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Zur Problematik der Konzertierten Aktion | APuZ 39/1973 | bpb.de

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APuZ 39/1973 Zur Problematik der Konzertierten Aktion Bildungsplanung und Bildungspolitik des Bundes. Unter besonderer Berücksichtigung der Bund-Länder-Kommission

Zur Problematik der Konzertierten Aktion

Hermann Adam

/ 31 Minuten zu lesen

I. Begriff und Vorgeschichte der Konzertierten Aktion

Abbildung 1

In allen westlichen Industriegesellschaften mit marktwirtschaftlicher Ordnung bei gleichzeitiger Anerkennung der Tarifautonomie ist das Verhältnis zwischen den großen Verbänden und der staatlichen Wirtschaftspolitik von besonderer Bedeutung. Die wirtschaftspolitischen Ziele Vollbeschäftigung, Preisniveaustabilität, stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum und außenwirtschaftliches Gleichgewicht (magisches Viereck), die zu verfolgen die Regierung nach § 1 des Stabilitätsgesetzes verpflichtet ist, können nämlich nur mit Unterstützung der autonomen Gruppen, der Arbeitgeberverbände und der Gewerkschaften, realisiert werden. Folglich kommt eine Regierung, wenn sie eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik betreiben will, nicht umhin, ihr Verhalten mit dem der autonomen Gruppen zu koordinieren.

In der Bundesrepublik ist diese Verhaltensabstimmung im Rahmen der sogenannten „Konzertierten Aktion" versucht worden. In der Literatur und in der öffentlichen Diskussion wird der Ausdruck Konzertierte Aktion in doppelter Bedeutung verwandt. Zum einen wird damit ein gemeinsames, aufeinander abgestimmtes Verhalten, aller für den Wirtschaftsablauf verantwortlichen Instanzen, also vor allem von Bundesregierung, Bundesbank und Tarifparteien, bezeichnet. Zum anderen wird auch das bloße Zusammentreffen der Regierung mit Vertretern der Bundesbank, der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände zu gemeinsamen Beratungen Konzertierte Aktion genannt. Im vorliegenden Aufsatz wird der Ausdruck Konzertierte Aktion, wenn nicht ausdrücklich anders vermerkt, im Sinne einer Gesprächsrunde gebraucht. Die Notwendigkeit, die Maßnahmen der staatlichen Konjunkturpolitik und diejenigen der Sozialpartner ex ante zu koordinieren, hatte der Wissenschaftliche Beirat beim Bundes-wirtschaftsministerium bereits 1956 in einem seiner Gutachten erkannt Anfang der sechziger Jahre trafen Vertreter der Tarifparteien mit Beamten des Bundeswirtschaftsministeriums zusammen, um über Möglichkeiten einer besseren Einbeziehung der Verbände in die Wirtschaftspolitik zu beraten. Der von allen Teilnehmern befürwortete Vorschlag, regelmäßige Aussprachen zwischen den wirtschaftspolitisch verantwortlichen Instanzen und den autonomen Gruppen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu vereinbaren, konnte indessen nicht realisiert werden, weil Ludwig Erhard sowohl als Wirtschaftsminister und später auch als Kanzler sein Veto einlegte.

Erst als die CDU/FDP-Regierung unter Erhard Ende 1966 von der Großen Koalition mit ei-nem anderen Kanzler abgelöst wurde, war der Weg für die Bildung einer Konzertierten Aktion frei. Ihr Anfang fiel mit drei für die Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik wichtigen Ereignissen zusammen:

1. Das Jahr 1966 brachte der Bundesrepublik die erste schwerere Rezession nach dem Zweiten Weltkrieg. Wirtschaftliche Stagnation, steigende Arbeitslosenziffern und Milliardendefizite bei den öffentlichen Haushalten ließen bei vielen wieder die Sorge um den Arbeitsplatz und um eine gesicherte wirtschaftliche Zukunft akut werden.

2. Der Rücktritt der FDP-Minister aus dem Kabinett Erhard löste eine Regierungskrise aus, die in aller Deutlichkeit institutioneile Schwächen des westdeutschen Regierungssystems (personalisiertes Verhältniswahlrecht, konstruktives Mißtrauensvotum) aufzeigte Auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise blieb nämlich mehrere Wochen lang ein gelähmtes, nicht entscheidungsfähiges Minderheitskabinett im Amt, eine Situation, die in mancher Hinsicht der Lage zu Anfang der dreißiger Jahre ähnelte.

3. Der Eintritt der SPD in die Große Koalition bedeutete nicht nur das vorläufige Ende einer siebzehnjährigen Oppositionsperiode für die Sozialdemokraten, sondern auch das Ende der neoliberalen Wirtschaftspolitik. Unter dem neuen Wirtschaftsminister Schiller wurde nun eine staatsinterventionistische Wirtschaftspolitik eingeleitet, als deren Teilelement die Konzertierte Aktion betrachtet werden muß.

Der politisch-ökonomische Hintergrund bei der Etablierung der Konzertierten Aktion war also eine Krisensituation. Man sprach damals auch gelegentlich davon, daß nicht nur die beiden großen Parteien CDU und SPD, sondern auch die beiden großen autonomen Gruppen Gewerkschaften und Arbeitgeber-verbände sich zu einer Art „Großen Koalition" zusammengefunden hätten, um gemeinsam die Krise zu überwinden.

Bei der Verabschiedung des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft im Sommer 1967 fand die Konzertierte Aktion schließlich im § 3 ihren Niederschlag. Es heißt dort:

„(1) Im Falle der Gefährdung eines der Ziele des § 1 stellt die Bundesregierung Orientierungsdaten für ein gleichzeitiges aufeinander abgestimmtes Verhalten (Konzertierte Aktion) der Gebietskörperschaften, Gewerkschaften und Unternehmensverbände zur Erreichung der Ziele des § 1 zur Verfügung. Diese Orientierungsdaten enthalten insbesondere eine Darstellung der gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge im Hinblick auf die gegebene Situation.

(2) Der Bundesminister für Wirtschaft hat die Orientierungsdaten auf Verlangen eines der Beteiligten zu erläutern."

Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß das Gesetz kein Gremium institutionalisiert, sondern lediglich den Bundeswirtschaftsminister verpflichtet, Orientierungsdaten vorzulegen. § 3 des Stabilitätsgesetzes erfaßt somit nur ein Minimum des tatsächlichen Erscheinungsbildes der Konzertierten Aktion

II. Konzeptionen und gesellschaftstheoretische Grundlagen der Konzertierten Aktion

Inhalt

Im Verlauf der nun schon über sechs Jahre bestehenden Konzertierten Aktion hat sich derer Beurteilung in der Wirtschaft und bei den Beteiligten gewandelt. Der zweite Abschnitt will die verschiedenen Konzeptionen von der Konzertierten Aktion, wie sie zu Anfang vertreten wurden, behandeln. Im dritten Abschnitt wird dann auf die Praxis der Konzertierten Aktion und die daraus entstandenen Konzeptionsänderungen eingegangen werden.

1. Die Konzeption des Sachverständigenrates

Seit 1964 existiert in der Bundesrepublik ein fünfköpfiges Gremium aus Wirtschaftssachverständigen, die die Aufgabe haben darzulegen, wie ihrer Ansicht nach die vier Ziele Vollbeschäftigung, Preisniveaustabilität, stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum und außenwirtschaftliches Gleichgewicht im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig verwirklicht werden können Die in der Vergangenheit unzulängliche Realisierung der vier Ziele führte der Sachverständigenrat entweder auf zu spät getroffene konjunkturpolitische Entscheidungen der Regierung oder auf das ungeduldige Drängen vieler Gruppen und Körperschaften in Gesellschaft und Staat und auf funktionslose Verteilungskämpfe zurück, die wegen ungenügender Sicherungen im Ordnungssystem von Gesellschaft und Staat immer wieder ausbrechen können Um diesen Fehlentwicklungen zu begegnen, schlug der Rat schon in seinem zweiten Jahresgutachten 1965/66 eine „Konzertierte Stabilisierungsaktion" vor Bund, Länder und Gemeinden sowie Bundesbank und Tarifparteien sollten versuchen, durch ein gemeinsames, aufeinander abgestimmtes Verhalten die Expansionsrate in allen Bereichen der volkswirtschaftlichen Gesamtnachfrage zurückzuschrauben, um so den Geldwertschwund in 2 Jahresetappen von damals 3 v. H. auf 1 v. H. zu verringern.

Auch in späteren Jahresgutachten, als es wegen der inzwischen veränderten konjunkturellen Lage darum ging, einen „Wirtschaftsaufschwung nach Maß" herbeizuführen, hielt der Sachverständigenrat an* diesem Grundgedanken fest Es fehlten allerdings in seinen ersten Gutachten genaue Angaben, wie eine Verhaltenskoordination mit den autonomen Gruppen politisch durchgesetzt werden könnte. Rat forderte lediglich ein beispielhaftes Vorangehen des Staates und eine Lohn-leitlinie, die marktkonform ist, d. h. genau „jene Lohnentwicklung vorausschätzt, die sich beim Eintreten der angenommenen Bedingungen ohnedies ergeben würde" Nachdem jedoch Schiller die Arbeitgeberverbände und die Gewerkschaften mehrmals zu Gesprächen im Bundeswirtschaftsministerium eingeladen hatte, begrüßten auch die „fünf Weisen" diese Konzertierte Aktion als eine geeignete Form für eine Verhaltensabstimmung.

Volkswirtschaftlich beruhen diese Empfehlungen des Sachverständigenrates auf einer Verteilungstheorie, soziologisch auf einer Konflikttheorie. Für die „fünf Weisen" ist die Einkommensverteilung mittelfristig durch Marktkräfte determiniert und durch die gewerkschaftliche Lohnpolitik oder durch unternehmerische Preisüberwälzungen allenfalls vorübergehend zu verändern Bemühungen, den eigenen Anteil am Sozialprodukt zu erhöhen, sind daher für ihn sinnlos. Die mangelnde Einsicht in diese wirtschaftlichen Sachzwänge ist nach Ansicht des Sachverständigenrates dafür verantwortlich, daß es immer wieder zu Verteilungskämpfen kommt, die das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht stören

Für Verteilungskämpfe werden also nicht Interessengegensätze, sondern Unwissenheit bei den Tarifparteien verantwortlich gemacht. Der Sachverständigenrat vertritt damit eine semantische Konflikttheorie: nicht inkongruente Werte, Interessen und Zielvorstellungen sind für ihn die Ursache sozialer Konflikte, sondern bloße Mißverständnisse zwischen den sozialen Kontrahenten

Auf der Basis dieses Gesellschaftsbildes liegt die Schlußfolgerung des Sachverständigenrates nahe: Es bedarf einer Einrichtung, die das Informationsniveau aller Gruppen und Körperschaften in glaubwürdiger Weise hebt, damit niemand mehr das Gesamtproblem nur unter partiellen Aspekten sieht und jedem klar wird, welche Vorteile die Zurückstellung kurzfristiger Interessengegensätze zugunsten eines mittelfristigen Interessenausgleichs für alle bringen kann Die Funktion der Konzertierten Aktion soll also darin bestehen, so-ziale Konflikte zu eliminieren, indem sie „einen Friedensschluß vor einem möglichen Verteilungskampf" herbeiführt.

2. Das Schiller-Konzept

Neben den Sachverständigengutachten prägten vor allem die Äußerungen des früheren Wirtschafts-und Finanzministers Schiller die Diskussion über die Konzertierte Aktion. Ausgangspunkt der Schillerschen Überlegungen ist die bereits im ersten Abschnitt erwähnte Konfliktsituation, in der sich die Regierung unter den Bedingungen von Tarif-autonomie und unternehmerischer Dispositionsfreiheit befindet: Einerseits trägt sie für den Bereich der Wirtschaftspolitik die Verantwortung, andererseits kann sie ohne Unterstützung der großen sozialen Gruppen, die autonom über Löhne, Preise und Investitionen entscheiden, die Ziele des magischen Vierecks nicht verwirklichen.

Schiller hielt es deshalb für erforderlich, gesellschaftlich mit den organisierten Gruppen „zu einer Kooperation zu gelangen und gleichzeitig diese autonomen Gruppen zu einer Kooperation miteinander hinzuführen'' Diesem Ziel sollte die Konzertierte Aktion dienen, bei der durch den „Austausch von Informationen zwischen allen für den Wirtschaftsprozeß verantwortlichen Instanzen" eine stärkere Transparenz der Interessen und die stärkere Einsehbarkeit der ökonomischen und politischen Zusammenhänge erreicht werden sollte Als Ergebnis dieses Informationsaustausches wird dann ein anderes, „rationaleres" Verhalten erwartet, als ob die Gespräche nicht stattgefunden hätten. Wenngleich jeder „frei nach der Sitzung aus dem Hause gehen und seine eigenen Entschlüsse ... treffen kann" so soll doch das, was in der Konzertierten Aktion diskutiert wird, im Gedächtnis der Teilnehmer haftenbleiben und in den Datenkranz der das Verhalten bestimmenden Faktoren mit eingehen.

Mit dieser Konzeption schloß sich Schiller zumindest teilweise den Überlegungen des Sachverständigenrates an. Denn wie die „fünf Weisen" verfolgte auch er mit den Gesprächen in der Konzertierten Aktion die Absicht, die Tarifparteien von den (negativen) Folgen etwaiger Verteilungskämpfe zu überzeugen. Im Unterschied zum Rat betonte er allerdings, daß die Konzertierte Aktion Konflikte, die für ihn ein notwendiges und unabänderliches Element jeder freiheitlichen Gesellschaftsordnung sind, weder vollends beseitigen kann noch beseitigen will. Vielmehr ging es ihm darum, Konfliktfelder einzugrenzen und allen transparent zu machen

Seine Hoffnungen, ungeachtet aller sozialer Spannungen in der Gesellschaft zu einem gemeinsamen, aufeinander abgestimmten Verhalten zu kommen, gründen sich auf den Glauben an die Mobilisierbarkeit eines Konsensus zwischen den politischen und den wirtschaftlich-gesellschaftlichen Führungsgruppen (Elitenkonsensus). Gesellschaftstheoretisch geht Schiller also von der Annahme aus, daß ein solcher Konsensus latent vorhanden ist. Er teilt damit die im Rahmen der Pluralismustheorie vertretene Auffassung, daß die Gesellschaft durch einen Kern nichtkontroverser Maßstäbe und eine alle soziale Gruppen umfassende Wertegemeinschaft über ein Feld von Zwischenzielen wie etwa Vollbeschäftigung, Preisniveaustabilität und Wirtschaftswachstum zusammengehalten wird 3. Die Vorstellungen der Tarifkontrahenten Völlig anders als der Sachverständigenrat und Schiller beurteilten Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften die Konzertierte Aktion. Die Arbeitgeberverbände sahen die Gesprächsrunde als ein Abwehrinstrument gegen gewerkschaftliche Lohnansprüche an. Infolgedessen drängten sie darauf, über die Entwicklung der Einkommen, von denen die Lohneinkommen ohne Zweifel die volkswirt-schaftlich bedeutsamste Gruppe sind, in der Konzertierten Aktion mit zu diskutieren

Hinter diesem Verlangen der Arbeitgeber steht das Interesse an einer stärkeren Regulation des Lohnanstiegs, die die Kalkulierbarkeit der Kosten für die Unternehmer erhöhen und damit die Planung innerbetrieblicher Investitions-und Entwicklungsvorhaben spürbar erleichtern würde

Darüber hinaus erhofften sie sich, daß der in der Konzertierten Aktion erzielbare „Konsensus omnium" ein Abgleiten der Wirtschaftspolitik in den staatlichen Einzeldirigismus verhindert Mit anderen Worten: Sie befürchteten, daß der Staat, wenn es ihm nicht gelingt, die wirtschaftspolitischen Ziele zu realisieren, zu Einzeldirigismen greifen könnte, die die unternehmerische Dispositonsfreiheit und ihre damit verknüpfte innerbetriebliche und gesellschaftliche Machtposition antasten würde. Insofern sollte die Konzertierte Aktion der Eindämmung von Bestrebungen dienen, die auf eine für die gesellschaftliche Stellung der Unternehmer ungünstige Weiterentwicklung der gegenwärtigen Wirtschafts-und Gesellschaftsordnung hinauslaufen könnten.

Von gänzlich anderen Vorstellungen gingen die Gewerkschaften aus, als sie sich 1967 bereit erklärten, an der Konzertierten Aktion mitzuwirken. In ihrem Grundsatzprogramm von 1963 fordern sie ein Nationalbudget, an dessen Vorbereitung sie jeweils beteiligt werden sollten

Die Konzertierte Aktion in Verbindung mit der „Neuen Wirtschaftspolitik", zu deren wesentlichem Bestandteil die alljährliche Vorlage eines Jahreswirtschaftsberichts mit einer wirtschaftspolitischen Zielprojektion gehört, schien den Gewerkschaften nun die Erfüllung dieser langjährigen Forderung zu sein. Sie glaubten, in der Konzertierten Aktion eine Plattform gefunden zu haben, von der aus sie nicht nur die Konjunkturpolitik der Regierung beeinflussen, sondern auch über langfristige gesellschaftliche Reformvorhaben und Planungen mitbestimmen könnten Die Konzertierte Aktion sollte also nicht ein Instrument zur Bewahrung, sondern zur schrittweisen Veränderung des wirtschafts-und gesellschaftspolitischen Status quo sein.

III. Die Praxis der Konzertierten Aktion und ihre Rückwirkung auf die Konzeptionen

Die Wirklichkeit der Konzertierten Aktion wich indessen von dem, was sich alle von ihr versprochen hatten, wesentlich ab. Zu Anfang setzten auch noch breite Teile der Öffentlichkeit auf die Effizienz der Konzertierten Aktion große Hoffnungen, die vor allem durch den Ablauf der ersten Gespräche 1967 mit geweckt wurden. '

Es stellte sich jedoch bald heraus, daß die Übereinstimmung der Beteiligten, wie sie in den im Anschluß an die Sitzungen veröffentlichten Kommuniques zum Ausdruck kam, in Wirklichkeit nur formal war. Man einigte sich nämlich auf nichtssagende Leerformeln, die von allen Teilnehmern in ihrem Sinne interpretiert werden konnten. Dazu gehörten beispielsweise nicht näher erläuterte Ausdrücke wie „negative Lohnpolitik", „die Massenkaufkraft stärkende Lohnpolitik”, „nachhaltige Kräftigung der privaten Investitionen", „soziale Symmetrie" usw. Mit diesen Leerformeln gelang Schiller zumindest teilweise die Integration der konfligierenden Gruppen auf der Basis eines formalen Minimalkonsensus. Während des Jahres 1967 wirkte sich die lediglich formale Übereinstimmung aber noch nicht störend für den Erfolg der Konzertierten Aktion aus. Denn die deutsche Volkswirtschaft hatte sich 1967 von der Rezession noch nicht erholt, so daß weder die Unternehmer große Preiserhöhungsspielräume hatten noch die Gewerkschaften hohe Lohnsteigerungen durchsetzen konnten.

Zu einer ersten ernsthaften Belastungsprobe kam es für die Konzertierte Aktion indessen bereits Ende 1967, als die Gewerkschaften darauf bestanden, die versprochene „soziale Symmetrie" herzustellen und bei den Gesprächen nicht nur konjunkturpolitische Fragen, sondern auch sozial-und gesellschaftspolitische Probleme zu diskutieren. Die Arbeitgeber weigerten sich mit der Begründung, daß die Konzertierte Aktion eine ausschließlich konjunkturpolitische Zielsetzung verfolge. Um den auftauchenden Konfliktstoff von den Hauptgesprächen fernzuhalten, schlug Schiller vor, zwei Arbeitsgruppen zu bilden. Eine befaßte sich mit Fragen der Automation und ist inzwischen in der von der Konzertierten Aktion unabhängigen Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel aufgegangen Eine zweite sollte sich mit der mittelfristigen Einkommensentwicklung, Einkommensverteilung und Vermögensbildung beschäftigen. Wegen der politischen Brisanz des Beratungsgegenstandes dieser Arbeitsgruppe ist es nicht überraschend, daß bisher zwischen den Mitgliedern dieser Untergruppe keine Übereinkunft erzielt werden konnte und konkrete Ergebnisse noch ausstehen.

Mit der Zeit wurde die Zahl der Teilnehmer an den Beratungen immer größer, weil Verbände, die ursprünglich nicht zum Kreis gehörten, den Wirtschaftsminister bedrängten, auch „dabeisein zu dürfen". Darunter litten nicht zuletzt Übersichtlichkeit und Arbeitsfähigkeit der Runde. Zur Zeit nehmen mehr als 50 Vertreter der einzelnen Organisationen und Gremien teil Dazu kommen noch die jeweiligen Experten bzw. persönlichen Referenten der Eingeladenen, so daß die Gesprächsrunde inzwischen mehr als 100 Personen umfaßt. Es ist einleuchtend, daß schon allein aus diesen Gründen ein fruchtbarer Dialog schwerfällt.

Am heftigsten umstritten waren von Anfang an die Orientierungsdaten für die Lohnentwicklung. Vertreter der Tarifparteien aber auch linkssozialistisch orientierte Sozialwissenschaftler sahen in ihnen einen Angriff auf die Tarifautonomie und kritisierten die Daten deshalb sehr stark.

\ Die Taktik, mit der Schiller die Orientierungsdaten handhabte, deutete zweifellos darauf hin, daß er sich von ihnen eine Wirkung im Sinne seiner Ziele versprach. Im Anschluß an die zweite Sitzung am 1. /2. März 1967 versuchte er nämlich, gegen den Willen der Tarif-parteien Quasi-Lohnleitlinien in die Öffentlichkeit zu lancieren. Auf der Pressekonferenz, auf der er die Jahresprojektion des Bundeswirtschaftsministeriums erläuterte, gab er bekannt, daß die Tariflöhne auf Stundenbasis um rund 3, 5 v. H. steigen dürften. Im Zusammenhang mit dem offiziellen Kommunique, in dem von der Berücksichtigung der Orientierungsdaten bei den preis-und lohnpolitischen Entscheidungen die Rede war, mußte so in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen, als ob sich die Tarifkontrahenten mit der Regierung auf diese Lohnleitlinie geeinigt hätten. Auf ähnliche Weise versuchte er, die Tarif-parteien vor vollendete Tatsachen zu stellen und der Öffentlichkeit einen Konsensus vorzutäuschen, als er im Kommunique der Sitzung vom 17. März 1970 behauptete, daß alle Beteiligten die wirtschafts-und einkommens-politischen Ziele des Jahreswirtschaftsberichts 1970 mit den ihnen autonom zur Verfügung stehenden Mitteln weiterverfolgen wollten. Beide Male distanzierten sich die Tarif-parteien im nachhinein von den Erklärungen Schillers.

In der Praxis hatten die Orientierungsdaten jedoch eine geringere Wirkung, als ihre Kritiker befürchtet hatten. Lediglich 1968 blieb die Lohnsteigerungsrate innerhalb der von Schiller gesetzten Marge, in den folgenden Jahren übertrafen die Lohnerhöhungen die Orientierungsdaten erheblich Schiller mußte außerdem seit 1970 dem Druck der Gewerkschaften nachgeben und die Tariflohn-Orientierungsdaten aus den Jahreswirtschaftsberichten herausnehmen. Die statt dessen veröffentlichte Zahl „gesamtwirtschaftliche Effektivverdienstentwicklung je Arbeitnehmer" ist weitaus unpräziser und erlaubt keinerlei Rückschlüsse auf die „stabilitätskonforme" Tariflohnerhöhung im Einzelfall.

Allmählich ließ die anfängliche Euphorie über das neue Instrument der Wirtschaftspolitik nach. Die Harmonisierung der Zielvorstellungen und Strategien des Staates und der autonomen Gruppen blieb weitgehend aus. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände unterstrichen dies, indem sie eigene Zielprojektionen veröffentlichten. Abschlußkommuniques mußten auf Wunsch der Tarifparteien so abgefaßt werden, daß daraus auch die kontrovers beurteilten Probleme hervorgingen.

Da die Ergebnisse der Konzertierten Aktion hinter den Erwartungen, die die Teilnehmer in sie gesetzt hatten, zurückgeblieben sind, änderten sich auch die von ihnen vertretenen Konzeptionen.

Der Sachverständigenrat rückte von seinem früheren harmonistischen Gesellschaftsbild ab. Die Einkommenspolitik soll seiner Ansicht nach nicht mehr Verteilungskämpfe eliminieren, sondern „durch Diskussion, die unter den Anspruch der Sachlichkeit gestellt ist, den Streit entgegengesetzter Interessen entkrampfen und auf diese Weise allseits die Bedingungen für ein Verhalten, das marktgerecht über den Tag hinaus ist, verbessern"

Bei den Tarifparteien setzte sich die Erkenntnis durch, daß die Konzertierte Aktion nicht mehr ist als eine Veranstaltung zur allgemeinen Information und zu einem gegenseitigen Meinungsaustausch. Während die Arbeitgeberverbände enttäuscht waren, die Unterstützung der Regierung gegen gewerkschaftliche Lohnansprüche nicht gewonnen zu haben mußten die Gewerkschaften einsehen, daß die Konzertierte Aktion ihnen eine „überbetriebliche Mitbestimmung" nicht in dem erhofften Maße eingeräumt hatte

Die Informationsfunktion der Konzertierten Aktion stellten auch Schiller und seine Nachfolger im Wirtschaftsministerium, Schmidt und Friderichs, in den Vordergrund. Es mag allerdings dahingestellt bleiben, ob sich das Informationsniveau bei allen Beteiligten durch die Gespräche im Vergleich zu früher tatsächlich wesentlich erhöht hat. Der eigentliche Effekt der Konzertierten Aktion dürfte, abgesehen von der Publicity-Wirkung für den jeweiligen Minister, inzwischen darin bestehen, durch die häufigeren persönlichen und informellen Kontakte zwischen den Spitzen der Gewerkschaften, der Arbeitgeberverbände und der Regierung eine etwas entkrampftere Atmosphäre geschaffen zu haben. Ob das allein zu einem anderen Verhalten der Tarifparteien beitragen kann, soll der folgende Abschnitt beantworten.

IV. Grenzen der Zusammenarbeit von Staat und Verbänden in der Wirtschaftspolitik

Die geringe Effizienz der Konzertierten Aktion wirft die Frage nach den Ursachen ihres Versagens auf. Woran scheitert ein gemeinsames, aufeinander abgestimmtes Verhalten aller für den Wirtschaftsablauf verantwortlichen Instanzen?

Zunächst einmal ist daran zu erinnern, daß die Konzertierte Aktion als drittes Instrument neben der Geld-und Finanzpolitik zur Inflationsbekämpfung eingesetzt werden sollte. Man ging somit davon aus, daß die von geld-und finanzpolitischen Maßnahmen gesetzten Marktdaten allein nicht in der Lage sind, den autonomen Gruppen die Spielräume für stabilitätswidriges Verhalten total zu beschneiden

Im Grunde genommen enthält diese These das Eingeständnis, daß die marktwirtschaftliche Steuerung in einer oligopolisierten Wirtschaft nicht mehr hinreichend funktioniert. Denn das individuelle Streben nach dem maximalen eigenen Vorteil führt nicht mehr zu einem harmonischen Ausgleich der Interessen und dadurch zum Wohl aller, wie die Liberalen unterstellten, sondern im Gegenteil zu einer Überbeanspruchung des volkswirtschaftlichen Angebotspotentials, deren Folge inflatorische Prozesse sind. Gerade dieser Überbeanspruchung der Ressourcen soll aber mit der Konzertierten Aktion begegnet werden, indem in den Gesprächen an die Teilnehmer appelliert wird, die ihnen gegebenen Marktchancen nicht voll zu ihren Gunsten auszunutzen. Erhofft wird also nicht ein der Marktwirtschaft adäquates, sondern ein den marktwirtschaftlichen Prinzipien zuwiderlaufendes Verhalten. >

Schon sehr frühzeitig hat Erich Schneider darauf aufmerksam gemacht, daß eine solche „Einkommenspolitik der leichten Hand" in einer Marktwirtschaft illusorisch ist Wie wenig wahrscheinlich ein Verzicht der Gruppen auf die Ausnutzung ihrer vollen Marktchancen ist, zeigen auch die Konsequenzen, die eine Gruppe bei einseitigem stabilitätskonformen Verhalten zu tragen hätte.

Würden sich etwa die Gewerkschaften mit ganz geringfügigen Lohnerhöhungen zufriedengeben, die Unternehmer aber nicht bereit sein, auf Preiserhöhungen, die der Markt zuläßt, zu verzichten, so ergäbe sich eine für die Arbeitnehmer ungünstigere Einkommens-verteilung. Umgekehrt würden die Gewinne der Unternehmer schrumpfen und sich die Einkommensverteilung zu ihren Lasten verschieben, wenn sie auf Preiserhöhungen verzichteten, die Gewerkschaften aber eine aggressive Lohnpolitik betrieben. Mit anderen Worten: Ein Verzicht auf volles Ausnutzen der Marktchancen wirkt sich zum Nachteil einer Gruppe aus, wenn die anderen nicht diesem guten Beispiel folgen.

Dieses Dilemma ist auch die Ursache für die geringen Erfolgsaussichten des neuerdings wieder vorgeschlagenen Stabilitätspaktes. Wird der Stabilitätsbeitrag einer Gruppe nicht durch eine entsprechende Zurückhaltung der anderen Gruppe honoriert, meldet die benachteiligte Gruppe einen Nachholbedarf an, dessen Durchsetzung wieder Abwehr-reaktionen und erneute Forderungen der Gegenseite auslöst.

Dem Sachverständigenrat ist also insofern zuzustimmen, als die Ursache für den schleichenden Preisanstieg tatsächlich in dem Bemühen aller Unternehmen, Gruppen und Körperschaften zu sehen ist, durch Ausnutzen der vollen Marktchancen ihren jeweiligen Anteil am Bruttosozialprodukt zu erhöhen. Nicht geteilt werden kann jedoch die Auffassung des Rates, daß dieser Verteilungskampf auf Unwissenheit der Beteiligten über volkswirtschaftliche Zusammenhänge zurückzuführen ist.

Der Verteilungskampf muß vielmehr als Ausfluß des in einer Gesellschaft vorhandenen Dissenses über eine gerechte Verteilung des Sozialproduktes betrachtet werden. Jede Gruppe, sogar jeder einzelne hat eine andere Vorstellung darüber, wie eine gerechte Verteilung der Güter auszusehen hätte. Der Hinweis, „jeder soll soviel bekommen, wie er zum Bruttosozialprodukt beigetragen hat", bringt keinen Schritt weiter, weil der Beitrag des einzelnen (und auch seine Leistung) nicht ermittelt werden kann Da objektive und unumstrittene Maßstäbe für eine gerechte Verteilung fehlen, ist jede Gruppe bestrebt, ihre Auffassungen von Gerechtigkeit durchzusetzen. Die sich aus diesem Kampf ergebende Einkommens-und Vermögensverteilung ist dann ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Machtverhältnisse.

Wäre ein gesamtgesellschaftlicher Konsensus über eine gerechte Verteilung zu erzielen, so ließe sich auch ein gemeinsames, aufeinander abgestimmtes Verhalten aller auf freiwilliger Basis erreichen. Denn derjenige, dem der Markt ein zusätzliches Einkommen zuspielt, wäre dann vermutlich bereit, darauf zu verzichten und es einem anderen zuzuführen, weil es seinen eigenen Gerechtigkeitsvorstellungen entspräche.

Die Übereinstimmung über den Inhalt des Verteilungszieles fehlt indessen gerade zwischen den Gruppen, auf die es bei der Stabilitätspolitik vor allem ankommt: zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften. Die inkongruenten wirtschaftspolitischen Zielprojektionen des DGB und des Gemeinschaftsausschusses der deutschen gewerblichen Wirtschaft lassen die Interessengegensätze ganz klar hervortreten. Dem Ziel der Gewerkschaften, die Einkommens-und Vermögens-verteilung zugunsten der Arbeitnehmer zu verändern und deren sozialen Status zu verbessern, steht das Bestreben der Arbeitgeber-verbände gegenüber, die gewerkschaftlichen Ansprüche abzuwehren und die Verteilung von Einkommen, Macht und sozialem Status eventuell sogar noch zu ihren Gunsten zu verschieben.

Bei den Meinungsverschiedenheiten zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden handelt es sich folglich nicht um Führungskonflikte bei denen es um reine Methoden und Zweckmäßigkeitsfragen geht; vielmehr manifestieren sie Herrschaftskonflikte, weil gegensätzliche Interessen, Werte und Zielvorstellungen der sozialen Klassen berührt werden.

Neuere empirische politologische Untersuchungen stützen diese Behauptungen vom mangelnden Konsensus in komplexen Industriegesellschaften Zwar finden allgemein formulierte politische und soziale Grundsätze in der Bevölkerung ein großes Maß an Zustimmung. Dieser hohe Konsensus bricht indessen sofort in sich zusammen, sobald die Grundsätze genauer interpretiert und spezifische Folgerungen für die Verhaltensweisen aus diesen Sätzen gezogen werden.

Auch innerhalb der Eliten zwischen denen Schiller glaubte einen Konsensus mobilisieren zu können, existiert allenfalls ein minimaler Fundamentalkonsensus, soweit er sich auf die Spielregeln und Verhaltensmaßstäbe der parlamentarischen Demokratie bezieht Sobald man jedoch diesen engen Bereich politisch-institutioneller Regeln verläßt, fehlt auch hier eine Übereinstimmung. Zwar bekennen sich beide Sozialkontrahenten zum demokratischen und sozialen Rechtsstaat und zu einem freiheitlichen Wirtschafts-und Gesellschaftssystem, doch hinter diesen interpretierungsbedürftigen Formeln verbergen sich verschiedene und z. T. gegensätzliche Vorstellungen in bezug auf die wünschenswerte Wirtschafts-und Gesellschaftsordnung

Gegen die hier vertretene These von einem antagonistischen Verhältnis zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden ließe sich vielleicht einwenden, daß die geringe Anzahl von Streikbewegungen in der Bundesrepublik auf das Gegenteil, nämlich ein entspanntes soziales Klima, hindeute. Wenn fest-zustellen ist, daß sich die Tarifparteien meistens auf dem Verhandlungswege einigten, so dürften doch eigentlich die Interessengegensätze zwischen beiden nicht allzu groß sein.

Dieser Einwand verkennt die wesentlichen Strukturunterschiede zwischen einem Tarif-kampf und der Konzertierten Aktion. Bei einer Tarifauseinandersetzung ist nämlich der Verhandlungsgegenstand in der Regel negoziabel, weil zwischen (quantitativer) Forderung der einen und (ebenso quantitativem) Angebot der anderen Seite ein Kompromiß gefunden werden kann, der keine der Parteien in die Rolle des Verlierers versetzt. Außerdem haben sowohl Gewerkschaften als auch Arbeitgeberverbände Interesse an einer Einigung. Denn beide wollen einen Eingriff des Staates in die Tarifautonomie verhindern und bemühen sich deshalb um schnelle Abschlüsse, um der Regierung keinen Anlaß zu einem staatlichen Lohndiktat zu geben. Ein „Friedensschluß auf Zeit" kommt daher ohne weiteres bei Tarifverhandlungen zustande.

In der Konzertierten Aktion versuchte demgegenüber jeder Teilnehmer, seine Machtposition zu festigen und auszubauen und Einfluß auf die Aktionsparameter der anderen zu gewinnen. Die Regierung möchte, wenn auch ohne hoheitlichen Zwang, die Politik der Tarifparteien beeinflussen, ohne ihnen aber, quasi als „Gegenleistung", wirksame Mitbestimmungsrechte bei den Regierungsentscheidungen einzuräumen. Die Arbeitgeberverbände wollten ihre gesellschaftliche Machtstellung sichern, indem sie die Konzertierte Aktion als Abwehrinstrument gegen alle Veränderungen einzusetzen versuchten, die ihren Interessen zuwiderlaufen. Die Gewerkschaften beabsichtigten ihrerseits, die Konzertierte Aktion als Instrument zu benutzen, um ihre gesellschaftspolitischen Vorstellungen einer Machtumverteilung zugunsten der Arbeitnehmer durchzusetzen.

Die Auseinandersetzungen über die adäquate Aufgabenstellung der Konzertierten Aktion und über den Kreis der in den Gesprächen zu diskutierenden Fragen sind also äußere Anzeichen des Ringens aller Teilnehmer um mehr politische und ökonomische Macht. In der Praxis ist es indessen keinem von ihnen gelungen, seine Konzeption der Konzertierten Aktion zu verwirklichen und damit seine eigene gesellschaftliche Machtposition zu vergrößern. Vielmehr ist das Streben aller nach mehr Macht unentschieden Die ausgegangen.

Regierung hat nicht mehr Einfluß auf die Tarifpolitik, die Tarifparteien nicht mehr Mitentscheidungsmöglichkeiten über die Regierungspolitik als vorher

Auf der Basis der geschilderten Interessen-konstellation und der divergierenden Konzeptionen von der Konzertierten Aktion kann in der Gesprächsrunde nur eine formale Übereinstimmung erzielt werden, es sei denn, eine außergewöhnliche Situation, wie z. B. eine Depression oder ein Krieg erzeugt übergeordnete gemeinsame Interessen und übt einen Zwang zur Einigung aus. Probleme der Verteilung von Einkommen und Macht in der Gesamtgesellschaft, die mit jeder Konjunkturpolitik untrennbar verknüpft sind und deshalb in einer Runde wie der Konzertierten Aktion immer wieder zur Sprache kommen, sind derart interessenbezogen und daher kontrovers, daß ohne ersichtlichen Einigungsdruck kein Konsensus erzielt werden kann und die Konzertierte Aktion im Rahmen der Unverbindlichkeit bleiben muß.

Akzeptiert man diese These von der struktur-bedingten konsensualen Leistungsschwäche der Konzertierten Aktion, so scheidet das „autonome Verbandsinteresse", auf das gelegentlich noch verwiesen wird als Erklärung für das Scheitern der Verhaltensabstimmung aus. Mit dem Ausdruck „autonomes Verbandsinteresse" will man andeuten, daß die Funktionäre der Verbände mehr für die Aufrechterhaltung des Verbandes als für die Durchsetzung der von den Mitgliedern artikulierten Interessen arbeiten. Dieses Verhalten könne dazu führen, daß von den Verbands-spitzen Forderungen allein deshalb gestellt würden, um die Existenznotwendigkeit des Verbandes zu beweisen und nicht, um Wünsche der Mitglieder zu vertreten.

Ohne generell leugnen zu wollen, daß „autonomes Verbandsinteresse" in der Verbands-politik gelegentlich eine Rolle spielt sei an dieser Stelle kritisch auf das in diesem Konzept enthaltene Konfliktverständnis aufmerksam gemacht. Konflikt wird danach als von Verbandsfunktionären aus berufsegoistischen Motiven produzierte Auseinandersetzung begriffen. Man geht also davon aus, daß die einzelnen Bürger im Grunde genommen mit der Gesellschaft, so wie sie ist, zufrieden sind und Konflikte nur entstehen, weil die verschiedenen Verbandsspitzen miteinander inkompatible Forderungen stellen. Der These vom „autonomen Verbandsinteresse" ist daher ebenso wie dem Sachverständigenratskonzept ein harmonistisches Gesellschaftsbild vorzuwerfen.

Von größerer Relevanz für eine Konsensusbildung als das Verhalten der Verbandsspitzen sind demgegenüber die Reaktionen der Verbandsmitglieder. Sowohl neoliberale Autoren als auch Vertreter der sogenannten „Neuen Linken“ geben zu bedenken, daß eine Verhaltensabstimmung, käme sie in der Konzertierten Aktion zustande, innerverbandliehe Konflikte auslösen würde, weil die Mitglieder von ihren Organisationen eine kompromißlose Vertretung ihrer materiellen Interessen verlangen. Im Gegensatz zur These vom „autonomen Verbandsinteresse" wird also hier der Konfliktherd nicht bei den Verbandsspitzen, sondern an der „Basis" gesehen.

Im Grundsatz kann die Möglichkeit verbands-interner Widerstände als Antwort auf einen Kompromiß bei der gesamtwirtschaftlichen Verhaltensabstimmung nicht ausgeschlossen werden. Allerdings ist in diesem Zusammenhang vor allzu eilfertigen Schlüssen aus empirischen Tatbeständen, wie etwa den spontanen Arbeitsniederlegungen im September 1969, zu warnen.

Untersuchungen dieser Streiks kamen nämlich zu dem Resultat, daß die Aktionen weder gegen das Verhalten der Gewerkschaften in der Konzertierten Aktion noch gegen das bestehende Wirtschaftssystem gerichtet waren. Vielmehr waren spezifisch-betriebliche Besonderheiten, vor allem Unterschiede bei der Entlohnung in den Betrieben desselben Konzerns, der auslösende Faktor für die Kampfmaßnahmen

Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß die Konzertierte Aktion im Sommer 1969 mehrere Monate nicht zusammengetreten war. Es läßt sich deshalb zumindest fragen, ob die wilden Streiks nicht zu vermeiden gewesen wären, wenn die Gewerkschaften kurz vorher in dieser Runde Gelegenheit gehabt hätten, Regierung und Arbeitgeberverbände auf die Unruhe in den Betrieben aufmerksam zu machen. Da keinem der Beteiligten an wilden Streiks gelegen sein konnte, hätte in diesem Falle ein Konsensus über vorbeugende Maßnahmen, etwa vorzeitige Tarifverhandlungen, wahrscheinlich leicht erzielt werden können.

Ob und wann überhaupt die Mitglieder ihre Gewerkschaften zu einer aggressiven Politik zwingen, die mit einer gesamtwirtschaftlichen Verhaltensabstimmung kollidiert, kann nicht generell gesagt werden. Da die Arbeitnehmerschaft nicht in sich geschlossen ist, sondern in konfliktbereite, konfliktscheue und indifferente Gruppen zerfällt, hängt ihre jeweilige Reaktion von einer Reihe von Faktoren ab. Betriebliche Besonderheiten und Ereignisse, Einschätzungen der Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes, gewerkschaftlicher Organisationsgrad und individuelle familiäre und wirtschaftliche Verhältnisse dürften unter diesen Faktoren vermutlich die wichtigsten sein. Größerer Kritik sahen sich die Verbandsspitzen von selten der unteren und mittleren Funktionärsschicht und der Aktivisten ausgesetzt. Vor allem auf verschiedenen Gewerkschaftstagen gab es eine starke Minderheit, die die Konzertierte Aktion scharf angriff und sogar einen Austritt der Gewerkschaften forderte, ohne jedoch mit ihrem Anliegen jemals durchzudringen. Aber auch das BDI-Präsidium sprach sich dafür aus, notfalls die Konzertierte Aktion zu verlassen-, man sah in der Veranstaltung keinen Sinn mehr, nachdem klar-geworden war, daß die Lohnentwicklung damit nicht gebremst werden konnte.

Doch unabhängig davon, ob die Verbandsspitzen von der Basis oder von der unteren und mittleren Funktionärsebene wegen ihres Verhaltens in der Konzertierten Aktion kritisiert und zu einer aggressiven Politik angehalten werden, die Ursache dieses Aufbegehrens liegt letztlich in der Unzufriedenheit der Betreffenden mit gesellschaftlichen Zuständen. Folglich sind als Erklärung für das Versagen der Konzertierten Aktion die das Verhalten der Individuen und Gruppen bestimmenden unterschiedlichen Gerechtigkeitsvorstellungen anzuführen, die jede Gruppe in einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung versuchen darf zu realisieren, solange sie sich dabei im Rahmen der demokratischen Spielregeln bewegt.

V. Alternativen zur Konzertierten Aktion?

Nachdem sich der Traum einer das Preis-niveau stabilisierenden Konzertierten Aktion nicht erfüllt hat, liegt die Frage nach brauchbaren Alternativen nahe. Schon 1969 machte Joachim Klaus den Vorschlag, die unverbindliche Konzertierte Aktion durch einen volkswirtschaftlichen Koordinierungsrat zu ersetzen, der in kooperativer Weise verbindliche Entscheidungen fällen und mit Weisungsbefugnis ausgestattet sein sollte Vieles spricht allerdings dafür, daß diese „lohnpolitisch-wirtschaftspolitisch integrative Abstimmung" noch weniger funktionsfähig wäre als die Konzertierte Aktion.

Abgesehen von der von Klaus selbst als klärungsbedürftig angesehenen verfassungspolitischen Problematik in bezug auf Tarifautonomie und Parlamentssouveränität lassen sich gegen die Konstruktion eines derartigen Koordinierungsgremiums mehrere Bedenken anmelden:

1. Nach den Vorstellungen von Klaus sollen die Entscheidungen in kooperativer Regelung getroffen werden, d. h. nicht die Mehrheit, sondern die Zustimmung aller relevanten Gruppen wäre für eine Entscheidung erforderlich. Zweifellos will Klaus mit seiner Forderung nach Einstimmigkeit Entscheidungen verhindern, die für eine Gruppe unannehmbar sind und deshalb von ihr nicht respektiert werden. Die politische Erfahrung lehrt aber, daß jedes Gremium, in dem man Einstimmigkeit verlangt, in seinen Entscheidungen blokkiert wird. Konsensus läßt sich nicht durch Abstimmungs-und Entscheidungsmodalitäten erzwingen. Der UN-Sicherheitsrat liefert auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen ein abschreckendes Beispiel dafür. 2. Mit der Teilnahme an einem Gremium, das verbindliche gesamtwirtschaftliche Entscheidungen treffen kann, wäre ein Funktionswandel der Verbände verknüpft. Großorganisationen wie Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sind im politischen Willensbildungsprozeß einerseits Transformatoren von unten nach oben, indem sie die Interessen ihrer Mitglieder gegenüber politischen Instanzen artikulieren. Andererseits sind sie auch Transformatoren von oben nach unten und üben dadurch eine Ordnungsfunktion aus, daß sie „bei hinreichendem Entgegenkommen der Kontrahenten das störungsfreie Kooperieren ihrer Gefolgschaft" gewährleisten.

Die Zustimmung zu Kompromissen im volkswirtschaftlichen Koordinierungsrat würde die Verbandsspitzen verpflichten, die Entscheidungen gegenüber den Mitgliedern zu vertreten und durchzusetzen. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit verlagerte sich dann auf die Ordnungsfunktion. Sie würden mehr und mehr zu einem Transmissionsriemen staatlicher Politik degradiert.

Da schon bei unverbindlichen Gesprächen in der Konzertierten Aktion insbesondere in den Gewerkschaften erhebliche innerverbandliche Widerstände auftraten, ist kaum zu erwarten, daß eine verbindliche „Konzertierte Aktion ä la Klaus" von den zuständigen Gremien der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände sanktioniertwürde.

3. Ein funktionsfähiger volkswirtschaftlicher Koordinierungsrat setzte eine andere inneror-ganisatorische Struktur bei Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden voraus. Die Spitzenorganisationen DGB und BDA haben z. Zt. keinerlei Weisungsbefugnis gegenüber ihren angeschlossenen Verbänden, in deren Zuständigkeit der Abschluß von Tarifverträgen fällt. Folglich müßten die Vertreter beider Seiten autorisiert werden, für das Verhalten ihrer angeschlossenen Verbände verbindliche Zusagen abzugeben. Das käme einer Kompetenz-und Machtverschiebung zu den Dachorganisationen gleich, die sich bei beiden Sozialkontrahenten politisch vermutlich nicht durchsetzen ließe.

Andere Vertreter der Wirtschaftswissenschaft plädieren im Kampf gegen den Preisauftrieb nach wie vor für eine effizientere Geld-und/oder Fiskalpolitik. Es braucht an dieser Stelle nicht näher auf den Streit zwischen „Fiskalisten" und „Monetaristen" eingegangen zu werden Denn beide Stabilisierungskonzeptionen laufen trotz ihrer unterschiedlichen strategischen Ansatzpunkte schließlich darauf hinaus zu versuchen, durch eine starke restriktive Politik den Sozialkontrahenten jeden Spielraum für die Durchsetzung ihrer Verteilungsansprüche zu nehmen. Stabilitätswidriges Verhalten von einer der beiden Seiten mit dem Ziel, den eigenen Anteil am Sozialprodukt zu erhöhen, löste unter diesen Bedingungen einen Beschäftigungsrückgang aus (Reprivatisierung des Beschäftigungsrisikos).

Wenngleich eine restriktivere Geld-und/oder Fiskalpolitik vielleicht einen das Preisniveau stabilisierenden Effekt hätte, so bleibt doch als negativ zu beurteilende Nebenwirkung solcher Maßnahmen entweder die Verletzung des Vollbeschäftigungszieles oder die Zementierung des Status quo der Einkommensverteilung. Es ist fraglich, ob mehr Preisniveaustabilität eine der beiden Nebenwirkungen mit ihren hohen sozialen Kosten lohnt und ob eine Regierung überhaupt den Mut aufbrächte, ein solches Programm gegen die sicherlich heftigen Widerstände der Tarifparteien durchzusetzen. In anderen westlichen Ländern, in denen man schon früher als in der Bundesrepublik auf ähnliche Art eine Verhaltensabstimmung mit den Tarifparteien versucht hat, mußte ebenfalls nach einigen Jahren ein Scheitern der Einkommenspolitik konstatiert werden. Man ging dann in den meisten Fällen zu dirigistischen Lohn-und Preiskontrollen oder zu befristeten Lohn-und Preisstopps über, ohne allerdings damit auf lange Sicht Erfolge erzielen zu können

Es steht zu befürchten, daß auch die Bundesregierung trotz derzeit noch gegenteiliger Beteuerungen in Kürze nicht umhinkommen wird, zu ähnlichen Maßnahmen zu greifen, wenn sich der augenblickliche Preisanstieg noch beschleunigen sollte. Zwar lehnen die meisten Wirtschaftsexperten einen Lohn-und Preisstopp ab, weil er administrativ schwer zu kontrollieren ist und zu einer enormen Steigerung der Unternehmergewinne führt Man erhofft sich aber von ihm eine psychologische Wirkung, die darin besteht, daß die Bevölkerung von der Ernsthaftigkeit der Regierungsbemühungen um Preisniveaustabilität überzeugt wird und eventuell in ihrem eigenen Verhalten keine hohe Inflationsrate mehr, antizipiert.

Als Fazit dieser Überlegungen bleibt nur resignierend festzustellen, daß z. Zt. keine praktikable Alternative zur Konzertierten Aktion existiert. Die Politische Wissenschaft weiß auf das Problem, wie die Verbände bei Aufrechterhaltung ihrer Autonomie wirksam in die Wirtschaftspolitik des Staates integriert werden können, immer noch keine Antwort. Ebensowenig hält die Wirtschaftswissenschaft eine marktwirtschaftliche Lösung parat, die das Preisniveau ohne Beschäftigungsrückgang und Wachstumseinbußen stabilisieren könnte. Der Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaft, Paul A. Samuelson, faßte diese bittere Erkenntnis 1971 in den Worten zusammen:

„Die schleichende Inflation ist die Malaria der modernen gemischten Volkswirtschaft.

Mit ihr zu leben, ist genauso unangenehm, wie die Malaria zu ertragen, und beide Leiden verschwinden nicht einfach von selbst. Aber anders als bei der Malaria kennen wir für die schleichende Inflation bislang kein Heilmittel, dessen Auswirkungen zumindest nicht genauso schlimm wären wie die Krankheit selbst."

Fussnoten

Fußnoten

  1. Unter Tarifautonomie wird hier der mit der Koalitionsfreiheit gewährleistete staatsfreie Raum zur eigenverantwortlichen Regelung von Einzelheiten des Arbeits-und Wirtschaftslebens durch die Sozialkontrahenten mit Hilfe von Tarifverträgen verstanden.

  2. Vgl. Instrumente der Konjunkturpolitik und ihre rechtliche Institutionalisierung, Gutachten vom 3. 6. 1956, abgedr. in: Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium, Bd. 4, Gutachten vom Januar 1955 bis Dezember 1956, Göttingen 1957, S. 54.

  3. Vgl. F. A. Hermens, Verfassungslehre, Köln und Opladen 1968, S. 408 ff.

  4. Vgl. A. Möller (Hrsg.), Kommentar zum Stabilitätsgesetz, Hannover 1969, S. 110.

  5. Vgl. Gesetz über die Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung vom 14. 8. 1963.

  6. Vgl. Sachverständigengutachten 1965/66, Tz. 185. — Sachverständigengutachten 1967/68, Tz. 373.

  7. Sachverständigengutachten 1965/66, Tz. 188, 192.

  8. Vgl. Sachverständigengutachten 1966/67, Tz. 242. — Sachverständigengutachten 1969/70, Tz. 215 ff.

  9. Sachverständigengutachten 1966/67, Tz. 248.

  10. Sachverständigengutachten 1964/65, Tz. 248; 1965/66, Tz. 194; 1697/68, Tz. 373; 1969/70, Tz. 70.

  11. Sachverständigengutachten 1969/70, Tz. 234 ff.

  12. Zur semantischen Konflikttheorie, die von der Annahme ausgeht, Konflikte seien Äußerungen von Mißverständnis, vgl. J. Bernard, The Sociological Study of Conflict, in: The Nature of Conflict, Paris 1957, S. 40. — Zum neuesten Stand der Konflikttheorie vgl. D. Senghaas, Konflikt und Konfliktforschung, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 21. Jhrg. (1969), S. 31 ff.

  13. Vgl. Sachverständigengutachten 1967/68, Tz. 246. — Sachverständigengutachten 1969/70, Tz. 242.

  14. Sachverständigengutachten 1969/70, Tz. 215.

  15. K. Schiller, Zukunftsorientierte deutsche Wirtschaftspolitik, abgedr. in: Bulletin des Presse-und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 80 vom 26. 6. 1968, S. 703.

  16. K. Schiller, Stabilität und Wachstum als wirtschaftspolitische Aufgabe, abgedr. in: Bulletin des Presse-und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 15 vom 14. 2. 1967, S. 120.

  17. K. Schiller, Zukunftsorientierte deutsche Wirtschaftspolitik, a. a. O., S. 703.

  18. K. Schiller, Reden zur Wirtschaftspolitik, Bd. 7, S. 83.

  19. K. Schiller, Reden zur Wirtschaftspolitik, Bd. 5, S. 69.

  20. Vgl. hierzu E. Fraenkel, Demokratie und öffentliche Meinung, in: ders., Deutschland und die westlichen Demokratien, Stuttgart 1964, S. 152 ff.; G. Colm, Zum Begriff des Allgemeinwohls, in: Soziale Verantwortung, Festschrift für Götz Briefs zum 80. Geburtstag, Berlin 1968, S. 27 ff.; F. A. Hermens, Staat, Interessen, Ideologien und politische Willensbildung, in: Verfassung und Verfassungswirklichkeit, Jahrbuch 1968, Teil 2, Köln und Opladen 1968, S. 164.

  21. Vgl. Jahresbericht der BDA 1967, S. 12.

  22. Vgl. W. Eichler, Von der Leitlinie zur Orientierungshilfe, in: Unternehmerbrief des Deutschen Industrieinstituts, Nr. 9 vom 2. 3. 1967, S. 1 f. — Vgl. auch J. Hirsch, Wissenschaftlich-technischer Fortschritt und politisches System, Frankfurt/Main 1970, S. 61.

  23. Vgl. hierzu die entsprechenden Stellen im Jahresbericht der BDA 1967, S. 12.

  24. Der entsprechende Passus im DGB-Grundsatzprogramm von 1963 lautet: „Aus der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ist der Rahmenplan in der Form eines Nationalbudgets zu entwickeln. Es enthält die Zielsetzung für die Entwicklung der Volkswirtschaft in einem bestimmten Zeitraum. An seiner Vorbereitung ist der Deutsche Gewerkschaftsbund zu beteiligen. Die Richtlinien des Nationalbudgets sind für die Organe der staatlichen Wirtschaftspolitik verbindlich. Sie geben die notwendigen Orientierungsdaten für die eigenen freien Entscheidungen in den Wirtschaftsbereichen und den Einzelwirtschaften."

  25. Vgl. R. Henschel, Konzertierte Aktion —-Autonomie und Planung, in: Gewerkschaftliche Monats-hefte, Nr. 4/1967, S. 204; G. Neemann, Die Wirtschaftspolitik der Gewerkschaften und der Bundesregierung in unserer Zeit, Referat, gehalten am 15. 5. 1968 auf dem 9. Ordentlichen Gewerkschaftstag der Gewerkschaft Leder, als Manuskript vervielfältigt, S. 14; H. Kluncker, Konzertierte Aktion — eine ungenützte Chance, in: OTV-Magazin, Nr. 4/1969, S. 5.

  26. Zu Aufgaben und Tätigkeit dieser Kommission vgl. die Informationsbroschüre „Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel".

  27. Zu den Teilnehmern gehören: Deutsche Bundesbank, Sachverständigenrat, Deutscher Gewerkschaftsbund, Deutsche Angestelltengewerkschaft, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Bundesverband der Deutschen Industrie, Deutscher Industrie-und Handelstag, Bundesverband des Deutschen Groß-und Außenhandels, Zentralverband des Deutschen Handwerks, Hauptgemeinschaft des Deutschen Einzelhandels, Deutscher Bauernverband, Deutscher Sparkassen-und Giroverband, Deutscher Beamtenbund, Bundesverband Deutscher Banken sowie Vertreter des Wirtschafts-, Finanz-, Arbeits-, Innen-und Landwirtschaftsministeriums und des Bundeskanzleramtes.

  28. Vgl. A. Christmann, Tarifautonomie und neue Wirtschaftspolitik, in: Gewerkschaftliche Umschau, 9/10— 1969, S. 206 ff.; R. Henschel, Gewerkschaften am Scheideweg, in: Gewerkschaftliche Monatshefte, Nr. 4/1969, S. 215 ff.; „Konzertierte Aktion schränkt Tarifautonomie ein", Interview mit Dr. Wolfgang Eichler, in: Wirtschaftsdienst IV/1967, S. 174 ff.

  29. Vgl. hierzu J. Huffschmid, Die Politik des Kapitals. Konzentration und Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik, Frankfurt/Main 1969; ders. Karl Schillers Konzertierte Aktion. Zur ökonomischen Formierung der Gesellschaft, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Heft 5/1967, S. 442 ff.; E. Hennig, Zur Kritik der Konzertierten Aktion, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Heft 5/1970, S. 508 ff.; J. Huffschmid u. a., Die Widersprüche des westdeutschen Kapitalismus und die Wirtschaftspolitik der SPD, in: Kursbuch 21, hrsg. von H. M. Enzensberger, S. 37 ff.; E. Schmidt, Ordnungsfaktor oder Gegenmacht. Die politische Rolle der Gewerkschaften, Frankfurt/Main 1971.

  30. Vgl. ausführlicher H. Adam, Die Konzertierte Aktion in der Bundesrepublik, Köln 1972, S. 49 ff. — Nicht auszurotten scheint bei manchen die Vorstellung zu sein, daß die Lohnerhöhungen nur wegen der wilden Streiks im September 1969 die Orientierungsdaten überschritten hätten. (Vgl. z. B. O. Jacobi, Konzertierte Aktion — ein Hirngespinst, in: express international vom 26. 9. 1972). Demgegenüber läßt sich empirisch nachweisen, daß die durchschnittlichen Tariflohn-und Gehaltserhöhungen von Januar bis August 1969 für Arbeiter und Angestellte beim Inkrafttreten der Verträge ca. 7 vH betrug, das Orientierungsdatum aber bei 5, 5 bis 6, 5 vH lag. — Vgl. A. Müller, Die Tarifbewegungen 1969, in: WWI-Mitteilungen, Heft 3/1970, S. 96.

  31. Sachverständigengutachten

  32. Vgl. Jahresbericht

  33. Vgl. P. Peschel, in: Nr. 10/1971, S. 625 ff.

  34. Daß die Globalsteuerung den Tarifparteien Aktionsspielräume offen läßt, betont J. Klaus, Lohn-politik und gesamtwirtschaftliche Zielsetzungen, in: Lohnpolitik und Einkommensverteilung, Schriften des Vereins für Sozialpolitik, N. F., Bd. 51, Berlin 1969, S. 99 ff.

  35. Vgl. E. Schneider, Einkommenspolitik in der Marktwirtschaft?, in: FAZ Nr. 218 vom 20. 9. 1966.

  36. Vgl. H. Albert, Macht und Zurechnung. Von der funktionellen zur institutioneilen Verteilungstheorie, in: Schmöllers Jahrbuch, 75. Jg., 1955, S. 57 ff.; R. Skiba, Die gewerkschaftliche Lohnpolitik und die Entwicklung der Reallöhne, Köln 1968, S. 132.

  37. Zum Begriffspaar Führungskonflikte — Herrschaftskonflikte vgl. u. a. H. Kohl, Pluralismus-kritik in der Bundesrepublik. Zur Pluralismus-debatte, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 12/70 vom 21. 3. 1970.

  38. Vgl. G. Lehmbruch, Strukturen ideologischer Konflikte bei Parteienwettbewerb, in: PVS 2/3— 1969, S. 285 ff., und die dort zitierte Literatur; M. Kaase, Demokratische Einstellungen in der Bundesrepublik Deutschand, in: Sozialwissenschaftliches Jahrbuch für Politik, Bd. 2, München 1972, S. 119 ff.

  39. Eine Analyse der westdeutschen Elite liefern W. Zapf, Wandlungen der deutschen Elite. Ein Zirkulationsmodell deutscher Führungsgruppen 1919 bis 1961, München 1965; R. Dahrendorf, Gesellschaft und Demokratie in Deutschland, München 1965; E. K. Scheuch, Führungsgruppen und Demokratie in Deutschland, in: Die Neue Gesellschaft, XIII (1966), S. 356 ff.; K. von Beyme, Die politische Elite in der Bundesrepublik, München 1971.

  40. Daß Eliten in der Regel „liberaler" und weniger dogmatisch eingestellt sind, hat für Deutschland auch Wildenmann festgestellt. Vgl. R. Wilden-mann, Germany 1930/1970 — The Empirical Findings, in: Sozialwissenschaftliches Jahrbuch für Politik, Bd. 2, München 1971, S. 56 f.

  41. Vgl. hierzu K. O. Hondrich, Die Ideologie von Interessenverbänden. Eine strukturell-funktionale Analyse öffentlicher Äußerungen des BDI, der BDA und des DGB, Berlin 1963.

  42. Vgl. ausführlicher H. Adam, Die Konzertierte Aktion in der Bundesrepublik, Köln 1972, S. 40 ff.

  43. Vgl. H. Hinz, Konjunktur und Herrschaft. Zur politisch-ökonomischen Analyse des Stabilitätsgesetzes, in: Konjunkturpolitik, 13. Jhrg. (1967), S. 288 ff.; ders., Konjunkturpolitik als Kampf um Einkommen, Vermögen und Macht, in: Frankfurter Hefte, 3/1971, S. 161 ff.

  44. Der Ausdruck stammt von Goetz Briefs. Vgl. hierzu G. Briefs, Staat und Wirtschaft ..., a. a. O., S. 132 f. Das „autonome Verbandsinteresse" wird immer wieder aufgegriffen von F. A. Hermens, Staat, Interessen, Ideologien und politische Willensbildung in: Verfassung und Verfassungswirklichkeit, Jahrbuch 1968, Teil 2, Köln und Opladen 1968, S. 163 f.

  45. Autonomes Verbandsinteresse dürfte mehr für Verbände zutreffen, die ein zeitlich begrenztes Interesse verfolgen und nach Beseitigung des Mißstandes, der Anlaß für ihre Gründung war, häufig nach einem Vorwand suchen, um noch eine Weile als Faktor des politischen Lebens anerkannt zu werden.

  46. Vgl. z. B. J. Werner, Funktionswandel der Wirtschaftsverbände durch die Konzertierte Aktion?, in: E. Hoppmann (Hrsg.), Konzertierte Aktion. Kritische Beiträge zu einem Experiment, Frankfurt/Main 1971, S. 119 ff.

  47. Vgl, z. B. E. Hennig, Zur Kritik der Konzertierten Aktion, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 15. Jhrg. (1970), S. 508 ff.

  48. Vgl. Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen (SOFJ), Am Beispiel der Septemberstreiks — Anfang der Rekonstruktionsperiode der Arbeiterklasse?, Frankfurt/Main 1971, insbes. S. 63 ff.

  49. Es ist im Grunde genommen eine alt bekannte Tatsache, daß Einkommensdifferenzen zwischen Arbeitnehmern mit vergleichbarer Tätigkeit eher als Ungerechtigkeit empfunden werden und Aktionen auslösen als die jenseits des unmittelbaren Erfahrungsbereichs liegenden Unterschiede zwischen den Spitzenverdienern und der breiten Masse der Lohnempfänger.

  50. Vgl. J. Klaus, a. a. O., S. 99 ff.

  51. So die Beschreibung der Verbandsfunktion bei Th. von der Vring, Die Wahl und das Wahlsystem, in: L. Romain/G. Schwarz (Hrsg.), Abschied von der autoritären Demokratie. Die Bundesrepublik im Übergang, München 1970, S. 119.

  52. Vgl. hierzu den Überblicksartikel von D. B. Simmert, Stabilisierungspolitische Konzeptionen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 46— 47/72 vom 11. 11. 1972.

  53. Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen, Preis-und Lohnkontrollen in Westeuropa und den USA, Bonn 1972; Lohndirigismen in Europa — wirksames Mittel zur Inflationsbekämpfung?, in: Ifo-Schnelldienst Nr. 46 vom 15. 11. 1972, S. 7 ff.

  54. Ausführlicher hierzu H. Adam, Bausteine der Volkswirtschaftslehre, Köln 1973, S. 61 ff.; K. Neu-mann, Konjunktur und Konjunkturpolitik. Möglichkeiten und Grenzen der Konjunkturpolitik, Frankfurt/Main 1972, S. 147.

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