Dieser Beitrag beruht weitgehend auf einem Vortrag, den der Verfasser auf dem Kongreß der „Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaften" in Hamburg im Oktober 1973 gehalten hat. Der Vorstand der DVPW hat sich freundlicherweise mit dem Abdruck einverstanden erklärt.
I. Einleitung
Die Institution des Bürgerbeauftragten zur Kontrolle der Verwaltung hat seit etwa zwei Jahrzehnten in einer ganzen Reihe von Ländern zunehmende Beachtung gefunden So haben sich dem schwedischen Vorbild alle übrigen skandinavischen Staaten — außer Island — angeschlossen; auch in den Commonwealth-Ländern Neuseeland, Guayana, Mauritius, Großbritannien und Nordirland sowie in Israel hat der schwedische Beauftragte als Modell für ihre „Parliamentary Commissioners" gedient. In fünf der zehn kanadischen Provinzen existieren ebenfalls Bürgerbeauftragte. In den USA beschloß Hawaii 1967 als erster Bundesstaat die Einführung einer ähnlich konzipierten Institution; mittlerweile folgten Nebraska, Oregon, Iowa, Südkarolina, Illinois und Neu-Mexiko. Auch zwei Großstädte — Jerusalem und Zürich — institutionalisierten das Amt eines Ombudsmannes. Vorläufiger Schlußpunkt dieser Entwicklung ist das am Januar 1973 in Frankreich beschlossene Gesetz über den „Mediateur“ 3).
Als erstes Land der Bundesrepublik wird sich Rheinland-Pfalz nach der parlamentarischen Sommerpause im Oktober 1973 einen Bürger-beauftragten geben. Dieses Vorpreschen wurde durch zwei fast analog lautende Gesetzentwürfe der SPD-und CDU-Fraktion mit folgender Begründung forciert: Da der moderne Staat immer weitere Bereiche der menschlichen Existenz erfaßt und die Flut der Gesetze, Verordnungen und Erlasse den Bürger ebenso wie die Unübersichtlichkeit der Zuständigkeiten verwirrt, ist „die Folge eine Zunahme der persönlichen und sachlichen Konflikte zwischen Bürger und Verwaltung". Dieser Entwicklung könne nur durch die Schaffung einer Institution begegnet werden, „die geeignet ist, Parlamentarismus und öffentliche Verwaltung im demokratisch wohlverstandenen Sinne volksnäher zu machen, über die Abgrenzung des geschützten Bereichs des Bürgers gegenüber der Verwaltung zu wachen und dem Parlament eine wirksame Kontrolle der Exekutive zu ermöglichen" (so der Urantrag der SPD).
Die rheinland-pfälzische Diskussion ist um so bemerkenswerter, da dieses Land die Errichtung eines Parlamentsbeauftragten für unumgänglich hält, obwohl es durch eine Änderung der Verfassung (1971) unter Hinzufügung des Art. 90 a den Petitionsausschuß des Landtages mit erheblich größeren Kompetenzen ausgestattet hatte. Die Absicht, trotzdem das Amt eines Bürgerbeauftragten einzuführen, begründete der Abgeordnete Thorwirth mit der Feststellung, „daß durch die Einführung eines Bürgerbeauftragten die Arbeit des Petitionsausschusses nicht abgewertet oder gar ersetzt werden soll, sondern daß wir eine neue ergänzende Form der Wahrnehmung von Bürgerinteressen in unserem Land damit verbinden wollen"
Somit impliziert keiner der beiden Gesetzentwürfe die Alternative „Ombudsman oder Petitionsausschuß", sondern ausschließlich eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen beiden Organen, wobei die Absicht vorherrscht, den Ombudsman als Hilfsorgan des Parlaments und auch — in bestimmten Fällen — des Petitionsausschusses tätig werden zu lassen.
Die in letzter Zeit von Gegnern einer solchen Institution häufig unrichtig aufgeworfene Alternative tangiert diesen Komplex also völlig unzureichend, denn die Einführung des Ombudsmannes soll eben nicht den Petitionsausschuß verdrängen, sondern beide Institutionen fungieren als gleichwertige Kontrollorgane des Parlaments, wobei der Petitionsausschuß für das Parlament „in wichtigen Funktionen tätig werden soll" (z. B. bei Stellungnahmen, die eine politische Gewichtung beinhalten), während die Funktion des Bürgerbeauftragten in einer gewissen Doppel-stellung liegt: 1. soll er eine permanente und eigenständige Anlaufstelle für rat-, schutz-und hilfesuchende Bürger sein, 2. in seiner rechtlichen Stellung und Funktion soll er Organ des Parlaments sein, für das der Petitionsausschuß in wesentlichen Fragen als Partner tätig werden kann. Versteht man also unter einem Bürgerbeauftragten eine vom Parlament bestellte Vertrauensperson, ein Verfassungsorgan, dem es obliegt, aufgrund von Eingaben die Rechtsanwendung und den Rechtsschutz des Bürgers zu beaufsichtigen, die Kontrolle des Parlaments gegenüber Regierung und Verwaltung zu verbessern und damit das Mißtrauen gegenüber der Bürokratie abzubauen so stehen diesem Bestreben die Äußerungen der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages zu Fragen der Verfassungsreform kraß entgegen.
Nachdem bereits die Landtagspräsidenten in ihrem Bericht vom 16. Mai 1968 empfohlen hatten, von der Schaffung eines deutschen Ombudsmannes abzusehen, machte sich auch die Enquete-Kommission diese Auffassung zu eigen: „Das bestehende System der Kontroll-und Rechtsschutzmöglichkeiten unterscheidet drei Arten von Kontrollen der Staatsgewalt — verwaltungsinterne Kontrollen (formlose und förmliche Rechtsbehelfe, Dienst-und Fach-aufsicht, Disziplinarrecht), — Rechtsschutz durch die Gerichte (Art. 19 Abs. 4 GG, Verwaltungsgerichtsbarkeit mit Generalklausel, Verfassungsbeschwerde)
— politische Kontrollen (parlamentarische Kontrollmöglichkeiten, vor allem das Petitionsrecht, Kontrolle durch Massenmedien und Verbände, Kontrolle durch ehrenamtliche Mitwirkung von Bürgern und staatlichen Ausschüssen und Beiräten).
Die Kommission hat bei diesem nahezu lükkenlosen Rechtsschutzsystem keinen Bedarf für die Einführung einer zusätzlichen Rechtsschutzinstanz in Gestalt eines Ombudsmannes feststellen können... Bei einer verbesserten Ausgestaltung des Petitionsverfahrens bleibt für eine parallele Überprüfungsmöglichkeit durch den Ombudsman in der Tat kein Raum."
Das einzig positive Element einer Einführung des Ombudsmannes in der Bundesrepublik liegt nach Ansicht der Kommission in seiner sozial-psychologischen Bedeutung, da er kein Kollegial-Organ ist, sondern sich als Einzelperson der Sorgen und Nöte der Bürger annimmt und somit „zur Humanisierung, Normalisierung und Harmonisierung des Verhältnisses des Bürgers zu seinem Staat (und) zu einem weitgehenden Abbau bestehender Staatsverdrossenheit" beitragen kann. Dieses sozial-psychologische Element wiegt jedoch für die Kommission zu gering, als daß der genannte Funktionenkatalog nicht auch vom Petitionsausschuß bewältigt werden könnte, für dessen ausschließliche Stärkung sie eintritt.
Analysiert man die beiden Antipoden, dann erhebt sich die Frage, ob 1. Petitionsausschüsse in Bund und Ländern überhaupt aufgrund ihrer Kompetenzen vom Gesetzgeber in die Lage versetzt werden, ihre Aufgaben effektiv zu erfüllen, ob 2. nicht schon das Interpellationsrecht des Abgeordneten ausreicht, dem Bürger, der sich an seinen Repräsentanten wendet, genügend Schutz vor behördlicher Willkür zu sichern, ob 3. eine Institution, die bisher fast ausschließlich in Staaten ohne Verwaltungsgerichtsbarkeit errichtet wurde, nicht durch das enge Netz der bestehenden Verwaltungsgerichte schon abgedeckt wird und ob 4.der Einführung eines Parlamentsbe-auftragten nicht die föderative Struktur der Bundesrepublik entgegensteht.
Im folgenden soll die Frage nach der Einführung eines Bürgerbeauftragten unter der Zielsetzung analysiert werden, inwieweit er dazu beitragen kann, das Defizit an parlamentarischer Kontrolle gegenüber der Verwaltung abzubauen und eine Steigerung von Effizienz, Transparenz und Partizipation innerhalb des parlamentarischen Regierungssystems zu bewirken. Wird die Institution des Bürgerbeauftragten von etlichen Betrachtern als ein zusätzliches Kontrollorgan für nötig erachtet, dessen sich das Parlament zur Kontrolle der Verwaltung und der Exekutive bedienen muß, dann ist dies als Eingeständnis dafür zu bewerten, daß sich die dem Parlament von der Verfassung zur Wahrnehmung seiner Kontrollfunktion zur Verfügung gestellten Mittel bisher in der Praxis als ungeeignet bzw. unzulänglich erwiesen haben. Für Kewenig liegt ein dominierender Grund für die relative Bedeutungslosigkeit der „klassischen" Kontrollmechanismen des Parlaments in dem enormen Informationsgefälle, das zwischen Regierung und Parlament besteht, trotz dessen praktisch unbegrenzten Fragerechts und trotz aller Bemühungen, eine Art „Gegenbürokratie" aufzubauen
Als Ausweg aus diesem Dilemma mangelnder Kontrollfunktionen des Parlaments versucht Kewenig (in Anlehnung an Richard Bäumlin), dem Kontrollbegriff ein in die Zukunft weisendes und in gewisser Art auf Mitgestaltung zielendes Moment hinzuzufügen: Er stellt der „Kontrolle als Aufsicht über fremde Amtsführung" die „Kontrolle durch Zusammenwirken" als die einer parlamentarischen Demokratie allein gemäße Form der Kontrolle gegenüber. *
So zeichnet sich unter Beibehaltung des Kontrollbegriffes — der praktisch als gleichbedeutend mit Gewaltenhemmung verwandt wird — ein neues Verständnis dessen ab, was man normalerweise als die Kontrollfunktion des Parlaments bezeichnet. „Dieses Verständnis zieht die Konsequenz aus der Erkenntnis, daß in einer parlamentarischen Demokratie die Trennungslinien zwischen Regierung und Parlament notwendig nicht sehr deutlich gezogen sind. Entscheidend ist dabei nicht, ob man weiterhin von Kontrolle spricht oder aber dem Element der Gewaltenhemmung einen anderen, die Mitwirkung und Mitverantwortlichkeit deutlicher herausstellenden, übergreifenden Namen gibt. Entscheidend ist, daß die Kontrolle aus der begrifflichen Enge der , nachherigen Aufsicht über fremde Aufgaben'gelöst und zumindest auch als ein . Zusammenwirken verschiedener Instanzen auf ein gemeinsames Ziel’ begriffen wird."
übertragen auf die Institution des Bürgerbeauftragten bedeutet dies, daß mit der Vergrößerung des Apparates und der Zuständigkeit des Staates auch die Kontrollmöglichkeiten vervielfacht werden müssen, so daß innerhalb des Apparates selbst die notwendigen Kontrollmechanismen eingebaut und ständig verbessert werden. Ellwein weist zu Recht darauf hin, es sei funktional nicht erforderlich, daß die gesamte Tätigkeit der Exekutive parlamentarischer Kontrolle unterliegt, sondern „notwendig ist dagegen, daß prinzipiell kein Bereich von Kontrolle ausgeschlossen ist" Kontrolle der Verwaltung durch den Bürger-beauftragten kann also in diesem Sinne wie ein „Ventil", jedenfalls aber ausgleichend und erweiternd wirken.
Bevor nun die oben aufgeworfenen Fragen erneut aufgegriffen werden, halte ich es zuvor für angebracht, einige Überlegungen über die in anderen Staaten gemachten Erfahrungen mit dem Amt eines Bürgerbeauftragten einzufügen.
II. Der Bürgerbeauftragte
1. Schweden
Das Amt des schwedischen Ombudsmannes wurde 1809 geschaffen, als die noch heute gültige Verfassung in Kraft trat deren primäre Absicht darin bestand, eine unkontrollierte Machtkonzentration in den Händen des Königs und seines Kabinetts zu verhindern und außerdem Garantien gegen einen Machtmißbrauch von seifen der Behörden zu schaffen.
Einer der dem Parlament übertragenen Kontrollmechanismen beruhte auf dem Recht, die Institution eines Ombudsmannes zu schaffen, um Gerichte und Verwaltung hinreichend kontrollieren zu können. Die hinter der Schaffung eines solchen Amtes stehende Grundidee läßt sich am besten mit der damaligen Absicht umreißen, daß durch die Schaffung eines nur dem Parlament verantwortlichen Hilfsorgans Gerichte und Behörden weniger geneigt wären, Gesetze zu mißachten, um gegebenenfalls den Wünschen der Exekutive nachzukommen. „The task of the Ombudsman", schreibt der frühere langjährige Bürgerbeauftragte Alfred Bexelius, „is today (in Schweden, d. Verf.) the same as 163 years ago, when the Office was created, namely to control that judges and other officials observe existing laws and respect the rights of the Citizen."
Im Prinzip unterliegen alle nationalen und kommunalen Beamten der Kontrolle des Ombudsmannes mit Ausnahme der Kabinettsmitglieder, die vom Parlament selbst kontrolliert werden. Das Militär besitzt seit 1915 einen eigenen Beauftragten, den Militieombudsman.
Außerdem gibt es in Schweden noch einen Kommissar für das Sozialversicherungswesen.
Für ihre Tätigkeit wurden die schwedischen Bürgerbeauftragten von Anfang an mit sehr weitgehenden Investigationsrechten ausgestattet: So besitzt der Justitieombudsman, der von einem 48köpfigen Wahlmännergremium des Reichstags gewählt wird, das Recht, selbständig und auf eigene Initiative hin Untersuchungen über Mißstände einzuleiten, die er auf seinen Inspektionsreisen entdeckt bzw. aus Pressemeldungen entnommen hat. Daß jeder Schwede sich an den Parlamentsbeauftragten wenden kann (durchschnittlich 3 000 Eingaben pro Jahr braucht nicht ausdrücklich hervorgehoben zu werden.
Alle Beamten, zivile wie militärische, sind verpflichtet, den Ombudsman bei seinen Untersuchungen umfassend zu unterstützen und ihm Zugang zu allen gerichtlichen und behördlichen Akten, Protokollen und sonstigen Unterlagen zu gewähren.
Das vielleicht wichtigste Kennzeichen ist seine völlige Unabhängigkeit, nicht nur gegenüber der Exekutive, sondern auch gegenüber der Legislative, die keine seiner einmal begonnenen Untersuchungen aufhalten darf. Allerdings besitzt der Bürgerbeauftragte weder das Recht noch die Macht, von Gerichten gefällte Entscheidungen zu beanstanden. Andererseits besteht die Möglichkeit, den Gerichten und Behörden Empfehlungen zu geben, die jedoch für diese keinerlei bindenden Charakter haben.
Wenn der Ombudsman im Zuge einer Untersuchung feststellt, daß ein Beamter unkorrekt gehandelt hat, kann er diesen vor einem ordentlichen Gericht anklagen; solche äußersten Maßnahmen sind aber — wie Bexelius ausdrücklich betont — sehr selten. In der Regel beschränkt sich die Intervention des Beauftragten auf Kritik an den zu beanstandenden Maßnahmen, um dem hilfesuchenden Bürger auf diesem unbürokratischen Wege die nötige Genugtuung zukommen zu lassen. „His main task, however, is to work for better legal security in the future" charakterisiert er seine frühere Tätigkeit Allein schon die bloße Existenz dieser völlig unabhängigen Institution gewährleistet nach Bexelius'Aussage eine größere Gewissenhaftigkeit der Bürokratie, ihren Ermessensspielraum nicht zu restriktiv auszulegen oder gar ihre Macht zu mißbrauchen.
Die zu untersuchenden Angelegenheiten — nicht nur der schwedischen, sondern auch der übrigen skandinavischen Parlamentskommissare — reichen von amtlichem Fehlverhalten und Ungesetzlichkeit bis zu weniger ern-sten Beschwerden über Säumigkeit, Unfähigkeit oder Nachlässigkeit einer Behörde. Gerade in diesem Bereich liegt sein Hauptarbeitsgebiet, denn hier erscheint auch in den skandinavischen Systemen administrativer Kontrolle die größte Lücke.
Es ist offensichtlich, daß es dem Ombudsman häufig durch eingehende Klagen und seine Inspektion gelingt, Mängel in der Gesetzgebung aufzudecken. In solchen Fällen ermuntert ihn die Verfassung, eine Stellungnahme über die Unzulänglichkeiten im Gesetzestext abzugeben und Vorschläge für Novellierungen zu machen. Daß dem Beauftragten auf diese Weise eine nicht unerhebliche Einflußnahme auf die Gesetzgebung zugebilligt wird, ergibt sich logischerweise aus einer sinnvollen effektiven Arbeit.
Da die Empfehlungen des schwedischen Ombudsmans keine Institution oder Verwaltungsbehörde binden, hängt der Erfolg seiner Tätigkeit entscheidend von seinen Argumenten für eine Gesetzesnovellierung bzw. für die Revision einer Behördenentscheidung ab und außerdem — wohl der entscheidende Faktor — von seinem Verhältnis zum Parlament, als dessen Sachverwalter er auftritt.
Daraus ergibt sich ebenfalls, daß der Ombudsman als zusätzliche Informationsquelle eine nicht zu unterschätzende Wertstellung genießt; sein Jahresbericht umfaßt 500 bis 600 Seiten. Jeder Abgeordnete hat die Möglichkeit, den Ombudsman mit der Untersuchung eines ihn interessierenden Falles zu beauftragen. Diese Untersuchungen werden auf dieselbe Weise abgewickelt wie alle übrigen, denn wäre dies nicht der Fall, verlöre der schwedische Ombudsman seine bisher stets gewahrte Unabhängigkeit gegenüber jeder Institution und könnte der Parteilichkeit verdächtigt werden.
2. Großbritannien
1967 wurde durch die „Parliamentary Commissioner Act" in Großbritannien ebenfalls das Amt eines Parlamentsbeauftragten geschaffen. Damit erfüllte die Regierung Wilson nicht nur ein Wahlversprechen von 1964, sondern machte sich auch die Vorschläge des 1959 eingesetzten Whyatt-Ausschusses zu eigen, der zum Schutz der Bürger vor Behördenwillkür die Errichtung eines dem skandinavischen Ombudsman analogen Amtes befürwortete. Lord Shawcross, der Vorsitzende dieses Ausschusses, umriß die Situation mit folgenden Worten: „Die allgemeinen Maßstäbe für die Verwaltung sind in diesem Land hoch, wahrscheinlich höher als in anderen. Aber mit der Existenz einer großen Bürokratie gibt es in der Anzahl nicht unbedeutende, unvermeidliche Gelegenheiten, bei denen durch Fehler und Unachtsamkeiten Ungerechtigkeit geschieht oder zu geschehen scheint. Ein vermögender Mensch kann dieser Situation begegnen, ... (indem) er es sich leisten kann, die zur Verfügung stehenden Rechtsmittel auszuschöpfen. Aber der kleine Mann, der gewöhnliche Bürger, ist nur zu oft nicht in der Lage, sich zu verteidigen... Er ist zu lange daran gewöhnt, herumgestoßen zu werden: es geschieht ihm selten, daß es irgendeine Berufungsmöglichkeit gegen das gibt, was „sie’ entschieden haben. Und es gibt, wie dieser Bericht zeigt, oft keine Möglichkeiten."
Als der wirksamste Garant für die Freiheit des einzelnen wird in Großbritannien traditionsgemäß die Souveränität des Parlaments angesehen, das jedoch durch die ständig wachsende Aufgabenflut seine Kontrollrechte gegenüber der Verwaltung nur noch unzulänglich wahrnehmen kann. Eine der sich daraus ergebenden Folgen ist, daß die Abgeordneten die Beschwerden ihrer Wähler kaum bearbeiten können und Eingaben an das Parlament wegen fehlender Plenardebatten über sie ihre praktische Bedeutung fast völlig eingebüßt haben hinzu tritt die außerordentlich geringe Effizienz des britischen Petitionsausschusses. Außerdem gibt es keine ausgebaute Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Zwar hat sich als Schutz vor „maladministration" die Klagemöglichkeit vor ordentlichen Gerichten herausgebildet, deren Prüfungsrecht jedoch beschränkt ist. Aus diesem Grund wurde die Errichtung einer zusätzlichen, unabhängigen Institution schon seit Mitte der fünfziger Jahre gefordert, aber erst 1967 vom Parlament mit 261 Ja-zu 156 Neinstimmen gebilligt.
Im Gegensatz zu seinen skandinavischen Vorbildern kann der von der Krone ernannte Parliamentary Commissioner Untersuchungen nur einleiten, wenn ein Abgeordneter im Einverständnis des Klagenden ihm die Beschwerde weiterreicht er kann also nicht unmittelbar mit Beschwerden durch die Bürger angegangen werden. Dieses Verfahren, das in den anderen Ländern mit vergleichbarer Institution ausdrücklich verworfen wurde, basiert auf der traditionellen Stellung und Bedeutung des britischen Parlaments, das damit seinem möglichen Informationsverlust entgegentreten wollte, indem die Exekutivkontrolle auf so speziellem Gebiet nicht einem völlig unabhängigen Organ, das nur von beiden Häusern des Parlaments abberufen werden kann, übertragen werden sollte.
Diese Einschränkung der Tätigkeit des Parlamentsbeauftragten haben die britischen Abgeordneten deshalb durchgesetzt, um die Verbindung zu ihren Wählern möglichst aufrechtzuerhalten und bei allen Beschwerdefällen nach ihrem Gutdünken darüber zu entscheiden, ob sie die Klage an den Commissioner weiterreichen. Erhält der Parlamentsbeauftragte auf diese Weise eine Petition, so führt er die Untersuchung nach eigenem Ermessen; er kann sich dabei auf die gleichen Rechte stützen wie seine Kollegen in den skandinavischen Ländern. Allerdings ist seine Verwaltungskontrolle ausdrücklich (vgl.
Schedule II des Gesetzes) auf die Bereiche der Zentralverwaltung beschränkt, während die gesamte Kommunalverwaltung, z. B. die Polizei, seiner Kontrolle ebensowenig obliegt wie die in Schedule III des Gesetzes aufgeführten Maßnahmen, z. B. im internationalen Bereich, in der Strafverfolgung, im Zivil-oder Strafverfahren vor den Gerichten.
Nach Durchführung der Untersuchung legt der Commissioner dem betreffenden Abgeordneten einen Prüfungsbericht vor bzw. erläutert die Gründe seines Nicht-Tätigwerdens. Einen weiteren Bericht erhalten ebenfalls die betroffene Verwaltung und — neben dem jährlichen — ggf. auch beide Häuser des Parlaments, falls die Behörde nicht zu einer Überprüfung ihrer unkorrekten Entscheidung bereit ist. Mit der Berichterstattung ist seine Tätigkeit beendet; er kann also weder Verwaltungsakte aufheben bzw. neue setzen, noch hat er das dem schwedischen Ombudsman zustehende Recht, die Einleitung von Straf-oder Disziplinarverfahren anzustrengen; selbst Rügen darf er nicht direkt der betroffenen Behörde zustellen.
Die starke Abhängigkeit des Bürgerbeauftragten von den Abgeordneten hat die anfängliche Kritik an der neuen Institution in den vergangenen Jahren nicht verstummen lassen und zu der zum Teil berechtigten Behauptung geführt, er sei-nur ein „stumpfes Instrument", dem die seine skandinavischen Vorbilder auszeichnende Unabhängigkeit fehle.
Vergleicht man die durchschnittlich (inklusiv der Massenpetitionen) 250000 bis 300000 jährlich bei den Abgeordneten eingehenden Petitionen mit den vom Commissioner untersuchten Fällen (6 000 bis 7 000 so konkretisiert sich die Rolle des Abgeordneten als „Filter" bei der Weitergabe von Eingaben. Es erübrigt sich darauf zu verweisen, daß das Gros aller eingereichten Petitionen von so untergeordneter Bedeutung ist bzw. ausschließlich Klagen gegen lokale Behörden betrifft, für die der Commissioner nicht zuständig ist; jedoch zeichnet sich bei diesem Modus des ausschließlichen Tätigwerdens aufgrund einer Aufforderung durch Abgeordnete die Gefahr ab, daß von Parlamentariern mißliebige Beschwerden zurückgehalten und der Bürger um sein Recht auf Aufklärung gebracht werden kann.
Die große Reserviertheit der meisten Abgeordneten gegenüber der neuen Institution verdeutlicht unter anderem die Streichung der im Gesetzentwurf enthaltenen Bestimmung, nach einer fünfjährigen Übergangszeit die unmittelbare Beschwerde an den Commissioner zuzulassen. Falsch verstandenes Prestigedenken und ein nur mehr rudimentär existentes Kontrollrecht des Parlaments gegenüber der Exekutive haben die Institution des Parlamentsbeauftragten bisher nur zu einem für die Bürger bedingt funktionsfähigen Kontrollinstrument verkürzt.
Zwar wurde durch diese „Act" zweifellos der Schutz der individuellen Rechte der Bürger gegenüber früheren Regelungen verbessert, was die positive Entscheidung von 1 500 Beschwerden jährlich (also ein Viertel der weitergereichten Eingaben) verdeutlicht; jedoch verwundert wegen der begrenzten Kompetenzen und beschnittenen Unabhängigkeit des britischen Bürgerbeauftragten nicht die Äußerung des Vorsitzenden des Bremer Petitionsausschusses nach einem Gespräch mit Sir Alan Marre und einigen seiner fünfzig Mitarbeiter, das Land Bremen brauche keinen Ombudsman, „denn unser Petitionsausschuß hat — im Vergleich zum englischen Parlaments-beauftragten — wesentlich mehr Möglichkeiten, für die Interessen des einzelnen Bürgers gegenüber Staat und Verwaltung einzutreten"
3. Frankreich
Anfang Januar 1973 verabschiedete die Nationalversammlung das Gesetz über den „Mediateur" — so der offizielle Titel des französischen Ombudsmannes.
Damit institutionalisierte zum erstenmal ein kontinental-europäisches Land mit hervorragend ausgebauter Verwaltungsgerichtsbar-keit das Amt eines Zivilbeauftragten. Begründet wurde die Errichtung eines Mediateurs trotz der diversen Verwaltungsgerichte vom ehemaligen Fraktionsvorsitzenden der Unabhängigen Republikaner, Michel Poniatowski, mit den Worten, der Bürger fühle sich angesichts einer immer mächtiger werdenden Verwaltung, deren Bedienstete die Möglichkeiten besitzen, sich in eine gewisse „Anonymität" und hinter — für den Bürger — wenig transparente Gesetze bzw. Verordnungen zurückzuziehen, völlig schutzlos. Deshalb müsse ihm, da die Verwaltungsgerichte in der Regel zu kostspielig und häufig zu langsam ihre Entscheidungen fällen, die Chance gegeben werden, sich an eine Institution zu wenden, die „unbürokratisch, leicht zugänglich, kostenlos und unabhängig" arbeite und dem Klagenden das Gefühl der Machtlosigkeit gegenüber Behörden nimmt
Die unterschiedlichen Aufgaben des neuen Amtes und der Verwaltungsgerichte umriß Justizminister Pleven folgendermaßen: „Fällt die Kontrolle einer Verwaltungsanordnung oder die Wiedergutmachung eines gegebenenfalls durch sie verursachten Schadens in das ausschließliche Kontrollrecht der Justiz, ist es die Aufgabe des Mediateurs, nicht nur die Anordnungen der Verwaltungsstellen zu rügen, sondern vor allem auf sie einzuwirken, ihre Entscheidung in den untersuchten Fällen zu überprüfen." Eine Zweigleisigkeit dieser Institution ist also nicht zu übersehen, sondern scheint den Befürwortern des Mediateurs, zu der sich alle im Parlament vertretenen Parteien bekannten, sogar wünschenswert: Befassen sich die Verwaltungsgerichte in der Regel mit gravierenden, langandauernden Streitfällen, soll der Beauftragte „die Alltagssorgen"
des Bürgers (so der sozialistische Abgeordnete Chandernagor) mit der Verwaltung vermindern helfen.
Das Gesetz mischt etliche Elemente der skandinavischen Vorbilder mit Aspekten des britischen, um schließlich in der Frage der Ernennung eine für die Entwicklung des Parlamentarismus in der 5. Republik typische Haltung einzunehmen: Zunächst besitzt der Mediateur die gleichen Investigationsrechte wie seine skandinavischen Kollegen, also auch das Recht, gegen jeden Beamten, der sich eines Vergehens schuldig gemacht hat, ein Disziplinarverfahren anzustrengen (Art. 10). Beschwerden, die schon Gegenstand einer Gerichtsverhandlung waren oder sind, entziehen sich seiner Kompetenz (Art. 11); ebensowenig wie seine ausländischen Kollegen kann er eine Entscheidung fällen, sondern „il alerte, le cas echeant, l'opinion publique ainsi que les autorites ou juridictions ayant pouvoir de decider et de sanctionner"
Seine Unabhängigkeit, Beschwerden nachzugehen, wird wie beim britischen Parliamentary Commissioner dadurch eingeengt, daß er nur solche aufgreifen darf, die ihm von einem Abgeordneten oder Senator übergeben werden (Art. 6 Abs. 2). Dieser fragwürdige Filter, der den Bürgerbeauftragten angeblich vor Nebensächlichkeiten und Querulanten schützen und gleichzeitig der traditionellen Parlamentssouveränität in Fragen des Petitionsrechts Rechnung tragen soll, birgt die Gefahr in sich, die Glaubwürdigkeit an die Unabhängigkeit der neuen Institution in breiten Kreisen der Bevölkerung zu erschüttern, vor allem da es nunmehr vom jeweiligen Parlamentarier abhängt, ob und wann er die Beschwerde weiterreicht Bei der derzeitigen mangelhaften technischen und personellen Ausstattung der parlamentarischen Hilfsdienste dürfte entweder die Masse aller Eingaben ungeprüft an den Mediateur weitergereicht werden oder in den Aktenschränken der Parlamentarier verstauben.
Gravierender als dieser Eingriff in die Unabhängigkeit des Mediateurs ist sein Nominierungsmodus: Trotz heftigster Widerstände in der Nationalversammlung und dem Senat konnte die Regierung ihre durch kein Argument zu rechtfertigende Forderung durchsetzen, den Bürgerbeauftragten durch den Ministerrat zu ernennen (Art. 2). Alle Versuche, den Beauftragten vom Parlament oder wenigstens von einem aus je 15 Deputierten und Senatoren bestehenden Wahlmännergremium wählen zu lassen, wurden von ihr zurückgewiesen mit dem Argument, die Unabhängigkeit des auf sechs Jahre (ohne Wiederwahl)
Ernannten werde durch die vorgeschlagene Regelung nicht im geringsten beeinträchtigt.
Falls das Parlament auf seiner Forderung beharre, sei man notfalls sogar bereit, erklärte Justizminister Pleven, den Regierungsentwurf als Referendum einzureichen. Soll jedoch — und dies wurde in den Kammerdebatten von keiner Seite bestritten — der Mediateur ein zusätzliches Kontrollorgan des Parlaments gegenüber einem sich laufend stärker aufblähenden Verwaltungsapparat sein, so muß er von dem Gremium gewählt und abberufen werden, in dessen Auftrag er handelt und dem er jährlich Rechenschaft ablegt. Daß er nun aber von denjenigen ernannt wird, deren Untergebene er kontrolliert, läßt die Grenzen seiner Unabhängigkeit und Autorität nur allzu eklatant erkennen, zumal sein Haushalt im Etat des Premierministers ausgewiesen ist (Art. 15) und somit ein weiteres Mittel für die Regierung besteht, einen ihr nicht mehr genehmen Mediateur (zum gegenwärtigen Zeitpunkt hat der frühere Ministerpräsident der IV. Republik, Antoine Pinay, das Amt inne) zu gängeln.
III. Einführung eines Bürgerbeauftragten in der Bundesrepublik?
Angesichts der weltweiten guten Erfahrungen mit der Institution des Ombudsmannes drängt sich die Frage auf, ob nicht die oft beschriebenen Störungen (z. B. Staatsverdrossenheit im Verhältnis des Bürgers zum Staat durch die Einführung eines Bürgerbeauftragten in der Bundesrepublik gemildert werden könnten.
Vehemente Kritik gegen ein solches Amt wurde bisher vor allem von Mitgliedern der Petitionsausschüsse in Bund und Ländern erhoben. Nachdem sich die Konferenz der Landtagspräsidenten 1968 klar gegen das Amt des Bürgerbeauftragten mit dem Argument ausgesprochen hatte, die Befugnisse eines Ombudsmannes auf dem Gebiet der Leistungskontrolle könnten besser von den Petitionsausschüssen wahrgenommen werden bekräftigten sie diese Haltung erneut auf ihrer 41. Konferenz am 3. Mai 1973 in Hamburg
Auch die Vorsitzenden aller bundesdeutschen Petitionsausschüsse wandten sich gegen jede weitere Institution, die das Recht dieser Ausschüsse, Anlaufstelle für Beschwerden der Bürger zu sein, schmälern könnte. Ausgehend von der Diskussion in Rheinland-Pfalz, dominierten folgende Argumente gegen den Bürgerbeauftragten in dieser Debatte
— Der Bürgerbeauftragte müsse als „Kreuzung zwischen den Elementen der Legitimation eines Abgeordneten und der Subordination eines Beamten" bezeichnet werden, — der bzw. die Beauftragten könnten sich — abgesichert mit ihren verfassungsmäßig garantierten Befugnissen — zu einer Art vierten Gewalt entwickeln, — das Fehlen des Rückkoppelungseffektes zur Gesetzgebungstätigkeit, — Bedenken hinsichtlich der parteipolitischen Neutralität, da er sich immer der ihn wählenden Parlamentsmehrheit verbunden fühlen werde, — erhebliche zusätzliche Verwaltungskosten sachlicher und personeller Art.
Faßt man die genannten Argumente zusammen, zeigt sich eine sehr oberflächliche Betrachtungsweise, die dieser Institution nicht gerecht wird, da weder die guten Erfahrungen im Ausland noch die mit dem Wehrbeauftragten des Bundestages insgesamt berücksichtigt wurden. So anerkennenswert die Arbeit der Petitionsausschüsse ist, darf jedoch ihre zumindest bis heute existente Ineffizienz, dem Petenten Schutz vor staatlicher Willkür zu gewähren, nicht übersehen werden. Wenn die Erfolgsquote des Petitionsausschusses bisher gering zu veranschlagen ist, ist dies sicherlich vor allem auf fehlende Kompetenzen zurückzuführen, eigene Untersuchungen zu erheben oder Aktenvorlage zu erzwingen Nicht zu übersehen ist die Tatsache, die vom Abgeordneten Orgass treffender nicht hätte formuliert werden können: „Stattdessen fristet dieser Ausschuß ein kümmerliches Mauerblümchendasein auf dem Hinterhof des Parlaments. In der fein gestuften Wertskala der vielen Ausschüsse hat der Petitionsausschuß wenig Geltung. Er erscheint nicht als eine Arena, in der sich der Abgeordnete — für jedermann sichtbar — Verdienste erwerben kann. Man sieht ihn zwar als notwendig an, jedoch wird seine Arbeit als ein zwar mühevolles, aber im wesentlichen mit Kleinkram behaftetes und darum wenig ernsthaftes politisch parlamentarisches Betätigungsfeld angesehen" Auch Hugo Brandt, Mitglied des Petitionsausschusses des 6. Bundestages, bestätigt diese negative Wertung: „Was die Mitgliedschaft im Petitionsausschuß betrifft, so könnte man in der Tat sagen, daß es sich um eine Art Strafanstalt ... oder besser Kadettenschule handelt. Wenn man bedenkt, daß im derzeitigen Petitionsausschuß von 25 Mitgliedern 22 Parlamentsneulinge sind, ... kann man abschätzen, welche Anlaufzeit dieser Ausschuß braucht, bis seine Arbeit wirklich läuft."
Diese negativen Stellungnahmen von Ausschußmitgliedern verdeutlichen, wie ineffizient die Arbeit des Petitionsausschusses bisher verlaufen ist und wie wenig er als eines der Parlamentskontrollorgane seinen Aufgaben gerecht wurde.
Den funktionalen Mängeln des Petitionsausschusses soll — nach Vorbild der Reform des Petitionswesens in den meisten Bundesländern — durch einen gemeinsamen Gesetz-entwurf aller Fraktionen (nach mehreren vergeblichen Versuchen in der 5. und 6. Legislaturperiode) endlich abgeholfen werden Mit ihrer Behebung ist jedoch die These von einer höheren Effizienz des Petitionsausschusses, der die Institution eines Bürgerbeauftragten erübrigt, nicht unbedingt gewährleistet; denn angesichts der Sachproblematik, die mit vielen Eingaben verbunden ist, sind die Petitionsausschüsse bei anhaltender Personalrotation, die eine vertiefte Einarbeitung illusorisch bleiben läßt, auch weiterhin auf die Hilfe der Exekutive angewiesen. Außerdem unterliegen auch sie ein wenig dem Schicksal aller Parlamentsausschüsse: sie müssen mit Mehrheitsentscheidungen arbeiten; die zeitliche Länge von oft mehr als sechs Monaten bei der Abwicklung eines Petitionsverfahrens verdeutlicht ebenfalls — als eines von zahlreichen Merkmalen — ihre schwerfällige Arbeitsweise. Zusammen mit dieser Problematik muß die These von der Lockerung der Beziehungen zwischen Abgeordneten und Bürgern bzw. Wählern und somit die Minderung des Status des einzelnen Argeordneten bei Einführung eines Parlamentskommissars gesehen werden. Fühlt sich ein Abgeordneter bisher „als der beste Ombudsman" für seinen Wahlkreis, sieht er dies in der Schaffung des neuen Amtes erschüttert.
Ist dieser ehrenwerten Auffassung nur zuzustimmen, sollten die Abgeordneten jedoch selbstkritisch ihre bisherige Wirkungslosigkeit auf dem Gebiet des Petitionswesens eingestehen, denn mit ihrem Interpellationsrecht konnten (und können) sie die Verwaltung nicht hinreichend kontrollieren, da Minister in ihren Antworten sich fast ausnahmslos hinter die Entscheidungen ihrer Behörden stell(t) en, so daß eine falsch verstandene Statusbedrohung durch einen Bürgerbeauftragten letzten Endes dem Petenten zum Nachteil gereichen muß. Dieser ließe sich jedoch gerade mit Hilfe des Zivilbeauftragten beseitigen, denn durch eine Arbeitsteilung zwischen Abgeordnetem und Ombudsman, der u. a. die erforderlichen Untersuchungen anstellt und dem Deputierten Entscheidungsunterlagen liefert, aufgrund deren dieser einen Vorstoß zugunsten des Beschwerdeführers unternehmen kann, würde die in diesem Zusammenhang so oft beschworene parlamentarische Uberwachungstätigkeit gegenüber der Exekutive eine höhere Effektivitätsrate erzielen, als dies jemals durch Einzelaktionen von Abgeordneten möglich ist.
Schwierigkeiten werden von etlichen Kritikern auch in der Frage der Abgrenzung der Tätigkeit des Ombudsmannes zur Verwaltungsgerichtsbarkeit gesehen. So wird die Ansicht vertreten, der Bürgerbeauftragte kön-— 1------------------------------------------------
ne nur in Ländern ohne oder mit nur gering ausgebauter Verwaltungsgerichtsbarkeit seine Berechtigung haben Hier wird aber verkannt, daß zwischen der Kontrollfunktion, die der Verwaltungsgerichtsbarkeit zukommt, und jener, die ein Parlamentsbeauftragter ausübt, ein grundlegender Unterschied besteht Verwaltungsgerichte überprüfen die Handlung einer Behörde nur unter dem Aspekt der Rechtmäßigkeit und des fehlerfreien Ermessensgebrauches: die Fakten, den Sachverhalt klären sie nur insoweit auf, als es zur Entscheidung des Falles aufgrund des bestehenden Rechtszustandes zweckdienlich ist; weiter reicht ihr Interesse an einem aufgetretenen Mißstand oder Konflikt nicht.
Der Bürgerbeauftragte hingegen kann sich gerade der Fälle annehmen, die einer rechtlichen Würdigung nicht zugänglich sind oder in denen die Inanspruchnahme eines formellen Rechtsschutzverfahrens eine unzumutbare Selbstgefährdung darstellt, wie z. B. häufig in verwaltungsinternen Disziplinarangelegenheiten. Ferner vermag der Ombudsman, der dem Bürger bekanntlich nur eine subjektive Stellungnahme mitteilen und entsprechende Anregungen an die Exekutive geben kann, ohne daß diese verbindlich sind, den ganzen, einem Mißstand zugrunde liegenden Sachverhalt sowie frühere, jedoch erst mit dem gegebenen Konflikt bekanntgewordene, gleichgelagerte Übelstände aufzuklären. „Dies", bemerkt Rittberger treffend, „ist deshalb erwünscht, weil er damit das Parlament in die Lage versetzt, sich ein zutreffenderes Bild von der Verwirklichung der Gesetze und anderer Richtlinien des Verwaltungshandelns und ihrer Bewährung in der Praxis zu machen. Zutreffender deshalb, weil das Parlament dann nicht mehr fast ausschließlich auf Information durch Angehörige der zu überwachenden Exekutive angewiesen ist."
Aus dem Vorstehenden dürfte ersichtlich sein, daß die These von der Gefahr eines „unerträglichen Nebeneinanders zweier Kontrollinstitutionen — Gerichte und Bürgerbeauftragter —" nicht aufrechterhalten werden kann, denn die Arbeitsweise und die zu untersuchenden Fälle des Bürgerbeauftragten unterscheiden sich so wesentlich von einem Gerichtsverfahren und dessen Untersuchungsgegenstand, daß sich realiter kaum Berührungspunkte zwischen den beiden Institutionen ergeben
Resümieren wir die Bedenken gegen Bürger-beauftragte, so ist die Hypothese, ihr Amt sei überflüssig, da die ihnen zugedachten Kontrollfunktionen von bestehenden Organen besser wahrgenommen werden könnten, unhaltbar. Hinter diesen Argumenten verbirgt sich wohl eher die Furcht vor Statusminderung, denn „viele Abgeordnete, die sich selbst als Petitionsausschuß begreifen, möchten aus diesem Selbstverständnis heraus das Petitionswesen nicht allzu sehr bei einer Stelle des Bundestages offiziell monopolisiert sehen"
Wurde aber aus dem Vorstehenden ersichtlich, daß die Parlamente mit ihren zur Verfügung stehenden Kontrollmechanismen bisher eine ihrer Funktionen, den Bürger vor Behördenwillkür zu schützen und die Exekutive zu kontrollieren, nicht in vollem Umfang wahrnehmen können bzw. wahrgenommen haben, erhebt sich nun die Frage, wie dieses Defizit durch Einfügung des Bürgerbeauftragten in das bestehende Kontrollinstrumentarium zu reduzieren ist. Hierbei kann die — wohl mehr rethorisch gestellte — Alternative „Petitionsausschuß oder Bürgerbeauftragter" nicht ernst genommen werden, denn ein hochkomplexes politisches System wie das unsrige bedarf sowohl eines um erhebliche Kompetenzen angereicherten Petitionsausschusses als auch eines Parlamentskommissars, der daneben als Hilfsorgan des Parlaments dem Mangel an Verwaltungskontrolle entgegenwirkt. Ein solches Verständnis impliziert, daß der Tätigkeitsbereich des vom Parlament zu Wählenden auf drei Ebenen basieren würde: a) ex officio, b) auf Bitten eines Abgeordneten, c) auf Ersuchen des Petitionsausschusses.
Zu a): Soll die neue Institution zur Effizienz-und Partizipationssteigerung beitragen, ist zunächst anzumerken, daß — im Gegensatz zur britischen und französischen Modalität — jedem Bürger in der Bundesrepublik das Recht zugestanden werden muß, sich direkt an den Bürgerbeauftragten zu wenden. Denn nur durch diesen unmittelbaren Zugang kann die völlige Independenz und politische Neutralität dieser Institution gesichert werden.
Zwar ist bei einer solchen Lösung das Problem nicht zu unterschätzen, das Parlament und vor allem die einzelnen Abgeordneten müßten auf eine u. U. wichtige Informationsquelle bezüglich der Leistungen der Exekutive und ihrer Bürokratie verzichten, aber grundsätzlich ist diese zeitlich nur begrenzte Informationslücke (siehe unten) geringer zu bewerten als eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit des Parlamentsbeauftragten durch den schon beschriebenen „Filter".
Damit eng verknüpft steht die Forderung nach seinem Tätigwerden ex officio, wenn er durch Eingaben oder Presseinformationen hinreichend Anhaltspunkte erhält, daß Stellen, die der parlamentarischen Kontrolle unterliegen, „Aufgaben rechtswidrig oder unzweckmäßig erledigen bzw. erledigt haben"
Für eine solche Ausweitung seiner Kompetenzen spricht u. a. auch die skandinavische Erfahrung, ein Großteil aller von Amts wegen aufgenommenen Fälle werde den Beauftragten im Laufe ihrer Inspektionsreisen zur Kenntnis gebracht Die befürchtete Informationslücke des Parlaments durch das ex officio-Handeln des Bürgerbeauftragten kann durch die Verpflichtung vermieden werden, alle sechs Monate dem Parlament bzw. einem seiner Ausschüsse (gegebenenfalls dem Petitionsausschuß) seinen Bericht vorzulegen.
Dadurch würde der Bürgerbeauftragte einer quasi permanenten Kontrolle durch die Parlamentarier unterliegen, so daß u. a. auch die genannten Befürchtungen, der Bürgerbeauftragte könne sich zu einer „IV. Gewalt" entwickeln, gegenstandslos werden.
Zu b): Neben dem selbständigen Aufgreifen von Mißständen sollte im Sinne einer effizienten und auch transparenten Arbeitsweise jeder Abgeordnete den Bürgerbeauftragten um die Untersuchung eines Falles bitten können. Damit würden die oft überforderten Parlamentarier einerseits von Routinekontrollen entlastet, andererseits hätten sie die bis heute nicht bestehende Möglichkeit, Petitionen, die ihnen im Rahmen ihrer Wahlkreisarbeit übergeben werden, wirksamer und schneller untersuchen zu lassen, ohne Gefahr zu laufen, zu bloßen „Briefträgern" degradiert zu werden; denn die hier zutage tretende Arbeitsteilung liefert dem Abgeordneten Entscheidungsunterlagen, die ihn anschließend in die Lage versetzen, sich erfolgreich für den Petenten einzusetzen.
Der Bürgerbeauftragte würde sich auf diese Weise zu einem echten Hilfsorgan der Parlamentarier entwickeln, mit dem sich eine wirkungsvollere Leistungs-und auch Richtungskontrolle über Exekutive und Verwaltungsbehörden erzielen ließe als je zuvor.
Zu c): Da — wie schon angeführt — die Alternative „Petitionsausschuß oder Ombudsman" nicht diskutabel ist (die damit verbundene Verschlechterung der Stellung des Abgeordneten, seine Statusminderung und der mögliche Verzicht auf Informationsquellen neben verfassungsrechtlichen Problemen würden zu massiv ins Gewicht fallen, um durch die Schaffung einer neuen Institution aufgewogen zu werden), ist eine Kooperation bzw. Partnerschaft beider Kontrollorgane erforderlich, soll dem Bürger ein Höchstmaß an Sicherheit vor Behördenwillkür gewährt werden.
Wird es ins Ermessen des Petitionsausschusses gesetzt, mit dem Einverständnis des Beschwerdeführenden dem Parlamentsbeauftragten eine Klage zur Bearbeitung zu übergeben, kann der Ombudsman in Routinefällen (siehe S. 8) den Petitionsausschuß wirksam entlasten, so daß diesem mehr Zeit als bisher zur Verfügung steht, Spezialfälle, die u. a. politische Schlußfolgerungen beinhalten könnten, zu bearbeiten.
übernimmt das zu erstellende Gesetz dagegen die Forderung etlicher Parlamentarier, den Bürgerbeauftragten — wenn überhaupt — nur als Hilfsorgan des Petitionsausschusses zu institutionalisieren, schafft man in der Tat nur eine zusätzliche, überflüssige Behörde unbedeutender Effizienz.
Abgesehen von der Gefahr, daß sich keine qualifizierte Persönlichkeit für ein solches Amt zur Verfügung stellen würde, ist die dieser Institution von der Öffentlichkeit zugemessene Unabhängigkeit nicht mehr gegeben. Außerdem würde der Petitionsausschuß erhebliche Zeit darauf verwenden müssen, den jeweiligen Konsens unter seinen Mitgliedern herzustellen, ob und welche Eingaben dem Beauftragten übertragen werden; eine parteipolitische Orientierung des Amtsinhabers an die den Petitionsausschuß tragende Mehrheit wäre eine weitere negative Folge. uaraus ergiot sich zwingend, daß das Parlament, will es seine heute stark reduzierte Kontrolle über die Exekutive effektiver gestalten, neben einem kompetenzgestärkten PetitionsaUsschuß einer parteipolitisch neutralen, unabhängigen Institution bedarf, „um sich die Unterlagen für eine sinnvolle und wirksame Kontrolle zu verschaffen"
Es kann natürlich nicht ausbleiben — und in diese Richtung zielen unverkennbar die tiefergehenden Befürchtungen der Mitglieder der Petitionsaüsschüsse —, daß das Gros aller „rat-, schütz-und hilfesuchenden Bürger" sich an den Ombudsman wendet, denn sein Amt dürfte schneller, unbürokratischer und wirkungsvoller arbeiten als die übrigen Petitionsinstanzen; hinzu tritt das sozial-psychologische Element, daß sich der Petent nicht an eiii cinonymes, vielköpfiges Gremium wenden müß, sondern ausschließlich an eine Persönlichkeit, die sich durch höhe Qualifikation, Spezialisierung und Autorität auszeichnet. Dem Einwand, dieses neu geschaffene Amt würde den Petitionsausschuß in eine Art „Mauerblümchenstellung" drängen, kann dadurch entgegengewirkt werden, daß seine Mitglieder ihre Aufgaben intensiver wahmehmen, sich spezialisieren und sich länger im Ausschuß engagieren als bisher. Erfahrungen mit „reorganisierten" Petitionsausschüssen lassen jedoch erkennen, daß in dem ihnen immanenten Arbeitsstil zumindest bis heute keine grundlegende Änderung erfolgt ist (so der Abgeordnete Scholl vor dem Mainzer Landtag).
IV. Organisatorische Fragen
Soll der Bürgerbeauftragte seiner Funktion, Kontrolle der Exekutive mit den sich daraus ergebenden Hilfs-und Schutzfunktionen für den Bürger, hinreichend gerecht werden, muß er vom Parlament, das ihn wählt und dem er verantwortlich ist, ein umfassendes Spektrum an Investigationsrechten erhalten, für die seine ausländischen Kollegen, besonders die skandinavischen, aber auch der Wehrbeaüftragte des Deutschen Bundestages, als Vorbild dienen: Neben dem nspektions-Und Zeugenvernehmungsrecht muß der Zivilbeauftragte Von allen der parlamentärischen Kontrolle unterliegenden Stellen Und ihren Bediensteten mündliche und schriftliche Auskünfte, Akten und andere Unterlagen verlangen können. Die Erfüllung dieser Forderung sollte nur im Falle zwingender Geheimhaltung verweigert werden, die der zuständige Minister auf Verlangen des Ombudsmahnes im Petitionsausschuß zu begtünden hätte.
Um seinen Untersuchungen und seiner Autorität die notwendige Effizienz zu sichern, wäre auch die Frage zu diskutieren, ob er gegen Bedienstete, die ihr Amt mißbraucht haben oder seiner Aufforderung zu einer Beschwerde Stellung zu nehmen, nicht bZw. nur unzulänglich nachkommen, Anklage erheben kann. Diese schärfste und nur im Ausnahmefall anzuwendende Waffe (in Schweden z. B.
vier bis fünf Anklagen pro Jahr) würde seine Arbeit erheblich erleichtern, da die zuständi-* ge Behörde um so eher zur Kooperation bereit ist, je größer die Kompetenzen des Kontrollorgans sind. Eine negative, lähmende Auswirkung auf die gesamte Verwaltung, die sich nunmehr der Gefahr einer permanenten Anklage ausgesetzt sehen könnte, besteht nicht: soll doch der Parlamentskommissar nicht nur den Bürger vor Behördenwillkür schützen, sondern andererseits die Verwaltung auch vor üngerechtfertigten Klagen bewahren. Stattet das Parlament sein Amt mit nicht zu restriktiv gefaßten Kontrollrechten aus, vermag er seiner Pflicht, lediglich Tatsachen zu ermitteln und rechtlich zu würdigen, am ehesten nachzukommen und gegebenenfalls auf die Notwendigkeit einzelner Gesetzesnovellierungen hinzuweisen, bei denen er seine Kenntnisse Und Kritik am Bestehenden einbringen kann.
In diesen Zusammenhang rücken auch die Grenzen seines Prüfungsrechts: bei Angelegenheiten, die Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sind oder waren, und bei Eingaben, die der Petitionsausschuß untersucht, ohne sie an den Bürgerbeauftragten zu überweisen. Daneben ist es für seine praktische Arbeit von immanenter Bedeutung, von einer sachlichen Prüfung einer Eingabe absehe zu können, wenn bestimmte Formalia (z. B. Fehlen des Absenders) nicht gegeben sind, die Bearbeitung der Petition mangels Sinzusammenhang unmöglich ist, sie nach Form oder Inhalt eine strafbare Handlung darstellt und sie gegenüber einer bereits beschiedenen Eingabe kein neues Sachvorbringen enthält. Kei-nesfalls sollte er jedoch aen Fetenten leaiglich auf die Möglichkeit eines gerichtlichen Verfahrens verweisen können, ohne ihm vorher seine Untersuchungsergebnisse mitgeteilt zu haben.
Soll der Ombudsman dem in ihn von der Öffentlichkeit gesetzten Anspruch genügen, benötigt er für die Bearbeitung der Petitionen vor allem qualifiziertes Personal, das auf seinen Vorschlag hin durch den Bundestagspräsidenten zu berufen ist. Legt man die von der Konferenz der Landtagspräsidenten 1968 genannten Petitionen (7742 bei den elf Länder-parlamenten und 4732 beim Bundestag [ohne Wehrbeauftragten]) für die Berechnung der Personalstärke zugrunde, so würde eine dem britischen Vorbild analoge Personalausstattung von 50 bis 60 Kräften ausreichen, da davon auszugehen ist, daß selbst bei stärkerem Ansteigen dieser fast 13 000 Eingaben nur ein Teil vom Bürgerbeauftragten zu bearbeiten ist, denn ein gewisser Prozentsatz würde nach wie vor auf die Petitionsausschüsse entfallen. Diese Problematik ist aufs engste mit der föderativen Struktur der Bundesrepublik verknüpft, die eine Kontrolle der Länderbehörden durch Beauftragte des Bundestages nicht ohne weiteres gestatten würde. Strebte man eine solche Lösung an, erforderte dies eine zusätzliche Grundgesetzänderung, weil man d Kräften ausreichen, da davon auszugehen ist, daß selbst bei stärkerem Ansteigen dieser fast 13 000 Eingaben nur ein Teil vom Bürgerbeauftragten zu bearbeiten ist, denn ein gewisser Prozentsatz würde nach wie vor auf die Petitionsausschüsse entfallen. Diese Problematik ist aufs engste mit der föderativen Struktur der Bundesrepublik verknüpft, die eine Kontrolle der Länderbehörden durch Beauftragte des Bundestages nicht ohne weiteres gestatten würde. Strebte man eine solche Lösung an, erforderte dies eine zusätzliche Grundgesetzänderung, weil man dann einem Bundesorgan Kontrollbefugnisse gegenüber den Länderbehörden übertrüge.
Somit bietet sich als sinnvolle Lösung die Einsetzung von Länder-Bürgerbeauftragten neben dem Bundes-Ombudsman an, denn ein Großteil behördlicher Aufgaben konzentriert sich sowieso in den Ländern 56). Die regionalen Parlamentskommissare, deren Mitarbeiterzahl aufgrund des geringeren Arbeitsanfalles erheblich unter der des Bundes-Bürgerbeauftragten liegen würden (je nach Ländergröße 57) zwischen 8 und 16), müßten logischerweise Petitionen, die in den zentralen Zuständigkeitsbereich fallen, dem Bundes-Ombudsman überweisen, der wiederum Beschwerden, die seine Kompetenz nicht tangieren, den Länderkollegen übermittelt. Daß in all diesen Fällen einer sinnvollen, effektiven Kooperation der Beschwerdeführer unterrichtet wird, bedarf keiner weiteren Erläuterung.
Die zitierte These der Enquete-Kommission 58), der föderalistische Aufbau unseres Maates macne ale dcnarung eines Dunues-Ombudsmannes unmöglich, ist somit nicht haltbar. Im Gegenteil: Die geschilderte Arbeitsteilung gewährleistet ein Höchstmaß an Kontrolle über die Verwaltung in Bund und Ländern 59), ohne daß die Gefahr einer unzumutbaren Bürokratisierung entsteht.
Es erübrigt sich, darauf hinzuweisen, daß es die Stellung des zukünftigen Bürgerbeauftragten (in Bund und Ländern) erfordert, ihn vom Parlament wählen zu lassen, als dessen Organ und in dessen Auftrag er handelt. Die Frage, mit welcher Mehrheit dies erfolgt, muß nach den ungünstigen Erfahrungen mit den meisten Personen im Amt des Wehrbeauftragten dahin entschieden werden, daß der Ombudsman mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit ernannt wird, soll er doch das Vertrauen des gesamten Parlamentes genießen. Auf diese Weise könnte eine ausschließlich durch parteipolitische Überlegungen bedingte Wahl verhindert und die Unabhängigkeit der neuen Institution — trotz des sicherlich oftmals schwierigen Findungsverfahrens — zusätzlich gestärkt werden. Seine Amtszeit wäre wie die des Wehrbeauftragten auf fünf Jahre (mit Wiederwahl) festzusetzen.
Auf Antrag einer Fraktion oder eines Drittels der Parlamentarier kann der Bundestag (bzw.der Landtag) den Bürgerbeauftragten mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit abberufen, wodurch eine beachtliche Unabhängigkeit des Ombudsmannes auch gegenüber dem Parlament erzielt würde, die ihn vor Zufallsmehrheiten schützt. Letzten Endes hängt jedoch die Effizienz seines Amtes weniger von den Mehrheiten ab, die den Bürgerbeauftragten wählen bzw. abberufen können, als von dem Vertrauen, das die Abgeordneten in ihn setzen. Verliert er dieses Vertrauen z. B. durch Mißbrauch seines Amtes zu politischen Stellungnahmen, „entfallen damit automatisch seine Funktionen im Rahmen der parlamentarischen Kontrolle" 60).
Unter Berücksichtigung der angeführten Kriterien bietet sich die Einführung eines Bürgerbeauftragten in der Bundesrepublik zwingend an. Als Hilfsorgan des Parlamentes gewährleistet er eine effektivere Kontrolle der Verwaltung als der Petitionsausschuß, dessen Mitglieder mit etlichen zusätzlichen Aufgaben — auch innerhalb ihrer Partei — überlastet sind; dem Bürger gibt er die Chance, re-striktive Ermessensentscheidungen der Behörden unbürokratisch, kostenlos und erheblich schneller als die übrigen Petitionsorgane überprüfen zu lassen.
Besitzt er auch nur die Möglichkeit, Empfehlungen auszusprechen, denen theoretisch kein Verwaltungsbeamter zu folgen braucht, würde jedoch seine unbestrittene Autorität — mit der dafür notwendigen Qualifikation — gewährleisten, daß alle Betroffenen seine Untersuchungsergebnisse in ihre erneute Beurteilung einbeziehen. Innerhalb des parlamentarischen Kontrollsystems kann der Bürgerbeauftragte nur als eines der notwendigen Kontrollorgane gegenüber der Verwaltung angesehen werden, neben das die Reform der übrigen Kontrollmechanismen treten müßte „Der große Vorteil der Einrichtung eines Ombudsmannes", bemerkt einer der besten Kenner dieser Institutionen, „liegt darin, daß seine Waffen Öffentlichkeit und Überzeugung und nicht schwerfällige Kontrollen sind"