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Straße zur Rettung | APuZ 16-17/1973 | bpb.de

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APuZ 16-17/1973 Straße zur Rettung Israel und das jüdische Selbstverständnis Artikel 1

Straße zur Rettung

Perez Leshern

/ 48 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Studie behandelt die Ursachen und die Problematik der Berufsumschichtung jüdischer Jugend — bedingt durch die nationalsozialistische Herrschaft in Deutschland — als Vorbereitung zur Einwanderung nach Palästina. Der Bericht soll zum Verständnis der Entwicklung der jüdisch-nationalen Befreiungsbewegung beitragen, die vor 25 Jahren zur Proklamation des Staates Israel geführt hat. Die Einwanderung nach Palästina unterlag den drastischen Beschränkungen der britischen Mandatsregierung. Hier zeigte der „Hechaluz" — die Organisation junger Juden zur beruflichen und geistigen Vorbereitung ihrer Einwanderung nach Palästina und ihrer Eingliederung in das „Arbeitende Palästina" — einen Ausweg auf. Aufgrund seiner Erfahrungen in verschiedenen europäischen Ländern konnten außerhalb Deutschlands für zahlreiche der jüngeren jüdischen Emigranten Möglichkeiten für die Erlernung eines neuen, zumeist praktischen Berufes geschaffen werden. Die „Auslands-Hachscharah" (Hachscharah: hebräisch für „Vorbereitung") bedeutete für Tausende eine psychische und physische Rettung. Für den Aufbau Palästinas und den Staat Israel liegt ihre Bedeutung darin, daß die überwiegende Mehrzahl derer, die aus ihr hervorgingen, heute auf allen Gebieten des wirtschaftlichen und kulturellen Lebens, auf den Gebieten der Verteidigung und der Politik, in der Sozialarbeit und in der Gewerkschaftsbewegung tätig sind, vielfach in führenden Positionen.

Der Weg deutscher Juden nach Palästina

Abbildung 1

Die folgende Studie behandelt die Ursachen und die Problematik der Berufsumschichtung jüdischer Jugend, bedingt durch die nationalsozialistische Herrschaft in Deutschland, als Vorbereitung zur Einwanderung nach Palästina — als „Straße zur Rettung". Die Arbeit berichtet über das, was Tausende junger jüdischer Menschen aus Deutschland zwischen 1933 und 1948 unmittelbar erlebten, was sie formte und ihren Lebensweg entscheidend beeinflußte. Dabei handelt es sich um eine Episode, die zum Geschichtsbild der letzten deutsch-jüdischen Generation vor dem Kriege gehörte, um einen Abschnitt deutscher Geschichte aus der Sicht'eines Betroffenen. Der Bericht soll zum Verständnis sowohl des Geschehens in Mitteleuropa vor vierzig Jahren als auch der Entwicklung der jüdisch-nationalen Befreiungsbewegung beitragen, die vor 25 Jahren zur Proklamation des Staates Israel geführt hat.

Als ab 1933 Juden ihre Arbeitsplätze verlassen mußten, standen die Jugendlichen der Zukunft hoffnungslos gegenüber. Wenigen gelang es, im Ausland mit eigener Kraft Arbeitsmöglichkeiten zu finden oder mit eigenen Mitteln ihre Studien fortzusetzen. Viele mußten sofort Deutschland verlassen, um der Verschickung in Konzentrationslager zu entgehen.

Die Einwanderung nach Palästina unterlag den drastischen Beschränkungen der britischen Mandatsregierung. Hier zeigte der „Hechaluz" — die Organisation junger Juden zur beruflichen und geistigen Vorbereitung ihrer Einwanderung nach Palästina und ihrer Eingliederung in das „arbeitende Palästina" — einen Ausweg auf. Aufgrund seiner Erfahrungen in verschiedenen europäischen Ländern konnten Berufsumschichtungsmöglichkeiten außerhalb Deutschlands geschaffen werden, trotz aller Schwierigkeiten, die immer von neuem er-wuchsen. Diese „Auslands-Hachscharah"

(Hachscharah: hebräisch für Vorbereitung) be

Einleitung

deutete für Tausende psychische, ja oft physische Rettung. Für den Aufbau Palästinas und den Staat Israel liegt ihre Bedeutung darin, daß die überwiegende Mehrzahl derer, die aus ihr hervorgingen, heute vielfach in führenden Positionen tätig sind.

Der hier veröffentlichte Text ist nur ein Teil der historischen Dokumentation, die die vielseitigen Probleme in den zwölf europäischen Ländern der „Ausland-Hachscharah" aufzeigt: Die persönlichen Schwierigkeiten der Deutsch-

Wanda Kampmann Israel und das jüdische Selbstverständnis . . S. 21

sprachigen im fremden Sprachgebiet, in neuer gesellschaftlicher Umgebung, bei ungewohnter schwerer physischer Arbeit; die Beziehungen der einzelnen zur Gruppe, zum Arbeitgeber, zum Instruktor; die Funktion des „Hechaluz", der seinen Mitgliedern zur Seite zu stehen suchte und ihre Interessen den Arbeitgebern und den Behörden gegenüber vertrat; die Einstellung der Landesbevölkerung und der Einfluß der wechselnden politischen Situation sowie der Wirtschaftsund Arbeitslage; die Zusammenarbeit mit jüdischen lokalen Gemeinschaften und zentralen Institutionen, insbesondere die Mitarbeit der jüdischen Gewerkschaftsbewegung in Palästina bei der Abhilfe menschlicher Notlage in der Diaspora; das Drängen der Chawerim zur , Alijah'(Einwanderung nach Palästina/Israel), die ein schwieriges Ubergangsstadium in einen normalen Dauerzustand verwandeln sollte; die Erziehungsarbeit in den Gruppen, Seminaren, Publikatio-nen — alle diese Themen behandelt die Gesamtarbeit, die von der Histadrut, der israelischen Gewerkschaft, demnächst in deutscher Sprache veröffentlicht wird.

Hechaluz — Hilfe für den Neubeginn

Der jüdischen Generation in Europa, die zwischen den beiden Weltkriegen noch Schüler oder Studenten waren oder um diese Zeit ins Berufsleben eintraten, ist die Bedeutung der hebräischen Worte Alijah, Chaluz, Chaluzah, Hechaluz, Chawer, Chawerah, Hachscharah, Kibbuz, Kwuzah, Merkas, Schaliach, Snif, Ssichah und vieler anderer geläufig, und auch der Gehalt von Begriffen wie Zionismus, Balfour Declaration, Mandat, Einwanderungszertifikat, Jewish Agency usw. bekannt. Jüngere Menschen — besonders nichtjüdische —, sowohl in Deutschland als auch in Westund Osteuropa, müssen schon tieferes Interesse an Problemen des Judentums, des jüdischen Volkes, des Antisemitismus und der Auswirkung des Nationalsozialismus auf die Juden haben, um mit ihnen vertraut zu sein „Hechaluz" ist der Name der Organisation, die, in Landesverbände unterteilt, von jungen Zionisten in aller Welt geschaffen wurde, um ihre berufliche und geistige Vorbereitung (Hachscharah) auf ihre Auswanderung nach Palästina durchzuführen. In Kibbuzim zusammenlebend, fiel ihnen die Umstellung auf die ungewohnte körperliche Arbeit und das Erlernen der alle vereinigenden hebräischen Sprache leichter. Die Zentrale (Merkas) jedes Landesverbandes beschaffte Arbeitsplätze, hebräische Lehrer und landwirtschaftliche Instruktoren. Sie übernahm die Herausgabe von Lehrund Lernmaterial, veranstaltete Vorträge und Seminare, deren Hauptthemen die Lage in Palästina, insbesondere die Probleme der dortigen jüdischen Arbeiterschaft, sowie der jüdischen Arbeiterbewegung und ihrer Ideologien in den Ländern der Zerstreuung (Galut) bildeten. „Hechaluz" bedeutet wörtlich „Der Pionier" im weitesten Sinne. Die Hechaiuzbewegung entstand nach dem Ersten Weltkrieg; ihre Weltzentrale befand sich in Warschau. Das Ziel der Mitglieder war, sich nach entsprechender Ausbildung in die Reihen der gewerkschaftlich organisierten jüdischen Arbei-terschaft in Palästina einzugliedern. Sie erstrebten die Schaffung einer gerechten Gesellschafts-und Wirtschaftsordnung — getragen von produktiver Selbstarbeit — ohne Ausbeuter und Ausgebeutete. Zugleich suchten sie in Palästina die Befreiung von materieller und geistiger Unterdrückung in den Ländern Osteuropas, vom politischen Hader der westlichen hochentwickelten Nationalstaaten des klassischen Kapitalismus, von der Überbewertung des Materiellen. Sie hofften auf einen Neubeginn für ihr junges Leben, das sie — den Hoffnungen der allgemeinen Jugend-bewegung gemäß, der viele von ihnen angehört hatten — in eigener Verantwortung gestalten wollten. Natürlich gab es auch Chaluzim und chaluzische Bewegungen außerhalb des „Hechaluz", die bewußt bürgerlichen oder nationalistischen Ideologien und Parteien folgten.

Für den „Hechaluz" und seine erzieherische Arbeit fühlte sich der jüdische Gewerkschaftsbund in Palästina (die Histadrut) verantwortlich. Die Delegierten (Schlichim) der Histadrut spielten eine wichtige Rolle, da sie, aus dem praktischen Leben Palästinas kommend, die jungen Chaluzim und Chaluzot besser mit den Problemen, die sie dort erwarteten, vertraut machen konnten, als es durch Broschüren und Berichte allein möglich gewesen wäre. Die Schlichim stammten selbst aus Ost-und Mitteleuropa, so daß sie die Verhältnisse und Sprachen in den Ländern kannten, in die sie delegiert wurden und die sie meist vor dem Ersten Weltkrieg oder kurz nach seiner Beendigung verlassen hatten. Ihr Leben in Palästina als Mitglieder von Kibbuzim hatte sie in der Zwischenzeit zu Palästinensern werden lassen, die mit den Gegebenheiten des Landes vertraut waren.

Es steht außer Frage, daß ohne die Schlichim die Hechaiuzverbände weder entstanden wären noch sich So entwickelt hätten, wie es zwischen 1920 und 1940 geschah. Die Schlichim der Histadrut bildeten das Rückgrat der Hechaluzbewegung, deren Mitglieder junge europäische Juden waren — zuerst in den Ländern jüdischer Massensiedlung in Osteuropa, später auch in den westlichen Ländern mit ihren assimilierten Gemeinden, deren Anteil an der Gesamtbevölkerung sehr viel geringer war.

Die Schlichim der Histadrut waren es, die den Hechaiuzverbänden in den verschiedenen Ländern Beständigkeit verliehen und ihrer Arbeit Richtung gaben; sie pflegten enge Beziehungen zur Histadrut und fühlten sich dabei auch als Repräsentanten der Kibbuzbewe-gungen, denen sie angehörten und deren Interessen ihnen am Herzen lagen. Die überragende Stellung der Histadrut in Palästina manifestierte sich nicht nur in der praktischen Tagesarbeit der Schlichim in den Hechaiuzverbänden, sondern auch in ihrem Einfluß in den zionistischen Landesorganisationen und politischen zionistischen Parteien.

In den schweren Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland waren Schlichim der Histadrut in Berlin und in anderen Großstädten mit größeren jüdischen Gemeinden tätig. Sie leisteten die Hebräisie-

Voraussetzungen der Einwanderung nach Palästina

Während des Britischen Mandats über Palästina (1922 bis 1948) — ja, schon seit der Besetzung Palästinas im Herbst 1917 durch alliierte Truppen unter Feldmarschall Viscount Allenby (1861 bis 1936) — konnten Juden trotz der am 2. November 1917 erlassenen „Balfour Declaration" 2) nicht ohne weiteres nach Palästina einwandern. Die Mandatsregierung erteilte vielmehr — aufgrund ihr November 1917 erlassenen „Balfour Declaration" 2) nicht ohne weiteres nach Palästina einwandern. Die Mandatsregierung erteilte vielmehr — aufgrund ihrer Beurteilung der Aufnahmefähigkeit des Lan-des — der „Jewish Agency" der rechtlich anerkannten Vertretung des jüdischen Volkes in Palästina-Angelegenheiten, halbjähr-rungsarbeit in der jüdischen Jugend Deutschlands zur Vorbereitung ihrer Einwanderung nach Palästina (Alijah). Sie arbeiteten leitend bei der „Kinderund Jugendalijah" 1a) mit sowie in Auswanderungsangelegenheiten des Palästina-Amtes und in der Gemeindearbeit; sie beteiligten sich auch an wirtschaftlichen Beratungen industrieller, landwirtschaftlicher und finanzieller Art. Sie waren es, die die Auslandshachscharah — die Vorbereitung auf die , Alijah'— aufbauten. Durch die Auslandshachscharah sind Palästina viele Tausende zugeführt worden, deren Fähigkeiten in Industrie und Landwirtschaft, Verwaltung und Handel dem Lande zugute kamen und deren Anteil an der Wiedererrichtung des Staates Israel und seiner Entwicklung auf allen Gebieten bedeutend war. lieh eine wechselnd bemessene Anzahl von Einwanderungserlaubnissen („Zertifikaten"). Diese Genehmigungen wurden von den Palästina-Ämtern, die die „Jewish Agency“ in verschiedenen Ländern eingerichtet hatte, an geeignete Bewerber verteilt. Dabei waren Kategorien zu berücksichtigen, die die Mandatsregierung festsetzte, wie z. B. ausgebildete Landarbeiter, Handwerker, Ledige, Familien, Rentner, sog. Kapitalisten (die mindestens £1. 000 vorweisen und in Palästina investieren mußten) und andere mehr.

Um diese Einwanderungsbeschränkungen zu verstehen, muß man sich die damalige Beschaffenheit Palästinas vergegenwärtigen. Während der vierhundert) ährigen türkischen Herrschaft hatte eine ständige Abwanderung der an sich schon zahlenmäßig geringen mohammedanischen und christlichen Bevölkerung stattgefunden. Die wirtschaftliche Entwicklung des Landes war in jeder Hinsicht rückständig. Landwirtschaftlich geschulte Arbeiter wurden gebraucht; aber auch ungelernte, gesunde und arbeitswillige junge Menschen, die bereit waren, Sümpfe trockenzulegen, Straßen zu bauen und Bäume zu pflanzen. Moderne Maschinen waren in diesem verarmten Land überhaupt nicht vorhanden. Ein primitiver Traktor bzw. ein kleines Auto waren noch in den zwanziger Jahren Sehenswürdigkeiten, während das Kamel als Transportmittel und ein Kamel oder Maultier vor dem Holzpflug allgemein üblich waren.

Unter Berücksichtigung dieser Gegebenheiten war der „Hechaluz" auf eine organisierte jüdische Arbeiterschaft 'ausgerichtet, die die Besiedlung und Entwicklung des ungesunden, heruntergewirtschafteten Landes als nationale Aufgabe sah. Die Vorbereitungsmethoden des „Hechaluz" waren den palästinensischen Bedürfnissen angepaßt: ein Mittel zum Zweck, eine Brücke aus dem entwickelten Europa in den rückständigen Nahost, vom Abendland in den Orient, von Einstein zu Ali Baba — mit allem, was eine solche Umstellung sprachlich, psychologisch und sozial bedeutete.

Der organisatorische Rahmen

Der deutsche Landesverband „Hechaluz" entstand im Winter 1922/23 durch den Zusammenschluß einiger junger Juden, die sich für den Aufbau Palästinas auf Lehsgütern und Bauernhöfen, in Handwerksbetrieben und auf Fachhochschulen technisch und landwirtschaftlich vorbereiteten. Sie wollten die Ausbildung durch Erfahrungsaustausch, zentrale Kontrolle der Ausbildungsstellen, gegenseitige Hilfe und menschlich-gesellschaftlichen Kontakt untereinander intensiver gestalten. Die meisten waren Mitglieder jüdischer Jugendbünde („Blau-Weiß", Jungjüdischer Wanderbund „JJWB", „Brit Haolim") oder zionistischer Studentenverbindungen. Sie waren zum Teil im „Praktikantenbund" des „Blau-Weiß" beruflich lose zusammengefaßt. Der gesellschaftliche Zusammenhang der Chaluzim im „JJWB" war enger als unter den übrigen Mitgliedern der Bünde, die sich noch zu keiner persönlich verpflichtenden Entscheidung für Palästina durchgerungen hatten. Diese ersten „Hechaluz" -Mitglieder waren beispielhaft für die anderen und besonders für die jüngeren Jahrgänge der Jugendbünde. Der Zusammenschluß im deutschen Landes-verband des „Hechaluz" wurde durch die Schlichim aus Palästina gefördert und nach dem Vorbild bereits bestehender Landesverbände durchgeführt. Dennoch wuchs die Bewegung in Deutschland, wo die Juden kaum ein Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachten und seit der Emanzipation stark assimiliert waren, nur langsam. So zählte der Landesverband während der ersten zehn Jahre seines Bestehens in Deutschland nur wenige hundert Mitglieder, von denen viele aus den östlichen Nachbarländern, wie Polen und Litauen, stammten. Die Abwanderung der ausgebildeten Mitglieder nach Palästina wurde nicht immer durch neue Kandidaten aufgewogen. Erst nach 1927 führte die Erziehung in den Jugendbünden, die sich allmählich immer eindeutiger zum Zionismus bekannten, sowie das Aufkommen des nationalsozialistischen

Antisemitismus zu einer Verstärkung der Mitgliedschaft. Als sich zudem im Laufe der Jahre ab 1928/29 die Einwanderungsmöglichkeiten nach Palästina für die jüdische Jugend aus Deutschland etwas besserten, wuchs auch die Bewegung. Zur Zeit der letzten Konferenz des deutschen Landesverbandes vom 18. — 20. September 1932 zählte der „Hechaluz"

laut einem Bericht in der Jüdischen Rundschau, Berlin (Nr. 80 vom 7. Oktober 1932), 589 Mitglieder, davon 194 Mädchen. In landwirtschaftlichen und gärtnerischen Betrieben arbeiteten Gruppen in Ahlem bei Hannover, in Beelitz, Belzig, Ludwigshorst, Georgsthal, Silsterwitz, auf Gut Winkel bei Spreenhagen.

Sogenannte Zentren, die sich aus Einzelarbeitsplätzen . zusammensetzten, gab es bei Fraustadt und Erfurt. In Wohnheimen (Batej Chaluz) in Bamberg, Berlin, Frankfurt am Main, Hamburg und Leipzig lebten kleine Gruppen, die sich handwerklich oder in sozialen Berufen auf ihre Auswanderung nach Palästina vorbereiteten. 193 Chaluzim und 48 Chaluzot waren in landwirtschaftlichen und gärtnerischen Betrieben tätig. 48 Schlosser, 17 Tischler, sechs Maurer, je fünf Bäcker, Maler und Drucker wurden handwerklich ausgebildet. Drei Mädchen lernten Geflügel-zucht, zwei die Imkerei, während die übrigen in Haushaltsschulen, Krankenhäusern und Säuglingsstationen arbeiteten. In den zahlreichen Ortsgruppen warteten einige Dutzend Mitglieder auf Arbeitsplätze, um ihre Berufs-vorbereitung zu beginnen.

Von diesem Zeitpunkt an nahm die Zahl der Mitglieder schnell zu. Die Machtergreifung durch die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei am 30. Januar 1933 zwang bald viele junge Juden zur Berufsumschichtung, obwohl manche von ihnen noch glaubten, daß dies weder endgültig noch für ihren späteren Wohnsitz ausschlaggebend sei. Jedenfalls meldeten sich bis Ende Februar 1933 etwa 330 neue Kandidaten, was eine sechzig-prozentige Steigerung der Mitgliedschaft bedeutete. Von ihnen wünschten 130 eine landwirtschaftliche, 25 eine gärtnerische und 35 eine hauswirtschaftliche Ausbildung. Der Rest entschied sich für Geflügelzucht und Imkerei, Kranken-und Säuglingspflege. Im März 1933 waren etwa 600 Neuanmeldungen zu verzeichnen. Gleichzeitig wurden die Ausbildungsmöglichkeiten in jeder Sparte sehr rasch verschlossen. Auf allen Gebieten wurde Juden die Arbeit erschwert und nach und nach, je nach Gegend und Alter (Kriegsteilnehmer später) ganz untersagt. Tausende waren schon vorher durch Verwaltungsmaßnahmen und physische Bedrohung , ausgeschaltet'und vertrieben worden. Zum besseren Verständnis der Zustände, die 1933 in Deutschland nach Hitlers Machtergreifung herrschten, muß daran erinnert werden, daß mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler viele seiner Parteigenossen, insbesondere die SA, sich anmaßten, politische Gegner und Juden nach eigenem Gutdünken zu verfolgen, Verhaftungen und Haussuchungen vorzunehmen, sich persönlich zu rächen und zu morden, während die Polizei und die staatlichen Organe diesem Treiben monatelang abwartend zusahen. Selbst Dienststellen der NSDAP, die zuweilen diese Auswüchse der Siegestrunkenheit für schädlich und übertrieben hielten, waren nicht immer in der Lage, ihnen Einhalt zu gebieten und den Terror der Einzelaktionen zu unterbinden. So wurden jüdische Geschäfte geschlossen, Wohnungen ausgeräumt, Juden verhaftet, in Konzentrationslager gebracht — und in manchen Fällen auch wieder freigelassen, oft unter der Bedingung, sofort das Land zu verlassen. Es dauerte viele Monate, bis sich diese chaotischen Zustände besserten und das Leben der Juden, obwohl diskriminiert und wirtschaftlich sowie gesellschaftlich auf ein Ghetto begrenzt, wieder mehr oder weniger gefahrlos wurde, bis nach dem Pogrom der sog. „Kristallnacht" der Terror wieder einsetzte und nach Kriegsausbruch die Massendeportationen in die Vernichtungsläger anliefen.

Schon am Anfang dieser Entwicklung verstand die jüdische Jugend, daß es für sie keine Zukunft im Dritten Reich geben konnte. Die Chaluzim wurden von ihren Arbeitsplätzen gewiesen, ohne neue Stellen finden zu können. Auch später, als die Behörden eine mehr geordnete Auswanderung der Juden anstrebten — weil Deutschland sich bemühte, in der Welt als Rechtsstaat angesehen zu werden —, gestattete man der Organisation „Hilfe und Aufbau" zwar, Ausbildungsstätten für Jugendliche mit jüdischem Erziehungs-und Verwaltungspersonal zu schaffen; sie konnten sich jedoch nur für eine kurze Zeit halten.

So kam es zu dem Versuch, die Berufsausbildung ins Ausland zu verlegen. Dabei wurde zunächst an bestehende Anhaltspunkte in Holland und Dänemark angeknüpft, wo „He-

chaluz" bereits Kontakte zwecks beruflicher Spezialisierung seiner Mitglieder besaß. Aber auch in andern Nachbarländern wurden die zionistischen Jugendorganisationen, die jüdischen Gemeinden und die zionistischen Verbände um Mithilfe gebeten. Es galt, der jüdischen Jugend Deutschlands einen Weg in die Zukunft zu ermöglichen; wir bezeichneten diesen Weg als „Auslands-Hachscharah".

Anfang 1933 zählte der Deutsche Landesverband des „Hechaluz" zwischen 550 und 600 Mitglieder. Diejenigen von ihnen, die unter dem Druck nationalsozialistischer Ortsgruppen ihre Arbeitsplätze auf Einzelhachscharah oder in Zentren verloren, mußten zuerst in die Auslandshachscharah überführt werden und bildeten deren Grundstock in Frankreich, Dänemark und Schweden. Sie wurden die Kerne der neuen Zentren und Kibbuzim. Sie waren es, die Neuankömmlinge, überwiegend ideologisch unvorbereitet und arbeitsmäßig unausgebildet, aufnahmen und sie in den chaluzischen Zionismus, in eine neue Geisteshaltung und einen ungewohnten Lebensstil einführten. Das war eine zusätzliche schwere Aufgabe für die durch Stellenwechsel und Sprachschwierigkeiten in den für sie selbst neuen Ländern schon an sich belasteten Chawerim und Chawerot (junge Männer und Frauen). Aber sie akzeptierten sie und erfüllten sie nach besten Kräften.

Was waren es für Menschen, die neu zum „Hechaluz" und zur Auslands-Hachscharah kamen? Es waren im allgemeinen junge Juden, kaum noch religiös, national vom Judentum weit entfernt, an ihre deutsche Umwelt assimiliert, kleinbürgerlicher Mentalität und Lebens-art. Meist kaufmännisch tätig gewesen, auf sozialen Aufstieg bedacht, sahen sie sich unerwartet aus ihrer Berufs-und Lebensbahn gerissen. Unter ihnen waren auch Studenten und junge Akademiker, deren Laufbahn auf den Hochschulen, in ärztlicher Praxis, in Anwaltsbüros und Regierungsämtern plötzlich abgebrochen war. Unvorbereitet standen sie dem materiellen und gesellschaftlichen Nichts gegenüber, gemieden und gedemütigt. Diese junge Generation des jüdischen Mittelstandes, der seit dem Boykottag am 1. April 1933 zermalmt wurde, kam zum „Hechaluz" nicht aus Kenntnis oder Überzeugung. Sie kam aus einer Notlage und in der Hoffnung, einen Anhaltspunkt zu finden, der ihrem Leben eine neue Richtung geben konnte, oder um im Ausland, in der Hachscharah abzuwarten, wie sich die Dinge in Deutschland entwickeln würden. Sie war bereit, das zionistische Gedankengut kennenzulernen, den Weg des „Arbeitenden Palästina" zu versuchen, Unbekanntes zu erproben und allem eine Chance zu geben, was Aussicht auf Lebensunterhalt und Beständigkeit zu verspre7 chen schien. Es waren Menschen, die häufig älter waren als der Chaluz, der aus der Jugendbewegung gekommen war und ein klares Ziel vor Augen hatte. Es waren Menschen, die im Berufsleben gestanden und Erfahrungen gesammelt hatten, aber nun damit nichts mehr anfangen konnten. Dennoch waren sie schon durch diese Faktoren geprägt.

Eine statistische Erhebung der Umschichtungsstelle Niederschönhausen, veröffentlicht in dem Büchlein „Das ist unser Weg" stellt fest, daß die Väter der Umschichtenden zu 80 °/o Kaufleute, 8 °/o Handwerker, 7 % Akademiker und 5 0/0 Sonstige waren. Die Umschichtenden selbst kamen zu 60 °/o aus kaufmännischen Berufen, 25 0/0 waren Schüler und Studenten und 15°/o Handwerker und Lehrlinge. Nach ihrer Umschichtung übten 37 % landwirtschaftliche Tätigkeiten aus, 57 °/o waren Handwerker und Arbeiter, 2 °/o in erzieherischen Berufen, 2 % dienten in der Polizei und 2 °/o arbeiteten kaufmännisch. 82 °/o gingen nach Palästina, 9 °/o nach Brasilien, 7 °/o nach Südafrika und je 1 °/o nach den USA und nach Argentinien.

Auslands-Hachscharah 1933— 1936

Die Auslands-Hachscharah und alles, was damit zusammenhing, wurde vom Frühjahr 1933 ab für den deutschen Landesverband des „Hechaluz", dessen überaus bescheidene Büros sich in Berlin befanden, zum Hauptinhalt der organisatorischen Arbeit. Der Beschluß der Zentrale, sie ins Leben zu rufen, wurde im März in Übereinkunft mit dem „Welt-Hecha-luz" in Warschau gefaßt. Rückschauend könnte man ihren Namen, der aus einem deutschen und einem hebräischen Wort geformt war, als symbolisch für die Jugend auffassen, die aus der Symbiose Deutschland-Judentum hervorgegangen war.

Die Auslandshachscharah bot die einzige Möglichkeit für die Chaluzim, die sich bis dahin auf Bauernhöfen in Schlesien, Thüringen, Niedersachsen, in Hessen, Rheinland-Pfalz und Westfalen befunden hatten, ihre Ausbildung fortzusetzen. Das gleiche galt für die Mitglieder des „Hechaluz", die in städtischen Wohnheimen untergebracht waren und bei Handwerkern oder in kleinen Werkstätten einen Beruf erlernen wollten. Nur die wenigen Ausbildungsgüter, die sich in jüdischem Besitz befanden, waren um diese Zeit noch nicht unmittelbar betroffen; aber ihrer Aufnahmefähigkeit waren Grenzen gesetzt, die nur zu schnell erreicht wurden. Die Größe der Bodenfläche, des Maschinenparks, des Viehbestandes und der baulichen Anlagen konnten nicht oder nicht schnell genug erreicht werden. Fragwürdig war auch, ob unter den gegebenen Umständen ein solcher Ausbau in Deutschland zu rechtfertigen gewesen wäre.

So wurde die Auslandshachscharah das Ziel Tausender junger Menschen, denen plötzlich in brutalster Weise ihr Jude-Sein bewußt gemacht wurde. Sie hatten im allgemeinen nicht beabsichtigt, auszuwandern. Nur eine kleine Minderheit hatte den Zionismus als nationale Bewegung bejaht, ohne darin aber irgendeine persönliche Verpflichtung zu sehen. Vom Studium auf den Universitäten und Hochschulen ausgeschlossen, aus Ämtern verjagt, von nicht-jüdischen Arbeitgebern auf die Straße gesetzt — während die jüdischen Unternehmen boykottiert oder enteignet wurden —, hatten diese jungen Juden keinerlei Existenzmöglichkeit. Obwohl sich in den Großstädten erstaunlicherweise noch eine gewisse jüdische Initiative auf wirtschaftlichem, sozialem und kulturellem Gebiet regte, gab es für jüdische Arbeitsuchende in kleinen Gemeinden überhaupt keine Ausweichmöglichkeiten. Nur wenige konnten eine selbständige Auswanderung in Fortsetzung ihrer bisherigen Tätigkeit oder ihres Studiums planen, weil finanzielle und sprachliche Hindernisse sowie Devisenbestimmungen und der Ausreisegenehmigungszwang ungeheure Schwierigkeiten bereiteten. Dazu kam, daß das Ausland mit Einreisevisa und Arbeitserlaubnissen keineswegs großzügig war, da man dort einerseits den wahren Charakter des Nazi-Regimes nicht erkannte und andererseits den eigenen angespannten Arbeitsmarkt nicht belasten wollte.

Formen der Auslandshachscharah

Die Auslandshachscharah sollte nach dem Vorbild der „Hechaluz" -Hachscharah in Deutschland aufgebaut werden. Es existierten drei voneinander wesentlich abweichende Typen, deren jeder seine Vor-und Nachteile hatte.

a) Der Hachscharahkibbuz

Wohl die beste Hachscharahform — weil sie sowohl eine fachliche als auch geistig-kultu-relle Entwicklung und persönlich-gesellschaftliche Umstellung ermöglichte — war die des Kibbuz: Je nach der Größe des Betriebes lebten zwischen fünfzehn und mehreren hundert Chawerim und Chawerot (junge Männer und Frauen) auf einem Gut zusammen und wurden unter Anleitung von Fachkräften in allen Zweigen der Landwirtschaft, gelegentlich in Schlosserei und Tischlerei, die Mädchen auch in der Hauswirtschaft ausgebildet. Der Kibbuz war die Idealform für das Gemeinschaftsleben und die Selbstverwaltung der Gruppe als gesellschaftliche Einheit („Chewrah"), die sich auf die spätere Eingliederung in einen Kibbuz in Erez Israel vorbereitete. Hebräischer Sprachunterricht, Vorträge über fachliche, soziologische und politische Fragen, Diskussions-und Musikabende — kurz, jede kulturelle und geistige Förderung fand im Kibbuz ihren Platz. Die Chawerim waren nicht vom einzelnen Bauern, seinen Arbeitsbedingungen und etwaigen Launen abhängig, wie das in den nächstbesten Hachscharahformen — der (seltenen) Guts-gruppe und dem Zentrum — der Fall war.

Die Nachteile der Kibbuzhachscharah bestanden hauptsächlich in den großen Investitionen, die zur Pacht oder gar zum Ankauf eines Gutes nötig waren. Auch kosteten die Gehälter und der Unterhalt der Instruktoren, der Hausleitung, die landwirtschaftlichen Maschinen, Bauten, Steuern und Sozialabgaben, Krankenbetreuung und Reisen viel Geld. Der Chaluz war erst nach längerer Ausbildung ein vollwertiger Landarbeiter, der seinen Unterhalt und die mit dem Lehrgut verbundenen Ausgaben verdienen konnte. Er wurde im allgemeinen nicht entlohnt, sondern erhielt nur ein Taschengeld; Diese Regelung, wie jede Form der Verrechnung des Arbeitslohnes mit Unterhalts-und Ausbildungskosten, war an sich problematisch und wurde es um so mehr, je älter die Menschen waren, die 1933/34 in den „Hechaluz" und zur Auslandshachscharah strömten.

Nur wenige von ihnen hatten in Jugendbünden eine auf Erez Israel ausgerichtete Erziehung erhalten. Viele verstanden die kollektive Lebensform der Kibbuzim nicht, wurden Außenseiter und oft zum störenden Element in den verhältnismäßig kleinen, eng verbundenen Gruppen, die häufig aus ein und derselben chaluzischen Jugendbewegung kamen. Diese Gruppen waren altersmäßig und entsprechend ihrer Erziehung und ihren Zukunftsvorstellungen selten befähigt, einzelne und noch dazu ältere Menschen zu assimilieren. Dies führte gelegentlich zu Spannungen; alle Einsicht in die Notwendigkeiten und moralischen Verpflichtungen, die die Zeitumstände gerade der chaluzischen Bewegung auferlegten — und ihr zugleich ihre große Chance gaben —, konnte daran wenig ändern.

b) Das Bet Chaluz

Dem Gutsbetrieb (Hachscharahkibbuz) entsprach — in kleinerem Rahmen — das städtische „Bet Chaluz" (Wohnheim). Hier lebten junge Chaluzim und Chaluzot, die in Fabriken, Werkstätten, Haushaltsschulen, Säuglingsheimen und Krankenhäusern eine berufliche Ausbildung erhielten. Die gesellschaftliche und kulturelle Arbeit in diesen kleinen Gruppen war nicht selten zu rascher Stagnation verurteilt. Besonders in den größeren Städten, mit ihren vielfachen Möglichkeiten der Zerstreuung und Absonderung von der Gruppengemeinsamkeit und Gruppenarbeit, führte dies zu häufigen Umbesetzungen, wenn nicht gar zur Auflösung der Gruppe. Sowohl in den Kibbuzim wie in den Batej Chaluz war eine gemeinsame Kasse die Regel. Aus ihr wurde dem einzelnen ein Taschengeld für seine persönlichen Ausgaben ausgezahlt. Es war keine leichte Aufgabe, das Amt des „Gisbar" (des Verantwortlichen für die Gemeinschaftskasse) in einer Gruppe zu bekleiden. Die Leitung („Waad") bestand aus dem Sekretär, dem Kassenwart und dem „Tarbutnik", der für die kulturellen und gesellschaftlichen Programme verantwortlich war. In diesen Aufgabenkreis gehörten hebräischer Unterricht, Palästinakunde, die Geschichte der Arbeiterbewegung in Erez Israel und des Sozialismus im allgemeinen. Die Beteiligung an solchen regelmäßigen Aktivitäten war Pflicht. Je nach der Größe der Gruppe gehörten dem Waad noch einige Chawerim ohne fest umrissene Aufgaben an. Der Waad wurde von den Mitgliedern der Gruppe (im Kibbuz, Bet Chaluz oder Zentrum) in einer alljährlichen Mitgliederversammlung gewählt.

c) Das Zentrum

Ein „Zentrum" wurde von einer verschieden großen Zahl von Chawerim und Chawerot in der Landwirtschaft gebildet, die auf Einzel-stellen bei Bauern in benachbarten Dörfern arbeiteten. Sie trafen sich regelmäßig zur Kulturarbeit, zum hebräischen Unterricht oder auch nur gesellig, hatten eine gemeinsame Kasse und ihren selbstgewählten Waad. Sie wurden von dem Bauern oder Handwerker bezahlt, bei dem sie arbeiteten und leb9 ten; sie lernten durch praktische Arbeit und hatten in den meist kleinen oder mittleren Betrieben Gelegenheit, alle Arbeitszweige kennenzulernen. Oft wurden sie, da sie — mindestens anfangs — ungelernt waren, ausgenutzt. Die fremde Sprache erschwerte die Verständigung und die ungewohnte körperliche Arbeit ermüdete sie mehr als ihre einheimischen Kollegen.

Die verständlicherweise vorhandenen Unterschiede in der intellektuellen Entwicklung der Chawerim und ihrer Reife zeigten sich natürlich auch in Lücken in ihren Kenntnissen. Die Tarbutarbeit war weitgehend davon abhängig, ob im Zentrum einige Chawerim oder Chawerot waren, die reifer, belesener, zionistisch orientierter, des Hebräischen kundiger waren als die große Mehrzahl der Mitglieder — wenn möglich auch pädagogisch geschult und begabt. Die Auslandshachscharah konnte ja nicht bedächtig geplant und mit ausgewählten Chawerim auf-und ausgebaut werden. Die charakterliche und geistige Entwicklung des einzelnen wurde um so mehr gefördert, je länger er in seinem Kibbuz, Bet Chaluz oder Zentrum verblieb, aber sie war auch abhängig von dem individuellen Reifen des Menschen in seiner Arbeit, seinem Interesse an der Berufstätigkeit, seiner intellektuellen Regsamkeit und seinem Wissensdurst.

Die Organisation als solche, verkörpert in den Zentralkomitees der einzelnen Länder oder dem Merkas (der Zentrale) in Paris oder Berlin, konnte Hilfsmittel zur Verfügung stellen, Literaturverzeichnisse, Sonderhefte, Informationsmaterial usw. veröffentlichen; die sinnvolle Nutzbarmachung jedoch blieb den Gruppen selbst überlassen. Jede Bezirksleitung war bemüht, durch regelmäßige Besuchsreisen die geistige Arbeit anzuregen, Vorträge zu veranstalten, Diskussionen zu entfachen. Ihre Mitglieder berichteten über das Geschehen in anderen Gruppen und Ländern, beantworteten Fragen, die sich an Ort und Stelle ergaben, halfen persönliche Probleme oder solche der Gruppe zu lösen. Das alles waren notwendige Versuche, den Zusammenhalt der Chawerim jedes Zentrums untereinander und den Zusammenhang aller Gruppen zu pflegen — das Gefühl der Gemeinsamkeit und der Zugehörigkeit zur Bewegung, wenn nicht seine Geborgenheit in ihr, dem einzelnen immer wieder ins'Bewußtsein zu rufen.

d) Einzelstellen

Außer diesen Hachscharahformen gab es noch die Einzelhachscharah, die sich aus Chawerim und Chawerot zusammensetzte, die auf isolierten Bauernhöfen Arbeit gefunden oder als einzige der Bewegung in einem Dorf eine Stelle innehatten. Ihnen allen mangelte der gesellschaftliche Kontakt mit Gleichgesinnten; sie waren auch bei ihrem Bemühen, Hebräisch zu lernen oder sich ideologisch zu bilden, auf sich selbst angewiesen. Dies war daher wohl die menschlich schwierigste Art der Hachscharah. Ihre Nachteile wurden nur ausnahmsweise dann wettgemacht, wenn die Ausbildungsmöglichkeit auf einem Fachgebiet besonders gut war und wenn das persönliche Interesse des Lernenden an seinem Spezialgebiet ihn für seine Isolierung entschädigte. Die Einzelhachscharah war in den meisten Fällen notwendig wegen des Mangels an Ausbildungsund Arbeitsmöglichkeiten in Zentren und Kibbuzim. Nur sehr Willensstärke und manchmal ältere, in sich gefestigte Menschen vermochten längere Zeit in dieser Hachscharahform zu verbleiben.

Die Vor-und Nachteile der verschiedenen Hachscharatypen für den einzelnen liegen auf der Hand. Aber es war dem „Hechaluz" in der Auslandshachscharah selten gegeben, zu wählen. Meistens waren mehrere Formen nebeneinander im gleichen Lande vorhanden: Einzelhachscharah, Gruppenhachscharah auf Gütern oder in städtischen Wohnheimen (Ba-tej Chaluz) und Kibbuzhachscharah auf meist gepachteten, selbständig geführten Gütern. So war es in Frankreich, Schweden, Jugoslawien und Großbritannien.

Ausschließlich Einzelhachscharah (die in fast allen anderen Ländern zu Zentren zusammengefaßt waren) gab es in Luxemburg und Dänemark. Auch in Holland war dies die allgemeine Form der chaluzischen Hachscharah; aber nach Errichtung des „Werkdorp" war dort eine größere Einheit des „Hechaluz" inmitten der weitaus zahlreicheren, heterogenen Masse der Umschichtler. In Italien, abgesehen von sehr wenigen Einzelhachscharahstellen, lebten und arbeiteten die Chawerim in Gruppen auf größeren Gütern.

Handwerkliche Schul-oder landwirtschaftliche Lehrbetriebe formten die Gruppenhachscharah in Litauen, Lettland und dem Memelgebiet für Chaluzim aus Deutschland, während in Polen die Mitglieder des deutschen „Hechaluz" auf dem Gut des polnischen „Hechaluz" in Grochow bei Warschau und in dessen starken, städtischen Hachscharahkibbuzim eingegliedert wurden.

Jede dieser Hachscharahformen hatte die ihr innewohnende Gesetzmäßigkeit. Der Chawer (Mitglied) auf den Einzel-oder Zentrumshach-scharah mußte seinen Bauern oder Handwerksmeister leistungsmäßig zufriedenstellen. Er wurde in bar und durch Wohnung und Verpflegung entlohnt. Zwischen dem Arbeitgeber und der zionistisch-sozialistischen Gedankenwelt des Arbeitnehmers gab es keinerlei Beziehung, die das Verhältnis zwischen ihnen beeinflußt hätte. Fast das Gegenteil trifft auf die Schul-und Lehrbetriebe in den damals noch unabhängigen baltischen Staaten zu. Auf den — meist gepachteten — Gütern waren Instruktoren oder fachlich erfahrene, öfters nichtjüdische Leiter angestellt, deren materielle Abhängigkeit von den Chaluzim — respektive ihrer Organisation, dem „Hechaluz" — ihre Haltung zu den Chawerim und ihrer Arbeit weitgehend bestimmte.

Die Bildungsarbeit war verständlicherweise in Kibbuzim, Batej Chaluz und Schulbetrieben leichter und regelmäßiger zu organisieren als in Zentren oder auf Einzelstellen. So war es eine wiederholt beschlossene Forderung des „Hechaluz", daß jeder Chawer möglichst beide, grundsätzlich verschiedene und sich ergänzende Hachscharahformen durchlaufen solle. Dies war unter dem Druck der Ereignisse nicht immer möglich, und es ist erklärlich, daß später in Erez Israel für viele der Chawerim und der Siedlungen, die sie aufnahmen, Schwierigkeiten — wenn auch meist nur vorübergehender Art — daraus entstanden.

Die Mittlerenhachscharah (Miha)

Ein besonders Problem waren die Vierzehn-bis Siebzehnjährigen, die zu jung waren, um in der Hachscharah des „Hechaluz" eingeordnet zu werden. Als im Dritten Reich die antijüdischen Maßnahmen im Erziehungswesen immer systematischer gehandhabt und jüdische Kinder aus allen öffentlichen und vielen privaten Schulen entfernt wurden, schufen die an der „Jugendalijah" beteiligten Jugendbünde gemeinsam mit dem „Hechaluz" eine Schulungs-und Ausbildungsmöglichkeit für diese Altersstufe, die „Miha" (Mittlerenhachscharah), in welcher diese Mädchen und Jungen intensiv Hebräisch lernten, ihre Allgemeinbildung ergänzten und täglich mehrere Stunden beruflich ausgebildet wurden. Die Einordnung in solchen Gruppen war als eine Vorstufe für den „Hechaluz" und seine Hachscharahformen zu sehen. Es handelte sich da-, bei zuerst um Kinder und Jugendliche, deren Eltern in Lagern oder deportiert worden waren, die von ihren Eltern nicht mehr unterhalten werden konnten oder deren Eltern die Auswanderung erleichtert werden sollte, um Waisen oder Halbwaisen, die in sozialen Einrichtungen untergebracht waren, die aufgelöst werden mußten. Zu einem späteren Zeitpunkt stellten die Jugendbünde aus ihren eigenen Reihen Alijahgruppen von Jüngeren zusammen, die — soweit sie nicht direkt durch die „Jugendalijah" nach Palästina gehen konnten — in die Miha eingeordnet wurden. Die Mittlerenhachscharahgruppen blieben zunächt in Deutschland. Schon nach verhältnismäßig kurzer Zeit, sobald ein geeigneter Platz im Ausland gefunden oder geschaffen werden konnte, wurden sie dorthin überführt, um die wenigen Ausbildungsstätten in Deutschland für neue Gruppen frei zu machen. Die Mittlerenhachscharah wurde 1935 zum integralen Teil des „Hechaluz" in Deutschland, aus der Not der Zeit geboren und bis dahin in der Chaluzbewegung anderer Länder unbekannt. Als 1939 die Kriegsgefahr sichtbar wuchs und Großbritannien seine Tore für junge Juden aus dem Dritten Reich öffnete, gelang es, die meisten Mihagruppen noch rechtzeitig nach England zu bringen.

Unvermeidliche Schwierigkeiten

In den Jahren vor der Naziherrschaft war es selbstverständlich, daß jeder junge Jude, der sich zur Auswanderung nach Palästina entschieden hatte, sich dafür im Inland vorbereitete; es sei denn, er hätte eine Spezialausbildung im Ausland für sich gewählt. In der Regel blieb er in seiner gewohnten Umgebung in der Nähe seiner Familie und Freunde, in seinem Sprach-und Kulturgebiet.

Die durch die NSDAP forcierte Auswanderung und die Vorbereitung auf eine erfolgversprechende Einwanderung und Niederlassung in einem fremden Land bedeutete die Trennung des jungen Menschen von allem, was ihm lieb und vertraut war. Es bestand die ständige Gefahr, den fremden Bedingungen nicht gewachsen zu sein. Das Anlehnungsbedürfnis ist in ungewohnten Lebensumständen stärker als sonst. Der Wunsch nach Anpassung an die Gesellschaft, die uns umgibt, führt häufig zur Aufgabe eigener Werte und zur Annahme fremder Bräuche. Bei jungen Menschen ist das Verlangen nach Freundschaft, nach Aussprache und Teilnahme am Leben der andern besonders ausgeprägt. So entstanden menschliche Beziehungen, die unerprobt und häufig nicht dauerhaft waren, aber oft dazu führten, daß Chawerim und Chawerot von dem neuen Weg, den sie gewählt hatten, abwichen und sich zur Assimilation und zum Verbleiben im Transitland entschlossen.

Die Sehnsucht nach Eltern und Geschwistern, das Bangen um deren Schicksal in Hitlers Machtbereich haben auch zu Depressionen und zu unüberlegten Handlungen geführt. Die nervliche und körperliche Anspannung, die ungewohnten, primitiven Wohnverhältnisse besonders auf dem Lande haben in vielen Fällen die Gesundheit der Jugendlichen geschädigt. Die Hoffnung auf baldige Alijah, der Wunsch, den Übergangszustand zu verbessern und die Sehnsucht nach etwas Endgültigem, Dauerhaften war wohl allen gemeinsam.

Aber die begrenzte Anzahl von Einwanderungszertifikaten für Palästina und die Notwendigkeit, bei ihrer Verteilung äuch andere Gesichtspunkte zu berücksichtigen als berufliche, menschliche und kulturelle Alijahreife, brachten eine Verlängerung der Hachscharah mit sich, die manche Chawerim nicht durchhalten konnten. Einer dieser anderen Gesichtspunkte war der, daß Gruppen für Erez Israel wichtiger waren als viele einzelne, deren Eingliederung schwieriger war. Gruppen konnten Lücken in bestehenden Kibbuzim füllen oder gemeinsam mit andern neue Siedlungen gründen. So wurden auch Zentren zu Alijahgruppen zusammengefaßt, deren menschliche Bindung sich jedoch häufig als weniger fest erwies als die innerhalb der

Kibbuzgruppen — obgleich auch von diesen manche Chawerim im Laufe der Hachscharah oder später in Palästina absplitterten.

Je länger die Ausbildungszeit dauerte und je älter die Menschen wurden, um so störender machte sich die zahlenmäßige Ungleichheit von Chawerim und Chawerot in der Zusammensetzung der Hachscharah allerorts bemerkbar. Der Anteil der Chawerot in Kibbuzim und Zentren, in Wohnheimen und Orts-gruppen war klein. Beziehungen, die gelegentlich mit einheimischen Mädchen angeknüpft wurden, entfremdeten die Chawerim der Bewegung; mancher verließ infolgedessen die Hachscharah. Dies schuf neue Schwierigkeiten für die Organisation; denn sowohl in Dänemark wie in Schweden hatten die als landwirtschaftliche Praktikanten zugelassenen Chawerim aus Deutschland nur befristete Aufenthalts-und Arbeitsgenehmigung (24 beziehungsweise 18 Monate). Die jüdischen Gemeinden und die „Jewish Agency" hatten den Behörden die Weiterwanderung der Ausgebildeten zugesichert und sahen sich in diesen Fällen außerstande, ihr Versprechen einzulösen.

Vorläufer und Ansatzpunkte

A. Holland

Hachscharah im Ausland, allerdings in sehr eng gezogenem Rahmen, kannte der deutsche „Hechaluz" schon durch seine Verbindung mit der holländischen „Vereeniging tot Vakopleiding van Palestina-Pioniere" Diese Vereinigung der holländischen „Allgemeinen Zionisten" hatte eine landwirtschaftliche Abteilung in Deventer, die in den dreißiger Jahren von dem dort ansässigen Ru Cohen ehrenamtlich geleistet wurde. In Erkenntnis des hohen Niveaus der holländischen Landwirtschaft, besonders auf dem Gebiet der Rinder-zucht, Milchwirtschaft und Käserei, war diese Vereinigung bemüht, jungen Chaluzim in von ihr ausgewählten Lehrstellen eine erstklassige fachliche Ausbildung für ihre spätere Ansiedlung in Palästina zu ermöglichen. Die „Vereeniging" wählte auch die Kandidaten aus, und da es in Holland selbst nicht allzu viele gab, so nahm sie auch Empfehlungen des „Hechaluz" in Berlin entgegen. Die Kandidaten mußten sich zu einer mehrjährigen praktischen Ausbildung und Teilnahme an theoretischen Kursen verpflichten, wobei die Vereinigung „ihre" Praktikanten finanziell unterstützte und öfters auch Lehrgelder an die ausbildenden Betriebe zahlte. Die Absicht war, aus städtischen „Judenjungen" quasi holländische Bauern für Palästina zu machen. Dank der seit 1933 enger werdenden Zusammenarbeit mit dem deutschen „Hechaluz" und seinem sich schrittweise vertiefenden Einfluß erweiterte sich die Zielsetzung der „Vereeniging" auch auf die hebräische und kulturelle Vorbildung der Praktikanten. Zugleich wuchs das zahlenmäßig kleine Unternehmen infolge des Zustroms aus Deutschland zu einer vielhundertköpfigen Hachscharah, die sich in verschiedenen Formen bald über ganz Holland erstreckte.

Die „Vereeniging" . und ihre Leitung wurde nach 1933 das Rückgrat der Auslandshach-scharah in Holland. Ru Cohen war ehrenamtlich ihr Sekretär und zugleich Leiter des landwirtschaftlichen Ressorts in Deventer. Neben seiner anstrengenden Berufstätigkeit unterhielt er engen Kontakt mit den Lehrstellen, organisierte Kurse und wurde vielen Chaluzim ein väterlicher Freund und Berater. Ru kehrte aus der Verschleppung durch die Nazibesatzung nicht zurück. Alle, die ihn in seiner mehr als zwanzigjährigen Arbeit für Erez Israel gekannt haben, werden seine war-me menschliche Haltung und seine zielbewußte, anspornende Persönlichkeit in dankbarem Andenken bewahren.

Die Handwerksabteilung der „Vereeniging” unterstand Herrn E. Krieks jr. in Amsterdam, der Bergen-Belsen nicht überlebte. Er war 1932 von Leib de Leeuw für diese Arbeit gewonnen worden. Das Mädchenressort, das sich der Ausbildung in Haushalt, Krankenpflege und im Erziehungswesen widmete, wurde von Frau Emmi Kaufmann-Spier in Den Haag (seit 1944 in Jerusalem ansässig) geleitet, vorher (bis 1932) von Miriam de Leeuw aus Palästina und vorübergehend von Ann Bakker-Rivlin. Der Vorsitzende der „Vereeniging" war Albert van Raalte; Emil Visser war ihr Schatzmeister; er wurde 1935 von Alex M. Cohen abgelöst. Für Publizität und Propaganda sorgte M. Loeb. Die „Vereeniging" hatte ihre Tätigkeit 1918 mit 35 Landwirtschaftspraktikanten begonnen. 1932 befanden sich 68 in der Landwirtschaft und 20 in handwerklicher Ausbildung. Sie stammten zumeist aus Rumänien und den baltischen Staaten.

B. Dänemark

Ähnlich wie die Niederlande war Dänemark wegen der Güte seiner landwirtschaftlichen Erzeugnisse, des Fleißes und fachlichen Könnens seiner Klein-und Mittelbauern und der fortschrittlichen Ausstattung und guten Betriebsführung der Wirtschaften bekannt. Dar-um hatten Chaluzim in Polen, Litauen und Deutschland, die hofften, nicht nur als Landarbeiter in Kibbuzim, sondern als selbständige Siedler in Palästina zu leben, schon 1929 versucht, in Dänemark ausgebildet zu werden. Das waren einzelne, deren Privatinitiative dazu führte, die Verbindung mit Dänemark aufzunehmen. Sie wurden dabei häufig von den Jugendbünden, denen sie angehörten, gefördert. Es gab aber in Dänemark, im Gegensatz zu Holland, keine „Vereeniging", keine jüdische oder zionistische Gruppe, die mit ihrer Erfahrung und ihren lokalen Ver-* bindungen die Ausbildungsmöglichkeiten in der dänischen Landwirtschaft für Chaluzim nutzbar gemacht hätte. Nur die dänische Gymnastik-, Turn-und Sportlehrerausbildung war in Palästina bekannt und einige wenige Palästinenser lernten in den zwanziger Jahren in dänischen Instituten, wobei sie ihrerseits in gewisser Hinsicht das Leben und die Gedankenwelt der jüdischen Gemeinde in Kopenhagen bereicherten.

In diesem Zusammenhang muß Binjamin Slor erwähnt werden. 1892 in Palästina geboren, kam er 1913 nach Dänemark, um sich als Turnlehrer auszubilden. Da er während des Ersten Weltkrieges nicht nach Palästina — damals noch eine Provinz des ottomanischen Reiches — zurückkehren konnte, begann er, sich in Dänemark zionistisch zu betätigen. Dank seiner Kontakte mit den Hochschulen kam er auch mit dem „Landoekonomisk Rej-sebureau" in Berührung, was sich später als wertvoll für den „Hechaluz" erwies. So gab es einige Ansatzpunkte und auch Verständnis für die Bedürfnisse Palästinas und Hilfsbereitschaft, als 1933 der deutsche Landesverband des „Hechaluz" für seine Mitglieder Ausbildungsmöglichkeiten in Dänemark suchte.

Zwischen 1929 und 1932 fanden etwa fünfzehn bis zwanzig junge Menschen aus den Oststaaten und der Weimarer Republik Ausbildungsplätze bei dänischen Bauern, zumeist in Falster, der südlichen Insel. Das Landwirtschaftsministerium hatte eine Stelle für den Austausch junger Landwirte mit andern Ländern geschaffen — das „Landoekonomisk Rejsebureau" —, die in halbamtlicher Eigenschaft Stellen vermittelte und für Visa, Arbeitsgenehmigungen und administrative Verbindung zu den Behörden sorgte. Dieses Büro bildete die Brücke für die ersten Chaluzim und half auch später bei der LInterbringung und Zulassung einer größeren Zahl von Mitgliedern des „Hechaluz" aus Deutschland. Nach dem „Anschluß" Österreichs und im Frühjahr 1939 nach der deutschen Besetzung Prags und der Zerstückelung der Tschechoslowakei war das „Landoekonomisk Rejsebureau" die von der Regierung beauftragte Stelle für die Zulassung Hunderter Jugendlicher aus Wien, Böhmen und Mähren.

C. Die Weltzentrale des „Hechaluz"

Auch die Weltzentrale des „Hechaluz", seine Landesverbände in Polen, Litauen, Lettland und der Tschechoslowakei mit ihren Kenntnissen der Bedingungen in ihren Ländern und ihrem eigenen Netz von Ausbildungsstätten aller Art konnten als Ansatzpunkte für die deutsche Auslandshachscharah und ihren Ausbau nutzbar gemacht werden.

Wesentlicher noch waren die zionistischen Organisationen in den nordund westeuropäischen Ländern, deren Vorsitzende oder leitende Gremien sich für den Aufbau von beruflichen Vorbereitungsmöglichkeiten für Chaluzim-Flüchtlinge einsetzten — besonders, nachdem sie namens der Exekutive der „Jewish Agency" in London vom Leiter der Organisationsabteilung, Berl Locker aufgefordert worden waren, unsere Arbeit nach Kräften zu unterstützen.

Vorbereitende Erkundigungsreise

Der Aufbau der Auslandshachscharah begann im April 1933, als ich als Sekretär des deutschen „Hechaluz“ zunächst in Straßburg und dann in Paris die Möglichkeiten der Unterbringung von Chaluzim in Frankreich prüfte. Ich vereinbarte in Straßburg mit Marcel Weill (jetzt Chawer im Kibbuz Givat Chaim, Ichud), daß er uns bei der Stellensuche im Elsaß und in Lothringen helfen und freie Arbeitsplätze nach Berlin melden würde. Er würde dann die Chaluzim, die von der Zentrale in Berlin angesagt wurden, empfangen und auf die Arbeitsstellen begleiten. Marcel Weill wurde uns für mehrere Jahre ein wertvoller Helfer, der gerade in der mühsamen Kleinarbeit der Auslandshachscharah die größten Dienste leistete.

Straßburg war eine wichtige Auffangstation und wurde später -der Sitz der Bezirksleitung Elsaß-Lothringen des „Hechaluz" in Frank-reich und seiner Zentrale in Paris, in der 1933 Adele Margulies aus Danzig die kulturelle und organisatorische Arbeit leistete. Die Auslandshachscharah begann zunächst in Elsaß-Lothringen, weil hier deutsch noch oft von der Elterngeneration der Einwohner verstanden wurde, was für die aus Deutschland flüchtenden Chaluzim eine große Erleichterung bedeutete. So wurde Straßburg zunächst zum Mittelpunkt unserer Arbeit. In Maitre Leopold Metzger, dem damaligen Vorsitzenden der Zionistischen Organisation Elsaß-Loth-ringens, fanden wir einen unermüdlich beratenden, mit den Bedingungen in Ostfrankreich vorzüglich vertrauten Mitarbeiter. Er hat die Naziverfolgung während der Besetzung nicht überlebt.

In Metz hatten wir in Maitre Renee Levy eine unschätzbar wertvolle Helferin. Sie or-'ganisierte Comites de Patronage, pachtete für uns vertraglich-formgerecht Bauernhöfe, beriet uns in den Beziehungen zu Behörden, reiste für uns, sprach in Versammlungen und intervenierte bei behördlichen Schwierigkeiten. Ohne ihre Freundschaft und Hilfsbereitschaft hätte die Auslandshachscharah in Frankreich nie den Umfang, nie den Wert für Hunderte von Chaluzim aus Deutschland erreicht, den sie tatsächlich in den Jahren von 1933 bis 1936 gehabt hat. Aus dieser Hach-scharah in Frankreich sind eine Anzahl von Persönlichkeiten hervorgegangen, die in Israels politischem Leben und dem Verteidigungssektor führend wurden.

In Paris, das sehr bald das verwaltungstechnische Zentrum der deutschen Auslandshachscharah überhaupt und Frankreichs insbesondere wurde, machte sich Maitre Leonce Bernheim selbstlos um unsere Sache verdient. Er war ein vielbeschäftigter Anwalt und Vorsitzender der Zionistischen Organisation Frankreichs. Er war Abgeordneter des Provinzparlaments „Seine et Marne" und mit den lokalpolitischen Verhältnissen gut vertraut. Seine Kenntnis der Behörden und ihrer Einstellung zu Flüchtlingen aus Deutschland war wertvoll. Er half uns anfangs auch finanziell und war jederzeit zu Beratungen bereit. Auch er überlebte die Judenverfolgung seitens der Deutschen im besetzten Paris nicht.

Wertvolle Berater und Helfer waren uns auch einige zionistische Beamte — schon von Berufs wegen — und Mitglieder der Bewegung „Arbeitendes Erez Israel" in Paris, wie Joseph Fischer (später J. Ariel, Israels Botschaf-ter in Brüssel, verstorben im Dezember 1964 in Jerusalem), der 1933 der Generalsekretär des Jüdischen Nationalfonds („K K L") in Frankreich war. Auch mit Marc Jarblum, dem Vorsitzenden der „Poalej-Zion" in Frankreich, hatten wir häufige Besprechungen in Angelegenheiten der deutschen Auslandshachscharah. Er lebte bis 1972, ebenso wie David Lifschitz, der sein engster politischer Freund in Paris war, in Tel Aviv. Ferner nahmen noch Victor Jacobson, der Vertreter der Zionistischen Weltorganisation beim Völkerbund, Leo Motzkin, der Vorsitzende des Zionistischen Aktionskomitees, Maitre Sassia Erlich, eine bekannte Pariser Anwältin, sowie Justin Godart, ehemaliger französischer Minister, persönliches Interesse an unserer Arbeit und berieten uns, jeder auf seinem Gebiet, oder griffen ein, um den Behörden unsere Sache verständlich zu machen und Schwierigkeiten zu bereinigen.

Meine vorbereitende Erkundungsreise führte mich weiter über Holland, wo ausführliche Besprechungen mit der „Vereeniging tot Va-kopleiding van Palestina-Pioniers" stattfanden und wo ich in Rotterdam mit Fritz (Peretz) Bernstein dem Präsidenten der Zionistischen Organisation Hollands, über die Bedürfnisse des „Hechaluz" konferierte, nach Kopenhagen. In der Zionistischen Organisation in Dänemark war Leopold Landau, der aus Hamburg stammte, federführend, sowie Binjamin Slor aus Petach Tikwa, der die Bedürfnisse Palästinas kannte und als Importeur palästinensischer Weine und Früchte wertvolle geschäftliche und behördliche Kontakte hatte. Beide Herren erleichterten es mir, eine Übersicht über die Möglichkeiten der Unterbringung von Chaluzim auf dänischen Bauernhöfen zu gewinnen. Sie genossen hohes Ansehen und konnten ihren Freunden und den amtlichen Stellen, mit denen sie in Verbindung standen, die Ziele und Wünsche des „Hechaluz" in Deutschland erklären. Mit der moralischen Unterstützung der jüdischen Gemeinde Kopenhagens und der Zusicherung, daß die zugelassenen Chaluzim nach erfolgter Ausbildung nach Palästina weiterwandern, auf jeden Fall aber Dänemark verlassen würden, begann die zahlenmäßig zunächst kleine Auslandshachscharah in Dänemark. Sie wuchs stetig und wurde als „Landesgruppe Dänemark des deutschen Hechaluz" zehn Jahre lang von Delegierten der Berliner Zen-trale, meist Schlichim der „Histadrut", geleitet. Während dieser Jahre standen ihnen auf Veranlassung von Binjamin Slor sowohl Julius Margolinsky als auch Magna Hartwig, die Sekretärin der Zionistischen Vereinigung (die später im Kibbuz Daphne lebte, wo sie 1961 starb), beratend und praktisch helfend zur Verfügung.

Von Slor in Kopenhagen wurde ich an Dr. Emil Glück in Hälsingborg (Schweden) gewiesen, mit dem ich die Notwendigkeit besprach, auch dort Arbeitsund Ausbildungsmöglichkeiten für Chaluzim aus Deutschland zu schaffen. Ich fand in ihm einen unermüdlichen, bereitwilligen Mitarbeiter, der sich unserer Probleme in jeder Hinsicht und in allen Einzelheiten ideenreich annahm. Er wurde später auch der Mittler zwischen der Chaluz-bewegung und der jüdischen Gemeinde in Stockholm, als es gelang, die Hachscharah zu vergrößern und sie über ihr ursprüngliches Gebiet in der südlichen Provinz Skäne hinaus nördlich bis nach Stockholm auszudehnen. Dr. Glück war von Anfang an unser Sprecher bei den lokalen und zentralen Behörden und leistete der Chaluzbewegung — und später der „Jugendalijah" — während langer, fruchtbarer, aber auch schwerer Jahre unschätzbare Dienste. Heute lebt der verdiente (nun pensionierte) schwedische Veterinäroffizier in Neve Sharet bei Tel-Aviv.

Von Schweden aus reiste ich über Danzig nach Warschau, wo ich mit der Leitung des Welt-„Hechaluz", den Delegierten der „Histadrut" in Polen und der Leitung des polnischen „Hechaluz" die Frage besprach, ob und in welcher Weise die vorhandenen Ausbildungsplätze in Litauen, Lettland, Polen und der Tschechoslowakei für Chaluzim aus Deutschland in Frage kämen. Aber slawische Sprachen waren für sie noch schwerer erlernbar als Schwedisch oder Französisch. Auch Hebräisch, das in den osteuropäischen Kibbuzim der Chaluzbewegung schon sehr gebräuchlich war, konnte für Neulinge aus Deutschland noch nicht als Umgangssprache dienen. Selbst wenn eine gemeinsame Hachscharah die Hebräisierung der deutschen Chaluzim gefördert hätte, gab es noch viele andere Schwierigkeiten, die in der inneren Struktur der jüdischen Bevölkerung und der Hachscharah in Polen lagen, so daß nur mit der Integration einer verhältnismäßig kleinen Zahl von Chaluzim aus Deutschland gerechnet werden konnte. Hinzu kam noch die ablehnende Haltung der polnischen Umwelt und der Behörden, die einer Einreise von Juden aus Deutschland negativ gegenüberstanden. Ich setzte meine Reise in die an Deutschland angrenzenden Länder fort. Prag, 'Wien, Zürich waren weitere Stationen, wo ich das brennende Problem mit führenden Persönlichkeiten der zionistischen Bewegung, des „Hechaluz", der zionistischen Jugendbünde und der jüdischen Gemeinden erörterte. Es galt zunächst, ihre Mitarbeit an Teillösungen zu suchen. Sie wurde bereitwillig zugesagt. Mitte Mai besuchte ich von Paris aus, wohin ich inzwischen wieder zurückgekehrt war, auch Luxemburg.

Zur gleichen Zeit waren in Deutschland noch zahlreiche andere Schlichim aus Palästina eingetroffen, unter ihnen Mosche Beilinson, der Chefredakteur der gewerkschaftlichen Tageszeitung „Dawar", Enzo Sereni und Elieser Liebenstein (heute Livneh, in Jerusalem). Sie wurden sofort von den zahlreichen dringenden Aufgaben, die durch die politische Lage entstanden waren, vollständig in An-spruch genommen. Einige von ihnen konnte ich auf ihrem Weg nach Berlin in Wien treffen, wo wir die Aufteilung der Arbeit besprachen und die Errichtung der Auslandshachscharahzentrale in Paris beschlossen. An diesen Beratungen nahmen auch Vertreter des „WeltHechaluz" aus Warschau teil. Die Schlichim kamen, um sich zu orientieren und in Deutschland selbst helfend mitzuarbeiten. Sie wurden bald, sei es für wenige Monate oder für längere Zeit, auf allen wichtigen Gebieten der zionistischen Arbeit in Berlin beratend und oft wegweisend tätig. In der Folgezeit kamen I. Ben-Aharon, heute der Generalsekretär der „Histadrut", sowie Marduk Schattner Seew (Wolfgang) Orbach Schura Oschero-witsch Naftali Unger Max Zimels und Pino Ginsburg die alle aus dem deutschen „Hechaluz" hervorgegangen waren, aus ihren Kibbuzim in Palästina zur Mitarbeit in die Berliner Zentrale.

Zusätzliche Erfordernisse

Sowohl die zentrale Leitung in Berlin als auch die Schlichim und unsere zahlreichen Freunde und Helfer in den von mir besuchten Ländern waren sich darüber klar, daß der erforderliche rasche Auf-und Ausbau der Auslandshachscharah nicht ohne finanzielle Hilfe möglich war. Neue Devisenbestimmungen, die im April 1933 verkündet wurden und sich im Laufe der Zeit noch verschärften, erlaubten keine geordnete und regelmäßige Über-weisung der notwendigen Gelder von Berlin in das Ausland.

Wir mußten also versuchen, uns finanziell unabhängig zu machen. Während die finanzielle Hilfe, die in jedem Land von den zionistischen Organisationen mobilisiert wurde, nur bescheiden und zeitlich begrenzt sein konnte, erwies sich die Zusammenarbeit mit einheimischen Flüchtlingshilfskomitees als sehr wertvoll für alle, die landesunkundig und ohne Verbindungen zu Menschen und Behörden ankamen. So erhielt jeder Flüchtling von den Komitees, die die jüdischen Gemeinden unter dem Eindruck der Geschehnisse jenseits der Grenze und dem Druck des steigenden Flüchtlingsstroms improvisierten, Essensmarken für Kantinen, die in den größeren Städten schnell eingerichtet worden waren. Ebenso wurden Fahrkarten zu den Arbeitsplätzen, die wir vermitteln konnten, zur Verfügung gestellt.

All dies erlaubte es den Flüchtlingen, knapp ihr Leben zu fristen. Es gewährleistete nicht die Tätigkeit einer Zentrale, sei sie noch so bescheiden, die Arbeitsplätze beschaffen mußte, deren Leiter in den ausgedehnten Ländern zu reisen hatten, die einen Zusammenhang zwischen den oft auf entlegenen Plätzen lebenden Chaluzim untereinander und mit der Zentrale herstellen mußten, um einer gesellschaftlichen und kulturellen Vereinsamung der Mitglieder vorzubeugen. Es war wichtig, nach Möglichkeit ein Versagen dieser jungen Menschen zu vermeiden, für die in den meisten Fällen die ungewohnte körperliche Arbeit, besonders in der Landwirtschaft, inmitten einer fremden Bevölkerung, der Landessprache nicht mächtig, eine schwere seelische Belastung bedeutete.

Die Umwelt war nicht immer freundlich gesinnt. In den Augen vieler französischer Bauern waren Juden aus Deutschland eben Deutsche, „boches", denen sie mißtrauisch gegenüberstanden, selbst wenn sie sie als Arbeitskräfte brauchten. Kontakt mit den Arbeitgebern herzustellen und ihnen zu zeigen, daß der fremde Arbeiter nicht allein stand, war von größter Wichtigkeit für die Stabilität der Hachscharah überhaupt und entschied häufig über die Beziehungen, die sich zwischen den beiden Seiten entwickelten.

Zugleich mit der beruflichen Umschichtung mußte eine geistige und sprachliche Neuorientierung angebahnt werden, um die spätere Eingliederung in Palästina zu erleichtern. Hebräischlernen, das Studium der jüdischen Geschichte und das Verständnis für die zionistische Auffassung zur Lösung der Judenfrage und Judennot, Probleme des kolonisatorischen Aufbaus und der Arbeiterbewegung in Erez Israel — all das eröffnete für die meisten Flüchtlinge ganz neue Horizonte. Ohne Gemeinsamkeit in Gruppen, ohne Anregungen von einer zentralen Stelle aus, ohne gelegentliche Besuche und Vorträge, ohne Literatur über diese und berufliche Themen konnte dem einzelnen die Umstellung nicht gelingen.

Die Arbeit war wertvoll für die physische Umstellung der jungen Menschen von städtischen Berufen zu ländlichem Arbeitsdasein; aber diese Stellen konnten über primitive Arbeiten hinaus keine beruflichen Kenntnisse vermitteln. Andererseits war es nicht jedermanns Sache, ungelernter Landarbeiter zu werden; deshalb durfte diese Form der Ausbildung nicht allzu lange währen. Wir planten, sobald als möglich Lehrfarmen zu pachten, Instruktoren zu finden und Fachkurse oder Seminare zu veranstalten. Für all das war ein größeres, regelmäßiges Budget notwendig; aber es gelang erst nach Monaten, einen solchen Haushaltsplan sicherzustellen.

Bei einem der kurzen Zwischenaufenthalte Dr. Weizmanns in Paris berichteten wir ihm über die Auslandshachscharah, ihren Umfang, ihre Schwierigkeiten, ihre Aussichten, ihre Erfordernisse und unterstrichen ihren Wert für Palästina und die Menschen, die umgeschult und auf einen neuen Weg geführt wurden. Er verstand sofort, daß ein solches Unternehmen nicht ohne minimale finanzielle Sicherheit entwickelt werden konnte und versprach, in London für die erforderliche materielle Unterstützung zu sorgen.

Dr. Bernhard Kahn, der damalige europäische Direktor des „Joint" (American Joint Distribution Committee), besprach schon wenige Wochen später in seinem Pariser Büro mit uns die finanziellen Grundlagen und formellen Einzelheiten sowie die Berichterstattung und Rechnungslegung über die Auslandshachscharah in Frankreich und ihren Rahmen in den andern Ländern. Es wurde vereinbart, daß wir die monatlichen Zahlungen in Paris durch das europäische Büro des „Joint" erhielten. Die Gelder wurden von diesem selbst, zum größeren Teil aber vom „Central British Fund" bereitgestellt

Um ermessen zu können, welcher Aufgabe sich der „Hechaluz" und die chaluzische Jugendbewegung am Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft gegenübergestellt sahen, sei die Gesamtzahl von etwa 550 Mitgliedern des deutschen Landesverbandes im Januar 1933 mit den Zahlen verglichen, die im Novemberheft der vom „Hechaluz" herausgegebenen Schriftenreihe „Cheruth" („Freiheit") in einem Artikel von Gerschon Melber „Snif (, Ortsgruppe') Berlin in Zahlen" angegeben sind. Danach zählte allein die Berliner Orts-gruppe im Mai 1933 bereits 993, im August 1000 Mitglieder, die sich wie folgt zusammensetzten: Beim Vergleich dieser Zahlen darf man nicht außer acht lassen, daß zwischen den genannten Terminen der ständige Abgang in die Hachscharah durch Hinzukommen neuer Mitglieder mehr als aufgewogen wurde.

Nehemia Aloni, ein Delegierter der „Hista-drut", der damals den hebräischen Unterricht im Rheinland leitete, stellte im gleichen Heft die 100 Mitglieder der Ortsgruppe Köln im September, die bis November auf 250 angewachsen war, einer Gemeinde von 18 000 Juden gegenüber. In Köln hatten zwar jüdische Jugendbünde bestanden, aber eine eigenständige Ortsgruppe des „Hechaluz" bildete sich erst im Frühjahr 1933. Die „Selbstwehr'', die zionistische Wochenzeitung der CSR, berichtete in ihrer Ausgabe vom 10. Januar 1936, daß der „Hechaluz" in Deutschland von 800 Mitgliedern im April 1933 auf 15 000 Ende 1935 gewachsen war.

Beispiele erhärten die Die obigen Tatsache, daß der „Hechaluz" von Tausen 1933 an von -den junger Juden in Deutschland als die Organisation, die Bewegung betrachtet wurde, die ihnen einen konkreten Weg zeigen konnte, der ein Ausweg aus der Lage war, in die sie unverschuldet geraten waren. Jede Verschärfung der Agitation, antijüdischen jedes Ereignis, das die Macht des Hitlerregimes festigte, jedes offenkundige Zurückweichen des Auslandes vor deutschen Ansprüchen brachte, wellengleich, neue Anforderungen an die Chaluzbewegung mit sich: Mehr Auswanderungswillige, mehr Flüchtlinge verlangten, in die Reihen der im In-und Ausland Hachscha-rahsuchenden aufgenommen zu werden. Der Röhm-Putsch am 30. Juni 1934, die Besetzung des Rheinlandes am 7. März 1936, die jeweiligen Parteitage, unter denen der von 1935 in Nürnberg besonderes Gewicht hatte, sind Beispiele dafür — nicht zu reden von späteren Ereignissen, wie das Pogrom, „Kristallnacht" genannt, vom 9. November 1938.

In dem Buch von Norman Bentwich, „They found Refuge" werden einige Zahlen über die Umschichtung und die Ausbildung junger Juden aus Nazi-Deutschland aufgeführt. Danach waren 9 213 junge Menschen, zum überwiegenden Teil zwischen 18 und 25 Jahre alt, etwa ein Drittel von ihnen Mädchen, zwischen 1933 und 1939 in zwölf verschiedenen Ländern Europas mit ihrer beruflichen Vorbereitun Jahre alt, etwa ein Drittel von ihnen Mädchen, zwischen 1933 und 1939 in zwölf verschiedenen Ländern Europas mit ihrer beruflichen Vorbereitung für die Emigration befaßt: in Belgien, Dänemark, Frankreich, Holland, Italien, Jugoslawien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Polen, Schweden und der Tschechoslowakei. Von diesen 9 213 Menschen waren 4 145 auf landwirtschaftlichen Einzelstellen und 3 870 in Gruppen, Kibbuzim und landwirtschaftlichen Schulen, also insgesamt 8 015. Die restlichen 1 196 befanden sich in handwerklicher, technischer, praktischer oder schulmäßiger Ausbildung.

5 414 hatten ihre Ausbildung beendet und wanderten vor Kriegsausbruch im September 1939 in andere Länder weiter, 4 600 davon nach Palästina. Diese Zahlen, die für die ersten sechseinhalb Jahre der Auslandshachscharah gelten, stellen also nicht die Gesamtzahl der jüdischen Jugendlichen dar, die aus „Großdeutschland" kamen und sich im Rahmen des „Hechaluz" auf ihre Alijah vorbereiteten. Sie lag wesentlich höher, schätzungsweise bei 15 000.

Erst im Frühjahr 1939 kam Großbritannien als Ausbildungsland hinzu, nachdem vorher nur einzelne Mitglieder des „Habonim" 24) durch ihren Bund auf der David Eder Farm 25) in Kent zu landwirtschaftlicher Ausbildung aufgenommen Im worden waren.

allgemeinen aber verminderten sich die Auslandshachscharah und die Möglichkeiten einer Berufsumschichtung für junge Juden aus Deutschland in den meisten der genannten Länder infolge der politischen Ereignisse, und schließlich mußte die Auslandshachscharah in Frankreich, Luxemburg, Italien, Jugoslawien, Lettland, Litauen, Polen und der Tschechoslowakei zwischen 1936 und 1939 nach und nach aufgelöst werden.

In Dänemark beeinflußte die deutsche Besetzung, die am 9. April 1940 begann, die Lage in der Hachscharah zunächst nur auf organisatorischer Ebene. Die palästinensischen Schlichim und Zertifikatsinhaber konnten über Schweden und die Sowjetunion nach Palästina gelangen. Die einzelnen Zentren arbeiteten zunächst weiter und vertrauten auf ihre Arbeitgeber sowie auf das „Komiteen for de jodiske Landvaesenseleven" — bis die ersten antijüdischen Maßnahmen der Besatzungsmacht zum Untertauchen und schließlich, im Oktober 1943, zum Entweichen, überwiegend nach Schweden, zwangen. Das war das Ende der Auslandshachscharah in Dänemark. In Holland, das — wenn auch nur für kurze Zeit — der deutschen Invasion am 10. Mai 1940 bewaffneten Widerstand leistete, brökkelte die Hachscharah je nach den äußeren Umständen in der verschiedenen Ortschaften und zu verschiedenen Zeitpunkten nach und nach ab. Es entstand die chaluzische Untergrundarbeit, die mit der einheimischen und dann der französischen Untergrundbewegung Kontakt suchte und sich bei der Rettung von „Jugendalijah" -Kindern in die Schweiz und im Mai 1944 von Chaluzim über Frankreich nach Spanien, mit Hilfe der Maquis, großartig bewährte. Ihre Umsicht, Unerschrockenheit und Opferbereitschaft schützten für lange Zeit viele Jugendliche vor dem Zugriff der Gestapo und rettete Mitglieder der Bewegung und der jüdischen Bevölkerung in den Lagern in Holland und auf Transporten nach dem Osten.

In Schweden, dem einzigen Lande der deutschen Auslandshachscharah, das vom Kriege verschont blieb, erweiterte sich die Hachscharah 1943 durch den Zustrom der aus Dänemark fliehenden Chawerim. Der Charakter der Hachscharah erfuhr eine wesentliche Änderung, als bei Kriegsende 1945 überlebende aus den Lagern hinzukamen. Die Einwanderungsmöglichkeiten nach Palästina — legale und illegale — und besonders die Errichtung des Staates Israel führten 1948 zur Auflösung der Auslandshachscharah in Schweden nach fünfzehnjährigem Bestehen.

In Lettland, Litauen, Polen und der Tschechoslowakei haben nur wenig über tausend Chawerim aus Deutschland ihre Ausbildung erhalten. In den beiden erstgenannten Ländern waren 1933/34 Gruppen jüdischer Bewegungen und Vereinigungen in Handwerker-schulen und in Hachscharahkibbuzim untergebracht worden; aber es blieb bei dieser ersten und bestenfalls einer zweiten Hach-scharahgeneration.

Andererseits befanden sich einige junge Menschen aus eigener Initiative, aufgrund persönlicher Verbindungen und mit eigenen Mitteln, in der Landwirtschaft, im Handwerk und auf technischen Schulen in den Ländern der Auslandschachscharah sowie in Belgien Norwegen und der Schweiz, um sich auf die Weiterwanderung vorzubereiten. Viele von ihnen fanden gesellschaftlichen Anschluß an Gruppen von Chaluzim in organisierter Hachscharah; sie hielten diesen Kontakt aufrecht, selbst wenn sich nicht alle dem „Hechaluz" anschlossen oder Palästina nicht ihr Ziel war.

Die Auslandshachscharah hatte in den westlichen Ländern einen nicht übersehbaren Einfluß auf die einheimische jüdische Jugend.

Sie brachte, allein durch ihr Bestehen, eine Bereicherung und Intensivierung des Lebens der jüdischen Gemeinden mit sich und wirkte der Assimilierung weiter Kreise der Jugend entgegen.

Rückblickend scheint es, daß in den ersten Jahren der deutschen Auslandshachscharah Frankreich das wichtigste Ausbildungsland war, gefolgt von Holland, Dänemark, Italien, Schweden und Luxemburg, die zusammen zwischen 1934 und 1936 jederzeit um die zweitausend Chaluzim und Chaluzot aus Deutschland auf Hachscharah hatten. Dazu kamen noch weitere 800, die während dieser Jahre nach Palästina oder — weniger — nach Übersee weitergewandert waren.

In Deutschland gelang es noch etwa bis 1938, wenn auch mit Schwierigkeiten, Ausbildungsund Schulungsmöglichkeiten zu schaffen. Häufig waren es nur praktische Umschichtungskurse; nicht selten währten sie nur ein Jahr oder waren von noch kürzerer Dauer. Im November 1934 hatte der deutsche Landesverband „Hechaluz" etwa 3 500 Mitglieder — . 2 350 junge Männer und etwa 1 150 Mädchen —, deren Durchschnittsalter 25 Jahre war und von denen 400 verheiratet waren, auf Hachscharah. 1935 waren es 3 900 und 1936 4 500, davon ein Drittel in der Auslandshachscharah, die an Dauer und daher in fachlicher und erzieherischer Hinsicht der Vorbereitung in Deutschland entschieden überlegen war Dieses Zahlenverhältnis der Hachscharah im In-und Ausland blieb bis Herbst 1938 mehr oder weniger gleich; also ein Drittel auf Auslandshachscharah.

Die zitierten Zahlen geben kein genaues Bild von der Verteilung der Auslandshachscharah auf die verschiedenen Länder. Das hängt auch mit der schon erwähnten Notwendigkeit zusammen, häufig einen und denselben Menschen von einem Land ins andere und manchmal sogar in ein drittes zu überführen, wenn seine Arbeits-oder Aufenthaltserlaubnis ab-lief, bevor ein Zertifikat für seine Einwanderung nach Palästina zur Verfügung stand. Ebensowenig lassen die Zahlen erkennen, daß die Auslandshachscharah sich überwiegend aus Erwachsenen zusammensetzte, während die Vorbereitung im Dritten Reich fast ausschließlich Jugendliche umfaßte.

Es muß dabei berücksichtigt werden, daß für Kapitalisten, Rentner, Studenten und „Jugend19 alijah", für die eine begrenzte Zahl besonderer Einwanderungszertifikate der Mandatsregierung gewährt wurden, die Möglichkeit bestand, ihre Berufsumschichtung in Palästina selbst durchzuführen.

Es wäre falsch anzunehmen, daß die Aus-landshachscharah nicht sehr wichtig für den „Hechaluz" in Deutschland war, da ja die Mehrzahl ihre Ausbildung im Dritten Reich zumindest beginnen konnten. Jedoch wären die im Laufe der Jahre im Inland errichteten Ausbildungseinrichtungen ohne den ständigen Abgang einer beträchtlichen Anzahl junger Juden — einiger weniger direkt nach Palästina und vieler in die Auslandshachscharah — schnell überfordert gewesen. Die Auslandshachscharah gab der Bewegung in Deutschland die Möglichkeit ständigen Ausweichens und erweiterte ihre Dispositionsfreiheit wesentlich. Sie erfüllte außerhalb der Reichsgrenzen auch eine gewisse soziale Funktion, indem sie junge Menschen aufnahm, die aus persönlichen Gründen von nationalsozialistischen Parteistellen oder aus nichtigen von der Polizei verfolgt wurden. Sie erhielt der jüdischen Jugend eine gewisse Bewegungsfreiheit; sie verhinderte das Erstarren innerhalb des gegebenen, häufig schrumpfenden Ausbildungsrahmens und erleichterte eine Anpassung an die widerwärtigen Gegebenheiten, die 1933 die Weimarer Republik schnell in das „Tausendjährige Reich" zu verwandeln begannen.

Zusammenfassend soll wiederholt werden, daß die Vorbereitung auf die Auswanderung nach Palästina im Dritten Reich 1933 auf die wenigen Güter in jüdischem Besitz und einzelne, neugeschaffene Umschichtungsplätze und Fachschulen beschränkt worden war. Als 1936 die XI. Olympischen Spiele in Berlin stattfanden und der Partei und den Behörden daran gelegen war, den vielen ausländischen Besuchern das Bild eines liberalen, geordneten, friedlichen Deutschlands vorzugaukeln, verringerte sich ab Ende 1935 der Druck auf die Juden. Während dieser Periode konnten hauptsächlich 14— 17jährige in rascher Folge in neuerrichteten Vorbereitungslagern ihre Ausbildung beginnen, die sie nach wenigen Monaten in Palästina (als „Jugendalijah" -Gruppen in Kibbuzim oder Kinderdörfern) oder im Ausland (als Mittlerenhachscharahgruppen) fortsetzen konnten, und auch die verhältnismäßig wenigen Erwachsenen über 18 Jahre nach kurzer Umschichtung zur Fortsetzung ihrer Ausbildung ins Ausland überführt wurden. Die Vorbereitungseinrichtungen im Inland und auch einige Arbeitsmöglichkeiten, z. B. in Westfalen (Paderborn, Bielefeld), waren z. T. zur Förderung der Auswanderung gestattet worden. 1937— 1939 war die Haltung der Parteiorgane und der Gestapo in verschiedenen Teilen Deutschlands uneinheitlich. Förderung der Vorbereitung auf Auswanderung und starker Druck, das Verlassen des Reichs sofort zu erzwingen, wechselten sich ab. Nach dem Novemberpogrom 1938 war eine organisierte Inlandshachscharah nicht mehr möglich.

Schließlich sei noch erwähnt, daß der Aufbau der Auslandshachscharah des deutschen Landesverbandes „Hechaluz" sehr unterschiedlich auf die in diesen Ländern lebenden Juden wirkte. In den skandinavischen Ländern und in Luxemburg war die chaluzische Bewegung fast nur aus der zionistischen Literatur, etwas abstrakt und idealisiert, bekannt und wurde nun durch die Chaluzim aus dem Dritten Reich quasi „importiert". In Holland, Frankreich, Italien und England gab es bereits zionistische Jugendbünde, die — außer in Italien — durch die Hachscharah der Chaluzim aus Deutschland einen belebenden Auftrieb erhielten.

Wo das Leben der Juden volkstümlich war und pulsierte — in Polen, Litauen, Lettland, der Tschechoslowakei und Jugoslawien — blieb die Hachscharah des deutschen „Hechaluz" in ihrer Mitte ohne Einfluß. Wo aber das Judentum sich stark an die westliche Umwelt assimiliert hatte, wurden die zahlreichen Chaluzim und Chaluzot aus Deutschland zum anregenden Beispiel und bereicherten nachhaltig das Leben der einheimischen jüdischen Jugend.

Was Israel mit den jungen Einwanderern gewann, was der Hechaluz durch seine wegweisende Erziehung für die zionistische Befreiungsbewegung bedeutete, faßte Moshe Beilinson in diesen Worten zusammen: „. . . Darin liegt die Kraft des Hechaluz, daß er dem jüdischen Willen, Erez Israel aufzubauen, Ausdruck gab, daß er selbst aufbrach und mit eigner Hand ein neues Glied, das größte, das volkstümlichste und das harmonischste Glied an jene heroische Kette reihte, die den prosaischen Namen , Ansiedlung der Juden in ihrem Land'trägt . . . Der Hechaluz hat die Ehre der jüdischen Nation gerettet, er hat die zionistische Organisation vor der Verkehrung ihres großen Sieges — des Mandates — in eine Niederlage bewahrt. . ."

Fussnoten

Fußnoten

  1. Der Text beschränkt sich auf die zum Verständnis notwendigen hebräischen Begriffe, die bei ihrem ersten Vorkommen erklärt werden. Worte, die auf . . . ah enden, sind weiblich (z. B. Chaluz-Pionier, Chaluzah = weiblicher Pionier; Chawer = Kamerad, Mitglied, Chawerah = Kameradin, weibliches Mitglied), während die Endungen . . . im und . . . ot die männliche, resp. weibliche Mehrzahl bezeichnen (Chaluzim und Chaluzot, Chawerim und Chawerot). Die Vorsilbe he. . . ist der bestimmte Artikel (Hechaluz = der Pionier).

  2. Die Balfour-Deklaration hat folgenden Wortlaut: „Ministerium des Äußeren 2. November 1917 Mein lieber Lord Rothschild!

  3. Der volle hebräische Name wird häufig als „Sochnut" abgekürzt gebraucht.

  4. „Der Zentralausschuß für Hilfe und Aufbau" war der Vorläufer der „Reichsvertretung der deutschen Juden", dann „Reichsvertretung der Juden in Deutschland" und schließlich „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland" genannt. Der „Zentralausschuß" wurde 1933 gebildet.

  5. 1937 Melitz, jetzt Jerusalem. zusammengestellt von Rudolf(Raanan)

  6. Einzelheiten siehe auch Yearbook 1969 des Leo Baeck Institutes, London, Seiten 182 ff: Gertrude van Tijn, Werkdorp Nieuwesluis.

  7. Verein zur Fachausbildung von Palästina-Pionieren.

  8. Die „Allgemeinen Zionisten" waren eine bürgerlich-liberale Partei in der zionistischen Bewegung, die u. a. die wirtschaftliche Privatinitiative der nationalen Planung — die die zionistische Arbeiterbewegung forderte — entgegenstellte.

  9. Leib, später Abraham, de Leeuw, geb. 1898 in Hilversum; 1924 nach Palästina; Leitender Ingenieur der Palestine Potash Works, Sodom, 1935/49; an der Planung des nationalen Bewässerungssystems beteiligt, 1949/56; Professor für Hydraulik am Israel Institute for Technology, Haifa; 1967 emeritiert.

  10. Geb. 1887 in Galizien, einer der Gründer der jüdischen und palästinensischen Arbeiterbewegung. 1916 Sekretär des Weltverbandes „Poalej-Zion" der jüdisch-sozialdemokratischen Arbeiterpartei; 1926— 31 in USA Sekretär der „Paolej-Zion"; in Tel Aviv i. d. Exekutive der Histadrut; 1938— 48 Mitglied d. Exekutive d. „Jewish Agency" in London und später Vorsitzender in Jerusalem; Mitglied der Knesset 1955— 59; Verfasser mehrerer Bücher jüdisch-politischen und zionistisch-biographischen Inhalts; starb in Jerusalem am 3. Februar 1972.

  11. Später verheiratet mit Lutz Chill, der als Arieh Eschel nach der Staatsgründung wichtige Posten im diplomatischen Dienst bekleidete und im Oktober 1968 als Botschafter in Ottawa (Kanada) starb. Adele war schon zehn Jahre vorher in Montevideo (Uruguay), wo ihr Mann Botschafter war, gestorben.

  12. Später Mme. Sternheimer-Levy, mit Wohnsitz in Lyon und Jerusalem, aktiv in jüdischer Sozialarbeit. Verstorben im August 1970 in Lyon.

  13. Geb. 1890 in Meiningen, Wirtschaftler und Journalist. 1930— 36 in Holland Redakteur der jüdischen Wochenzeitung „De Joodsche Wachter"; 1948/49 und 1952/55 isrealischer Wirtschaftsminister; starb 1971 in Jerusalem.

  14. Geb. 1905 in Rom, -ein intellektueller Jude, der Chaluz und 1928 Mitbegründer von Giwat-Brenner wurde. Um Juden in Italien zu helfen, sprang er 1944 hinter den deutschen Linien ab, wurde bei Florenz gefangen genommen und am 18. November in Dachau ermordet.

  15. Geb. 1904 in Galizien; 1933— 38 Schaliach für „Hechaluz" und Jugendalijah in Deutschland u. England; nach 1948 im isrealischen Finanzministerium, verantwortlich für die wirtschaftliche Entwicklung Jerusalems; verstarb 1964.

  16. Aus Eisenach; Mitglied von Giwat-Brenner; erkrankte als Schaliach in Berlin und starb in Davos im Februar 1936, 27 Jahre alt.

  17. Geb. 1906 in Rußland; aktiv in der jüdischen Jugendbewegung in Chemnitz; Chawer Giwat-Brenner; im Juli 1948 im Unabhängigkeitskrieg durch eine Mine tödlich verletzt.

  18. Geb. in Polen; führend in der jüdischen Jugendbewegung in Deutschland; Chawer Giwat-Brenner/Netzer Sereni; jtzt Rechowot.

  19. Geb. 1911 in Königsberg i/Pr.; heute führendes Mitglied von Kibbuz Kfar Szold. In Palästina seit 1934.

  20. Geb. 1911 in Königsberg i/Pr.; 1933 nach Palästina, später Staatssekretär im Transportministerium und Vorstandsmitglied verschiedener nationaler Transportgesellschaften; Mitglied des Kibbuz Ramat Hakowesch.

  21. Dr. Chaim Weizmann, 1874— 1952; geb. in Motoi i. d. Nähe von Pinsk, Rußland; Biochemiker, Professor in Genf und Manchester; langjähriger Präsident der Zionistischen Weltorganisation und der „Jewish Agency"; 1949 erster Staatspräsident Israels.

  22. Siehe Norman Bentwich, They found Refuge, London 1956 (Cresset Press), S. 92.

  23. „Die Aufbauenden" ist der Name einer chaluzi-sehen Jugendbewegung, die hauptsächlich in englischsprechenden Ländern sowie in Deutschland, der Schweiz und in Holland bestand.

  24. S. u. a.: Adinah Kochva-Rinah Klinov, Hamakhteret hehalutzit be Holland hakvushah (Die chaluzische Untergrundarbeit im besetzten Holland), Hakibbuz Hameuchad Publishing House Ltd., 1969.

  25. Z. B. gab es im Juli 1939 in Schweden 63 Chaluzim, deren Hachscharah schon 3— 4 Jahre währte, 8 mit mehr als 4jähriger und 4 mit über 5jähriger landwirtschaftlicher Ausbildung.

Weitere Inhalte

Perez Leshern (vormals Fritz Lichtenstein), Gesandter i. R., Jerusalem; geb. 1903 in Chemnitz; nach Absolvierung des Reformrealgymnasiums und Lehre in einer Chemnitzer Textilfabrik seit 1923 Tätigkeit in der Landwirtschaft, um 1926 nach Palästina in den Kibbuz Yagour zu gehen, 1931/33 leitender Beamter des „Hechaluz", Deutscher Landesverband, in Berlin; 1934 in Paris; in Palästina mit der Eingliederung der deutschen Einwanderer in Kibbuzim befaßt; 1939/43 in London in der Berufserziehung; 1943/45 auf der iberischen Halbinsel als Beauftragter jüdischer Organisationen zur Flüchtlings-und Rettungsarbeit; 1950/67 im israelischen Auswärtigen Dienst, zuletzt Generalkonsul in der Bundesrepublik. Veröffentlichungen; Artikel über Erziehung, Berufsausbildung und Organisationsprobleme der Kibbuzbewegung in Organen der Jugendbewegung und hebräischen Zeitschriften; „Rescue Efforts in the Iberian Peninsula", Leo-Baeck-Institute, Yearbook XIV, London 1969.