum Teil schon vor 1914, die jeweils höchst entwickelten Industrienationen statistisch gesehen im großen und ganzen viel mehr untereinander als beispielsweise mit ihren Kolonien Austausch gepflegt, dennoch ist es ihnen zu jener Zeit niemals gelungen, gemeinsame supranationale Interessenorganisationen aufzubauen.

Was in diesem bleibenden dynamischen Pol der internationalen Gesellschaft also beobachtbar ist, sind nicht nur von der Größe der beteiligten Industriestaaten statistisch ohnehin erwartbare unvergleichliche Interaktionsdichten, sondern ein institutionell abgesichertes Interessenverbundsystem, das für die Einschätzung der zwischen den kapitalistischen Zentren angelegten Konfliktpotentiale von entscheidender Bedeutung ist. Diese zwischen den kapitalistischen Metropolen immer noch existierenden machtpolitischen und außen-wirtschaftlichen Konflikte werden heute durch die in diesem Interessenverbundsystem etablierten Institutionen der Konfliktartikulation und -Schlichtung „bearbeitet", während die Gefahr des erneuten Aufbruchs prinzipieller inter-kapitalistischer Konflikte im wesentlichen durch einen anhaltenden weltweiten sozioökonomischen Systemantagonismus eingedämmt wird; denn die Herausforderung der kapitalistischen Zentren durch die Sowjetunion, China, die osteuropäischen und einzelne sozialistische Staaten der Dritten Welt gebietet es, der Verteidigung gemeinsamer kapitalistischer Interessenpositionen, also dem gesamtkapitalistischen Interesse, den Vorrang vor engstirnig verfolgter nationalstaatlicher Interessenpolitik einzelner Zentren zu geben

Ungeachtet jener auch gewaltsamen Konflikt-strategien, die durch eine von kapitalistischen Staaten jenseits ihres eigenen Terrains verfolgten Interessenpolitik induziert werden (wie im Falle Vietnams), besteht heute unter den von objektiven Gegenkräften eingeschränkten Bedingungen kapitalistischer Reproduktion im Rahmen der gegenwärtigen internationalen Gesellschaft eine reale Chance, daß inter-kapitalistische Konflikte nicht zu militärischen Gewalthandlungen im eigenen Bereich eskalieren, daß durch wechselseitige Anpassungsprozesse auch tiefer liegende Strukturkonflikte wie diejenigen, die sich im labilen Weltwährungssystem ausdrücken, beigelegt werden können und daß in dem Maße, in dem neben den USA eine Großmacht EWG und eine Großmacht Japan sich entwickeln, es zu graduellen Neubestimmun-

gen von machtpolitischen Einfluß-und wirtschaftlichen Interessensphären kommt, die hart umkämpft sein werden (Investitionsund Handels-„Kriege"), was jedoch nicht zu offenen, gewaltsamen inter-kapitalistischen Konflikten mit allen Konsequenzen (wie der Mobilisierung von Militärmaschinerien) führen wird. Man mag dies für eine zu optimistische Prognose halten, wenn man bedenkt, daß noch vor wenigen Jahrzehnten inter-kapitalistische (imperialistische) Konflikte mithin den Nährboden für zwei Weltkriege abgegeben haben! Doch das wohlverstandene gesamtkapitalistische Eigeninteresse dürfte eine Wiederholung derartiger Entwicklungen heute und auf absehbare Zeit ausschließen. Nicht zuletzt dienen die gemeinsamen Interessenorganisationen (OECD, EWG u. a.) und die von den kapitalistischen Metropolen beherrschten internationalen Institutionen (Weltbank u. a.)

der Verfolgung einer derartigen kollektiven Interessenpolitik

3. über die West-Ost-Konfliktformation Nicht ausgeschlossen ist demgegenüber die Perpetuierung der West-Ost-Konfliktformation, die von Struktur und Inhalt her in Wirklichkeit eine erste Nord-Süd-Konfliktformation in der neueren Geschichte darstellt

Nachdem vor allem die Sowjetunion sich auf einen mächtigen Rüstungswettlauf mit dem Westen, der seinerseits unbestritten bewußter Schrittmacher dieser Politik war, eingelassen hat und im Militärbereich — und nur hier — heute quasi-bipolare Strukturen gegeben sind, die die ganze Aufmerksamkeit auf sich lenken, ist die Tatsache, daß sich sozialistische Staaten wie die Sowjetunion in Verfolgung antikapitalistischer Strategien bewußt aus dem kapitalistischen Weltwirtschaftssystem her-ausgelöst haben (das Nord-Süd-Element der West-Ost-Konfliktlormation), im Bewußtsein der meisten Menschen im Westen in den Hintergrund getreten, wodurch ein durch den Rüstungswettlauf verfälschtes und auf diesen fixiertes Bild eines realiter mehr als nur die militärische Dimension tangierenden System-antagonismus sich verbreitete

Weil diese Dissoziation von Rußland (1917), von China (1949) und von den osteuropäischen Staaten (nach 1945 im Verband mit der Sowjetunion) die Grundlage für eine wenn auch nicht vollständige, so doch weitgehende autonome sozialistische Entwicklung legte, sie zumindest in gewissem Umfang ermöglichte, wurde mit diesem Vorgang ein seit Beginn des kapitalistischen Systems angelegter Widerspruch in der internationalen Gesellschaft regelrecht strukturmäßig verfestigt, organisatorisch abgesichert, kurz institutionalisiert. Daß diese etatistisch ausgetragene Konfrontation eines sozioökonomischen System-antagonismus in sozialistischen Gesellschaften zu Deformationen des Sozialismus geführt hat, wird begreiflich, wenn man die doppelte Aufgabe solcher antikapitalistischer Gegenorganisationen bedenkt, die auf einmal zu lösen war: das eigene überleben gegen die mehrfach versuchte erneute Penetration von Seiten der kapitalistischen Staaten zu sichern und durch verstärkte Entwicklungsleistungen Industrialisierungsprozesse gewissermaßen im Zeitraffertempo in Ländern nachzuholen, in denen die Ausgangsbedingungen für eine solche Entwicklung keinesfalls optimal waren. Da sich diese sozialistischen Gesellschaften trotz äußerster Schwierigkeiten (Boykott, Invasion u. a.) und im Widerspruch zu gängigen Einschätzungen seit ihrem Entstehen (die noch in der Dulles-Ara gängig waren) als lebensfähig erwiesen haben und sich in den vergangenen zehn Jahren immer mehr konsolidierten, kam es nach der Hektik des Kalten Krieges in den vergangenen zehn Jahren allmählich zu einer nüchternen, eher realpolitischen als rein ideologischen Einschätzung des staatlich organisierten Sozialismus zweier Großmächte (Sowjetunion und China) von Seiten des Westens.

Durch das Auseinanderbrechen niemals besonders tief verwurzelter Beziehungen zwischen der Sowjetunion und China hat sich zwar der Manövrierraum westlicher Metropolen wieder erhöht; er ist jedoch bei weitem nicht so groß, daß über ihn der kapitalistische Westen im einen oder anderen Fall sich an Ort und Stelle erfolgreich erneut festsetzen könnte, um schließlich eine effektive, in die jeweilige Infrastruktur sozialistischer Gesellschaften eingreifende Kontrolle auszuüben. Natürlich gibt es technologische Gefälle zwischen den führenden kapitalistischen Staaten und den beiden wesentlichen sozialistischen Gesellschaften: Sowjetunion samt Osteuropa und China; natürlich führt solches West-Ost-Gefälle bei verstärkter Interaktion fast notwendigerweise zu asymmetrischen Penetrationserscheinungen (vermittels asymmetrischer Investitionsströme und Technologie-transfers, der Übertragung von Konsummuster und dgl. mehr) aber die Tatsache, daß diese sozialistischen Gesellschaften, bei allen objektiven Schwierigkeiten, denen sie sich in ihrem eigenen Innern gegenübersehen, heute relativ autozentrierte Gebilde sind, erhöht die Chance — wenn auch keine Garantie besteht —, daß sie externe Einflüsse, die von den kapitalistischen Zentren ausgehen, selektiv zu steuern vermögen, ohne erneut wie vor den Revolutionen, die sie aus dem kapitalistischen Weltsystem lösten, einer mehr oder weniger totalen Fremdbestimmung ausgeliefert zu sein. Eine derartige Garantie kann nicht ohne weiteres unterstellt werden, weil das Gefälle zwischen West und Ost (trotz selektiver Ausnahmen wie in der Rüstungspolitik, die eher Konvergenzen fördert) immer noch so groß ist, daß aus ihm eine Außenorientierung sozialistischer Gesellschaften, die Fremdbestimmung erleichtert, um so mehr sich entwickeln dürfte, je höher das Entwicklungsniveau sozialistischer Gesellschaften selbst ist, weil nach Befriedigung elementarer Bedürfnisse (wie der Beseitigung von Hunger und Analphabetismus und dem Aufbau einer modernen Infrastruktur) westliche kapitalistische Konsummuster und -Standards als attraktive Vergleichmaßstäbe — ungeachtet der ihnen zugrunde liegenden andersartigen gesellschaftspolitischen Prämissen — zur Nachahmung verführen.

Die West-Ostoder Ost-West-Konfliktformation wird, ungeachtet aller verstärkten Bemühungen, einen Modus vivendi friedlicher Koexistenz zu finden, in ihrem prinzipiell-antagonistischen Charakter bestehenbleiben, weil es sich in ihr nicht nur um die macht-und interessenpolitische Auseinandersetzung zweier Großmächte und ihrer Alliierten handelt, sondern um einen Antagonismus (Widerspruch) fundamentaler Natur: nämlich die Verteidigung und Herausforderung der in ihren Einflußzonen zwar wesentlich eingeschränkten, aber immer noch nicht gebrochenen Vorherrschaft der kapitalistischen Metropolen in der internationalen Gesellschaft und insbesondere über das vom kapitalistischen Westen dominierte Weltwirtschaftssystem. Je mehr möglicherweise eine in den vergangenen 20 Jahren entwickelte militarisierte Sicherheitspolitik, ausgedrückt im Rüstungswettlauf zwischen Ost und West, in Zukunft von den Machteliten selbst aus den verschiedensten Gründen (Kostenfrage, Existenz von overkill-Kapazitäten u. a.) teilweise aufgegeben würde oder eine bislang im wesentlichen sich in der Eskalation von Militarismus dokumentierende Systemkonkurrenz auch nur anfänglich überwunden würde (wofür im Augenblick noch keine besonderen Aussichten bestehen), dürften die sozioökonomischen Dimensionen des Systemantagonismus erheblich deutlicher wieder zum Tragen kommen. Die Zählebigkeit der überkommenen Sicherheitsund Rüstungspolitik die sich gerade angesichts allseitiger Entspannungsbemühungen zwischen Ost und West zeigt, sollte vielleicht nicht nur auf rüstungsimmanente Faktoren zurückgeführt werden (obgleich diesen eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zukommt), sondern auch auf die von den jeweiligen Machteliten perzipierte Gefahr, daß Entspannungspolitik gesellschaftspolitische Ausweitungseffekte (,, spill-over" -Effekte) besitzt, die dazu führen könnten, daß die innergesell-schaftlichen Herrschaftsverfestigungen ernsthaft in Frage gestellt werden könnten die während des Kalten Krieges unter den Vorzeichen angestrengter Rüstungspolitik aufgebaut und fraglos akzeptiert wurden.

Unter diesem Aspekt betrachtet, setzt Rüstungspolitik restriktive Bedingungen für Entspannungspolitik im Ost-West-Konflikt die ihrerseits wiederum aus dem eben genannten Grunde deshalb nur als gesellschaftspolitisch gezähmte verfolgt wird.

Ein weiteres läßt sich in diesem Zusammenhang konstatieren. Die Dynamik des Rüstungswettlaufes zwischen Ost und West, in dem sich heute der Systemantagonismus immer noch am augenfälligsten dokumentiert, wird auf absehbare Zeit durch den im wesentlichen qualitativen Charakter dieses Wettlaufs bestimmt. Seine Entwicklung resultiert dabei heute weniger aus Aktions-Reaktionsprozessen, d. h., er ist weniger ein Wettlauf zwischen Antagonisten als vielmehr ein Wettlauf der Antagonisten mit sich selbst. Diese Innenbestimmtheit von Rüstungspolitik ist angesichts der gegebenen Größenordnungen von Rüstungspolitik, ihrer sicherheitspolitischen Prämissen (Abschreckungsdoktrin), ihrer innergesellschaftlichen oder allianzgebundenen Interessenbasis, angesichts der durch sie provozierten und in sie einfließenden technologischen Impulse und der aus diesen resultierenden organisatorischen Imperative effektiver Militärpolitik analytisch faßbar und für den Analytiker wenig überraschend, so sehr sicherheitspolitische Ideologien immer noch das Gegenteil, nämlich die These der Außenbestimmtheit von Rüstungspolitik propagieren Die Gefahren, die aus dem Rüstungswettlauf resultieren, sind weiterhin groß, wobei sowohl an jene zu denken ist, die aus den Militärpotentialen selbst resultieren, als auch an jene, die sich indirekt über die sozialen Kosten von Rüstungspolitik (Verarmung von Infrastrukturen und dgl.) einstellen. Dabei ist die herkömmliche, heute vielfach propagierte Rüstungskontrollpolitik, wie die Ergebnisse der vergangenen zehn Jahre zeigen, den Dimensionen und Größenordnungen heutiger Rüstungspolitik — ihrer Dynamik — nicht ge-wachsen, da Rüstungsdynamik redundant verursacht ist und die Gründe für den Ost-West-Konflikt kumulativen Charakter haben

Auf dieser Basis läßt sich prognostizieren, daß trotz aller heute beobachtbaren „Kooperationseuphorie" in Zentraleuropa und zwischen Ost und West im allgemeinen eine solide Basis für echte friedensfördernde Kooperation sich nur schwer entwickeln wird und daß das, was heute schon an sogenannter „Kooperation" (Festschreibung des territorialen Status quo, Technologietransfers, „joint ventures", verstärkter Handel und dgl.) beobachtbar ist, zwar die überkommene Kalte-Kriegs-Konstellation aufgelockert hat, diese jedoch nicht wirklich zu durchbrechen vermag. Die antagonistische Konfliktformation zwischen Ost und West wird auf absehbare Zeit ein realer Bestandteil der gegenwärtigen internationalen Gesellschaft bleiben; gleichermaßen wird die militarisierte Systemkonkurrenz nicht ohne weiteres überwunden werden, da sie in der Selbstwahrnehmung der Machteliten ein vermeintlich verläßlicher Garant von zwischenstaatlicher und gesellschaftspolitischer Stabilität darstellt. Dämpfende Eingriffe in die Militärapparate, beispielsweise mit dem Ziel der numerischen Begrenzung von Rüstungsniveaus, sind denkbar und wahrscheinlich, sofern sie die qualitative Weiterentwicklung bestehender Apparate und militärtechnologische Innovationen nicht beschränken Ebenso sind größere wirtschaftliche Austauschbeziehungen durchaus denkbar, obgleich ihnen gewisse Limits gesetzt sind, allein schon, weil der „Integrationswettlauf" auf beiden Seiten weitergeht

Folgende Faktoren sind ebenfalls einer weitergehenden Kooperation hinderlich: die Quasi-Autarkie beider Systeme, die verschiedenartigen Wirtschafts-und Managementpraktiken, Devisenfragen, politische Implikationen, gesellschaftspolitische Ausweitungseffekte u. a.

Trotz dieser Lagebeurteilung ist die Chance, daß offene kriegerische Auseinandersetzung sich zwischen den beiden Antagonisten verhindern lassen, heute größer als jemals seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Bemühungen um eine Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und um ähnliche Veranstaltungen, denen heute im Unterschied zu den fünfziger und sechziger Jahren nicht mehr aus dem Wege gegangen werden kann — wie immer sie auch heute noch im Gespinst herkömmlicher Diplomatie hin-und hergezerrt werden —, können zur Stabilisierung einer ansonsten immer noch relativ brüchigen Gesamtsituation wesentlich beitragen Sie vermindern zumindest die Wahrscheinlichkeit eines jähen Rückfalls in den Kalten Krieg, aus dem jederzeit gewaltsame Auseinandersetzungen resultieren könnten

Auch wirkt auf den gegenwärtigen West-Ost-Konflikt die Unterscheidung zwischen grundlegenden (antagonistischen) Interessenunvereinbarkeiten und lösbaren einzelnen Interessenkonflikten konfliktmäßigend und -dämpfend. Zwar sind die Kriterien für antagonistische Interessenunvereinbarkeiten weder in östlichen noch in westlichen Doktrinen explizit herausgearbeitet worden; doch ohne die Unterstellung einer derartigen Differenzierung wäre auch die Doktrin friedlicher Koexistenz (in ihren verschiedenartigen Variationen) nicht begreifbar und von keiner praktischen Bedeutung 4. über die sogenannte Nord-Süd-Konflikt-formation Was den sozialistischen Staaten gelungen ist: die Dissoziation aus dem kapitalistisch beherrschten Weltwirtschaftssystem und mit ihr die Bewältigung der typischen elementaren Lebensprobleme (Ernährung, Alphabetisierung u. a.) von Entwicklungsländern, haben die Länder der Dritten Welt — mit Ausnahme von Kuba — noch keineswegs erreicht. Die strukturelle Lage der Dritten Welt bedarf einer eigenen Beschreibung, um die sogenannte Nord-Süd-Konfliktformation angemessen beurteilen zu können, die, obgleich von einer mit der West-Ost-Konfliktformation ähnlichen Problemsituation ausgehend, in fast keiner Hinsicht mit dieser sich vergleichen läßt.

Wurde oben die Interaktion der kapitalistischen Metropolen untereinander als institutionelles, gemeinsame Interessen absicherndes Verbundsystem von dichten Austausch-und Kommunikationsprozessen beschrieben und zeichnen sich die Beziehungen zwischen kapitalistischen und relativ autozentrierten sozialistischen Staaten durch eine von nur wenigen handfesten Transaktionen durchbrochene strukturelle Dissoziation und politische Konfrontation aus (auf jeden Fall durch viel weniger Austauschbeziehungen als auf Grund der Größenordnung der Beteiligten statistisch „normalerweise" erwartet würde) so stellen die Infrastruktur der Dritten Welt qua Region und die Beziehungsmuster der Dritten Welt zur übrigen internationalen Gesellschaft das schiere Gegenteil beider erwähnter Strukturmuster dar.

Seit der Penetration Lateinamerikas, Afrikas und Asiens durch den Kolonialismus und Imperialismus Europas und der USA sind diese Kontinente ihrer Selbständigkeit verlustig gegangen und in eine von den kapitalistischen Metropolen erzwungene internationale Arbeitsteilung eingegliedert worden Diese hat in den vergangenen Jahrhunderten, seit den Tagen des Raubkolonialismus bis zu den gegenwärtig rapide wachsenden Niederlassungen multinationaler Konzerne, Abhängigkeitsbeziehungen geschaffen, die die Lage der Dritten Welt bis heute im einzelnen kennzeichnen

Nirgendwo in der internationalen Gesellschaft sind Herrschaftsstrukturen so kraß und gleichzeitig so transparent wie in dem Verhältnis von kapitalistischen Metropolen und ihren „Peripherien" in den drei Kontinenten des Südens. Nicht nur wurden durch die kapitalistische Penetration mehr oder weniger organische gesellschaftliche Gebilde in den vergangenen Jahrhunderten zerstört und neue'willkürliche Staaten am Reißbrett europäischer Kabinettspolitik sowie an Ort und Stelle durch militärische Machtauseinandersetzungen geschaffen; die so kreierten Kolonien wurden auch in einer Weise ihren jeweiligen Metropolen zwangsweise zugeordnet, daß eine Solidarisierung unter ihnen selbst relativ geringe Chancen hatte. Erreicht wurde dieses Ziel durch die Unterbrechung bestehender Kommunikationsund Transaktionsbahnen zwischen verschiedenen Bereichen in der Dritten Welt (in denen es zum Teil vor dem Eintreffen der Europäer einen blühenden regionalen Handel gab) oder durch die systematische Verhinderung einer regionalen Infrastruktur, die solche Austauschbeziehungen ermöglicht und damit auch politische Solidarisierungschancen erhöht hätte. Die jeweiligen Metropolen, als die dominanten dynamischen Pole dieser Penetration, hielten in ihren Händen ein Monopol an Information, an Kommunikationsmöglichkeiten, an politischer Macht und den ihr zugeordneten Herrschaftsinstrumenten (Interventionstruppen und dgl.), während sie gleichzeitig — wenn auch in verschiedenen Regionen zu unterschiedlichen Zeiten und mit verschiedenen Methoden — in ihren Kolonien verläßliche Brückenköpfe aufzubauen sich bemühten, bestehend aus den Angehörigen alter oder neuer Eliten, um an Ort und Stelle durch eine Form von politischer Arbeitsteilung ihre Herrschaft einzupflanzen und ihre Einflußchancen zu stabilisieren.

Es wäre völlig falsch anzunehmen, daß diese in verschiedenen Variationen von den kapitalistischen Metropolen aufgebaute divide et impera-Struktur die Kolonien nur überwölbte und daß sie allein auf die politische Verwaltung konzentriert worden wäre. In Wirklichkeit ist diese politische Herrschaftsstruktur bis auf den heutigen Tag, wenn auch heute mit anderer Akzentuierung als früher, die Widerspiegelung einer tiefgreifenden Penetration der abhängigen beherrschten Gebiete durch die Metropolen. Diese asymmetrische Penetration der dominanten Zentren in die abhängigen Peripherien erfolgte, wenn auch in einzelnen Fallen in verschiedenartiger Kombination und mit variablem Gewicht, tendenziell in allen wesentlichen gesellschaftlichen Sektoren: vermittels der Beherrschung des Sozialisationsbereiches, im weitesten Sinne verstanden (Kulturimperialismus), durch die Beherrschung der Kommunikationsmedien (Kommunikationsimperialismus) sowie des politischen, militärischen und Rechtssystems (politischer Imperialismus) und nicht zuletzt, eher allen voran, durch die Ausrichtung der ökonomischen Reproduktion der Peripherien auf die Bedürfnisse der Metropolen (ökonomischer Imperialismus und abhängige Reproduktion). Ohne einer ökonomistischen und damit monistischen Theorie zu verfallen, kann behauptet werden, daß die erzwungene Einordnung der Ökonomien der Dritten Welt in die Ökonomien der Metropolen, durch die das kapitalistisch dominierte Weltwirtschaftssystem in den vergangenen Jahrhunderten sich in Etappen herausgebildet hat, den zentralen Angelpunkt in einer Erklärung der gegenwärtigen Lage der Dritten Welt darstellt

Diese Eingliederung beruhte, wie schon erwähnt, auf einer weltweiten Arbeitsteilung, deizufolge — grob formuliert — die Dritte Welt sich in der Produktion und im Export von Rohstoffen und/oder landwirtschaftlichen Produkten spezialisieren mußte, neuerdings auch in der Produktion von Industrie-gütern niedrigen Verarbeitungsgrades, während die Industrienationen verarbeitete Produkte herstellen und exportieren. Wird eine derartige Arbeitsteilung über Jahrzehnte — oder wie in diesem Fall über Jahrhunderte — verfolgt, so entwickelt sich notwendigerweise eine Kluft zwischen Industrienationen und den Lieferanten von nicht oder nur wenig verarbeiteten Produkten, die sich zu einer eigenständigen Struktur verfestigt Denn Verarbeitungsprozesse setzen moderne Infrastrukturen voraus und sie fördern deren Wachstum und Differenzierung in Produktion, Distribution, Ausbildung, Technologie usw. Eine vergleichbare Chance solcher relativen Autonomie und autozentrierten Entwicklung ist abhängigen sozioökonomischen Formationen nicht gegeben, da die sie kennzeichnende abhängige und deformierte Reproduktion (Monokultur, Exportorientierung, Marginalisierung u. a.) das Ergebnis ihrer arbeitsteiligen Eingliederung in das kapitalistische Weltwirtschaftssystem ist Ihre Spezialisierung ist nicht eine selbstgewählte; sie richtet sich in erster Linie nach den jeweiligen Bedürfnissen der Metropolen Dieser Sachverhalt springt in historischen Analysen der Dritten Welt deutlich ins Auge; auch die Geschichte der politischen und sozialen Formationen der Dritten Welt kann als eine Funktion der von außen erfolgenden Penetration Stufe um Stufe nachgezeichnet werden und läßt sich nicht aus internen Bedingungen allein erklären.

Dieser Eingliederungsprozeß der Dritten Welt in das kapitalistische Weltwirtschaftssystem erfolgte natürlich nicht ohne Widerstand und Friktion. Wenn heute die Instrumente, mit deren Hilfe die Dritte Welt beherrscht und ausgebeutet wird, mit maßgeblichen Ausnah-men (wie Z. B. Vietnam) nicht mehr in einer gleichen Weise spektakulär brutal sind wie noch vor wenigen Jahrzehnten oder sogar in vergangenen Jahrhunderten, wenn Kapitalinvestitionen, Entwicklungshilfe, Technologie-transfer, kulturelle Indoktrination u. a. elegantere Medien der Beherrschung sind als Raubkolonialismus, Sklavenhandel, militärische Interventionen, offene politische Unterdrückung und dgl., so muß doch betont werden, daß auch heute noch — und trotz formaler politischer „Selbständigkeit" — die Beziehungen von den kapitalistischen Metropolen zu den Peripherien solche des ungleichen Tauschs, der Ausnutzung und Ausbeutung sowie weiterhin die einer Arbeitsteilung sind, die die dominanten Zentren systematisch bevorzugt und die beherrscht-abhängigen Peripherien systematisch benachteiligt

Die Schlußfolgerung, die hieraus zu ziehen ist, läßt sich in einer These formulieren, die für das Verständnis der Lage der Dritten Welt von fundamentaler Bedeutung ist:

Die Unterentwicklung der Dritten Welt markiert nicht ein Durchgangsstadium auf dem Wege zu autozentrierter Entwicklung, wie dies in der Geschichte der Industrialisierung oder Modernisierung europäischer Gesellschaften der Fall war. Unterentwicklung ist vielmehr ein integraler Bestandteil des historischen Prozesses des von kapitalistischen Metropolen dominierten internationalen Systems. Die Entwicklung dieser Metropolen — der Zentren — und die Geschichte der Unter-entwicklung der Dritten Welt sind miteinander über das internationale System vermittelte, komplementäre Vorgänge

Eine angemessene Analyse der Lage der Dritten Welt kann sich also nicht darauf beschränken, festzustellen, ob diese oder jene Kapitalinvestition an Ort und Stelle von Seiten der Metropolen Extraprofite ermöglicht, die in den Zentren selbst nicht zu realisieren-wären, ob die terms of trade stabilisierbar sind und dgl. mehr; sie muß die Totalität oder den Systemcharakter der historisch gewachsenen, asymmetrisch strukturierten Beziehungen zwischen Metropolen und Peripherien aufzeigen also eine internationale Herrschaftsstruktur transparent machen, die eine kumulative Bereicherung eines Pols, der Herrschenden, und eine kumulative, relative und in vielen Fällen sogar absolute Pauperi-sierung der Beherrschten systematisch fördert

Dieses hier gezeichnete Bild bedarf jedoch einer wesentlichen Präzisierung hinsichtlich einiger Details, die diese Herrschaftsstruktur kennzeichnen und einen Unterschied ums Ganze machen. Das bisher entwickelte Bild suggeriert eine Konfrontation zwischen Nord und Süd, so wie ja auch die Rede von einem Nord-Süd-Konflikt heute gängig ist. In Wirklichkeit wird dieses Bild einer dichotomisch weltweit polarisierten Struktur, die von einem eindeutigen Oben, Herrschaftszentren, und von einem eindeutigen Unten, Ausgebeuteten, geprägt wird, durch die Tatsache durchkreuzt, daß herrschende Klassen und privilegierte Schichten in den Peripherien, also eine Bevölkerungsminderheit, einen Lebensstandard und Konsumptionsniveaus erreicht haben, die in fast jeder Hinsicht den in den kapitalistischen Metropolen selbst gängigen Maßstäben entsprechen. Diese Klassen und Schichten operieren nicht nur als lokale Eliten der Metropolen an Ort und Stelle; als Privilegierte sind sie in den Kernbereich des kapitalistischen Weltwirtschaftssystems eingegliedert und spielen für die Metropolen auf der zweiten (subimperialistischen) oder auf tieferliegenden Ebenen dieses Gesamtsystems eine politische Stellvertreter-oder Agen-tenrolle Die Existenz eines derart privilegierten internationalistischen Kernbereichs in Ländern der Dritten Welt selbst (die Zentren der Peripherien) wird durch aggregative nationale Durchschnittsdaten, beispielsweise durch Vergleiche des Pro-Kopf-Einkommens, die in den Medien der Metropolen immer noch beliebt sind, unterschlagen. In Wirklichkeit ist das Pro-Kopf-Einkommen privilegierter Schichten in den Peripherien mancherorts höher als das Durchschnitts-Pro-Kopf-Einkommen in hochentwickelten Industrienationen. Kein Wunder, daß diese Personenkreise auf die bestehende Ordnung in jeder Hinsicht ein-geschworen sind.

Die Existenz derart internationalisierter Brückenköpie die sich aus lokaler Bevölkerung rekrutieren, vermag auch zu erklären, warum es bis heute — trotz fünfhundertjähriger Geschichte von Abhängigkeit und Ausbeutung — zu keiner Konfrontation kollektiven von Dritter Welt und Metropolen kam. Sicher spielen hier die verschiedenartigen Entwicklungsniveaus insgesamt eine Rolle; das Kräfteverhältnis scheint, von der Ausgangslage her betrachtet, zu ungleich, um einen Konflikt zu wagen; sicher hat die früher schon aufgezeigte divide-et-impera-Straktur, welche die Dritte Welt mit großem Erfolg aufsplitterte und sie daran hinderte, selbst handlungsfähiges politisches Subjekt zu werden, denkbare Solidarisierungen an Ort und Stelle gegen den übermächtigen Kolonialherrn in der Ferne von vornherein nicht aufkommen lassen. Der entscheidende Punkt jedoch ist, daß die von uns aufgezeigte internationale Herrschaftsstruktur an Ort und Stelle in der Dritten Welt von lokal rekrutierten und organisierten Brückenköpfen der kapitalistischen Welt getragen und im Endeffekt vielfach verteidigt und nur in seltenen Fällen angegriffen worden ist, so daß einer individuellen und kollektiven Konfrontation in der Regel der strukturelle soziologische Unterbau fehlte.

Diese Gesamtstruktur des kapitalistischen Weltwirtschaftssystems hat weiterhin dazu geführt, daß in dem Maße, in dem die herr-sehenden Schichten der Dritten Welt sich als privilegierte Zentren in dieses Wirtschaftssystem integrierten (transnationale kapitalistische Integration), die eigenen Gesellschaften einem wachsenden Desintegrations-und Entnationalisierungsprozeß (bis hin zur jüngst zunehmenden Übernahme nationaler Industrien durch die multinationalen Konzerne der Metropolen) ausgesetzt wurden (nationale Desintegration). Die Herausbildung einer selbstbewußten nationalen Bourgeoisie in der Dritten Welt ist im Unterschied zum Europa des 16. bis 19. Jahrhunderts folglich unwahrscheinlich so wie das Proletariat in den Ländern der Dritten Welt aufgespalten bleibt zwischen jenen Teilen, die den Status von Arbeiteraristokratien annehmen, und jenen Teilen, die zwischen chronischer Arbeitslosigkeit, Unterbeschäftigung, Marginalität, sei es in den urbanen Zentren oder auf dem Land, ein entrechtetes, jämmerliches Dasein auf oder unter dem Existenzminimum fristen. Zwar stellen letztere die überwiegende Mehrheit der Bevölkerungsmassen dar, doch ihrer Organisation als politischem Subjekt stehen erhebliche objektive Schwierigkeiten im Wege, die größer sind als jene, mit denen sich die klassische europäische Arbeiterbewegung im 18. und 19. Jahrhundert konfrontiert sah

Wir wollen hier die Darstellung einiger Elemente der sogenannten Nord-Süd-Konfliktfor-mation abbrechen. Dieser „Konflikt" entzweit nicht Ebenbürtige, wie das in den klassischen inter-imperialistischen Auseinandersetzungen des vergangenen Jahrhunderts (England vs. Frankreich usf.) einigermaßen der Fall war. Er gleicht in seiner Grobstruktur eher einem Herr-Knecht-Verhältnis; in seiner Feinstruktur wird er durch Abhängigkeitsstufen und Abhängigkeitsketten gekennzeichnet, die durch spezifische Herrschaftsmechanismen (Arbeitsteilung, Brückenköpfe u. dgl.) aufrechterhalten werden. Seit dem Sieg der chinesischen Revolution (1949) und trotz des politischen Dekolonisierungsprozesses der fünfziger und sechziger Jahre hat diese Konflikt-formation bis heute keine Virulenz von einer Größenordnung angenommen, die sie auf die Höhe eines offenen Konfliktes eskaliert hätte. Natürlich gibt es Ausnahmen wie Kuba und Vietnam, deren wirkliche Bedeutung erst einsichtig wird, wenn man gleichzeitig die von uns gekennzeichnete Gesamtstruktur des kapitalistischen Weltwirtschaftssystems und die in sie eingebauten Sicherungsmaßnahmen gegen Veränderungen im Auge hat. Doch daß die Chance der Steuerbarkeit und Kontrollierbarkeit der Dritten Welt durch die Metropolen nicht mehr so problemlos unterstellt werden kann wie noch vor wenigen Jahrzehnten (bei allen gelegentlichen Eruptionen und massiven militärischen Konfrontationen, die es auch damals gab), zeigt der in den fünfziger und sechziger Jahren rapide anwachsende Einsatz von Instrumenten der Repression zur Sicherung von Ordnung und Loyalität, worin sich als Schrittmacher die USA besonders „ausgezeichnet" haben Vietnam gleicht nun der Spitze eines Eisberges.

Weiterhin zeigt unsere Analyse, wie fragwürdig das Bild friedlich untereinander kooperierender kapitalistischer Metropolen letztlich ist, wenn es nicht vervollständigt wird durch die Feststellung, daß dieser Frieden — im Sinne einer Abwesenheit von gewaltsamen zwischenstaatlichen Konflikten — durch eine historisch gewachsene, systematische und über das kapitalistisch dominierte Weltwirtschaftssystem vermittelte Ausbeutung ergänzt wird (also durch eine Organisation von Ungerechtigkeit), so wie er andererseits in den vergangenen 20 Jahren ebenso durch eine vehement verfolgte Rüstungspolitik charakterisiert war. Diese Bewertung gilt auch, und heute vielleicht insbesondere, für die EWG, die die von uns geschilderte Gesamtstruktur mit Hilfe von Assoziationsabkommen mit Teilen der Dritten Welt erneut auf Zeit zu konsolidieren vermochte und auszuweiten bestrebt ist 5. Weitere Konfliktformationen: intersozialistische, Inter-Dritte-Welt, Formationen struktureller Gewalt

Unsere Überlegungen bis zu diesem Punkt wollten keinen vollständigen Überblick über gegenwärtige maßgebliche Konfliktformationen in der internationalen Gesellschaft zeichnen. a) Ergänzt muß diese Darstellung vor allem durch eine Analyse der zwischen sozialistischen Staaten angelegten Konfliktformationen werden, und hier insbesondere durch eine Charakterisierung des Konfliktes zwischen der Sowjetunion und China.

Diese Formation ist deshalb von Bedeutung, weil an ihr sich zeigen läßt, daß eine staatlich vermittelte sozialistische Gesellschaftsordnung auf dem jetzigen Entwicklungsniveau per se kein verläßlicher Garant friedlicher Beziehungen ist. Der Hinweis, daß jede der beiden Nationen für sich in Anspruch nimmt, den eigentlich „echten" Sozialismus zu verkörpern, während der andere als „revisionistisch" gekennzeichnet wird, gleicht einem propagandistischen Ablenkmanöver. Denn es kann kein Zweifel bestehen, daß beide Gesellschaftsordnungen trotz aller sozioökonomischen Unterschiede vom Ansatz her sich wesentlich eher von kapitalistischen unterscheiden als voneinander. Paradigmatisch verdeutlicht dieser Konflikt, welcher Einfluß neben den sozioökonomischen Faktoren (die einzelne Gesellschaftsordnungen typischerweise charakterisieren) solchen geschichtsmächtigen Größen zukommt wie historisch gewachsenen sozialpsychologischen Fixierungen sowie insbesondere staatlicher Organisation, die auch im sozialistischen Kontext Massenloyalität — angesichts der Abwesenheit von effektiven basisdemokratischen Kontrollmöglichkeiten von unten und angesichts stark hierarchisierter und zentralisierter Willensbildungs-und Entscheidungsprozesse — zu militarisieren imstande ist

Der Konflikt zwischen der Sowjetunion und China ist auch deshalb von Bedeutung, weil er in seiner allgemeinsten Grundstruktur präzise dem sich nach 1943 und 1945 verstärkt entwickelnden Konflikt zwischen den USA und der Sowjetunion gleicht. Zwar stehen sich hier nicht Kapitalismus und Sozialismus gegenüber; nach den offiziellen Verlautbarun-gen in Moskau handelt es sich in China um eine Gesellschaft kleinbürgerlichen Charakters, in der eine dem Sozialismus feindliche Machtclique herrscht; und China begreift seit den frühen sechziger Jahren die Sowjetunion als eine in eine Form von Staatskapitalismuszurückgefallene sozialimperialistische Macht.

Nicht solche Invektiven stehen zur Diskussion, sondern die Tatsache, daß beide Nationen heute (und schon seit vielen Jahren) fast keine „realistischen Beziehungen" (wie wirtschaftlichen Austausch, Technologietransfer, Kommunikation und dgl.) miteinander pflegen, faktisch also je autark gegenüber dem anderen sind, während ihre negativ besetzten, affektiven Fixierungen (Freund-Feinbilder) in den vergangenen Jahren stark eskalierten und über weite Strecken auf beiden Seiten durch eine bewußt und kalkuliert inszenierte staatliche und von den Parteiapparaten organisierte Propaganda angeheizt wurden. Parallel zu dieser Eskalation der Invektiven eskalierten die Militärapparate beider Seiten, die einer derartigen „Wortpolitik" deutlichen Nachdruck verleihen sollten. Der Konflikt zwischen der Sowjetunion und China hat sich damit zu einem typischen Fall autistisch bestimmter Auseinandersetzung entwickelt, an dessen Grundlage — ganz ähnlich wie im Konflikt zwischen West und Ost — harte interessenpolitische Auseinandersetzungen liegen Zu solchen Auseinandersetzungen gehört insbesondere der Kampf um die unbestrittene Führung in der internationalen sozialistischen Bewegung, die beide Mächte sich gegenseitig streitig machen.

Auch von einem anderen Gesichtspunkt gleicht dieser Konflikt der West-Ost-Konfrontation. Hier wie dort spielt sich der Konflikt zwischen — in vielerlei Bereichen — ungleichen Kontrahenten ab: der Konflikt ist asymmetrisch angelegt, und die überlegene Macht, im West-Ost-Konflikt die USA und im sowjetisch-chinesischen Konflikt die Sowjetunion, handelt als Schrittmacher der Auseinandersetzung, insbesondere in konkreten Rüstungsprogrammen und militärischen Maßnahmen. Die heute zwischen der Sowjetunion und China beobachtbare Eskalation der Auseinandersetzung folgt klassischen machtpolitischen Mustern. Würde eine wirklich rational kalkulierte Politik der Entschärfung des Konfliktes praktiziert, so strebte sie genau das Gegenteil dessen an, was heute beobachtbar ist: statt einer Eskalation vorantreibenden Überreaktion eine Politik der Unterreaktion, die eine Seite bewußt einleiten müßte. So besteht die Gefahr, daß eine neue Achse des internationalen Rüstungswettlaufs aufgebaut wird, die möglicherweise sich in ganz ähnlichen Phasen entwickeln würde wie der West-Ost-Konflikt, ständig durchsetzt von der realen Gefahr des Ausbruches eines heißen und nicht nur konventionellen Krieges. b) Unterbelichtet blieben auch all jene Konfliktpotentiale in der Dritten Welt selbst, die — gewissermaßen als ein spätes Erbe des Kolonialismus — heute von den politisch „souveränen" Staaten innerhalb der drei südlichen Kontinente ausgetragen werden. Das kolonialistische Erbe ist hier besonders zu betonen, weil in den meisten konkreten Fällen die Ergebnisse der von den Europäern in den vergangenen Jahrhunderten verfolgten Politik (willkürliche Grenzziehungen; das Auseinanderreißen von ethnisch zusammengehörigen Volksgruppen; die jahrzehntelange Privilegierung von einzelnen Gruppen zum Nachteil anderer — ein besonderer Trick von Herrschaftssicherung in der Fremde — u. a. m.) die heute als zwischenstaatliche und Bürgerkriege sich manifestierenden Auseinandersetzungen maßgeblich mitbestimmen.

Auch diese Fälle sind von allgemeiner Bedeutung und lassen sich nicht auf lokale oder regionale Querelen reduzieren. Dies nicht so sehr, weil in der Regel die Metropolen des Westens oder die als Anti-Metropolen auftretenden sozialistischen Staaten in oft merkwürdigen Allianzen und Gegenallianzen (wie im jüngsten Krieg zwischen Indien und Pakistan um Bangla Desh) ihre Finger im Spiel haben; dies ist alte, erwartbare Interventionspolitik und nichts besonders Neues. Die allgemeine Bedeutung dieser tatsächlich oder quasi-innergesellschaltlichen Konflikte rührt davon her, daß sie in der Regel strukturell der sogenannten, von uns oben näher gekennzeichneten Nord-Süd-Konfliktformation entsprechen und darüber hinaus auch in den Metropolen selbst aufbrechen (wie in den schwarzen Ghettos der USA, in Nord-Irland und anderswo). Statistisch sind diese Konflikte, die in Formationen krasser sozialer Ungerechtigkeit (struktureller Gewalt) entstehen, sogar in den vergangenen zehn Jahren häufiger gewesen als klassische zwischenstaatliche Kriege, wobei, wie in Vietnam und Bangla Desh, solche konkreten Konflikte heute wenigstens in der Dritten Welt typischerweise Elemente von beidem, zwischenstaatlichem und Bürgerkrieg, enthalten.

» , Die rein numerische Zunahme solcher Auseinandersetzungen ist Signal. Sie weist darauf hin, daß zumindest im lokalen und möglicherweise auch im beschränkt regionalen Umkreis bei wachsenden Chancen der Mobilisierung und Organisierung von Menschen aus politischer Apathie heraus krasse soziale Ungerechtigkeit und Ausbeutung (Formationen struktureller Gewalt, die Menschen per Gesellschaftsordnung tötet) von den potentiellen Opfern solcher Gewalt weniger erduldet werden als noch vor wenigen Jahrzehnten und die Toleranz für gesellschaftlich vermitteltes Leiden in den zurückliegenden Jahren wesentlich gesunken ist. Dies ist selbst ein hoffnungsvolles Zeichen für Frieden, verstanden als eine dynamische Entwicklung von sozialer Gerechtigkeit, wenn auch prognostiziert werden kann, daß der Weg zu menschenwürdigen, ja selbst nur zu Menschenleben einfach erhaltenden Verhältnissen angesichts versteinerter politischer Strukturen je mehr von Gewalt durchsetzt sein wird, je verhärteter überkommene politische und gesellschaftliche Ordnungen sind. Erodiert deren Legitimationsbasis und werden Menschen unter gegebenen Umständen des politischen und sozioökonomischen Status quo zur Gewalt als einem Mittel der Kommunikation getrieben, ist diese zwar unter Einsatz von Polizei und Militär eindämmbar, jedoch lassen sich derartige Konfliktpotentiale durch eine legalistisch vertretene Law-and-order-Politik weder lösen noch läßt sich eine solche Politik mit Hinweis auf die vermeintliche Erhaltung des „Friedens" legitimieren

III. Zur Problematik von Frieden und sozialer Gerechtigkeit in der internationalen Gesellschaft

Wie stellt sich, angesichts der aufgezeigten Struktur internationaler Gesellschaft und der in ihr begründeten hauptsächlichen Konflikt-formationen, das Problem von Frieden und sozialer Gerechtigkeit?

Wir fassen die Antwort in den folgenden Thesen zusammen:

1. Es gibt angesichts der in der internationalen Gesellschaft beobachtbaren Konfliktformationen und Konfliktpotentiale keinen friedenspolitischen passe-partout, keine einheitlichen praktischen Handlungsdevisen, die auf alle konkreten Situationen gleichermaßen an-wendbar wären. Die Suche hat sich also auf kontextspezifische oder konfliktspezifische Lösungsstrategien zu richten, die auch je nach dem erreichten Stadium eines konkreten Konfliktes zu variieren sind 2. Die überkommenen Konzeptionen der Friedenssicherung — orientiert an einem Begriff von Frieden als Abwesenheit von Gewalt — erweisen sich heute als unzulänglich, vor allem wenn man sie, wie dies häufig geschieht, auf beliebige Konfliktformationen und beliebig strukturierte konkrete Konflikte beziehen wollte Ihre Unzulänglichkeit, je Gefährlichkeit, erweisen sie dort, wo mit ihnen eine an herkömmlichen Devisen orientierte Sicherheitspolitik („si vis pacem, para bellum") mit allen Konsequenzen verfolgt wird: in antagonistischen Situationen provoziert solche „Friedenssicherung" Rüstungswettläufe In innergesellschaftlichen Konfliktformationen vom Typ struktureller Gewalt führt solche „Friedenssicherung" — unter den Vorzeichen von law and order — zur weiteren Repression diskriminierter Sozialschichten oder ganzer Bevölkerungen, wodurch sich diese Konzeption selbst als Herd des Unfriedens erweist. 3. Deshalb ist eine analytisch weiter ausgreifende Konzeption der Friedensförderung zu formulieren, die sich im wesentlichen an drei typischen Konfliktformationen und den in ihnen sich entwickelnden Konflikten orientiert: a) An Konfliktformationen, in denen eine relative Ebenbürtigkeit der Konfliktparteien zu beobachten ist, d. h., in denen eher symmetrische als asymmetrische Konfliktstrukturen existieren. Ein solcher Fall wären die inter-kapitalistische Formation, mit erheblichen Einschränkungen, die oben erläutert wurden, auch der kapitalistisch-sozialistische System-antagonismus zwischen Ost und West.

Die Strategie der Friedensförderung kann in diesem Zusammenhang an zwei Zielen orientiert sein: einmal an Integration, wodurch Konfliktfronten überwölbt werden, und zweitens an Assoziation, wodurch die Infrastruktur von Konfliktfronten verändert wird, Konflikt-fronten also unterlaufen werden (Deutschland-Frankreich nach 1950)

Integration und Assoziation können aber nicht als allgemeine formale Handlungsprinzipien, gewissermaßen als friedenspolitische Blankoschecks, in solchen Zusammenhängen schlechthin als Konzeption der Friedenförderung gelten. Sie bedürfen der Qualifikation im einzelnen. So macht die Existenz der EWG praktisch gewaltsame Konflikte zwischen ihren Hauptmitgliedern unmöglich; ob sie über diese Leistung hinaus friedensfördernde Wirkungen besitzt, könnte nur eine Analyse entscheiden, die ihren Beitrag zur Förderung von sozialer Gerechtigkeit in ihrem Innern und in ihren Außenbeziehungen analysierte

b) Weiterhin ist eine Konzeption der Friedensförderung an jenen Situationen zu orientieren, in denen die herkömmliche Konzeption der Friedenssicherung sinnvoll ist: wo also die Verhinderung von Gewalt und von weiterer Eskalation von Gewalt einen ersten, wenn auch vorläufigen Schritt zur Lösung von Konflikten darstellt (manche Interventionen von Seiten Dritter).

c) Schließlich ist die Konzeption der Friedensförderung auf asymmetrisch strukturierte Konfliktformationen bezogen (Nord-Süd-Kon-flikt; innergesellschaftliche Formationen vom Typ struktureller Gewalt u. a.). Die Strategie der Friedensförderung zielt hier auf eine Konfliktakzentuierung verschiedener Intensität ab, die zu Gunsten von Abhängigen und Diskriminierten folgendes anstrebt: die Weckung und Schärfung des Bewußtseins über die eigene Interessenlage; die Artikulation und Organisation der Interessen solcher Gruppen und Staaten — mit dem Ziel, der von der Ausgangssituation her überlegenen Konfliktpartei ein echtes Gegengewicht entgegenzustellen, also Gegenmacht aufzubauen Polarisierung wird in diesem Zusammenhang nicht als eine beliebige, gleichsam wilde Konfliktschürung verstanden; sie wird vielmehr als eine friedensfördernde Strategie gefordert, um entrechteten, diskriminierten, ausgebeuteten und in Abhängigkeit gehaltenen Bevölkerungen und Staaten durch die selbsttätige Organisation ihrer eigenen Interessen eine sowohl bewußtseinsmäßig als auch organisatorisch fundierte Basis zu schaffen, von der her sie mit Aussicht auf Erfolg versuchen können, aus jener diskriminierenden sozialen Rolle auszubrechen, die ihnen innerhalb gegebener Gesellschaftsstrukturen zudiktiert ist.

Daraus ergibt sich, daß auch Revolutionen, die eine Überwindung von sozialer Ungerechtigkeit anstreben, weil andere Wege gesellschaftlichen Wandels nicht offen stehen, der Konzeption von Friedensförderung zu subsumieren sind Daß eine solche Überlegung in den Breitengraden hochindustrialisierter Staaten heute wenig populär ist, erklärt sich ohne Schwierigkeiten aus der privilegierten Situation, die diese Staatengruppe innerhalb der internationalen Gesellschaft einnimmt. Dies ändert nichts an der sozialen Wirklichkeit der meisten Menschen, die diese Erde bewohnen und von deren Schicksal und Leiden her solche Überlegungen motiviert werden

Man mag über eine solche Konzeptualisie-rung von Friedensförderung im einzelnen streiten. Jeder konkrete Fall, auf den diese Konzeption bezogen wird, dürfte unausweichlich zu politischen Auseinandersetzungen führen, denn Friedensförderung ist eine zwar wissenschaftlich ausweisbare, doch auch politische Konzeption, deren Stoßrichtung durch definitorische und semantische Bestimmungen nicht zu entpolitisieren ist. Die entscheidende Frage, die immer zu stellen sein wird, lautet: Fördert eine konkrete Praxis und die sie motivierende oder im einzelnen anleitende Analyse soziale Gerechtigkeit für die Betroffenen oder nicht? Die Frage weist in allgemeine gesellschaftstheoretische und moralphilosophische Dimensionen; sie läßt sich akademisch annäherungsweise klären, aber nur praktisch lösen, was Friedens-und Konflikt-forschung zu einer unakademischen und dennoch wissenschaftlich seriösen Disziplin macht, deren Ideen sich u. a. zu Interessen verdichten sollen. Deshalb stellt sie für viele ein Ärgernis dar, was sie angesichts der Lage der Welt auch sein muß.

IV. Abschließende Anmerkungen zur Grundlegung einer strukturellen Theorie der internationalen Gesellschaft

In den vorangehenden Überlegungen wurden einige systematische Aussagen über die heutige internationale Gesellschaft und ihre historische Entwicklung zu formulieren versucht. So verkürzt eine solche Analyse im Rahmen einer derartigen Studie sein muß, so wurde doch mehr als nur ein erster Überblick angestrebt. Bewußt war von Konfliktformationen die Rede, weil dieser Begriff sich eignet, allgemeine und doch sehr konkrete Strukturen der internationalen Gesellschaft zu bezeichnen. Um allgemeine Strukturen handelt es sich bei den von uns im einzelnen analysierten Konfliktformationen, weil in ihnen, von ihnen aus und auf sie bezogen konkrete Konfliktpotentiale entstehen, aus denen ihrerseits spezifische Konflikte sich entwickeln. So stellt das, was man gewöhnlich in unseren Breitengraden den Ost-West-Konflikt bezeichnet, seit 1917 die grundlegende Konfliktformation der Gegenwart dar, die auf Grund ihrer politischen, ideologischen, sozioökonomischen und nicht zuletzt militärischen Virulenz im eigenen Bereich eine Fülle von konkreten Konfliktpotentialen in sich birgt (z. B. die 20jährige Auseinandersetzung um die Festschreibung des Status quo in Zentraleuropa), beziehungsweise solche Konfliktpotentiale andernorts provoziert (z. B. Nahost-Konfliktpotentiale) Solche, im Rahmen von Konflikt-formationen beobachteten konkreten Konfliktpotentiale kommen ihrerseits in konkreten Konflikten zum Durchbruch (z. B. Berlin-Krise) und manifestieren sich dann in konkreten Konfliktattitüden und in konkretem Konfliktverhalten.

Eine strukturelle Theorie der internationalen Gesellschaft hat deren Konstitution, wie sie sich historisch-genetisch entwickelt hat, analytisch herauszuarbeiten. Dabei ist methodisch-theoretische Reflexion und konkrete Analyse mit dem Ziel der Formulierung einer konkret-allgemeinen Theorie zu vermitteln. Wir betonen bewußt den Vermittlungsprozeß zwischen theoretischer Reflexion, in die selbst schon eine Fülle empirischer Erfahrungen einzugehen hat, will sie nicht in einem schlechten Sinne abstrakt sein, und empirischer Analyse, die ohne theoretische Fundierung empiristisch würde, weil nur die ständige Rückkoppelung zwischen Theorie und Empirie (eine sogenannte „progressiv-regressive" Arbeitsmethode) die Formulierung einer konkret-allgemeinen Theorie fördert

Da zur wissenschaftlichen Analyse der internationalen Gesellschaft keine eigenständige Methode erforderlich ist, sondern allgemeine sozialwissenschaftliche Methode reflektiert einzusetzen ist, genügt es im folgenden, sechs Arbeitsschritte zu benennen, die jüngst in einem anderen Zusammenhang formuliert worden sind. Dabei ist zu bedenken, daß diese sechs Arbeitsschritte nicht als streng voneinander getrennte begriffen werden können, sondern ihrerseits wiederum eng miteinander rückgekoppelt sind

1. Umfassende Aneignung des empirischen Stoffes, Bewältigung des Materials (Erscheinungen an der Oberfläche) in seinen historisch-relevanten Details.

2. Analytische Aufgliederung dieses Stoffes in seine konstitutiven abstrakten Elemente (Aufsteigen vom Konkreten zum Abstrakten). 3. Erforschung der entscheidenden Gesamtzusammenhänge zwischen diesen Elementen, die die abstrakten Bewegungsgesetze des Stoffes, sein Wesen, verdeutlichen sollen. 4. Entdeckung der entscheidenden Mittelglieder, die es ermöglichen, die Vermittlung zwischen dem Wesen und den Erscheinungen an der Oberfläche zu verwirklichen (Aufsteigen vom Abstrakten zum Konkreten, gedankliche Reproduktion des Konkreten als Einheit von mannigfaltigen Bestimmungen).

5. Praktisch-empirische Verifizierung der Analyse (2, 3, 4) an der sich abwickelnden konkreten historischen Bewegung.

6. Entdeckung neuer, empirisch-relevanter Daten und neuer Zusammenhänge — oft sogar neuer abstrakt-elementarer Bestimmungen — dank der Anwendung der Ergebnisse der Erkenntnisse und der auf ihr beruhenden Praxis auf die unendlich komplexe Wirklichkeit. Eine derart allmählich aufgebaute konkret-allgemeine Theorie ist zum Verständnis der internationalen Gesellschaft um so mehr erforderlich, als in ihr nicht gewissermaßen idealtypisch reine, in sich abgekapselte sozioökonomische Formationen qua Subsysteme (um die Sprache der Systemanalyse hier zu verwenden) koexistieren, sondern weil internationale Gesellschaft vielmehr eine mit Antagonismen durchsetzte, eine widerspruchsvolle Totalität darstellt. Dieser Totalitätscharakter von internationaler Gesellschaft ist insbesondere zu betonen, weil es heute gang und gäbe ist, die internationale Gesellschaft als internationales System mit den es konstituierenden Subsystemen zu interpretieren. Ein solcher Ansatz ist zwar formal möglich, aber wie die Entwicklung der Theorie internationaler Politik und des internationalen Systems in den vergangenen 15 Jahren gezeigt hat, ist er von einer seltenen Sterilität gekennzeichnet Während der Systembegriff formale Zuordnungen zwischen den die internationale Gesellschaft aufbauenden Subsystemen ermöglicht und typische, gewiß in vieler Hinsicht nicht nutzlose konkrete Forschungen inspiriert (wie beispielsweise Transaktionsstudien und dergleichen), vermochte herkömmliche Systemanalyse bisher nicht, die Ursachen für die Dynamik der Entwicklung internationaler Gesellschaft zu bezeichnen. Typischerweise unterstellt Systemanalyse oft eher implizit als explizit, daß die Erscheinungen, in denen sich internationale Politik manifestiert, über Zeit, ungeachtet des Entwicklungsstandes der internationalen Gesellschaft und ungeachtet ihrer konkreten Konfliktiormationen, ein-und dieselben sind, d. h. letztlich auf allgemeine Kategorien wie Machtpolitik und dergleichen zurückgeführt werden können. So muß notwendigerweise internationale Politik als die Wiederkehr des immer Gleichen erscheinen, was sie nachweisbar nicht ist.

Begreift man die internationale Gesellschaft und ihre Entwicklung als eine widerspruchsvolle Totalität, nicht weil man diesen Ansatz selbst als einen beliebigen und willkürlich austauschbaren setzt, sondern weil auch schon eine anfängliche Untersuchung der internationalen Gesellschaft in den vergangenen Jahrzehnten (und Jahrhunderten) diese nur als solche zu begreifen vermag, dann stellt sich um so mehr das analytische Desiderat ein, jene Ursachen für die Entwicklungsdynamik von internationaler Gesellschaft im einzelnen herauszuarbeiten. In dieser Hinsicht stellen die etablierten Disziplinen Internationale Politik und Internationale Beziehungen, so wie sie sich in den vergangenen 20 Jahren im Westen herausgebildet haben und wie sie sich heute allmählich auch in sozialistischen Ländern etablieren, keine besondere Hilfe dar. Denn weder in dieser Disziplin noch in der Friedens-und Konflikt-forschung wurden bisher die internationale Gesellschaft und die Weltwirtschaft als eine Totalität von Produktionsverhältnissen und entsprechenden Austauschverhältnissen im internationalen Ausmaß definiert Wenn überhaupt, dann waren noch im Blickwinkel dieser Disziplinen die Analyse von Austauschverhältnissen, meist in einer deskriptiv-statistischen Absicht, oder Fragestellungen der konventionellen Ökonomie (Theorem komperativer Kosten und dergleichen). In Wirklichkeit wird die internationale Gesellschaft (und damit auch die Weltwirtschaft)

von einer „gestaffelten Struktur von Produktivitätsgefällen als das Produkt einer ungleichen und kombinierten Entwicklung von Staaten, Gebieten, Industriezweigen und Firmen" getragen. „Es handelt sich um eine integrierte Einheit, aber eine integrierte Einheit nichthomogener Teile, wobei gerade die Einheit die fehlende Homogenität bedingt.“

Wir können in diesem Zusammenhang nur apodiktisch darauf hinweisen, daß die politische Ökonomie internationaler Gesellschaft zum Fokus einer strukturellen Theorie dieser Gesellschaft werden wird. Die Struktur, die Dynamik, die Ausmaße und die Verteilungsmuster von Akkumulation im Weltmaßstab, den Begriff im Sinne der Kritik politischer Ökonomie begriffen, wird Ausgangapunkt der theoretischen Reflexion und der empirischen Analyse sein. Nur von dieser Fragestellung aus wird es z. B. möglich werden, den wechselvollen Status einzelner Gesellschaften und ihrer Verbindung zu anderen, d. h. Prozesse der Metropolisierung und der Peripherisierung über Zeit analytisch zu begreifen, eine Fragestellung, die sich insbesondere auf die sukzessive Entwicklung neuer Metropolen und das Herabsinken alter Metropolen zu Peripherien verschiedenen Grades bezieht, natürlich auch auf jene Peripherien, die niemals eine Metropolenstellung hatten, also immer schon qua Kolonien und Halbkolonien peri-pherisiert waren. Auch wird es nur von einer derartigen analytischen Perspektive aus möglich, die Gleichzeitigkeit von sozioökonomischen Formationen ungleichen Entwicklungsniveaus als ungleiche und doch aufeinander bezogene, d. h. kombinierte Formationen zu begreifen. Und schließlich wird es möglich sein, konkret die Ausbeutungsmechanismen auf Weltebene zu erfassen

Da eine solche Analyse ohne Reflexion auf die historische Entwicklung undenkbar ist, historische Reflexion also ein konstitutiver Teil theoretischer Analyse darstellt und nicht einfach hinzugefügt oder weggelassen werden kann, besteht von vornherein in einem solchen Ansatz nicht die Gefahr, in abstrakt-allgemeine Theorie abzugleiten. Ernest Mandel hat jüngst diesen Ansatz korrekt umschrie-ben, insofern er sich auf die Entwicklung des kapitalistisch dominierten Weltwirtschaftssystems vor 1917 und des kapitalistischen Teils des Weltsystems nach 1917 bezieht: „Obschon das kapitalistische Weltsystem ein integriertes und gestaffeltes Ganzes von Ent-Wicklung und Unterentwicklung auf internationalem, regionalem und sektoriellem Gebiet ist, so liegt doch in verschiedenen Epochen der Hauptnachdruck auf verschiedenen Formen dieser verzweigten ungleichen und kombinierten Entwicklung. Im Zeitalter des Kapitalismus der freien Konkurrenz liegt das Hauptgewicht auf dem Nebeneinander von regionaler Entwicklung und Unterentwicklung innerhalb der sich industrialisierenden Länder selbst; im Zeitalter des klassischen Imperialismus auf dem Nebeneinander internationaler Entwicklung — in den imperialistischen Staaten — und Unterentwicklung (in den kolonialen und halbkolonialen Ländern), und im Zeitalter des Spätkapitalismus auf dem Nebeneinander von Entwicklung und Unterentwicklung von Wachstumszweigen und unterentwickelten Zweigen der Industrie überhaupt — in den imperialistischen Ländern, aber auch sekundär in den Halbkolonien."

Eine Substantiierung dieses Ansatzes mit Hilfe einer Weiterführung wichtiger erster Arbeiten auf diesem Gebiet sowie eine Erweiterung der bisherigen Analyse auf die internationale Gesellschaft insgesamt, ergänzt durch eine nicht nur marginale Berücksichtigung der sozialistischen Länder im Rahmen einer Analyse internationaler Produktionsverhältnisse und der ihnen entsprechenden Austauschverhältnisse, wird, so ist zu hoffen, die Theorie internationaler Gesellschaft in den kommenden Jahren ein wesentliches Stück weiter bringen und aus der Sterilität, in der sie sich in den vergangenen zehn Jahren hineinmanövriert hat, befreien. Sie erst wird Aussagen nicht nur über die Dynamik einzelner Konflikte ermöglichen (worüber heute schon manches auszumachen ist), sondern solche über die Entwicklungsdynamik ganzer Konfliktiormationen auf Weltebene

Fussnoten

Fußnoten

  1. Die Anmerkungen beschränken sich im wesentlichen auf Informationen über die neueste internationale Literatur. Dies wird gerechtfertigt durch die erst jüngst intensivierte „Makro-Diskussion" über die internationale Gesellschaft und ihre Grundlagen.

  2. Vgl.den Grundtenor der Mehrzahl der Beiträge in Karl W. Deutsch und Stanley Hoffmann (Hrg.), The Relevance of International Law, Cambridge 1968.

  3. Vgl. hierzu Stanley Hoffmann, The State of War, New York 1965.

  4. Vgl. hierzu Richard Falk, This Endangered Planet. Prospects and Proposals for Human Survival, New York 1971.

  5. Hierzu Harold und Margaret Sprout, Towards a Politics of the Planet Earth, New York 1972. Natürlich gehört auch in diesen Zusammenhang die Krisenliteratur über die Grenzen des Wachstums. Siehe hierzu vor allem: Dennis Meadows u. a., Die Grenzen des Wachstums, Stuttgart 1972, sowie die Kritik an dieser Literatur von Johan Galtung, Wachstumskrise und Klassenpolitik, in: Leviathan. Zeitschrift für Sozialwissenschaft, Bd. 1, Nr. 2, 1973, S. 268— 275.

  6. Zu diesen Sachverhalten siehe Karl W. Deutsch, Analyse internationaler Politik, Frankfurt 1971, Kapitel 15 ff., sowie Eva Senghaas-Knobloch, Frieden durch Integration und Assoziation, Stuttgart 1969, und Eva Senghaas-Knobloch, Internationale Organisationen, in: Ekkehart Krippendorff (Hrsg.), Probleme der internationalen Beziehungen, Frankfurt 1972, S. 103-136.

  7. Viele Äußerungen der sogenannten realistischen Schule z. B. Morgenthaus kommen einer derartigen These sehr nahe.

  8. Weiterführende theoretische Überlegungen finden sich hierzu in Dieter Senghaas, Rüstung und Militarismus, Frankfurt 1972, Teil II. Luhmanns These (vgl.den in Anmerkung 11 zitierten Artikel), Weltgesellschaft konstituiere sich eher durch kognitive als durch normative Erwartungshorizonte, stellt die wirklichen Sachverhalte auf den Kopf, wenn man wie Luhmann definiert: „Kognitives Erwarten sucht sich selbst, normatives sucht sein Objekt zu ändern. Lernen oder Nichtlernen — das ist der Unterschied" (S. 11).

  9. Vgl. hierzu Karl W. Deutsch und Dieter Seng-haas, Die brüchige Vernunft von Staaten, in: Dieter Senghaas (Hrsg.), Kritische Friedensforschung, Frankfurt 19722, S. 105— 163.

  10. Zur Theorie des Nationalstaates siehe das klassische Werk von Karl W. Deutsch, Nationalism and Social Communication, Cambridge 19662.

  11. Ein solcher Begriff von „anarchisch" ist dem von Marx auf den Kapitalismus bezogenen vergleichbar: Er bezieht sich auf eine Struktur, dessen Dynamik mit Regelmäßigkeit Krisen produziert. Eine Kritik an den im ersten Abschnitt dargestellten Kennzeichnungen der internationalen oder Weltgesellschaft findet sich in Niklas Luhmann, Die Weltgesellschaft, in: Archiv für Rechts-und Sozialphilosophie, Bd. 57, Nr. 1, 1971, S. 1— 35, besonders S. 1— 10.

  12. Siehe hierzu die klassische Literatur von Max Weber und Werner Sombart sowie den immer noch brillanten Essay von Otto Hintze, Wirtschaft und Politik im Zeitalter des modernen Kapitalismus, in: Soziologie und Geschichte, Göttingen 1964, S. 427 bis 452. Siehe auch die umfassenden Darstellungen in Josef Kulischer, Allgemeine Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters und der Neuzeit, Darmstadt 19714; John U. Nef, Western Civilization since the Renaissance. Peace, War, Industry and the Arts, New York 19632; Maurice Dobb, Entwicklung des Kapitalismus. Vom Spätfeudalismus bis zur Gegenwart, Köln 1970. — Zu diesem Sachverhalt siehe jetzt auch Ekkehart Krippendorff (Hrsg.), Probleme der internationalen Beziehungen, Frankfurt 1972; ders (Hrsg.), Internationale Beziehungen, Köln 1973; ders., Peace Research and the Industrial Revolution, in: Journal of Peace Research, Nr. 2/1973; Ernest Mandel, Der Spätkapitalismus, Frankfuit 1972.

  13. Siehe hierzu das immer noch klassische Werk von Rupert Emerson, From Empire to Nation. The Rise to Self-Assertion of Asian and African Peoples, Boston 1960.

  14. Hierzu David Landes, The Unbound Prometheus, Cambridge 1969, und Simon Kuznets, Modern Economic Growth. Rate, Structure and Spread, New Haven 1966; Ernest Mandel, Der Spätkapitalismus, Frankfurt 1972.

  15. Uber die inter-kapitalistische Interessengemeinschaft vgl. Pierre Jale, Das neueste Stadium des Imperialismus, München 1971, Kapitel 10; über bleibende Konfliktpotentiale zwischen den kapitalistischen Metropolen siehe Christel Neusüss, Imperialismus und Weltmarktbewegung des Kapitals, Erlangen 1972.

  16. Uber alternative Interpretationen dieser neuen Hierarchisierung siehe Robert Rowthorn, Impe-rialism in the Seventies: Unity of Rivalry, in: New Left Review, Nr. 69, 1971, S. 31— 54; Ernest Mandel, Der Spätkapitalismus, Frankfurt 1972, Kapitel X; Frieder Schlupp, Salua Nour und Gerd Junne, Zur Theorie und Ideologie internationaler Interdependenz, in: Sonderheft 5 der Politischen Vierteljahresschrift, hrsg. von Jürgen Gantzel, Köln und Opladen 1973, S. 245— 308.

  17. Siehe Eva Senghaas-Knobloch, Internationale Organisationen, in: Ekkehart Krippendorff (Hrsg.), Probleme der internationalen Beziehungen, Frankfurt 1972, S. 103— 136.

  18. Dem Zusammenspiel von gesamtkapitalistischem Interesse und partikularen kapitalistischen Interessen ist bis heute wenig theoretische Reflexion zugewandt worden. — Breites Anschauungsmaterial über den Sachverhalt lieferte die erneute Welt-währungskrise im Spätwinter 1972 und ihre Verquickung mit Bündnispolitik.

  19. Vgl. hierzu Elmar Altvater, Die Weltwährungskrise, Frankfurt 1969; Christel Neusüss, Bernhard Blanke und Elmar Altvater, Kapitalistischer Weltmarkt und Weltwährungskrise, in: Probleme des Klassenkampfes, Heft 1, 1971, S. 5— 116; Autorenkollektiv Busch/Schöller/Seelow, Weltmarkt und Weltwährungskrise, Bremen 1971; sowie jetzt Christel Neusüss, Imperialismus und Weltmarkt-bewegung des Kapitals, Erlangen 1972.

  20. Bei all dieser Einschätzung darf nicht übersehen werden, daß diese Entwicklung von einer beispiellosen Militarisierung der westlichen Gesellschaften, insbesondere der USA, begleitet war. Asbjörn Eide (Oslo) hat in einer Kritik an einer früheren Fassung des vorliegenden Papiers ausdrücklich hierauf aufmerksam gemacht („Deescalation and Prevention of Escalation", Wien, Institut für den Frieden, Dezember 1972). Zum US-Imperialismus und -Militarismus siehe jetzt K. T. Fann und Donald Hodges (Hrsg.), Readings in US Imperialism, Boston 1971.

  21. Vgl. hierzu Jürgen Gantzel, Zu herrschaftssoziologischen Problembereichen von Abhängigkeitsbeziehungen in der gegenwärtigen Weltgesellschaft, in: Dieter Senghaas (Hrsg.), Imperialismus und strukturelle Gewalt. Analysen über abhängige Reproduktion, Frankfurt 1972, S. 105— 120; sowie Johan Galtung, Europa: bipolar, bizentrisch oder kooperativ?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B/41 vom 7. 10. 1972. Vgl. jetzt auch Bernard Willms, Entwicklung und Revolution. Grundlagen einer dialektischen Theorie der Internationalen Politik, Frankfurt 1972.

  22. Hierzu Ursula Schmiederer, Systemkonkurrenz als Strukturprinzip der internationalen Politik, in: Sonderheft 5 der Politischen Vierteljahresschrift, hrsg. von Jürgen Gantzel, Köln und Opladen 1973, S. 309— 346.

  23. Diese Gefahr hat eingehend Johan Galtung in seinem in Anmerkung 24 zitierten Artikel diskutiert. Siehe auch Sverre Lodgaard, Political Change and Economic Reorientation in Europe. The Role of Industrial Cooperation, in: Instant Research on Peace and Violence, Nr. 3, 1972, S. 145— 157.

  24. Ich verwende hier den Begriff, wie er in der Literatur über Abhängigkeit als Kontrastbegriff zu „abhängiger Reproduktion" verwendet wird („dependencia" in Lateinamerika, siehe weiter unten).

  25. Vgl. Dieter Senghaas, Dynamique de la course aux armements comme condition restrictive de la politique de detente entre lEst et l'Quest, in: Politique Etrangere, Bd. 37, 1972, S. 765— 782.

  26. Ebenda.

  27. Vgl. hierzu Walter Möller und Fritz Vilmar, Sozialistische Friedenspolitik für Europa, Reinbeck 1972.

  28. Vgl. Anmerkung 28.

  29. Dieter Senghaas, Rüstung und Militarismus, Frankfurt 1972.

  30. Vgl. Dieter Senghaas, Aufrüstung durch Rüstungskontrolle. über den symbolischen Gebrauch von Politik, Stuttgart 1972.

  31. Siehe meine Begründung hierfür in dem in Anmerkung 33 zitierten Buch.

  32. Johan Galtung hat diesen Begriff geprägt in seinem in Anmerkung 24 zitierten Artikel.

  33. Vgl. Anmerkung 26.

  34. Vgl. Ulrich Albrecht, Johan Galtung, Pertti Joenniemi, Dieter Senghaas und Sergiu Verona, Is Europe to Demilitarize? Some Analytical Sugge-stions and Practical Recommendations, in: Instant Research on Peace and Violence, Heft 4, 1972 (deutsch in: Johan Galtung und Dieter Senghaas [Hrsg. ], Kann Europa abrüsten?, München 1973, S. 90— 215); sowie Dieter Senghaas, Volker Rittberger und Burkhard Luber, MBFR: Aufrüstung durch Rüstungskontrolle?, in: Aus Politik und Zeit-geschichte, B 13/73 v. 31. 3. 1973, S. 26— 54.

  35. Vgl. hierzu das Resultat einer Studiengruppe unter der Leitung von Johan Galtung: „Einige institutionelle Vorschläge für ein System der Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa", in: Johan Galtung und Dieter Senghaas (Hrsg.), Kann Europa abrüsten?, München 1973, S. 62— 89.

  36. Diese Unterscheidung ist Bestandteil offizieller Sprachregelung in Sozialistischen Staaten, wenn auch die spezifischen Inhalte variieren.

  37. Vgl. hierzu das von mir entwickelte system-analytische Autismus-Modell in dem Buch: Abschreckung und Frieden. Studien zur Kritik organisierter Friedlosigkeit, Frankfurt 19722, S. 170 ff.

  38. Zum folgenden siehe auch meine Einleitung und die Beiträge in Dieter Senghaas (Hrsg.), Imperialismus und strukturelle Gewalt. Analysen über abhängige Reproduktion, Frankfurt 1972.

  39. Zur Entwicklung und Funktion von multinationalen Firmen siehe Charles Kindleberger (Hrsg.), The International Corporation, Cambridge 1970; Raymond Vernon, Sovereingty at Bay. The Multinational Spread of US Enterprises, New York 1971; sowie verschiedene Studien von Stephen Hymer, u. a., Multinationale Konzerne und das Gesetz der ungleichen Entwicklung, in: Dieter Senghaas (Hrsg.), Imperialismus und strukturelle Gewalt, a. a. O. (Anmerk. 41), S. 201— 238.

  40. Vgl. hierzu jetzt Parviz Khalatbari, Ökonomische Unterentwicklung. Mechanismus, Probleme, Ausweg, Frankfurt 1972; sowie die früheren Arbeiten von Paul Baran, Politische Ökonomie des wirtschaftlichen Wachstums, Neuwied und Berlin 1966; Conrad Schuhler, Zur politischen Ökonomie der armen Welt, München 1968; Robert Rhodes (Hrsg.), Imperialism and Underdevolopment, New York 1970. Datenreich ist Pierre Jalee, Die Dritte Welt in der Weltwirtschaft, Frankfurt 1969.

  41. Hierzu hat vor allem Johan Galtung mit seinem „Theorem differentieller spinn-off Effekte" hingewiesen. Siehe seinen Beitrag: Eine strukturelle Theorie des Imperialismus, in: Dieter Senghaas (Hrsg.,Imperialismus und strukturelle Gewalt, a. a. O. (Anmerk. 41), S. 29— 104.

  42. Vgl. hierzu Dieter Senghaas (Hrsg.), Peripherer Kapitalismus. Analysen über Abhängigkeit und Unterentwicklung, Frankfurt 1974.

  43. Vgl. hierzu auch Ernest Mandel, Der Spätkapitalismus, Frankfurt 1972, passim.

  44. Neben der schon in Anmerkung 41 zitierten Literatur, insbesondere den Arbeiten von Samir Amin, Christian Palloix und Pablo Gonzalez Casanova, wären hier zu nennen Arghiri Emmanuel, Lechange inegal, Paris 1969 (jetzt auch erweitert in Englisch-Unequal Exchange. A Study of the Imperialism of Trade, New York 1972), und Ernest Mandel, Der Spätkapitalismus, Frankfurt 1972, Kapitel 11.

  45. Dies ist ein grundlegendes Ergebnis der soge-nannten dependencia Diskussion in Lateinamerika in den vergangenen zehn Jahren. Ausführliche Literaturhinweise über die in Anmerkung 41 zitierte spanische Literatur hinausgehend finden sich in meiner Bibliographie in dem in Anmerkung 41 zitierten Buch „Imperialismus und strukturelle Gewalt" (S. 386— 399). Siehe ebenfalls die in diesem Sammelband abgedruckten Arbeiten von Theotonio dos Santos, Celso Furtado sowie insbesondere von Osvaldo Sunkel.

  46. Hierauf hat neuerdings Armando Cordova (Caracas) zu Recht in einem noch unveröffentlichten Papier „Hacia una teoria de los conjunctos multisocietarios como base de la interpretacion del subdesarrollo" aufmerksam gemacht.

  47. über die politökonomischen Probleme unterrichtet vorzüglich Thomas Weisskopf, Capitalism, Underdevelopment and the Future of Poor Coun-tries, in: Jagdish N. Bhagwati (Hrsg.), Economics and World Order, New York 1972, S. 43— 77. Wie Hilfe pauperisiert, stellt Tibor Mende in seinem Buch „De l'aide ä la recolonisation. Les lecons d'un echec", Paris 1972, dar.

  48. Hierzu den exemplarischen Artikel von Ruy Mauro Marini, Brazilian Subimperialism, in: Monthly Review, Bd. 23, Nr. 9, 1972, S. 14— 24.

  49. Hierzu auch den Beitrag von Osvaldo Sunkel, Transnationale kapitalistische Integration und nationale Desintegration: Der Fall Lateinamerika, in: Dieter Senghaas (Hrsg.), Imperialismus und strukturelle Gewalt, a. a. O. (Anmerkung 41), S. 258— 315.

  50. Exemplarisch hierzu jetzt Fernando Henrique Cardoso, Ideologias de la burguesia industrial en sociedades dependientes, Mexiko 1971.

  51. Vgl. hierzu den grundelegenden Artikel von Anibal Quijano, Redefinicion de la dependencia y de la marginalizacion en America Latina (Santiago 1970, unv. Ms.).

  52. Bekanntlich ist die konterrevolutionäre Strategie der „counter-insurgency" vor nunmehr zirka 10 bis 15 Jahren zwar nicht erfunden, doch auf eine neue systematische Weise durchdacht und in konkrete neue Waffenprogramme übersetzt worden. In der praktischen Politik war „counter-insurgency" immer schon Teil kolonialistischer und imperialistischer Herrschaft.

  53. Vgl. hierzu Johan Galtung, The European Community. A Superpower in the Making, Oslo 1972, sowie den sehr instruktiven Artikel von Helge Hveem und Ole Kristian Holthe, EEC and the Third World, in: Instant Research on Peace and Violence, Nr. 2, 1972, S. 73— 85.

  54. Zur Rolle staatlicher Organisation im allgemeinen siehe Ekkehart Krippendorff, The State as a Focus of Peace Research, in: Papers, Peace Research Society (International), Bd. 16, 1971, S. 47— 60.

  55. Zur Theorie autistischer Eskalationsprozesse siehe Dieter Senghaas, Rüstung und Militarismus, Frankfurt 1972, Teil II.

  56. Vgl. hierzu paradigmatisch die Studie von K. P. Misra, Intra-State Imperialism. The Case of Pakistan, in: Journal of Peace Research, Bd. 9, 1972, S. 27— 40.

  57. Zur Konzeption struktureller Gewalt siehe Johan Galtung, Gewalt, Frieden und Friedensforschung, in: Dieter Senghaas (Hrsg.), Kritische Friedensforschung, Frankfurt 19722, S. 55— 105.

  58. Hierzu meine Ausführungen in Dieter Senghaas, Aggressivität und kollektive Gewalt, Stuttgart 19722. Vgl. jetzt auch Wolf-Dieter Narr, Gewalt und Legitimität, in: Leviathan, Bd. 1, 1973, Heft 1, S. 7— 42, und die Beiträge in Lewis Coser (Hrsg.), Collective Violence and Civil Conflict, Sondernummer des Journal of Social Issues, Bd. 28, 1972, Nr. 1.

  59. Vgl. Dieter Senghaas, Friedensforschung. Theoretische Fragestellungen und praktische Probleme, in: Jahrbuch für Friedens-und Konfliktforschung, Bd. 2, 1972, S. 10— 22.

  60. Vgl. zur Begründung die Beiträge von Herman Schmid, Johan Galtung und Lars Dencik in: Dieter Senghaas (Hrsg.), Kritische Friedensforschung, Frankfurt 19722.

  61. Vgl. Dieter Senghaas, Rüstung und Militarismus, Frankfurt 1972, Teil I sowie den in Anmerkung 28 zitierten Artikel.

  62. Hierzu Eva Senghaas-Knobloch, Frieden durch Integration und Assoziation, Stuttgart 1969, und Johan Galtung: A Theory of PeacefuI Cooperation, in: Johan Galtung (Hrsg.), Cooperation in Europa, Assen 1970, S. 9— 20.

  63. Hinsichtlich ihrer Außenbeziehungen hat Johan Galtung jüngst zu Recht den imperialistischen Charakter der wachsenden Großmacht EWG hingewiesen. Siehe sein Buch: The European Community. A Superpower in the Making, Oslo 1972 (dt.: Kapitalistische Großmacht Europa oder Die Gemeinschaft der Konzerne, Reinbek b. Hamburg 1973). Eine Kosten-Nutzenanalyse der EWG, bezogen auf verschiedene Bevölkerungsschichten der Hauptmitgliedsländer, steht leider immer noch aus.

  64. Diesen Stufenprozeß hat Ralf Dahrendorf in seinem Buch „Soziale Klassen und Klassenkonflikt in der industriellen Gesellschaft", Stuttgart 1957, diskutiert (insbes. S. 165 ff.) Siehe insbesondere auch die in der BRD von Theodor Ebert vorgelegten und angeregten Studien, u. a.: Gewaltfreier Aufstand. Alternative zum Bürgerkrieg, Frankfurt 19702.

  65. Lars Dencik, Plädoyer für eine revolutionäre Konfliktforschung, in: Dieter Senghaas (Hrsg.), Kritische Friedensforschung, Frankfurt 19722, S. 247 bis 270, sowie jetzt auch Johan Galtung, Eine strukturelle Theorie der Revolution, in: Martin Jänicke (Hrsg.), Herrschaft und Krise, Köln 1973, S. 121— 167.

  66. Die zunehmende Selbstäußerung auch von etablierten Institutionen in der Dritten Welt wie den lokalen und regionalen Kirchen, Wissenschaftsorganisationen und dgl. spricht für sich.

  67. Zu dieser Konfliktformation siehe jetzt auch Bernard Willms, Entwicklung und Revolution. Grundlagen einer dialektischen Theorie der Internationalen Politik, Frankfurt 1972, passim, sowie Ekkehart Krippendorff, Das Internationale System zwischen Stabilisierung und Klassenkampf, in: Ekkehart Krippendorff (Hrsg.), Probleme der internationalen Beziehungen, Frankfurt 1972, S. 9— 33.

  68. Hierzu jetzt Alfred Schmidt, Geschichte und Struktur. Fragen einer marxistischen Historik, München 1971, sowie zur progressiv-regressiven Methode Jean Paul Sartre, Kritik der dialektischen Vernunft, Bd. I: Theorie der gesellschaftlichen Praxis, Hamburg 1967, Kap. 1.

  69. Die folgenden sechs Punkte sind zitiert aus Ernest Mandel, Der Spätkapitalismus, Frankfurt 1972, S. 14/15.

  70. Ich verzichte hier auf eine eingehende Begründung, da es mir wichtiger erscheint, an einem produktiven Neuanfang zu arbeiten als Unzulängliches noch einmal zu kritisieren.

  71. Eine erste derartige Definition und weitsichtige Analyse ist Nikolai Bucharin, Imperialismus und Weltwirtschaft, Wien 1929.

  72. Ernest Mandel, Der Spätkapitalismus, Frankfurt 1972, S. 96 (Hervorhebung v. Verf.).

  73. Ebd. (Hervorhebung v. Verf.).

  74. Siehe vor allem Samir Amin, L'accumulation ä l'echelle mondiale, Paris 19712, George Novack, Uneven and Combined Development in History, New York 1966, sowie die beiden jüngsten Arbeiten von Theotonio dos Santos, Contradicciones del imperialismo contemporäneo, in: Sociedad y Desarrollo, Heft 1, 1972, S. 9— 34 und Vania Bambirra, Integracion monopolica mundial e industrializacion: sus contradicciones, in: Sociedad y Desar-rollo, Heft 1, 1972, S. 53— 80.

  75. Ernest Mandel, Der Spätkapitalismus, Frankfurt 1972, S. 96.

  76. Deren wichtigste ich in dieser Studie zitiert habe.

  77. Insofern entspricht, wie der Leser leicht bemerkt haben wird, die vorliegende Studie nicht dem, was ich als eine konkret-abstrakte Theorie internationaler Gesellschaft anstrebe, wenn sie auch einzelne Elemente für eine solche Theorie enthält. Der wesentliche Grund hierfür liegt darin, daß diese Studie zwar einige Überlegungen zur Dynamik von Konfliktformationen auf Weltebene enthält, jedoch kaum Aussagen über die Ursachen solcher Dynamik. Für den Autor stellt diese Studie deshalb eine Selbstverständigung an der Schwelle einer längerfristigen und intensiveren Beschäftigung mit Produktionsverhältnissen und den ihnen zugeordneten Austauschverhältnissen im internationalen Ausmaß dar, um das schließlich zu leisten, was in diesem letzten Teil der Studie nur skizzenhaft umschrieben werden konnte.

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Dieter Senghaas , Dr. phil., Professor für Politikwissenschaft, Universität Frankfurt am Main, z. Z. Forschungsgruppenleiter an der Hessischen Stiftung Friedens-und Konfliktforschung, Frankfurt; geb. 1940 in Geislingen/Steige; Studium der Politikwissenschaft, Soziologie, Geschichte und Philosophie in Tübingen, Amherst (USA), Frankfurt und Ann Arbor. Mehrere Forschungsaufenthalte in den USA, u. a. an der Harvard University, Cambridge (Mass.). Mitglied der Wissenschaftlichen Kommission der Deutschen Gesellschaft für Friedens-und Konfliktforschung, des Stiftungsrates der Berghof Stiftung für Konfliktforschung und des Exekutivkomitees der International Peace Research Association. Veröffentlichungen u. a.: Abschreckung und Frieden. Studien zur Kritik organisierter Friedlosigkeit, Frankfurt 19722; Aggressivität und kollektive Gewalt, Stuttgart 19722; Rüstung und Militarismus, Frankfurt 1972; Aufrüstung durch Rüstungskontrolle, Stuttgart 1972; Gewalt — Konflikt — Frieden. Essay zur Friedensforschung, Hamburg 1974. Herausgeber u. a. von: Friedensforschung und Gesellschaftskritik, München 19732; Zur Pathologie des Rüstungswettlaufs, Freiburg 1970; Kritische Friedensforschung, Frankfurt 19722; Imperialismus und strukturelle Gewalt, Frankfurt 19732; Kann Europa abrüsten? Friedenspolitische Optionen der siebziger Jahre, München 1973; Peace Research in the Federal Republic, Oslo 1973; Peripherer Kapitalismus. Analysen über Abhängigkeit und Unterentwicklung, Frankfurt 1974; Texte zur Technokratiediskussion, Frankfurt 19712; Politikwissenschaft. Eine Einführung in ihre Probleme, Frankfurt 19734).