I. Einleitung
Nach der ursprünglichen Konzeption des Grundgesetzes lag die Kulturhoheit ausschließlich bei den Ländern, Deswegen ist es auch verständlich, daß in den ersten 20 Jahren des Bestehens der Bundesrepublik der Bund auf dem Gebiet von Bildung und Wissenschaft keine nennenswerten Aktivitäten entfalten konnte. Es gab in dieser Zeit kein Bildungsministerium. Die geringfügigen Kompetenzen, die der Bund hatte, wurden durch den Bundesminister des Innern mit wahrgenommen. Das heutige Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft ist erst im Jahre 1969 entstanden, und zwar aus dem ehemaligen Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung, das seinerseits auf das 1956 geschaffene Bundesministerium für Atomenergie zurückgeht und sich bis 1969 hauptsächlich mit Fragen der Forschungsförderung, insbesondere auf den Gebieten Kernforschung, Weltraumforschung und Datenverarbeitung, befaßt hat.
Durch eine Ergänzung des Grundgesetzes im Jahre 1969 im Rahmen der Finanzreform wurden für den Bund die heute bestehenden Einflußmöglichkeiten geschaffen. Die wichtigsten Änderungen waren die Schaffung der konkurrierenden Gesetzgebung für die Regelung der Ausbildungsbeihilfen in Artikel 74 Nr. 13 GG, die Schaffung einer Rahmenkompetenz für die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens in Art. 75 Abs. 1 Nr. 1 a GG, die Einführung des Rechtsinstituts der Gemeinschaftsaufgaben, insbesondere der Gemeinschaftsaufgabe Ausbau und Neubau von Hochschulen einschl.der Hochschulkliniken, in Art. 91 a Abs. 1 Nr. 1 GG sowie die umfassende Mitwirkungsmöglichkeit des Bundes bei der Bildungsplanung und bei der Förderung von Einrichtungen und Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung von überregionaler Bedeutung in Art. 91 b GG. Die einzige wesentliche Kompetenz, die der Bund schon 1969 besaß, war — neben der konkurrierenden Gesetzgebung für die Förderung der wissenschaftlichen For-schung — die konkurrierende Gesetzgebung auf dem Gebiet des Rechts der Wirtschaft und der Arbeit (Art. 74 Nr. 11 und 12 ), auf die sich das Berufsbildungsgesetz gründet. Es war also nicht verwunderlich, daß der Bund nach 1969 eine vorher nicht gekannte Aktivität auf dem Gebiet von Bildung und Wissenschaft entfaltete.
Nr. 13 GG — 1. Artikel 74 Bundesausbildungsförderungsgesetz
Bis zum Jahre 1969 gab es keine bundesgesetzliche Regelung der Ausbildungsförderung. Bund und Länder gewährten aufgrund eines entsprechenden Abkommens Ausbildungsförderung für Studenten nach dem sogenannten Honnefer Modell; die Aufwendungen trugen Bund und Länder je zur Hälfte. Im Schulbereich gab es unterschiedliche Länderregelungen, die aber nur sehr lückenhaft eine Stipendiengewährung vorsahen.
Der Bund erließ im Jahre 1969 das sogenannte Erste Ausbildungsförderungsgesetz nach dem Schüler ab Klasse 11 ein Stipendium erhalten konnten. Voraussetzung war, daß das Einkommen der Eltern eine bestimmte Höhe nicht überschritt.
Im Jahre 1971 wurde die Ausbildungsförderung für den Sekundär-und den tertiären Bereich im Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) vereinheitlicht. Wesentliche Neuerungen waren die Schaffung eines Rechtsanspruchs auf Ausbildungsförderung, der Wegfall des Pflichtdarlehens des Honnefer Modells und der Verzicht auf Leistungsnachweise (die sogenannten Fleißprüfungen des Honnefer Modells). Das Bundesausbildungsförderungsgesetz ist heute noch geltendes Recht; durch eine Gesetzesnovelle sollen ab 1. 8. 1974 die Berufsfachschüler der Klasseil ohne Realschulabschluß und die Ausländer-kinder in die Förderung einbezogen werden; diese Gruppen konnten bisher aus finanziellen Gründen noch nicht gefördert werden. Die Kosten der Ausbildungsförderung, die vom Bund mit 65 v. H. und von den Ländern mit 35 v. H. getragen werden, sind erheblich höher als ursprünglich angenommen. Der Bund wendet hierfür z. Z. rund 1, 25 Milliarden DM jährlich auf, das sind mehr als ein Drittel der Ausgaben des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft. Die Stipendien betragen im tertiären Bereich 420, — DM und für den Sekundarbereich 160, — DM monatlich. Zur Zeit werden etwa 320 000 Schüler und 320 000 Studenten zum Teil bzw. voll gefördert.
2. Graduiertenförderungsgesetz
Eine Ergänzung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes stellt das Graduiertenförderungsgesetz dar, durch das die sogenannten Graduierten, d. h. Studenten mit einem ersten Abschluß, für die Promotion oder ein Aufbaustudium ein Graduiertenstipendium erhalten, das z. Zt. monatlich 800, — DM (zuzüglich 200, — DM Verheiratetenzuschlag) beträgt. Diese Graduiertenstipendien sind geschaffen worden, um die Assistentenstellen, die bisher in der Regel von Doktoranden blockiert wurden, wieder ihrem eigentlichen Zweck zuzuführen. Nach den gegenwärtigen Planungen sollen jährlich etwa 10 000 Stipendien auf jeweils zwei Jahre vergeben werden. Die entstehenden Aufwendungen werden von Bund und Ländern im Verhältnis 75 : 25 aufgebracht.
3. Hochschulrahmengesetz
Eine der wichtigsten Kompetenzen hat der Bund mit der Rahmenkompetenz des Art. 75 Nr. 1 a GG für die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens erhalten. In der vergangenen Legislaturperiode konnte der Entwurf des Hochschulrahmengesetzes wegen der vorzeitigen Auflösung des Bundestages nicht mehr abschließend beraten werden. Das Bundeskabinett hat am 29. August 1973 dem Regierungsentwurf eines Hochschulrahmengesetzes zugestimmt der bis zum nächsten Sommer im Bundestag verabschiedet werden soll. Dieser Entwurf unterscheidet sich in einigen wichtigen Punkten nicht unerheblich von dem bisherigen Entwurf. Er verwertet nicht nur die Erfahrungen, die die Länder mit ihren Hochschulgesetzen in den letzten zwei bis drei Jah-ren gemacht haben, und die Entwicklung an den Hochschulen, er berücksichtigt vor allem auch zwei wichtige Urteile des Bundesverfassungsgerichtes. Das erste ist das bekannte Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 1972 zum Numerus clausus (siehe hierzu weiter unten). Das zweite ist das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 29. Mai 1973 über die von mehreren hundert Hochschullehrern gegen verschiedene Hochschulgesetze der Länder erhobene Verfassungsbeschwerde; in diesem Urteil hat sich das Bundesverfassungsgericht mit dem Grundrecht des Art. Abs. 3 GG, der Freiheit von Forschung und Lehre, insbesondere mit der Frage befaßt, inwieweit der Gesetzgeber die Mitwirkungsmöglichkeiten der Hochschullehrer einschränken bzw. inwieweit er die übrigen Gruppen (wissenschaftliche Mitarbeiter, sonstige Mitarbeiter und Studenten) an der Selbstverwaltung der Hochschulen beteiligen kann.
Es liegt auf der Hand, daß die Bundesregierung den neuen Entwurf des Hochschulrahmengesetzes nicht vorlegen konnte, ohne diese beiden wichtigen Urteile zu berücksichtigen. Außerdem befaßt sich der Entwurf stärker als bisher mit Fragen der Studienreform und des Hochschulzugangs und führt Regelstudienzeiten ein, um die überlangen Studienzeiten zu verkürzen.
4, Berufsbildungsgesetz
Das Berufsbildungsgesetz 5), das schon auf einer vor 1969 bestehenden Zuständigkeit beruht, allerdings auch erst im Jahre 1969 erlassen wurde, hat neue rechtliche und sachliche Voraussetzungen für Reformen und eine Zusammenfassung und Vereinheitlichung des vorher zersplitterten Rechts geschaffen. Es ist von der Idee getragen, das Niveau der Ausbildung zu heben.
Da das Instrumentarium des Berufsbildungsgesetzes nicht ausreicht, die erhöhten Anforderungen an die Betriebe und die Ausbilder durchzusetzen, hat der Bundeskanzler in der Regierungserklärung vom 18. Januar 1973 eine Neufassung des Berufsbildungsgesetzes angekündigt. Umfangreiche Untersuchungen in einzelnen Bundesländern haben deutlich gemacht, daß es dringend notwendig ist, die berufliche Ausbildung in der Schule und vor allem im Betrieb zu verbessern. Z. B. erhalten nicht nur ein Großteil der Berufsschüler weni-ger als die vorgeschriebenen 8 Wochenstunden Berufsschulunterricht, sondern es werden mehr als die Hälfte mit ausbildungsfremden Tätigkeiten und nur ein Drittel nach Ausbildungsplänen ausgebildet.
Der Gesetzentwurf für die Neufassung des Berufsbildungsgesetzes wird allerdings erst im nächsten Jahr von der Bundesregierung vorgelegt werden. Der Grund hierfür liegt u. a. darin, daß die Bundesregierung zunächst das Gutachten der sogenannten Edding-Kommission abwarten will, die den Auftrag hat, die Kosten der außerschulischen beruflichen Bildung zu untersuchen und Vorschläge für Finanzierungsregelungen zu erarbeiten, durch die eine gleichrangige Mindestqualität der beruflichen Bildung in den Einzelbetrieben ermöglicht werden kann. Die Edding-Kommission hat im März d. J. einen Zwischenbericht über ihre bisherigen Arbeiten vorgelegt; der Schlußbericht ist für das Jahresende angekündigt. Schon jetzt steht fest, daß an der bisherigen Zweiteilung der Ausbildung, d. h. an der Ausbildung sowohl im Betrieb als auch in der Schule, grundsätzlich festgehalten wird, auch wenn der Anteil der schulischen Ausbildung verstärkt werden soll.
5. Hochschulbauförderungsgesetz
Die in Artikel 91 a GG verankerte Gemeinschaftsaufgabe Ausbau und Neubau von Hochschulen stellt einen wesentlichen Bereich der gesamten Bildungsplanung dar. Ich werde daher hierauf etwas ausführlicher eingehen. Bereits vor Schaffung des Instituts der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau hatten Bund und Länder auf der Grundlage von Jahresempfehlungen des Wissenschaftsrats den Ausbau der bestehenden wissenschaftlichen Hochschulen gemeinsam finanziert. Die Einführung der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau führte demgegenüber zu folgenden Verbesserungen:
— Festlegung der langfristigen Ziele und der einzelnen Vorhaben des Hochschulbaus in einem bundesweiten, von Bund und Ländern gemeinsam aufzustellenden und jährlich fort-zuschreibenden Rahmenplan und damit verbunden eine gemeinsame politische Verantwortung von Bund und Ländern für die Hochschulplanung, und zwar nicht nur der wissenschaftlichen, sondern auch der pädagogischen und der Fachhochschulen — Einbeziehung von neu errichteten Hochschulen in die Gemeinschaftsaufgabe — Verankerung eines Rechtsanspruchs der Länder auf Erstattung der Hälfte der ihnen nach Maßgabe des Rahmenplans entstandenen Ausgaben.
Rechtsgrundlage für die Durchführung der Gemeinschaftsaufgabe ist das Hochschulbauförderungsgesetz vom 1. 9. 1969 Nach dessen § 2 haben Bund und Länder vor allem darauf hinzuwirken, daß die Hochschulen nach Aufgabenstellung, Fachrichtungen, Zahl, Größe und Standort ein zusammenhängendes System bilden, durch das ein ausreichendes und ausgeglichenes Angebot an Ausbildungs-und Forschungsplätzen gewährleistet wird. Das gemeinsame Gremium von Bund und Ländern für die Durchführung der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau ist der sogenannte Planungsausschuß für den Hochschulbau, dem der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft als Vorsitzender, der Bundesminister der Finanzen sowie ein Minister jedes Bundeslandes angehören. Der Bund hat in diesem Planungsausschuß elf Stimmen, die Länder haben je eine Stimme. Beschlüsse bedürfen einer Dreiviertelmehrheit der Stimmen. Bund und Länder legen die gemeinsame Planung in einem Rahmenplan fest, der jeweils für den Zeitraum der mittelfristigen Finanzplanung läuft.
Der Planungsausschuß hat bisher drei Rahmenpläne mit Laufzeiten von 1972 bis 1975, 1973 bis 1976 und 1974 bis 1977 verabschiedet. Der Planungsausschuß entscheidet in einem komplizierten Verfahren anhand der Anmeldungen der Länder, die vom Wissenschaftsrat begutachtet werden, und unter Berücksichtigung von Kosten-und Flächenrichtwerten über die Ausbauplanung für die jeweils nächsten vier Jahre.
« Um einen Eindruck von der Größenordnung zu geben, um die es hier geht, sollen einige Zahlen genannt werden: Die Gesamtkosten des 3. Rahmenplans betragen ca. 17, 5 Milliarden DM, von denen Bund und Länder jeweils die Hälfte tragen. Das sind fast 4 Milliarden DM jährlich, die allein für die Investitionen im Hochschulbereich aufgewendet werden.
Trotz dieser enormen finanziellen Anstrengungen wird es nicht möglich sein, in absehbarer Zeit jedem studierwilligen Abiturienten den Studienplatz seiner Wahl zu garantieren. Bei den Vorarbeiten für den 3. Rahmenplan ist deutlich geworden, daß die bisherigen Vorausschätzungen der Studienanfänger und Studenten für 1977 — ebenso wie für die vorausgehenden Jahre — erheblich überschritten werden. Der Grund hierfür liegt einmal in einem weiteren Anwachsen der Abiturientenzahlen, vor allem aber in einer Verlängerung der Verweildauer an den Hochschulen. Bund und Länder stehen hier vor einem sehr schwierigen Problem, das kurzfristig nicht lösbar ist. Es gilt in erster Linie, die schon lange überfällige Studienreform durch ein sinnvoll geordnetes Studium und durch neue Studienordnungen durchzuführen und damit zu einer Verkürzung der Studienzeiten zu kommen — das Hochschulrahmengesetz des Bundes wird hierzu die entsprechenden Voraussetzungen schaffen —, es gilt aber auch, den Absolventen der Sekundarstufe II durch die Reform der Oberstufe eine Ausbildung anzubieten, die eine Berufsausübung unmittelbar nach dem Abitur erlaubt.
Im Augenblick strömen mehr als 90 0/0 der Abiturienten in den Hochschulbereich. Dieser Prozentsatz muß erheblich gesenkt werden, wenn, wie beabsichtigt ist, im Jahre 1985 nicht mehr als 22 bis 24 % eines Altersjahrganges eine Ausbildung an der Hochschule erhalten sollen. Maßgebend für eine solche Begrenzung sind nicht allein finanzielle Gründe, sondern diese Zahlen ergeben sich aus internationalen Vergleichen. Von großer Bedeutung ist hierbei auch der Bedarfsgesichtspunkt. Wir wissen aus den Erfahrungen anderer Länder (z. B. Schweden und USA), daß es keinen Sinn hat, die Ausbildungskapazitäten ohne Rücksicht auf den Bedarf auszubauen.
In welcher Weise die vorhandenen Studienplätze verteilt werden sollen, ist ein weiteres Problem, das die Bildungspolitiker seit geraumer Zeit beschäftigt. Bis vor kurzem wurden die vorhandenen Studienplätze entsprechend einer Vereinbarung der Kultusministerkonferenz zu 60 °/o nach Leistung und zu 40 °/o nach Wartezeit verteilt, vorab eine gewisse Zahl der Studienplätze für Ausländer, für Härtefälle sowie für Bewerber im öffentlichen Gesundheitsdienst und für Sanitätsoffiziersanwärter. Diese Regelung hat im wesentlichen auch der von den Ministerpräsidenten der Länder im
Oktober letzten Jahres abgeschlossene Staatsvertrag zum Numerus clausus übernommen, um dessen Ratifizierung im Frühjahr in den Landtagen erbittert gerungen worden ist. Besonders die SPD-und die FDP-Fraktionen hatten die Regelung des Staatsvertrages mit der Begründung angegriffen, die Kriterien für die Zulassung seien ungenügend, insbesondere würden soziale Gesichtspunkte zu wenig berücksichtigt. Der Staatsvertrag ist jetzt allerdings in allen Bundesländern ratifiziert und wirksam geworden. Bereits für das Wintersemester 1973/74 wird entsprechend dem Staatsvertrag die Zulassung in Numerus-clausus-Fächern über die Zentrale Vergabestelle in Dortmund erfolgen.
Der Bund wird die Frage des Hochschulzugangs bundeseinheitlich im Hochschulrahmengesetz regeln. Hierbei sollen vor allem die Kriterien für die Zulassung verbessert werden. Insbesondere soll nicht mehr allein die Abitur-Durchschnittsnote maßgebend sein, sondern die fächerspezifische Eignung in den Vordergrund treten. Auch die Wartezeit soll nicht mehr als solche belohnt, sondern ebenfalls nach einem differenzierten Bewertungsschema berücksichtigt werden; z. B. sollen berufspraktische Tätigkeiten und abgeschlossene Berufsausbildungen höher bewertet werden.
An diesem Beispiel der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau wird deutlich, wie vielfältig die, Probleme der Bildungsplanung sind. Auch der Planungsausschuß für den Hochschulbau hat nicht nur in den Rahmenplänen den quantitativen Ausbau und das dazugehörige Finanzierungsvolumen festzulegen, sondern eine Reihe andere Aufgaben, so muß er sich z. B. auch mit der Rationalisierung im Hochschulbau befassen. Er muß sich über intensivere Nutzung von vorhandenen Kapazitäten Gedanken machen, die entweder durch eine bessere Ausnutzung der vorhandenen Räume und des Personals, aber auch z. B. durch die Einführung des Studienjahres erfolgen kann. Der Planungsausschuß befaßt sich weiter mit der Erarbeitung von geeigneten Flächen-und Kostenrichtwerten, die ihrerseits wieder Grundlage für die Aufnahme der Bauvorhaben in den Rahmenplan sind; er muß versuchen, einen regionalen Ausgleich zwischen den einzelnen Bundesländern herbeizuführen.
II. Die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung
Aufgrund der neuen Zuständigkeit des Bundes nach Artikel 91 b GG (Zusammenwirken von Bund und Ländern bei der Bildungsplanung) haben die Regierungschefs von Bund und Ländern im Jahre 1970 in einem Verwaltungsabkommen die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung gegründet, die u. a. einen gemeinsamen langfristigen Rahmenplan für eine abgestimmte Entwicklung des gesamten Bildungswesens und mittelfristige Stufenpläne für die Verwirklichung der bildungspolitischen Ziele des Rahmenplans vorbereiten, Empfehlungen zur Koordinierung vollzugsreifer Teilpläne aussprechen sowie den voraussichtlichen Finanzbedarf für die Verwirklichung ermitteln und Vorschläge für die Finanzierung und die Bereitstellung der erforderlichen Mitte) durch Bund und Länder ausarbeiten soll. Die Bundesregierung und die Landesregierungen zusammen sind in der Kommission mit gleicher Stimmenzahl vertreten (je elf Stimmen). Die Empfehlungen der Kommission, die einer Dreiviertelmehrheit bedürfen, werden den Regierungschefs des Bundes und der Länder zur Beratung und Beschlußfassung vorgelegt, wobei ein Beschluß die Zustimmung von mindestens neun Regierungschefs voraussetzt und nur diejenigen bindet, die ihm zugestimmt haben.
Diese Bund-Länder-Kommission, in der Bund und Länder auf Ministerebene vertreten sind, hat mit ihrem komplizierten Unterbau von Ausschüssen und Arbeitsgruppen in einem wohl einmaligen Kraftakt in den letzten drei Jahren den Bildungsgesamtplan und das Bildungsbudget erarbeitet, die am 15. Juni 1973 verabschiedet worden sind Die Bund-Länder-Kommission hat hierbei eine Reihe von erheblichen technischen und politischen Schwierigkeiten überwinden müssen. Es mußten nicht nur die elf Länder und der Bund ihre Auffassungen zu den unzähligen Punkten des Bildungsgesamtplanes jeweils in den Landes-regierungen bzw. in der Bundesregierung abstimmen, sondern es traten vor allem mit dieser für Bund und Länder völlig neuen Art der Planung auch eine Anzahl von methodischen Problemen auf. Materieller Ausgangspunkt für den Bildungsgesamtplan waren vor allem der Bildungsbericht der Bundesregierung aus dem Jahre 1970, die Empfehlungen des Wissenschaftsrates zum Ausbau der Hochschulen und der Strukturplan des Deutschen Bildungsrates für das Bildungswesen.
Die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung hatte bereits im Oktober 1971 den soge-nannten Zwischenbericht vorgelegt. Die Regierungschefs von Bund und Ländern haben am 28. Januar und 26. Mai 1972 hierzu erklärt, daß dieser Zwischenbericht eine geeignete Grundlage für die weitere gemeinsame Arbeit von Bund und Ländern darstellt. Daß im Oktober 1971 nur ein Zwischenbericht vorgelegt werden konnte, hatte seinen Grund vor allem darin, daß einzelne in der Bund-Länder-Kommission vertretene Länder über den Inhalt des nach dem Abkommen erforderlichen Bildungsbudgets eine andere Auffassung vertraten als die Mehrheit (s. hierzu unten S. 28 f).
Die Bund-Länder-Kommission hat nach der Vorlage des Zwischenberichts im Juli 1972 einen Katalog von vordringlichen Maßnahmen beschlossen, dem die Regierungschefs von Bund und Ländern noch im Juli 1972 zugestimmt haben. Diese vordringlichen Maßnahmen beziehen sich auf den Ausbau des Elementarbereichs, die Verbesserung der beruflichen Bildung, die allgemeine Einführung der Orientierungsstufe, den Ausgleich des Lehrer-bedarfs und den Ausbau der Hochschulen.
Nachdem die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung am 15. Juni 1973 den Bildungsgesamtplan und das Bildungsbudget verabschiedet hat, müssen sich nunmehr die Regierungschefs von Bund und Ländern mit diesen umfangreichen Vorschlägen befassen. Nach den gegenwärtig bestehenden Terminvorstellungen wird die Beratung und Beschlußfassung der Regierungschefs wahrscheinlich noch im September abgeschlossen werden.
1. Der Bildungsgesamtplan
Der Bildungsgesamtplan umfaßt alle Bereiche des Bildungswesens, angefangen von der Erziehung im Elementarbereich über den Schulbereich, die berufliche Bildung bis zum tertiären Bereich und zur Weiterbildung.
Er besteht aus den folgenden sechs Teilen: Teil I Einleitung, Teil II Reformmaßnahmen, Teil III Kosten des Bildungswesens, Teil IV Der Bildungsbereich im gesamtwirtschaftlichen Rahmen, Teil V Finanzierung, Teil VI Anlagen.
Der wichtigste Teil II „Reformmaßnahmen* gliedert sich in die folgenden neun Kapitel: A. Elementar-, Primär-, Sekundarbereich, B. Tertiärer Bereich, C. Weiterbildung, D. Bildungsförderung, E. Außerschulische Jugendbildung, F. Innovationen im Bildungswesen, G. Beratung im Bildungswesen, H. Allgemeine Forschungsförderung, J. Bibliotheken.
Die Meinungsverschiedenheiten im Bildungsgesamtplan zwischen den Koalitionsparteien und der CDU/CSU-Opposition konnten im Laufe der Beratungen auf nur drei Punkte reduziert werden. Diese drei sogenannten Sondervoten — Sondervoten deshalb, weil in diesen drei Fragen die CDU/CSU-Länder ihre abweichende Auffassung im Bildungsgesamtplan wiedergeben — kreisen alle um die integrierte Gesamtschule; sie betreffen ihre Einführung, die Orientierungsstufe und die Lehrerbildung (näheres hierzu unter A c und A e).
A. Elementar-Primär-und Sekundarbereich
a) E 1 e m e n t a r b e r e i c h Im Elementarbereich wird zwischen den Drei-und Vierjährigen einerseits und den Fünfjährigen andererseits unterschieden. Die Unterscheidung wird deswegen getroffen, weil derzeit noch ungeklärt ist, ob die Fünfjährigen im Elementarbereich verbleiben oder in einer Eingangsstufe mit den Sechsjährigen zusammengefaßt werden. Der Bildungsgesamtplan läßt ausdrücklich offen, ob der Besuch der Einrichtungen für Fünfjährige zur Pflicht gemacht werden soll und ob das Ende der Grundschule ein Jahr früher erreicht wird. Einigkeit besteht nur darüber, daß die Lerninhalte und Arbeitsformen der heutigen ersten Klasse der Grundschule auf keinen Fall vorverlegt werden dürfen.
Der Elementarbereich ist eine der von der Bund-Länder-Kommission und den Regierungschefs im letzten Jahr beschlossenen vordringlichen Maßnahmen. Wichtig ist, daß im Jahre 1975 für rund 50% der Drei-bis Vierjährigen Kindergartenplätze bereitstehen werden gegenüber nur 25 % im Jahre 1970, und daß das Angebot für die Fünfjährigen sogar 60 % betragen soll. Bis zum Jahre 1985 sollen 70% der Drei-bis Vierjährigen und 100% der Fünfjährigen einen Kindergartenplatz erhalten. Die Kinder-Erzieher-Relation wird im Planungszeitraum von 20 : 1 auf 17 : 1 verbessert. b) Primarbereich In diesem Bereich ist entscheidend die erhebliche Verbesserung der Schüler-Lehrer-Relation von 37 : 1 im Jahre 1970 auf 23 — 19 : 1 im Jahre 1985.
c) Sekundarbereich I Im Sekundarbereich I finden sich zwei der drei Sondervoten.
Während die Bundesregierung und die SPD-geführten Länder die Einführung der integrierten Gesamtschule anstreben, wollen die CDU/CSU-geführten Länder die Entscheidung für die kooperative oder integrierte Gesamtschule noch offenhalten und erst die Ergebnisse der laufenden Schulversuche abwarten. In der Praxis besteht hier allerdings keine tiefgreifende Diskrepanz. Die Einführung der integrierten Gesamtschule ist ohnehin ein langer Prozeß, der auch nach Auffassung der Koalitionsparteien von Schulversuchen begleitet wird und viele Jahre in Anspruch nimmt. Außerdem besteht Einvernehmen darüber, daß grundsätzlich in Schulzentren zu planen ist.
Das zweite Sondervotum betrifft die Orientierungsstufe. Beide Seiten wollen die beiden ersten Schuljahre der Sekundarstufe I in der Orientierungsstufe zusammenfassen. Die SPD/FDP will die Orientierungsstufe schulformunabhängig organisieren und ein einheitliches Curriculum anbieten. Die CDU/CSU dagegen will die Orientierungsstufe den einzelnen Schulformen (Hauptschule, Realschule, Gymnasium) zuordnen. Dieser Auffassungsunterschied folgt zwangsläufig aus der Entscheidung für bzw. gegen die integrierte Gesamtschule. Übereinstimmung besteht insoweit, als bei der Einführung der Orientierungsstufe der Schwerpunkt in der inhaltlichen Ausgestaltung liegen soll.
Einigkeit besteht auch darüber, bis zum Jahre 1985 für alle (1970 nur ca. 40 %) ein zehntes Schuljahr einzuführen und die Schüler-Lehrer-Relationen weiter zu verbessern. Das bedeutet, daß 1985 alle Schüler einen Sekundarabschluß I erhalten. d) Sekundarbereich II Der sogenannte Sekundarbereich II umfaßt alle Bildungsgänge, die auf dem Sekundarabschluß I aufbauen, und zwar sowohl die berufs-qualifizierenden als auch die studienbezogenen sowie die sogenannten doppeltprofilierten Bildungsgänge, die beide Wege offenlassen. Im Sekundarbereich II ist das Bildungsangebot naturgemäß differenzierter als im Sekundarbereich I. Hauptziele des Bildungsgesamtplans sind hier:
— eine starke curriculare Differenzierung sowie die Möglichkeit der individuellen Schwerpunktbildung in allen Bildungsgängen — Herstellung der Gleichrangigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung — curriculare Abstimmung und Verzahnung von Bildungsgängen im allgemeinen und beruflichen Bildungswesen — Verstärkung ünd Differenzierung der theoretischen Elemente in den berufsqualifizierenden Bildungsgängen, wobei grundsätzlich am dualen System festgehalten, allerdings der schulische Anteil verstärkt werden soll.
Im Sekundarbereich II stellt die berufliche Bildung einen der fünf bereits von der Bund-Länder-Kommission beschlossenen Prioritätsbereiche dar. Hauptziele sind die Entwicklung und Einführung der beruflichen Grundbildung, Verbesserungen der Unterrichtsbedingungen sowie der betrieblichen und überbetrieblichen Ausbildung und Ausbau der beruflichen Vollzeitschulen. e) Lehrerbildung Die Lehrerbildung ist Gegenstand des 3. Sondervotums. Einigkeit besteht darüber, daß es in Zukunft Lehrämter für den Primarbereich, den Sekundarbereich I und den Sekundarbereich II geben soll, d. h., daß die Ausbildung in Zukunft schulstufenbezogen erfolgt (und nicht mehr wie bisher schulartenspezifisch). Während die Koalitionsparteien für alle Stufen eine sechssemestrige Ausbildung für ausreichend hält, fordert die CDU/CSU für den Sekundarstufenlehrer eine Mindeststudiendauer von acht Semestern.
B. Tertiärer Bereich
Der tertiäre Bereich umfaßt vor allem den Hochschulbereich, und zwar sowohl die wissenschaftlichen als auch die pädagogischen und Fachhochschulen.
Wichtigste Ziele sind neben dem Ausbau der Hochschulen die Durchführung der Studienreform und die Neuordnung der Hochschulstruktur. Die Zahl der Studienanfänger soll von 14% eines Altersjahrgangs im Jahre 1970 auf 22 bis 24 % eines Altersjahrgangs im Jahre 1985 ansteigen. Hierbei sollen vor allem die dreijährigen Studiengänge stärker ausgebaut werden. Die Gesamtstudentenzahl steigt von ca. 500 000 im Jahre 1970 auf etwa das Doppelte im Jahre 1985. Die bisherige Entwicklung läßt vermuten, daß diese Ziel-zahlen bereits früher erreicht werden. Strukturell wird angestrebt, ein durchlässiges System von abgestuften, aufeinander bezogenen Studiengängen und Studienabschlüssen zu schaffen. Dies soll erreicht werden durch die Zusammenfassung der bisherigen wissenschaftlichen, pädagogischen und Fachhochschulen in einem Gesamthochschulsystem. Die Frage, ob dies in Form von integrierten oder kooperativen Gesamthochschulen geschehen soll, bleibt im Bildungsgesamtplan wegen der insoweit bestehenden Meinungsverschiedenheiten zwischen SPD/FDP und CDU/CSU offen.
Jede erste berufsqualifizierende Hochschulprüfung soll in Zukunft mit einem Diplom abschließen. Begleitende Maßnahmen des Hochschulausbaues sind z. B. die Einführung der Graduiertenförderung und die Schaffung von ausreichenden Wohnmöglichkeiten für Studenten.
C. Weiterbildung Hauptziel der Weiterbildung ist die Förderung des Auf-und Ausbaues eines Weiterbildungssystems als gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden sowie die Vergrößerung des Angebots an Weiterbildungsplätzen. D. Bildungsiörderung (Siehe hierzu die Ausführungen zum Bundesausbildungsförderungsgesetz oben.)
E. Außerschulische Jugendbildujig Hauptziel ist die Fortentwicklung der außerschulischen Jugendbildung, insbesondere der Ausbau der politischen Bildung upd der internationalen Jugendbegegnung.
F. Innovationen im Bildungswesen Wichtigstes Ziel ist die Berücksichtigung der Möglichkeiten des Einsatzes technischer Un-23 terrichtsmedien sowie die Entwicklung von Lehr-und Lernmitteln als Voraussetzung für den Einsatz technischer Unterrichtsmedien.
G. Beratung im Bildungswesen
Bei der zunehmenden Differenzierung der Ausbildungsgänge in Schule, Betrieb, Hochschule und Weiterbildung kommt einem leistungsfähigen Beratungssystem wachsende Bedeutung zu. Notwendig ist daher eine individuell orientierte Förderung, um in Zusammenarbeit mit den Bildungsinstitutionen dem einzelnen bei der Bildungs-und Berufswahl zu helfen.
H. Allgemeine Forschungsförderung
Die allgemeine Forschungsförderung hat ihr Schwergewicht in der Grundlagenforschung in den Hochschulen, in den Instituten der Max-Planck-Gesellschaft und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen. Hauptträger sind die drei großen Forschungsorganisationen (Deutsche Forschungsgemeinschaft, Max-Planck-Gesellschaft, Fraunhofer-Gesellschaft), die Sonderforschungsbereiche, die wissenschaftlichen Bibliotheken, Archive und wissenschaftlichen Museen sowie die Akademien der Wissenschaften und bestimmte Forschungsinstitute außerhalb der Hochschulen.
Hauptziele sind die Festlegung des Standorts der allgemeinen Forschungsförderung im Rahmen einer alle Bereiche umfassenden Forschungsplanung sowie die Verstärkung der Maßnahmen der allgemeinen Forschungsförderung.
J. Bibliotheken
Der Bildungsgesamtplan strebt den Ausbau eines leistungsfähigen Bibliotheksnetzes im Verbund aller Bibliotheken an. Es soll erreicht werden, daß gewünschte Bücher, Zeitschriften und andere Informationsmittel binnen kürzester Frist an jedem Ort des Bundesgebietes verfügbar sind. Hierzu nur einige Zahlen:
Der Buchbestand soll von 34 Mio. Bänden im Jahre 1970 auf 60 Mio. Bände im Jahre 1985 ansteigen, das Personal von 5 000 im Jahre 1970 auf 14 000 im Jahre 1985 erhöht werden. Der Bestand von 80 Fahrbibliotheken soll bis 1985 auf 800 gesteigert werden. Als Ziel des Ausbaues im Planungszeitraum wird eine Relation von durchschnittlich einem Band pro Einwohner angestrebt.
2. Schüler-Lehrer-Relationen und Lehrer-bedarf
Eine besondere Bedeutung kommt in der öffentlichen Diskussion den sogenannten Schüler-Lehrer-Relationen sowie dem Lehrerbedarf bzw. neuerdings dem zu erwartenden Lehrerüberschuß zu. Die Frage, wie viele Schüler, Studenten, Auszubildende oder Kinder auf einen Lehrer, Hochschullehrer oder Erzieher entfallen, ist einer der wichtigsten Parameter der Bildungsplanung. Dies wird an folgenden Beispielen deutlich:
Wenn z. B. im Primarbereich die Schüler-Lehrer-Relation von 37 : 1 im Jahre 1970 auf 19 : 1 im Jahre 1985 verbessert wird, so bedeutet dies eine Verdoppelung des Lehrerbestandes. Wenn die Schüler-Lehrer-Relation im Sekundarbereich I im Jahre 1980 nur um zwei Punkte verbessert wird, erfordert dies einen Mehrbedarf von 25 000 Lehrern. Das sind schon von der finanziellen Seite her gewaltige Proportionen — 25 000 Lehrer kosten im Jahr rund eine Milliarde DM. Neben dieser rein finanziellen Frage ist jedoch außerdem von erheblicher Bedeutung, ob ein entsprechendes Angebot an Lehrkräften seitens der Hochschulen zur Verfügung gestellt werden kann.
Die sogenannte Schüler-Lehrer-Relation bedeutet im übrigen nicht Schüler je Klasse, sondern stellt einen Richtwert dar, der pädagogisch sinnvoll bemessen ist und in dem die Relation Schüler je Klasse und Lehrer je Klasse in Form einer gewissen Bandbreite enthalten ist. (Beispiel: Eine Schüler-Lehrer-Relation von 20 : 1 umfaßt eine Bandbreite von 24 bis 30 für die Relation Schüler je Klasse und eine Bandbreite von 1, 2 bis 1, 5 für die Relation Klasse je Lehrer.)
Für die Berechnung des Lehrerbedarfs sind nicht allein die Schüler-Lehrer-Relationen, sondern auch die zu erwartenden Schülerzahlen von Bedeutung. Wer annimmt, daß diese aufgrund entsprechender Vorausschätzungen leicht festzustellen seien, irrt. Zu Beginn der Arbeiten am Bildungsgesamtplan ging man davon aus, daß entsprechend der bisherigen Erfahrung jeder Geburtsjahrgang mit rund einer Million Lebendgeborenen gerechnet werden kann. Das war tatsächlich bis vor drei bis vier Jahren die durchschnittliche Zahl. Schon die dritte, aber noch mehr die vierte koordinierte Bevölkerungsvorausschätzung des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden machte jedoch deutlich, daß diese Zahlen nicht mehr zutreffen, sondern daß für den Planungszeitraum mit weitaus geringeren Geburtenzahlen zu rechnen ist. So sinkt z. B. die Zahl der 3-jährigen, die im Jahre 1970 noch rund eine Million betrug, auf unter 700 000 in den Jahren 1976 bis 1982 ab, steigt dann allerdings wieder langsam an. Der durch diesen Geburtenrückgang entstehende sogenannte Schülerberg schiebt sich vom Kindergarten bis zur Hochschule durch die einzelnen Bildungsbereiche mit der Folge, daß in bestimmten Jahren mehr Kinder, Schüler bzw. Studenten die Kindergärten, Schulen und Hochschulen besuchen als zu einem späteren Zeitpunkt. Dies bringt natürlich besondere Probleme mit sich. So muß z. B. vermieden werden, daß räumliche und personelle Überkapazitäten geschaffen werden.
Daß die verschiedenen Entwürfe des Bildungsgesamtplanes durch die in relativ kurzer Zeit wechselnden Vorausschätzungen erheblich geändert werden mußten, liegt auf der Hand. In diesem Zusammenhang sind auch die zahlreichen Zeitungsmeldungen der letzten Monate erklärlich, daß der gegenwärtig bestehende Lehrermangel in absehbarer Zeit in einen Lehrerüberschuß umschlagen wird. Allerdings sind alle bisherigen Voraussagen mit großer Vorsicht zu beurteilen, da es verläßliche statistische Erhebungen nicht gibt. Eine Bundesstatistik existiert auf diesem Gebiet bisher nicht, es liegen lediglich länderweise Erhebungen im Rahmen der Kultusministerkonferenz vor. Weitere Unsicherheitsfaktoren bestehen darin, daß es eine große Anzahl von Teilzeitlehrern gibt, daß die Vollzeitlehrer zahlreiche Überstunden geben, daß erteilte Unterrichtsstunden häufig nicht mit der vorhandenen Lehrbefähigung übereinstimmen und daß natürlich zwischen den einzelnen Schulbereichen differenziert werden muß.
Verschiedene Länder haben in der letzten Zeit versucht, den voraussichtlichen Lehrer-bestand und -bedarf der nächsten fünf bis zehn Jahre zu ermitteln, nicht zuletzt um anhand dieser Untersuchungen für die studierwilligen Abiturienten eine einigermaßen zuverlässige Voraussage für die Berufsaussichten zu machen. Aufgrund dieser Untersuchungen zeichnet sich — in Übereinstimmung mit den Aussagen der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung — ab, daß — global gesehen — in den Jahren nach 1975 ein Ausgleich des Lehrerbedarfs und des Lehrerangebots erwartet werden kann, wenn man die Schüler-Lehrer-Relationen der Bund-Länder-Kommission zugrunde legt. Gegenwärtig besteht noch in allen Schularten ein besonderer Mangel an Lehrern für das Fach Mathematik und — vor allem in der Hauptschule — für die Fächer Physik, Chemie und Arbeitslehre. Besonders gravierend ist z. Z.der Lehrermangel an den beruflichen Schulen. Am ehesten wird der Lehrermangel an den Grundschulen behoben sein.
Der Grund für den abnehmenden Lehrermangel liegt nicht nur in den sinkenden Geburtenzahlen, sondern vor allem auch in der starken Zunahme der Hochschulabsolventen, insbesondere des Lehramtsstudiums. Gegenwärtig ergreifen etwa 40 °/o eines Abiturjahrganges ein Lehramtsstudium. Wenn man bedenkt, daß sich im Zeitraum von 1970 bis 1985 die Zahl der Studierenden etwa verdoppelt, wird deutlich, daß unter Berücksichtigung der zurückgehenden Schülerzahlen die Warnung vor einem zukünftigen Überangebot an Lehrern nicht aus der Luft gegriffen ist. Man muß diese Problematik natürlich auch mit einem deutlichen Seitenblick auf die finanzielle Machbarkeit sehen. Natürlich kann jeder Lehrerüberschuß dadurch aufgefangen werden, daß die Schüler-Lehrer-Relationen entsprechend verbessert werden. Das aber setzt finanzielle Aufwendungen voraus, die weder im Verhältnis zu anderen öffentlichen Aufgaben vertretbar noch pädagogisch notwendig sind.
Wenn die Schüler-Lehrer-Relationen im Elementar-und Primarbereich im Planungszeitraum um beinahe 100 °/o verbessert werden, dann ist es einfach unverständlich, wenn von einigen Seiten die Überlegungen der Bildungspolitiker, die auf eine Begrenzung des Ausbau der Kapazitäten gerichtet sind, von vornherein mit dem Hinweis auf überfüllte Klassen und ausfallende Stunden abgetan werden. Die Bildungspolitiker in Bund und Ländern stehen, was die Steuerung des zu erwartenden Akademikerangebots angeht, nicht nur bezüglich der Lehrer, sondern generell vor einer sehr schwierigen Aufgabe. Auf der einen Seite hat die Bildungswerbung der letzten Jahre — und zwar nicht nur der sozial-liberalen Koalition — dazu geführt, daß immer mehr Schüler — und zwar mehr als erwartet — weiterbildende Schulen besuchen, das Abitur ablegen und in die Hochschulen drängen. Diese sind trotz ganz erheblicher finanzieller Anstrengungen von Bund und Ländern nicht in der Lage, dieses Ansturms Herr zu werden. Auf der anderen Seite aber gibt es außer über ein Hochschulstudium noch keine attraktiven Berufsangebote für Abiturienten, so daß der Wunsch nach einer akademischen Ausbildung, nicht zuletzt wegen der besseren Einkommenschancen und des höheren Sozialprestiges, verständlich ist.
Allerdings muß auch hier einmal ganz deutlich gesagt werden, daß es kein nationales Unglück ist, wenn nicht alle, die ein Abitur machen, studieren können. Bei uns beträgt der Anteil derjenigen, die nach dem Abitur studieren, über 90 °/o. In allen anderen westund osteuropäischen Ländern ist es weitaus schwieriger als bei uns, einen Studienplatz zu erlangen. Der von der Studentenschaft so scharf angegriffene Numerus clausus ist in anderen Ländern ein ganz normaler Vorgang, über den sich dort niemand aufregt. Auch wir müssen uns darüber klarwerden, daß der Numerus clausus in absehbarer Zeit nicht beseitigt werden kann, sondern daß durch Schaffung geeigneter Berufsmöglichkeiten außerhalb des tertiären Bereichs und durch geeignete Zugangsregelungen nur etwa so viele Abiturienten zum Studium zugelassen werden, wie einerseits finanziell vertretbar, andererseits aber auch vom gesellschaftlichen Bedarf her gesehen notwendig sind. Allerdings ist der Bedarf an Hochschulabsolventen niemals exakt vorausberechenbar. Die verschiedenen Prognosen, die hierzu in letzter Zeit erstellt worden sind, kommen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Es gibt aber für einige Bereiche, z. B. für Lehrer, Mediziner und Juristen, die Möglichkeit ziemlich genauer Vorausschätzungen.
Wichtig wird für die Zukunft auch sein, die Abiturienten nicht erst mit den Schwierigkeiten zu konfrontieren, wenn sie das Abitur bereits in der Tasche haben, sondern sie schon während der Schulzeit rechtzeitig umfassend zu beraten und durch ein größeres differenzierteres Ausbildungsangebot in der Sekundarstufe II für diejenigen, die nicht studieren können, den Sekundarabschluß II zu einem echten berufsqualifizierenden Abschluß zu machen, der nicht unbedingt ein nachfolgendes Studium verlangt.
3. Modellversuche
Im Mai 1971 haben Bund und Länder im Rahmen der Bund-Länder-Kommission eine Vereinbarung über die Durchführung von Modellversuchen im Schul-und Hochschulbereich abgeschlossen. Aufgrund dieser Vereinbarung finanzieren Bund und Länder gemeinsam eine Vielzahl von Modellversuchen in allen Bildungsbereichen, z. B. kooperative und integrierte Gesamtschulen, Ganztagsschulen, neue Unterrichtstechnologien, die verschiedenen Formen der Orientierungsstufe, Integration von allgemeiner und beruflicher Bildung etc. Diese Versuche sind von großer Wichtigkeit, da von ihren Ergebnissen in vielen Fällen abhängt, in welcher Richtung sich in Zukunft der weitere Ausbau des Bildungswesens entwickelt, zumal im Bildungsgesamtplan in zahlreichen Fällen wegen seines Rahmencharakters Modellversuche ausdrücklich eingeplant sind, um die noch offenen Probleme zu lösen.
III. Bildungsfinanzierung
Die Frage der Bildungsfinanzierung beherrscht in den letzten Monaten die politische Bühne. Hierüber ist im Grunde genommen mehr diskutiert worden als über den Inhalt des Bildungsgesamtplanes. In der Frage der Bildungsfinanzierung gab es sowohl Auffassungsunterschiede zwischen Bund und Ländern als auch zwischen den Koalitionsparteien und der CDU/CSU. Erwähnt seien in diesem Zusammenhang nur die einschlägigen Empfehlungen des Finanzplanungsrates vom September 1972 und März 1973, die Diskussion im Kreise der Regierungschefs und im Bundestagsausschuß für Bildung und Wissenschaft. Der Grund für die Auseinandersetzungen ist nicht allein die Frage, wieviel insgesamt für die Bildung ausgegeben werden soll, sondern vor allem die Tatsache, daß Länder und Gemeinden rund 90 °/o der Bildungsausgaben tragen, während der Bund sich entsprechend der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung nur mit rund 10% an den Kosten beteiligt. Das macht verständlich, warum von selten der Länder nicht nur bei der Diskussion über die Bildungsfinanzierung, sondern auch im Rahmen der Beratungen zwischen Bund und Ländern über die Umsatzsteuerverteilung hart gerungen wird.
In der Regierungserklärung vom 18. Januar 1973 hat der Bundeskanzler die bereits in der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 postulierte Priorität von Bildung und Ausbil-düng sowie Wissenschaft und Forschung bestätigt. Daß es der Bundesregierung mit dieser doppelten Ankündigung ernst ist, zeigt die Ausgabenentwicklung seit 1969. Der Anteil der Bildungsausgaben am Bruttosozialprodukt ist von rund 4 % im Jahre 1970 auf über 5 0/0 im Jahre 1973 angestiegen; er erreicht nach den Planungen der Bund-Länder-Kommission im Jahre 1985 8 % — eine Zahl, die nicht nur in den Parteiprogrammen, sondern auch in internationalen Vergleichen eine Rolle spielt.
Die Ausgaben des Bundes für Bildung und Wissenschaft sind von 3, 2 Milliarden DM im Jahre 1970 auf fast 7 Milliarden DM gestiegen.
1. Bildungsbudget
Nach dem Verwaltungsabkommen über die Errichtung der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung hat diese nicht nur einen langfristigen Rahmenplan für die Reform des Bildungswesens aufzustellen, sondern unter Berücksichtigung der Bedarfsfeststellungen des Bundes und der Länder den Finanzbedarf für die Verwirklichung der Pläne und Programme zu ermitteln sowie Vorschläge für die Finanzierung und die Bereitstellung der erforderlichen Mittel durch Bund und Länder auszuarbeiten. Die Verpflichtung zur Erarbeitung dieses sogenannten gemeinsamen Bildungsbudgets hat die Bund-Länder-Kommission und ihre Gremien vor eine schwierige Aufgabe gestellt. Hieran lag es auch, daß im Oktober 1971 nur der sogenannte Zwischenbericht vorgelegt wurde und es fast drei Jahre gedauert hat, bis die Bund-Länder-Kommission ihrer Verpflichtung zur Vorlage des Bildungsgesamtplanes und des Bildungsbudgets nachkommen konnte.
Während einzelne Mitglieder der Bund-Länder-Kommission zu Beginn ihrer Tätigkeit den Auftrag im Abkommen dahin gehend interpretierten, nicht nur für den mittelfristigen Zeitraum bis 1975, sondern auch für die langfristige Entwicklung bis 1985 nicht nur die Kosten des Bildungsgesamtplanes darzustellen, sondern auch Deckungsvorschläge unterbreiten zu können, mußte man bald einsehen, daß dieses Ziel jedenfalls für den langfristigen Zeitraum nicht zu verwirklichen ist. Dies hat seinen Grund darin, daß langfristige Bedarfs-ermittlungen für andere öffentliche Aufgabenbereiche weitgehend noch nicht vorliegen und daher keine Möglichkeit bestand, die Anteile am öffentlichen Gesamthaushalt für die verschiedenen gesamtstaatlichen Aufgabenbereiche festzulegen. Auch der Finanzplanungsrat, der sich verschiedentlich mit der Bildungsfinanzierung befaßt hat, sah sich außerstande, entsprechende Eckdaten festzulegen.
Es leuchtet im übrigen auch ein, daß die Politiker nicht bereit sein konnten, für einen einzelnen Bereich, für den langfristige detaillierte Planungen vorliegen, eine Ausnahme zu machen und zu Lasten der übrigen öffentlichen Aufgabenbereiche einen bestimmten Anteil der zu erwartenden öffentlichen Mittel oder am Bruttosozialprodukt bis 1985 festzulegen. Auf dem Hintergrund dieser Schwierigkeiten ist auch verständlich, warum der Bildungsgesamtplan in seiner Aussage zur Finanzierung zwischen dem mittelfristigen Zeitraum bis 1975 und dem langfristigen Zeitraum bis 1985 unterscheidet.
Für den mittelfristigen Zeitraum, für den anhand der mittelfristigen Finanzplanungen von Bund und Ländern schon konkrete Deckungsaussagen möglich sind, werden den Kostenberechnungen die voraussichtlich zur Verfügung stehenden Finanzmittel gegenübergestellt. Hierbei hat sich allerdings gezeigt, daß zwischen den Kosten des Plans und den nach den Finanzplanungen verfügbaren Finanzierungsmitteln eine Lücke besteht.
Der Finanzplanungsrat und die Regierungschefs haben sich aufgrund der bisherigen Finanzplanungen daher zunächst nur in der Lage gesehen, für 1975 einen Finanzierungssockel von 53, 6 Milliarden DM zu garantieren, während nach den Zielvorstellungen des Bildungsgesamtplanes Kosten von etwa 57 Milliarden DM entstehen. Die Bund-Länder-Kommission hat daraufhin ein „Sparprogramm" aufgestellt, das sich im Rahmen der 53, 6 Milliarden DM bewegt; sie hat allerdings grundsätzlich an ihrem ursprünglichen Programm festgehalten, das auch die Regierungschefs für bildungspolitisch notwendig angesehen haben. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Finanzplanung bei der jährlichen Fortschreibung an dieses volle Sachprogramm der Bund-Länder-Kommission angepaßt werden kann. Eine neuere Umfrage hat ergeben, daß die für Bildung und Wissenschaft im Jahre 1975 zur Verfügung stehenden Mittel fast 57 Milliarden DM erreichen. Allerdings muß hier auch berücksichtigt werden, daß aufgrund der gestiegenen Preise das Sachprogramm von 57 Milliarden DM im Jahre 1975 ebenfalls teurer wird als ursprünglich angenommen (unter der Preisannahme von 1973 entspricht es bereits einem Betrag von etwa 58, 5 Milliarden DM). Im Hinblick auf das gestiegene Preis-27 niveau einerseits und die steigenden Steuereinnahmen von Bund und Ländern andererseits wird jedenfalls der Betrag von 53, 6 Milliarden DM im Jahre 1975 mit Sicherheit überschritten werden.
Nach den Zielvorstellungen der Bund-Länder-Kommission steigen die Bildungsausgaben von ca. 29 Milliarden DM im Jahre 1970 auf ca. 90, 5 Milliarden DM im Jahre 1985 (in relativen Preisen). Das bedeutet eine Verdreifachung in 15 Jahren. Legt man die jeweiligen Preise zugrunde, was für den langfristigen Zeitraum mangels exakter Prognosen für den durchschnittlichen Anstieg des inländischen Preisniveaus nicht möglich ist, kommt man auf eine noch größere Steigerung. (Zum Vergleich: Die Kosten des Bildungswesens in jeweiligen Preisen verdoppeln sich etwa von 1970 mit 29, 5 Milliarden DM bis 1975 auf ca. 58 Milliarden DM.)
Da, wie oben ausgeführt, keine Aussage möglich ist, ob und in welcher Weise die Kosten bis 1985 aufgebracht werden können, konnte die Bund-Länder-Kommission für die längerfristige Finanzierung nur Entscheidungshilfen aufzeigen. Der Finanzplanungsrat hatte es am 14. September 1972 ausdrücklich abgelehnt, sein Plazet zu dem für 1985 errechneten Anteil von 8 °/o am Bruttosozialprodukt zu geben. Er hat vielmehr ausgeführt, daß gegenwärtig nur die Finanzpläne einen realistischen finanziellen Rahmen für die Absicherung der Bildungsplanung darstellen, und empfohlen, die langfristige Bildungsplanung stufenweise im Rahmen der Fortschreibung der mittelfristigen Finanz-planungen der Gebietskörperschaften zu verwirklichen. Nachdem die Regierungschefs in ihrem Beschluß vom 23. Februar 1973 diese Auffassung bekräftigt hatten, ist die Bund-Länder-Kommission wie folgt verfahren:
Sie stellte zunächst für die Planungseckjahre 1980 und 1985 fest, welche Kosten durch die bildungspolitischen Entscheidungen bis 1975 gebunden sind. Aufgrund dieses sogenannten Stufenverfahrens kam die Bund-Länder-Kommission zu dem Ergebnis, daß der Anteil der Vorbelastungen des Jahres 1975 an den Gesamtkosten des Jahres 1980 nur rund 75% und des Jahres 1985 nur rund 65 % beträgt. Wenn die Regierungschefs von Bund und Ländern über den Bildungsgesamtplan beraten, dann können sie diesem Bildungsgesamtplan bis zum Jahre 1985 zustimmen, ohne für 1980 und 1985 diejenigen finanziellen und sachlichen Bindungen festzulegen, die über die genannten Prozentzahlen hinaugehen. Mit anderen Worten: Es bleibt der Fortschrei-B bung des Bildungsgesamtplanes und der mittelfristigen Finanzplanungen sowie der Aufstellung von mittelfristigen Stufenplänen Vorbehalten, in welcher Weise der Bildungsgesamtplan realisiert wird.
2. Bildungsbudget und Gesamtwirtschaft
Zum Schluß soll noch kurz auf die gesamtwirtschaftlichen Aspekte eingegangen werden, die die Bund-Länder-Kommission bei der Erarbeitung des Bildungsgesamtplanes und vor allem des Bildungsbudgets zu berücksichtigen hatte und denen sie ein besonderes Kapitel gewidmet hat. Hierbei sind vor allem wichtig die Auswirkungen der Bildungsreform auf den Arbeitsmarkt und das Bildungsbudget im Rahmen der Gesamtwirtschaft.
Die vorgesehene längere Verweildauer der Schüler in der Ausbildung und der steigende Anteil von Studierenden an den einzelnen Altersjahrgängen führt zu einem Entzug von Erwerbspersonen aus dem Produktionsbereich.
Berechnungen des Bundesministers für Wirtschaft haben ergeben, daß diese Entzugswirkung bis zum Jahre 1985 eine Größenordnung von 1, 3 bis 1, 6 Mio. Erwerbspersonen erreicht.
In dieser Zahl sind allerdings auch die Lehrlinge (ca. 0, 5 Mio.) enthalten, weil die Statistik die Lehrlinge in praktischer Ausbildung als Erwerbstätige zählt. Diese statistische Zuordnung entspricht weder der bildungspolitischen Zielsetzung noch der Wirklichkeit. Im Zusammenhang mit dieser Feststellung sind eine ganze Reihe von anderen Fragen zu klären, z. B. inwieweit diese Entzugswirkung durch eine verstärkte Hereinnahme ausländischer Arbeitnehmer oder durch eine verstärkte Frauenerwerbstätigkeit kompensiert werden kann. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, daß sich die zusätzlichen Bildungsinvestitionen langfristig positiv auf die Entwicklung der Produktivität auswirken. Neben der Entzugswirkung bringt das bildungspolitische Konzept auch eine Umschichtung der Beschäftigtenstruktur mit sich. Die Zahl der im Bildungswesen Beschäftigten wird sich von 1970 bis 1985 entscheidend verändern. Der Anteil der im Bildungswesen Beschäftigten an der Zahl der Erwerbstätigen im Sektor Staat steigt von 20 % im Jahre 1970 auf 25% im Jahre 1985. Inwieweit in der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung eine solche Umschichtung der Beschäftigtenstruktur ohne Wachstumsverluste hingenommen werden kann, muß ebenfalls noch untersucht werden. Um die Bildungsausgaben in den Rahmen der Gesamtwirtschaft zu stellen, waren Überlegungen notwendig, wie sich das Bruttosozialprodukt und der staatliche Sektor als Teil der Gesamtwirtschaft sowie schließlich der Anteil der Bildungsausgaben am öffentlichen Gesamthaushalt entwickeln. Die insoweit auf Expertenebene ermittelten Zahlen machen deutlich, warum sich die Politiker gegenwärtig scheuen, eine finanzielle Deckungszusage für das Jahr 1985 zu machen. Der Anteil der Ausgaben für Bildung, Wissenschaft und Forschung am staatlichen Gesamthaushalt soll nämlich nach den Berechnungen der Bund-Länder-Kommission von ca. 17 % im Jahre 1970 auf ca. 23 °/o im Jahre 1985 steigen. Damit würde sich der Anteil, der zur Befriedigung aller anderen öffentlichen Aufgaben zur Verfügung steht, von gegenwärtig 83 % auf ca. 77 °/o verringern.
Grundsätzlich gibt es drei Wege, um diese überproportional ansteigenden Bildungsausgaben im öffentlichen Haushalt finanzieren zu können: Die Verschiebung der Schwerpunkte in den Haushalten zugunsten des Bildungswesens und zu Lasten anderer Aufgabenbereiche, die Kreditaufnahme und Steuererhöhungen.
Eine Umverteilung von Ausgaben innerhalb des Staatssektors sowie eine Inanspruchnahme des Kapitalmarktes zur Finanzierung der Bildungsausgaben sind nur begrenzt möglich. Um die gesetzlich nicht gebundene Finanzmasse von ca. nur 20 % streiten sich neben der Bildung vor allem die Bereiche Soziales, Verkehr, Umwelt etc. Eine Kapitalmarktfinanzierung scheidet für den überwiegenden Teil der Bildungsausgaben aus, da es sich hierbei um laufende Kosten handelt, die auch aus laufenden Einnahmen sichergestellt werden müssen. Im übrigen wäre es bedenklich, den gegenwärtig anfallenden Reformaufwand auf die nächste Generation abzuwälzen. Im Bildungsgesamtplan findet sich daher als Konsequenz dieser Erkenntnis die folgende Aussage:
„Die dargestellte Ausweitung des öffentlichen Gesamthaushaltes wird selbst bei gesamtwirtschaftlich optimalen Rahmenbedingungen eine Anhebung der Steuerlastquote und eine Ausdehnung der staatlichen Verschuldung erfordern. Die Frage der Finanzierung der Kosten des Bildungswesens kann jeweils nur im Zusammenhang mit der Ausgabenentwicklung der anderen öffentlichen Aufgabenbereiche politisch entschieden werden."
Die obigen Ausführungen haben gezeigt, mit welchen politischen, rechtlichen und finanziellen Schwierigkeiten der Bund bei der Bildungsplanung fertig werden muß. Gerade auf dem Hintergrund der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern wird deutlich, welcher Geduld und Ausdauer es bedarf, um die im Rahmen der Bildungsplanung notwendigen Entscheidungen zu treffen und durchzuführen. Daß es möglich ist, im Geiste des kooperativen Föderalismus zu gemeinsamen Lösungen zu kommen, haben Bund und Länder mit der Verabschiedung des Bildungsgesamtplanes und des Bildungsbudgets durch die Bund-Länder-Kommission am 15. Juni 1973 bewiesen.