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Radikale im öffentlichen Dienst | APuZ 27/1973 | bpb.de

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APuZ 27/1973 Artikel 1 Radikale im öffentlichen Dienst

Radikale im öffentlichen Dienst

Hermann Borgs-Maciejewski

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Zusammenfassung

Der Extremistenbeschluß des Bundeskanzlers und der Ministerpräsidenten vom 28. Januar 1972 erweist sich immer mehr als die brisanteste Entscheidung auf dem Gebiet der inneren Sicherheit seit dem KPD-Verbot und der Notstandsgesetzgebung. Von den einen als das Mindesterfordernis eines wirksamen Staatsschutzes begrüßt, von den anderen als „Berufsverbot für Demokraten" verketzert, wird der Beschluß zunehmend zum Prüfstein des jeweiligen Demokratieverständnisses. Darüber, daß Verfassungsfeinde im öffentlichen Dienst nichts zu suchen haben, sind sich alle maßgeblichen politischen Kräfte einig. Streitig ist nur, woran man einen Verfassungsfeind erkennt. Müssen ihm „besondere Aktivitäten" nachzuweisen sein oder reicht die Mitgliedschaft in einer links-oder rechtsradikalen Partei aus? Wer für ein strenges Durchgreifen eintritt, beruft sich dafür auf das Prinzip der „abwehrbereiten Demokratie" und auf die folgenschweren Versäumnisse der Weimarer Zeit. Die andere Seite ist nicht bereit, diese Frage nur unter Staatsschutzgesichtspunkten zu sehen. Sie fordert die strikte Einhaltung liberaler und rechtsstaatlicher Verfassungsgrundsätze und eine möglichst geringe Einschränkung von Individualrechten. Die bisher veröffentlichten Untersuchungen bewerten die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Beschluß meist höher als die politischen und juristischen Überlegungen, die ihn veranlaßt haben. Auch in der politischen Diskussion ist die Vereinbarung in die Defensive gedrängt worden. Von einigen ihrer Väter wird sie bereits als peinlicher Fehltritt betrachtet, den man möglichst bald und unauffällig aus der Welt schaffen möchte. Es war daher an der Zeit darzulegen, daß es sich um ein legitimes Kind handelt, dessen sich die Regierungschefs keineswegs zu schämen Anlaß haben. Das Parteienprivileg verbietet es nicht, die Zielsetzung einer Partei im Hinblick auf die Verfassung zu bewerten. Die Feststellung, daß eine Partei eine verfassungswidrige Zielsetzung verfolgt, ist mit dem Monopol des Bundesverfassungsgerichts, über die Verfassungswidrigkeit von Parteien zu entscheiden, vereinbar. Die Verfassungsfeindlichkeit der Zielsetzung ist nur eines unter mehreren die Verfassungswidrigkeit einer Partei ausmachenden Kriterien. Mitgliedschaft in einer Partei bedeutet die konkludente Billigung der essentiellen Partei-ziele. Die Mitgliedschaft in Organisationen, deren Zielsetzung von der Bundesregierung für verfassungsfeindlich erklärt worden ist, begründet erhebliche Zweifel an der Loyalität des Bewerbers zu seinem späteren Dienstherrn. Können diese Zweifel nicht ausgeräumt werden, darf eine Einstellung nach den Beamtengesetzen nicht erfolgen.

I. Der Beschluß der Regierungschefs vom 28. Januar 1972

Entstehungsgeschichte und Wortlaut Die Vereinbarung des Bundeskanzlers und der Ministerpräsidenten über den Grundsatz der Verfassungstreue im öffentlichen Dienst hat eine Lawine ausgelöst, über deren Ausmaß die Väter des Beschlusses selbst am meisten erschrocken zu sein scheinen. Die innenpolitische Bedeutung dieses Vorganges läßt sich nur mit dem Verbotsverfahren gegen die Kommunistische Partei Deutschlands in den 50er Jahren sowie den Auseinandersetzungen um die Notstandsgesetzgebung vergleichen. Das ist um so erstaunlicher, als der Radikalenbeschluß im Grunde gar nichts Neues enthält, sondern nur der Klarstellung und Vereinheitlichung dient. Er setzt nicht nur kein neues Recht, sondern stellt sogar eine Entschärfung und Liberalisierung im Vergleich zu den teilweise noch in Kraft befindlichen Beschlüssen aus dem Jahre 1950 dar. Die trotzdem anzutreffende Erregung weist Parallelen auf zum Streit über die Anderüng von Artikel 10 GG (Brief-, Post-und Fernmeldegeheimnis) und das zu seiner Ausführung ergangene Gesetz, denn auch bei der damit bezweckten Ablösung der alliierten Vorbehaltsrechte ging es nicht um eine Verschärfung, sondern im Gegenteil um eine ganz wesentliche Liberalisierung und Einschränkung solcher Kontrollmaßnahmen.

Beruhen die Proteste gegen den Radikalenbeschluß also nicht auf Textvergleichen, so muß eine ihrer Ursachen in der Verkennung der Standfestigkeit der sozialliberalen Regierungen in Staatsschutzangelegenheiten gesehen werden. Offenbar war die Anwendung der früheren Radikalenbeschlüsse mancherorts außer Übung geraten. In den späten 60er Jahren wurde mehr über Wiederzulassung verbotener Parteien, den angeblichen Anachronismus des Artikels 1 Abs. 2 Satz 1 GG und über Amnestien für politische Überzeugungstäter gesprochen und geschrieben als über „abwehrbereite Demokratie" und die Notwendigkeit gewisser präventiver und repressiver Möglichkeiten zum Schutz des Staates. In diese politische Landschaft paßte der eine strikte Beachtung der beamtengesetzlichen Einstellungsvoraussetzungen fordernde Beschluß schlecht hinein. Die aggressive Linke an den Hochschulen mochte einen solchen Beschluß zwar der CDU/CSU, nicht aber den Koalitionsparteien zugetraut haben. Der Ministerpräsidentenbeschluß ist ein Beispiel unter vielen für die gemeinsame Entschlossenheit aller im Bundestag vertretenen Parteien, Angriffen auf die freiheitliche demokratische Grundordnung und auf die innere Sicherheit dieses Staatsgefüges entschieden zu begegnen. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die im vorigen Jahr vom Bundestag einstimmig verabschiedeten Gesetze über den Bundesgrenzschutz 1), den Verfassungsschutz 2) und das Waffenrecht

Die Bekräftigung der beamtenrechtlichen Treuepflicht durch den Radikalenerlaß erfolgte natürlich nicht um eines verfassungstheoretischen Prinzips willen, sondern hatte handfeste staatsschutzpolitische Gründe. So sehr Parlament und Regierung das Abflauen der Studentenunruhen seit 1969 begrüßten, mußten sie andererseits mit Sorge zur Kenntnis nehmen, daß aktive APO-Führer und orthodoxe Kommunisten sich zu dem von Rudi Dutschke geforderten „Marsch durch die Institutionen" anschickten. Diese erkannten sehr schnell, daß sich optimale revolutionäre Wirkungsmöglichkeiten einerseits und materielle Geborgenheit einschließlich Pensionsberechtigung andererseits kaum irgendwo besser verbinden ließen als im öffentlichen Dienst. Einer der ersten spektakulären Fälle war 'der des Juristen Hans-Jochen Michels. Michels war früheres SDS-Vorstandsmitglied in Essen und kandidierte bei Kommunalwahlen im Jahre 1969 auf der Liste der DKP. In der von ihm verfaßten „Rechtsfibel für Demokraten" schrieb er u. a.: „Will man einen politischen Prozeß führen (und das sollte grundsätzlich das Ziel sein), so kann man sich nicht auf bürgerliche Rechtsargumentation beschränken . .. Der Prozeß selbst muß Tribunal für die Ansichten und Absichten des Angeklagten und seiner politischen Bewegung werden." Michels Antrag auf Aufnahme in den Richter-dienst wurde vom Präsidenten des Oberlandesgerichts Hamm befürwortet, von Justizminister Neuberger jedoch trotz überdurchschnittlicher fachlicher Qualifikation des Antragstellers abgelehnt

Die Sogwirkung, die der öffentliche Dienst auf Radikale aller Schattierungen ausübte, rief Politiker und Publizisten auf den Plan. Der jetzige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Ernst Benda, äußerte sich besorgt darüber, „daß Extremisten, die nicht mehr auf dem Boden der demokratischen Grundordnung stehen, in die staatlichen Institutionen, in Justiz und Universitäten eindringen" 4a). Professor Eschenburg verwies auf die Gründe für diese Entwicklung: „Gerade weil die Revolutionäre der Zahl nach schwach sind, sehen sie im öffentlichen Dienst eine Multiplikationschance für ihre Aktionen." 4b).

Im September 1971 erklärte die Landesregierung von NRW, sie wolle zusammen mit den Landtagsfraktionen Richtlinien aufstellen, nach denen künftig bei der Einstellung von Links-und Rechtsradikalen verfahren werden solle. Unmittelbarer Anlaß zu dieser Erklärung war der Fall des Realschullehrers und DKP-Mitglieds K. H. Henne, der trotz ausgezeichneter Examina nicht in den Schuldienst übernommen worden war Am 14. Oktober 1971 befaßte sich die Ministerpräsidentenkonferenz mit diesem Problemkreis und ersuchte die Ständige Konferenz der Innenminister, eine gründliche Expertise zu allen damit zusammenhängenden Fragen für das auf den 3. Dezember anberaumte Gespräch der Regierungschefs des Bundes und der Länder zu erarbeiten. Im Auftrag der Innenminister erstellte eine Arbeitsgruppe ein umfangreiches Gutachten, das in die Empfehlung einmündete, einheitliche Richtlinien für Bund und Länder zu erlassen.

Einen ersten Höhepunkt in der öffentlichen Auseinandersetzung mit den „Radikalen im öffentlichen Dienst" brachte die Grundsatzentscheidung des Hamburger Senats vom 23. November 1971 Der Senat erklärte darin die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit bei politischen Aktivitäten des Bewerbers in rechts-oder linksradikalen Gruppen für unzulässig. Er fügte hinzu, daß dies „erst recht" im Erziehungsbereich und vor allem dann gelte, wenn der Betreffende in solchen Gruppen besonders aktiv sei. Maßgebliche Politiker der SPD wie Prof. Fritz Schäfer, Herbert Wehner und Bundesjustizminister Jahn warnten nach der Hamburger Entscheidung — und offenbar im Hinblick auf die zu erwartenden Beschlüsse der Innenminister und der Regierungschefs — davor, auf die Mitgliedschaft in (nicht verbotenen) radikalen Organisationen abzustellen und erklärten dies für verfassungswidrig Diese Bedenken wurden von den Innenministern, dem Bundeskanzler und den Ministerpräsidenten offensichtlich nicht geteilt, denn die Regierungschefs beschlossen am 28. Januar 1972 auf Vorschlag der Ständigen Konferenz der Innenminister folgende Grundsätze: „ 1. Nach den Beamtengesetzen in Bund und Ländern darf in das Beamtenverhältnis nur berufen werden, wer die Gewähr dafür bietet, daß er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt sind Beamte verpflichtet, sich aktiv innerhalb und außerhalb des Dienstes für die Erhaltung dieser Grundordnung einzusetzen.

Es handelt sich hierbei um zwingende Vorschriften. 2. Jeder Einzelfall muß für sich geprüft und entschieden werden. Von folgenden Grundsätzen ist dabei auszugehen: 2. 1 Bewerber 2. 1. 1 Ein Bewerber, der verfassungsfeindliche Aktivitäten entwickelt, wird nicht in den öffentlichen Dienst eingestellt. 2. 1. 2 Gehört ein Beamter einer Organisation an, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, so begründet diese Mitgliedschaft Zweifel daran, ob er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten wird. Diese Zweifel rechtfertigen in der Regel eine Ablehnung des Einstellungsantrages. 2. 2 Beamte Erfüllt ein Beamter durch Handlungen oder wegen seiner Mitgliedschaft in einer Organisation mit verfassungsfeindlicher Zielsetzung die Anforderungen des § 35 Beamtenrechtsrahmengesetzes nicht, aufgrund derer er verpflichtet ist, sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des GG zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten, so hat der Dienstherr aufgrund des jeweils ermittelten Sachverhaltes die gebotenen Konsequenzen zu ziehen und insbesondere zu prüfen, ob die Entfernung des Beamten aus dem Dienst anzustreben ist. 3. Für Arbeiter und Angestellte im öffentlichen Dienst gelten entsprechend den jeweiligen tarifvertraglichen Bestimmungen dieselben Grundsätze."

Damit — insbesondere durch Nr. 2. 1. 2 — war unmißverständlich der politische Wille zum Ausdruck gebracht worden, Mitglieder von Organisationen, deren Ziele von der Exekutive für verfassungsfeindlich angesehen werden, in aller Regel — wenn auch nach individueller Prüfung — nicht in den öffentlichen Dienst aufzunehmen.

In der öffentlichen Diskussion wird das von den Regierungschefs behandelte Problem meist unter dem Stichwort „Radikale im öfffentlichen Dienst" erörtert. Das darf nicht zu der Annahme verleiten, als sei Radikalität identisch mit Verfassungsfeindlichkeit. Es ist selbstverständlich niemandem verwehrt, politische Mißstände „von der Wurzel her" anzugehen und z. B.demokratische oder liberale Überzeugungen radikal zu vertreten. Ähnlich ungeeignet ist die Kurzbezeichnung „Systemveränderer", denn wer wollte bestreiten, daß das bei uns praktizierte System der parlamentarischen Demokratie in manchen Punkten verbesserungsfähig und verbesserungsbedürftig ist. Der Beschluß richtet sich nicht gegen reformatorische, sondern ausschließlich gegen revolutionäre, systemzerstörende Bestrebungen. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die Einstellung der betreffenden Gruppen zur Gewaltanwendung als Mittel ihrer Politik an, mögen sie also Gewaltanwendung — wie die sogenannten „Chaoten" — für unerläßlich halten und bereits jetzt praktizieren oder die Anwendung von Gewalt — wie die orthodoxen Kommunisten — für zur Zeit nicht opportun bezeichnen oder mögen sie Gewalt gegen Personen und Sachen aus prinzipiellen Gründen ablehnen. Hingegen ist nicht daran gedacht, mit Hilfe des Beschlusses „weiterführende Ideen und Initiativen, die auf nicht gewaltsame Veränderungen im Rahmen des Grundgesetzes gerichtet sind" abzuwürgen. 2. Frühere Regelungen Das Problem der „Radikalen im öffentlichen Dienst" ist so alt wie die demokratische Staatsform in Deutschland. Bereits im Jahre 1921 sah sich der preußische Innenminister veranlaßt, dringend vor „einer öffentlichen Betätigung in solchen Organisationen oder Mitwirkung bei solchen Bestrebungen" zu warnen, „deren Ziele nicht offenkundig und einwandfrei verfassungsfreundlich sind" Da die Weimarer Verfassung keine verbindlichen Wertvorstellungen normierte und daher auch Bestrebungen zur Herbeiführung einer Diktatur verfassungsgemäß waren, sofern dabei die von der Verfassung vorgesehenen Formalien beachtet wurden, war es der Regierung verwehrt, antidemokratische Betätigung von Beamten zu Dienstvergehen zu stempeln. Folgerichtig beschränkte sich der preußische Innenminister in der erwähnten Verfügung auf die Feststellung, daß Bestrebungen zur Änderung der Verfassung „auf nicht gesetzmäßigem Wege" verboten seien; im übrigen beließ er es bei Warnungen und Bitten. Erst im Jahre 1930 erklärte das preußische Staats-ministerium die Mitgliedschaft in der NSDAP oder der KPD, die Betätigung für sie oder ihre sonstige Unterstützung für unvereinbar mit der TreueVerpflichtung des Beamten und begründete dies damit, daß das Ziel beider Parteien der gewaltsame Umsturz der bestehenden Staatsordnung sein Einen inhaltsgleichen Beschluß erließ der Hamburger Senat im selben Jahr und beschwor damit eine hitzige Redeschlacht in der Hamburgischen Bürgerschaft herauf Die Auseinandersetzungen der damaligen Zeit weisen zahlreiche Parallelen zur heutigen Diskussion auf. Auch damals gab es Politiker, die die Gefährlichkeit der beiden totalitären Parteien zu verniedlichen suchten und, wie z. B.der DNVP-Abgeordnete Dr. Ridderhoff, behaupteten, der Hamburger Erlaß verkenne das Wesen der Nationalsozialistischen Partei. In kaum mehr als zwei Jahren widerlegte die Geschichte die naiven Annahmen des Herrn Ridderhoff und bestätigte auf erschreckende Weise die Notwendigkeit des Erlasses. Es ist zu hoffen, daß die heute um sich greifende Unterschätzung der von der DKP ausgehenden Gefahren nicht erst durch eine ähnliche Katastrophe zurechtgerückt werden muß. Es waren Hamburger Sozialdemokraten, u. a. Bürgermeister Ross und Abg. Podeyn, die sich in schwerer Zeit dem Hereinbrechen der braunen und roten Fluten entgegenstemmten. Ihre hellsichtigen Warnungen haben kaum etwas von ihrer Aktualität verloren: „Keine verantwortungsbewußte Regierung kann und wird mit verschränkten Armen zusehen, . . . wenn die Keime der Zersetzung in den Verwaltungsapparat, das heißt in den Beamtenkörper, hineingetragen werden. Jeder Staat hat die Pflicht der Selbstbehauptung. Ein Staat, der die Machtmittel, auf die er sich im äußersten Falle stützen muß, freiwillig, sei es aus Furcht, sei es aus unverzeihlicher Gut-gläubigkeit, seinen Gegnern ausliefert, verdient, daß er zerschlagen wird." (Roß) „Wie kann man sich für die demokratischen Rechte der Beamten einsetzen, wenn man selbst mit all seinen politischen Forderungen danach hinstrebt, Verhältnisse und verfassungsmäßige Zustände zu schaffen, in denen der Beamtenschaft keinerlei Raum für eine freie Meinungsäußerung gestattet wird." (Podeyn)

Der Hamburger Senat mußte seinen Erlaß am 3. August 1932 unter dem Druck der Reichsregierung von Papen dahin gehend einschränken, daß der ausdrückliche Hinweis auf die NSDAP und die KPD entfiel Dies kam einer Aufhebung des Verbots für Beamte, Mitglieder dieser Parteien zu sein, gleich.

Nach dem Zusammenbruch stellte sich das Problem der Verfassungstreue der Beamten erneut. Die Regierung Adenauer erließ am 19. September 1950 Richtlinien, in denen die Teilnahme an oder Betätigung und Unterstützung für Organisationen und Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Staatsordnung als schwere Pflichtverletzung bezeichnet wurden Der Beschluß führte beispielhaft 13 nazistische und kommunistische Organisationen auf, deren Unterstützung „unnachsichtig die sofortige Entfernung aus dem Bundesdienst" nach sich ziehen sollte. Ähnliche Bestimmungen wurden von den Ländern erlassen. Dabei wurde nicht darauf abgestellt, ob die betreffenden Organisationen verboten seien oder nicht, vielmehr beurteilten die Regierungen deren Verfassungswidrigkeit aus eigener Machtvollkommenheit und unabhängig davon, ob sie ein Verbot für zweckmäßig hielten. Erst nachdem die ersten Verbote ausgesprochen worden waren, gingen neuere Erlasse auf die Unterscheidung zwischen verbotenen und nicht verbotenen Organisationen ein. So erklären die Beschlüsse der Bayerischen Staatsregierung vom 22. Juli 1958 und vom 25. April 1961 zunächst die Mitgliedschaft in verbotenen Parteien und Organisationen zu einem schweren Verstoß gegen die Treuepflicht, fügen aber sogleich hinzu, daß außerdem auch „die Unterstützung anderer verfassungsfeindlicher Bestrebungen" nicht hingenommen werden könne. Das solle insbesondere dann gelten, wenn die Angehörigen des öffentlichen Dienstes auf den verfassungsfeindlichen Charakter solcher Bestrebungen hingewiesen worden seien. Durch derartige Hinweise — meist in Form ministerieller Rundschreiben — war einigermaßen sichergestellt, daß ein Beamter nicht von einem Disziplinarverfahren wegen angeblicher verfassungsfeindlicher Betätigung auf Grund der Mitgliedschaft in einer von ihm für tragbar gehaltenen Vereinigung überrascht werden konnte. Spätere Erlasse verlieren immer mehr an Transparenz und Präzision. So bedroht etwa die Verfügung des nordrhein-westfälischen Innenministers vom 28. März 1963 die einzustellenden Beamten mit der Entlassung, falls sie Organisationen angehören oder sie fördern, deren Tätigkeit sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet. Dabei bürdet sie das Beurteilungsrisiko allein dem Bewerber auf, ohne ihm irgendeine Hilfestellung dabei zu leisten. Das Bestreben des Innenministers nach einer Entschärfung und Liberalisierung der Beschlüsse aus dem Jahre 1950 mag verständlich gewesen sein, wurde jedoch durch weitgehenden Verlust der aus rechtsstaatlichen Gründen zu fordernden Vorhersehbarkeit behördlicher Sanktionen erkauft. Gerade darauf hatten die älteren Erlasse entscheidenden Wert gelegt, indem sie einen langen Katalog der für verfassungsfeindlich gehaltenen Organisationen enthielten. Sie sahen außerdem die Zubilligung mildernder Umstände für solche Beamte vor, die vor der Veröffentlichung dieses Kataloges darin aufgeführte Organisationen unterstützt hatten. So besagte z. B. die hessische Regelung ausdrücklich, daß „Mitgliedschaft allein vor der Bekanntgabe der Richtlinien" kein Entlassungsgrund sei. überblickt man die Entwick-lung der Extremistenerlasse seit 1921, so lassen sich dabei zwei Grundformen herausarbeiten: sie waren entweder streng, präzise und kalkulierbar oder mild, vage und mehrdeutig. Die Erlasse der fünfziger Jahre stellen ausdrücklich klar, daß als verbotene Unterstützung verfassungswidriger Organisationen auch die Mitgliedschaft in ihnen zu gelten hat. So heißt es z. B. in dem Erlaß des damaligen Bundesinnenministers Heinemann „Damit ist auch die Mitgliedschaft untersagt; denn bereits die geldliche Stärkung einer Organisation durch Beitritt bedeutet eine Unterstützung." Bewerkenswert bei den älteren Erlassen ist schließlich, daß sie sich so gut wie ausschließlich auf die Angehörigen des öffentlichen Dienstes, nicht auf Bewerber beziehen. Offensichtlich setzten sie die Befugnis des Dienstherrn, politisch unzuverlässige Bewerber nicht in den öffentlichen Dienst zu übernehmen, als selbstverständlich und daher nicht regelungsbedürftig voraus, während die Verhältnisse heute eher umgekehrt liegen. 3. Durchführung des Extremistenbeschlusses in den Ländern Mit dem Ministerpräsidentenbeschluß vom 28. Januar 1972 erzielten die Regierungschefs Einigkeit in den Grundsatzfragen. Um darüber hinaus zu einer möglichst übereinstimmenden Verwaltungspraxis in Bund und Ländern zu gelangen, bedurfte es aufeinander abgestimmter Durchführungsbestimmungen. Es war vor allem sicherzustellen, daß die in einem Land abgelehnten Bewerber nicht in einem anderen Land eingestellt wurden. Dies ist bisher nicht vollständig gelungen, denn gerade dieser Fall ist inzwischen mehrfach eingetreten. Die Ständige Konferenz der Innenminister der Länder beschloß auf ihrer Sitzung am 28. April 1972 Richtlinien zur Ausführung des Ministerpräsidentenbeschlusses und empfahl den Regierungschefs, sich hieran bei den Durchführungsbestimmungen der Länder zu orientieren.

Dieser Empfehlung sind alle Länder nachgekommen, soweit sie bisher Verwaltungsvorschriften erlassen oder Entwürfe hierzu veröffentlicht haben

Alle Regelungen sehen vor, daß die Einstellungsbehörde zunächst bei dem jeweiligen Innenministerium anzufragen hat, ob Tatsachen bekannt sind, die Bedenken gegen die Einstellung begründen. Vor der Einstellung ist der Bewerber schriftlich oder mündlich wie folgt zu belehren:

„Nach § . . . LBG (LRiG) ist der Beamte (Richter) verpflichtet, sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten.

Dementsprechend darf gemäß § . . . LBG (LRiG) in das Beamtenverhältnis nur berufen werden, wer die Gewähr dafür bietet, daß er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintritt.

Die gleichen politischen Treuepflichten ergeben sich für Angestellte aus § 8 des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) und für die Arbeiter aus § 9 des Mantel-Tarifvertrages für Arbeiter der Länder (MTL II).

Freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes eine Ordnung, die unter Ausschluß jeglicher Gewalt-und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Die freiheitliche demokratische Grundordnung ist das Gegenteil des totalen Staates, der als ausschließliche Herrschaftsmacht Menschenwürde, Freiheit und Gleichheit ablehnt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind insbesondere zu rechnen:

Die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip, die Chancengleichheit für alle politischen Parteien, das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.

Die Teilnahme an Bestrebungen, die sich gegen die vorgenannten Grundsätze richten, ist unvereinbar mit den Pflichten eines im öffentlichen Dienst Beschäftigten. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob diese Bestrebungen im Rahmen einer Organisation oder außerhalb einer solchen verfolgt werden.

Bewerber für den öffentlichen Dienst, die an verfassungsfeindlichen Bestrebungen teilnehmen oder sie unterstützen, dürfen nicht eingestellt werden.

Beamte, die sich einer solchen Pflichtverletzung schuldig machen, müssen damit rechnen, daß gegen sie ein Disziplinarverfahren mit dem Ziele der Entfernung aus dem Dienst eingeleitet wird.

Angestellte und Arbeiter müssen in diesen Fällen mit einer außerordentllichen Kündigung gemäß § 54 BAT bzw. § 59 MTL II rechnen." Im Anschluß an die Belehrung hat der Bewerber eine Erklärung abzugeben, in der er sich zu den Grundsätzen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennt. Die Erklärung schließt die ausdrückliche Versicherung ein, daß der Bewerber Bestrebungen gegen die genannten Grundsätze nicht unterstützt und insbesondere nicht Mitglied einer hiergegen gerichteten Organisation ist. Von den bisher ergangenen oder angekündigten Regelungen enthält nur die niedersächsische keine derartige Versicherung. Hingegen stimmen alle Länder wieder darin überein, daß ein Bewerber nicht einzustellen ist, wenn etwaige Zweifel an seiner Verfassungstreue nicht ausgeräumt werden können. Einige Regelungen schreiben vor, daß die ermittelten Verdachts-gründe dem Bewerber mitzuteilen und mit ihm zu erörtern sind Der Ablehnungsbescheid ist zu begründen und bei Bewerbern für ein Beamtenverhältnis mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen. Lediglich in NRW werden die Einstellungshindernisse dem Bewerber nur auf sein Befragen mitgeteilt und ist auch eine Rechtsmittelbelehrung nicht ausdrücklich vorgeschrieben. Die Verwaltungsvorschriften in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg sehen Erleichterungen vor, wenn das angestrebte Beamtenverhältnis zur Ausbildung für Berufe außerhalb des öffentlichen Dienstes gesetzlich vorgeschrieben ist. Im Gegensatz zu den älteren Erlassen wird auf die bereits im öffentlichen Dienst beschäftigten Personen nur noch am Rande eingegangen, wobei man sich mit dem Hinweis auf ein mögliches Disziplinaroder Kündigungsverfahren begnügt.

Mit den bisher ergangenen oder angekündigten VerwaltungsVorschriften ist eine sehr weitgehende inhaltliche wie verfahrensmäßige Vereinheitlichung erreicht worden. Aus dem Rahmen der weniger bedeutsamen Abweichungen fällt nur die von den niedersächsischen Bewerbern nicht geforderte ausdrückliche Versicherung. Die Abweichungen von Land zu Land sind nicht signifikant für die parteipolitische Zusammensetzung der jeweiligen Regierung. Es kann keine Rede davon sein, daß die Verwaltungsvorschriften in CDU-geführten Ländern strenger wären als diejenigen in Ländern mit SPD-Ministerpräsidenten. Deshalb ist der Beschluß des SPD-Landesparteitages Baden-Württemberg vom 17. /18. Februar 1973 nur schwer verständlich, wonach „gegen den grundgesetzwidrigen Richtlinien-entwurf zur Überprüfung der Verfassungstreue im öffentlichen Dienst der Landesregierung in allen Großstädten des Landes ... öffentliche Protestdemonstrationen zu veranstalten" seien. Falls der Vorwurf der Grund-gesetzwidrigkeit dieser Richtlinien zuträfe, so müßte das gleiche gelten für die Vorschriften der SPD-regierten Länder Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen sowie für den von allen Länderinnenministern beschlossenen Musterentwurf. 4. Rechtsgrundlagen des Beschlusses Der Ministerpräsidentenbeschluß ist keine Rechtsquelle, sondern postuliert nur die strikte Anwendung der unabhängig von ihm geltenden, teilweise in Vergessenheit geratenen Gesetzesbestimmungen. Nach den Beamtengesetzen des Bundes und der Länder sowie den Tarifbestimmungen für Arbeiter und Angestellte obliegt allen Angehörigen des öffentlichen Dienstes eine besondere politische Treue-pflicht. Der Beamte muß sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für ihre Erhaltung eintreten. Das Beamtenrecht fordert neben formaler Pflichterfüllung auch eine gewisse Homogenität zwichen den politischen Grundauffassungen des Bewerbers und den fundamentalen Prinzipien des Grundgesetzes. In das Beamtenverhältnis darf nur berufen werden, wer die Gewähr bietet, daß er jederzeit für diese Grundordnung eintritt. Diese Bestimmungen sind zwingendes Recht. Wer diese beamtenrechtlichen Grundpflichten nicht auf sich nehmen will oder kann, hat nicht nur keinen Anspruch auf eine Stelle im öffentlichen Dienst, vielmehr ist eine trotzdem erfolgende Einstellung gesetzwidrig. Der Ansicht von Kriele mit der Aufnahme eines Verfassungsgegners verzichte der Staat auf die Ausübung seines Rechts, ihm die Stelle zu verweigern, muß wi-dersprochen werden. Die Beamtengesetze lassen keinen Raum für „freiwillig gewährte Toleranz", Ermessen oder Verzicht. Jede andere Entscheidung als die Ablehnung bedeutet eine Mißachtung des Gesetzgebers.

Für den Nachweis der Einstellungsvoraussetzung „Verfassungstreue" reicht es nicht aus, daß der Bewerber sich nicht aktiv gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung betätigt. Er darf diese Ordnung nicht nur nicht bekämpfen, sondern darf keinen Zweifel daran lassen, daß er jederzeit für sie eintritt und sie verteidigt. Diese Bereitschaft ist nicht auf die Dienstzeit oder den dienstlichen Bereich beschränkt (und auch nicht beschränkbar), sondern umfaßt auch sein gesamtes außer-dienstliches Verhalten. Der Beamte muß seinem Gesamterscheinungsbild nach eine unzweifelhafte Verbundenheit mit den tragenden Grundsätzen der Verfassung erkennen lassen. Dies ist im wesentlichen unstreitig aber auch unerläßlich, denn kein Staat der Welt kann auf die Verfassungsloyalität seiner Beamten verzichten und deren Teilnahme an verfassungsfeindlichen Bestrebungen dulden, wenn er sich nicht selbst aufgeben will Ist die Nicht-Berücksichtigung von Verfassungsgegnern bzw. ihre Entlassung mit dem. Grundgesetz vereinbar? Steht nicht z. B. Art. 3 Abs. 3 entgegen, wonach niemand wegen seiner politischen Anschauungen benachteiligt werden darf? Es ist nicht zu bestreiten, daß die Pflicht des Beamten zu verfassungstreuem Verhalten seine Grundrechte beschränkt und ihm Bindungen auferlegt, die über das von allen Bürgern verlangte Maß hinausgehen. Diese erhöhten Anforderungen an die Staatsdiener sind jedoch nach gefestigter Rechtsmeinung in Rechtsprechung und Literatur mit dem Grundgesetz vereinbar. Das Beamtenverhältnis wird in Art. 33 von der Verfassung selbst als besonderes Dienst-und Treueverhältnis institutionalisiert. Unter „Treue" ist in erster Linie die Treue zur Verfassung zu verstehen. Der Verfassungssatz: „Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung" (Art. 5 Abs. 3) beweist nicht nur ahnungsvolle Weitsicht im Hinblick auf die heutige Hochschulsituation, sondern durch die Verwendung des Wortes „entbindet" auch, daß diese Bindung generell besteht. Speziell für den Beamten oder Beamtenanwärter bildet seine Verfassungstreue eine entscheidende Voraussetzung für die Anerkennung seiner „Eignung", von der Art. 33 Abs. 2 GG die Übertragung eines öffentlichen Amtes abhängig macht. Auf das Benachteiligungsverbot in Art. 3 Abs. 3 GG können sich nicht einmal Verfassungsfeinde, die nicht im öffentlichen Dienst sind oder in ihn hineinwollen, berufen. Das Grundgesetz selbst benachteiligt in einer Reihe von Fällen Gegner der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, so in Art. 9 Abs. 2, 18 und 21 Abs. 2. Mit „politischen Anschauungen" i. S. von Art. 3 Abs. 3 GG können demnach nur solche gemeint sein, die nicht auf eine Umstürzung des geltenden Verfassungssystems gerichtet sind Das gilt um so mehr für Angehörige des öffentlichen Dienstes im weitesten Sinne. Niemand käme auf die Idee, den Amtseid des Bundespräsidenten und der Bundesminister, soweit er die Wahrung und Verteidigung des Grundgesetzes zur Pflicht macht als unvereinbar mit der Freiheit der politischen Anschauung zu erklären.

Wahrung und Verteidigung der Verfassung bedeutet nicht nur — wie in Weimar — das Verbot, eine Verfassungsänderung „auf nicht gesetzmäßigem Wege" anzustreben. Das Grundgesetz hat mit dem politischen Indifferentismus der Weimarer Verfassung bewußt gebrochen. Diese erschöpfte sich in formalen Funktionsprinzipien, mit deren Hilfe selbst faschistische und bolschewistische Gruppen auf legalem Wege die Macht erringen und die demokratische Staatsform abschaffen konnten. Das Grundgesetz hat demgegenüber „aus dem Pluralismus von Zielen und Wertungen . . . gewisse Grundprinzipien der Staatsgestaltung herausgenommen . . . und als absolute Werte anerkannt." In der nach den Verwaltungsvorschriften der Länder vorgeschriebenen Belehrung von Bewerbern für den öffentlichen Dienst sind die Determinanten dieser wertgebundenen Ordnung, wie sie in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts formuliert worden sind, im einzelnen aufgeführt. Mit der Festlegung einiger unabänderlicher Grundprinzipien, die in ihrer Gesamtheit die freiheitlich-demokratische Grundordnung ausmachen, wird gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, was mit dieser Ordnung unvereinbar, also verfassungsfeindlich ist. Entgegen der Auffassung von I. Staff sind alsö seht wohl rationale Kriterien zur Bestimmung des Begriffs „Verfassungsfeindlichkeit" vorhanden; man braucht bloß die Negation det einzelnen Grundwerte zu bilden.

In bewußter Abkehr von Weimar hat sich das Grundgesetz ferner für die „streitbare Demokratie" entschieden; es nimmt einen Mißbrauch der Grundrechte zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht hin Auf Intoleranz reagiert sie nicht tolerant, sondern mit gleicher Münze. Die Bestimmungen über die Verfassungstreue der Beamten sind die logische Konsequenz dieser Grundentscheidung für die abwehrbereite Demokratie. Zugleich darf aber nicht verkannt werden, daß das Grundgesetz gegenüber der Weimarer Reichsverfassung nicht nUr wirksamere Abwehrmaßnahmen gegen Verfassungsfeinde zur Verfügung stellt, sondern auch „wesentlich peniblere, stärker abgesicherte rechtsstaatliche Kautelen" Das Spannungsverhältnis zwischen diesen beiden Polen läßt sich kaum irgendwo besser nachweisen als bei den „Radikalen im öffentlichen Dienst". 5. Stand der Gefährdung durch Radikale im öffentlichen Dienst Nach Angaben des Bundesministers des Innern waren den Sicherheitsbehörden der Bundesrepublik gegen Mitte des Vorjahres etwa 2 700 Personen bekannt, die im öffentlichen Dienst beschäftigt und Mitglieder rechtsradikaler oder kommunistischer Organisationen sind. Davon entfielen ca. 1 500 Personen auf die NPD und einige rechtsradikale Splitter-gruppen, rund 900 Personen auf die DKP und ihre Jugend-bzw. Studentenorganisationen, sowie 300 Personen auf Gruppen der „Neuen Linken" Eine bemerkenswerte Häufung kommunistischer Beamter findet sich im pädagogischen Bereich: von den 218 DKP-Mitgliedern in den Länderverwaltungen sind 84 an allgemeinbildenden Schulen und 41 an Hoch-und Fachschulen tätig. Den stärksten Anteil an Rechtsradikalen weist mit etwa 400 Personen der Bereich des Verteidigungsministers, also speziell die Bundeswehr, auf.

Diese Zahlen bedürfen der Kommentierung. Es könnte sonst der Eindruck entstehen, als sei die Zahl der ermittelten Extremisten in Relation zur Gesamtheit der im öffentlichen Dienst Beschäftigten so unbedeutend, daß von ihnen keine nennenswerten Gefahren für den Staatsapparat ausgehen könnten. Zunächst muß eine erhebliche Dunkelziffer in Rechnung gestellt werden. Zürn zweiten beziehen die angeführten Zahlen nur die organisierten Radikalen ein, da sich verfassungsfeindliche Einzelkämpfer schlecht erfassen lassen. Ferner dürfen Mitglieder totalitärer Parteien oder Gruppierungen nicht mit Durchschnitts-mitgliedern demokratischer Parteien verglichen werden. Vor allem die DKP und die von ihr gesteuerten Vereinigungen sind nach dem leninistischen Kaderprinzip aufgebaut. Kader sind das Gegenteil von Karteileichen", nämlich ausgesuchte und erprobte Aktivisten, die ihrer Organisation in bedingungsloser Treue ergeben sind, deren Weisungen und Aufträge ohne Widerspruch ausführen und einer ständigen Schulung unterworfen werden. In ihrer Opfer-und Einsatzbereitschaft sind sie jedem „normalen" Parteimitglied um ein Vielfaches überlegen. Schließlich ist die Konzentration der Kommunisten auf pädagogische Berufe gewiß nicht zufällig, wenngleich auch eine gewisse vorgegebene Anfälligkeit junger Pädagogen für utopisch-sozialistische Ideen in Ansatz gebracht werden muß. Der Lehrerberuf bietet — wie sonst allenfalls noch der des Rundfunk-und Fernsehjournalisten — die Möglichkeit außerordentlicher Verbreitung und Vervielfältigung derartiger Ideen, wobei die jugendliche Begeisterungsfähigkeit für radikal-idealistische Gedankengebäude hinzukommt. Dieser Multiplikationsfaktor macht die hauptsächliche Gefährlichkeit kommunistischer Beamter aus. Selbst der „Spiegel" räumt ein, daß „bundesdeutsche Kinder Gefahr laufen, im Klassenzimmer für den Klassenkampf erzogen zu werden." ’ Ein weiteres ist zu bedenken: Der Ministerpräsidentenbeschluß und seine Durchführungsbestimmungen befassen sich nicht von ungefähr überwiegend mit den Bewerbern für den öffentlichen Dienst. Wer die derzeitige Situation an den deutschen Hochschulen nur einigermaßen überblickt, weiß oder ahnt zumindest, daß die im öffentlichen Dienst vor-handenen Extremisten in der Tat eine quantit negligeable sind im Vergleich zu dem noch bevorstehenden Ansturm. Die Straßen-kämpfer von 1968 und ihre Streitgenossen sind inzwischen in die Examenssemester vorgerückt. Gewiß ist manch einer von ihnen inzwischen zu demokratischeren Einsichten gelangt, aber ein beängstigend großer Teil hat lediglich eine Wandlung vom antiautoritären Anarchisten zum orthodoxen Kommunisten vollzogen. Das leitet häufig er -über zu dem hobenen Vorwurf, der Beschluß der Ministerpräsidenten richte sich nur scheinbar gegen Radikale aller Schattierungen, in Wirklichkeit gehe seine Stoßrichtung ausschließlich gegen links Es ist nicht zu leugnen, daß von ihm bisher mehr Links-als Rechtsradikale betroffen wurden, jedoch liegt dies nicht in seiner Tendenz, sondern beruht auf der zahlenmäßigen Bedeutungslosigkeit, die den Anhängern extrem-nationalistischer Gruppen in der heutigen Jugend beizumessen ist. Die häufigere Anwendung des Beschlusses gegen revolutionäre Marxisten geschieht nicht aus Blindheit gegenüber Gefahren von rechts, sondern spiegelt nur das derzeitige Kräfteverhältnis vor allem in der akademischen Jugend wider, das durch eine extreme Linkslastigkeit gekennzeichnet ist. Im übrigen ist es nachweislich falsch, daß „die Rechte" bisher ungeschoren davongekommen sei. Die geringe Publizität solcher Fälle mag wiederum ein Beweis für die momentane Irrelevanz dieses Lagers sein. Nach Mitteilung des Bundesinnenministeriums sind seit dem 28. Januar 1972 in fünf Fällen Bewerbungen abgelehnt worden, weil sich die Betreffenden durch rechtsradikale Aktivitäten hervorgetan haben. Ein politischer Makel haftet dem Beschluß allerdings durch den Zeitpunkt seines Erlasses an. Der Höhepunkt der NPD lag zeitlich vor der marxistischen Rennaissance; dieser Zeitabfolge hätten auch die Abwehrmaßnahmen entsprechen müssen. Was damals versäumt worden ist, belegen die relativ hohen Zahlen von Rechtsradikalen im öffentlichen Dienst, wobei allerdings hinzuzufügen ist, daß der Rechtsradikalismus in der studentischen Jugend in der Gegenwart zu keinem Zeitpunkt eine auch nur annähernd so starke Basis zu finden vermochte wie der Marxismus.

Auf den Haupteinwand gegen den Ministerpräsidentenbeschluß — nämlich das sog. Parteienprivileg — wird noch einzugehen sein. In Zusammenhang mit der Frage der politischen Ausgewogenheit des Beschlusses verdient die Akrobatik Beachtung, mit der Funktionäre und Juristen der äußersten Linken unter Berufung auf Art. 21 GG und andere Verfassungsbestimmungen den Extremistenerlaß als grundgesetzwidrig bekämpfen und zugleich seine strikte Anwendung gegen rechts verlangen. So heißt es etwa in einer Verlautbarung des Präsidiums der DKP zu diesem Beschluß

„Schluß mit Berufsverboten und allen verfassungswidrigen Maßnahmen und Drohungen gegen Kommunisten und andere Demokraten. In Anwendung der demokratischen Grundsätze der Verfassung müssen Neofaschisten und Revanchisten aus dem Erziehungswesen(l) und allen öffentlichen Ämtern entfernt werden." Der Münchner Rechtsanwalt Schmitt-Lermann sieht in der Gleichstellung von Angehörigen links-und rechtsradikaler Parteien einen Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und Gleichheit. Er läßt das Parteienprivileg nur zugunsten der Linken gelten und stellt folgende bemerkenswerte These auf: „Ebenso wie der Ausschluß eines Bewerbers wegen seines Bekenntnisses zum Antifaschismus und seiner unbestrittenen historischen Hauptkraft, dem internationalistischen Sozialismus, verfassungsrechtlich verboten ist, ist der Ausschluß von Anhängern faschistischer, insbesondere neonazistischer Parteien, Organisationen oder Bestrebungen . . . geboten."

Neben der Gefahr einer Beeinflussung der Jugend im verfassungsfeindlichen Sinne darf die Gefahr der inneren Zersetzung und Aufweichung des Rechtsstaates durch extremistische Beamte oder Richter nicht unterschätzt werden. Auch ohne daß solche Staatsdiener bisher einen nennenswerten Einfluß auf politische oder verfassungsrechtliche Entscheidungen hätten, existieren heute Grundströmungen, die die Unterscheidungsfähigkeit oder Unter-'Scheidungswilligkeit zwischen freiheitlich-demokratischer Grundordnung und totalitären Systemen vermissen lassen. Diese Tendenzen würden bei einer Zunahme radikaler Beamter zwangsläufig an Bedeutung gewinnen. Nach den klaren Aussagen des Bundesverfassungsgerichts im KPD-Urteil sollte es unter Demokraten keinen Zweifel mehr über die prinzipielle Unverträglichkeit etwa der „Diktatur des Proletariats" mit der grundgesetzlichen Ordnung geben. Die Auswirkung dieses Urteils ist aber offenbar im Schwinden begriffen. Wie sonst sollte man den Satz des Aka-demischen Kates an der Universität Marburg, Römer erklären: „Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die DKP nicht nur die Normen des Grundgesetzes respektiert, sondern daß sie die Verteidigung des Grundgesetzes gegen seine Verächter intensiver als irgendeine andere Partei betreibt." Gegen was bleibt der „streitbaren Demokratie" auf dem linken Flügel zu streiten, wenn die von der DKP glorifizierte sowjetische Parteidiktatur geradezu als konsequente Verwirklichung des Grundgesetzes verstanden wird? Auch Politiker und Richter, deren demokratische Integrität nicht bestritten werden soll, wirken an dieser Begriffsverwirrung mit. Wer zu dem festen Eindruck gelangt ist, daß DKP und Spartakus auf dem Boden des Grundgesetzes arbeiten wollen unterstellt damit, daß beides miteinander vereinbar ist. In fataler Weise an gewisse Urteile der Weimarer Zeit erinnert es, wenn ein deutsches Landgericht bei der Beurteilung des Programms der wegen Verfassungswidrigkeit verbotenen KPD zu dem Ergebnis kommt, daß es in den darin verwendeten Begriffen wie „Diktatur des Proletariats" oder „Marxismus-Leninismus" „verfassungsfeindliche Tendenzen nicht eindeutig zu erkennen" vermöge Es gehört wenig Phantasie dazu sich vorzustellen, welche Formulierungen hier eine mit „Radikalen" besetzte Kammer gewählt hätte. 6. Reaktionen auf den Ministerpräsidentenbeschluß Unter den politischen Parteien hat nur die CDU/CSU den Beschluß einmütig begrüßt. Sie hält ihn gleichermaßen für rechtmäßig wie notwendig und widersetzt sich allen Bestrebungen, ihn unter dem Deckmantel der „Präzisierung" abzuschwächen. Für den Fall, daß sich die Rechtsgrundlagen als nicht ausreichend herausstellen sollten, hat Barzel die Bereitschaft seiner Fraktion erklärt, auch eine Grundgesetzänderung in Betracht zu ziehen

Die Geschlossenheit bei SPD und FDP beschränkt sich auf die Aussage, daß Verfassungsfeinde im öffentlichen Dienst nichts zu suchen haben. Dem Wort von Herbert Wehner, kein Staat kann sich Beamte leisten, die in Wirklichkeit nicht für, sondern gegen ihn arbeiten, ist von niemandem widersprochen worden. Höchst kontrovers ist aber die Frage, ob die Ablehnung eines Bewerbers auf die Mitgliedschaft in einer Organisation gestützt werden kann, deren Zielrichtung von der Bundes-oder der betreffenden Landesregierung für verfassungswidrig gehalten wird. Nach der klaren Aussage des Beschlusses begründet eine solche Mitgliedschaft Zweifel an der Verfassungstreue des Bewerbers und führt zu seiner Ablehnung, falls diese Zweifel nicht nach Prüfung des Einzelfalles ausgeräumt werden können. Inwieweit die Bundesregierung an dieser Auffassung heute noch festhält, ist nicht eindeutig zu klären. Bundesinnenminister Genscher hat im Bundestag auf die Frage, ob es politisch und verfassungsrechtlich bedenklich sei, allein aus der Zugehörigkeit zu einer nicht verbotenen Partei einen Grund für die Ablehnung des Bewerbers herzuleiten, geantwortet: „Das ist nicht nur die Meinung der Bundesregierung, sondern das lag auch der Entscheidungsfindung der Ministerpräsidenten zugrunde." Daraus kann jedoch nicht auf ein Abrücken von dem Extremistenerlaß geschlossen werden, denn in der gleichen Fragestunde hat der Minister mehrfach erklärt, es dürfe „nicht sklavisch" an die Mitgliedschaft angeknüpft werden. Das entspricht in vollem Umfang der Forderung des Beschlusses nach Prüfung jedes Einzelfalles, durch die jede Automatik ausgeschlossen ist. Der Bundeskanzler und SPD-Vorsitzende, Willy Brandt, hat sich in diesem Punkt jedoch von dem Beschluß der Regierungschefs des Bundes und der Länder distanziert. In einem Interview mit dem „Vorwärts" vom 29. März 1973 hat er ausgeführt, daß die getroffene Regelung unpräzise sei und die Rechtslage nur unvollkommen wiedergebe. Nach seiner Ansicht darf die bloße Mitgliedschaft in einer nicht verbotenen Partei wegen des Parteienprivilegs nicht zu Rechtsnachteilen für den einzelnen führen. Er hat hinzugefügt, daß für . ihn und seine politischen Freunde in dieser Frage nie ein Zweifel bestanden habe. Auf dieser Linie liegt auch der Beschluß des SPD-Parteitages vom April 1973, der feststellte, daß die Mitgliedschaft in einer nicht verbotenen Partei oder Organisation einer Mitarbeit im öffentlichen Dienst nicht entgegensteht. Der Parteitag wendete sich auch gegen eine Treue-erklärung des Bewerbers und die Berücksichtigung von Angaben „anonym bleibender Zeugen". Auch in der FDP scheinen die Befürworter des Beschlusses in die Minderheit geraten zu sein. In einer gemeinsamen Erklärung sprachen sich am 21. Februar 1973 sieben Angehörige ihrer Bundestagsfraktion zu-sammen mit 18 SPD-Abgeordneten gegen den Beschluß und die Art seiner Anwendung aus Positive Stimmen sind außer von Genscher nur selten zu vernehmen, was aber damit Zusammenhängen kann, daß Publizisten sich lieber mit „Abweichlern" als mit „Ja-Sagern" beschäftigen. Eine besonders dissonante Stimme war übrigens die des Hamburger FDP-Bürgerschaftsmitgliedes Weber, der mit seiner Philippika gegen den Beschluß selbst die SPD-Fraktion empörte

Zu dem Beschluß nahmen außer den politischen Parteien auch zahlreiche Organisationen und Einzelpersönlichkeiten Stellung Soweit ihr politischer Standort links von der Mitte anzusiedeln ist, war ihre Reaktion regelmäßig ablehnend. Mit zunehmender Annäherung an die äußerste Linke werden diese Äußerungen immer bösartiger, gehässiger und verzerrter.

Einige Beispiele:

Nach Ansicht des Bremer Professors Däubler stellt der Beschluß „einen wichtigen Schritt auf dem Weg der Bundesrepublik zum Polizeistaat dar". Sein Gießener Kollege Ridder ergänzt, die Bundesrepublik rücke damit „in eine zutiefst beschämende Nähe zu halbfaschistischen Systemen nach Art der griechischen Militärdiktatur". Rechtsanwalt Benseler konstatiert eine „eindeutige Parallele" zum Gesetz zur Wiederherstellung, des Berufsbeamtentums, mit dessen Hilfe „die Legalisierung des faschistischen Terrors gegen sozialistische Beamtenanwärter erreicht und antidemokratische Politisierung der deutschen Beamtenschaft durchgesetzt werden sollte". Der Tübinger Rechtsanwalt Hart-mannglaubt erkannt zu haben, daß der Beschluß vor allem einer Schulpolitik dienen soll, „die die große Masse der Schulkinder dressieren will zu billigem, angepaßtem, sprachlosem, aggressivem Menschenmaterial für Fabriken und Kasernen". Schließlich bezeichnet der Münchner Dozent Sonnemann die Beschlüsse als „Akt eben der Subversion, die sie angeblich oder vermeintlich aufs Korn nehmen".

Diese Auslese mag genügen. Den besten Beweis für die Liberalität und Rechtsstaatlichkeit dieses Staates, speziell bei der Handhabung der Berufsfreiheit, liefern die zitierten Beamten und „Organe der Rechtspflege" selber. Sie würden es vermutlich für völlig in Ordnung halten, daß eine der „Hauptvoraussetzungen" für den Erwerb des Doktorgrades in der DDR nach den vom 1. Januar 1973 an geltenden Richtlinien die „bewußte Parteinahme für die sozialistische Entwicklung in der DDR" ist.

II. Privilegierung für Mitglieder politischer Organisationen?

1. Woran erkennt man einen „Verfassungsfeind"? Abwertende Begriffe sind in der politischen Auseinandersetzung sehr beliebt, denn durch ihre Verneinung läßt sich auf Anhieb jedermanns Zustimmung erreichen. Es sind sich nicht nur alle darin einig, daß „Verfassungsfeinde" nicht in den öffentlichen Dienst gehören, sondern auch darin, daß es dabei weder zu „Hysterie", „Hexenjagden" oder „schwarzen Listen" noch zu „Gesinnungsschnüffelei" kommen dürfe. Solche Reizworte tragen wenig zur Lösung des Problems bei. Werden sie — wie es bei „Verfassungsfeindlichkeit" der Fall ist — als Schlüsselwort in amtlichen Erlassen verwandt, so kommt es entscheidend auf eine exakte Begriffsbestimmung an. Es geht nicht an, daß übereifrige Personaldezernenten linke Sozialdemokraten oder rechte Christdemokraten zu Verfassungsfeinden stempeln. Es darf aber auch nicht dazu kommen, daß durch die Herausnahme der für die Verfassungsfeindlichkeit typischen Manifestationsformen der zuvor aufgestellte Grundsatz bis zur Bedeutungslosigkeit ausgehöhlt wird. Der nach zupackender Entschlossenheit klingende Satz von der Unvereinbarkeit von Verfassungsfeindlichkeit und öffentlichem Dienst kann, auch dadurch zur Farce werden, daß der Exekutive verboten wird, sich geeigneter Hilfsmittel zum Erkennen verfassungsfeindlicher Betätigung von Bewerbern zu bedienen. Wer sich gegen „schwarze Listen", „anonym bleibende Zeugen" und „Gesinnungsschnüffelei" wendet, spielt damit offenkundig auf die Behörden für Verfassungsschutz an. Mit „schwarzen Listen" kann nichts anderes gemeint sein als die gesammelten Erkenntnisse des Verfassungsschutzes, mit „anonymen Zeugen" die Bekundungen von V-Leuten. Unterstellt man, daß das Bundesamt für Verfas-sungsschutz von einem Vertrauensmann in Ost-Berlin oder von einem befreundeten ausländischen Dienst einen vertraulichen Hinweis auf nachrichtendienstliche oder verfassungsfeindliche Betätigung eines Beamtenanwärters erhält, so liegt es, auf der Hand, daß solche Informationsquellen nicht preisgegeben werden können. Wer dies dennoch verlangt, nimmt die Aufnahme mutmaßlicher Agenten und Spione in den öffentlichen Dienst in Kauf. Läßt man das Gemeinwohl so eklatant hinter Individualinteressen zurücktreten, indem man die Verwaltung ihrer Erkenntnis-möglichkeiten oder der Verwertbarkeit ihrer Erkenntnisse beraubt, so läuft das in letzter Konsequenz darauf hinaus, daß Verfassungsfeindlichkeit nur noch dann angenommen werden kann, wenn sich der Bewerber selbst ihrer bezichtigt.

Wer die Grundpfeiler unserer Verfassung Umstürzen will, versucht dies in aller Regel nicht als Einzelkämpfer, sondern im Kollektiv. Die Erfolgschancen solcher Bestrebungen lassen sich durch geeignete Organisationsformen — z. B. kadermäßigen Aufbau — potenzieren. Der organisierte Verfassungsfeind ist gegenüber dem nicht-organisierten der weitaus gefährlichere. Soweit eine Gruppe den politischen Umsturz durch die Begehung gemeiner Verbrechen ä la Baader-Meinhof versucht, dürfte die Gruppenzugehörigkeit — unabhängig vom individuellen Tatbeitrag — als Ausschließungsgrund für den öffentlichen Dienst unbestritten sein. Nach Meinung vieler soll die Organisationszugehörigkeit aber nicht ausreichen, wenn das gleiche Ziel mit „friedlichen" Mitteln, also Agitation, Demonstration, Boykott oder Anzettelung wilder Streiks angestrebt wird. Wer einer Organisation mit verfassungsfeindlicher Zielsetzung beitritt, bejaht damit nicht zwangsläufig sämtliche ihrer Ziele und Methoden, wohl aber ihre grundsätzliche Ausrichtung. Zugehörigkeit zur DKP bei gleichzeitiger Ablehnung des Marxismus-Leninismus, der Diktatur des Proletariats oder der „führenden Rolle der Partei" ist genau so absurd wie die Mitgliedschaft eines Verfechters der Ausrottung der Tiere in einem Tierschutzverein. Bundeskanzler Brandt hat in dem oben erwähnten „Vorwärts" -Interview erklärt, die Mitgliedschaft könne „nur einen Anhaltspunkt für eine sorgfältige . Prüfung seines individuellen Verhaltens bieten" Das hier gebildete Gegensatz-paar „Mitgliedschaft" und „individuelles Verhalten" ist in sich unschlüssig, denn natürlich ist auch der Beitritt zu einer Organisation ein Akt individueller Betätigung. Der Bundeskanzler will damit auch offenbar nicht nur eine Lanze brechen für solche Mitglieder, die ohne Kenntnis der wahren Zielsetzung den Beitritt zu einer verfassungsfeindlichen Organisation vollzogen haben, denn dafür bietet der Ministerpräsidentenerlaß selbst durch die Forderung nach Prüfung jedes Einzelfalles eine ausreichende Sicherung. Gemeint ist offenbar, daß die Mitglieder einer verfassungsfeindlichen Gruppe nicht mit deren prinzipiellen Zielen identifiziert werden dürften. Tut man also auch einem SPD-Mitglied Gewalt an, wenn man aus seiner Mitgliedschaft auf die Bejahung des „Godesberger Programms" schließt?

Mit der Forderung nach „individueller" Betätigung im Gegensatz zur Mitgliedschaft ist die These verwandt, daß sich der Bewerber „ausdrücklich" gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung erklärt oder sie mit unerlaubten Mitteln bekämpft haben müsse Wer eine ausdrückliche Ablehnung unseres Verfassungssystems verlangt, wird mit ziemlicher Sicherheit niemanden aus politischen Gründen vom Staatsdienst fernhalten können. Kriele weist zu Recht auf die bekannte Vertauschung der Begriffe „Freiheit" und „Demokratie" hin, mit deren Hilfe sogar Kommunisten mit gutem Gewissen einen Amtseid auf das Grundgesetz leisten. Verfassungsfeinde behaupten in aller Regel nicht, das Grundgesetz abschaffen zu wollen, sondern im Gegenteil, sie seien die wahren Vollender des „nicht erfüllten Grundgesetzes". In der gesamten Rechtsordnung wird konkludentes Verhalten ausdrücklichem Tun gleichgestellt. Warum sollte dies nicht auch bei der beamtenrechtlichen Treuepflicht gelten? Wer einer Partei beitritt, die eine — wie auch im-, mer geartete — Diktatur anstrebt, muß sich gefallen lassen, daß sich daraus für ihn Schlußfolgerungen ergeben. Selbst wenn damit noch nicht der Nachweis eigener Verfassungsfeindlichkeit geführt sein sollte, so ergeben sich daraus doch zumindest erhebliche Zweifel, ob er jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten bereit ist. Diese Zweifel rechtfertigen nach den Beamtengesetzen und dem Beschluß der Regierungschefs seine Ablehnung, sofern er nicht — was nur schwer vorstellbar ist — diese Zweifel zu widerlegen vermag.

Eine der Standardbehauptungen gegen die Berücksichtigung der Mitgliedschaft in radika-len Organisationen lautet, sie führe zu „Gesinnungsschnüffelei". Da Bewerber derartige Mitgliedschaften häufig verschweigen werden, ist in der Tat ein gewisses Maß von Nachforschung und Überprüfung unerläßlich, um hinter die Mitgliedschaft in verfassungsfeindlichen Gruppen zu kommen. Das würde aber erst recht zu gelten haben, wenn dem Bewerber neben oder unabhängig von gewissen Organisationszugehörigkeiten „besondere Aktivitäten" nachgewiesen werden müßten. Das Abstellen auf das formale Kriterium der Mitgliedschaft hat im Vergleich zu dem inhaltlich fragwürdigen Begriff „besondere Aktivitäten" den Vorzug größerer Klarheit und Rechtssicherheit aber auch verminderter „Schnüffelei". Wem es in erster Linie um ein Minimum an Überwachung durch den Verfassungsschutz geht, sollte sich mit der nachgewiesenen Mitgliedschaft in einer antidemokratischen Vereinigung begnügen. Dem Verfassungsschutz sind zahllose Personen bekannt, über die außer der Mitgliedschaft in derartigen Organisationen keine Erkenntnisse vorliegen. Verlangte man zwecks Fernhaltung aus dem öffentlichen Dienst den Nachweis zusätzlicher Aktivitäten, so liefe das auch auf „zusätzliche Aktivitäten" des Verfassungsschutzes hinaus. Die Förderung nach besonderen Aktivitäten ist noch in anderer Hinsicht problematisch: Unterstellt man einmal, die Mitgliedschaft in Organisationen mit verfassungsfeindlicher Zielsetzung dürfe wegen des Parteienprivileges nicht zuungunsten eines Bewerbers herangezogen werden, so stellt sich die Frage, inwieweit die Auswirkungen des Parteienprivileges auch die „besonderen Aktivitäten" des Bewerbers für die betreffende Vereinigung erfassen. Folgert man aus Art. 21 GG, daß die parteioffizielle Propagierung auch verfassungswidriger Parteiziele uneingeschränkt geschützt ist so kann auch einer noch so intensiven Betätigung im Rahmen der Parteiarbeit dieser Schutz nicht verweigert werden. Wenn geringfügige Tätigkeit rechtlich irrelevant ist, kann auch bei gesteigerter Aktivität nichts anderes gelten, ebenso wie ein Mehrfaches von Null immer Null ergibt. Folglich müßte der öffentliche Dienst auch für alle NPDund DKP-Funktionäre geöffnet werden.

An dem Ministerpräsidentenbeschluß und den Durchführungsbestimmungen der Länder wird vielfach bemängelt, daß sie jene Organisationen mit verfassungsfeindlicher Zielsetzung nicht aufzählten. Dagegen wird zu Recht eingewandt, die rechts-und linksradikalen Gruppen zeichneten sich durch ein ständiges Kommen und Gehen aus, so daß die heutige Katalogisierung bereits morgen überholt wäre. Es ist jedoch keineswegs so, als ob der künftige Beamtenanwärter dadurch völlig im unklaren gelassen würde, welche Organisationen von den Regierungen des Bundes und der Länder für verfassungsfeindlich in ihrer Zielrichtung gehalten werden. Die Bundesregierung hat dem Deutschen Bundestag über diese Vereinigungen mehrfach berichtet Der Bundesinnenminister veröffentlicht ferner jedes Jahr einen Bericht über rechts-und linksradikale Bestrebungen sowie Spionageabwehr, der auf den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes beruht. In der Broschüre „Verfassungsschutz 1971" nennt der BMI u. a. folgende Organisationen:

Linkradikalismus Deutsche Kommunistische Partei (DKP) Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) Sozialistische Einheitspartei West-Berlins (SEW)

Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ)

Freie Deutsche Jugend West-Berlins (FDJW) Marxistischer Studentenbund Spartakus (MSB)

Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN)

Deutsche Friedensunion (DFÜ) Kommunistische Partei Deutschlands/Marxi-

sten-Leninisten (KPD/ML) Kommunistischer Jugendverband Deutschlands (KJVD)

Rechtsradikalismus Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD)

Partei der Arbeit (PdA) Deutsch-Europäische Gesellschaft (DEG) Deutsche Volksunion (DVU)

Aktion Oder-Neiße (AKON) Gemeinschaft Ostdeutscher Grundeigentümer (GOG)

Arbeitskreis Volkstreuer Verbände (AVV) Deutsch-Soziale Aktion (DSA)

Aktion Widerstand (AW)

Bund Heimattreuer Jugend (BHJ) Wiking-Jugend (WJ) Nach Art. 21 Abs. 2 GG kann die Verfassungswidrigkeit einer Partei nur durch das Bundesverfassungsgericht verbindlich festgestellt werden. Bis zur Entscheidung des Gerichts kann niemand die Verfassungswidrigkeit einer Partei rechtlich geltend machen oder die Partei in ihrer politischen Tätigkeit behindern. Das Entscheidungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts schließt administratives Einschreiten gegen den Bestand einer Partei schlechthin aus, mag sie sich der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gegenüber noch so feindlich verhalten Auch sonstige Vereinigungen dürfen nach § 3 Abs. 1 VereinsG erst dann als verboten behandelt werden, wenn eine Verbotsverfügung durch die zuständige Behörde ergangen ist Die Parteien sind also gegenüber sonstigen Organisationen nur dadurch begünstigt, daß die Exekutive gegen vermeintlich verfassungswidrige Parteien nicht das ansonsten zu ihrem „Hausgut" gehörende „Recht des ersten Zugriffs" anwenden kann, sondern dem Bundesverfassungsgericht den Vortritt lassen muß. Für die Frage der Berücksichtigungsfähigkeit der Mitgliedschaft zu Lasten eines Bewerbers kommt es auf diese formale Begünstigung der Parteien nicht an. Entscheidend ist vielmehr das für alle Organisationen geltende allgemeine Behinderungsverbot vor der verbindlichen Entscheidung der jeweils zuständigen Stelle. Dies soll im folgenden als Organisationsprivileg bezeichnet werden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dient das Privileg des Art. 21 vor allem dem Schutz der Parteiorganisation; es bezieht sich in zweiter Linie aber auch auf die mit allgemein erlaubten Mitteln arbeitende parteioffizielle Tätigkeit der Funktionäre und Anhänger einer Partei Hiernach darf niemand wegen seiner Tätigkeit für eine nicht-verbotene Partei strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Er kann als Verfolgter auch nicht von Entschädigungsleistungen mit der Begründung ausgeschlossen werden, er habe die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpft. Die Frage ist nun, ob es mit diesen Grundsätzen vereinbar ist, daß die Ministerpräsidenten aus der Zugehörigkeit zu gewissen Organisationen Zweifel an der demokratischen Einstellung ihrer Mitglieder herleiten und ihnen deshalb in der Regel den Eintritt in den öffentlichen Dienst verteratur umstritten, wird jedoch mehrheitlich verneint. Auf den Stand der Auseinandersetzung soll hier nicht in allen Einzelheiten eingegangen werden. Es muß jedoch vor einer pauschalen Übertragung der oben erwähnten Grundsätze gewarnt werden. Das Bundesverfassungsgericht wird sich bei seiner bevorstehenden Entscheidung — anders als bei den bisher zu Art. 21 ergangenen Urteilen — nicht auf die Auslegung einer Verfassungsbestimmung beschränken können. Es wird eine Güterabwägung vorzunehmen haben zwischen dem Parteienprivileg einerseits und dem beamtenrechtlichen Treueverhältnis (Art. 33 Abs. 4) andererseits. Dabei wird darzulegen sein, daß es sich bei der zwischen Dienstherrn und Beamten geltenden „Treue" um mehr als um eine altmodische Floskel handelt, nämlich um die Voraussetzung und Garantie für ein die Verfassung und Gesetze loyal handhabendes Berufsbeamtentum. Das Gericht wird ferner die Auswirkungen einer in bezug auf den Extremistenerlaß negativen Entscheidung auf das Parteienprivileg selbst zu berücksichtigen haben: Das Parteienverbot sollte nur ultima ratio sein, d. h. nur angewandt werden, wenn die politische Auseinandersetzung mit radikalen Parteien keinen Erfolg verspricht, z. B. in Zeiten hochgradiger Emotionalisierung des politischen Lebens. Die Regierungschefs haben durch ihren Beschluß zum Ausdruck gebracht, daß sie den Eintritt von Anhängern totalitärer Parteien und Gruppen in den öffentlichen Dienst für unerträglich halten. Dürfte die Mitgliedschaft in nicht-verbotenen Organisationen nicht mehr berücksichtigt werden, so bliebe nur der Ausweg, in einer Vielzahl von Fällen Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht zu stellen bzw. Verbotsverfügungen zu erlassen. Das dem Art. 21 Abs. 2 innewohnende Opportunitätsprinzip würde dadurch erheblich geschmälert, den in Frage kommenden Vereinigungen vermutlich ein Bärendienst erwiesen. Es ist daher abwegig, einen „offenkundigen Widerspruch" darin zu sehen, daß die Bundesregierung einerseits das Verbot von NPD und DKP für entbehrlich hält, andererseits deren Mitglieder nicht in den öffentlichen Dienst übernehmen will. Vielmehr gehen die Regierungschefs zutreffend und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit davon aus, daß das schärfste Repressionsinstrument, das Parteienverbot, solange nicht eingesetzt werden sollte, wie den Gefahren für die freiheitlich-demokratische Grundordnung mit weniger einschneidenden Maßnahmen begegnet werden kann

Die Regierungen des Bundes und der Länder haben seit Bestehen der Bundesrepublik für sich das Recht in Anspruch genommen, die Zielsetzung von Parteien und Organisationen in bezug auf ihr Verhältnis zum Grundgesetz zu überprüfen und zu bewerten. Die Bundesregierung hat darüber hinaus erst kürzlich durch den Bundesinnenminister erklären lassen, sie halte es „aus dem Gesichtspunkt des positiven Verfassungsschutzes" auch für ihre Pflicht, „wenn sie der Meinung ist, daß eine Partei verfassungswidrige Ziele verfolgt, dies sehr wohl zum Ausdruck zu bringen" Folgerichtig enthalten die jährlichen Berichte des BMI über die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes sowohl die Namen jener Organisationen, deren Zielsetzung für verfassungswidrig gehalten wird, wie auch Angaben darüber, worauf sich-diese Bewertung stützt. Dadurch wird für jedermann offenkundig, daß diese Organisationen von den Ämtern für Verfassungsschutz überwacht werden. Auch die Verfassungsschutzämter mußten zuvor eine Bewertung der Zielsetzung der zu überwachenden Personen oder Vereinigungen vornehmen, denn nach § 3 VerfSchutzG gilt hierfür als Voraussetzung, daß sich deren Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten. Wie könnte der Bundesinnenminister, ohne sich den Vorwurf der Schizophrenie zuziehen zu müssen, am 23. März 1973 vor dem Deutschen Bundestag durch seinen Parlamentarischen Staatssekretär Baum erklären lassen, „die Bundesregierung hält an ihrer Auffassung fest, daß die DKP verfassungsfeindliche Ziele verfolgt", wenn er am nächsten Tag einem Mitglied eben jener Partei durch Aushändigung einer Beamtenernennungsurkunde bescheinigen müßte, daß dieser Gewähr dafür biete, sich jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzusetzen?

Mit der Erklärung durch die Bundesregierung, eine Partei verfolge verfassungsfeindliche Ziele, wird nicht entgegen Art. 21 Abs. 2 GG die Verfassungsfeindlichkeit der Partei insgesamt behauptet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Partei vielmehr erst dann als verfassungswidrig anzusehen, wenn sie eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung der bestehenden Ordnung gegenüber einnimmt und das Funktionieren dieser Ordnung planmäßig zu beeinträchtigen sucht. Maurer fordert außerdem den Nachweis, daß die Partei eine Gefahr für die demokratische Grundordnung darstellt. Die verfassungsfeindliche Zielsetzung ist also nur eine Verbotsvoraussetzung unter mehreren, wenn auch zweifellos die gewichtigste Durch das Nichteinschreiten gegen eine Organisation wird dieser keineswegs gleichzeitig eine verfassungstreue Programmatik unterstellt. Artikel 21 Abs. 2 GG enthält nicht die Vermutung, sondern nur die Fiktion der Verfassungsmäßigkeit einer Partei bis zu ihrem Verbot. Diese Fiktion bezieht sich nur auf die Summe der einzelnen, die etwaige Verfassungsfeindlichkeit ausmachenden Faktoren, nicht auch auf die Faktoren selbst. Auch die Rechtsprechung hat keine Bedenken, bei nicht-verbotenen Organisationen in bezug auf ihre Haltung zum Grundgesetz zwischen „gut und böse" zu differenzieren. Mit Billigung der Gerichte wurden dem SDS seinerzeit Unterstützungsmittel verweigert, für die nach § 9 JWG Voraussetzung war, daß der Zuwendungsempfänger die Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit bot. Das OVG Münster wies die Argumentation des SDS zurück, daß bei verfassungskonformer Auslegung des § 9 JWG die Zielsetzung politischer Studentenverbände stets als den Zielen des GG förderlich anzusehen sei, solange die betreffende Organisation nicht rechtskräftig verboten sei. Entgegen vielfach geäußerter Ansicht folgt aus dem Organisationsprivileg somit kein uneingeschränktes Diskriminierungsverbot. Der Einwand gegen den Ministerpräsidentenbeschluß, durch die Nichtberücksichtigung der Mitglieder bestimmter Organisationen würde letzteren der Stempel der Verfassungswidrigkeit aufgedrückt geht fehl. Zum einen beschränkt sich die. „Abstempelung" auf die Feststellung verfassungsfeindlicher Zielsetzung, zum anderen ist eine solche konkludent getroffene Feststellung im Hinblick auf Art. 21 GG unbedeutend, solange sich, die Bundesregierung ausdrücklich und in aller Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche Zielsetzungen bestimmter Organisationen äußert. Den solcherart klassifizierten Vereinigungen ist es im übrigen unbenommen, sich gegen den Vorwurf, verfassungsfeindliche Ziele zu verfolgen, gerichtlich zur Wehr zu setzen Die betroffenen Organisationen werden ihre Gründe haben, warum sie von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen. Würde z. B. die DKP mit ihrer Klage abgewiesen, so wäre damit die Verfassungswidrigkeit ihrer Zielsetzung rechtskräftig festgestellt. Die Opposition dürfte daraus vermutlich die Forderung nach Einleitung des Parteiverbotsverfahrens herleiten und die Bundesregierung dadurch in Zugzwang bringen.

Wer in Nr. 2. 1. 2 des Ministerpräsidentenbeschlusses eine unzulässige Diskriminierung der betreffenden Parteien und sonstigen Vereinigungen erblickt, müßte konsequenterweise der Exekutive auch das Recht bestreiten, die Öffentlichkeit über die verfassungsfeindliche Zielsetzung dieser Organisationen aufzuklären. Der Extremistenerlaß ist im Grunde nur eine logische Folgerung aus jenem Bewertungs-und Aufklärungsrecht. Die Mitgliedschaft in einer Organisation, deren Ziele von der Bundesregierung für verfassungsfeindlich befunden worden sind, schließt in aller Regel die Annahme aus, daß der Bewerber sich zur verfassungsmäßigen Ordnung bekennen und für sie eintreten wird. Welchen Aufklärungseffekt sollte wohl die Feststellung verfassungsfeindlicher Ziele haben, wenn die Bundesregierung gleichwohl Personen, auf die sich diese Vorwürfe miterstrecken, zu Beamten oder Richtern ernennt? Wer der Regierung das Recht bestreitet, die Zielsetzung radikaler Organisationen zu bewerten, indem er die Fiktion des Art. 21 Abs. 2 GG auch auf die Verfassungsmäßigkeit der Ziele erstreckt, sollte folgendes berücksichtigen: Voraussetzung für jedes Verbotsverfahren ist das Vorhandensein umfangreicher, gerichtlich verwertbarer Erkenntnisse des Verfassungsschutzes, aus denen sich die Verfassungswidrigkeit der Organisation ergibt. Müßte die Exekutive bis zum Verbot einer Organisation auch deren Zielsetzung als verfassungskonform unterstellen, so dürfte der Verfassungsschutz gar nicht tätig werden. Das aber hätte zur Folge, daß ein Verbotsverfahren mangels Erkenntnissen künftig nicht mehr erfolgen könnte. Zü welchen ausweglosen Schwierigkeiten ein Bewertungsverbot der Mitgliedschaft in extremistischen Organisationen führen müßte, mag folgendes Beispiel erläutern: A, B und C bewerben sich um die Aufnahme in den öffentlichen Dienst. A ist nicht-organisierter Kommunist und hat sich unlängst in einem Zeitungsartikel für die Diktatur des Proletariats, für die Abschaffung jeder Opposition und gegen die parlamentarische Demokratie ausgesprochen. Von B ist nur bekannt, daß er Mitglied der DKP ist. C ist DKP-Funktionär und hat kürzlich auf einer Parteiveranstaltung die gleichen Thesen vertreten wie A in seinem Artikel. Es dürfte unbestritten sein, daß die Einstellungsbehörde die Äußerungen von A als verfassungsfeindliche Betätigung einstufen kann oder sogar muß und seine Ablehnung daher — für sich genommen — rechtmäßig ist. Würden B und C hingegen im Hinblick auf das Parteienprivileg eingestellt, würde A mit Recht darauf verweisen, daß B sich durch seinen Parteibeitritt konkludent zu den gleichen Zielen wie er bekannt und daß C dies außerdem noch expressis verbis getan habe. Eine solche Differenzierung dürfte mit dem Gleichheitsgrundsatz kaum vereinbar sein. Es liegt nicht in der mit dem Organisationsprivileg verfolgten Absicht, die gefährlicheren — weil organisierten — Verfassungsfeinde gegenüber einzelgängerischen Gesinnungsgenossen zu begünstigen. Würde auch C wegen seiner Äußerungen abgelehnt, so würde er einwenden, die DKP sei eine legale Partei; er habe nur das für alle Mitglieder verbindliche Programm dieser Partei erläutert. Es ist bereits an anderer Stelle dargelegt worden, daß der Grad der Aktivität der einzelnen Mitglieder kein Differenzierungskriterium sein kann. Fazit: Bei Irrelevanz der Mitgliedschaft dürfte keiner der drei Bewerber aus politischen Gründen abgelehnt werden.

Nun wird allerdings auch von den Gegnern des Ministerpräsidentenbeschlusses mitunter eingeräumt, daß ein Beamter oder Anwärter sich bei verfassungsfeindlicher Betätigung nicht darauf berufen könne, diese stehe in Zusammenhang mit seiner Parteizugehörigkeit Das setzt voraus, daß bei Organisationen, deren verfassungsfeindliche Zielsetzung die Bundesregierung — vorbehaltlich gerichtlicher Überprüfung — festgestellt hat, überhaupt zwischen verfassungsfeindlicher und verfassungskonformer Betätigung unterschieden werden kann. Kriele meint, es sei z. B. nichts dagegen einzuwenden, daß ein beam-tetes DKP-Mitglied gegen Kapitalismus und Imperialismus zu Felde zieht, nur dürfe er sich nicht gegen die Grundprinzipien der Verfassung aussprechen. Beides läßt sich in der kommunistischen Agitation aber kaum voneinander trennen. Hinter der Verunglimpfung unseres Gesellschafts-und Regierungssystems als imperialistisch und kapitalistisch steht bei den Kommunisten doch stets — stillschweigend oder ausdrücklich — das Bestreben, durch Herbeiführung revolutionärer Zustände die Diktatur des Proletariats — die in Wahrheit nur die Diktatur der Partei über das Proletariat wäre — zu errichten. Es wäre kurzsichtig, die von totalitären Parteien aufgestellten Ziele und Thesen jeweils einzeln am Grundgesetz zu messen, ohne sie in den eindeutig unserer Verfassung zuwiderlaufenden Gesamtzusammenhang ihrer Politik zu stellen.

Vielen Gegnern des Ministerpräsidentenbeschlusses erscheint das Abstellen auf die Mitgliedschaft in extremistischen Organisationen zu pauschal und undifferenziert. Einige schlagen statt dessen vor, bei der Einstellung generell das Vorliegen der Verfassungstreue zu unterstellen und erst dann, wenn sich der Eingestellte später durch seine dienstlichen Entscheidungen als Gegner der Verfassung herausstellt, disziplinarrechtliche Maßnahmen mit dem Ziel der Entfernung aus dem Dienst zu ergreifen. Dieser Vorschlag wird den Erfordernissen eines jederzeit voll funktionsfähigen öffentlichen Dienstes nicht gerecht. Der Dienstherr muß sich auf die Verfassungstreue seines Beamtenapparates auch und vor allem in Krisen-und Notsituationen uneingeschränkt verlassen können. Wie könnte er das z. B. bei Mitgliedern der DKP oder der von ihr abhängigen Organisationen, nachdem die Bundesregierung vor dem Parlament erklärt hat, „die Mitgliedschaft ... (in ihnen) wird wegen ihrer bekannten Zielsetzung in aller Regel zu schweren Loyalitätskonflikten des Beamten führen" Disziplinarmaßnahmen mögen in innen-oder außenpolitischen Schön-Wetter-Phasen ausreichen, sie sind aber untauglich in Krisenzeiten und vor allem dann, wenn Verfassungsfeinde im öffentlichen Dienst erst einmal zum Massenphänomen geworden sind. Andere Vorschläge gehen dahin, Mitgliedern radikaler Organisationen lediglich die Aufnahme in solche Bereiche oder Positionen zu verweigern, in denen es — wie z. B. bei allen Sicherheitsbehörden — auf unbedingte Loyalität und Zuverlässigkeit ankommt. Aber auch die Herausnahme sicher-heitsempfindlicher Bereiche beweist erneut die These, daß auf Grund der Mitgliedschaft Zweifel an der Verfassungstreue und Loyalität dieser Personen angebracht sind und es ihnen daher an wesentlichen Voraussetzungen der „Eignung" fehlt. Im übrigen ist es widersprüchlich, einerseits die Irrelevanz der Mitgliedschaft zu vertreten, andererseits bestimmte Bereiche des öffentlichen Dienstes für Mitglieder radikaler Organisationen auszusparen. Wenn es das Parteienprivileg erfordern sollte, derartige Mitgliedschaften zu ignorieren, wäre es verfassungswidrig, einen Antrag auf Einstellung in den Bundesnachrichtendienst oder den Verfassungsschutz wegen der DKP-oder NPD-Mitgliedschaft des Bewerbers abzulehnen.

In der Diskussion um den Ministerpräsidentenbeschluß ist häufig der Einwand zu hören, im Rechtsstaat komme es niemals auf die Gesinnung, sondern immer nur auf Handlungen an. Im Prinzip ist dieser Satz zweifellos richtig, wenngleich er auch nicht verabsolutiert werden kann. Gesinnungen und Charaktereigenschaften sind vielfach die Ursachen und Motive für späteres Verhalten. Deshalb müssen z. B. manche Führerscheinaspiranten sich psychologischen Eignungsprüfungen unterziehen. Kriele der sich ebenfalls auf dieses Prinzip beruft, erklärt einschränkend, der Staat brauche die ihm bekanntgewordene kommunistische Gesinnung eines Beamten nicht zu ignorieren, sondern könne ihn „selbstverständlich auf einen ungefährlichen Posten versetzen". Wie dem auch sei, jedenfalls ist der Beitritt zu einer Organisation und das Verbleiben in ihr kein Akt der vita con-templativa, sondern ein solcher der vita activa. Bereits der frühere Innenminister Heine-mann hat in seinem Erlaß vom 19. September 1950 darauf aufmerksam gemacht, daß die geldliche Stärkung einer Organisation durch Mitgliedsbeiträge eine Unterstützung bedeutet. In dem Erlaß seines nordrhein-westfälischen Kollegen vom 16. Oktober 1950 hieß es noch deutlicher, es komme nicht auf die Gesinnung des einzelnen, sondern die Betätigung dieser Gesinnung zur Zerstörung der verfassungsmäßigen Ordnung an; die Mitgliedschaft oder finanzielle Förderung sei als aktive Unterstützung der aufgeführten Organisationen anzusehen.

Es ist zu hoffen, daß das Bundesverfassungsgericht einen rechtsstaatlich vertretbaren Kompromiß zwischen dem Parteienprivileg einerseits und den Erfordernissen einer abwehr-bereiten Demokratie finden wird. Einen sol-chen Mittelweg hatte das Bundesverwaltungsgericht bereits in seiner Entscheidung vom 10. März 1960 aufgezeigt, als es die Entlassung eines Postschaffners wegen seiner Betätigung für die noch nicht verbotene KPD für rechtmäßig erklärte. Die Kernsätze dieser Entscheidung lauteten: «...der Beamte auf Widerruf kann, ohne daß es des Nachweises einer ihm zur Last zu legenden Treuepflichtverletzung bedürfte, .. . entlassen werden, sobald er seinem Dienstherrn durch sein Verhalten Anlaß zu Zweifeln darüber gibt, ob er sich künftig zu der bestehenden demokratischen Staatsauffassung ... — aktiv — bekennen wird. Dies ist jedoch bereits dann zweifelhaft, wenn der Beamte sich für eine Partei betätigt, deren Verfassungswidrigkeit zwar noch nicht von dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 21 Abs. 2 GG festgetellt worden ist, die sich aber jedenfalls nicht für die bestehende demokratische Staatsauffassung einsetzt. Die Feststellung, eine Partei setze sich nicht für die bestehende demokratische Staatsauffassung ein, ist anderen die von Bundesverfas Inhalts als dem -sungsgericht ... zu treffende Feststellung, eine Partei gehe nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf aus, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen. .

Diese Entscheidung wird in der juristischen Literatur vielfach als spitzfindig und im Widerspruch stehend zu den vom Bundesverfassungsgericht später entwickelten Grundsätzen zum Parteienprivileg abgelehnt Die Unterscheidung zwischen verfassungswidrigen und solchen Parteien, die sich nicht für die demokratische Grundordnung einsetzen, mag sehr subtil sein; sie ist es aber gewiß in geringerem Maße als die von der Bundesregierung wiederholt getroffene Feststellung verfassungswidriger Zielsetzung bei Aufrechterhaltung der Fiktion von der Verfassungsmäßigkeit der Partei insgesamt. Die Feststellung, eine Partei setze sich jedenfalls nicht für die demokratische Grundordnung ein, geht nicht so weit die als wie Bewertung ihrer Ziele verfassungswidrig. Ist letzteres zulässig, so ersteres erst recht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es eindeutig falsch anzunehmen, die Feststellung einer nicht positiven Einstellung zum Grundgesetz nur die ih könne auf Fakten gestützt werden, -rerseits bereits die Verfassungsfeindlichkeit der Partei begründen Es kann nicht häufig genug betont werden, daß die Zielsetzung einer Partei nur eines unter mehreren Verbotskriterien ist. Soll es etwa der Bundesregierung auch untersagt sein festzustellen, daß eine Organisation eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung der bestehenden Ordnung gegenüber einnimmt? Ist dann nicht auch die Feststellung, Bestrebungen zur Herbeiführung der Diktatur des Proletariats seien verfassungswidrig, selbst schon verfassungswidrig, weil diese Bestrebungen zum Programm einer „legalen" Partei gehören? Muß die Verurteilung eines Funktionärs nach §§ 89, 90 b StGB unterbleiben, wenn dieser nachweist, er habe getreu den Zielen und Weisungen seiner Partei gehandelt, weil mit der Verurteilung die Unvereinbarkeit von Parteizielen und „Verfassungsgrundsätzen" feststünde? Art. 21 verwehrt es niemandem, die Verfassungswidrigkeit des Beschlusses des SPD-Parteitages, das private Maklergewerbe abzuschaffen, zu behaupten. Ebenso kann eine Regierung — vorbehaltlich richterlicher Nachprüfung — die Gesamtzielsetzung einer Partei am Grundgesetz messen. Es muß also auch bei Respektierung des Parteienprivilegs Abstufungen zwischen den Extremen „absolute Verfassungsintegrität" und autoritativ festgestellte „Verfassungswidrigkeit" geben. Mit der Anerkennung dieser Mischzone steht und fällt der Ministerpräsidentenbeschluß. 3. Fragen der Beweislast Kein ernst zu nehmender Politiker behauptet oder verlangt, daß bei festgestellter Mitgliedschaft eines Bewerbers in einer extremistischen Organisation der „Fall" für die Einstellungsbehörde erledigt sei. Von einer solchen Mitgliedschaft geht lediglich eine Indizwir-kung aus, d. h., sie begründet eine widerlegbare Vermutung dafür, daß der Bewerber sich die verfassungswidrige Zielsetzung seiner Organisation zu eigen gemacht hat. Ihm ist daher Gelegenheit zu geben, die gegen ihn sprechende Vermutung und zwar auszuräumen, spätestens durch einen begründeten, klagefähigen Ablehnungsbescheid, besser jedoch vor der behördlichen Entscheidung über sein Gesuch. Die Berufung in ein Beamtenverhältnis muß abgelehnt werden, wenn der Bewerber nicht die Gewähr dafür bietet, daß er jeder -zeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt (§ 4 Abs. 1 BRRG). Die Einstellungsbehörde hat also das künftige Verhalten des Antragstellers im Hinblick auf seine Haltung zum Grundgesetz zu prognostizieren. Dazu bedarf es wie bei allen Prognosen einer Art Wahrscheinlichkeitsrechnung. Das gilt im übrigen auch für die meisten anderen Eignungsvoraussetzungen. Daß jemand ein tüchtiger Beamter wird, kann durch den Nachweis guter Examensergebnisse weder bewiesen noch durch die Vorlage mäßiger Zeugnisse ausgeschlossen werden, jedoch ist der Grad der Wahrscheinlichkeit im einen Fall größer als im anderen. Jede Wahrscheinlichkeitsprognose muß sich an Fakten orientieren, die in der Vergangenheit liegen. Je länger der zeitliche Abstand zu diesen Fakten ist, desto mehr verlieren diese im allgemeinen zugunsten neu hinzugetretener persönlicher Umstände an Gewicht. Deshalb wird auch eine längere Zeit zurückliegende Mitgliedschaft in einer radikalen Organisation als unerheblich einzuschätzen sein, wenn der Bewerber zwischenzeitlich seine demokratische Gesinnung durch gegenteilige Verhaltensweisen zum Ausdruck gebracht hat.

Es ist in hohem Maße streitig, ob die durch eine noch andauernde Mitgliedschaft indizierte, aber nicht bewiesene verfassungsfeindliche Einstellung für eine Ablehnung auch dann ausreicht, wenn dieser Verdacht nach Prüfung des Einzelfalles weder ausgeräumt noch durch „besondere Aktivitäten" erhärtet worden ist. Die SPD-Landtagsabgeordneten Dr. Scherf Dr. Bünemann 78a) und Frau Rüdiger 78b) halten es aus rechtsstaatlichen Erwägungen für unerträglich, daß eine Ablehnung nur auf Grund von Vermutungen erfolgt. Scherf spricht sogar von einem „verfassungsrechtlichen Grundrecht der Unschuldsvermutung". So wie Scherf erliegen viele Politiker der Versuchung, Verfahrensgrundsätze des Strafprozesses („in dubio pro reo") auf ein nach dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht zu beurteilendes Problem ungeprüft zu übertragen. Die Frage der Beweislast im Verwaltungsverfahren hat mit Schuld oder Nicht-Schuld nichts zu tun; es geht dabei vielmehr um die Regelung der Frage, welche Partei die Folgen der Nichterweislichkeit einzelner Tatbestandsmerkmale zu tragen hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geht die Unerweislichkeit derjenigen Tatsachen, aus denen eine Partei ihr günstige Rechtsfolgen herleitet, zu ihren Lasten. Es liegt in der Natur der Sache, daß ein Bewerber den ihm hiernach obliegenden vollen Beweis künftiger Verfassungstreue kaum je wird führen können. Es genügt daher in solchen Fällen ein hinreichend hoher Grad von Wahrscheinlichkeit. Die Schwierigkeiten, die mit der Erhellung innerer Vorgänge eines Menschen oder der Einschätzung künftigen Verhaltens verbunden sind, rechtfertigen keine Umkehr der Beweis-last. Ist die Wahrscheinlichkeit künftigen verfassungswidrigen Verhaltens größer als die der Verfassungstreue, so geht dies zu Lasten des Bewerbers, ebenso wie es zu Lasten des seine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer begehrenden Wehrpflichtigen geht, wenn das Verwaltungsgericht das Vorliegen einer entsprechenden Gewissensentscheidung weder bejahen noch ausschließen kann Es hätte fatale Folgen, wollte man statt dessen den Grundsatz „in dubio pro libertate" zur Beweislastregel erheben. Man denke nur an die Erteilung von Fahrerlaubnissen oder Waffenscheinen an latent Geisteskranke, deren Krankheitssymptome möglicherweise, aber nicht notwendigerweise wieder zum Ausbruch kommen können.

Der Satz in dem Ministerpräsidentenbeschluß: „Diese Zweifel rechtfertigen in der Regel eine Ablehnung des Einstellungsantrags", findet seine Legitimierung außer in den allgemeinen Beweislastregeln auch in dem von den Beam'tengesetzen verwendeten Terminus „Gewähr bieten". „Gewähr" ist zwar weniger als „Garantie" oder „Sicherheit", verlangt jedoch mindestens einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit. Gewähr i. S. von § 4 BRRG bietet, wer nach seinem ganzen Verhalten keinen Anlaß gibt, an seiner verfassungsfreundlichen Einstellung zu zweifeln Mit der Verwendung des Begriffes „Gewähr" wird vom Gesetzgeber bewußt und gewollt zum Ausdruck gebracht, daß bei nicht auszuräumenden Zweifeln an der Verfassungstreue des Bewerbers an eine Einstellung nicht zu denken ist. Es soll also gerade nicht „in dubio pro reo", sondern „in dubio contra candidatum" entschieden werden. Die Beamtengesetze verlangen keine Gewißheit hinsichtlich der verfassungsfeindlichen Betätigung des Bewerbers, sondern schreiben die Ablehnung vor, wenn sachlich begründete Zweifel an seiner Verfassungstreue bestehen. Wer wollte bestreiten, daß solche Zweifel z. B. bei Anhängern kommunistischer Gruppierungen — um die derzeit stärkste radikale Bewegung herauszugreifen — angebracht sind! Zu einer Verniedlichung der von Moskau gesteuerten DKP und ihrer Organisationen besteht nicht der geringste Anlaß. Erst kürzlich schrieb die sowjetische Literaturzeitung „Literaturnaja Gaseta" „Es ist klar, daß ohne Gewalt keine Revolution möglich ist . . Wer die Auffassung von Bundesinnenminister Gen-scher teilt, „daß die kommunistische Ideologie offenkundig zu den freiheitsfeindlichen Ideologien gehört", für den kann es keinen hinreichend hohen Grad von Wahrscheinlichkeit für die Verfassungstreue eines Anhängers dieser — oder einer anderen totalitären — Ideologie geben.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vom 18. August 1972 (BGBl. I S. 1834).

  2. Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes vom 7. August 1972 (BGBl. I S. 1382).

  3. Waffengesetz vom 19. September 1972 (BGBl. I S. 1797).

  4. Vgl. Jochen Kummer, Wieviel Macht haben die jungen roten Beamten?, in: Welt am Sonntag vom 18. April 1971.

  5. Vgl. „Täglicher Informationsdienst des Deutschen Beamtenbundes" vom 27. September 1971.

  6. Borgs-Maciejewski, Radikale im öffentlichen Dienst. Dokumente — Debatten — Urteile, Godesberger Taschenbuchverlag 1973, S. 14 (im folgenden „Dokumentation" abgekürzt).

  7. Dokumentation (s. FN 6) 138— 140.

  8. Dokumentation (s. FN 6) S. 9.

  9. Aus dem Beschluß des Bundesparteitages der SPD vom 13. April 1973.

  10. Dokumentation (s. FN 6) S. 23.

  11. Dokumentation (s. FN 6) S. 22.

  12. Dokumentation (s. FN 6) S. 15 und 48 ff.

  13. So erklärte z. B. MdL Dr. Bünemann (Schl. -Holst.), er sei zu dem sicheren Ergebnis gelangt, daß die DKP einschließlich Spartakus auf dem Boden des Grundgesetzes arbeiten wolle. Es sei ein in der deutschen Öffentlichkeit gemachter Fehler, daß der DKP heute noch Verfassungsfeindlichkeit unter-

  14. Dokumentation (s. FN 6) S. 15.

  15. GMB 1. S. 93.

  16. Dokumentation (s. FN 6) S. 12/13.

  17. MB 1. NW 1963 S. 426.

  18. Vom 19. September 1950, GMB 1. S. 93; im Ergebnis so auch der Beschluß der Landesregierung NRW vom 25. September 1950, MB 1. NRW S. 953, und die Richtlinien des hessischen Innenministers vom 19. Oktober 1950 (Dokumentation S. 15).

  19. Niedersachsen, NRW, Rheinland-Pfalz, Bayern.

  20. Baden-Württemberg, Saarland, Schleswig-Holstein.

  21. So Bayern, Niedersachsen und NRW.

  22. ZRP 1971, S. 273.

  23. Vgl. u. a. Kriele, ZRP 1971, S. 274; Dicke, ZBR 1973, S. 2; Plümer NJW 1973, S. 5; BVerfGE 28, 36 (49). Der Ministerpräsidentenbeschluß füllt den damit vorgegebenen Raum nicht einmal aus, sondern stellt durch die Wahl des Begriffes „verfassungsfeindlich''klar, daß er nur diejenigen ausschließen will, die ein ablehnendes Verhältnis zur Verfassung haben, nicht also auch die Unentschiedenen (vgl. Dicke, ZBR 1973, S. 5).

  24. H. P. Schneider, Blätter für deutsche und internationale Politik („Blätter") 1972, S. 153.

  25. Plümer, NJW 73, S. 6 mit weiteren Nachweisen.

  26. So u. a. auch Kriele, ZRP 1971, S. 274; Dicke ZBR 1973, S. 5.

  27. Art. 56 und 64 Abs. 2 GG.

  28. Vgl. die Verfügung des preußischen Innenministers vom 8. 12. 1921 (Dokumentation S. 23).

  29. BVerfGE 5, 139.

  30. „Blätter" (s. FN 24) S. 160.

  31. BVerfGE 28, 36 (48).

  32. Kultusminister v. Oerfzen, Dokumentation (s. FN 6) S. 104.

  33. Dokumentation (s. FN 6) S. 27 f.; „Innere Sicherheit" Nr. 13/1972, S. 15. Nach Drucklegung des Manuskripts wurden von der Bundesregierung in der Broschüre „Verfassungsschutz 1972" folgende Zahlen veröffentlicht: Am 31. 12. 1972 befanden sich 1413 Angehörige rechtsradikaler und 1307 Angehörige linksradikaler Organisationen im öffentlichen Dienst. 1073 Personen gehörten orthodox-kommunistischen Parteien oder Organisationen an. Von den 695 linksradikalen Ländesbedienstefen waren 44 % als Lehrer an Schulen, 21 0/0 als wissenschaftliches Personal an Hochschulen sowie 6 °/o als sonstiges Personal an Schulen, Hochschulen und im Justizdienst beschäftigt.

  34. Vom 9. 4. 1973, S. 46 f.

  35. Vgl. u. a. Gollwitzer, I. Geiss (Dokumentation S. 143/138) sowie die meisten Autoren der „Blätter" (s. FN 24), Hefte 2 und 3/1972.

  36. „Innere Sicherheit" Nr. 16 vom 10. 4. 1973, S. 5.

  37. „Unsere Zeit" v. 28. 1. 1972.

  38. „Blätter" (s. FN 24) S. 276.

  39. „Blätter" (s. FN 24) S. 148.

  40. Vgl. FN 13.

  41. Urteil des LG Flensburg vom 24. 6. 1971, Kritische Justiz 1971, S. 431 (434).

  42. Dokumentation (s. FN 6) S. 138.

  43. Dokumentation (s. FN 6) S. 27.

  44. Dokumentation (s. FN 6) S. 28 f.

  45. Dokumentation (s. FN 6) S. 58 f.

  46. Dokumentation (s. FN 6) S. 138— 144.

  47. „Blätter" (s. FN 24) S. 130.

  48. „Blätter" (s. FN 24) S. 147.

  49. „Blätter" (s. FN 24) S. 249.

  50. „Blätter" (s. FN 24) S. 269.

  51. „Blätter" (s. FN 24) S. 284.

  52. Ähnlich auch Maurer, NJW 1972, S. 605, der zwischen Mitgliedschaft und „persönlichem Verhalten der Beamten selbst" unterscheidet.

  53. So u. a. Battis, JZ 1972, S. 385.

  54. ZRP 1971, S. 275.

  55. So auch Maurer, NJW 1972, S. 605.

  56. OLG Hamburg, Beschluß vom 17. 11. 1972, ZBR 1973, S. 24.

  57. Vgl. u. a. die Berichte des BMI vom 5. 4. 1971 und 17. 9. 1971, BT-Drucks. V 1/20174 und 2576.

  58. BVerfGE 12, 304 f.; 13, 52, 126; 17, 166; 5, 140.

  59. Vgl. Maurer, NJW 1972, S. 606.

  60. BVerfGE 12, 305; 13, 52, 126; 17, 166.

  61. „Spiegel" vom 9. 4. 1973, S. 44.

  62. Vgl. Bundesminister Genscher in der Fragestunde des Deutschen Bundestages vorn 16. 2. 1973, Dokumentation (s. FN 6) S. 26.

  63. Vgl. FN 62, Dokumentation S. 25.

  64. Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes vom 27. 9. 1950 (BGBl. S. 682), geändert durch Gesetz vom 7. 8. 1972 (BGBl. I S. 1382).

  65. BVerfGE 5, 141.

  66. AöR Bd. 96 (1971) S. 229.

  67. Im Verbotsurteil gegen die FDJ führte das BVerwG (E 1, 190) u. a. aus: „Die Verfassungswidrigkeit der FDJ ergibt sich bereits aus deren Zielsetzung. Darauf, ob die von ihr angewandten Mittel verfassungswidrig oder sonst rechtswidrig sind, kommt es daher nicht an."

  68. Urteil vom 21. 8. 1968, DOV 69, 70; im Ergebnis auch BVerwG, Urteil vom 20. 6. 1969, NJW 69, 1784.

  69. OLG Hamburg, ZBR 1973, 25; ebenso Kriele, ZRP 1971, 275.

  70. Maurer, AöR Bd. 96 (1971) S. 232 f.; BVerwGE 23, 223.

  71. Maurer, NJW 1972, 604; Kriele, ZRP 1971, 275.

  72. ZRP 1971, 275.

  73. BT-Drucks. VI/2576.

  74. ZRP 1971, 273.

  75. BVerwGE 10, 213.

  76. U. a. Ule, Beamtenrecht, 1970, § 4 BRRG RdNr. 5; Wilhelm, ZBR 1968, 3; Rudolph, DVB 1 1967, 650; Kriele, ZRP 1971, 274 f.; Maurer, NJW 1972, 604.

  77. So aber Maurer, NJW 1972, 604.

  78. Dokumentation (s. FN 6) S. 41.

  79. U. a. Urteil vom 26. 11. 1969, JZ 1971, 21.

  80. BVerwG, Urteil vom 18. 10. 1972, NJW 1973, 635.

  81. OVG Münster, Urteil vom 21. 8. 1968, DOV 1969, 70.

  82. Zitiert nach „Süddeutsche Zeitung" vom 6. 4. 1973.

  83. Pressedienst des BMI vom 18. 4. 1973.

Weitere Inhalte

Hermann Borgs-Maciejewski, Dr. jur., Regierungsdirektor, Assistent des Innenausschusses des Deutschen Bundestages; geb. 1938 in Düsseldorf; Studium der Rechtswissenschaften in Freiburg, Berlin, Bonn. Veröffentlichungen: Die Durchsetzung vermögensrechtlicher Ansprüche des Dienstherrn gegen Beamte, Bonner Rechtswissenschaftliche Abhandlungen, Bd. 74, Bonn 1967; Radikale im öffentlichen Dienst. Dokumente, Debatten, Urteile (Godesberger Taschenbuch), Bonn-Bad Godesberg 1973.