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Die wissenschaftlichen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der UdSSR | APuZ 36/1973 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 36/1973 Gesamteuropäische Kooperation 1970-1973. Versuch einer Zwischenbilanz Die Vorbereitungsgespräche in Helsinki für eine „Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa" Möglichkeiten und Grenzen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Osteuropa Zur Praxis der wirtschaftlichen Zusammenarbeit *) Die wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit mit Osteuropa Die wissenschaftlichen Austauschbeziehungen zu den osteuropäischen Ländern Die wissenschaftlichen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der UdSSR Intersystemare Kooperation und Frieden in Europa. Hypothesen zum gesamteuropäischen Regionalismus Zur Aufgabenstellung einer gesamteuropäischen Kooperations-Politik Auswahlbibliographie zu Fragen der Zusammenarbeit zwischen Ost und West in Europa

Die wissenschaftlichen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der UdSSR

Doris Schenk

/ 5 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Doris Schenck: Die wissenschaftlichen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der UdSSR Am Beispiel der Sowjetunion werden einige Probleme hervorgehoben, die den Austausch von Wissenschaftlern zwischen der Bundesrepublik und osteuropäischen Ländern behindern.

Entwicklung, Stand und Perspektiven

Anzahl der Wissenschaftler, die im Rahmen der Vereinbarungen der DFG mit verschiedenen sowjetischen Institutionen von 1969 bis 1972 entsandt und aufgenommen wurden

Es besteht nicht nur ein Interesse der Wissenschaft an internationaler Öffnung und Kooperation, beides kann vielmehr als eine nirgendwo umstrittene Notwendigkeit gelten: Aus der Vielfältigkeit wissenschaftlicher Fragenkomplexe, dem notwendigen Umfang von Apparaturen, der Bedeutung ökonomischer Aspekte und der notwendigen interdisziplinären Zusammenarbeit ergibt sich eine Kooperation, die hinausreicht über Individualität, über das einzelne Fach und über Länder.

Neben diesem aus der Sache sich ableitenden Prinzip der Kooperation steht das der Qualität: die Antriebskraft durch sachliche Kritik, durch geistigen Wettbewerb und die Regeneration durch Gedankenaustausch. Diese Prinzipien wissenschaftlicher Kooperation gelten generell, auch für Länder verschiedener gesellschaftlicher Strukturen.

Nachdem ein zweites Kulturabkommen wegen der Berlin-Klausel nicht geschlossen wurde, hat es die deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) vor nunmehr 14 Jahren übernommen, die wissenschaftlichen Beziehungen zur UdSSR zentral zu koordinieren, für alle Hochschulen, für die Max-Planck-Institute und die anderen Mitglieder der DFG.

Die Partner der DFG sowjetischerseits sind: die Akademie der Wissenschaften der UdSSR, die Ministerien für Hochschulwesen, Gesundheitswesen, Landwirtschaft und Kultur. Dem einen zentralen Partner deutscherseits stehen fünf Partner sowjetischerseits gegenüber; aus dieser Dezentralisierung der Zuständigkeiten in der Sowjetunion ergeben sich nicht unwesentliche organisatorische Schwierigkeiten.

Die formale Basis der wissenschaftlichen Beziehungen zur UdSSR ist das Prinzip der Gegenseitigkeit. Daher rührt eine gewisse Starrheit, ein Mangel an Flexibilität. Mit der Akademie der Wissenschaften sind Vereinbarungen im Rahmen eines schriftlichen Vertrages getroffen (1970); mit den anderen Partnern bestehen mündliche Vereinbarungen. Dieser Zustand wird sich mit Abschluß eines Abkommens über Wissenschaftlich-Technische Zusammenarbeit und eines Kulturabkommens ändern.

Der Wissenschaftleraustausch zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der UdSSR hat sich in den vergangenen Jahren stetig weiter entwickelt. Etwa seit dem Jahre 1965 kann von einer festen Form der Wissenschaftsbeziehungen gesprochen werden. Im Jahre 1972 wurde der Austausch von Wissenschaftlern mit der Sowjetunion auf der Grundlage der Absprachen durchgeführt, die im Jahre 1971 in Moskau getroffen worden waren.

Mit den sowjetischen Partnern war für das Jahr 1972 folgender Umfang der Quoten vereinbart worden: mit der Akademie der Wissenschaften der UdSSR waren für langfristige Aufenthalte insgesamt 34 Monate vorgesehen, für kurzfristige Reisen standen 24 Wochen zur Verfügung. Der umfangreichste Austausch war mit dem Hochschulministerium vereinbart worden: für Forschungsaufenthalte standen insgesamt 150 Monate zur Verfügung, die von 20 Wissenschaftlern wahrgenommen werden, für kurzfristige Reisen 40 Wochen. Mit dem Gesundheitsministerium waren zwölf Monate vereinbart, die für langfristige und für kurzfristige Aufenthalte zur Verfügung standen. Die Absprache mit dem Landwirtschaftsministerium der UdSSR sah den Austausch von zwei Delegationen für eine Dauer von insgesamt 120 bis 180 Tagen vor. Die erste Vereinbarung mit dem Kulturministerium der UdSSR sah den Austausch je einer Delegation vor.

Außerhalb der vereinbarten Quoten förderte die DFG Einladungen sowjetischer Wissenschaftler in die Bundesrepublik, sie unterstützte Reisen deutscher Wissenschaftler in die UdSSR auf Intourist-Basis und Reisen zu Kongressen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft konnte für insgsamt acht Hochschulinstitute einen sowjetischen Lektor für russische Sprache vermitteln.

Seit 1969 können deutsche Wissenschaftler nicht nur an den großen Staatsuniversitäten in Moskau und Leningrad, sondern grundsätzB lieh an allen Universitäten der Republikhauptstädte aufgenommen werden. So arbeiteten deutsche Wissenschaftler auch in Minsk, Rostov am Don und Voronez. Die kontinuierliche Entwicklung der wissenschaftlichen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion schließt auch deren Intensivierung ein.

Die Wissenschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern sind seit den siebziger Jahren in eine zweite Phase eingetreten, in der nicht nur eine Erweiterung des Austausches vorgesehen ist, sondern auch eine Intensivierung bestehender Kontakte. Deutsche und sowjetische Wissenschaftler und die Vertreter der Wissenschaftsorganisationen beider Länder sind sich darin einig, daß die gegenseitigen Forschungsaufenthalte effektiver gestaltet werden müssen. Die Entwicklung zeigt, daß Aus der Fächerverteilung werden einige Ungleichgewichtigkeiten deutlich. Für die deutschen Wissenschaftler ist die DFG bestrebt, alle Fachgebiete in gleicher Weise partizipieren zu lassen; die geisteswissenschaftlichen Disziplinen haben jedoch noch den größten Anteil. Die sowjetischen Wissenschaftler vertreten zu mehr als 90 0/0 naturwissenschaftliche und ingenieurwissenschaftliche Disziplinen, besonders aus dem angewandten Bereich. In den letzten Jahren ist eine Tendenz der Erweiterung der beschränkten Quoten durch eine steigende Anzahl von persönlichen Ein-dasZiel dieser Beziehungen, gemeinsame Forschungsprojekte mit deutschen und sowjetischen Wissenschaftlern durchzuführen, zu erreichen ist. So ermöglicht es die mit der Akademie der Wissenschaften der UdSSR geschlossene Vereinbarung, auch außerhalb der bestehenden Austauschquoten bilaterale Beziehungen zwischen einzelnen Instituten und Institutsgruppen anzuknüpfen, damit gemeinsame Forschungen durchgeführt werden können. Die beiden ersten Projekte auf dem Gebiet der Physik und der Medizin zwischen dem Institut für Experimentelle Medizin in Leningrad und dem I. Physiologischen Institut in Erlangen sowie zwischen dem Physikalischen Institut der Technischen Universität in München und dem Institut für Physikalische Chemie der Akademie der Wissenschaften der UdSSR sind gut angelaufen. ladungen in beiden Richtungen zu beobachten. Symposien, Konferenzen und Kongressen kommt besondere Bedeutung zu, da sie, sofern sie in der UdSSR stattfinden, einer großen Anzahl sowjetischer Wissenschaftler die Möglichkeit geben, ihre ausländischen Kollegen zu treffen. Nur einem geringen Teil sowjetischer Wissenschaftler ist eine Reise ins Ausland möglich.

Der Umfang der Beziehungen zu osteuropäischen Staaten ist noch relativ klein und darf nicht verglichen werden mit den wissenschaftlichen Beziehungen der Bundesrepublik zu westeuropäischen Ländern oder zu Ameri29 ka und Kanada. Die Ursachen sind zum Teil Sprachschwierigkeiten, organisatorische Probleme, bürokratische Schwerfälligkeit und Mangel an Mut zur Entscheidung. Dadurch werden Projekte zu Fall gebracht und die Vereinbarungen scheinen unglaubhaft. Deutschen Wissenschaftlern wird der Mut genommen, sich auf risikoreiche Unternehmen einzulassen.

Die Schwierigkeiten in der Abwicklung des Wissenschaftleraustausches werden bei einem Vergleich der Forschungsvorhaben deutscher und sowjetischer Wissenschaftler deutlich: Die deutschen Wissenschaftler suchen originelle Ansätze, Ideen und Lösungen von wissenschaftlichen Grundproblemen, während sich die sowjetischen Wissenschaftler häufig auf Bereiche beschränken, die mit der Entwicklung der Technologie Zusammenhängen und wirtschaftlichen Nutzen erwarten lassen. Im Interesse der Wissenschaftler muß es jedoch ein vordringliches Bemühen beider Seiten sein, Gegenseitigkeit zu wahren.

Die Sowjetunion hat neben den USA das größte wissenschaftliche Potential aufgebaut.

Für Wissenschaftler dieser Länder und Europas ist die gegenseitige Information notwendig und natürlich. Daraus ergibt sich für die Zukunft eine Erweiterung der bislang bescheidenen wissenschaftlichen Beziehungen. Tempo und Umfang aber müssen bestimmt sein durch eigenes Vermögen und Können. Eine Voraussetzung ist die Verbesserung der technischen Bedingungen und der Zielsetzungen. Wichtig ist es außerdem, den Informationsmangel abzubauen.

Es gilt weiterhin, die Hauptmängel zu beseitigen: Zahlreiche Ablehnungen, willkürliche Kürzungen der Aufenthaltsdauer, Ausschluß nicht weniger Institute, Einengung der freien Beweglichkeit, Verweigerung der Benutzung von Archiven. Es müssen die internationalen Erfahrungswerte und Maßstäbe für den Nutzeffekt wissenschaftlicher Arbeit und wissenschaftlicher Forschung erreicht werden, denn störungsfreie und effektive wissenschaftliche Verbindungen mit der Sowjetunion sind für viele Wissenschaftler erstrebenswert.

Abschließend muß bemerkt werden, daß eine Verbesserung der wissenschaftlichen Beziehungen mit der Sowjetunion wesentliche Auswirkungen auf die anderen sozialistischen Länder Europas haben würde.

Fussnoten

Weitere Inhalte

Doris Schenk, geb. 2. 12. 1939, Dr. phil., Referentin für die wissenschaftlichen Beziehungen zur Sowjetunion bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft.