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Weltpolitische Chronik | APuZ 18/1973 | bpb.de

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APuZ 18/1973 Artikel 1 Weltpolitische Chronik

Weltpolitische Chronik

/ 125 Minuten zu lesen

4. Quartal 1972

Abbildung 1

Die folgende „Weltpolitische Chronik“ für das vierte Quartal 1972 bedeutet zunächst den Abschluß eines publizistischen Unternehmens, das sich eine Berichterstattung über außenpolitische Ereignisse in chronologischer Folge zum Ziel gesetzt hatte. Es hat sich leider herausgestellt, daß die für die vielfältigen Recherchen erforderlichen finanziellen Mittel die übrige Arbeit der Redaktion zu beeinträchtigen drohten. Aus diesem Grunde ist beabsichtigt, für die Darstellung außenpolitischer Ereignisse wieder mehr die monographische Form zu wählen, die allerdings stärker die regionalen Zusammenhänge berücksichtigen soll.

An dieser Stelle sei den Redaktionen des „Archivs der Gegenwart“ aus der Siegler & Co. GmbH, Verlag für Zeitarchive, Bonn-Bad Godesberg, sowie des „Weltgeschehens“, Weltforum Verlags GmbH, München, — deren Publikationen über den Rahmen der „Weltpolitischen Chronik“ hinaus kontinuierlich über die Weltereignisse berichten — für die Zusammenarbeit gedankt. Die Redaktion

Internationales

Abbildung 2

In diesem Abschnitt werden zunächst die „Internationalen Organisationen" behandelt, die wie z. B. die NATO als interkontinental anzusehen sind, während eher regionale Organisationen lediglich erwähnt werden, wobei auf das Kapitel hingewiesen wird, in dem Berichte über sie zu finden sind; sodann werden geographische Räume überschreitende Vorgänge internationalen Charakters wie etwa das Thema „Abrüstung" unter „Sonstiges“ behandelt, und zwar jeweils in der alphabetischen Reihenfolge.

Internationale Organisationen und Konferenzen

Behandelt werden die Stichworte: IAEO, NATO, Nobelpreise, Umweltschutz, UNESCO und Vereinte Nationen.

Comecon: siehe unter „Europa“.

Europäische Gemeinschaften: siehe unter „Europa“.

Europäische Sicherheitskonferenz: siehe unter „Europa".

IAEO (International Atomic Energy Agency)

26/IX-3/X: In Mexiko-City findet die XXVI. Generalkonferenz der IAEO statt. An ihr nehmen Delegierte der meisten Mitgliedsländer der UN, Vertreter der UNO sowie eine Anzahl zwischenstaatlicher und nichtstaatlicher Organisationen teil. Es wird das Abkommen zwischen IAEO und EURATOM über die Anwendung der Kontrollmaßnahmen nach Art. III des Vertrages über die Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen (NV-Vertrag) gebilligt, von dem die BRD, Belgien, Italien, Luxemburg und die Niederlande betroffen sind. Nach Maßgabe dieses Art. III hat die IAEO bisher mit 30 Staaten Abkommen über Kontrollmaßnahmen geschlossen (den NV-Vertrag unterzeichneten bisher 98 Staaten, 78 haben ihn bereits ratifiziert). Die Generalkonferenz billigt ferner ein Kooperationsabkommen mit der Organisation für das Verbot von Kernwaffen in Lateinamerika (OPANAL), das Konsultationen über Fragen gemeinsamen Interesses sowie den Austausch von Dokumenten und Informationen vorsieht nach dem Muster ähnlicher Abkommen mit der Interamerikanischen Kernenergiekommission (IA-NEC), der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), der Liga Arabischer Staaten, der Kernenergieagentur der OECD und der Organisation für Afrikanische Einheit (OUA). Schließlich wird Bangla Desh als 103. Mitgliedstaat aufgenommen. In den Debatten spielt zunehmend die Frage der Einschaltung der IAEO in Umweltschutzmaßnahmen eine Rolle, wobei mehr als bisher mögliche Auswirkungen ökologischer Art in die Betrachtung einbezogen werden.

NATO 26-27/X: Die Nukleare Planungsgruppe tagt in London. Sie prüft eine Reihe von Detailfragen im Zusammenhang mit den Vorkehrungen, Verfahren und Einrichtungen, die im Konfliktfall für Konsultationen zwischen den Regierungen der Mitgliedstaaten zur Verfügung stünden, falls der Einsatz von Nuklearwaffen erforderlich würde.

5/XII: In Brüssel tagt die sogenannte Euro-Group, die Verteidigungsminister der europäischen NATO-Partner. Man führt einen „Meinungsaustausch über aktuelle Verteidigungsfragen, einschließlich der nationalen Pläne für die Entwicklung und Modernisierung der Streitkräftestrukturen", und stellt fest, daß diese Pläne zu einer Verbesserung der europäischen Verteidigungsanstrengungen führen. Man billigt ein umfangreiches Papier „Europäische Strukturverbesserungen 1973“, das entsprechende Pläne detailliert beschreibt, sowie 10 „Grundsätze der Zusammenarbeit auf dem Rüstungssektor", u. a. über maximale Standardisierung und Anschlußversorgung. 7-8/XII: Der Ministerrat berät in Brüssel die Gesamtlage. Er begrüßt insbesondere die Entwicklungen in Deutschland (siehe unter „Bundesrepublik Deutschland“), erwägt eine gemeinsame Position bei den begonnenen Vorbereitungsgesprächen der KSZE in Helsinki (vgl. unter „Europäische Sicherheitskonferenz“), stimmt der Aufnahme explorato-rischer Gespräche mit dem Osten über beiderseitige und ausgewogene Truppenreduzierungen zu, behandelt Fragen des Umweltschutzes, äußert sich besorgt über die zunehmende Stärke der sowjetischen Kriegsmarine und fordert, daß die Gesamtschlagkraft der NATO unter keinen Umständen vermindert werden dürfe.

Nobelpreise 1972 27/IX: Das Nobelkomitee des norwegischen Parlaments beschließt, 1972 keinen Friedensnobelpreis zu verleihen.

12/X: Das Karolinen-Institut der Universität Stockholm verleiht den Nobelpreis für Medizin und Physiologie an den amerikanischen Biochemiker Dr. Gerald Maurice Edelman von der Rockefeller-Universität in New York und an den britischen Biochemiker Dr. Rodney Robert Porter von der Universität Oxford für ihre Arbeiten, die auf dem Gebiet der Immunitätslehre eine Grundlage für rationelles Forschen gelegt hätten.

19/X: Die Schwedische Akademie der Wissenschaften verleiht den Literaturnobelpreis an den deutschen Schriftsteller Heinrich Böll „für eine Dichtung, die durch ihren zeitgeschichtlichen Weitblick in Verbindung mit ihrer von sensiblem Einstellungsvermögen geprägten Darstellungskunst erneuernd im Bereich der deutschen Literatur gewirkt hat".

20/X: Die Schwedische Akademie der Wissenschaften verleiht den Chemie-Nobelpreis an die amerikanischen Biochemiker Dr. Christian Boehmer Anfi nsen vom National Health Institute in Bethesda/Maryland, Dr. Stanford Moore und Dr. William H. Stein von der Rockefeller-Universität in New York für ihre Forschungen zur Enzymchemie, insbesondere auf den Gebieten der sogenannten „Schlüsselmoleküle des Lebens": Ribonukleinsäure (RNS) und Desoxyribonukleinsäure (DNS).

20/X: Sie verleiht ferner den Physik-Nobelpreis an die drei amerikanischen Wissenschaftler Dr. John Bardeen von der Universität Illinois in Urbana (erhielt ihn bereits einmal, 1956, mit zwei amerikanischen Kollegen für die Entwicklung des Transistors), Dr. Leon N. Cooper von der Brown-Universität in Providence/Rhode Island und Dr. John Robert Schrief fer von der Universität von Pennsylvania in Philadelphia für die von ihnen entwickelte und nach ihnen benannte BCS-Theorie zur Erklärung des Phänomens der sogenannten Supraleitung: das nahezu völlige Verschwinden elektrischen Widerstandes in leitfähigen Stoffen bei Abkühlung auf wenige Grade über dem absoluten Nullpunkt (= Minus 273°).

25/X: Sie verleiht schließlich den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften an den Briten Dr. Sir John Richard Hicks von der Universität Oxford und an den Amerikaner Kenneth J. Arrow von der Harvard-Universität „für ihre bahnbrechenden Arbeiten zur allgemeinen Theorie des ökonomischen Gleichgewichts und zur Wohlfahrtstheorie".

10/XII: In Vertretung des erkrankten schwedischen VI. Königs -Gusta v Adolf über reicht Kronprinz Carl Gusta v in Stockholm in der St. Eriks-Messehalle die Diplome, Medaillen und Schecks über jeweils 480 000 Schwedenkronen (ca. 320 000 DM).

RGW: siehe unter „Europa".

Umweltschutz 19/IX-19/XII: Die XXVII. Session der UN-

Vollversammlung gründet ein UN-Sekretariat in Kenia (siehe unter „Vereinte Nationen", Kap. g).

UNESCO 21/XI: Die 17. Generalkonferenz in Paris beschließt die Aufnahme der DDR als Vollmitglied, der damit der Zugang zu allen UN-Organisationen eröffnet wird.

Vereinte Nationen 19/IX-19/XII: In New York findet die XXVII.

Session der UN-Vollversammlung statt. Rund 3 000 Delegierte aus 132 Nationen beraten während der 13 Wochen eine rund 100 Punkte umfassende Tagesordnung und verabschieden nach über 500 Ausschußund Plenarsitzungen ca. 150 Resolutionen. In den Debatten sprechen u. a.sechs Ministerpräsidenten bzw.

Stellvertretende Ministerpräsidenten, 110 Außenminister und zehn weitere Kabinettsmitglieder. Präsident der Session war der Stellvertretende Außenminister Polens, Stanyslaw Trepc zynski ; die 17 Vizepräsidenten kamen aus Äthiopien, China, Frankreich, Großbritannien, Haiti, Island, Kolumbien, Libyen, Mauretanien, Neuseeland, Paraguay, Philippinen, Rwanda, Syrien, UdSSR, USA und Zypern. Da wesentliche Teilthemen z. B. im Bereich der Abrüstung durch bilaterale Vereinbarungen bzw. Verhandlungen UdSSR-USA der unmittelbaren Beeinflussung durch die Vereinten Nationen entzogen sind, verliefen die Debatten über weite Strecken relativ unpolitisch. Dafür kam es zu unerwartet scharfen Zusammenstößen zwischen der VR China, die dieser Session der UN-Vollversammlung erstmals von Anfang an beiwohnte, und der UdSSR.

Die wichtigsten Themen der Session:

a) Algerien hatte für sich und 27 weitere Länder den Antrag unterbreitet, die Vollversammlung solle „Schaffung zur günstiger Be-

INHALT Internationales ...................................... S. 3 Europa ...................................................... S. 10 Naher und Mittlerer Osten .............. S. 32 Amerika .................................................. S. 34 Asien und Ozeanien ............................. S. 39 Afrika ...................................................... S. 56

dingungen zur Beschleunigung der unabhängigen und friedlichen Wiedervereinigung Koreas" beschließen, „die Tätigkeiten der UN-Kommission für die Wiedervereinigung und den Wiederaufbau Koreas einzustellen" und alle ausländischen Truppen, die in Südkorea stationiert sind, abzuziehen, um so „die unabhängige und friedliche Wiedervereinigung zu fördern . ..". Der Lenkungsausschuß der Vollversammlung beschloß auf Antrag Großbritanniens jedoch mit 16 gegen sieben Stimmen bei einer Enthaltung, den Tagesordnungspunkt Korea während der diesjährigen Session nicht zu diskutieren, um die Verhandlungen zwischen Nord-und Südkorea nicht zu belasten.

Hiergegen argumentierte vor allem der Vertreter der VR China: gerade der Abzug der amerikanischen Truppen aus Südkorea, den die UNO durch Zustimmung zum algerischen Resolutionsantrag veranlassen könne, und die Rücknahme der UNO-Flagge würden Bedingungen schaffen, die es dem Norden und dem Süden Koreas leichter machen würden, einen Weg zur friedlichen Wiedervereinigung zu finden. Die Vollversammlung folgte jedoch in der Schlußabstimmung der Empfehlung des Lenkungsausschusses und damit dem britischen Antrag. b) Ein weiteres wichtiges Thema war das des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus. Generalsekretär Kurt Waldheim hatte ursprünglich gefordert, „Maßnahmen zur Verhinderung des Terrors und anderer Formen der Gewalt, die unschuldige Menschenleben fordern oder gefährden und fundamentale Freiheiten beeinträchtigen", zu debattieren. Diese Formulierung wurde von den Vertretern der arabischen Staaten als unannehmbar bezeichnet, da sie die Freiheitsbewegungen einengten. Zusatzanträge Jamaikas und Saudiarabiens, man solle den „internationalen Terrorismus" bzw.dessen Ursachen zum Thema nehmen, ermöglichten es einer Mehrheit von 66 gegen 27 Stimmen bei 33 Enthaltungen, bei der Schlußabstimmung über die Tagesordnung doch noch der Aufnahme dieses Themas zuzustimmen.

In den Debatten versuchten zahlreiche Staaten unter Führung der USA insbesondere die Frage der Luftpiraterie zum Hauptthema zu machen; entsprechend legten die USA auch einen Resolutionsentwurf sowie den „Entwurf einer Konvention zur Verhinderung und Bestrafung bestimmter Akte des internationalen Terrorismus" vor. Die meisten Länder der Dritten Welt und der Ostblock unter sowjetischer Führung argumentierten aber immer wieder, dramatischstes Beispiel für einen Akt des internationalen Terrorismus sei die amerikanische Aktion gegen Vietnam und hier insbesondere der Bombenkrieg gegen Nordvietnam. Man könne sich daher mit einer so einseitig formulierten Konvention, wie sie die USA vorschlügen, nicht zufrieden geben.

Die USA und ihre Freunde unterlagen schließlich mit 76 gegen 35 Stimmen bei 17 Enthaltungen bei der Abstimmung über einen Resolutionsantrag, den Vertreter der afrikanischen, der arabischen und der asiatischen Staaten eingebracht hatten und in dem es heißt: Das Recht der Kolonialvölker auf Unabhängigkeit sei zu bekräftigen, die Rechtmäßigkeit ihres Freiheitskampfes sei zu bestätigen, Unterdrückungsund Terrorakte kolonialer und rassistischer Regime seien zu verurteilen, eine Sonderkommission aus 35 Mitgliedern solle das Problem des politischen Terrorismus untersuchen und der nächsten Session darüber berichten.

Die westlichen Länder hatten hiergegen insbesondere vorgeschlagen, nach entsprechenden Vorstudien solle eine internationale Konferenz eine Konvention zur Beendigung des internationalen Terrorismus verabschieden. Der Vertreter der USA wertete die Entscheidung der Vollversammlung als Maßnahme, den Terrorismus eher zu fördern als zu dämpfen. Israels Botschafter Yosef Tekoah bezeichnete das Abstimmungsergebnis als Gnadenstoß für die Möglichkeiten der UNO, eine bedeutende Rolle im internationalen Leben zu spielen. c) In ähnlicher Weise unterlagen die westlichen Staaten fast regelmäßig, wenn sie eine ihrer Meinung nach bedeutsame Resolution einzubringen versuchten. So bemühte sich z. B. Frankreichs Außenminister Maurice Schumann wochenlang in intensiven Lobby-Verhandlungen, eine Mehrheit für eine Resolution zu gewinnen, durch die Journalisten eine international anerkannte Identitätskarte verschafft werden sollte, um ihnen in Krisen-und Kriegsgebieten größeren Schutz zu gewähren: Schumanns Bemühungen scheiterten am Einspruch afrikanischer und asiatischer Länder und an der Ablehnung der Ostblockstaaten. d) Die V R China nahm die Gelegenheit dieser UN-Session wahr, um durch ihren Ersten Stellvertretenden Außenminister Chiao Kuan-hua erstmals seit der sogenannten Kulturrevolution ein Gesamtbild ihrer außenpolitischen Vorstellungen vorzulegen. Er verwies zunächst auf die Bedeutung der Besuche des US-Präsidenten Nixon und des japanischen Ministerpräsidenten Tanaka in Peking als Maßnahmen zur Entspannung; anerkannte trotz kritischer Anmerkungen die Erweiterung der Europäischen Gemeinschaften als Versuch Westeuropas, sich dem Hegemonie-streben der beiden Supermächte zu entziehen; kritisierte in diesem Zusammenhang insbesondere die bilateralen Vereinbarungen der USA mit der Sowjetunion und stellte fest: während der Aggressionskrieg der USA gegen Indochina andaure, sorge die UdSSR durch ihre Intervention in Südostasien dafür, daß sich die Lage dort nicht beruhige: Beide seien dafür verantwortlich, daß im Mittleren Osten auch weiterhin „weder Krieg noch Frieden" herrsche und daß in Europa durch die Konfrontation der beiden Militärblöcke keine echte Sicherheit entstehen könne. Das Wettrüsten der beiden Supermächte nehme kein Ende und bedrohe ernsthaft die Unabhängigkeit und Sicherheit aller Völker. Er wiederholte die Argumente für die Beendigung der UNO-Präsenz in Korea und warf in einer ausführlichen Interpretation der Nahostkrise den USA vor, den israelischen Zionismus aktiv zu unterstützen, sowie der UdSSR, die arabischen Völker nur propagandistisch, nicht aber in der Praxis gegen die zionistische Aggression zu fördern. Peking verurteile die Ermordung und Entführung von Individuen als Mittel des politischen Kampfes; ebenso verurteile es aber Israel, das so beklagenswerte Vorfälle wie die von Fürstenfeldbruck zum Anlaß nähme, ungerechtfertigte Militäraktionen und barbarische Aggressionen gegen die arabischen Nachbarn durchzuführen.

Was die Situation in Europa angehe, so habe die Besetzung der CSSR 1968 gezeigt, daß ein Militärbündnis keine Sicherheitsgarantie sei. Die bevorstehende KSZE (siehe unter „Europa“) werde auch nichts anderes sein als ein neuerlicher Versuch der Abgrenzung von Einflußsphären zwischen den zwei Supermächten. China betrachte sich als Entwicklungsland und unterstütze daher alle Bemühungen aller anderen Entwicklungsländer um vollständige Unabhängigkeit in wirtschaftlicher wie politischer Hinsicht. Solange die Gesellschaft in Klassen geteilt sei und die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen existiere, sei Krieg unvermeidlich. Schließlich sei Peking der Ansicht, daß es 27 Jahre nach der Ausarbeitung der UN-Charta und angesichts der eingetretenen Entwicklungen in der Welt unumgänglich geworden sei, sich der Frage einer Revision der Charta zuzuwenden. e) Die Sowjetunion hatte bereits im August 1972 UN-Generalsekretär Waldhe im den „Entwurf einer Konvention über Prinzipien der Nutzung künstlicher Erdsatelliten für Fernsehdirektsendungen" unterbreitet, mit der eine völkerrechtliche Regelung angestrebt werde, da „die Übertragung von Fernsehprogrammen mit Hilfe künstlicher Erdsatelliten durch einen Staat in einen anderen dazu führen kann, daß politische, rechtliche, soziale und andere Probleme internationaler Natur auftreten" und „der Mißbrauch eines Informationsmittels wie Fernsehdirektübertragungen über künstliche Erdsatelliten den legitimen Interessen der Staaten schaden kann". Inhalt des Konventionsentwurfs ist praktisch eine Sicherung dagegen, daß mit Hilfe von Fernsehsatelliten der Bevölkerung aller Länder die Möglichkeit geboten wird, auch solche Sendungen zu empfangen, die nach Ansicht der jeweiligen Regierung nicht empfangen werden dürfen.

-Mit diesem Thema hatte sich bereits die XVII. Generalkonferenz der UNESCO in Paris befaßt, die mit 47 gegen 9 Stimmen bei 13 Enthaltungen einen Text verabschiedete, der im wesentlichen den Intentionen der UdSSR entspricht. Gegen diesen Text hatten sich insbesondere die USA, Großbritannien, Kanada, Israel und Australien eingesetzt, die sowohl auf die Bedeutung des freien Informationsaustausches wie insbesondere auch auf die Bedeutung internationaler Schulprogramme für Entwicklungsländer hinwiesen. Für den Text setzten sich die Vertreter der Ostblockstaaten und unter Führung Frankreichs die meisten afrikanischen und asiatischen Staaten ein: Frankreich (dessen Fernsehen regierungseigen ist und bei der Bevölkerung auf immer schärfere Kritik stößt) hatte insbesondere argumentiert, durch das uneingeschränkte Recht zur Abstrahlung von Fernsehsendungen gerieten die sich entwickelnden Kulturen der Staaten der Dritten Welt in Gefahr, verdrängt zu werden, öffne man unwillkommenen politischen Einflüssen Tür und Tor und räume man jenen Staaten besondere Vorteile ein, die wegen ihres technologischen Fortschritts in der Lage seien, die Möglichkeiten der Beeinflussung über Fernsehsatelliten voll auszuschöpfen. Ähnliche Argumente wurden von beiden Seiten auch bei der Behandlung des sowjetischen Antrags in der UNO vorgebracht. Hierbei gelang es aber Australien, Belgien, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und den Niederlanden, durch Zusatzanträge den sowjetischen Antrag dahin gehend abzuändern, «daß nicht der sowjetische Konventionsentwurf zur Diskussion gestellt wurde, sondern der Weltraumausschuß beauftragt wurde, unter Erwägung der bereits vorliegenden Texte zur Nutzung des Weltraumes Grundsätze für eine eventuelle Konvention in dieser Frage auszuarbeiten. Die USA fanden sich bereit, nicht gegen diese abgeänderte Resolution zu stimmen, sondern sich der Stimme zu enthalten, da dieser Weg wenigstens Chancen böte, ein Minimum an freiem Informationsfluß zu bewahren. f) Zu weiteren scharfen Auseinandersetzungen zwischen Peking und Moskau kam es bei der Debatte sowjetischer Vorschläge, den Weltfrieden u. a. durch eine Resolution über Gewaltverzicht und ein Verbot der Anwen-düng von Kernwaffen für alle Zeiten sowie durch die Einberufung einer Weltabrüstungskonferenz zur Eindämmung des Wettrüstens und zur Förderung der Abrüstung im Bereich der Massenvernichtungswaffen wie auch bei konventionellen Waffen zu sichern. In diesem Zusammenhang verurteilte der sowjetische Außenminister Andrej A. GROMYKO auch terroristische Aktionen, die den wahren Interessen der Palästinenser und des arabischen Volkes widersprächen und Israel lediglich Vorwände für neue Aggressionen liefere. Pekings Vertreter Chiao Kuang-hua wies diese „leeren Worte über Frieden" zurück, die das „wahre Gesicht eines Expansionisten nicht v erhüllen“ könnten: 1968 habe die UdSSR die CSSR besetzt, 1969 der UNO-Vollversammlung einen Vorschlag über die Stärkung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit unterbreitet, 1971 habe Moskau schamlos die bewaffnete Aggression gegen Pakistan unterstützt, 1972 folge jetzt erneut ein solcher Vorschlag: „Verehrter Herr Abgeordneter der Sowjetunion, warum ziehen Sie nicht Ihre Truppen aus der Mongolischen VR ab und schleifen Ihre dort errichteten Stützpunkte. anstatt unverfroren leere Worte über den Gewaltverzicht zu äußern?“ Dennoch nahm die Vollversammlung den sowjetischen Resolutionsantrag mit 73 gegen die vier Stimmen Chinas Albaniens. Portugals und Südafrikas bei 46 Enthaltungen an. g) Während die meisten westlichen Resolutionsanträge nur knapp oder gar nicht durchzusetzen waren, konnten die Entwicklungsländer eine Reihe von Anträgen mit großen Mehrheiten durchbringen. So setzten sie gegen den Willen der Westmächte durch, daß ein neugegründetes UN-Sekretariat für Umweltschutz statt bei den bisher bestehenden UN-Zentralen in New York Genf oder Wien in der Hauptstadt Kenias, Nairobi, eingerichtet wird. Exekutivdirektor wurde der kanadische Vertreter Maurice F. STRONG; für das Sekretariat wurde zunächst für 1973 ein Etat von 2 Mill. Dollar verabschiedet; die USA sagten für die nächsten 5 Jahre 40 Mill. Dollar für Umweltschutzprojekte zu, falls andere UN-Mitglieder mindestens 60 Mill, zur Verfügung stellten. Exekutivdirektor Strong wurde für 4 Jahre gewählt; 20 Mitglieder für 3 Jahre (u. a. Australien, Madagaskar, Niederlande, DDR, Großbritannien); 19 Mitglieder für 2 Jahre (u. a. BRD, Brasilien, USA, Japan, Rumänien und UdSSR); 19 Mitglieder schließlich für 1 Jahr (u. a. Argentinien, Kanada,

China, Philippinen. Syrien und CSSR). Für die Mitgliedschaft der DDR stimmten 120 der 132 UNO-Mitglieder. h) Am 12. Dezember 1972 verabschiedete die UNO-Vollversammlung nahezu einstimmig eine Resolution, durch welche das Programm der 1949 in Bad Cannstadt gegründeten „Internationalen Vereinigung zur Gründung einer Weltuniversität“ verwirklicht werden soll. i) Der wichtigste Erfolg, den die USA in der Session 1972 in der Vollversammlung verzeichnen konnten, war ein Budgetbeschluß: Es gelang ihnen nach umfangreichen Kampagnen in den Hauptstädten der Welt und in der Lobby des UNO-Hauptquartiers, eine Mehrheit für einen Resolutionsantrag zu gewinnen, wonach künftighin kein Mitglied mehr als 25° o des UNO-Budgets beizutragen hat. Bisher hatten die USA 31, 570/0 beigetragen (es folgten die UdSSR einschließlich der Ukraine und Weißrußland mit 17, 05 °o, Großbritannien mit 6, 62 0 o, Frankreich mit 6 0 o, Taiwan mit 4 0 o, Japan mit 3, 78 0 o, Italien mit 3, 240 o und Kanada mit 3, 020 •; von den Nichtmitgliedern trug die BRD zu den Aktionen der UN-Organisationen 7, 01 0 o bei). Die USA argumentierten u. a. damit, daß nach der in Kürze zu erwartenden Aufnahme der beiden deutschen Staaten in die Vereinten Nationen die Quote der BRD zu erhöhen und für die DDR eine Quote festzusetzen sei, so daß die Verminderung der amerikanischen Quote für die bisherigen Mitglieder der UNO keine Quotenvermehrung bedeute. Lediglich die UdSSR focht erbittert gegen den amerikanischen Antrag und kündigte an, sie werde auf Grund der Verletzung des bisherigen Prinzips „Beitragshöhe nach Leistungsfähigkeit’ auch eine Revision ihrer Quote fordern. j) Weitere wichtige Beschlüsse: 1974 soll in Santiago de Chile eine internationale Seerechtskonferenz stattfinden. Das Jahr 1975 soll zum „Internationalen Jahr der Frau“ gemacht werden, in dessen Verlauf insbesondere die Gleichberechtigung der Frau durchzusetzen sei. Die Vollversammlung bekräftigte mit Mehrheit das Recht der Länder auf ihre Naturressourcen, was von Island als Anerkennung seiner Position im neuerlichen Kabeljau-Krieg gewertet wurde. Die DDR wurde als Ständiger Beobachter bei den Vereinten Nationen zugelassen, erhielt also den Status, den die BRD bereits seit langem inne hatte, konnte aber trotz Unterstützung durch die Ostblockstaaten und trotz grundsätzlicher Zustimmung des Präsidenten der Vollversammlung Trepczyns ki nicht erreichen, daß dieser — wie er es zeitweilig vorhatte — die Session nicht für beendet, sondern nur für vertagt erklärte, damit noch im Verlauf dieser XXVII. Session beide deutsche Staaten Vollmitglieder würden.

20/X: Ein Vertreter der VR China gibt bekannt, daß die Regierung in Peking die Unterschriften der früheren Vertretung Chinas bei der UNO unter eine Reihe von Konventionen nicht als bindend ansehe; sie werde diese Konventionen prüfen und zu gegebener Zeit entscheiden, ob sie sie unterzeichnen könne.

23/X: Der Sicherheitsrat verurteilt mit 12 gegen 0 Stimmen bei 3 Enthaltungen (Belgien, Großbritannien, USA) Portugal wegen militärischer Angriffe gegen Territorium Senegals.

Europa

Abbildung 3

Die Vorgänge auf diesem Kontinent, sofern sie nicht im Rahmen der mehrere Kontinente umfassenden Organisationen bzw. Themata behandelt worden sind (siehe Stichwort „Internationales"), werden nachfolgend zunächst nach Regionalorganisationen und sodann nach Ländern in alphabetischer, bei den betreffenden Ländern in chronologischer Reihenfolge dargestellt. Der Abschnitt „Regionales" behandelt diesmal Vorgänge im COMECON, beschreibt Ereignisse in den Europäischen Gemeinschaften der Neun und den Beginn der KSZE-Gespräche in Helsinki.

REGIONALES COMECON/RGW 9/X: Der Irak ersucht formell um Zuerteilung des Beobachterstatus.

Europäische Gemeinschaften der Neun 19-20/X: In Paris tritt nach 8monatigen Vorbereitungen durch die zuständigen Minister und einer lebhaften öffentlichen Diskussion erstmals eine GIPFELKONFERENZ DER ERWEITERTEN GEMEINSCHAFTEN zusammen. Zur Lebhaftigkeit der Diskussion hatte insbesondere auch die Ankündigung des französischen Staatspräsidenten Georges Pompi -dou beigetragen, er werde die Konferenz gar nicht erst einladen, wenn die Vorbereitungen nicht substantielle Ergebnisse erwarten ließen. Pomp idou stand das Recht zur Einladung insofern zu, weil er — einer Anregung Willy Brandts folgend — erstmals im August 1971 eine solche Konferenz zur Fortsetzung der Haager Gipfelkonferenz vom Dezember 1969 öffentlich vorgeschlagen hatte. An der Konferenz nehmen die sechs ursprünglichen EWG-Mitglieder BRD, Frankreich Italien, Niederlande, Belgien und Luxemburg sowie die drei beitretenden Großbritannien, Irland und Dänemark teil. Norwegen nimmt nicht teil, da eine Volksabstimmung den Beitritt zu den EG verworfen hat.

Die Reden

Pompidou betont in seiner Eröffnungsansprache, es gehe darum, zu einer abgestimmten und schließlich einheitlichen Wirtschaftsund Währungspolitik zu kommen. Daher müsse man gemeinsam die Inflation bekämpfen und so die Währungen schützen, die Bildung einer individualisierten europäischen Währungsregion anstreben und zu einer Reform des Weltwährungssystems beitragen. Als ersten Schritt denke er sich die Verwirklichung des bereits beschlossenen Europäischen Kooperationsfonds für Währungsfragen, der in europäischen Rechnungseinheiten zu operieren hätte und in den die nationalen Zentralbanken einen Teil ihrer Mittel Zusammenlegen könnten. Was die Beziehungen zu den USA angehe, so müßten sie so eng wie bisher bleiben. Das führe weiter zu der Forderung, daß sich Europa den USA gegenüber stärker profiliere und sich als unverwechselbare Einheit behaupte. Diese Schaffung Europas solle aber den Ausbau aller nur denkbaren Kontakte mit Osteuropa nicht erschweren. Im Bereich der Entwicklungshilfepolitik gelte es, in zwei Regionen zu denken: der ersten — dem mediterranen und afrikanischen Raum — solle ein bevorzugter Platz eingeräumt bleiben. Im Bereich der europäischen Regionalpolitik solle jeder Staat die ihm zur Verfügung gestellten Gemeinschaftsmittel in eigener Verantwortung einsetzen, wenn auch nicht ohne nachfolgende Kontrolle, gleichzeitige Abstimmung einander ergänzender Programme und die Möglichkeit späterer Rückzahlungen. Zur Verbesserung der Qualität des Lebens (Verschmutzung, Umwelt, Arbeitsbedingungen, Lebensbedingungen) solle eine Europäische gegründet die Stiftung werden, allgemeine Zielvorstellungen und konkrete Aktionsthemen ausarbeiten solle, auch um der Jugend Europas ein Leitbild zu geben.

Was die Institutionen der Gemeinschaften angehe, schlage er zur Vermeidung eines Dogmenstreites und zur Erleichterung des Hineinwachsens der neuen Mitglieder vor, im Augenblick pragmatische Verbesserungen in der Arbeitsweise vorzunehmen, aber nicht an entsprechend tiefgreifende Vertragsänderungen heranzugehen. Insbesondere seien die Kontrollbefugnisse des Europäischen Parlamentes zu erweitern, obgleich erkannt werden müsse, daß die politische Kontrolle weiterhin Aufgabe der nationalen Parlamente bleibe. Schließlich solle den Regierungen Vorbehalten bleiben zu entscheiden, wann solche Bereiche, die von den Verträgen nicht erfaßt seien, gemeinschaftlichen Verfahren unterworfen werden sollten.

Der niederländische Ministerpräsident Barend Bies heuve l erhob anschließend vier Forderungen als Voraussetzung für den Beginn der zweiten Phase: 1. Solle der Entscheidungsprozeß durch bessere Kompetenzverteilung zwischen Ministerrat und Kommission verbessert werden; 2.seien die Bevölkerungen besser über die Vorgänge innerhalb der Gemeinschaft zu unterrichten; 3. müsse man die Parlamentarier stärker an den Verantwortlichkeiten beteiligen und dürfe sie nicht nur als Echo verwenden; 4. sollten die Mitglieder des Europäischen Parlaments von den Völkern direkt gewählt werden, da nur so die Wähler zum Nachdenken-über die einzuschlagende Politik angeregt werden könnten.

Bundeskanzler Brandt fordert von der Konferenz konkrete Beschlüsse besonders zur Regelung der Welthandelsfragen im Rahmen des GATT und zur Neuordnung des Weltwährungssystems. Ferner solle man konstruktive Beschlüsse zur Steigerung der Effizienz der Gemeinschaftsorgane ohne Vertragsänderung fassen. Soziale Gerechtigkeit dürfe kein abstrakter Begriff bleiben, sozialer Fortschritt nicht als Anhängsel wirtschaftlichen Wachstums mißverstanden werden. Deshalb habe die Bundesregierung ein Memorandum mit entsprechenden Überlegungen und Vorschlägen ausarbeiten und den Teilnehmern übergeben lassen. Insbesondere gelte es, regionale Ungleichgewichte einzuebnen. Ein Umweltschutzprogramm solle kurzfristig ausgearbeitet werden. Die Arbeit des Ministerrates sei zu verbessern, die Kontrollbefugnis des Europäischen Parlamentes auszuweiten, die Direktwahl der Europa-Parlamentarier werde von der BRD befürwortet. Der wachsenden Identität der Gemeinschaft nach innen müsse eine ebenso zunehmende Identität nach außen entsprechen. Hierzu gehöre insbesondere die Einleitung eines Dialogs mit den USA. Hinsichtlich der Entwicklungshilfepolitik müsse man zu einer engen Zusammenarbeit mit den USA, Japan und den anderen großen Industrienationen kommen, dürfe hierbei aber nicht die akuten Probleme der eigenen Volkswirtschaften vergessen.

Der britische Premierminister Edward Heath sieht es als wesentlich an, zunächst die Verwirklichung der Wirtschaftsund Währungsunion zu beraten. Wichtig sei in diesem Bereich besonders die Erarbeitung einer gemeinsamen Regionalpolitik, die aber zu beachten habe, daß durch die Erweiterung der Gemeinschaften, aber auch durch deren bisherige innere Entwicklung in der Zukunft Regionalprobleme mindestens ebenso stark im Industriebereich auftreten würden wie bisher in der alten Gemeinschaft im Bereich der Agrarwirtschaft. Diese Regionalpolitik müsse aus gemeinschaftseigenen Mitteln finanziert werden. Sie verlange eine ergänzende Industriepolitik, die nicht nur das Potential des Gemeinsamen Marktes von 250 Mill. Menschen ausschöpfe, sondern darüber hinaus die Schaffung europäischer Gesellschaften ermögliche, die den amerikanischen Industrie-giganten auf der Basis der Gleichwertigkeit gegenübertreten könnten. Ein weiterer wichtiger Aspekt sei eine gemeinsame Energiepolitik. Im Bereich der Außenpolitik seien drei Fragen zu beachten: 1. Die USA, Japan und die Gemeinschaften bildeten die drei Zentren wirtschaftlicher und industrieller Macht, zwischen denen gerechte und stabile Beziehungen herrschen müßten; 2. die Gemeinschaft erhalte durch ihre Erweiterung erstmals zusätzlich zu ihren Verantwortlichkeiten gegenüber den Entwicklungsländern auch die Möglichkeit, ihre Energien konzentrierter einzusetzen; 3. die Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und den Ländern Osteuropas einschließlich der UdSSR müsse man zum beiderseitigen Vorteil verbessern.

Italiens Ministerpräsident Giulio A ndreotti erörtert als Beitrag seines Landes die Schaffung eines aus Eigenmitteln der Gemeinschaft gespeisten Fonds für Regionalentwicklung und die Einrichtung einer europäischen Staatsbürgerschaft, die den Bürgern in anderen Ländern der Gemeinschaft bestimmte politische Rechte wie z. B. die Teilnahme an Gemeindewahlen in ihrem Wohnort gewähren soll.

Der irische Premier Jack Lynch setzt sich ebenfalls energisch für Maßnahmen zur Lösung regionaler und struktureller Disparitäten ein. Er fordert dazu auf, die Gemeinschaft möge immer deutlicher in ihre Erwägungen auch die Vorgänge in der übrigen Welt einbeziehen und immer engere Beziehungen mit den anderen Nationen der Welt, auch mit Staatshandelsländern, entwickeln. Das gelte besonders für die Wirtschaft.

Der dänische Ministerpräsident Anker Jör -gensen beschäftigt sich insbesondere mit der Frage, daß die Arbeit der Gemeinschaften den Bevölkerungen sinnvoller und klarer vorgeführt werden müsse. Noch bestehe vielerorts die (nicht immer unberechtigte) Auffassung, daß die Gemeinschaft sich in zu großem Maße mit Fragen befasse, die den meisten Menschen längst überholt erschienen. Sicher sei Wirtschaftswachstum wichtig, aber es müsse kontrolliert werden und dazu dienen, die Lebensqualität in der Industriegesellschaft zu verbessern.

Für Belgien betont Premierminister Gaston Eyskens , daß man der Jugend helfen müsse, sich in den Ländern der Gemeinschaft umzutun, auch durch gegenseitige Anerkennung von

Zeugnissen und Diplomen; daß Bürgern anderer Gemeinschaftsländer nach einer bestimmten Aufenthaltszeit auch gewisse politische Rechte einzuräumen seien, und daß alle die den nationalen Parlamenten genommenen Kontrollbefugnisse im gleichen Rhythmus dem Europa-Parlament übertragen werden müßten.

Luxemburgs Ministerpräsident Pierre Wer -

ner warnt davor, daß auch eine Währungsunion sowie nationale Währungen durch Spekulation gefährdet werden können, wenn es nicht zu eindeutigen politischen Willensbekundungen mit einem ausreichend praktikablen Instrumentarium der Verteidigung komme. Der Präsident der Europäischen Kommission, Sicco Leendert Mans holt , zählt schließlich eine Reihe von Maßnahmen auf, die man ergreifen solle, um eindeutig darzutun, daß die Gemeinschaft keine merkantile Angelegenheit sei, sondern daß ihre merkantile Struktur der politischen Einigung dienen solle: Vorbereitung einer europäischen Regierung, die einem direkt gewählten Europäischen Parlament verantwortlich ist; Einschränkung der Kontrollen an interkommuni-

tären Grenzen; schrittweise Aufnahme von Bürgern aus Gemeinschaftsstaaten in die sozialen, politischen und administrativen Strukturen des Gastlandes als Vorbereitung einer europäischen Staatsbürgerschaft; intensive Anstrengungen zur Verbesserung der Lage der Entwicklungsländer durch Steigerung der Importe, durch entsprechend fördernde internationale Rohstoffabkommen und durch verstärkte finanzielle Leistungen.

Die Programme Für Frankreich legt Ministerpräsident Pierre Messmer sogenannte Orientierungspunkte der Sozialpolitik zur Humanisierung des wirtschaftlichen Wachstums vor: 1. Förderung der Ausbildung zur Beseitigung von Arbeitslosigkeit, 2. gemeinsame Anstrengungen zur Abschaffung „parzellierter" Arbeit ohne Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit, 3. bessere Beteiligung der Sozialpartner an der Arbeit der Gemeinschaften, 4. Maßnahmen zum Schutz der Verbraucher vor Überwälzung von Wettbewerbskosten seitens der Produzenten auf die Konsumenten. Dementsprechend solle man 1. die Befugnisse des Wirtschafts-und Sozialausschusses ausweiten, den Dialog der Sozialpartner auf europäischer Ebene fördern, paritätische Komitees nach industriellen Zweigen schaffen und sie mit Studien zu Arbeitsplatzfragen u. ä. beauftragen; 2. solle neben der bereits von Pompi dou genannten Europäischen Stiftung ein Europäisches Institut für Sozialstudien und Information eingerichtet werden, mit dessen Hilfe einerseits die Entwicklungen der einzelnen Mitgliedstaaten beobachtet und andererseits Untersuchungen von gemeinschaftlichem Interesse durchgeführt werden könnten. Für die Bundesrepublik trägt anschließend Wirtschafts-und Finanzminister Helmut Schmidt eine stabilitätspolitische Initiative vor: 1. die extreme Ausweitung des Geld-und Kreditvolumens sei merkbar einzuschränken, 2. die Regierungen sollten sich zu restriktiver Haushaltsführung verpflichten, 3. im Bereich der Handelspolitik solle man die vom Vertrag gebotenen Möglichkeiten der Importerleichterung nützen, 4. durch Ausnutzung aller Möglichkeiten der Wettbewerbs-Politik sei dafür zu sorgen, daß sie den Verbrauchern zugute kämen, 5. müsse man bei all diesen Maßnahmen die unterschiedliche Situation der einzelnen Länder insbesondere bei den Beschäftigungsproblemen berücksichtigen. Den Konferenzteilnehmern lag ferner ein umfangreiches Memorandum der BRD für eine europäische Sozial-und Gesellschaftspolitik vor, das im wesentlichen folgende Punkte behandelt: 1. Entwicklung einer koordinierten Arbeitsmarktpolitik, 2. eine sozial fortschrittliche Gestaltung der Arbeitsbedingungen und ae Entwicklung einer koordinierten Arbeitsschutzpolitik, 3. die Beteiligung der Arbeitnehmer an Willensbildung und Entscheidung in Unternehmen und Betrieb auf Gemeinschaftsebene, 4. Prüfung der Rahmenbedingungen für tarifvertragliche Regelungen auf europäischer Ebene, 5. Entwicklung eines Katalogs gemeinschaftlicher sozialer Grundprinzipien im Rahmen einer koordinierten Sozial-planung zur sozialen Sicherung, 6. erste konkrete Schritte im Bereich einer gemeinchaftlichen sozialen Strukturpolitik, 7. Schaffung eines wirkungsvollen gemeinschaftlichen Instrumentariums für die Verwirklichung einer gemeinschaftlichen Regionalpolitik, 8. Schaffung eines wirksamen europäischen Umweltschutzes gekoppelt mit Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität insgesamt, 9. pragmatische Verbesserungen der Gemeinschaftsinstitutionen.

Die Schlußerklärung Sie enthält in ihrem ersten Teil die Grundsätze, nach denen sich die zukünftige Gemeinschaftspolitik ausrichten soll. Der zweite Teil beschreibt die praktisch zu ergreifenden Schritte in insgesamt 16 Punkten. Davon behandeln die Punkte 1— 4 Fragen der Wirtschafts-und Währungspolitik und hierbei insbesondere die Gründung eines Europäischen Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit, die Einführung wirksamerer Gemeinschaftsverfahren zur Koordinierung der Wirtschaftspolitiken und die Herbeiführung einer gemeinsamen Haltung hinsichtlich der Reform des internationalen Währungssystems. Punkt 5 enthält Aufträge an die Kommission, mit großem Vorrang Maßnahmen der Regionalpolitik auszuarbeiten. In Punkt 6 werden die Organe der Gemeinschaft aufgefordert, nach Anhörung der Sozialpartner bis zum 1. Januar 1974 ein sozialpolitisches Aktionsprogramm zu verabschieden. Punkt 7 fordert ähnlich ein Aktionsprogramm für Fragen der Industrie-, Wissenschafts-und Technologie-Politik. Punkt 8 verlangt ein Aktionsprogramm für den Bereich Umweltpolitik bis zum 31. Juli 1973. Punkt 9 ersucht die Organe der Gemeinschaft, „in Kürze eine Energiepolitik" ausarbeiten zu lassen. Die Punkte 10 bis 13 behandeln Probleme der Außenbeziehungen, u. a. hinsichtlich der Entwicklungsstrategie, der Industrieländer und der Länder des Ostens, denen gegenüber man ab 1. Januar 1973 eine gemeinsame Handelspolitik betreiben will und mit denen man eine Politik der Zusammenarbeit auf der Basis der Gegenseitigkeit zu fördern beabsichtigt. Punkt 14 untersucht Fragen der politischen Zusammenarbeit und schreibt zunächst den Außenministern der Gemeinschaft vor, sich künftig viermal im Jahr zu treffen, um so die außenpolitische Koordinierung zu stärken. In Punkt 15 werden pragmatische Schritte zur Stärkung der Institutionen vorgeschrieben. Punkt 16 schließlich fordert von den Organen der Gemeinschaft bis Ende 1975 einen Bericht über die Umwandlung der Gesamtheit der Beziehungen zwischen den Mitgliedsländern in eine Europäische Union vor Ende dieses Jahrzehnts. Sonstiges 26/IX-3/X: IAEO-Generalkonferenz genehmigt Kontrollvertrag mit EURATOM (siehe unter „ 1AEO“). 2/X: Volksabstimmung in Dänemark für Beitritt (siehe unter „Dänemark").

3/X: Die Schweiz billigt das Freihandelsabkommen mit den Gemeinschaften, unterwirft es aber noch einer Volksabstimmung (siehe unter „Schweiz").

2-6/X: Britische Labour Party weiter gegen Beitritt (siehe unter „Großbritannien").

10/X: Im Rahmen einer Tagung des Assoziationsrates der Gemeinschaften mit den afrikanischen Staaten und Madagaskar kommt es zwischen beiden Seiten zu Auseinandersetzungen, da die Gemeinschaften zugunsten Italiens auf dem Gebiet des Imports von Gemüse und Obst neue Regelungen getroffen haben, die die afrikanischen Staaten — bisher genossen sie Zollfreiheit für solche Güter — benachteiligen. Die EWG bringt ihr Verständnis für die afrikanischen Sorgen zum Ausdruck und sagt eine Überprüfung der Sachlage bis zum 1. Mai 1973 zu.

25/X: Der österreichische Nationalrat billigt einstimmig die Freihandelsabkommen mit der EWG und der EGKS. -

30-31/X: Die Finanz-und Wirtschaftsminister fassen im Sinne der Pariser Gipfelkonferenz erste Beschlüsse zur gemeinschaftlichen Bekämpfung der Inflationstendenzen im Gesamt-gebiet der Gemeinschaften.

3/XII: Volksabstimmung in der Schweiz billigt Freihandelsabkommen mit der EWG (siehe unter „Schweiz").

18, 19/XII: Mit Ägypten und dem Libanon werden Präferenzhandelsabkommen, mit Zypern wird ein Assoziierungsabkommen abgeschlossen, das in zwei Phasen alle noch bestehenden Handelserschwernisse zwischen den Gemeinschaften einerseits und Zypern andererseits abbauen soll. Zu diesem Zweck haben beide Seiten Zugeständnisse gemacht: die Gemeinschaften insbesondere zugunsten des zyprischen Agrarexports, Zypern vor allem im Bereich von Industrieprodukten.

Europäische Sicherheitskonferenz (KSZE)

22-27/XI: In Helsinki treffen sich die Vertreter von 32 europäischen Staaten sowie der USA und Kanadas im sogenannten „Botschafter-Salon", um die für den 28. November geplante Generaldebatte zur Vorbereitung einer Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) zu erörtern.

Die Teilnehmer Vertreter sind Belgien, die BRD, Bulgarien, Dänemark, die DDR, Finnland als Gastgeber, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Island, Italien, Jugoslawien, Liechtenstein, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, San Marino, Spanien, Schweden, die Schweiz, die Sowjetunion, die Tschechoslowakei, die Türkei, Ungarn und der Vatikan sowie Kanada'und die Vereinigten Staaten.

Lediglich Albanien ist der finnischen Einladung nicht gefolgt. Zum Vorsitzenden wird der Staatssekretär im finnischen Außenministerium, Dr. Richard Tötterman , gewählt, der seinerseits sofort einen Ständigen Vertreter ernennt, woraus sich der erste Streitpunkt dieser Vorbereitungsgespräche entwickelt.

Die Vorgeschichte Die Idee einer solchen Konferenz geht bis ins Jahr 1954 zurück: Damals schlug der sowjetische Außenminister Wjatscheslaw M. Molo -

tow auf der Berliner Vierer-Konferenz im Rahmen der sowjetischen Bemühungen, die Deutschlandfrage durch die militärische Neutralisierung eines wiedervereinigten Deutschland zu lösen, eine Konferenz über die europäische Sicherheit vor, die einen europäischen kollektiven Sicherheitspakt schaffen solle, in dessen Rahmen ein wiedervereinigtes konföderiertes Deutschlandseine Rolle spielen könnte; den USA und der VR China bot er an, in der durch einen Vertrag zu schaffenden Organisation den Status eines Beobachters zu erhalten.

1964 entwickelte Polens Außenminister Adam apacki R vor der UNO seine Pläne für eine europäische Sicherheitskonferenz, die unter Beteiligung der USA der Anfang eines neuen Sicherheitssystems in Europa sein sollte, wobei eines der Elemente die Begrenzung der Nuklearwaffen wäre. In der Folge tragen die Ostblockstaaten, insbesondere auch durch Erklärungen des Warschauer Paktes, diese Idee immer wieder modifiziert vor, betonen aber noch 1967 in Karlsbad, daß eine Teilnahme der USA auszuschließen sei, da die Vereinigten Staaten in Europa lediglich Herrschaftsansprüche erhöben. Im Juni 1968 greift der NATO-Ministerrat bei seiner Tagung in Reykjavik diese Anregungen erstmals formell auf, indem er den Vorschlag unterbreitet, man solle in Verhandlungen über eine beiderseitige und ausgewogene Truppenverminderung in Europa mit den Ländern des Warschauer Paktes eintreten. Die kurz darauf erfolgte Besetzung der CSSR unterbricht den mit diesem „Signal von Reykjavik" begonnenen Ost-West-Dialog, der erst im März 1969 durch den sogenannten Appell von Budapest wiederbelebt wird. Der NATO-Rat antwortet im April von Washington aus mit dem Angebot, gemeinsam mit den osteuropäischen Ländern zu prüfen, welche konkreten Fragen sich für eine erfolgreiche Verhandlung anböten; die USA und Kanada müßten allerdings an allen Verhandlungen beteiligt werden. Finnland bietet Helsinki als möglichen Konferenzort an.

Im Januar 1970 erklärt die UdSSR offiziell, daß gegen die Teilnahme der USA an einer KSZE keine Einwände bestünden. Im Mai macht der NATO-Rat die Aufnahme multilateraler Kontakte hinsichtlich einer KSZE von befriedigenden Ergebnissen bei den laufenden Verhandlungen über Deutschland und Berlin abhängig. Der Warschauer Pakt erklärt im Juni in Budapest seine Zustimmung der Teilnahme der USA und Kanadas an einer solchen Konferenz; die Tagesordnung solle um Fragen der kulturellen Beziehungen und des Umweltschutzes erweitert werden; man solle ein ständiges Organ der KSZE bilden, das die Verminderung der ausländischen Streitkräfte in Europa zu behandeln habe. Im Juli unterbreitet Österreich in einem Memorandum ebenfalls Vorschläge, u. a. zu einer Verminderung des Militärpotentials in Europa. Nach Abschluß des deutsch-sowjetischen Vertrags betont der NATO-Rat erneut, daß nach befriedigendem Abschluß der Berlin-Gespräche die Bereitschaft bestehe, zu sondieren, wann die Einberufung einer Konferenz oder einer Konferenzreihe über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa möglich werde.

Nach Abschluß des deutsch-polnischen Vertrages im Dezember 1971 ünd nach Abschluß der Viermächte-Vereinbarung über Berlin vom September 1971 folgen immer häufiger auf beiden Seiten vorsichtige Stellungsnahmen zu den Möglichkeiten einer KSZE, wobei aber insbesondere von amerikanischer Seite die Herauslösung des Themas einer gegenseitigen ausgewogenen Truppenreduzierung (MBFR) aus dem Programm der KSZE gefordert wird. Dem stimmt die UdSSR im Dezember erstmals zu; obwohl sie praktische Sondierungsversuche seitens der NATO bis zu diesem Zeitpunkt unbeantwortet läßt. Im Januar 1972 fordert der Warschauer Pakt eine parallele Behandlung von MBFR und KSZE; im Mai bedauert der NATO-Rat das Festhalten der UdSSR an einer gleichzeitigen Behandlung beider Themen; im September schlägt die UdSSR die Aufnahme vorbereitender Gespräche über MBFR für Januar 1973 vor, woraufhin die USA der Einberufung der KSZE nach Helsinki für November 1972 zustimmen. Dem entsprechend richtet die finnische Regierung am 9. November 1972 formelle Einladungen an die europäischen Länder, die USA und Kanada.

Albaniens Ablehnung

war der finnischen Regierung mit Memorandum vom 19. November mitgeteilt worden. Es heißt darin, Albanien verstehe und teile die berechtigte Sorge der Völker Europas, die einen wirklich sicheren und dauerhaften Frieden wünschten. Inzwischen sei klar, daß „die expansionistische und aggressive Politik der USA und der UdSSR sowie der deutsche Revanchismus die Hauptgefahr für den Frieden und die Sicherheit in Europa darstellten. Wenn sich die Völker Europas sichern wollen, dann müssen sie sich gerade gegen diese aggressiven Kräfte absichern." Da aber keine Aussichten bestünden, durch eine solche Konferenz diese Grundübel der Situation in Europa auszuräumen, sei Albanien gegen eine solche Konferenz und werde sich an entsprechenden multilateralen Verhandlungen nicht beteiligen.

Die deutsche Frage

hatte bereits in den ersten Vorbereitungsgesprächen, nämlich bei der Frage der Sitzordnung, eine Rolle gespielt. Die Vertreter der BRD und der DDR (denen ihre Regierungen, um das protokollarische Gleichgewicht mit den übrigen Delegationschefs zu wahren, den persönlichen Rang von Botschaftern verliehen haben) sollten unter „F" (Federal Repu-blic of Germany) bzw. „G" (German Democratic Republic) Platz nehmen. Hiergegen protestierte namens der BRD Botschafter Detlev Scheel , der auf „Germany, Federal Republic of" beharrte. Man einigte sich schließlich darauf, die Sitzordnung nach den französischen Länderbezeichnungen neu aufzustellen: damit sitzt jetzt der Vertreter der BRD („Allemagne, Republique Fdrale") unmittel15 bar rechts neben dem Gastgeber; ihm folgt als zweiter der Vertreter der DDR („Allemag-ne, Republique Democratique"), neben dem wiederum der Vertreter der USA („Amerique, Etats Unis d'") seinen Sitz hat.

Der Vatikan

nimmt erstmalig seit dem Wiener Kongreß 1815 wieder an einer internationalen Konferenz teil, die sich mit der Regelung politischer Streitfragen befaßt. Am Widerstand Italiens war seine Beteiligung an den Konferenzen Berlin 1878 und Den Haag 1899 und 1907 gescheitert; am Veto Stalins die von Chur -chil l angeregte Teilnahme an der Potsdamer Konferenz 1945 (Churchills entsprechende Anregung zu Teheran beantwortete Stalin mit der berühmt gewordenen Frage nach der Anzahl der Divisionen des Vatikans). Dementsprechend erläuterte der Pronuntius in Finnland, Mons. Josef Zabkar , seinen Status als ungewöhnlich; da der Hl. Stuhl zwar keine ausschließlich europäische Macht sei, aber angesichts seiner religiösen und spirituellen Mission sich der Verpflichtung nicht entziehen könne, sich außerhalb der politischen Auseinandersetzungen zwischen den Staaten zu halten, werde er bei Debatten politischen Charakters sich der Stimme enthalten. Da aber ein dauerhafter Frieden und eine wirkliche Zusammenarbeit nur auf der Basis von allen akzeptierter konkreter ethischer Normen entstehen könnten, bestehe die Möglichkeit, daß seine Mitarbeit die Formulierung gemeinsamer Vorschläge beschleunigen und die Annäherung differierender Ansichten fördern könne.

Rumäniens Forderungen,

die ihren ersten Ausdruck in dem bereits erwähnten ersten Streitpunkt fanden, waren am 21. November in einem Grundsatzbeschluß des Plenums des ZK der rumänischen KP festgelegt worden: 1. Die künftige gesamteuropäische Konferenz solle in einem von allen Teilnehmern unterzeichneten Dokument die Prinzipien für die Grundlage der Beziehungen zwischen allen europäischen Staaten fixieren (Gleichberechtigung, gegenseitige Achtung der nationalen Souveränität und Unabhängigkeit, Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten, gegenseitiger Vorteil, Verzicht auf Gewalt und Gewaltandrohung); 2. die Konferenz solle Maßnahmen für die unbeschränkte Ausweitung der Zusammenarbeit auf allen Gebieten formulieren; 3. sie solle ein ständiges Organ zur Fortführung der Kontakte und zur Vorbereitung von Lösungen anderer offener Fragen schaffen; 4. „an der Vorbereitung und Durchführung der Konferenz müssen sich alle Staaten beteiligen, mit vollen Rechten, ungeachtet ihrer Gesellschaftsordnung, ihrer Größe oder des Stadiums ihrer Wirtschaftsentwicklung und ihrer Zugehörigkeit zu Militärblöcken. Die Teilnehmer . . . werden nationale, gleichberechtigte, unabhängige und souveräne Staaten vertreten"; 5. die Konferenzthemen könnten nicht losgelöst von jenen Hauptfragen behandelt werden, die mit dem Wort Abrüstung umschrieben seien.

Im Sinne dieses Verhandlungsauftrags protestierte Rumänien am ersten Arbeitstag gegen den am Vortag gefällten Beschluß des Vorsitzenden Tötterman , sich einen Ständigen Vertreter beizugeben; man forderte vielmehr das Rotationsprinzip sowohl für den Vertreter wie für die Vorsitzenden eventueller Arbeitsgruppen nach alphabetischer Reihenfolge. Dieser Forderung wurde sofort zugestimmt.

Rumänien forderte ferner auch, daß bereits jetzt festgelegt werde, daß bei den Abstimmungen die volle Souveränität und Unabhängigkeit aller Teilnehmer ohne Rücksicht auf ihre Zugehörigkeit zu dem einen oder anderen Militärblock gewahrt bleibe. Hierbei kam es zu heftigen Auseinandersetzungen, in deren Verlauf insbesondere die westlichen Staaten den Vorschlag Rumäniens unterstützten, während der Ostblock unter Führung der UdSSR sich auf den Standpunkt stellte, ein Hinweis auf Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem der Militärblöcke sei bei der Festlegung der Verfahrensordnung überflüssig. Schließlich einigte man sich auf folgenden Punkt 1 der Tagesordnung: „Sämtliche Staaten beteiligen sich auf Grund gleicher Souveränität als unabhängige und vollauf gleichberechtigte Länder an den Beratungen. Diese Beratungen finden außerhalb der Militärbündnisse statt."

Auch in den anderen Punkten wurden die rumänischen Forderungen berücksichtigt. Wichtigste weitere Bestimmungen: „Einhelligkeit" bei der Annahme eines Textes bedeute, daß kein Vertreter irgendeinen Vorbehalt angemeldet hat; es werden keine offiziellen Protokolle geführt; der Wortlaut angenommener Beschlüsse wird gedruckt und verteilt; Teilnehmer können verlangen, daß Vor-behalte oder Interpretationserklärungen mit veröffentlicht werden; alle Treffen haben geschlossenen Charakter, außer, wenn einhellig anders beschlossen wird; ob sonstige Dokumente oder Kommuniques über den Verlauf der Beratungen veröffentlicht werden, muß einhellig beschlossen werden.

LÄNDERBERICHTE Albanien 10/XI: Mit Italien wird erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg wieder ein Handelsabkommen durch Regierungsvertreter unterzeichnet. -Das Abkommen hat Sonder klauseln: l. kann Italien eine Revision beantragen, wenn handelspolitische Beschlüsse der EG das nötig machen, 2. ist Italiens Markt vor Lieferungen zu Dumping-Preisen geschützt. Das Abkommen gilt bis 1974.

19/XI: Ablehnung einer Teilnahme an der KSZE (siehe unter „Europäische Sicherheitskonferenz“). Belgien 24-26/X: Besuch Ceauses cus (siehe unter „Rumänien“).

13-14/XI: Besuch OLSZOWSKIS (siehe unter „Polen“).

27/XII: Belgien nimmt als erster NATO-Staat diplomatische Beziehungen zur DDR auf.

Bundesrepublik Deutschland Bundestagswahl und Regierungsneubildung a) Die vorbereitenden Parteitage Zur Vorbereitung der auf den 19. November 1972 vorzeitig angesetzten Neuwahlen zum Deutschen Bundestag veranstalteten die im Bundestag vertretenen Parteien teils außerordentliche Parteitage, teils befaßten sie sich auf ordentlichen mit den entsprechenden Fragen: 2/X: Im Reichstagsgebäude in West-Berlin treten die Führungsgremien von CDU und CSU zu einer Klausurtagung zusammen, auf der sie sich erstmalig auf ein gemeinsames Wahlkampfprogramm einigen und beschließen, Rainer Barzel , Franz Josef Straus s , Gerhard Schröder und Hans Katzer als Führungsmannschaft vorzustellen. Das Wahlkampfprogramm ist auf Schwerpunkte in den Bereichen Stabilität, Eigentum und Bildung abgestellt. Im Falle eines Wahlsiegs wollen die Unionsparteien mit der DDR statt eines Vertrages eine Vertragsserie abschließen, wobei der Maßstab sein solle, ob sie mehr Freizügigkeit für Menschen und Informationen in Deutschland ermögliche: jene Haltung, die die Unionsparteien bereits durch ihre Zustimmung zum Verkehrsvertrag demonstriert hätten. Die Unionsparteien seien, arzel erklärt B abschließend, sicher, daß die DDR-Führung schon allein aus eigenem Interesse auch mit einer Unions-Regierung zu Verhandlungen bereit sein werde.

9-11/X: Vor dem XX. Bundesparteitag der CDU in Wiesbaden erklärt der CDU-Vorsitzende Barzel : Die auf eine klare Alternative angelegte Oppositionsarbeit habe die Regierung Brandt -Scheel vorzeitig zur Aufgabe gezwungen; die Union stehe bereit, durch ihre bessere Politik zu Stabilität und Fortschritt, mehr sozialer Gerechtigkeit und zur Stärkung des Friedens beizutragen. Die Union wolle: soziale Marktwirtschaft, Stabilität, Mitbestimmung, Vermögen für jeden, ein humanes Steuerrecht zugunsten der Leistung, den europäischen Bundesstaat. Anschließend trägt Barzel in diesem Sinne das Wahlprogramm „Unser Leitbild: die humane Leistungsgesellschaft" vor, wobei die Akzente insbesondere auf Stabilität und Ausbau des freiheitlichen sozialen Rechtsstaates liegen und für die Komplexe Umweltschutz, Agrar-, Energie-und Verkehrspolitik, Städte-und Wohnungsbau, Bodenrecht und Mittelstand gesonderte Programme erarbeitet und vorgelegt sind.

12-13/X: Die SPD bereitet sich auf ihrem V. Außerordentlichen Parteitag in Dortmund auf den Wahlkampf vor. Das verabschiedete Wahlprogramm wird durch seine Präambel eindeutig auf die Person Willy Brandts abgestellt. Das Programm zählt die wichtigsten außenpolitischen Maßnahmen als Erfolg der BRANDTschen Friedenspolitik auf, spricht sich für die marktwirtschaftliche Ordnung als der Grundlage stabiler wirtschaftlicher Fortentwicklung aus, versucht zu definieren, wieso Lebensqualität mehr als Lebensstandard sei, bezeichnet den Umweltschutz als Existenzfrage der Menschheit, und stellt abschließend fest: „Die CDU ist keine Alternative". 23-25/X: In Freiburg wählt der XXIII. Parteitag der FDP zunächst Walter Scheel mit 331 gegen 7 Stimmen wieder zum Vorsitzenden, der anschließend betont: die Auswirkungen der zweiten industriellen Revolution, in der man jetzt lebe, seien viel radikaler als alle sozialen Veränderungen, die die Menschheit bisher erlebt habe. Zur Sicherung der liberalen Komponente in der nächsten Koalitionsvereinbarung fordert er alle Nichtwähler der FDP, insbesondere aber die Wähler der Unionsparteien auf, ihre Zweitstimmen der FDP zu geben. Scheel wie auch Bundesernährungsminister Josef Ertl und FDP-General-sekretär Karl-Hermann Flach lehnen Koali-tionsangebote von Unionsseite ab. Flach zieht in seine Kritik aber auch die SPD mit ein.

4/XI: Der Landesvorsitzenge der CSU, Franz Josef S , eröffnet den Landesparteitag s in München mit den Sätzen: „Am 19. November bekommt nach drei Jahren präsozialistischer Schulung das deutsche Volk nün wirklich die Regierung, die es verdient. Denn drei Jahre Anschauungsunterricht reichen aus, um entscheiden zu können, was man will. Wir erleben in diesen Tagen, daß nunmehr — stärker als bei früheren Bundestagswahlen — eine politische Bewegung, eine politische Welle, eine politische Aufmerksamkeit durch dieses Land geht, weil sich bei allen Bürgerinnen und Bürgern — aller regierungsamtlich verordneten oder von Jubelpropagandisten betriebenen Propaganda zum Trotz — ein Gefühl bemerkbar macht, daß nunmehr der Flügelschlag der Geschichte uns erreicht, ein Flügelschlag des Schicksals . .

b) Wahlergebnisse 19/XI: Die Wahl zum 7. Deutschen Bundestag erbringt folgende Endergebnisse: c) Wahlkommentare und Wahlanalysen heben hervor: 1. Eine ungewöhnliche Politisierung der Wähler, insbesondere durch Bürgerinitiativen, die sich u. a. auch in der Rekordwahlbeteiligung ausdrückte, habe gleichzeitig die Bereitschaft gefördert, nach moralischen Kategorien zu urteilen: und hier habe die Ostpolitik Brandts vor allem bei der jüngeren Generation den größten Zuspruch gefunden; 2. Brandt habe eine wesentlich stärkere Ausstrahlung auf Frauen gehabt als Barzel , was der SPD bedeutende Zugewinne an Frauen-Stimmen eingebracht habe; 3.der exakte Zeitplan bei der Vorlage des Grund-vertrages mit der DDR habe nach den hoffnungsvollen Erleichterungen im Zusammenhang mit den Berlin-Vereinbarungen der Koalition weiteren Auftrieb verliehen; 4. die Vertrauenskrise in den Beziehungen zwischen Gläubigen und Kirchen komme bei zunehmender Glaubenssehnsucht und wachsender Bereitschaft zu gemeinschaftlichem, d. h. „sozialistischem" Leben, vor allem der SPD zugute und falle den Parteien mit dem nicht verwirklichten „C" im Namen zur Last; 5. die zunehmende politische Mündigkeit der Bürger lasse sich nicht nur an den Wählerinitiativen erkennen, sondern auch an dem unverhältnismäßig großen Gebrauch vom Stimmensplitting zugunsten der Koalition, das vor allem der FDP zugute gekommen sei, obwohl die Gründe hierfür noch nicht recht klar erkennbar seien: mit Sicherheit habe aber die Profilierung der FDP auch gegenüber der SPD, das Verhalten der FDP-Führung während der Krise durch Austritte und schließlich die eindeutige Festellung der FDP, sie werde in der 7. Legislaturperiode auf keinen Fall mit der CDU/CSU und mit der SPD nur dann koalieren, wenn diese nicht die absolute Mehrheit gewönne, mögliche Trends zum Zwei-Parteien-System für lange Zeit ge-stoppt; 6. ferner hätten vor allem die teilweise anonym zugunsten der CDU/CSU in den Zeitungen veröffentlichten und manchmal sehr plumpen Wahlaufrufe bei einem Teil der Wählerschaft eher geschadet als genutzt; 7. schließlich komme das Stabilitätsdenken der CDU/CSU zumindest in der bisherigen Formulierung bei der Mehrheit der Bürger, insbesondere bei den jüngeren, nicht mehr an: die Gesellschaft sei dem Krieg schon zu fern und insgesamt zu mobil geworden.

d) Konstituierung des neuen Bundestages und Wieder-wahl Brandts als Bundeskanzler 13/XII: Der 7. Deutsche Bundestag tritt zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen und wählt mit Annemarie R erstmals enge r eine Frau für das Amt des Bundestagspräsidenten; Vizepräsidenten werden von der CDU Kai-Uwe von H , der bisherige ass el Bundestagspräsident, von der CSU Richard Jaege r , von der SPD Hermann Schmitt -Vockenhaus en , von der FDP Frau Liselotte Funcke .

14/XII: Willy Brandt wird als Bundeskanzler wiedergewählt.

15/XII: B stellt sein neues Kabinett in randt folgender Zusammensetzung vor: Walter S cheel (FDP) Bundesminister des Auswärtigen, Hans-Dietrich Gensche r (FDP) Bundesminister des Innern, Gerhard J (SPD) ahn Bundesminister der Justiz, Helmut S chmidt (SPD) Bundesminister der Finanzen, Dr. Hans Frider ichs (FDP) Bundesminister für Wirtschaft, Josef Ertl (FDP) Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Walter Arendt (SPD) Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Georg Leber (SPD) Bundesminister der Verteidigung, Dr. Katharina Focke (SPD) Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit, Dr. Lauritz Laurit -zen (SPD) Bundesminister für Verkehr, Dr. Hans-Jochen Vogel (SPD) Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Egon Franke (SPD) Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen, Prof. Dr. Horst Ehmke (SPD) Bundesminister für Forschung und Technologie und für das Post-und Fernmeldewesen, Dr. Klaus von Dohnanyi (SPD) Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, Dr. Erhard Eppler (SPD) Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Egon Bahr (SPD) Bundesminister für besondere Aufgaben, Prof. Dr. Werner Maihofer (FDP) Bundesminister für besondere Aufgaben. e) Sonstiges 2-3/X: Der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Paul Frank , weilt zu politischen Konsultationen mit der türkischen Regierung in Ankara. Die Gespräche ergeben in allen wesentlichen außenpolitischen Fragen eine Gemeinsamkeit der Auffassungen; Themen waren insbesondere die geplante KSZE und die damit zusammenhängenden Fragen einer gegenseitigen und ausgewogenen Verminderung von Streitkräften (MBFR), Aspekte der Lage im Mittelmeer und im Nahen Osten sowie schließlich die europäische politische Integration. Im Bereich bilateraler Beziehungen werden keinerlei belastenden Probleme festgestellt; in der großen Zahl türkischer Gastarbeiter in der BRD sehe man ein positives Element der Freundschaftsbeziehungen.

8-10/X: Staatssekretär Bahr in Moskau (siehe unter „Sov/jetunion").

10-14/X: Außenminister Walter Scheel stattet der Volksrepublik China als erstes Kabinettsmitglied der Bundesrepublik einen offiziellen Besuch ab. Bei dieser Gelegenheit unterzeichnet er mit Außenminister Chi PENGfei folgendes Kommunique: „Die Regierung der VR China und die Regierung der BRD haben am 11. Oktober 1972 beschlossen, diplomatische Beziehungen aufzunehmen und in .

kurzer Zeit Botschafter auszutauschen."

Scheel unterbreitet bei seinen Gesprächen mit Chi und dem Ministerpräsidenten Chou En -lai konkrete Vorschläge in neun Fragenkomplexen: l. die Entwicklung der gegen-

seitigen Handelsbeziehungen, 2. praktische Maßnahmen zur Vorbereitung der möglichst schnellen Einrichtung von Botschaften, 3. Programme für Zusammenarbeit auf den Gebieten Wissenschaft und Kultur, 4. ein Luftver. kehrsabkommen, 5. Austausch von Wirtschaftsdelegationen zur Prüfung der künftigen Wirtschaftsbeziehungen, 6. eine deutsche Industrieausstellung in Peking, 7. die Übernahme des deutschen Farbfernsehsystems PAL, 8. Kontakte auf sportlicher Ebene, 9. technische Erleichterungen der Pressebeziehungen. Beide Seiten betonen, daß zwischen ihren Völkern und Staaten keine aktuellen Probleme bestehen und daß die Freundschaft zwischen beiden Völkern jetzt meinen neuen Aufschwung nehmen werde. 13/X: Polen erteilt Hans Hellmuth RUETE das Agrement als erstem Botschafter der BRD in Warschau.

19/X: Heinrich Böll erhält den Nobelpreis 1972 für Literatur (siehe unter „Nobelpreis"). 25/X: Saarkohleabkommen mit Frankreich (siehe „Frankreich" unter ).

24-27/X: Bundespräsident Heine mann in Großbritannien (siehe unter „Großbritannien"). 16/XI: 100 Mill. -DM-Entschädigung an polnische NS-Opfer (siehe unter „Polen").

24/XI: Anerkennung durch Finnland (siehe unter „Finnland").

15/XII: Erster Handelsvertrag mit Peking (siehe unter „VR China").

Dänemark 2/X: Die Wahlberechtigten Dänemarks stimmen in einer Volksabstimmung mit 63, 44 °/o gegen 35, 66 0/0 dem Beitritt Dänemarks zu den Europäischen Gemeinschaften zu. In den 17 Wahlkreisen des Landes (ohne Grönland) weisen lediglich der südliche und der östliche Wahlkreis Kopenhagens, in denen vor allem Industriearbeiter wohnen, die bei Parlamentswahlen den Volkssozialisten, Kommunisten und Linkssozialisten die meisten Stimmen zu geben pflegen, eine Nein-Mehrheit auf.

3/X: Ministerpräsident Jens Otto Krag eröffnet die neue Sitzungsperiode des Folketing mit einer programmatischen Rede, in der er zunächst die besondere Aufgabe betont, die Dänemark nun als Verbindungsglied zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den nordischen Staaten zukomme. Diese Aufgabe sei um so verpflichtender, als der Beitritt Norwegens gescheitert sei. Dänemark, das sowohl ein nordisches Land wie auch eine kontinentaleuropäische Nation darstelle, betrachte sich als skandinavischer Vorposten auf dem Kontinent. In dieser Funktion und seinen eigenen Traditionen entsprechend wolle es sich besonders um die weitere Demokratisierung der europäischen Institutionen bemühen. Krag beschließt seine Rede mit der überraschenden Erklärung, daß er nunmehr nach 25 Jahren aktiver politischer Tätigkeit aus persönlichen Gründen von seinen Ämtern als Ministerpräsident und als Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei zurücktrete und zu seinem Nachfolger im Amt des Ministerpräsidenten den Vorsitzenden der Gewerkschaft der Ungelernten Arbeiter, Anker Jörgensen , nominiere.

5/X: Jörgens en wird von Königin Margre -

the II. offiziell zum Ministerpräsident ernannt.

Anschließend erklärt er in seiner ersten Kabinettssitzung, da der Rücktritt Krags aus persönlichen Gründen erfolgt sei und das Mehrheitsverhältnis im Folketing sich nicht verändert habe, sehe er keine Notwendigkeit, auch nur einen formellen Rücktritt des Kabinetts in Betracht zu ziehen, das er in unveränderter Besetzung beibehalte.

Deutsche Demokratische Republik Aufnahme diplomatischer Beziehungen Zwischen dem 15. Oktober 1949 (Gründung der DDR) und dem 15. Januar 1972 (Anerkennung durch Bangla Desh) nahmen insgesamt 31 Staaten diplomatische Beziehungen zur DDR auf. Zunächst bis zum Oktober 1957 die damaligen 12 sozialistischen Staaten (zuerst die UdSSR, zuletzt Jugoslawien). Es folgten im Laufe der Jahre jene Staaten, die eine mehr oder minder ausgesprochene sozialistische Tendenz (meist infolge von Regime-Wechseln) annahmen: so im Januar 1963 Kuba, am 8. Mai 1969 als 14. Staat Kambodscha, am 8. Januar 1970 als 21. die VR Kongo, am 16. März 1971 als 28. Chile, am 15. Januar 1972 als 31. Bangla-Desh.

Zwischen dem 8. Oktober und dem 29. Dezember 1972 folgten mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur DDR weitere 23 Länder; teils ohne offensichtlichen Bezug zum bevorstehenden Abschluß des sogenannten Grundvertrages zwischen BRD und DDR und damit vor dem Zeitpunkt des Beginns formaler Normalisierung, teils erkennbar auf diesen Termin bezogen, teils nach dem entsprechenden Datum, dem 21. Dezember 1972.

Im Zusammenhang mit der Erörterung „offener vermögensrechtlicher Fragen" ist darauf hinzuweisen, daß am 11. Dezember 1972 der Präsident des „Bundes jüdischer Verfolgter des Nazi-Regimes", Simon Wiesenthal , in Wien bekannt gab: Die Verbände jüdischer Verfolgter des NS-Regimes in Österreich, Belgien, Dänemark, Frankreich, den Niederlanden, Norwegen und Luxemburg hätten gemeinsam mit Organisationen der Widerstands-kämpfer beschlossen, ihre Regierungen zu veranlassen, im Rahmen der anstehenden Verhandlungen mit der DDR über deren völkerrechtliche Anerkennung von ihr ebenfalls Wiedergutmachungsleistungen zu verlangen; seitens der NS-Opfer sei stets der Standpunkt vertreten worden, daß beide deutsche Staaten zur Wiedergutmachung verpflichtet seien; es gebe sogar vertragliche Vereinbarungen, daß die Leistungen der BRD nur 2/3 der angestrebten Wiedergutmachung betrügen, während 1/3 zu einem späteren Zeitpunkt von der DDR aufzubringen sei. Die BRD habe bisher 44, 3 Mrd. DM an Schadens-ersatzleistungen und Renten für rassisch und politisch Verfolgte des NS-Regimes ausgezahlt. Die Beziehungen BRD-DDR 3/X: Die DDR-Büros für Besuchs-und Reise-angelegenheiten in West-Berlin nehmen erstmals Anträge auf Berechtigungsscheine für den mehrmaligen Empfang von Visa entgegen. Solche Berechtigungsscheine gelten für drei Monate und insgesamt acht Einreisen. Sie sollen das Verfahren der Einreise in die DDR und nach Ost-Berlin erleichtern und beschleunigen. 3/X: Der West-Berliner Senat behandelt die Frage einer Berlin-Klausel in einem Grund-vertrag zwischen der BRD und DDR und stellt fest: Soweit der Grundvertrag grundsätzliche Fragen in den Beziehungen zwischen BRD und DDR regele, sei in ihm nach den Vorschriften des Berliner Viermächte-Abkommens kein Platz für eine Einbeziehung Berlins, da die Berlin betreffenden Grundsatzfragen durch eben dieses Abkommen bereits geregelt seien; insoweit es sich aber um darüber hinausgehende praktische Regelungen handele, sei eine Berücksichtigung Berlins nach dem Vorbild des Verkehrsvertrags zwischen der BRD und DDR sicherzustellen.

6/X: Zum 23. Jahrestag der DDR wird eine Amnestie erlassen. Sie erstreckt sich auf alle Straftaten, für die vor dem 7. Oktober 1972 Urteile ergingen bzw. die Ermittlungen abgeschlossen sind. Bürgern anderer Staaten und Staatenlosen wird die Ausreise aus der DDR auf Antrag gestattet. Die Entlassungen beginnen am 1. November 1972.

16/XI: Die Volkskammer verabschiedet ein neues Staatsbürgerschaftsgesetz, in dem festgestellt wird, daß alle DDR-Bürger, die vor dem 1. Januar 1972 widerrechtlich die DDR verließen und dort nicht wieder Wohnsitz nahmen, sowie ihre Nachkommen, falls diese nicht in der DDR leben, die Staatsbürgerschaft der DDR verlieren und wegen des widerrechtlichen Verlassens der DDR auch nicht strafrechtlich verfolgt werden. (Nach Ansicht westlicher Kommentatoren sind Amnestie-wie Staatsbürgerschaftsgesetz im wesentlichen unter dem Aspekt zu betrachten, daß die DDR angesichts des bevorstehenden Grundvertrages mit der BRD und ihrer Aufnahme in die internationale Staatengemeinschaft problematische Dinge wie politische Häftlinge und die strafrechtliche Verfolgung von „in Deutschland nach Deutschland geflüchteten Deutschen" auf diese Weise rechtzeitig ausräumen wollte).

17/X: Die Staatssekretäre Egon Bahr (BRD) und Michael Kohl (DDR) setzen durch ihre Unterschrift und durch den Austausch entsprechender Noten den ersten Vertrag zwischen beiden deutschen Staaten, den Verkehrsvertrag, in Kraft. Er war vom Deutschen Bundestag am 22. September und vom Deutschen Bundesrat am 6. Oktober verabschiedet und von der DDR-Volkskammer am 16. Oktober gebilligt worden. Daß es nicht zu dem sonst üblichen Ratifizierungsverfahren kam, geht auf den Wunsch der Bundesregierung zurück, auch auf diese Weise zu dokumentieren, daß die Beziehungen zwischen beiden Staaten zwar völkerrechtliche Qualität, aber nicht den Charakter normaler völkerrechtlicher Akte — wie zwischen ausländischen Staaten üblich — haben. Zusammen mit dem Verkehrsvertrag treten auch die von der DDR zugesagten Erleichterungen und technischen Verbesserungen im Reiseverkehr durch den Erlaß entsprechender Anordnungen in Kraft.

18-19/X: In Ost-Berlin findet erstmals ein offizielles Spitzengespräch zwischen dem Deutschen Gewerkschaftsbund DGB und dem Freien Deutschen Gewerkschaftsbund FDGB statt. Nach dem Abbruch der Gewerkschaftsbeziehungen 1948 war es zwar insbesondere 1970 zu Bemühungen um eine Wiederaufnahme der Kontakte gekommen, die jedoch daran scheiterten, daß der FDGB eine eventuelle Anreise des DGB über West-Berlin ablehnte. Offensichtlich strittige Grundsatzfragen bleiben ausgeklammert. Der DGB-Vorsitzende Heinz-Oskar Vetter erklärt anschließend, man hoffe, bei einem nächsten Gespräch einen Themenkatalog aufstellen zu können, um so eine fachlich ausgerichtete Diskussion zu ermöglichen. Doch warne er vor einer Über-schätzung dieser Vorgänge und vor einer Kontaktsucht. Offizielle Kontakte zwischen Einzelgewerkschaften könne es frühestens nach erfolgreichem Verlauf des zweiten Spitzengesprächs geben.

4, 14-19/XI: Die Ostsynode der Evangelischen Kirche von Berlin-Brandenburg wählt entsprechend dem im März verabschiedeten neuen Kirchengesetz den seit 1966 in Ost-Berlin amtierenden Bischof Albrecht Schönh err zum neuen Bischof des in der DDR gelegenen Teils der ehemaligen Kirche Berlin-Brandenburg. Die Westsynode stimmt dieser Wahl indirekt durch die Verabschiedung eines neuen Kirchengesetzes auch für ihren Teil zu, durch das ermöglicht wird, daß nunmehr zwei Bischöfe Teile derselben Kirche nebeneinander gleichberechtigt leiten, um so der kirchlichen Einheit trotz faktischer Spaltung weiterhin zu dienen.

8/XI: Die Staatssekretäre Bahr (BRD) und Kohl (DDR) paraphieren nach Verhandlungen, die sie am 15. Juni in Ost-Berlin begonnen hatten, und nach Zustimmung beider Regierungen zu ihrem Verhandlungsergebnis, den „Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der BRD und der DDR", den sogenannten Grundvertrag oder Grundlagen-vertrag. Er formuliert in der Präambel und in 10 Artikeln, daß beide Seiten, von der Unverletzlichkeit der Grenzen, der Achtung der territorialen Integrität und der Souveränität aller Staaten in Europa in ihren gegenwärtigen Grenzen und dem Verzicht auf Gewaltandrohung oder -anwendung ausgehend, ihre gegenseitigen Beziehungen unbeschadet der grundsätzlich unterschiedlichen Auffassungen beider Seiten zu bestimmten Fragen, etwa der nationalen, mit ausschließlich friedlichen Mitteln auf der Grundlage der UN-Charta entwickeln wollen.

Den eigentlichen Grundvertrag umranken zahlreiche Zusätze unterschiedlicher Art. Ein Zusatzprotokoll zum Grundvertrag setzt eine Kommission zur Grenzmarkierung ein und bestimmt, daß die Handelsbeziehungen auf der Grundlage der bestehenden Abkommen (also indirekte Einbeziehung der DDR in die Vergünstigungen des EWG-Handelsraumes durch das entsprechende Zusatzprotokoll zu den Römischen Verträgen) fortzuführen sind; ferner werden in 10 Paragraphen die Bereiche behandelt, in denen man sich um eine Zusammenarbeit bemühen will: u. a. Wissenschaft und Technik, Verkehr, Zivil-und Strafrecht, Post-und Fernmeldewesen, Gesundheitswesen, Kultur, Sport, nichtkommerzieller Zahlungs-und Verrechnungsverkehr.

Ein Protokollvermerk stellt fest, daß vermögensrechtliche Fragen wegen unterschiedlicher Auffassungen nicht geregelt werden konnten. Durch Erklärungen zum Protokoll wird festgehalten, daß Staatsbürgerschaftsfragen ebenfalls ungeregelt blieben, aber die DDR vom Grundvertrag eine Erleichterung dieses Komplexes erwarte. Ein Briefwechsel behandelt eingehend Fragen des Post-und Fernmeldewesens; ein weiterer Briefwechsel Fragen der Familienzusammenführung, der Reise-erleichterungen und des nichtkommerziellen Warenverkehrs.

Weitere Briefwechsel behandeln die Öffnung zusätzlicher Grenzübergänge, den Antrag auf Mitgliedschaft bei den Vereinten Nationen, den Notenwechsel der BRD mit den Westmächten und den der DDR mit der UdSSR über das Andauern der Rechte und Verantwortlichkeit der Vier Mächte (erstmals in dieser Form von der DDR anerkannt).

Erläuterungen zum Briefwechsel betreffend Familienzusammenführung usw. enthalten insbesondere Bestimmungen über die Genehmigung eines kleinen Grenzverkehrs von grenznahen Einwohnern der BRD in die Grenzbereiche der DDR. Weitere Erklärungen zum Protokoll behandeln die Aufgaben der Grenzkommission, den Verkehr zwischen den beiderseitigen Verwaltungsorganen, den die DDR auszubauen zusagt. Eine Erklärung beider Seiten hält fest, daß im Sinne des Vier-Mächte-Abkommens Vereinbarungen zwischen BRD und DDR auch auf West-Berlin ausgedehnt werden können. Man sagt einander zu, im Zuge der Normalisierung über beiderseitig interessierende Themen Konsultationen abzuhalten. Schließlich folgen ein Briefwechsel und Erklärungen zum Protokoll über die Arbeitsmöglichkeiten von Journalisten im jeweils anderen Staat sowie eine Erklärung beider Seiten über die Ausweitung dieser Bestimmungen auch auf West-Berlin. Abschließend kündigt die BRD an, sie werde vor Vertragsunterzeichnung der DDR einen „Brief zur nationalen Frage" übermitteln. 9/XI: Die Botschafter der Vier Mächte geben eine gemeinsame Erklärung ab, daß sie einen Antrag auf Aufnahme beider deutscher Staaten in die Vereinten Nationen unterstützen, daß aber durch die Aufnahme beider in die UNO die Rechte und Verantwortlichkeiten der Vier in keiner Weise berührt werden. 16-17/XI: In Ost-Berlin findet eine Konferenz des ZK der SED mit Agitatoren und Propagandisten im Zusammenhang mit der Erfüllung eines Politbüro-Beschlusses zur Agitation hinsichtlich des Grundvertrages statt. Dieser Politbüro-Beschluß vom 7. November stellte fest: Es gehe darum, die DDR immer fester in der sozialistischen Staatengemeinschaft zu verankern, die Menschen zu sozialistischen Persönlichkeiten zu entwickeln, die Auseinandersetzung mit dem Imperialismus und allen Erscheinungsformen seiner Ideologie zum Leitthema zu machen. Auf der Agitprop-Konferenz sagte der Erste Sekretär des ZK der SED, Erich Honecker , u . a.: Der Grundvertrag sei der bestmögliche, entstanden in schwierigen Auseinandersetzungen und unter Berücksichtigung der wohlverstandenen Interessen beider Seiten; mit ihm habe die BRD die Konsequenz aus der Einsicht gezogen, daß ihre frühere Politik, die DDR isolieren zu wollen, endgültig an den Realitäten der modernen Welt gescheitert sei. Diesen Durchbruch habe die DDR aber nur Dank des koordinierten Vorgehens der sozialistischen Bruderstaaten und Schulter an Schulter mit der UdSSR erringen können, was niemals vergessen werden dürfe. 22/XI: Erich H gewährt als erstem onecker westlichen Journalisten Cyrus L. S -ulzber von der New York Times ein Interview. ger Honecker erklärt hierbei u. a.: Durch die Amnestie seien von rund 38 000 Inhaftierten etwa 31 000 frei gekommen; die Möglichkeit, daß es irgendwann einmal zu einer ideologischen Konvergenz von DDR-Sozialismus und BRD-Sozialdemokratie komme, sei ausgeschlossen, was aber nicht bedeute, daß man nicht im Bereich staatlicher Fragen nach den Grundsätzen der friedlichen Koexistenz zusammen arbeiten könne; die Grenze sei eine Gegebenheit, ihre Ausgestaltung werde vom jeweiligen Zustand der gegenseitigen Beziehungen abhängen. Nach dem Inkrafttreten des Grundvertrages werde man erst einmal das Nebeneinander probieren und lernen müssen; was aber die Mauer betreffe, so sei es noch viel zu früh, darüber etwas zu sagen. Die Frage einer eventuellen Wiedervereinigung bestehe gar nicht, sie sei durch den geschichtlichen Ablauf längst endgültig erledigt worden. 6-7/XII: Das ZK der SED befaßt sich mit dem Grundvertrag und stellt fest, er markiere, was derzeit zwischen Staaten unterschiedlicher, ja gegensätzlicher Gesellschaftsordnung möglich sei; er entspreche den Grundsätzen der friedlichen Koexistenz, die aber in keiner Weise die gesellschaftlichen Gegensätze ein-ebne oder gar zu einer Aussöhnung der feindlichen Ideologien führe. In dem Maße, in dem der Gegner daran gehindert werde, seine Zuflucht zu militärischen Aggressionen zu nehmen, verschärfe sich der Kampf an der ideologischen Front.

21/XII: Im Hause des Ministerrates in (Ost) Berlin unterzeichnen für die BRD der Bundesminister für besondere Aufgaben, Egon Bahr , und für die DDR der Staatssekretär beim Ministerrat, Michael Kohl , den Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik. Gleichzeitig wurde dem Büro Kohls ein sogenannter „Brief zur deutschen Einheit"

übermittelt, in dem es heißt: Der Grundvertrag stehe nicht im Widerspruch zu dem politischen Ziel der Bundesrepublik, auf einen solchen Zustand in Europa hinzuwirken, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wieder erlange.

Kohl bezeichnet den Brief, den die DDR-Publikationsmedien nicht veröffentlichten, als einseitige Erklärung der Bundesregierung von beschränkter Rechtswirksamkeit (eine Formulierung, die im Widerspruch zu den Artikeln 31 und 32 der Wiener Konvention über das Recht der Verträge von 1969 steht).

Sonstiges 16/X: Die Volkskammer verabschiedet ein Gesetz über die Befugnisse des Ministerrates, wodurch diesem einerseits Befugnisse des noch von Walter Ulbricht präsidierten Staatsrat übertragen werden und dieser zum reinen Repräsentationsorgan umgewandelt wird, der Ministerrat aber andererseits stärker noch als bisher der Weisungsbefugnis der SED unterstellt ist.

22/XI: Die Deutsche Frage wird im „Botschaftersalon" der KSZE behandelt (siehe unter „Europäische Sicherheitskonferenz“).

25-31/X: Besuch Außenminister Winze rs in Syrien (siehe unter „Syrien").

24/XI: Anerkennung durch Finnland (siehe unter „Finnland“). 26/XI: Polen schränkt Erleichterungen für Reiseverkehr drastisch ein (siehe unter „Polen“). Finnland 19/XI: Die Regierung faßt den grundsätzlichen Beschluß, die beiden deutschen Staaten anzuerkennen, ein Beschluß, der den Regierungen der BRD und der DDR am 24. November durch entsprechende Telegramme notifiziert wird.

Frankreich 2-6/X: Besuch des Parteivorsitzenden Giere k und Deklaration über Zusammenarbeit (siehe unter „Polen“).

20/X: Mit Großbritannien wird die Konvention 1 über den Terminplan des Baus des Armelkanaltunnels unterzeichnet: Baubeginn bis Februar 1975, Bauende bis 1980.

20-22, 22-24/XI: Staatspräsident Georges Pompi dou besucht Haute Volta und Togo. Bei dieser Gelegenheit gibt er bekannt, daß Frankreich auf die Rückzahlung von Schulden in Höhe von etwa 1 Mrd. Franc verzichte, die afrikanische Staaten vor dem Erreichen der Unabhängigkeit beim Fonds für wirtschaftliche und soziale Investitionen und Entwicklungen (FIDES) aufgenommen hätten. 25/X: Mit der BRD wird vereinbart, daß Frankreich nach 1975 für den Saarkohlebergbau keine Subventionen aus französischen Haushaltsmitteln mehr zur Verfügung stellen wird; die privilegierten Wirtschaftsbeziehungen zwischen dem Saarland und den benachbarten französischen Gebieten sollen aber beibehalten bleiben.

Großbritannien 3/X: The Times, Le Monde, Die Welt und La Stampa veröffentlichen ein Interview, das ihnen Premierminister Edward Heath unmittelbar vor seinem Besuch in Italien gewährt hatte (während des Besuches vom 2. bis 5. Oktober beriet er mit der italienischen Führung Fragen im Zusammenhang mit dem britischen EWG-Beitritt). In dem Interview beschuldigt er die Labour Party, der britischen wie der europäischen Sache großen Schaden zugefügt zu haben, weil sie ihre ursprüngliche Europapolitik nicht beibehalten und dadurch den britischen Beitritt zu den Gemeinschaften hinausgezögert habe; andernfalls hätte man den Beitritt sehr viel früher verwirklichen und der britischen Wirtschaft ein Jahr der Unsicherheit ersparen können. 2-6/X: In Blackpool findet die Jahreskonferenz der Labour Party statt. Sie verurteilt zunächst die Preis-und Einkommenspolitik der Regierung Heath und formuliert durch Parteiführer Herold Wilson neun Bedingungen, auf denen die Gewerkschaften bestehen sollten, ehe sie einer Zusammenarbeit mit der Regierung bei der Bekämpfung der Inflation zustimmten — Maßnahmen vor allem sozialisierender Art wie etwa Überweisung einbehaltener Gesellschaftsgewinne an einen nationalen Arbeiter-Kapitalfonds. Weiteres Thema ist Irland: In Nordirland soll der Zustand des Ausnahmerechts aufgehoben werden, so daß Inhaftierungen nicht mehr ohne Gerichtsurteil möglich sind; eine Entwaffnung der Zivilisten sei durchzuführen; eine Grundsatzerklärung solle sich unter der Voraussetzung, daß die Mehrheit der nordirischen Bevölkerung zustimme, für ein Vereinigtes Irland aussprechen. Mit 3, 4 gegen 1, 8 Mill. Stimmen nimmt die Parteikonferenz eine Erklärung an, wonach die Labour Party gegen die britische Mitgliedschaft bei den Europäischen Gemeinschaften zu den von der konservativen Regierung ausgehandelten Bedingungen ist; mit 3, 3 gegen 1, 9 Mill. Stimmen wird ferner eine künftige Labour-Regierung aufgerufen, eine Entscheidung über den Beitritt erst dann zu fällen, wenn neue Bedingungen ausgehandelt seien: Aufgabe der gemeinsamen Agrarpolitik und der Mehrwertsteuer, Autarkie der britischen Regierung hinsichtlich ihrer Wirtschaftspläne, der regionalen Entwicklung, des Ausbaus des öffentlichen Sektors, der Kontrolle von Kapitalbewegungen und der vollständigen Freiheit in der Gesetzgebung. Bis zu diesem Zeitpunkt seien alle Beitrittsmaßnahmen einschließlich der Zahlungen an die Gemeinschaften und der Beteiligung am Europäischen Parlament einzustellen. 24-27/X: Bundespräsident Gustav W. Hei ne -mann gibt im Verlauf eines Staatsbesuchs bekannt, daß die Bundesregierung sich mit der britischen Regierung auf die Gründung einer Britisch-Deutschen Stiftung für das Studium der Industriegesellschaft mit Sitz in London und britischem Vorsitzenden geeinigt habe; die Bundesrepublik werde zunächst für fünf Jahre 15 Mill. DM zur Verfügung stellen. 29/X-2/XI: Außenminister Alec Douglas -Home besucht die VR China, wo er Gespräche mit Außenminister Chi Peng -fei , Ministerpräsident Chou En -lai und Außenhan-delsminister Pai Hsi ang -kuo führt. Man stellt beiderseits fest, daß es zwischen beiden Staaten trotz der Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Gesellschaftssystemen keine wesentlichen Probleme gebe; die VR China gibt ihr Interesse an einer erfolgreichen Erweiterten Europäischen Gemeinschaft zu verstehen und warnt indirekt vor der sowjetischen Europa-und Entspannungspolitik, die CHI-Peng -fei als trügerisch und für die VR China höchst gefährlich bezeichnet. Douglas -Home hofft auf zunehmend gute Beziehungen auch zwischen China und den Gemeinschaften. Nach seiner Rückkehr gibt er bekannt, die Hongkong-Frage habe keine Rolle gespielt: Man sei sich einig, die Dinge vorerst unverändert zu lassen.

6/XI: Die Regierung H erläßt nach dem eath Scheitern von Verhandlungen der Sozialpartner untereinander ein zunächst auf 90 Tage befristetes Gebot, die Erhöhung von Löhnen und Preisen, Mieten und Dividenden zu stoppen. Italien 24-29/X: Ministerpräsident Giulio Andreott i vereinbart bei einem offiziellen Besuch in Moskau u. a. regelmäßige Konsultationen und die Einrichtung ständiger Handelskammer-Büros; er unterzeichnet ferner ein Abkommen über Fragen der Handelsmarine und der Zusammenarbeit beider Seiten auf diesem Gebiet. Beide Seiten stellen fest, daß sich neben einer ausgezeichneten Entwicklung der bilateralen Beziehungen in letzter Zeit in ganz Europa Tendenzen der Entspannung und der friedlichen Fortentwicklung verzeichnen ließen: das Mißtrauen nehme ab, das Vertrauen zueinander wachse. Andreo tti betont in diesem Zusammenhang, daß die Erweiterten Gemeinschaften die Aufgabe hätten, sich gerade auch um zunehmende Zusammenarbeit und Förderung des Vertrauens über die politischen Grenzen hinweg zu bemühen.

10/XI: Handelsabkommen mit Albanien (siehe unter „Albanien").

Jugoslawien X-XII: Auseinandersetzung mit Österreich wegen der Kärntner Ortstafelfrage (siehe unter „Österreich").

X—XII: Nachdem es im Herbst/Winter 1971/72 zu schweren Auseinandersetzungen zwischen der Belgrader Zentralregierung und Kroatien gekommen war — wobei man den Kroaten „Nationalismus" vorwarf, der sich insbesondere darin äußerte, daß dieses neben Slowenien meistentwickelte Land sich bemühte, möglichst viel von seinem wirtschaftlichen Gewinn wieder im eigenen Gebiet zu investieren —, kam es im 4. Quartal 1972 zu ähnlichen Auseinandersetzungen mit Serbien wegen „Liberalismus". Und so wie die Auseinandersetzungen mit Kroatien zugunsten der Zentrale mit einer weitgehenden Auswechselung der kroatischen Führung in Partei und Staat endeten, so auch diesmal im Falle Serbien. Während aber der Fall Kroatien vor allem Probleme des inneren Gefüges Jugoslawiens aufdeckte (Spannungen zwischen den unterschiedlich entwickelten Ländern und den unterschiedlichen Traditionen), läßt sich im Fall Serbien insbesondere erkennen, wo nach Titos Meinung die Grenzen der Freiheit liegen, die aus ideologischen (und möglicherweise staatspolitischen) Erwägungen nach innen wie außen der Entwicklung zu setzen sind.

Wie Tito die Gesamtlage seines Staates sieht, legte er in einem Schreiben namens des Exekutivkomitees seiner Partei an alle Parteiorganisationen detailliert dar. Der Inhalt dieses erst im Oktober veröffentlichten Schreibens sei nachstehend wiedergegeben, da es nach Umfang und Inhalt fast den Charakter eines politischen Testaments des 80jährigen Marschalls hat, darüber hinaus aber auch in ungewöhnlich präziser Form Mängel und Möglichkeiten des jugoslawischen Modells erkennen läßt. Im l. Teil des Schreibens werden als Ursachen der Lage Inkonsequenz, Unentschlossenheit, mangelnde Wirksamkeit und schleppende Verwirklichung der Politik kritisiert, die die Arbeit der Partei gekennzeichnet hätten; als Gründe werden aufgezählt: Auffassungen, die der Arbeiterklasse und der Selbstverwaltung widersprechen, der Einfluß der bürokratischen Mentalität, des Kleinbesit-zertums sowie der kleinbürgerlichen Psychologie, ferner Opportunismus.

Im 2. Teil werden einzelne Maßnahmen zur Sicherung der Parteiherrschaft erörtert: Die Partei müsse ihre Beschlüsse klarer abfassen und ideologisch absichern, um unterschiedlichen Interpretationen vorzubeugen und scharfe Trennungslinien gegenüber anderen Anschauungen und Interessen ziehen zu können; alle Organe und Parteimitglieder müßten ihre Arbeit unter ständiger Kontrolle durchführen; durch Ausscheidung all jener Elemente, die ihr eigenes Interesse oder Gruppeninteresse vor jenes der Arbeiterklasse stellten, solle die Partei einheitlicher, aktionsfähiger und für junge Menschen anziehender werden; das Prinzip des demokratischen Zentralismus werde immer noch durch Zaudern, Inkonsequenz und Abweichungen verwässert.

Zur Stabilisierung der Wirtschaft werden 3. die Kommunisten aufgerufen, besonders dafür zu sorgen, daß die Investitionen und der Verbrauch im Rahmen der verfügbaren Mittel blieben und verlustbringende Unternehmen saniert würden; es müßten alle verfügbaren Kräfte mobilisiert, Disziplinlosigkeit und Verschwendung bekämpft werden. Die Prinzipien der Wirtschafts-und Gesellschaftsreformen und der Marktwirtschaft sowie der Aufbau eines Systems der bewußten, planmäßigen Ausrichtung aller wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen seien zu bestätigen, ebenso ein stärkerer sozialer Ausgleich; eine Schichtung der Gesellschaft in Arme und Reiche müsse man energisch verhindern. Schließlich werden 4. Disziplinierungsmaßnahmen im Bereich der Informationsmedien angekündigt; jede destruktive Information solle unmöglich gemacht werden; alle Personen, die den Kurs der Partei nicht akzeptieren, würden aus leitenden Stellen entfernt; jede Berichterstattung, die im Gegensatz zur Parteipolitik stehe, sei auszuschließen, und jede fraktionistische Tätigkeit in der Presse müsse unmöglich gemacht werden. Im Sinne dieser Grundsätze kündigte Tito in einem am 7. Oktober veröffentlichten Interview Säuberungen und ein intensiveres Vorgehen gegen den Klassenfeind an: der BdKJ müsse umorganisiert werden; die Partei sei zu säubern; es müsse ihr die Demokratisierungseuphorie ausgetrieben werden, die nach dem VI. Parteikongreß um sich gegriffen habe; wer sich illegal bereichert habe, sei zur Rechenschaft zu ziehen; es müsse alles getan werden, den monolithischen Bestand Jugoslawiens sicherzustellen.

Während eines Parteitages des BdK Serbiens vom 9. bis 12. Oktober warf Tito insbesondere der serbischen Partei vor, sich im Sinne'

seiner Erwägungen als zu liberal erwiesen zu haben; er forderte sie zu kaderpolitischen Konsequenzen auf. Die Folge: Noch im Oktober 1972 wurden die wichtigsten Partei-und Regierungsführer Serbiens abgesetzt bzw.

traten zurück; ebenso wurde in den Stadtorganisationen Belgrads und bei den wichtigsten Parteizeitungen und Massenmedien verfahren; führende Persönlichkeiten in Mazedonien und Slowenien sowie selbst in der Bundesregierung folgten — teils freiwillig angesichts der neuen Lage, teils aus Protest, teils gezwungen. Zu den bekanntesten Persönlichkeiten, die ihre Ämter verloren bzw. aufgaben, gehören Ex-Außenminister Nikez ic , Parteichef Serbiens, Aleksandar Nenadov ic , Chefredakteur von „Politika", der Parteichef Mazedoniens, Dr. MILOSAVLEVSKI, der slowenische Ministerpräsident Stane Kavcic , Außenminister Tepavac und schließlich einer der ältesten und bisher engsten Mitarbeiter Titos, Koca Popovic .

Um Titos Kritik in eine „bessere Wirklichkeit" zu verwandeln, tagte das Präsidium des ZK des BdKJ am 30. Oktober auf Brioni und beschloß unter Vorsitz Titos ein 14-Punkte-Programm. An dessen Verwirklichung wird seither in Jugoslawien gearbeitet.

8/XI: Die UdSSR gewährt einen Investitionshilfekredit in Höhe von 540 Mill. Rubel zum Bau bzw. Wiederaufbau von 49 Unternehmen der Kohlen-, Ol-, Eisen-und Stahl-sowie der Nichteisenindustrie, der Zementindustrie, des Schiffsbaus, der Landwirtschaft und des Transportwesens.

Luxemburg 27-28/X: Besuch CEAUSESCUS (siehe unter „Rumänien"). 15-16/XI: Besuch OLSZOWSKIS (siehe unter „Polen").

Niederlande 29/XI: Vorgezogene Wahlen für die 2. Kammer, die wegen des Ausscheidens der Demokratischen Sozialisten aus der Regierungskoalition nötig wurden, sahen 21 Parteien im Wettbewerb, von denen 14 das 150 Sitze umfassende neue Parlament bilden. Die noch in der Regierung verbliebenen vier Parteien erhielten 70 Mandate (Katholische Volkspartei 27 statt 35, Calvinistische Antirevolutionäre Partei 14 statt 13, Christlich-historische Union 7 statt 10, Liberale 22 statt 16); die Hauptoppositionspartei, die Sozialisten, 43 statt 39; die aus der Regierung ausgeschiedenen Demokratischen Sozialisten 6 statt 8.

Norwegen

17/X: Ein Minderheitskabinett aus den bürgerlichen Parteien Christliche Volkspartei, Zentrum und Liberale unter dem Führer der Christlichen Volkspartei, Lars KOvALD, wird vereidigt und löst damit das Kabinett Trygve Bratteli s ab, der nach seiner Abstimmungsniederlage über den Beitritt Norwegens zu den Europäischen Gemeinschaften zurückgetreten war.

Österreich

25/X: Der Nationalrat billigt einstimmig die Freihandelsabkommen mit EWG und EGKS. 21/XII: Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur DDR mit Vereinbarung späterer Behandlung offener Fragen, u. a. über Staatsbürgerschaft und vermögensrechtliche Komplexe. X-XII: Mit Jugoslawien kommt es zu Auseinandersetzungen folgenden Inhalts und Hintergrunds: Am 6. Juli verabschiedete der österreichische Nationalrat ein Gesetz über die Errichtung zweisprachiger Ortstafeln in Gebieten mit slowenischer Minderheit in Kärnten. Damit wurde § 3 des Art. 7 im Staatsvertrag mit Österreich von 1955 erfüllt, in dem es heißt: „In den Verwaltungsund Gerichtsbezirken Kärntens, des Burgenlandes und der Steiermark mit slowenischer, kroatischer oder gemischter Bevölkerung wird die slowenische oder kroatische Sprache zusätzlich zum Deutschen als Amtssprache zugelassen. In solchen Bezirken werden die Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur sowohl in slowenischer oder kroatischer Sprache wie in Deutsch verfaßt." FPO und OVP lehnten das Gesetz vom Juli ab, da es völlig unzureichend sei: Weder habe man Experten und Vertreter der betroffenen Ortschaften gehört, noch gebe es für die vorgesehenen 205 (der insgesamt 2 871) Ortschaften in Kärnten wirkliche autochthone slowenische Namen.

In der Folge kam es in Kärnten zu einer Reihe von Zwischenfällen: „National" -Kärntner entfernten alle angebrachten zweisprachigen Ortstafeln wieder und setzten sich in Demonstrationen für „Kärnten frei und ungeteilt" und für „Nie mehr zweisprachige Tafeln" ein, während slowenische Gegendemonstrationen unter Parolen wie „Es lebe Slowenisch-Kärnten" und „Freiheit den Kärntner Slowenen" stattfanden.

Bundeskanzler Bruno Kreisk y verurteilte solche Zwischenfälle am 10. Oktober vor der Presse und erklärte, seine Regierung werde ihren Verpflichtungen aus dem Staatsvertrag voll nachkommen. Jugoslawiens Botschafter Mitja Vosnj ak brachte am gleichen Tag bei Außenminister Rudolf Kirch sch läger die Besorgnisse seiner Regierung wegen dieser Zwischenfälle zum Ausdruck. Das geforderte Verbot der Kärntner Heimatfront wies Kirch -

schlä ger in einer Rundfunkansprache am 9. November zurück.

Am 10. November beklagte Jugoslawiens Präsident Tito , daß die sehr guten Beziehungen zu Österreich jetzt von Aktionen faschistischer Elemente in Österreich belastet würden: Aber man könne nicht zulassen, daß unter jenen Faschisten, unter denen das jugoslawische Volk so gelitten habe, jetzt auch die slowenische Minderheit leiden müsse.

Am 18. Dezember erklärte der jugoslawische Verteidigungsminister Nikola LJUBICIC: Die Volksarmee des Landes sei kampfbereit wie nie zuvor, Jugoslawien spiele wegen seiner geographisch-strategischen Lage im Mittelmeerraum eine bedeutende Rolle, das dürfe man angesichts der Kampagne gegen die jugoslawische Minderheit in Österreich mit in Rethnung stellen. Am 19. Dezember erklärte Bundeskanzler Kreisk y sein Befremden, daß im Rahmen der durchaus verständlichen Stellungnahmen Jugoslawiens zur Kärntner Frage ausgerechnet zum Zeitpunkt der Vorbereitung der Sicherheitskonferenz (KSZE) ein Kriegsminister mit dem Säbel rassle und einen direkten Zusammenhang zwischen der militärischen Stärke seines Landes und dem Ortstafelstreit in Kärnten herstelle. Noch am gleichen Tag berief er die Kommission zur Ausarbeitung eines neuen Ortstafelgesetzes, der Experten aller Schichten und Professionen aus dem fraglichen Gebiet angehören, ein.

Polen 2-6/X: Der Erste Sekretär der PVAP, Edward Gier ek , stattet seinen ersten Besuch im westlichen Ausland nach seiner Amtsübernahme Frankreich ab. Das Besuchsprotokoll entspricht dem, das normalerweise Staatsoberhäuptern zusteht — was westliche Kommentatoren dazu veranlaßt, hierin eine Art Rehabilitierung dafür zu sehen, daß der Bergmann Gie rek vor dem Zweiten Weltkrieg wegen kommunistischer Umtriebe aus Frankreich ausgewiesen worden war. Präsident Georges Pompi dou und Gierek feiern in Reden die traditionell guten Beziehungen zwischen beiden Völkern und Ländern. In einer „Deklaration über Freundschaft und Zusammenarbeit" formulieren sie Grundsätze der friedlichen Koexistenz, vereinbaren regelmäßige Konsultationen, betonen die Bedeutung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, räumen der kulturellen Zusammenarbeit einen besonderen Platz ein und wollen die wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit weiter ausbauen.

13/X: Der bisherige Botschafter der BRD in Paris, Hans Hellmuth Ruete , erhält das Agrement als erster Botschafter der BRD in der VR Polen.

19/X: Der Sejm verabschiedet einstimmig ein Wohnungsbauprogramm bis 1990. Die Intensivierung des Wohnungsbaus wird als erstrangige Aufgabe der gesamten staatlichen Investitionstätigkeit bezeichnet. Bis 1975 sind mindestens 4, 5 Mill, und bis 1980 wenigstens 6, 6 Mill. Wohnungseinheiten zu erstellen. Der Bau von Einfamilienhäusern als Eigenheime sei zu intensivieren. Alle Wohnungen seien besser auszustatten als bisher.

31/X: Ministerpräsident Piotr Jarosze wic z unterrichtet die Bevölkerung, daß der im Januar 1971 (nach dem Sturz Gomulkas ) verhängte Preisstopp für Grundnahrungsmittel auch über den zunächst vorgesehenen Termin Januar 1973 hinaus verlängert werde, da der Wirtschaftsaufschwung auf allen Gebieten der Regierung außerhalb des Bereichs der Grundnahrungsmittel Raum für eine elastische Preispolitik biete, was die Fortsetzung des Preisstopps ermögliche.

13-14, 15-16/XI: Außenminister Stefan Ol -

SZoWsKI besucht Belgien und Luxemburg. In Belgien unterzeichnet er mit Außenminister Pierre Harmel eine „Erklärung über Freundschaft und Zusammenarbeit". In beiden Ländern setzt er sich für eine Intensivierung der bilateralen Beziehungen auf allen Gebieten ein und dafür, daß auf der bevorstehenden KSZE die Einsetzung eines Ständigen Ost-West-Komitees für Sicherheitsfragen beschlossen werden solle.

16/XI: Abkommen mit der BRD über die Zahlung von 100 Mill. DM an Polen als Pauschale zur Entschädigung solcher polnischer Staatsbürger, die in den KZs des Dritten Reiches Opfer pseudo-medizinischer Versuche wurden. 26/XI: Nachdem Polen und die DDR zu Beginn 1972 die Grenzen geöffnet hatten, besuchten bis zum 30. September statt der erwarteten 500 000 Besucher aus der DDR insgesamt 5, 8 Mill. Polen; umgekehrt waren es sogar 7, 3 Mill. Polen, die die DDR besuchten.

Die Mehrzahl der Besucher entpuppte sich jedoch in beiden Ländern als Einkaufsbesucher, die jene Dinge aufkauften, die der Markt des Herkunftslandes nicht ausreichend anbot. Das Ergebnis: auf beiden Seiten geriet die Markt-versorgung für die Bevölkerung teilweise in katastrophenähnliche Zustände. Auch das Verkehrs-und Hotelgewerbe beider Seiten war dem Ansturm in keiner Weise gewachsen. So entschloß sich Polen, am 26. November durch entsprechende Erlasse die Befreiungen für den Verkehr zwischen beiden Ländern so drastisch wieder abzubauen, daß per 1. Januar 1973 praktisch der Zustand vor den Freigaben wieder hergestellt sein wird und die Gefahren für die beiden Volkswirtschaften zunächst abgewandt sind.

Portugal 23 X: Der UN-Sicherheitsrat verurteilt militärische Aktionen gegen Senegal.

23/XII: Die portugiesische Regierung veröffentlicht im Mai beschlossene Gesetze, die mit Wirkung vom 1. Januar 1973 den Überseeprovinzen Angola, Mopambique, Cap Verde, Timor, Portugiesisch-Guinea, den Inseln Sao Tome und Principe sowie Macao größere innere Autonomie zugestehen und die Wahl von Regionalparlamenten bis zum 31. März 1973 vorsehen. Allerdings soll nur in Angola mehr als die Hälfte der Abgeordneten direkt gewählt werden; die anderen Abgeordneten sind von wirtschaftlichen, kulturellen und Gewerkschaftsorganisationen zu ernennen. Den Parlamenten wird die Vollmacht übertragen, den Haushalt zu beschließen, für ihren Geltungsbereich Gesetze zu erlassen und Steuern zu erheben. Angola und Mopambique erhalten das Recht, sich als Staat zu bezeichnen; ihnen wird auch als eine Art Kabinett ein Regierungsrat zugestanden, der unter dem von Portugal ernannten Generalgouverneur die Spitze der autonomen Verwaltung bildet. Rumänien 24-26, 27-28/X: Staatspräsident Nicolae Ceause scu stattet Belgien und Luxemburg Staatsbesuche ab. In beiden Ländern unterzeichnet er — für beide Länder ungewöhnlich — eine „Gemeinsame Erklärung über die Grundlagen der Zusammenarbeit". Diese Erklärungen betonen in aller Deutlichkeit Rumäniens Standpunkt über die Rechte auch eines Bündnis-Mitgliedes, seine Außenpolitik nach den vorwiegenden Grundsätzen seiner eigenen Interessenlage zu führen und nicht primär im Interesse des Bündnisses. Neben der Verpflichtung zu friedlicher Beilegung von Streitigkeiten wird auch jede Art der Pression als verboten betont.

28/XII: Die Große Nationalversammlung verabschiedet nach mehreren Jahren geheimer Vorarbeiten ein „Gesetz für die Organisation der Landesverteidigung", das eine vollständige Wehrverfassung darstellt. Art. 1 enthält ein formelles Kapitulationsverbot: „Es ist verboten, jedweiche Handlung eines fremden Staates oder gleich welche Situation, unabhängig von ihrer Art, einschließlich der allgemeinen Kapitulation oder der Besetzung des Landesterritoriums zu billigen oder anzuerkennen, wenn diese in Zeiten des Friedens oder des Krieges die nationale Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität der Sozialistischen Republik Rumänien antasten oder ihre Verteidigungsfähigkeit in irgendeiner Weise beeinträchtigen. Jeder Akt der Billigung oder Anerkennung dieser Art ist nichtig, da er im Gegensatz zur Staatsordnung und zu den höchsten Interessen unserer sozialistischen Nation steht." Das Gesetz tritt am 31. März 1973 in Kraft und verpflichtet sämtliche Behörden und Institute, die in den entsprechenden Abschnitten des Gesetzes vorgesehenen Vorbereitungsarbeiten auf den Wehrfall ab 1. April 1973 aufzunehmen.

Schweden 1-5/X: Der 25. Kongreß der Sozialdemokratischen Partei billigt nach lebhaften Debatten die Absicht der Regierung, durch ein in Kürze vorzulegendes Gesetz die Möglichkeit zu schaffen, daß in die Verwaltungsräte von rund 30 der größten privaten Investitionsgesellschaften und multinationalen Unternehmen Staatsvertreter entsandt werden können; zwar falle ihre Stimme nicht ins Gewicht, doch habe schon allein ihre Anwesenheit bei der Entscheidungsfällung Bedeutung, da ja auf diesem Wege die Regierung bereits an der Quelle über Investitionsvorhaben unterrichtet und so instand gesetzt werde, durch entsprechende Maßnahmen geplante Investitionen besonders bevölkerungsarmen Gebieten zugute kommen zu lassen. Weitere lebhafte Debatten wurden durch Anträge ausgelöst, das Bankwesen zu sozialisieren: diesen Anträgen tritt die Regierung insbesondere mit dem Argument entgegen, daß eine solche Sozialisierung etwa 6 % des derzeitigen Staatshaushaltes kosten werde und daß diese rund 4 Mrd. Kronen an anderer Stelle viel sinnvoller einzusetzen seien. Der Parteitag folgt in der Mehrheit der Argumentation der Regierung und weist die entsprechenden Anträge zurück. Zum Abschluß wählt der Kongreß die Parteiführung mit Olof Palme , dem Ministerpräsidenten, als Parteivorsitzenden an der Spitze.

21/XII: Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der DDR und Vereinbarung über spätere Verhandlung noch offener Fragen.

Schweiz 25/IX: Der Nationalrat billigt den Bundesbeschluß über die Freihandelsabkommen der Schweiz mit den EG sowie einen Antrag, den Beschluß einer Volksabstimmung zu unterwerfen; hiergegen wird insbesondere argumentiert: die Unterstellung dieses Abkommens unter eine Volksabstimmung könne sich nicht auf irgendeinen Verfassungsartikel berufen und durchbreche gefährlich die Kompetenzordnung. Die Abkommen selbst werden durchgehend gewürdigt.

27/IX: Der Ständerat stimmt den Abkommen ebenfalls zu, lehnt aber eine Volksabstimmung ab.

3/X: Nachdem der Nationalrat einige Differenzen mit dem Ständerat zu dessen Gunsten beseitigt hat, aber auf der Volksabstimmung besteht, stimmt der Ständerat am selben Tag zur endgültigen Bereinigung aller anstehenden Fragen ebenfalls der Volksabstimmung zu.

3/XII: Die Volksabstimmung billigt bei einer Wahlbeteiligung von 51, 2% mit 1 345 057 gegen 509 350 Stimmen die Freihandelsabkommen mit EWG und EGKS; alle Kantone (die Stände) stimmten zu.

20/XII: Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der DDR bei Vereinbarung der späteren Behandlung offener Fragen.

Sowjetunion 19/IX-19/XII: Die XXVII. Session der UN-Vollversammlung behandelt u. a. sowjetische Vorschläge zur Zensur von Fernsehsendungen über Satelliten und zur Förderung des Weltfriedens (siehe unter „Vereinte Nationen"). 3/X: Abkommen über Begrenzung der ABM-Systeme und strategischer Offensivwaffen mit USA in Kraft (siehe unter „Vereinigte Staaten").

8-10/X: Der Staatssekretär im Bundeskanzleramt der BRD, B , sich zu Egon ahr hält ersten politischen Konsultationen nach Abschluß des deutsch-sowjetischen Vertrages in Moskau auf. In Gesprächen mit Außenminister Gromyko wird die Bedeutung des Vertrages gewürdigt, die Frage der gemeinsamen Errichtung eines Eisen-und Stahlkombinats sowie der Erweiterung von Handelsverbindungen im Hinblick auf die Produktion von Verbrauchsgütern erwogen, das beiderseitige Interesse an der Förderung einer Zusammenarbeit interessierter Organisationen und Firmen aller Größenordnungen und eine grundsätzliche Vereinbarung über den Austausch von Militärattaches ausgesprochen. Die UdSSR stimmt zu, daß die BRD in Moskau ein wirtschaftliches Informationsbüro zur Erleichterung von Kontakten deutscher Unternehmen zur sowjetischen Wirtschaft einrichtet, daß eine deutsche Bank in Moskau eine Ständige Vertretung eröffnet und daß kleinere und mittlere Betriebe, vor allem aus dem Konsumgüterbereich, in den Wirtschaftsaustausch einbezogen werden, wobei die UdSSR von einer Größenordnung 160— 200 Mill. DM pro Jahr ausgeht, während sie bisher im Jahresdurchschnitt für rund 5 Mill. DM importierte. Bahr wird von Breshne w zu einem Gespräch empfangen, während dem er sich auch über Fragen im Zusammenhang der Verhandlungen BRD-DDR äußert.

14-18/X: In Washington werden nach den vorbereitenden Verhandlungen des US-Präsidenten Nixon und seines Sicherheitsberaters Kiss inger in Moskau ein Handelsmarine-Abkommen, ein Abkommen zur Regelung der Pacht-Leih-Frage und ein Handelsabkommen unterzeichnet.

a) Das Handelsmarine-Abkommen sieht neben der Öffnung von Häfen für die jeweiligen Handelsflotten vor allem vor, daß beiden Flotten gleiche Anteile (mindestens je 1/3)

des gesamten Warenumschlags zwischen beiden Ländern vorbehalten bleiben, und daß die UdSSR durch entsprechende Zahlungen an die USA es deren Flotte ermöglicht, zu gleichen Bedingungen am Transport amerikanischen Weizens in die UdSSR teilzunehmen, wie es den sowjetischen Flaggen möglich ist.

Das Abkommen gilt zunächst bis Ende 1975.

b) Das Abkommen zur Regelung der amerikanischen Forderungen aus Pacht-und Leih-

Lieferungen an die UdSSR während des Zweiten Weltkrieges sieht sowjetische Zahlungen von 722 Mill. US-Dollar netto vor (nachdem die UdSSR für nicht umstrittene Güter früher bereits 119 Mill. Dollar gezahlt hatte, insgesamt also 921 Mill. Dollar). Die USA hatten für Lieferungen im Wert von rund 11 Mrd.

Dollar zunächst 2, 2 Mrd., schließlich nur mehr ca. 800 Mill, gefordert, die UdSSR hatte lediglich 240 Mill, zahlen wollen; an dieser Diskrepanz waren die Verhandlungen seit 1951 gescheitert. Das Interesse der UdSSR an einer Bereinigung rührt daher, daß sonst der US-Kongreß nicht bereit ist, der UdSSR die Meistbegünstigungsklausel und das Recht zur Teilnahme am Finanzierungssystem der US-Eximbank einzuräumen.

c) Das Handelsabkommen schließlich sieht für die Zeit 1973/75 eine Steigerung des Handelsvolumens auf insgesamt 1, 5 Mrd. Dollar vor; man will sich gegenseitig die Meistbegünstigung einräumen, einander Handelskredite gewähren, gegenseitig Handelsbüros in Moskau bzw. in Washington einrichten. Die Sowjetunion sagt zu, amerikanischen Firmen Büros in Moskau zu akkreditieren und in Moskau ein großes Handelszentrum mit Büros, Hotels und Wohnräumen einzurichten. Schließlich stimmt die UdSSR in dem Abkommen einem Schiedsgerichtsverfahren für Vertragsstreitigkeiten in Anlehnung an das Verfahren der ECE zu, geht also von ihrem bisherigen Standpunkt ab, daß in Streitfragen ausschließlich sowjetisches Recht und sowjetische Gerichte zuständig seien.

16-18/X: Sidky in Moskau (siehe unter „Ägypten").

10-21/X: Schah Pahle wi in Moskau (siehe unter „Iran").

24-29/X: Besuch Andreottis (siehe unter „Italien").

4/XI: Landwirtschaftsminister Wladimir W. Matskewi tsch gibt auf einer Pressekonferenz zu verstehen, daß wegen langanhaltender Dürre die Getreideernte statt der geplanten 190 Mill, t nur 160 Mill, t ergebe; die wirtschaftlichen Gesamtschäden betragen damit rund 20 Mrd. Rubel. Bereits am 9. Oktober hatte die Prawda in einem Leitartikel zur Lage der Agrarwirtschaft festgestellt, es sei nötig, mit höchster Intensität noch nicht abgeschlossene Erntevorgänge angesichts der fortgeschrittenen Jahreszeit zu Ende zu bringen; durch den harten und schneelosen Winter sei bereits ein Teil des Getreides vernichtet worden. Nachdem man zur Ersetzung dieser Verluste im Frühjahr die Anbauflächen wiederhergestellt und vergrößert habe, seien im Sommer durch noch nie dagewesene Dürren in großen Gebieten der UdSSR neue Probleme entstanden. (Nach westlichen Angaben wurden im Herbst aufgrund direkter Anweisungen Breshnew s über 12 000 Mähdrescher und 5 000 Mähmaschinen zusätzlich nach Sibirien und Kasachstan geliefert und durch rund 11 000 Mähdrescher, 10 000 Mähmaschinen, 16 000 Combine-Fahrer und 23 000 Agrartechniker aus dem europäischen Teil der UdSSR ergänzt). Wohl auch in diesem Zusammenhang sind die sich häufenden Berichte in sowjetischen Zeitungen zu betrachten, die über Pläne für den Bau neuer, ausgedehnter Bewässerungssysteme berichten: so soll zwischen Irtysch und Aralsee eine „Blaue Magistrale" durch Kasachstan geschaffen werden, die rund 300 Flüsse und Bäche kreuzen und deren Wasser vor allem zur Irrigation der Steppen dienen soll; ferner soll ein Kanal-und Irrigationssystem zwischen Wolga und Ural rund 200 000 qkm trockenen Landes nördlich des Kaspi-Sees in den Gebieten Wolgograd, Saratow, Ural und Gurjew für den Anbau von Getreide erschließen.

8/XI: 500 Mill. -Rubel-Kredit an Jugoslawien (siehe unter „Jugoslawien“).

6-9/XII: Besuch des chilenischen Präsidenten Allende (siehe unter „Chile").

Vatikan 4/X: Besuch von Premierminister Heath (siehe unter „Großbritannien")

22/XI: Teilnahme an der KSZE; damit nimmt der Vatikan erstmals seit 1815 wieder an einer internationalen Konferenz über politische Streitfragen teil (siehe unter „Europäische Sicherheitskonferenz").

Zypern 19/XII: Assoziierungsabkommen mit den EG (siehe unter „Europäische Gemeinschaften").

Naher und mittlerer Osten

Abbildung 4

In diesem Kapitel werden neben den Ländern der Region gegebenenfalls auch solche überregionale Ereignisse behandelt, die mit dem Nahost-Kontlikt unmittelbar in Zusammenhang stehen, bzw. Organisationen, die wie die Arabische Liga eher dem arabischen als dem afrikanischen Raum zuzuordnen sind. (Die nordafrikanischen Länder Ägypten, Libyen und die Länder des westlichen Maghreb werden jedoch unter „Afrika“ behandelt.) Nachstehend Berichte über den Irak, den Iran, Israel, den Persischen Golf, Syrien und die Türkei.

Irak 9/X: In Moskau wird bekanntgegeben, daß die irakische Regierung formell um Zuerteilung des Beobachterstatus bei der Wirtschaftsgemeinschaft RGW(COMECON) nach-gesucht habe.

Iran 10-21/X: Schah Mohammed Reza Pahlew i besucht die UdSSR. Beide Seiten unterzeichnen zwei Verträge: 1. Einen Vertrag über die Entwicklung der wirtschaftlichen und technischen Zusammenarbeit während der nächsten 15 Jahre; 2. ein Kultur-Austauschprogramm für 1972 bis 1976. Beide Seiten stellen fest, daß ihre gegenseitigen Beziehungen für den Partner von jeweils besonders großer Wichtigkeit seien, daß insbesondere die UdSSR dem Iran beim Aufbau seiner Wirtschaft (Metallurgie, Energiewesen, Verkehrswesen) bedeutsame Hilfen als Partner leisten könne, und daß man in vielen wichtigen internationalen Fragen ähnliche Ansichten hege.

Israel 11, 31/XII: Im Zusammenhang mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zahlreicher Länder zur DDR formuliert Israel Wiedergutmachungsansprüche an die DDR (siehe unter „Deutsche Demokratische Republik“).

Persischer Golf 5/X: In New York unterschreibt für die Golfstaaten Abu Dhabi, Qatar, Kuweit, Irak und Saudiarabien der saudiarabische Erdöl-minister Scheich Ahmed Zaki YAMANI ein Rahmenabkommen mit westlichen Erdölgesellschaften, das eine schrittweise Beteiligung dieser Erdölstaaten bis zu insgesamt 51 % an den Konzessionen der Erdölgesellschaften vorsieht. Jeder einzelne der Staaten hat im Rahmen dieses Vertrages seine eigenen Abkommen mit den Konzessionären auszuhandeln, wobei Entschädigungen durchaus nicht ausgeschlossen sind. Mit diesem Abkommen wollen die Erdölgesellschaften Tendenzen begegnen, eventuell die Konzessionen zu verstaatlichen. Am 27. Oktober erklärte sich auch die OPEC, der neben den 5 Golfstaaten noch Algerien, Tunesien, Iran, Libyen, Venezuela und Nigeria angehören, mit den Golfstaaten solidarisch.

Syrien 25-31/X: DDR-Außenminister Otto Winzer verhandelt mit der syrischen Führung vor allem über die bilateralen Beziehungen, aber auch über Möglichkeiten, die arabische Seite im Nahostkrieg gegen „die imperialistisch-zionistische Aggression gegen das arabische Volk und die Besetzung der Territorien drei-er arabischer Länder, die Mitglieder der Vereinten Nationen sind, durch Israel" zu unterstützen. Im Rahmen seines Besuches kommt es auch zu Gesprächen mit den Außenministern Ägyptens und Libyens, die sich ebenfalls in Syrien aufhalten.

Türkei 2— 3/X: Besuch von AA-Staatssekretär Frank (siehe unter „Bundesrepublik Deutschland“).

Amerika

Abbildung 5

Auch in diesem Kapitel werden die Länder in alphabetischer Reihenfolge behandelt; die Notizen zu den einzelnen Ländern sind chronologisch geordnet. Zunächst Berichte über die lateinamerikanischen Länder in alphabetischer Reihenfolge: Argentinien, Bolivien, Chile, Kuba, Mexiko, Nikaragua und Panama, und dann über Ereignisse in Kanada und in den Vereinigten Staaten.

LATEINAMERIKA Argentinien 17/XI-14/XII: Expräsident Juan Domingo P versucht bei seinem ersten Auftreten in eron Argentinien nach seiner Exilierung im Oktober 1955 vergeblich, die Voraussetzungen für eine neuerliche Kandidatur zu schaffen oder aber einem Kandidaten seiner Partei den Weg zur Präsidentschaft vorzubereiten. Nachdem das argentinische Bundesgericht am 7. April 1972 die Anklage wegen Verrats gegen Peron aufgehoben hatte, hatte Peron am 15. August ankündigen lassen, er werde bei Erfüllung bestimmter Minimalgarantien für die Handlungsfreiheit seiner politischen Bewegung in Kürze nach Argentinien zurückkehren. Zwar antwortete der argentinische Präsident General Alejandro Agustin L anusse hierauf, Peron müsse sich schon sehr gute Argumente einfallen lassen, wenn er bei seiner Rückkehr die 17 Jahre des Schwindels und der Hetzpolitik aus dem Ausland gegen sein Vaterland vergessen machen wolle; der Rückkehr stehe aber prinzipiell nichts im Wege. Am 4. Oktober überreichte der Beauftragte Perons in Argentinien, Hector CAMPO-ra , der argentinischen Regierung ein zehn Punkte umfassendes Programm einer zukünftigen Regierung, das im wesentlichen die Auf-kündigung aller die nationale Souveränität beeinträchtigenden Verträge und nach innen die Einführung einer Herrschaftsform sozialistisch-demokratischen Charakters bei Beteiligung des hohen Militärs vorsah. Lanuss e ließ hierzu am 12. Oktober erklären, daß sich seine Regierung auf der Grundlage dieses Programms durchaus zu Verhandlungen bereit finde, da es in wesentlichen Zügen auch den Vorstellungen der Regierung entspreche, die eine Lösung der anstehenden Probleme nur in einer Zusammenarbeit aller Gruppierungen für möglich halte. Nach dem Eintreffen Perons in Argentinien am 17. November wurde ihm zwar von seinen Anhängern ein begeisterter Empfang bereitet, eine Art nationale Erhebung zugunsten Perons blieb aber aus. Es gelang Pe -ron nicht einmal, in den anschließenden politischen Verhandlungen die verschiedenen Fraktionen seiner Anhängerschaft auf eine einheitliche Linie festzulegen oder mit anderen politischen Gruppierungen tragfähige Koalitionsvereinbarungen zu treffen.

Am 25. November erklärte Peron auf einer Pressekonferenz, da er mit 77 Jahren nicht mehr der Jüngste sei, wolle er auf eine Kandidatur verzichten, wenn das den Interessen des Vaterlandes dienlicher sei. Er sei 1955 nicht von Kräften seines Volkes gestürzt worden, sondern durch Machenschaften der USA, die nach wie vor das Zentrum imperialistischer Herrschaftsgelüste seien. Wenn Lateinamerika sich nicht in diesem Jahrhundert noch zusammenschlösse, werde es endgültig zum Objekt fremder Beherrschung werden. Europa werde noch für Jahrhunderte der Kopf der Welt bleiben, da dort die „integrierte Regierung", in der Konservative und Kommunisten zusammenarbeiten, bereits verwirklicht sei. Diesem Ziel sei auch seine Partei verpflichtet. Am 14. Dezember 1972 verließ Peron Argentinien, ohne daß es zu einem Treffen mit Präsident Lanusse gekommen war, und gab unmittelbar danach seinen formellen Verzicht auf eine Kandidatur bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen bekannt.

Bolivien 23-25/XI: Wegen starker Peso-Abwertungen und anderen wirtschaftspolitischen Maßnahmen kommt es zu einem Generalstreik, der erst beendet wird, nachdem die Regierung inhaftierte Gewerkschaftsführer entläßt und Gespräche über Lohn-und Preisfragen zusichert. Chile 10/X-3/XI: Wochenlange Streiks der Transportunternehmer, denen sich später aber auch andere Wirtschaftszweige anschließen, führen zunächst zur Verhängung des Ausnahmezustandes in 24 der 25 Provinzen, sodann zum Rücktritt der Regierung und zur Bildung eines neuen Kabinetts, in das der sozialistische Präsident Salvador Allen de erstmals auch hohe Militärs beruft; er vertraut sogar einem Militär das Innenministerium an. Am 6. November erklärt sich die neue Regierung bereit, den wichtigsten Forderungen der Streikenden nachzugeben, die daraufhin den „Streik auf Bewährung" unterbrechen. Am 7. November wird der Ausnahmezustand wieder aufgehoben.

30/XI-14/XII: Präsident Allende besucht nach einem Zwischenaufenthalt in Peru zunächst Mexiko, wo er mit dem Präsidenten Maßnahmen zur Abwehr der Einmischung ausländischer Gesellschaften in innere Angelegenheiten der Entwicklungsländer bespricht. In diesem Zusammenhang sei es besonders wichtig, auch die bevorstehende UNO-Konferenz über Seerecht als Plattform aller lateinamerikanischen Staaten in ihrem Kampf um die uneingeschränkte Eigennutzung ihrer Naturreichtümer (gedacht wird hier insbesondere an Fischereifragen und die extreme Ausweitung der Territorialgewässer zum Schutz von Fischereiinteressen und Bodenschätzen unter dem Schelf) zu nutzen.

Während seines anschließenden Aufenthaltes in New York erklärt er vor der UN-Vollversammlung: Die chilenischen Maßnahmen gegen die nordamerikanischen Gesellschaften ITT (International Telegraph and Telephone Company) und Kennecott Copper Corp.seien deshalb veranlaßt worden, weil beide Gesellschaften sich politisch wie wirtschaftlich gegen die Wirtschaftsinteressen Chiles verhalten hätten; als Antwort darauf habe die amerikanische Regierung gegen Chile eine finanz-wirtschaftliche Blockade verhängt.

Auch bei seinem nächsten Gastgeber, dem Präsidenten Houari Boumed ienn e in Algerien, betont er insbesondere, daß die Politik der wirtschaftlichen Aggression seitens des Im-35 perialismus, des Kolonialismus, des Neokolonialismus ständig Frieden und Sicherheit in der Welt bedrohten.

Vom 6. bis 9. Dezember hält sich Allende in der UdSSR auf, wo er Handels-und Wirtschaftsabkommen unterzeichnet, die eine-Ausweitung des Handels sowie technische Hilfe für Chile bei der Entwicklung der Kupfererz-, der chemischen und der Fischindustrie sowie beim Bau von Industriebetrieben vorsehen. Die UdSSR sagt ferner Hilfen bei der Durchführung von Schürfarbeiten und der Heranbildung nationaler Kader zu. Schließlich verspricht sie Hilfen bei der Erweiterung der Energiebasis und bei der Entwicklung der Landwirtschaft. In einer politischen Tour d'Horizon stellen die Gesprächspartner (auf sowjetischer Seite u. a. Leonid Breshn ew , Staatspräsident Nikolaj PODGORNIJ, Ministerpräsident Alexej Koss ygin und Außenminister Andrej GROMYKO) „mit Genugtuung fest, wie nahe ihre Positionen sind".

In einem Interview mit dem sowjetischen Fernsehen formuliert ALLENDE die wesentlichen Ziele seiner Partei wie folgt: Im Bereich der Wirtschaft solle es drei Sektoren geben — den staatlichen mit den großen Bergbau-, Erdöl-und elektroenergetischen Betrieben und den Banken sowie dem Außenhandel, den Sektor gemischter Betriebe mit jeweils staatlicher Mehrheit und schließlich den Sektor der Kleinbetriebe in Privatbesitz, wozu auch 49 % des Grund und Bodens zu rechnen seien. Nach einem kurzen Zwischenaufenthalt in Marokko weilt er vom 10. bis 14. Dezember in Kuba, wo er mit Fidel Castro gemeinsam für die revolutionäre Beseitigung der US-imperialistischen Beherrschung Lateinamerikas eintritt und erneut betont, die lateinamerikanischen Länder hätten ein uneingeschränktes Recht, ihre Reichtümer in der See, auf der Erde und unter der Erde zum Wohl ihrer Völker zu nutzen und die Grenzlinie ihrer Jurisdiktion in den Küstengewässern selbst zu bestimmen. Nach einem kurzen Zwischenhalt in Venezuela kehrt Allende am 14. Dezember 1972 nach Chile zurück.

Kuba 24/XI: Bildung eines Präsidiums des Ministerrates unter Fidel Castro , dessen Mitglieder Stellvertretende Ministerpräsidenten sind und jeweils die Koordinierung verschiedener Fachressorts durchzuführen haben. Castro selbst bleibt Premier und ist außerdem zuständig für Verteidigung und Sicherheit, Agrarreform, Gesundheitswesen und Jugendfragen.

Mexiko 3/X, 14/XI: Im Rahmen eines Notenwechsels teilt die Regierung der VR China mit, daß sie nicht bereit sei, formell dem Vertrag über die Kernwaffenfreie Zone Lateinamerika beizutreten; sie verpflichte sich jedoch, den Bestimmungen des Vertrages auch so nachzukommen. Peking könne dem Vertrag nicht beitreten, da er nicht sicherstelle, daß Kernwaffen-mächte ihre nukleare Erpressungspolitik gegen Nichtkernwaffenmächte unterließen: in diesem Sinne wäre der Vertrag zu ergänzen, ehe die VR China beitreten könne.

Nikaragua 23/XII: In den Morgenstunden wird die Hauptstadt Managua durch ein Erdbeben, das sein Epizentrum im Stadtzentrum hat, fast völlig zerstört. Die Zahl der Todesopfer unter den etwa 320 000 Einwohnern wird amtlich auf etwa 106 000 geschätzt. Die materiellen Schäden sind unabsehbar, da fast die gesamte spärliche Industrie des Landes sich in und um Managua konzentierte und wie die Stadt weitgehend zerstört wurde. Panama 11/X: Nach entsprechenden Wahlen wird die bisherige Junta aufgelöst, ihre Mitglieder erhalten neue Funktionen: Demetrios Lakas wird Staatspräsident, Arturo Sucre Perreira Vizepräsident und General Omar Torrijos Herrera „Großer Führer der Revolution von Panama". Torrijo s erhält zu seiner Funktion als Kommandeur der Nationalgarde noch folgende Befugnisse: alle Arbeiten der öffentlichen Verwaltung zu koordinieren, die Minister und die Befehlshaber von Polizei und Streitkräften zu ernennen und abzusetzen und mit Zustimmung des Kabinettsrats die Richter am Obersten Staatsgerichtshof zu berufen.

NORDAMERIKA Kanada 30/X, 28/XI: Bei Parlamentswahlen verliert die Liberale Partei von Premierminister Pierre Elliott Trudeau 46 Mandate und behält nur noch 109; die Konservativen erhalten 107 Mandate (bisher 72), die Neue Demokratische Partei 31 (bisher 22), die Sozialkreditpartei 15 (bisher 14). Trudeaus Liberale haben damit im Unterhaus, das 264 Sitze aufweist, die Mehrheit verloren; nach Ansicht von Beobachtern deshalb, weil Trudeau seine wirtschaftspolitischen Versprechungen nicht habe verwirklichen können. Er bildet am 28. November eine nur von den Liberalen getragene Minderheitsregierung. Vereinigte Staaten 3/X: Präsident Nixon unterzeichnet gemeinsam mit dem sowjetischen Außenminister Andrej Gromyko in Washington das „Abkommen über die Begrenzung der ABM-Systeme" beider Großmächte (also der Raketen-abwehrsysteme) und setzt durch Austausch eines Briefwechsels mit dem sowjetischen Präsidenten P über das sogenannte odgo rnij Interimsabkommen zur Begrenzung strategischer Offensivwaffen auch diese Vereinbarung in Kraft. Gromy ko und Nixon betonen bei dieser Gelegenheit die Bedeutung beider Vereinbarungen zur Verbesserung des Klimas zwischen beiden Staaten und zur Förderung des gegenseitigen Vertrauens, weisen aber gleichzeitig darauf hin, daß es sich nur um erste Schritte auf dem Weg zu einer weiteren Begrenzung der nuklearen Rüstungslasten, zum Abbau der Kriegsgefahr und zur Stärkung der Friedenschancen handele.

14, 18/X: Unterzeichnung eines Handelsmarine-, eines Handelsabkommens und einer Lend-Lease-Regelung mit der UdSSR in Washington (siehe unter „Sowjetunion“).

17, 18/X: Beide Häuser des Kongresses nehmen mit der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit gegen das Veto des Präsidenten ein Gesetz an, das zur Reinerhaltung der Gewässer bis 1985 24, 6 Mrd. Dollar bereitstellt. Nixon hatte diesen Betrag als zu hoch abgelehnt und lediglich 6 Mrd. Dollar zur Verfügung stellen wollen. Der Kongreß war jedoch der Meinung, dieser Ansatz sei bei weitem zu niedrig.

7/XI: Präsidentschafts-, Kongress-und Gouverneurswahlen bringen folgende Ergebnisse: a) Der republikanische Präsidentschaftskandidat Richard M. Nixon und sein Vize Spiro T. Agnew erhalten 61 °/o aller Stimmen und 521 Elektoren; ihre demokratischen Gegenspieler George Mc Govern und R. Sargent Shriv er 38 °/o und 17 Elektoren — die des Staates Massachussetts und die des District of Columbia (Bundes-hauptstadt), während Nixon alle anderen 49 Bundesstaaten gewann.

b) Bei den Wahlen für das Repräsentanten-haus verloren die Demokraten 12 Mandate an die Republikaner, blieben aber mit 244 Sitzen immer noch die . stärkste Fraktion:

die Republikaner haben 190 Sitze.

c) Bei den Teilerneuerungswahlen in den Senat (33 der 100 Sitze) verloren die Republikaner 2 Sitze an die Demokraten, die mit 57 gegen 43 Sitze weiterhin stärkste Fraktion sind.

d) Von den 50 Gouverneuren waren 18 neu zu wählen; hier verloren die Republikaner 1 Mandat an die Demokraten, denen 31 Gouverneure angehören, den Republikanern lediglich 19.

e) Bei den gleichzeitigen Wahlen auf Puerto Rico unterlag die bisher regierende Partei, die für eine Integration der Insel in den Staatenverband der USA eintritt,.der Opposition, die sich für den Beibehalt des Status eines assoziierten Staates ausspricht: Die bisherige Regierungspartei erhielt nur 11 der 78 Abgeordneten-und 1 der 8 Senatsmandate. Die für eine voll-37 ständige Unabhängigkeit eintretende Unabhängigkeitspartei scheiterte an der 5 °/0-Klausel 15/XI: Die US-Regierung richtet im Außenhandelsministerium ein Sonderbüro für Fragen des Ost-West-Handels ein, 26/XII: In Kansas City stirbt der ehemalige Präsident Harry S Truman im Alter von 88 Jahren nach schweren Herzattacken. Truman versah von 1922 bis 1934 verschiedene Richterämter und war sodann bis 1944 Senator von Missouri. Als Senator präsidierte er einer Kommission zur Überwachung von Rüstungsaufträgen, der die Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten gelang, was Truman 1944 die Ernennung zum Vizepräsidenten eintrug. Am 12. April 1945 wurde er durch den Tod von Franklin Delano Roosevelt der 33. Präsident der USA und 1949 für eine zweite Amtsperiode bis 1953 wiedergewählt. Zu seinen herausragendsten Entscheidungen gehörten der Beschluß, durch den Einsatz von Atombomben gegen Hiroshima und Nagasaki den II. Weltkrieg im pazifischen Raum zu beenden; die Weiterführung der Bemühungen um die Schaffung der Vereinten Nationen; die Einrichtung der Nachkriegshilfe für Europa in Form des Marshallplans; die politische Entscheidung für den Korea-Krieg; die Entwicklung der sogenannten Truman-Doktrin zur Verhinderung der gewaltsamen Machtübernahme des Kommunismus in Griechenland; die Politik der Luftbrücke während der Berlin-Blockade; das „Punkt-4-Programm" vom 20. Januar 1949, das die Basis der Entwicklungshilfe für die Dritte Weit darstellt; die Schaffung der NATO als erste militärische Allianz zwischen den USA und Europa; schließlich die Entlassung von General Douglas Mc Arthu r am 10. April 1951 als oberster Befehlshaber im Pazifik wegen mangelnder Subordination während des Korea-Krieges zur Bekräftigung des unaufgebbaren Primats ziviler Kontrolle über das Militär.

ASIEN und OZEANIEN

Abbildung 6

Der geographische Großraum wurde in Regionen aufget& ilt, wobei folgende Gliederung zugrunde gelegt wird:

I. Überblick II. Südasien (Afghanistan, Bangla Desh, Indien, Nepal, Pakistan, Sri Lanka [Ceylon])

III. Südostasien (Burma, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Philippinen, Singapur, Thailand, Südvietnam, Nordvietnam, Vietnamkrieg/Vietnamverhandlungen) IV. Ostasien (Japan, Volksrepublik China, Republik China, Südkorea, Nordkorea [innerkoreanische Beziehungen])

V. Ozeanien (Australien, Neuseeland, Timor)

I. Überblick

Abbildung 7

Im. Mittelpunkt des Geschehens in Asien im 4. Quartal 1972 stand Südostasien, genauer: die Entwicklung in Indochina. Sah es nach der Veröffentlichung eines zwischen den USA und Nordvietnam ausgehandelten Abkommens durch Hanoi am 26. Oktober zunächst so aus, als stünde ein Waffenstillstand in Indochina unmittelbar bevor, so spitzte sich die Lage in den nächsten Monaten erneut zu, was nicht zuletzt auf die Haltung Südvietnams zurückzuführen ist, das das Abkommen für „unannehmbar" erklärte, während Nordvietnam zu Zugeständnissen nicht bereit war. Die Ausweitung des amerikanischen Bombardements auf Nordvietnam am 18. Dezember führte zu den heftigsten Angriffen seit Beginn des Indochinakrieges auf Nordvietnam überhaupt und wurde erst am 30. Dezember wieder eingeschränkt. Nach weiteren Verhandlungen konnte dann am 23. Januar eine grundsätzliche Einigung über die Beendigung des Vietnamkrieges erzielt werden.

Die Entwicklung in den anderen Staaten Süd-ostasiens ist deutlich von Bestrebungen gekennzeichnet, sich auf „nach Vietnam" einzurichten, was sich vor allem auf die Wiederherstellung von „Law and Order" gleichermaßen in Kambodscha wie Thailand und den Philippinen bezieht. In Laos werden seit Oktober die Gespräche mit den (kommunistischen) Pathet Lao über eine Beendigung der innenpolitischen Konflikte weitergeführt, die am 21. Februar mit der Unterzeichnung eines Abkommens „über Frieden und nationale Eintracht" abgeschlossen werden konnten.

Die Entwicklung in Ostasien war weitgehend durch die Aktivitäten der Volksrepublik China bestimmt. Insgesamt fünf Außenminister besuchten in diesem Quartal Peking — darunter auch Walter Scheel , aus Großbritannien Douglas -Home und aus Österreich Außenhandelsminister Stariba cher . Daneben nahm China außenpolitische Beziehungen zu den Malediven, Madagaskar, Luxemburg, Ja-39 maika, Zaire (Kongo-Kinshasa) und Dahomey auf.

Die Szenerie in Japan war durch die Wahlen am 10. Dezember gekennzeichnet, bei denen Premier Tanak a zwar erwartungsgemäß die Mehrheit erhielt, die aber ein überraschendes Ansteigen der oppositionellen Parteien, vor allem der Kommunistischen Partei, mit sich brachte, über Südkorea wurde für zwei Monate das Kriegsrecht verhängt und eine neue Verfassung verabschiedet, wobei diese Schritte von Präsident Park Chung Hee als „Reformmaßnahmen im Hinblick auf die Wiedervereinigung" mit Nordkorea begründet wurden. Bei den innerkoreanischen Gesprächen selbst ergaben sich bislang keine wesentlichen Fortschritte.

Südasien dagegen steht noch immer unter den Auswirkungen der Auseinanderset

II. Südasien

Afghanistan 6/XII: König Mohammed Zahi r Schah nimmt das Rücktrittsgesuch von Ministerpräsident Abdul Zahi r an, das dieser bereits im September eingereicht hatte, vom König zunächst aber zurückgewiesen worden war. Am 13. 12. gibt der König die Zusammensetzung der neuen Regierung bekannt. Neuer Ministerpräsident und zugleich Außenminister wird Khan Mohammed .

Bangla Desh 5 XI: Premierminister Mujibur Rahman kündigt die Abhaltung von allgemeinen Wahlen für den 7. März 1973 an, nachdem am Tage zuvor die neue Verfassung von der Nationalversammlung gebilligt wurde. Die Verfassung tritt am 16. Dezember in Kraft. Sie sieht u. a. die Schaffung einer parlamentarischen Demokratie vor mit einem Einkammer-System. 20/XI: Dr. A. M. Malik , der letzte Gouverneur von Ostpakistan, wird für schuldig befunden, den Krieg gegen Bangla Desh hervorgerufen zu haben und wird zu lebenslänglichem Gefängnis verurteilt.

26 XI: Einer Bekanntmachung des Außenministeriums zufolge hat Nordvietnam Bangla Desh diplomatisch anerkannt.

Zungen um Bangla Desh. Während in diesem Staat die innenpolitischen Schwierigkeiten weiter zunehmen, ist die Haltung zwischen Indien und Pakistan weiterhin ausgesprochen feindselig. Bemerkenswert erscheint die heftige Opposition in Pakistan gegen eine Anerkennung von Bangla Desh, wie sie durch mehrere Demonstrationen in verschiedenen Teilen des Landes zum Ausdruck kam.

Aus Ozeanien — Australien und Neuseeland — ist über eine parallele Entwicklung zu berichten: In beiden Staaten fanden im Berichtszeitraum Wahlen statt, die jeweils von den bisher oppositionellen Labour-Parteien gewonnen wurden. Die Neuorientierung der Politik dieser beiden Staaten unter der neuen Führung fand vorerst ihren Ausdruck in einer Anerkennung der Volksrepublik China und einem Abzug aller Unterstützung für Südvietnam.

16 XII: Bangla Desh feiert den ersten Jahrestag der Unabhängigkeit, zu dessen Anlaß Premierminister Rahman auf einer Massenveranstaltung in Dacca „freie und faire Wahlen" für den 7. März ankündigt.

23 XII: Die „Nationale Sozialistische Partei" beschuldigt die regierende Awami-Liga der Unterdrückung der Opposition. Ihr Führer, A. S. M. Abdur Rab , erklärt, daß Bangla Desh eine „Marionette der imperialistischen Kräfte" geworden sei und daß die USA versuchten, mit ihrer Wirtschaftshilfe das Land zu beherrschen. Indien 8 X: In Ost-Berlin und Neu-Delhi wird gleichzeitig bekanntgegeben, daß Indien und die DDR diplomatische Beziehungen aufnehmen und ihre beiderseitigen Missionen in den Rang von Botschaften erheben. In einer Erklärung des Auswärtigen Amtes der Bundesregierung dazu wird bedauert, daß die indische Regierung diesen Schritt zu einem Zeitpunkt getan habe, zu dem die Bemühungen der Bundesregierung um eine Regelung des Verhältnisses zwischen den beiden deutschen Staaten noch nicht abgeschlossen sind.

11 X: Außenminister Swaran Singh erklärt, daß es keine Regelung bezüglich der kriegs-gefangenen Pakistani geben könne, bevor Pakistan nicht Bangla Desh anerkannt habe. Er kritisierte außerdem die Haltung der pakistanischen Vertreter bei den Verhandlungen über die Kontroll-Linien in Jammu und Kash-mir.

14/XI: Ein Mißtrauensantrag der Opposition gegen Frau Indira Ghandi wegen ihrer fehlgeschlagenen Bemühungen, die steigenden Preise in den Griff zu bekommen, wird vom Parlament mit 185 zu 34 Stimmen abgelehnt. 16/XI: Der stellvertretende Außenminister Surendra Pal S erklärt vor dem Parlament, ingh daß Indien und die USA ihre gespannten Beziehungen erörtert hätten und daß Indien nun, da die amerikanischen Wahlen vorüber seien, auf eine Verbesserung der Beziehungen hoffe.

30/XI: Außenminister Swaran Singh erklärt in einer Rede vor dem Oberhaus, er halte die Wiederherstellung normaler und freundschaftlicher Beziehungen zwischen Indien und den Vereinigten Staaten für durchaus möglich. Die Differenzen, die in den letzten Jahren die Beziehungen belastet hätten, seien nur vorübergehender Art gewesen. Auch zur VR China sollten die Beziehungen auf der Grundlage der fünf Prinzipien der friedlichen Koexistenz normalisiert werden können. Falls auch auf der anderen Seite der Wunsch dazu vorhanden sei, bestehe kein Grund, warum Indien und die VR China nicht in der Lage sein sollten, ihre beiderseitigen Probleme friedlich zu lösen.

1/XII: Zum Wunsche Indiens nach einer Verbesserung der Beziehungen zu den Vereinigten Staaten erklärt Außenminister William P. Roger s vor der Presse, die Vereinigten Staaten begrüßten diese positive Einstellung und erwiderten ihrerseits die Bestrebungen nach freundschaftlichen und kooperativen Beziehungen. Präsident Richard M. N habe ixon Premierminister Indira Gandhi mitgeteilt, er hoffe, daß zwischen beiden Ländern bessere Beziehungen auf der Grundlage des Verständnisses und der Achtung der beiderseitigen Interessen entwickelt werden.

28/XII: Die regierende Kongreß-Partei verspricht auf einer Massenveranstaltung in Kalkutta die Schaffung von einer halben Million Arbeitsplätze für ausgebildete Inder im Jahre 1973. Nach offiziellen Angaben gibt es derzeit mehr als 5 Millionen arbeitsloser ausgebildeter Inder.

Nepal 20/XII: Der „Gurkha Welfare Fund" hat sein Ziel, eine Million engl. Pfund zu sammeln, erreicht, wie seine Initiatoren in London bekanntgeben. Der Fond wurde eingerichtet, um Nepalesen, die in der britischen Armee dienten, die Rückkehr ins Zivilleben zu erleichtern. 14/XI: Premierminister Kirti Nidhi Bist a fliegt zu einem offiziellen zehntätigen Besuch nach China (siehe auch „VR China").

Pakistan 7/X: Präsident Bhutto überträgt Erziehungsminister Abdul Hafiz Pirzada zusätzlich das Justizministerium und das Ministerium für parlamentarische Angelegenheiten, die seit dem Rücktritt von Justizminister M. M. Ali Kas uri am 4. Oktober unbesetzt waren.

20/X: Politische Führer aller Parteien kommen nach längeren Gesprächen überein, eine neue Verfassung zu schaffen, die ein Zwei-kammer-System sowie einen Präsidenten und einen Premierminister, der der Legislative verantwortlich ist, vorsieht.

29/X: Auf einer Konferenz unter dem Vorsitz von Präsident Bhutt o weist dieser auf den Anstieg der aus dem Lande geschmuggelten Bengali über die Grenze der Provinz Baluchi-stan hin. Die Zahl der Bengali in Pakistan wird insgesamt auf 300 000 bis 400 000 geschätzt. 7/XI: Die Regierung gibt die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Demokratischen Republik Vietnam bekannt. Am 9. XI folgt die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Demokratischen Volksrepublik Korea.

8/XI: Pakistan erklärt seinen Austritt aus der Südostasienpakt-Organisation (SEATO), womit Thailand und die Philippinen die einzigen asiatischen Mitglieder der Organisation bleiben. 15/XI: Pakistan und die Deutsche Demokratische Republik vereinbaren in einem gemeinsamen Kommunique, diplomatische Beziehungen aufzunehmen, Botschafter auszutauschen und eine Zusammenarbeit auf der Grundlage der Prinzipien der „friedlichen Koexistenz" zu entwickeln.

26/XI: Staatspräsident Zulfikar Ali Bhutt o appelliert an die Vollversammlung der Vereinten Nationen, die Aufnahme Bangla Deshs von der Annahme der Resolution abhängig zu machen, die die Entlassung der pakistanischen Kriegsgefangenen in Indien fordert. Eine entsprechende Resolution wird am 29. November angenommen.

27/XI: Staatspräsident Zulfikar Ali Bhutt o kündigt die Freilassung der indischen Kriegs-gefangenen an. Der indische Außenminister, Swaran Singh , erklärt am gleichen Tage vor dem Parlament in Neu-Delhi, Indien werde seinerseits diejenigen Pakistani freilassen, die an Indiens Westfront gefangengenommen wurden.

1/XII: 540 pakistanische und 616 indische Kriegsgefangene werden repatriiert.

2/XII: Mehr als 1000 Studenten demonstrieren gegen Präsident Bhutto und gegen die Anerkennung von Bangla Desh und fordern dabei die Entlassung ihrer Führer, die am Tag zu-III.Südostasien Burma 17/XI: Offiziellen Berichten zufolge gelang es den burmesischen Truppen in der letzten Zeit, 32 Rebellen zu töten und mehr als 500 gefangenzunehmen, die den früheren Premier U Nu unterstützen, der jetzt als Führer einer Untergrundbewegung gegen die Regierung arbeitet.

Indonesien 9/X: Australien und Indonesien unterzeichnen in Djakarta ein Abkommen, mit dem der Disput über die Grenze auf dem Meeresboden zwischen der Nordwestküste Australiens und der östlichen indonesischen Insel Timor beendet wird.

13/XI: Entsprechend einem Artikel der Wochenzeitung der Armee „Chas" ist Indonesien in absehbarer Zukunft nicht bereit, seine Beziehungen mit der Volksrepublik China zu normalisieren. vor verhaftet worden waren, nachdem sie eine Massenveranstaltung Bhuttos in Rawalpindi am vorhergehenden Tag gestört hatten. 5/XII: Die Regierung verhaftet den Generalsekretär der rechtsgerichteten Muslim-Liga, Malik Mohammad Qasim , der ebenfalls ein Gegner der Anerkennung von Bangla Desh ist.

Sri Lanka (Ceylon)

2/X: Die größte Minderheit der Bevölkerung Sri Lankas, die Tamilen, veranstalten einen Tag des Protestes gegen die Sprachenpolitik der Regierung. Die „Vereinigte Front der Tamilen" fordert die Gleichheit des Status von Tamil und Singhalesisch, der Sprache der Mehrheit der Bevölkerung Sri Lankas, die als einzige offizielle Sprache proklamiert wurde. 7/XI: Ein Gesetz zur Kontrolle der Presse, das die unzensierte Kommentierung von Aktivitäten der Regierung verbietet und strenge Strafen für deren Zuwiderhandlung vorsieht, wird der Nationalversammlung vorgelegt.

13-16/XI: Staatspräsident Suharto hält sich zu einem offiziellen Besuch in Frankreich auf. Einem Kommunique zufolge standen bei seinen Gesprächen mit Präsident Pompidou die bilateralen Beziehungen im Vordergrund. Beide Länder haben die Absicht, die Politik der wirtschaftlichen Zusammenarbeit weiterzuentwickeln und werden in naher Zukunft Verhandlungen über den Schutz von Investitionen aufnehmen.

16-18/XI: Staatspräsident Suharto stattet Österreich einen offiziellen Besuch ab. Beide Seiten sprechen sich für eine Intensivierung der bilateralen Beziehungen, vor allem auf wirtschaftlichem Gebiet, aus.

20/XI: Präsident Suharto hält sich zu einem offiziellen Besuch in der Schweiz auf. Im Mittelpunkt seiner Unterredungen mit der Regierung stehen Fragen der technischen Zusammenarbeit. Die schweizerische Seite stellt eine Steigerung ihrer Leistungen in Aussicht. 14/XII: Die Militärbehörden von West-Kalimantan haben angeordnet, daß die 5 000 Chinesen, die entlang der Grenze zu Sarawak wohnen, das Gebiet im Januar verlassen müssen.

Kambodscha 4/X: Präsident Lon Not vereidigt den ersten Senat Kambodschas unter einer republikanischen Verfassung. Die 40 Senatoren, die alle der regierenden „Sozialrepublikanischen Partei" angehören, waren am 17. September gewählt worden.

5/X: Das Verteidigungsministerium verfügt ein dauerndes Verbot der Tageszeitung in der Landessprache „Der Republikaner", die von der oppositionellen „Republikanischen Partei" unterhalten wird. Das Verbot wird mit der Veröffentlichung von Artikeln, die die „äußere und innere Sicherheit des Staates verletzen", begründet.

15/X: Aufgrund des Wahlergebnisses vom 3. September wird eine neue Regierung unter Ministerpräsident Hang Thun Hak , dem Generalsekretär der regierenden „Sozialrepublikanischen Partei", gebildet.

20/X: Die Regierung fordert in einer Erklärung zu den Gesprächen zwischen Henry A. Kis si nger und dem Präsidenten der Republik Vietnam, Nguyen Van Thieu , daß ein Waffenstillstand in Vietnam auf ganz Indochina ausgedehnt werden müsse. Am 29. Oktober fordern Senat und Nationalversammlung in einer gemeinsamen Resolution den Abzug aller ausländischen Truppen aus Kambodscha sowie Kriegsreparationen von nord-und südvietnamesischer Seite.

16/XI: In einer regierungsamtlichen Rundfunksendung wird die Unterzeichnung eines baldigen Friedensabkommens angekündigt. 13/XII: Zum ersten Mal seit sechs Wochen erreicht ein Konvoi mit insgesamt 347 Militär-und Zivilfahrzeugen Phnom Penh von der Küste mit Nahrungsmitteln und militärischen Ausrüstungsgütern.

26/XII: Das Verteidigungsministerium ordnet das Verbot von weiteren vier Tageszeitungen wegen der Publizierung von Artikeln, die die nationale Sicherheit bedrohen und die das Volk der Regierung entfremden würden, an.

Laos 17/X: In Vientiane nehmen Vertreter der Regierung und des Pathet Lao Gespräche zur Beendigung des Bürgerkrieges auf. Beide Seiten vereinbaren, sich künftig einmal wöchentlich zu treffen. Der Leiter der Regierungsdelegation, Innenminister Pheng Phongsav anh , fordert in seiner Eröffnungsrede den Pathet Lao auf, wieder in die Regierung einzutreten, die danach gemeinsam umgebildet werden könne.

Der Delegationsleiter des Pathet Lao, General Phoun Sipaseut h , nennt als die Forderungen seiner Partei u. a., daß die Vereinigten Staaten ihr militärisches Engagement in Laos einstellen müßten, die Regierung ihre Politik im „Schlepptau" der Vereinigten Staaten aufzugeben habe und eine neue Koalitionsregierung zu bilden sei, deren Aufgabe die Wiederherstellung von Frieden und Einheit sein solle.

25/XI: Der Generalsekretär des Zentralkomitees der Pathet Lao, Phoumi VONGVICHIT, erklärt, daß die Gespräche in Laos keinerlei Fortschritte machten und gab der Regierung die Schuld daran.

21/11/73: Zum Abschluß der 18. Gesprächs-runde, deren erste am 17. 10. (s. oben) stattfand, wird in Vientiane zwischen Vertretern der Regierung des Landes und des Pathet Lao ein „Abkommen über die Wiederherstellung des Friedens und der Herbeiführung der nationalen Einheit" in Laos unterzeichnet. In insgesamt fünf Kapiteln mit 14 Artikeln werden allgemeine Prinzipien (Kapitel I), militärische Bestimmungen (Kapitel II) — nach denen am 22. Februar um 12. 00 Uhr Ortszeit ein vollständiger Waffenstillstand auf dem gesamten laotischen Territorium in Kraft tritt, die Streitkräfte fremder Länder ihre militärische Aktivität in Laos endgültig einstellen (ebenso wie die Streitkräfte der laotischen Parteien) und wonach innerhalb von 60 Tagen der Abzug allen Militärpersonals, regulärer und irregulärer ausländischer Truppen und die Auflösung militärischer und paramilitärischer Organisationen fremder Länder abgeschlossen sein und jede der beiden Parteien die Kriegsgefangenen freilassen soll — vereinbart. In den politischen Bestimmungen (Kapitel III) wird die Bildung eines „Nationalen Konsultativrates" innerhalb von 30 Jahren, der u. a.freie und demokratische allgemeine Wahlen organisieren soll sowie die Zusammensetzung einer „Provisorischen Regierung der nationalen Einheit" ver43 einbart. Bis zur Wahl einer Nationalversammlung sollen auf den von beiden Parteien besetzten Territorien das vereinbarte politische Programm durchgeführt und die Herstellung normaler Beziehungen zwischen den beiden Zonen beschleunigt werden. In Kapitel VI wird eine gemeinsame Kommission für die Erfüllung des Abkommens sowie die Tätigkeit einer internationalen Uberwachungs-und Kontrollkommission entsprechend dem Genfer Abkommen über Laos von 1962 (Mitglieder sind Indien, Polen, Kanada) festgelegt.

Das Abkommen wurde auf Seiten der Regierung in Vientiane von Innenminister Pheng Phongsavan und auf Seiten der Pathet Lao von Phoumi Vongvichit unterzeichnet.

Malaysia

5/X: Ministerpräsident Tun Abdul R beendet einen offiziellen Besuch in der Sowjetunion, zu dem er am 29. September in Moskau eingetroffen war. Aus einem Kommunique über seine Gespräche mit Ministerpräsident Koss ygi n geht hervor, daß neben bilateralen Fragen vor allem die Lage in den verschiedenen Konfliktgebieten in Asien erörtert wurde. Beide Länder sprechen sich darin für eine Regelung in Vietnam, Laos und Kambodscha auf der Grundlage des Rechtes dieser Völker aus, über ihre Zukunft ohne ausländische Einmischung zu entscheiden. 4/XII: Tun Abdul Razak erklärt vor dem Parlament, daß die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der VR China „lediglich eine Frage der Zeit" sei. 28/XII: Tun Abdul Razak ernennt einen Oppositionsführer, Asri Huda , zum Chef des neugeschaffenen Ministeriums für landwirtschaftliche Entwicklung und besondere Aufgaben. Die Partei Asri Hudas , die „Pan-malayische Islamische Partei", wird sich am 1. Januar 1973 der „Allianz" anschließen.

Philippinen

21/X: Präsident Ferdinand Marcos unterzeichnet ein Dekret, das ca. 700 000 philippinischen Bauern zu einer Farm in der Größe von fünf Hektar verhilft. Der Präsident erklärt dazu, daß damit der Unterschied zwischen den Armen und den Reichen weiter verringert werde und daß er die sozialen Ursachen der kommunistischen Rebellion ausmerzen wolle. 1/XI: Präsident Marcos erklärt, daß die Regierung die Zahl der — auf 166 000 geschätzten — Beschäftigten des Staates um ein Drittel kürzen wolle, um gegen die Inflation anzugehen und die Produktivität in der „neuen Gesellschaft" auf den Philippinen zu erhöhen. 2/XI: Die Behörden kündigen die Aufhebung der Zensur für ausländische Agenturen an, die am 23. September verfügt worden war. 12/XI: Die Regierung legt ein Beschäftigungsprogramm vor, demzufolge bis 1975 drei Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen werden sollen. Im Januar soll ein vierzigköpfiges Team der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) Manila besuchen. 30/XI: Präsident Marcos eröffnet eine land-weite Kampagne „Mabuhay Ang Philippino" (Es lebe der Filipino), die dazu auffordert, alle praktischen Probleme — von Recht und Ordnung bis zur Umweltverschmutzung — anzugehen und Lösungswege zu suchen. 1/XII: Die Behörden entlassen die ersten 15 politischen Häftlinge — den oppositionellen Senator Ramon Mitra , sieben Delegierte der verfassungsgebenden Versammlung und sieben Journalisten, die mehr als zwei Monate in Haft waren. Am 4. Dezember werden wiederum 15 Häftlinge entlassen, gleichzeitig wird angekündigt, daß weitere 50 noch vor Weihnachten folgen würden. 18/XII: Der Oberste Gerichtshof beginnt Hearings über zehn identische Eingaben, die eine Beendigung der landweiten Volksabstimmung für die Ratifizierung der neuen Verfassung fordern. Die Verfasser der Eingaben •— unter ihnen der Präsident der oppositionellen Liberalen Partei und der Präsident der nationalen Presseclubs — argumentieren, daß das Plebiszit illegal und daß die Freiheit der Wahlen auf Grund des Kriegsrechtes, das Marcos am 22. September verhängte, nicht gewährleistet sei. 20/XII: Präsident Marcos hebt teilweise und „zeitweilig" das Kriegsrecht im Land auf, um eine „freie und offene" öffentliche Diskussion über die vorgeschlagene Verfassung zu ermöglichen. Nach Informationsminister Francisco Tatad soll die Aufhebung bis zum 15. Januar dauern, wenn von der Bevölkerung über die Verfassung entschieden wird. Der für den 15. Januar vorgesehene Volksentscheid Das Büro des Komitees für die Begutachtung der regierungsamtlichen Arbeiten wird von General Thongtem Sangkhavani t als Generalsekretär geleitet. • 27/X: Der frühere Außenminister Thanat Khoman erklärt, daß Thailand seine Politik gegenüber den USA revidieren müsse: „Dies bedeutet nicht, daß wir unsere engen Beziehungen mit den USA abbrechen sollten, aber wir müssen realistischer sein". wird jedoch verschoben, um mehr Zeit für die Diskussion über die Verfassung zu geben.

Singapur

12/X: Präsident Benjamin Sheares kündigt eine Änderung der Verfassung an, die verhindern soll, daß Singapur mit einem anderen Land eine Föderation eingeht, ohne daß zwei Drittel der Bevölkerung in einem Volksentscheid einen derartigen Schritt befürworten. 28/X: Mehr als 4 000 Soldaten aus Australien, Neuseeland und Großbritannien beginnen ein großangelegtes Marinemanöver im Südchinesischen Meer, um die Koordination auf dem Gebiet der Verteidigung zwischen den beteiligten Staaten zu testen. 7/XII: Premierminister Lee Kuan YEW erklärt in London, daß er einen Verbleib amerikanischer Truppen in Thailand nach einem Friedensabkommen in Vietnam befürwortet. Wenn sich die USA aus Thailand und aus Vietnam zurückzögen, wäre er aufs „höchste beunruhigt".

Thailand

16/X: Erstmalig wird in Bangkok ein Antikorruptionsbüro eingerichtet, das befugt ist, die Bankauszüge der Kabinettsmitglieder zu überprüfen und „auf andere Art und Weise die Korruption in Thailand zu unterbinden". 1/XI: Ministerpräsident Thanom KITTIKAchorn kritisiert vor der Presse in Bangkok den amerikanisch-nordvietnamesischen Entwurf einer Vereinbarung über die Beendigung des Krieges in Vietnam. Ein Waffenstillstand in Vietnam, erklärte er, müsse auch für Laos und Kambodscha gelten. 15/XI: Der regierende nationale Exekutivrat nimmt eine Interimsverfassung an, die noch vor Ende des Jahres bekannt gemacht werden soll. 24/XI: Nach der englischsprachigen Tageszeitung „The Nation" erklärte der stellv. Vorsitzende des Nationalen Exekutivrates, Prapas CHARUSATHIARA, daß die von Chinesen erbaute Straße durch Laos den Mekong-Fluß erreicht hat und mit dem Bau einer Brücke über den Fluß begonnen wird. 15/XII: Der König proklamiert die neue Interimsverfassung, die die Auflösung des 16köp-figen Nationalen Exekutivrates zugunsten eines Kabinetts unter einem Premier vorsieht. Außerdem soll eine Nationalversammlung, der 200 Angehörige der Streitkräfte und 99 Zivilisten angehören sollen, benannt werden. Dem Ministerpräsidenten werden in Sicherheitsfragen und Fragen des Schutzes der Staat* Struktur Sondervollmachten übertragen. 18/XII: Feldmarschall KITTIKACHORN wird vom König zum Ministerpräsidenten berufen und bildet ein Kabinett aus 27 Mitgliedern, dessen 12 wichtigste Portefeuilles Militärs übertragen sind. Das Kabinett gliedert sich in ein inneres Kabinett aus 11 Ministern und in ein äußeres Kabinett aus 16 Stellvertretenden Ministern sowie einem Sonderbeauftragten für die Verwaltung der Staatsuniversität.

28/XII: Prinz VAJIRALONGKORN, der einzige Sohn des Königspaares, wird formell als Kronprinz instituiert.

Nord-Vietnam 11/X: Die französische Botschaft in Hanoi wird durch einen amerikanischen Luftangriff zerstört, wobei fünf Botschaftsangehörige getötet und der Botschafter schwer verletzt wird. Präsident Pomp idou nennt die Bombardierung „einen bedauerlichen Akt". Botschafter Pierre Sosini erliegt am 19. Oktober seinen Verletzungen in Paris.

26/X: Die Regierung der Demokratischen Republik Vietnams (DRV) veröffentlicht den Inhalt einer bei den Gesprächen mit den USA in Paris getroffenen Vereinbarung „über die Beendigung des Krieges und die Wiederherstellung des Friedens in Vietnam". Diese Vereinbarung sei nach Klärung einiger noch offener Fragen zwischen Präsident Nixon und Ministerpräsident Pham Van Dong am 22. Oktober fertiggestellt worden. Für diesen Tag hätten die USA die Einstellung der Luftangriffe auf Nord-Vietnam und die Aufhebung der Minensperren zugesagt, und am 31. Oktober hätte das Abkommen unterzeichnet werden sollen. Die amerikanische Regierung habe jedoch ihre Zusage nicht eingehalten und am 23. Oktober unter Hinweis auf „Schwierigkeiten, auf die sie in Saigon gestoßen sei", neue Verhandlungen verlangt. Dadurch sei eine „äußerst ernste Situation" entstanden. Die Vereinbarung sieht im wesentlichen folgendes vor:

1. Die USA respektieren die Unabhängigkeit und Einheit Vietnams.

2. In Süd-Vietnam tritt ein Waffenstillstand in Kraft; die Kriegshandlungen gegen Nord-Vietnam werden beendet; binnen 60 Tagen ziehen alle amerikanischen Truppen aus Süd-Vietnam ab.

3. Parallel mit dem Truppenabzug erfolgt die Repatriierung der Kriegsgefangenen.

4. In Süd-Vietnam wird ein „Nationaler Rat der nationalen Versöhnung und Eintracht" gebildet, dem Vertreter der Regierung in Saigon, der Provisorischen Revolutionsregierung und neutraler Kräfte angehören. 5. Die Wiedervereinigung Vietnams wird schrittweise verwirklicht.

6. Es werden gemischte Kommissionen der beteiligten Parteien und eine internationale Uberwachungskommission gebildet; binnen 30 Tagen wird eine internationale Vietnam-Konferenz einberufen.

7. Die Unabhängigkeit, die territoriale Integrität und die Neutralität von Laos und Kambodscha werden von allen Parteien respektiert. 8. Die Vereinigten Staaten nehmen Beziehungen zur Demokratischen Republik Vietnam auf und beteiligen sich an der Beseitigung der Kriegsschäden.

9. Das Abkommen tritt sofort in Kraft.

Süd-Vietnam 1/X: Der kanadische Delegierte der Internationalen Kontrollkommission, R. W. Jack -son , macht Polen und Indien für den Fehlschlag der Kommission, das Waffenstillstandsabkommen von 1954 zu kontrollieren, verantwortlich. Er erklärt, daß wegen der offenen Obstruktion dieser beiden Staaten die Kommission „für viele Jahre für alle Zwecke unbrauchbar gewesen sei". 2/X: Der Präsident der Republik Vietnam, Nguyen Van Thieu , schlägt in einer Botschaft an den Senat zweiseitige Verhandlungen zwischen Süd-und Nord-Vietnam vor. 27/X: Das Abgeordnetenhaus der Republik Vietnam faßt eine Resolution, in der jede Koalitionsregierung mit den Kommunisten abgelehnt wird. Als Vorbedingung für einen Waffenstillstand wird in der Resolution der Abzug aller nordvietnamesischen Truppen aus Süd-Vietnam gefordert. Am 30. Oktober erklärt der südvietnamesische Außenminister Tran Van Lam vor der Presse, Süd-Vietnam könne ein Friedensabkommen nur unterzeichnen, wenn Nord-Vietnam alle seine Truppen über die Demarkationslinie zurücknehme und sich beide Seiten über die Rolle einer interimistischen Verwaltung einigten. 1/XI: Präsident Nguyen Van Thie u nennt in einer Rundfunkansprache vier Bedingungen für einen Friedensschluß in Vietnam: 1. Die nordvietnamesischen Truppen müssen gleichzeitig mit den amerikanischen aus Süd-Vietnam abziehen. 2. Nord-Vietnam muß die Bestimmungen des Genfer Indochina-Abkommens einhalten und die Existenz von vier Staaten in Indochina anerkennen.

3. Die Pläne für eine „verschleierte Koalitionsregierung" in Süd-Vietnam müssen aufgegeben werden.

4. Für Süd-Vietnam muß ein politische Lösung in zweiseitigen Verhandlungen zwischen der Regierung und dem Vietcong ausgehandelt werden.

17/XI: Die An Quang-Buddhisten fordern Präsident Thieu auf, 300 buddhistische Mönche sowie einige tausend ihrer Anhänger zu entlassen, die wegen Antikriegsdemonstrationen in Haft -sind. Sie fordern insbesondere die Freilassung von Truong Dinh Dzu, der seit 1967 inhaftiert ist, nachdem er die Regierung aufforderte, mit den Vietcong Friedensverhandlungen zu beginnen. Dzu hatte 1967 bei den allgemeinen Wahlen nach Thieu die meisten Stimmen auf sich vereinen können.

7/XII: Süd-Vietnam gibt offiziell die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Israel auf Botschafterebene bekannt.

11/XII: Vizepräsident Tran Van Huong fordert die „befreundeten Nationen" in Südostasien und insbesondere Japan zur Unterstützung in der Nachkriegsära auf. Neuseelands Premierminister Norman Kirk kündigt in diesem Zusammenhang eine Hilfe in Höhe von 10 Mio. neuseeländischer Dollar in den nächsten fünf Jahren für die kriegsgeschädigten in Südostasien an.

12/XII: Präsident Nguyen Van Thieu schlägt in einer Rede vor beiden Häusern des Parlaments eine von allen beteiligten Parteien vereinbarte Waffenruhe für die Zeit von Weihnachten bis nach Jahresbeginn vor. Auch die Kriegsgefangenen sollten vor Weihnachten entlassen werden, amerikanische Kriegsgefangene sollten gegen nordvietnamesische Gefangene ausgetauscht werden. Während der Waffenruhe, erklärte Thieu weiter, sollten Konsultationen zwischen den beiden vietnamesischen Regierungen und der Befreiungsfront aufgenommen werden mit dem Ziel, eine Lösung zur Beendigung des Krieges zu finden. Thieu weist erneut die von Nord-

Vietnam am 26. Oktober veröffentlichten neun Punkte zurück und wiederholt die Forderung nach einem vollständigen Abzug der nordvietnamesischen Truppen aus dem Süden, ohne den eine Regelung nicht denkbar sei.

Vietnam-Krieg/Vietnam-Verhandlungen 5/X: Auf der 162. Sitzung der Pariser Vietnam-Konferenz fordert der amerikanische Chefdelegierte William J. Porter erneut Verhandlungen über einen Waffenstillstand in ganz Indochina, während der Vertreter Süd-Vietnams, Nguyen Wuan Phong , die Gegenseite zu „echten Verhandlungen" mit der südvietnamesischen Regierung auffordert. Die Vertreter Nord-Vietnams und des Vietcong wiederholen demgegenüber die Forderung nach dem Rücktritt, des südvietnamesischen Präsidenten Nguyen Van Thieu und den Abzug der amerikanischen Truppen. In der folgenden Sitzung am 12. Oktober bleiben die Standpunkte unverändert.

8/X: Nordvietnamesische und Vietcong-Trup-pen, die seit kurzem ihre militärische Aktivität um Saigon verstärkt haben, nähern sich der Hauptstadt an einer Stelle bis auf 15 km. Die US-Luftwaffe fliegt massive Angriffe gegen die feindlichen Stellungen.

8— 12/X: Henry A. Kis si nger und Le Duc Tho treffen in Paris zu vertraulichen Gesprächen zusammen.

19— 23/X: Henry A. Kiss inge r führt in Saigon Verhandlungen mit dem Präsidenten Nguyen Van Thie u , wobei er bemüht ist, dessen Zustimmung zu den Vereinbarungen zu erhalten, die er in der Vorwoche in Paris mit Le Duc Tho erzielte. Am 24. Oktober erklärt Nguyen Van Thie u in einer Rundfunk-und Fernsehansprache, Süd-Vietnam könne weder eine Koalitionsregierung zusammen mit den Kommunisten noch einen Waffenstillstand akzeptieren, der nicht international überwacht werde. Der Konflikt könne seiner Ansicht nach nur durch zweiseitige Verhandlungen zwischen Süd-und Nord-Vietnam sowie zwischen der südvietnamesischen Regierung und dem Vietcong gelöst werden.

26/X: In der 164. Sitzung der Pariser Vietnam-Konferenz nimmt der Chefdelegierte Nord-Vietnams, Xuan Thuy , auf die am Morgen erfolgte Veröffentlichung des Entwurfs einer Vereinbarung zur Beendigung des Vietnamkrieges Bezug und beschuldigte die USA, durch die Verzögerung der Unterzeichnung die Wiederherstellung des Friedens zu sabotieren. Er fordert die USA auf, zu ihrem ge47 gebenen Wort zu stehen. Auch die Chefdelegierte des Vietcong, Frau Nguyen Thi BINH, kritisierte die amerikanische Verzögerungstaktik und bezeichnet Nguyen Van Thieu als das Haupthindernis für den Frieden. William J. Porter protestiert gegen den Bruch der Vertraulichkeit, den Nordvietnam mit der Veröffentlichung des Abkommensentwurfs begangen habe, und lehnt weitere Erklärungen ab. 27/X: Die US-Luftwaffe stellt die Bombenangriffe jenseits des 20. Breitengrades ein. Das restliche Gebiet Nord-Vietnams bleibt weiterhin Ziel intensiver Lufteinsätze. 1/XI: Die heftigen Angriffe kommunistischer Kräfte gegen Stellungen südvietnamesischer Regierungstruppen halten an. Besonders das zentrale Hochland und der Raum um Saigon sind Schauplatz von Kämpfen. Die USA intensivieren in der ersten Hälfte des Monats November beträchtlich ihre Lieferungen von Kriegsmaterial an Süd-Vietnam. 2/XI: In der 165. Sitzung der Pariser Vietnam-Konferenz fordert William J. Porter die Gegenseite auf, über die „Mißverständnisse", die hinsichtlich der Vereinbarung zur Beendigung des Vietnam-Krieges noch bestünden, zügig und freimütig zu verhandeln. Der Vertreter Süd-Vietnams verlangt von Nord-Vietnam eine Klarstellung darüber, wie es sich die Garantie eines Waffenstillstands vorstellt, welche Rolle die in Süd-Vietnam, Laos und Kambodscha operierenden 14 nordvietnamesischen Divisionen künftig spielen sollen und ob Nord-Vietnam die entmilitarisierte Zone am 17. Breitengrad anerkennt. Dagegen fordern die Vertreter Nord-Vietnams und des Vietcong die sofortige Unterzeichnung des Abkommens über die Beendigung des Krieges. 20-25/XI: Sicherheitsberater Henry A. Kis -singer und Le Duc Tho treffen zu einer neuen Runde von vertraulichen Gesprächen zusammen, in denen versucht wird, die nach den Verhandlungen im Oktober offenen Fragen zu lösen. Weitere Gespräche finden in der Zeit vom 4. bis 13. Dezember statt. 18/XII: Die USA dehnen ihre Luftangriffe auf nordvietnamesisches Gebiet nördlich des 20. Breitengrades aus und unternehmen dort die schwersten Bombenangriffe seit Kriegsbe-

ginn. Dabei werden tausende von Zivilisten getötet oder verletzt und große Teile der Städte Hanoi und Haiphong zerstört. Eine Anzahl von Bombern des Typs B-52 wird von der nordvietnamesischen Luftabwehr abgeschossen. Am 30. Dezember werden die Luftangriffe wieder auf das Gebiet südlich des 20. Breitengrades beschränkt. 21/XII: In der 171. Sitzung der Pariser Vietnam-Konferenz verlesen die Vertreter Nord-Vietnams und des Vietcong Erklärungen, in denen sie den amerikanischen Bombenterror gegen besiedelte Gebiete Nord-Vietnams verurteilen. Sie beschuldigen die USA, die Verhandlungen durch „absurde Forderungen" in eine Sackgasse getrieben zu haben. Nach diesen Erklärungen verlassen beide Delegationen den Sitzungssaal. Auch die zunächst fortgesetzten amerikanisch-nordvietnamesischen Expertengespräche werden am 23. Dezember von nordvietnamesischer Seite abgebrochen. 30/XII: Präsident R. Nixon ordnet die Einstellung der Bombenangriffe der US-Luftstreitkräfte gegen alle Ziele nördlich des 20. Breitengrades an. Ziele zwischen dem 20. Breitengrad sowie in Südvietnam werden, abgesehen vom vereinbarten Waffenstillstand zu Weihnachten und Neujahr, weiterhin angegriffen. 2/1/73: Die am 23. 12. unterbrochenen Expertengespräche zwischen den USA und Nordvietnam werden wieder aufgenommen und in den folgenden Tagen fortgesetzt. Am 4. 1. kommen die Unterhändler der vier Parteien zur 172. Sitzung der Vietnamkonferenz zusammen. Der Vertreter Nordvietnams, Nguyen Minh Vy , fordert dabei, daß die USA ihre „Aggressions-und Kriegspolitik" einstellen und das ausgearbeitete Waffenstillstandsabkommen vom 26. Oktober (siehe dort) zu unterzeichnen. Der Chefdelegierte Südvietnams, Pham Dang Lam , fordert die Wiederaufnahme der Verhandlungen mit dem Ziel eines „gerechten und angemessenen" Abkommens, während der Chefdelegierte der USA, William J. Porter , alle Parteien auffordert „in gegenseitiger Achtung vor dem Leiden und dem Heroismus der anderen Seite" eine echte Versöhnung anzustreben. 5/1: Das Verteidigungsministerium der USA gibt bekannt, daß 1972 insgesamt 299 US-SoI-daten in Vietnam gefallen sind, wobei es sich um die niedrigste Verlustzahl seit acht Jahren handele. Seit dem 1. Januar 1961 sind in Südostasien 45 928 amerikanische Soldaten ums Leben gekommen; das verlustreichste Jahr war 1968 mit der Tet-Offensive. Südviet-nam meldet für 1972 insgesamt 37 566 Tote. Nach Angaben aus Saigon verloren Nordvietnam und der Vietcong 1972 131 675 Mann. Nach einer amerikanischen Statistik sind seit 1961 insgesamt 180 676 südvietnamesische sowie 921 350 Soldaten Nordvietnams und des Vietcong gefallen. 8/1: Henry A. Kiss inge r und Le Duc Tho treffen zur Fortsetzung ihrer vertraulichen Verhandlungen in Paris zusammen. Sie verhandeln täglich bis zum 13. Januar und nach insgesamt 35 Stunden der Verhandlungen, die von Kiss inger als „sehr eingehend und sehr nützlich" bezeichnet werden, reist dieser zur Berichterstattung nach Washington. In der 173. Sitzung der Vietnamkonferenz am 11. Januar ergeben sich keine Veränderungen der gegenseitigen Standpunkte. 14/1: Präsident Nixon ordnet die vollständige Einstellung aller Kriegshandlungen gegen Nordvietnam mit Wirkung vom 15. Januar an. Der Sprecher des Weißen Hauses, Ronald Ziegl er , erklärt dazu am nächsten Tag, daß es sich um eine einseitige Friedensgeste der USA „auf Grund des Fortschrittes bei den Verhandlungen zwischen Dr. Kissinger und Sonder-berater Le Duc Tho " handle. 16/1: Die Gespräche zwischen amerikanischen und nordvietnamesischen Experten über Einzelheiten der angestrebten Friedensregelung werden fortgesetzt und dauern in den folgenden Tagen an. Am 18. Januar tritt die Vietnamkonferenz zu ihrer 174. Sitzung zusammen und wird ohne Festlegung eines neuen Termins vertagt. 18/1: General Alexander Haig , der Stellvertreter von Sicherheitsberater H. Kis si nger , wird nach Kambodscha, Laos und Thailand entsandt, um die dortigen Regierungen über den Stand der Vietnamverhandlungen und die sie betreffenden Punkte der Vereinbarungen zu unterrichten, wobei in allen Hauptstädten der Wunsch geäußert wird, ein Waffenstillstand in Vietnam möge eine rasche Beendigung des Indochinakrieges ermöglichen. 23/1: In Washington und Hanoi wird folgendes Kommunique veröffentlicht: „Heute, am 23. Januar 1973 um 12. 30 Uhr Pariser Zeit, wurde das Abkommen über die Beendigung des Krieges und die Wiederherstellung des Friedens in Vietnam von Dr. Henry Kissinger im Namen der USA und von Sonderberater Le Duc Tho im Namen der Demokratischen Republik Vietnam (DRV) paraphiert. Das Abkommen wird von den Beteiligten der Pariser Vietnamkonferenz am 27. Januar 1973 im internationalen Konferenzgebäude in Paris formell unterzeichnet werden. Der Waffenstillstand wird am 27. Januar um 24. 00 Uhr Greenwich Mean Time in Kraft treten. Die USA und die DRV bringen die Hoffnung zum Ausdruck, daß dieses Abkommen einen stabilen Frieden in Vietnam garantieren und zur Erhaltung eines dauerhaften Friedens in Indochina und Südostasien führen wird." 27/1: In Paris wird das „Abkommen über die Beendigung des Krieges und die Wiederherstellung des Friedens in Vietnam", das „Protokoll über die Kriegsgefangenen" und das „Protokoll über die Kontroll-und Überwachungskommission" durch die vier Vertragsparteien, vertreten durch die Außenminister, William P. Rogers (USA), Tran Van (Republik Vietnam), Nguyen Duy Trinh (DR Vietnam) und Frau Nguyen Thi Binh (Vietcong) unterzeichnet. Die Unterzeichnung findet auf Wunsch Südvietnams derart statt, daß die Delegationen der Regierung und.der provisorischen Revolutionsregierung einander nicht begegnen und ihre Unterschriften nicht auf dem gleichen Blatt stehen.

Die getroffene Regelung sieht folgendes vor: Waffenstillstand in Vietnam mit Wirkung von 24. 00 Uhr GMT in der Nacht zum 28. Januar; Abzug aller amerikanischen und sonstiger verbündeter Truppen innerhalb von 60 Tagen; Verbot der Verbringung von Truppen und Kriegsmaterial nach Südvietnam; Freilassung bzw. Austausch aller Kriegsgefangenen und Internierten; Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts des südvietnamesischen Volkes; Bildung eines südvietnamesischen „Nationalrats der nationalen Versöhnung und Eintracht"; Einigung zwischen beiden südvietnamesischen Parteien über die „inneren Angelegenheiten" Südvietnams innerhalb von 90 Tagen; Abhaltung freien demokratischer und allgemeiner Wahlen in Südvietnam unter internationaler Überwachung; schrittweise Wiedervereinigung Vietnams mit friedlichen Mitteln; bis zur Wiederherstellung Respektierung der demilitarisierten Zone zwischen Nord-und Südvietnam und Bündnisfreiheit beider Teile Vietnams; Durchführung der Bestimmungen des Abkommens durch eine aus Vertretern der beiden südvietnamesischen Parteien bestehende Militärkommission; Kontrolle und Überwachung durch eine aus Vertretern Kanadas, Ungarns, Polens und Indonesiens bestehende internationale Kommission; Einberufung einer internationalen Vietnamkonferenz innerhalb von 30 Tagen, zu der von den vier Parteien des Abkommens die VR China, Frankreich, die UdSSR, Großbritannien, die vier Staaten der internationalen Kontroll-und Überwachungskommission sowie der Generalsekretär der Vereinten Nationen eingeladen werden; Respektierung der Unabhängigkeit, Einheit, territorialen Integrität und Neutralität von Laos und Kambodscha sowie Abzug aller ausländischen Truppen aus diesen Ländern; Zusage amerikanischer Hilfe für die Beseitigung der Kriegsschäden und den Wiederaufbau in der Demokratischen Republik Vietnam. (Das Abkommen entspricht im wesentlichen dem am 26. 10. 72 von Nordvietnam veröffentlichten Entwurf.)

28/1: Der im Pariser Abkommen vereinbarte Waffenstillstand tritt in Kraft. Trotzdem kommt es an zahlreichen Stellen des Landes weiterhin zu Kampfhandlungen, bei denen beide Seiten versuchen, weitere Dörfer zu erobern oder blockierte Straßen freizukämpfen. Lediglich die amerikanischen Streitkräfte stellen sofort alle Kampfhandlungen ein. Die Kampfhandlungen flauen zunächst ab, wobei sich beide Seiten beschuldigen, für die Verletzung der Waffenruhe verantwortlich zu sein.

29/1: In Saigon konstituieren sich die Internationale Kontrollund Überwachungskommission, der Vertreter Kanadas, Ungarns, Polens und Indonesiens angehören sowie die Vier-Parteien-Militärkommission aus Vertretern der USA, der Regierung beider vietnamesischer Staaten und des Vietcong. Nach ersten Behinderungen der Militärkommission durch administrative Formalitäten gegenüber den kommunistischen Delegationen treten beide Kommissionen am 31. Januar erstmals zu einer gemeinsamen Sitzung zusammen. Die Internationale Kontrollkommission erläßt am gleichen Tage einen Aufruf an die Parteien, das Waffenstillstandsabkommen einzuhalten.

Timor 23/XII: Portugal veröffentlicht ein Autonomiegesetz für Timor (siehe unter „Portugal").

IV. Ostasien,

Japan 9/X: Die Regierung legt einen Plan für die Verteidigungsausgaben in den Jahren 1972 bis 1976 fest, der Ausgaben von 4 630 Milliarden Yen (ca. 48 Milliarden DM) vorsieht, was eine Steigerung von fast 100 °/o gegenüber dem bisherigen Fünf-Jahres-Plan bedeutet.

10/X: Außenminister Walter Scheel führt bei einem Zwischenaufenthalt auf seiner Reise nach Peking in Tokio eine Unterredung mit seinem Amtskollegen Masayoshi Ohira . Beide Seiten vereinbaren eine deutsch-japanische Konsultation zum frühestmöglichen Zeitpunkt im kommenden Jahr und betonen ihr beiderseitiges Interesse an künftigen Beziehungen zwischen Japan und den Europäischen Gemeinschaften.

17-18/X: Außenminister Masayoshi Ohira trifft in Washington zu Gesprächen mit Präsident Nixon und Außenminister Rogers zusammen. Dabei stehen Handelsfragen im Vordergrund; es wird ferner vereinbart, weiterhin in enger Konsultation zusammenzuarbeiten. 19/X: Außenminister Ohira erklärt in Washington, daß China sich nicht einer Fortsetzung der wirtschaftlichen und kulturellen Verbindungen Japans mit Taiwan widersetzt. Außerdem stellt er fest, daß die Verpflichtungen seiner Regierung bei der Verteidigung Taiwans und Okinawas im Rahmen des Sicherheitsvertrages mit den USA durch die japanischen Beziehungen mit China nicht berührt würden. 20/X: Das Kabinett nimmt ein Zusatzbudget in Höhe von 1 154, 268 Mio Yen für das laufende Finanzjahr an, das im März 1973 endet. Damit weist das Budget eine Steigerung von 28, 7 °/o gegenüber dem des Fiskaljahres 1971 und eine von 5, 6 °/o gegenüber dem gesamten Budget auf. 25/X: Außenminister Ohira erklärt nach der Rückkehr aus Moskau, daß Japan auch weiterhin in direktem Kontakt mit der Sowjet-B union wegen der Regelung der Territorialfrage bleiben werde. Die sowjetischen Führer seien an einem Friedensvertrag mit Japan ausgesprochen interessiert, zeigten sich jedoch im Hinblick auf den japanischen Anspruch auf fünf nördliche pazifische Inseln (Kurilen), die von den Sowjets seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges besetzt werden, weiterhin unnachgiebig. 28/X: Ministerpräsident Kakuei Tanaka nennt in einer Regierungserklärung vor dem Parlament die Liberalisierung des Handels und die Reduzierung der Zollsätze als dringliche Maßnahmen zum Abbau des Handelsüberschusses. Den asiatischen Entwicklungsländern werde Japan mehr Wirtschaftshilfe zukommen lassen. In der Außenpolitik spricht er sich für enge und freundschaftliche Beziehungen zu den USA aus. Von möglicherweise säkularer Bedeutung für Japan und als Modellversuch für die Industrienationen wichtig dürften aber Tanakas Vorstellungen über eine völlige Umgestaltung der japanischen Inseln sein. Hierzu sagte er im Wesentlichen: „Auf der anderen Seite führte der Anstieg im Einkommensstandard des Volkes zu Wünschen auf einem höheren und anspruchsvolleren Niveau. Ganz besonders wurde damit der Wunsch nach einem ausgefüllteren Leben wach. Es ist deshalb äußerst wichtig, diesen Forderungen durch eine Wirtschaftspolitik zu entsprechen, die die Ergebnisse des Wachstums verwertet und die Früchte des wirtschaftlichen Wachstums für'unsere nationale Wohlfahrt verfügbar macht. Von diesem Gesichtspunkt aus steht die Aufgabe einer Umgestaltung der japanischen Inseln als politisches Ziel unserer Innenpolitik ihrer Bedeutung nach an erster Stelle. Durch eine drastische Umleitung des Sturzbaches der Bevölkerungskonzentration in den Großstädten, die unsere wirtschaftliche Entwicklung seit der Meiji-Zeit in den letzten hundert Jahren unterstützt hat, müssen wir eine ausgeglichene Nutzung des Bodens fördern. Damit sollen die kraftvollen Energien unserer Nation und unserer Wirtschaft in allen Gegenden der japanischen Inseln auf wirksame Weise neu verteilt werden. Die Regierung wird ein auf die ganze Nation verteiltes Umsiedlungsprogramm der Industrie positiv unterstützen, die Verkehrs-und Informationsnetze der Nation konsolidieren, die existierenden städtischen Funktionen sowie die Lebensumwelt der Städte verbessern und parallel dazu den Aufbau von attraktiven Provinzstädten fördern. Der Wandel im Fluß des Wirtschaftsmaterials und der Arbeitskräfte wird zu einem substantiellen Anstieg des Bodenangebotes führen. Auf diese Weise werden wir mit Unterstützung durch das kürzlich verabschiedete Programm zur nationalen Bodennutzung, durch ein revidiertes Steuersystem und durch andere Maßnahmen rasche Fortschritte in Richtung auf eine Lösung des Bodenproblems machen. Im Hinblick auf das Problem der Umweltverschmutzung wird es möglich sein, gefährliche Verschmutzungen auszuschalten und dabei das wirtschaftliche Wachstum nicht zu unterbrechen. Dazu sollten wir in einer positiven Haltung verschiedene Maßnahmen ergreifen, zum Beispiel die Verabschiedung eines soge-nannten . Fabrikgesetzes', das mit strikteren Bestimmungen ausgestattet ist, die Entwicklung einer Antiverschmutzungstechnologie und angemessene Umsiedlungen von Industrieanlagen. Wir werden auch die Errichtung eines Entschädigungssystems für die Opfer der Umweltverschmutzung fordern. Die Stabilisierung der Preise, insbesondere der Verbraucherpreise, ist eine notwendige und unersetzliche Bedingung für die Verbesserung des Lebensstandards des Volkes. In Überein-stimmung damit haben wir stets verschiedene Maßnahmen zur Strukturverbesserung in den Sektoren mit geringer Produktivität getroffen, etwa in den Klein-und Mittelbetrieben und in den Dienstleistungsindustrien." 29/X: Außenminister Ohira erklärt, daß Japan nicht beabsichtigt, die Beziehungen zu Nordkorea zu normalisieren. Er führt aus, daß es für Japan wesentlich besser sei, die kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Staaten zu fördern, während Nord-und Südkorea Gespräche über die Wiedervereinigung der geteilten Nation führen. 13/XI: Kaiser Hirohito löst auf Vorschlag von Ministerpräsident Kakuei Tanaka das Unterhaus auf. Neuwahlen werden für den 10. Dezember angesetzt.

28/XI: Der Botschafter der Republik China in Japan, Peng Meng-chi, reist von Tokio nach Taipeh ab, womit 20 Jahre der diplomatischen Beziehungen zwischen Japan und Taiwan beendet werden.

10/XII: Bei den Parlamentswahlen ergibt sich folgende Verteilung der Sitze im Unterhaus (in Klammern die bisherige Sitzverteilung): Liberaldemokratische Partei 271 (297), Sozialistische Partei 118 (81), Kommunistische Partei 38 (14), Komeito 29 (47), Demokratische Sozialistische Partei 19 (29), Splitterparteien 2 (—), Unabhängige 14 (3). 22/XII: Ministerpräsident Kakuei Tanak a gibt die Zusammensetzung der neuen Regierung bekannt. Ihr gehören u. a. an: Masayoshi Ohira als Außenminister, Kiichi Aichi als Finanzminister, Yasuhiro Nakasone als Außenhandels-und Industrieminister und Keikichi Masu hara als Staatsminister und Generaldirektor des Amts für Verteidigung.

Volksrepublik China 19/IX-19/XII: Die XXVII. Session der UN-Vollversammlung bietet den Vertretern Pekings Gelegenheit, grundsätzliche Positionen ihrer Außenpolitik u. a. auch zur Korea-Frage und in der Auseinandersetzung mit der UdSSR über Abrüstungsthemen darzulegen (siehe unter „Vereinte Nationen“).

1/X: Die Volksrepublik China feiert den 23. Jahrestag ihrer Staatsgründung. In einem zu diesem Anlaß publiziertem Jubiläumsartikel in der Jen-min Jih-pao (Volkszeitung) werden besonders die Erfolge Chinas in der Außenpolitik im vergangenen Jahr gewürdigt. Als größte Triumphe werden die Aufnahme Pekings in die Vereinten Nationen sowie die Verständigung mit den USA und Japan gefeiert. Als Hauptgefahren werden nach wie vor der „USA-Imperialismus" und der „sowjetische Revisionismus" hingestellt.

10-14/X: Außenminister Scheel in Peking (siehe unter „Bundesrepublik Deutschland“). 14/X: Einem Kommunique zufolge werden mit den Malediven diplomatische Beziehungen aufgenommen. Das Kommunique enthält die übliche Taiwanformel, mit der die Malediven den chinesischen Alleinvertretungsanspruch anerkennen.

29/X-l/XI: Außenminister Alec Dougla s -Home in Peking (siehe unter „Großbritannien“). 2/XI: Der sich zu einem offiziellen Besuch in China aufhaltende österreichische Außenhandelsminister Joseph Staribacher unterzeichnet mit Außenhandelsminister Pai Hsiang-kuo einen ersten offiziellen Handelsvertrag zwischen beiden Staaten.

6/XI: Die Volksrepublik China vereinbart mit Madagaskar anläßlich des Besuchs von Außenminister Didier Ratsi raka in Peking die Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Bis zum Frühjahr des gleichen Jahres hatte Madagaskar Beziehungen zur Republik China unterhalten. 6/XI: Die Volksrepublik China protestiert gegen einen am 2. November von der Sowjetunion durchgeführten unterirdischen Atomversuch, der von der amerikanischen Atomenergie-Kommission gemeldet wurde. China stellt das sowjetische Bemühen in den Vereinten Nationen um nukleare Abrüstung und einen Teststop als „doppelzüngig" hin, da die UdSSR im Jahre 1972 durchschnittlich jeden Monat einen unterirdischen Atomversuch unternommen habe. 11/XI: Premierminister Chou En-lai äußert sich in einem Gespräch mit skandinavischen Journalisten zum ersten Male zum Grundvertrag zwischen der Bundesrepublik und der DDR. Dabei erklärt er, daß es nicht möglich sei, „dem deutschen Volk eines Tages die Verwirklichung der Wiedervereinigung zu verwehren". Vielleicht könne man sagen, erklärt er, daß durch den Grundvertrag „die Beziehungen der beiden deutschen Staaten um einen Schritt vorangekommen sind. Aber ich glaube, daß beide Seiten gewisse Zugeständnisse gemacht haben". 14/XI: Peking lehnt in einer Note an Mexiko den Beitritt zum Vertrag von Tlatelolco ab (siehe unter „Mexiko").

16/XI: Die Volksrepublik China vereinbart mit Luxemburg als letztem der EWG-Staaten die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen. Dem Kommunique zufolge anerkennt Luxemburg die Regierung der VR China als „einzige rechtmäßige Regierung Chinas".

17-20/XI: Der stellv. Außenminister und Chefdelegierte bei den Vereinten Nationen, Chiao Kuan-hua, trifft zu einem offiziellem Besuch in Paris ein, wo er u. a. mit Außenminister Schumann konferiert. Hauptgesprächsthemen sind der Vietnamkonflikt sowie die Beziehungen zwischen China und Europa. 21/XI: Die Volksrepublik China und Jamaika vereinbaren die Aufnahme diplomatischer Beziehungen. In einem Kommunique dazu anerkennt Jamaika die Regierung der VR China „als einzige legale Regierung Chinas". Jamaika ist der siebte Staat in Lateinamerika mit Beziehungen zur Volksrepublik China (die anderen sind Kuba, Chile, Peru, Argentinien, Mexiko und Guyana). 24/XI: Die Volksrepublik China nimmt diplomatische Beziehungen zur Republik Zaire (Kongo-Kinshasa) auf, die gleichzeitig die Beziehungen zur Republik China abbricht. Im Kommunique wird jedoch auf eine Erwähnung des chinesischen Alleinvertretungsanspruchs verzichtet.

6/XII: Der chinesische Vertreter bei den Vereinten Nationen, Chen Chu, unterstützt vor dem ersten Ausschuß der UNO-Vollversammlung den bereits 1971 von der Ministerpräsidentin Sri Lankas, Frau Bandar anai ke , gemachten Vorschlag, den Indischen Ozean zu einer „Zone des Friedens" zu erklären. Er verweist dabei auf die Politik der „Supermächte", die eine „Kanonenbootpolitik unter dem Aushängeschild der sogenannten Freiheit der Meere" betrieben und damit Hauptursache für die Bedrohung des Friedens und der Sicherheit im Indischen Ozean seien.

15/XII: In Peking wird der erste Handelsvertrag mit der Bundesrepublik paraphiert. Der Vertrag hat gemäß den EWG-Bestimmungen eine Gültigkeit bis 1974, seine neun Paragraphen behandeln im wesentlichen die Meistbegünstigung des Handels, den Zahlungsverkehr und die Einsetzung einer gemischten Kommission. Zu West-Berlin heißt es, daß es „entsprechend der tatsächlichen Lage" in den Anwendungsbereich des Vertrages einbezogen wird. Zur gleichen Zeit sendet das Auswärtige Amt der BRD ein Schreiben an den Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Eppler , in dem es darum bat, Taiwan in Zukunft keine neue Hilfe zu gewähren. Als Begründung wird darauf hingewiesen, daß „die Regierung der Volksrepublik China auch uns gegenüber an ihrer bekannten Politik des Alleinvertretungsanspruches festzuhalten wünsche, und die deutsche Seite dazu keinerlei Vorbehalte geäußert hat".

16/XII: Mit 47 zu 8 Stimmen bei 20 Enthaltungen entscheidet der Haushaltsausschuß der Vollversammlung der Vereinten Nationen, daß die Volksrepublik China die ca. 57 Mio Dollar Beitragsschulden der Regierung der Republik China nicht übernehmen muß. Von Interesse ist in diesem Zusammenhang, daß gegen diesen Entschluß Brasilien sowie Länder des Sowjetblocks stimmten, während sich Großbritannien wie auch Frankreich der Stimmen enthielten. Die USA und Japan befürworteten die Entschließung.

» 21/XII: Nachdem noch in den Monaten zuvor Berichte über einen sino-sowjetischen Grenzzwischenfall aus dem Jahre 1971 von China wie der Sowjetunion dementiert worden waren, bestätigt die „Kachstanskaja Prawda" in einem Artikel über die Grenztruppen, daß im Herbst 1971 bei einem Zusammenstoß mit China ein sowjetischer Soldat erschossen und zwei andere verletzt worden seien.

29/XII: Die Volksrepublik China und Dahomey vereinbaren die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen.

Republik China (Taiwan)

10/X: Bei einer Massenveranstaltung in Taipeh anläßlich des Jahrestages der Gründung der Republik China, an der über 200 000 Menschen teilnahmen, fällt auf, daß Präsident Chiang Kai-shek zum ersten Male nicht anwesend ist.

21/X: Mehr als 1 000 Überseechinesen, die nach Taipeh gekommen waren, um den Tag der Auslandchinesen zu begehen, erklären ihre Unterstützung für die Regierung in ihrem Kampf gegen den Kommunismus. Präsident Chiang Kai-shek fordert in einer Botschaft die Überseechinesen auf, „die kommunistischen Waren zu boykottieren und den wirtschaftlichen Krieg gegen chinesische Kommunisten auszudehnen".

23/XII: Ca. 60 Prozent der ungefähr 7, 5 Millionen Wahlberechtigten nehmen an den Ergänzungswahlen zur Nationalversammlung, den ersten Parlamentswahlen seit 1949, teil. Insgesamt waren 293 Kandidaten für die 36 freien Sitze im Legislativ-Yüan und die 53 Sitze in der Nationalversammlung aufgestellt, von denen die regierende Kuomintang-Partei 43 erhält.

26/XII: Offizielle Vertreter zweier halbprivater Organisationen in Japan und Taiwan unterzeichnen ein Abkommen, das die Fortsetzung offizieller Beziehungen erlaubt. Entsprechend diesem Abkommen wird die japanische „Japan-Taiwan Interchange Association"'und die taiwanesische „East Asia Relations Association" Fragen des Handels sowie Visa-Angelegenheiten behandeln.

Nordkorea 22-25/XII: Der Außenminister der Volksrepublik China, Chi Peng-fei, hält sich zu einem Besuch in der Demokratischen Volksrepublik Korea auf. Beide Seiten verpflichten sich zur Erweiterung der bilateralen Zusammenarbeit und bekunden ihre Entschlossenheit, die Völker Vietnams, Kambodschas und Laos in ihrem Kampf gegen die Aggression der Vereinigten Staaten zu unterstützen.

28/XII: Die Oberste Volksversammlung der Demokratischen Volksrepublik Korea nimmt eine neue Verfassung an, die den wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen seit 1948 Rechnung trägt und aus der alten Verfassung alle Passagen nicht übernimmt, die Wiedervereinigungsbemühungen erschweren könnten. Sie wählt den bisherigen Ministerpräsident Kim II Sung zum Staatspräsidenten. Ministerpräsident wird Kim II, das Amt des Außenministers behält Ho Dam.

Innerkoreanische Beziehungen 12/X: Der gemeinsame Koordinierungsausschuß Nord-und Süd-Koreas tritt in Panmun-jon zu seiner ersten Sitzung zusammen. In einem Kommunique betonen beide Seiten, daß sie ihre Vereinbarung über die Aussöhnung und Wiedervereinigung beider Landesteile einhalten wollen.

2-4/XI: Die Republik Korea und die Demokratische Volksrepublik Korea vereinbaren ein Abkommen, das die Aufgaben und die Zusammensetzung des aufgrund des Übereinkommens vom 4. Juli gebildeten Koordinierungsausschusses Nord-Süd regelt. Darin ist vorgesehen, daß der Ausschuß u. a. Fragen der Realisierung der Unabhängigkeit und friedlichen Wiedervereinigung, der Entspannung zwischen Norden und Süden sowie des politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Austauschs diskutieren und beschließen soll. Der Koordinationsausschuß soll wechselweise in Pjöngjang und Seoul tagen. Ferner soll ein Exekutivrat eingesetzt werden, der einmal monatlich zusammentreten soll.

22/X: Vertreter der Rotkreuz-Gesellschaften Nord-und Südkoreas vereinbaren bei ihrer vierten Gesprächsrunde in Seoul die Errichtung eines Büros in Panmunjon zur Lösung der Probleme getrennter Familien.

Südkorea 19/IX-19/XII: Die XXVII. Session der UN-Vollversammlung behandelt u. a. die Korea-Frage (siehe unter „Vereinte Nationen“). 17/X: Staatspräsident Park Chung Hee verhängt durch einen Erlaß über die gesamte Republik Korea das Kriegsrecht für die Dauer von drei Monaten. Er ordnet die Auflösung des Parlaments an und setzt Teile der Verfassung außer Kraft. Wie es in dem Erlaß heißt, sollen diese Maßnahmen der Reform des Verfassungssystems im Hinblick auf die Wiedervereinigung mit Nord-Korea dienen.

23/X: Ein außerordentlicher Staatsrat, bestehend aus Kabinettsmitgliedern und anderen führenden Politikern, übernimmt offiziell die Funktion der Nationalversammlung.

27/X: Präsident Park Chung Hee legt eine neue Verfassung vor, über deren Annahme eine Volksabstimmung innerhalb eines Monats entscheiden soll. Sie sieht eine sechsjährige Amtszeit des Präsidenten vor, der von einem Wahlmännergremium gewählt werden soll, das aus je einem Delegierten für jede der 2 820 administrativen Einheiten besteht.

Die Nationalversammlung soll ebenfalls auf sechs Jahre gewählt werden (bisher vier), ein Drittel ihrer Mitglieder soll von dem gleichen Gremium gewählt werden, während die anderen zwei Drittel durch direkte und geheime Wahlen bestimmt werden sollen. Die Präambel verpflichtet erstmals zu Bemühungen um eine friedliche Wiedervereinigung, zu deren Förderung eine „Nationale Wiedervereinigungskonferenz" gebildet werden soll.

21/X: In einem Referendum stimmen 91 °/o der ca. 14 Millionen Stimmberechtigten für die Annahme der neuen Verfassung. Park Chung Hee erklärt nach der Wahl, daß er nunmehr seine Politik darauf konzentrieren werde, die Reformpolitik zu intensivieren.

13/XII: Die Regierung verfügt die Aufhebung des Kriegsrechts.

15/XII: Ca. 70 °/o der insgesamt 15, 8 Millionen Stimmberechtigten in Süd-Korea wählen von 5 837 Kandidaten das neue konstitutionelle Organ — die Nationale Konferenz für Wiedervereinigung —, deren 2 259 Delegierte den neuen Präsidenten für eine sechsjährige Periode bestimmen.

23/XII: Präsident Park Chung Hee wird von der „Nationalen Konferenz für Wiedervereinigung" in seinem Amt bestätigt. Am 27. Dezember tritt die neue Verfassung in Kraft, womit Süd-Korea zu einer verfassungsgemäßen Regierung zurückkehrt. 29/XII: Der außerordentliche Staatsrat nimmt zwei Gesetze über die Zulassung der politischen Parteien und die Wahl von Parlaments-mitgliedern an. Die Gesetze sehen für die Nationalversammlung 219 Mitglieder vor, von denen 146 vom Volk gewählt werden sollen. Die restlichen 73 Mitglieder werden von der Nationalen Konferenz für Wiedervereinigung aus einer Empfehlungsliste von Präsident Park Chung Hee gewählt.

V. Ozeanien

Australien 13/XI: Der Führer der Labour Party, Gough Whitla m, kündigt im Hinblick auf die für den 2. Dezember vorgesehenen Wahlen an, daß eine Labour-Regierung die VR China anerkennen und ihre Truppen aus Singapur abziehen würde.

2/XII: Bei den Parlamentswahlen ergibt sich folgende Verteilung der Sitze im Repräsentantenhaus (in Klammem die bisherige Sitz-Verteilung)? Labour Party 67 (59), Liberal Party 38 (46), Country Party 20 (20). Damit kommt die Labour Party nach 23 Jahren Opposition wieder an die Regierung. Am 5. Dezember übernimmt der Vorsitzende der Labour Party, Edward Gough Whitlam , das Amt des Premierministers. Vor der Presse gibt er am gleichen Tage eine Neuorientierung der australischen Außenpolitik bekannt und kündigt u. a. die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur VR China und die Überprüfung der australischen Mitgliedschaft in der Südostasienpakt-Organisation (SEATO) an.

11/XII: Der stellvertretende Premier-und Verteidigungsminister Lance Barnard kündigt den Abzug der australischen Streitkräfte — 150 Militärberater — aus Süd-Vietnam innerhalb von drei Monaten an.

18/XII: Die Labour Party wählt in einer Fraktionssitzung die Minister der neuen Regierung. Das Amt des Außenministers übernimmt Premierminister Edward Gough Whit -lam selbst.

22/XII: Australien gibt die Anerkennung der Volksrepublik China und die gleichzeitige Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Peking bekannt. Gleichzeitig wird die Schließung der australischen Botschaft auf Taiwan vor dem 25. Januar 1973 angekündigt.

27/XII: Verteidigungsminister Lance Bar -

nard gibt den Beschluß der Regierung bekannt, jede Verteidigungshilfe an Süd-Vietnam einzustellen, nachdem bereits am 20. Dezember alle Militärberater Vietnam verlassen haben.

28/XII: Die Regierung gibt die Aufhebung des Verbotes für australische Staatsbürger, nach Nord-Vietnam zu reisen, bekannt.

Neuseeland 25/XI: Bei den Parlamentswahlen ergibt sich folgende Verteilung der Sitze im Abgeordnetenhaus (in Klammern die bisherige Sitzverteilung): Labour Party 56 (40), National Party 31 (44).

8/XII: Aufgrund der Wahlergebnisse übernimmt der Vorsitzende der Labour Party, Norman Kirk , das Amt des Premierministers. Bei der Vorstellung seines Kabinetts gibt er bekannt, daß er auch als Außenminister amtieren wird. Am 11. Dezember verkündet Kirk in einer Rede die Abschaffung der Wehrpflicht und kündigt den sofortigen Abzug der neuseeländischen Militärausbilder aus der Republik Vietnam an.

22/XII: Neuseeland anerkennt die Volksrepublik China und unterzeichnet ein Kommunique über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen, in dem es u. a.den chinesischen Anspruch auf Taiwan bestätigt. AFRIKA Auch für diesen geographischen Großraum wurde wegen der Komplexheit seiner Gliederung eine spezielle Unterteilung für die im vorliegenden Heft behandelten Staaten entwickelt:

1. Allgemeiner Überblick II. überregionale Ereignisse III. Nordafrika (Ägypten, Algerien, Libyen, Marokko, Sudan, Tunesien)

IV. Westafrika (Dahomey, Ghana, Portugiesisch-Guinea, Liberia, Nigeria, Obervolta, Senegal, Togo)

V. Ostafrika (Äthiopien, Kenia, Malawi, Madagaskar, Sambia, Somalia, Tansania, Uganda)

VI. Zentralafrika (Äquatorial-Guinea, Burundi, Rwanda, Tschad, Zaire)

VII. Südliches Afrika (Angola, Moqambique, Rhodesien, Republik Südafrika, Namibia)

I. Allgemeiner Überblick

Auch im IV. Quartal bleibt der afrikanische Kontinent von Erschütterungen nicht verschont. Die Ausweisung der Asiaten aus Uganda verschärft die Lage in Ostafrika. Wohl kann Uganda mit Tansania ein Friedensabkommen vereinbaren; doch sind bereits Auswirkungen der rassistischen Vertreibungspolitik General Idi Amins auf andere afrikanische Staaten zu spüren. In Kenia, Zaire und Liberia drängen starke Kräfte immer mehr auf eine drastische Afrikanisierung der Wirtschaft, insbesondere des Handels.

Neben Rassenkonflikten scheinen nun auch religiöse Konflikte in Afrika stärker in den Vordergrund zu treten. 10 000 Zeugen Jehovas werden aus Malawi vertrieben; Uganda weist katholische Missionare aus, und in Mogambique werden Presbyterianer verfolgt und verhaftet.

Ein weiteres bemerkenswertes Phänomen ist die Abkühlung der Beziehungen zwischen Israel und einigen afrikanischen Staaten: Nach Uganda bricht der mit Israel lange befreundete Tschad die diplomatischen Beziehungen zu Israel ab. Hinter diesen Bestrebungen steht der Druck der arabischen Staaten, insbesondere Libyens, die anstelle Israels Entwicklungshilfe leisten. Inwieweit es Israel gelingt, seine Position in einigen afrikanischen Staaten, wie z. B. Rwanda, zu verstärken, ist abzuwarten.

II. Überregionale Ereignisse

November: Der französische Staatspräsident Georges Pomp idou besucht Obervolta und Togo (20-24/XI). Die ursprünglich geplante Visite in Dahomey wird wegen des dortigen Militärputsches verschoben. Alle drei Staaten sind mit Frankreich wirtschaftlich eng verbunden. Die Reise Pompidous hat auch für die anderen frankophonen afrikanischen Länder Bedeutung, denn der Präsident teilt mit, daß Frankreich den Staaten seines früheren Kolonialreichs die Schulden und Zinszahlungen auf Anleihen vor der Zeit der Unabhängigheit in Höhe von rund 650 Millionen DM erlassen werde, um ihnen wirtschaftliche Erleichterungen zu verschaffen. Die Reise Pompi dous muß im Zusammenhang mit den verstärkten Emanzipationsbestrebungen der frankophonen afrikanischen Staaten gesehen werden, welche die Vorherrschaft Frankreichs über ihre Wirtschaft und Währung und damit über ihre Politik nicht mehr hinnehmen wollen (siehe auch unter „Frankreich").

Auf einer Konferenz der Finanzminister der Franc-Zone im November in Brazzaville stimmt Frankreich einer neuen Regelung zu, die den Afrikanern künftig größeres Mitspra-cherecht bei währungspolitischen Entscheidungen sichern soll. Die Franc-Zone umfaßt auf dem afrikanischen Kontinent außer Madagaskar noch 12 Staaten: Kamerun, Zentralafrikanische Republik, Tschad, Volksrepublik Kongo, Dahomey, Gabun, Elfenbeinküste, Mali, Niger, Senegal, Obervolta und Togo. Dieser ursprünglich nach dem Krieg von Frankreich zur gegenseitigen Unterstützung und Abschirmung geschaffene Währungsbereich des Franc hatte sich immer mehr von einer wirtschaftlichen Notgemeinschaft zu einem währungspolitischen Schutzgebiet Frankreichs entwickelt. Unter der Oberaufsicht der Bank von Frankreich, welche die Parität nach außen hin uneingeschränkt garantiert, haben diese Staaten im CFA-Franc eine gemeinsame Währung, die allerdings ausschließlich innerhalb der Franc-Zone frei konvertierbar ist, für den Zahlungsverkehr nach außen indessen in französische Francs umgewandelt werden muß. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, sämtliche im Außenhandel erwirtschafteten Devisen bei der Bank von Frankreich in Paris zu hinterlegen. — Frankreich will nun in Zukunft seine afrikanischen Partner über einen Teil ihrer Devisenreserven frei verfügen lassen. Mauretanien hat darüber hinaus den Austritt aus der Franc-Zone erklärt und die Bildung einer eigenen, von Paris nicht mehr abhängigen Landeswährung angekündigt (28/XI).

12-14/XII: Die Stabschefs von 18 arabischen Staaten treffen in Kairo zu Besprechungen über einen gemeinsamen Aktionsplan gegenüber Israel zusammen. Die Gespräche werden zunächst überraschend ergebnislos abgebrochen, doch sorgt der ägyptische Präsident Anwar as-SADAT für die Fortsetzung. Man einigt sich darauf, eine gemeinsame Organisation für die Rüstungsproduktion zu gründen. Jeder arabische Staat soll 15 % seines Bruttosozialprodukts für die Rüstung ausgeben; bis jetzt verwenden die arabischen Länder zwischen 1, 5% und 23% ihres BSP für die Rüstung (Israel: 31 %).

III. Nordafrika

Ägypten Oktober: Ägypten fordert den Sudan auf, den Rest seiner am Suezkanal stationierten Truppen abzuziehen. Im Zuge der sudanesischen Versöhnungspolitik mit Schwarzafrika ist es zu Verstimmungen zwischen dem Sudan und einigen arabischen Staaten gekommen. Der sudanesische Staatschef Jaaffar Mohammed al Numeiri entläßt verschiedene ägyptenfreundliche Minister, weist den ägyptischen Rektor sowie Professoren der ägyptischen Universität in Khartum aus und läßt zwei ägyptische Staatsbetriebe schließen. Ende Oktober ruft Kairo einen Teil seiner seit 1969 im Sudan stationierten Truppen ab. 15/X: Staatspräsident Anwar as-SADAT setzt sich in einer Rede für eine weitere Zusammenarbeit mit der Sowjetunion ein. 16-18/X: Ministerpräsident Aziz SIDKI besucht Moskau, um erneut um sowjetische Waffenhilfe zu bitten. Er versucht u.

a. das seit der Ausweisung der sowjetischen Militärberater gestörte Verhältnis zwischen den beiden Staaten zu verbessern. 22/X: Nach Berichten der BBC London soll gegen Staatspräsident Anwar as-SADAT am 12/X wegen seiner zögernden Israel-Politik ein Staatsstreich geplant worden sein. 200 bis 300 Offiziere wurden angeblich verhaftet. Kairo bezeichnet die ausländische Meldung als „übertrieben". 26/X: Präsident as-SADAT nimmt den Rücktritt des Stellvertretenden Ministerpräsidenten, Kriegsministers und Oberbefehlshabers der Streitkräfte, General Mohammed Ahmed Sadek , an und ernennt zu seinem Nachfolger General Ahmed Ismail Ali . Sadeks Rücktritt war von Sadat gefordert worden, nachdem Sadek sich geweigert hatte, ein Kommandounternehmen mit Fallschirmjägern (Bildung eines Brückenkopfes auf dem Sinai zur Vorbereitung einer diplomatischen Offensive Kairos gegen Israel) durchzuführen, mit der Begründung, die Heimatfront sei auf solche Aktionen nicht vorbereitet; tatsächlich aber befand sich die Armee in nicht einsatzfähigem Zustand und verfügte nur noch über Munition für 3 Kampftage — ein Tatbestand, den Sadek der antisowjetischen Politik Sadats (Ausweisung der Militärberater) zuschreibt. Offiziell wurde Sadeks Rücktritt damit begründet, daß er nun den Oberbefehl über die Vereinigten Arabischen Streitkräfte im Kampf gegen Israel übernehme, was in der Folge auch geschah. 7/XII: Sidki gibt bekannt, daß die USA die von Ägypten erbetene Lieferung von Phantom-Flugzeugen abgelehnt hätten.

10-12/XII: Das ägyptische Parlament übt Kritik an S Regierungserklärung vom idkis 27/XI: die Kriegsvorbereitungen seien zu gering. Außerdem fordert die Volksversammlung freundschaftliche Beziehungen zur UdSSR und fordert die Dreierföderation Ägypten/Syrien/Libyen zu Pressionen gegen die USA auf. Seit der Machtergreifung Abdel Nass ers 1954 ist das die härteste Kritik eines ägyptischen Parlaments an der Regierung. Sie ist Symptom für die wachsende Unzufriedenheit bei breiten Bevölkerungsschichten über den Zustand des „Weder Krieg noch Frieden". Sidki sieht im Krieg die einzige Möglichkeit zur Lösung des Nahostkonflikts.

Algerien 5/XII: Der chilenische Präsident Salvador Allende Gossens trifft in Algier zu einem Staatsbesuch ein.

Libyen 21/X: Staatspräsident Omar Moammar Kha -

dhafi weist mehrere syrische Experten aus.

Ursache dafür dürften die zurückhaltende Haltung Syriens gegenüber der Fusion Ägypten-Libyen und die enge Zusammenarbeit zwischen Syrien und Moskau sein, die KHA-DHAFi mißfällt.

29/X: Die Entführer einer deutschen Lufthansa-Maschine sowie die von ihnen befreiten Attentäter des Massakers von München landen in Tripolis, wo die Geiseln freigelassen werden.

26-28/XI: Die Staatsoberhäupter der Republik Jemen und der Demokratischen VR Jemen treffen in Tripolis zusammen, um auf Anregung Libyens über eine mögliche Vereinigung beider Staaten zu beraten.

28/XI: Das 400 Mann starke libysche Truppenkontingent, das von Khadhaf i zur Unterstützung General Idi Amins im September nach Uganda geschickt worden war, kehrt nach Libyen zurück (siehe unter „Uganda“).

Marokko 17/X-7/XI: In Kenitra werden 220 Angehörige der marokkanischen Armee angeklagt. Sie werden beschuldigt, an dem Putsch gegen König Hass an II. teilgenommen zu haben, nach dessen Scheitern sich General OUFKIR, den man für den Hauptinitiator hält, das Leben genommen hatte. Nach Beendigung des Prozesses, in dem elf Todesurteile verhängt werden, ist immer noch nicht endgültig klar, wer an dem Putsch in der Absicht teilgenommen hatte, den König umzubringen. Es scheint, daß Oufki r seine Leute bewußt bis zum Schluß getäuscht hat, um möglichst wenig Mitwisser zu haben. Von den 220 Angeklagten werden 42 schuldig, die übrigen werden frei gesprochen.

November: Am 2/XI wird Ahmed Osm an , ein Schwager des Königs, zum Ministerpräsidenten ernannt und mit der Regierungsbildung betraut. Nachdem die Bildung einer „nationalen Koalition" an der Weigerung der Oppositionsparteien, sich an der Regierung zu beteiligen, scheitert, bildet am 19/XI Os-man eine Regierung, die in den wesentlichen Ressorts unverändert bleibt.

9/XII: Bei Studentendemonstrationen werden 80 Studenten und Professoren verletzt und 40 Studenten durch die marokkanische Polizei festgenommen. Die Studenten hatten die Frei-B lassung von 48 politischen Gefangenen in Casablanca gefordert.

Sudan Oktober: Die Streitigkeiten zwischen Ägypten und dem Sudan'Verschärfen sich, nachdem die ägyptische Regierung den Sudan aufgefordert hat, den Rest der am Suezkanal stationierten sudanesischen Truppen abzuziehen (siehe unter „Ägypten“).

26/X: Der Sudan und die UdSSR wollen nach mehr als einjähriger Unterbrechung wieder Botschafter austauschen. Im Juli 1971 waren die Beziehungen zwischen beiden Staaten eingefroren worden, nachdem NUMEIRI der Dahomey 26/X: Unter Führung von Major Mathieu KERE-Kou stürzt das Militär die Regierung. Der neue Präsident Kerekou , der auch das Ver-teidigungs-und das Planungsministerium leiten wird, war schon einer der Haupturheber des Militärputsches, durch den General Soglo 1967 gestürzt worden war.

27/X: Kere kou gibt die Bildung eines „Militärrates der Revolution" bekannt, der sich aus 12 jungen Offizieren und Unteroffizieren zusammensetzt.

Ghana 13/XII: Ghana und die DDR nehmen diplomatische Beziehungen auf.

Portugiesisch-Guinea 12/X: Portugiesische Armee-Einheiten dringen von Port. Guinea aus in den Senegal ein (siehe unter „Senegal").

16/X: Der Vertreter der Unabhängigkeitsbewegung in Port. Guinea, Amilcar Cabral , erklärt vor den Mitgliedern des UN-Ausschusses für Entkolonialisierung, seine Bewegung habe eine Nationalversammlung gebildet. Cabral s Partei kontrolliert nach eigenen Angaben zwei Drittel von Port. Guinea, wo ca. 30 000 portugiesische Soldaten stationiert sind.

Liberia 5/XI: Die liberianische Regierung kündigt für 1973 die Entlassung von Tausenden ausländi-

Sowjetunion vorgeworfen hatte, einen kommunistischen Umsturzversuch im Sudan unterstützt zu haben.

Tunesien 13-18/XII: Der libysche Staatschef Khadhaf i trifft zu Gesprächen mit Staatschef Habib Bourguib a in Tunis zusammen, dem er einen Anschluß an Libyen vorschlägt, was dieser ablehnt.

17/XII: Tunesien und die DDR nehmen diplomatische Beziehungen auf und schließen mehrere Abkommen über Warenaustausch und kulturell-wissenschaftliche Zusammenarbeit. IV. Westafrika scher Arbeitskräfte an; Ziel der Maßnahme, die sich vorwiegend gegen die libanesische und asiatische Kolonie in Monrovia richtet, ist die „Liberialisierung" der Wirtschaft.

Nigeria 12-14/XI: Nigerianische Gastarbeiter werden in Äquatorialguinea erschossen (siehe unter „Äquatorialguinea“).

Obervolta 21/XI: Der französische Staatspräsident Pom -pidou besucht Obervolta (siehe unter „überregionale Ereignisse“).

Senegal 12/X: Portugiesische Panzer dringen von Port. Guinea aus auf senegalesisches Gebiet vor. Trotz sofortiger Entschuldigung Portugals ruft Präsident Leopold Sedar Senghor die Vereinten Nationen an, da es sich nicht um die erste bewaffnete Aggression Portugals handele.

23/X: Der UN-Sicherheitsrat verurteilt Portugal wegen militärischen Aktionen gegen senegalesisches Territorium.

Togo 22-24/XI: Der französische Staatspräsident Pomp idou besucht Togo (siehe unter „überregionale Ereignisse“).

V. Ostafrika

Äthiopien 7-9/X: Der Präsident von Zaire, Mobutu Sese Seko , trifft sich mit Kaiser Haile Selas si e zu Gesprächen über die durch die ugandischtansanischen Streitigkeiten (siehe unter „Uganda") gefährdete Lage in Ostafrika.

Kenia 16/X: Der ugandische Staatschef Idi Amin weist Asiaten mit kenianischen Pässen aus (siehe unter „Uganda").

12/XII: Anläßlich einer Feier zum 9. Jahrestag der Unabhängigkeit Kenias verkündet Präsident Yomo Kenyatt a , daß auch Kenia seine Wirtschaft „afrikanisieren" wolle. Allerdings werde es keine Enteignungen geben. Seit der Ausweisung der Asiaten aus Uganda hatte Kenyatt a die in seinem Land befindlichen Asiaten beruhigt, da er prinzipiell eine Politik der Gleichgewichts in seinem Land betreibt. Diese Gleichgewichtspolitik war jedoch vom radikalen Flügel der Regierungspartei, „Kenya African National Union" (KANU), seit längerem kritisiert worden.

Malawi Oktober/November: Mehr als 10 000 Zeugen Jehovas fliehen aus Malawi, wo sie verfolgt werden, nach Sambia und nach Mozambique. Etwa 60 Zeugen Jehovas sind getötet worden. Nachdem die Sekte — sie war vor ca. 30 Jahren aus Amerika über Südafrika nach Malawi, Rhodesien und Sambia gekommen — vor sieben Jahren von Präsident Kamuzu Hastings Banda verboten worden war, aber illegal weiterbestehen konnte, kam es nach der Jahresversammlung der „Malawi Congress Party" (MCP) vom 11. bis 16. 9. zur erneuten Verurteilung der Sekte und zu gewalttätigen Verfolgungen. Den Zeugen Jehovas wird vornehmlich vorgeworfen, daß sie keine weltliche Oberhoheit anerkennen, sich weigern, politischen Parteien beizutreten und die Nationalflagge zu grüßen.

Madagaskar 8/X: Die Militärregierung Gabriel RAMAN-antsoas wird von der madegassischen Bevölkerung für weitere fünf Jahre im Amt bestätigt (80, 75 °/o Ja-Stimmen bei einer hohen Wahlbeteiligung der eingeschriebenen Wähler). Der Ausgang des Referendums bedeutet gleichzeitig eine schwere Niederlage des entmachteten Präsidenten Philibert Tsiranan a , der nach den blutigen Mai-Unruhen die Regierungsgeschäfte an Ramanantsoa abgeben mußte.

Sambia 19/X: 9 Angehörige der oppositionellen „Vereinigten Volkpartei", die erst vor zwei Wochen gegründet worden war, werden inhaftiert, darunter auch der frühere Handelsminister Justin Chimba . Die Gründer der Partei sind Politiker, die erst vor wenigen Monaten aus dem Gefängnis entlassen worden sind.

Sie waren verhaftet worden, als sie unter Führung des ehemaligen Vizepräsidenten Simon Kapw epw e die „Vereinigte Progressive Partei" gegründet hatten. Diese Partei war im Februar von Präsident Kenneth Kaunda für illegal erklärt worden; Kapw epw e befindet sich seitdem in Haft.

13/XII: Mit der kürzlich vom Parlament gebilligten Verfassungsänderung wird Sambia zum Einparteienstaat. Staatspartei ist allein die „United National Independence Party"

(UNIP). Die einzige bisher zugelassene Oppositionspartei, „African National Congress" unter Harry Nkumbul a , hört damit auf zu bestehen.

Somalia Anfang Oktober: Die somalische Regierung bietet ihre Vermittlung im Streit zwischen Uganda und Tansania an. Am 6/X wird in Mogadischu zwischen den Außenminstern der beiden betroffenen Staaten unter Vorsitz des somalischen Präsidenten Mohammed Siad Barre ein Abkommen zur Beilegung des Konflikts unterzeichnet (siehe unter „Tansania").

Tansania 6/X: In der somalischen Hauptstadt Mogadischu wird ein Friedensabkommen zwischen den Außenministern von Tansania und Uganda unterzeichnet. Im Laufe des September war es zu bewaffneten Streitigkeiten gekommen, als angeblich Anhänger des früheren ugandischen Präsidenten Milton Obote , der in Tansania Asyl gefunden hat, nach Uganda eingedrungen waren, um Amin zu stürzen Das „Friedensabkommen" bestimmt, daß sich bis zum 19/X die Streitkräfte auf beiden Seiten der Grenze unter somalischer Überwachung jeweils 10 km zurückziehen, daß beide Nachbarn ab sofort alle feindliche Propaganda einstellen und „subversiven Kräften" auf ihren Gebie[ten kein Asylrecht mehr bieten dürfen. Um Vermittlung in dem Streit hatten sich neben Somalia auch der liberianische Präsident William Tolbert und der Präsident von Zaire, Mobutu Sese Seko , bemüht.

10/X: Staatspräsident Julius N yerere trifft mit dem Präsidenten von Zaire, Mobutu , zu. sammen, um die nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens erneut aufgetretenen Unstimmigkeiten zwischen Tansania und Uganda zu erörtern.

Uganda 6/X: Unter Vermittlung der somalischen Regierung wird in Mogadischu/Somalia ein Friedensabkommen zwischen Tansania und Uganda unterzeichnet (siehe unter „Tansania"). Aus Uganda zurückkehrende Europäer berichten von Exekutionen. Nachdem die Zivilkommissare in den Distrikten abgelöst sind, übt das Militär Justiz nach eigenem Ermessen aus.

9/X: Anläßlich der Feier zum 10. Jahrestag der Unabhängigkeit Ugandas beschuldigt Staatschef Idi Amin die britische Regierung, für die Ereignisse in Uganda mitverantwortlich zu sein.

Mitte Oktober/Anfang November: Nach den Asiaten mit britischen Pässen, die bis zum 8/XI Uganda verlassen haben müssen, weist Amin nun auch die a. 2 000— 3 000 Äquatorial-Guinea 12-14/XI: Aus Äquatorial-Guinea nach Nigeria zurückkehrende nigerianische Landarbeiter berichten, daß mehr als 50 ihrer Landsleute bei Demonstrationen, die sich gegen die für-die Gastarbeiter unbefriedigenden Arbeitsverhältnisse richteten, erschossen worden seien.

Aiaten mit kenianischen, tansanischen, rwan-dischen und sambischen Pässen aus (19/X). Am 8/XI läuft die Frist für die Ausweisung der ugandischen Asiaten ab. Zu diesem Zeitpunkt haben ca. 45 000 Asiaten Uganda verlassen. Etwa 28 000 werden von Großbritannien aufgenommen, ca. 6000 von Kanada; Pakistan übernimmt 1000, Indien ca. 3000, die Vereinigten Staaten, 800, Österreich 1600, Schweden 500, Malta 400.

1160 Asiaten, die noch kein Asylland gefunden haben, werden in Transitlagern in Uganda gesammelt, wo sie unter dem Schutz der Vereinten Nationen auf ihre Ausreise warten. 13/XII: Uganda erkennt als erster ostafrikanischer Staat die DDR an.

18/XII: Amin verkündet die „zweite Phase des Wirtschaftsbefreiungskrieges": alle Teeplantagen (in britischem, aber auch in griechischem Besitz) sowie acht große Industrieunternehmen werden entschädigungslos verstaatlicht (sieben britische, ein amerikanisches). Britische Staatsbürger, deren Zahl im Laufe des Jahres 1972 von 7000 auf 3000 zurückgegangen ist, könnten zwar bleiben, falls sie Lehrer und Ärzte sind, müßten aber nach Ablaufen ihrer Verträge auf die von Großbritannien gezahlten Zuschläge verzichten.

19/XII: Der britische Außenminister Alex Dougla s -Home protestiert gegen die Enteignungen; er will die Frage vor die Vereinten Nationen bringen.

25/XII: In Kampala treffen 34 ägyptische Ingenieure und Ärzte ein, um die Plätze von ausgewiesenen Asiaten einzunehmen.

29/XII: Amin erklärt, daß er auch die restlichen 1400 (meist katholischen) Missionare ausweisen wolle.

VI. Zentralafrika Burundi 1/XII: Belgien beschließt, seine Militärhilfe an Burundi bis Ende 1973 völlig einzustellen. Rwanda Oktober; Präsident Mobutu Sese Seko von Zaire kündigt, für den 27/X ein Dreiertreffen in Zaire zwischen ihm, dem ugandischen Staatschef Amin und dem rwandischen Präsidenten Gregoire Kayiba nda an, das dem Abbau der Spannungen zwischen Uganda und Rwanda dienen soll.

Anfang Dezember: Israel erhebt seine Vertretung in Rwanda in den Rang einer Botschaft. Tschad 28/XI: Präsident Francois Tomba lbaye gibt den Bruch des Tschad mit Israel bekannt. Da die Beziehungen zwischen Israel und dem Tschad seit 1960 immer freundschaftlich gewesen waren, wird vermutet, daß Tombalbaye den Schritt auf Drängen Libyens und Algeriens hin unternommen habe. Bereits ein Jahr zuvor soll Khadafi die muslimischen Stämme im Tschad zum Aufstand angestachelt haben und auch in den mißglückten Staatsstreich gegen Tombalb aye (August 1971)

verwickelt gewesen sein. Außerdem hat Libyen dem Tschad finanzielle Unterstützung angeboten.

Zaire Anfang Oktober: Präsident Mobutu Sese Seko bietet seinen Vermittlungsdienst im Konflikt zwischen Uganda und Tansania (siehe unter „Uganda" und „Tansania") und zwischen Uganda und Rwanda an (siehe unter „Rwanda").

VII. Südliches Afrika

Angola 13/XII: Die beiden Befreiungsbewegungen von Angola, die „Volksbewegung für die Befreiung Angolas" und die „Nationale Front für die Befreiung Angolas", schließen sich zum Hohen Befreiungsrat (CSLA) zusammen, um die militärische und politische Aktivität gegen Portugal auf höchster Ebene zu koordinieren. Mocambique 12/XII: Der presbyterianische Kirchenpräsident von Mocambique, Zedequias MANGAN-hela , nimmt sich unter dem Druck der Verhöre im Gefängnis das Leben. Er war politischer Vergehen beschuldigt und seit sechs Monaten in Einzelhaft gehalten worden. Dieser Fall muß in Zusammenhang gesehen werden mit Massenverhaftungen presbyterianischer Gläubiger (mehr als 1800 Personen), die seit Monaten in Mocambique verfolgt und denen politische Vergehen vorgeworfen werden. Schon im Juli hatte sich ein Kirchenältester, Jose Sidum o , das Leben genommen.

Rhodesien 1/X: Ein dreimaliges Veto Großbritanniens verhindert im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine Resolution, durch die Großbritannien zu nachdrücklicherem Handeln gegenüber Rhodesien aufgefordert wird.

Ende November/Ende Dezember: Nachdem sambischen Meldungen zufolge rhodesische Truppen nach Sambia eingedrungen sein sollen, dementiert Ministerpräsident Ian SMFTH solche Meldungen, betont aber, daß Rhodesien Portugal im Kampf gegen die afrikanischen Befreiungsbewegungen unterstütze. Anfang Dezember meldet Rhodesien Übergriffe von afrikanischen Guerillas auf rhodesisches Gebiet. Ende Dezember wird von „schlagartigem Zunehmen" der Guerillatätigkeit an der Nordgrenze gesprochen.

Republik Südafrika — Südwestafrika (Namibia)

8/X— 3/XI: Der Ende September zum Sonderbotschafter der Vereinten Nationen für Namibia ernannte Schweizer Alfred Escher besucht die Republik Südafrika und Namibia (Südwestafrika), um mit der südafrikanischen Regierung Vorste r über die Lösung der Namibia-Frage zu sprechen und sich in Namibia (12— 28/X) ein Urteil über die Volksmeinung zu bilden.

23/X: Die Regierung der Republik Südafrika übermittelt der EG-Kommission in Brüssel eine Note, in der sie den Wunsch nach engeren Beziehungen zu den Europäischen Gemeinschaften ausdrückt. 1

Fussnoten

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