Die Studie beginnt mit einer Beschreibung der wesentlichen Faktoren, die heute Rüstungsdynamik bestimmen. Im Gegensatz zur offiziellen Erklärung nationaler Rüstungspolitik als einer rationalen Reaktion auf Drohungen und das Rüstungsverhalten des so-genannten potentiellen Gegners begreifen die Autoren die gegenwärtige Rüstungspolitik, und die Dynamik des Rüstungswettlaufs als einen im wesentlichen innenbestimmten Prozeß, d. h. abhängig von innergesellschaftlichen (auch allianzgebundenen) Interessen, technologischen Entwicklungen, organisatorischen Imperativen und strategischen Doktrinen als Legitimationsinstrumente. Eine Analyse der bisherigen Abkommen zur Rüstungskontrolle zeigt, daß deren Reichweite im Sinne effektiver Kontrollfunktion gering zu veranschlagen ist, da sie sich entweder auf wenig relevante Gebiete der Rüstung beziehen oder leichte Möglichkeiten der Umgehung offenlassen. Eine Begrenzung der qualitativen Dimensionen von Rüstungsdynamik, die heute wesentlicher sind als quantitative Ausmaße, wurde jedenfalls nicht erreicht. Auf die MBFR-Verhandlungen angewandt, läßt sich die Gefahr aufzeigen, daß auch in Mitteleuropa die qualitative Rüstungspolitik nicht berührt wird und statt einer echten Rüstungskontrolle nur eine Umrüstung erfolgt. Einen Erfolg von MBFR im Sinne von langfristiger Entspannungspolitik kann es nur geben, wenn Abkommen getroffen werden, die die drei wesentlichen Dimensionen der heutigen Militärapparate gleichermaßen beschneiden: den Personalbestand, die Beschaffungsprogramme sowie die militärischen Forschungs- und Entwicklungsprogramme. Abschließend entwerfen die Autoren Kriterien einer Friedenspolitik, die auf effektive Rüstungskontrolle und Abrüstung zielt: effektive Rüstungskontrolle als Selbstkontrolle im eigenen nationalen Rahmen, die — rückgekoppelt mit innenpolitischen Interessen — durch internationale Verträge abgesichert wird. Dies könnte, so wird argumentiert, eine friedenspolitische Dynamik in Gang setzen, die dem herrschenden Trend von Rüstung auf allen Ebenen entgegenwirkt.
I. Einleitende Überlegungen über die gegenwärtige Sicherheits-und Entspannungspolitik
Der Beginn der Vorgespräche über eine Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) und der Vorgespräche über möglicherweise parallel zur KSZE stattfindende Verhandlungen über eine gegenseitige und ausgewogene Truppenreduzierung in Europa (MBFR) haben eine neue Phase der Entspannungspolitik zwischen Ost und West eingeleitet. Zu keinem Zeitpunkt seit 1945 wurden auf vergleichbare Bemühungen so große Erwartungen gerichtet wie heute. Ist unsere Einschätzung der offiziellen Lagebeurteilung durch die politischen Eliten in Ost und West korrekt, so gehen alle maßgeblich beteiligten Regierungen heute davon aus, daß die objektiven Startchancen für eine kurzfristig und langfristig erfolgreiche Friedenspolitik zwischen den beiden Großmächten und im Zentrum Europas gegenwärtig weit günstiger sind als noch vor wenigen Jahren und daß eine derartige Lagebeurteilung nicht Ausdruck subjektiver Fehldeutungen oder einfach Funktion eines politisch möglicherweise verhängnisvollen Irrtums ist:
Die in den vergangenen Jahren erfolgte Konsolidierung des Status quo in Europa scheint Wege zu eröffnen, die über eine in mühsamen politischen Aktivitäten angestrebte Überwindung eben dieses Status quo allmählich zu einer neuen europäischen Friedensordnung hinführen. Die seit 1969 von der Regierung der BRD verfolgte Entspannungspolitik, insbesondere ihre Ostpolitik, hat diesen Prozeß beschleunigt, sicher nicht verursacht. Der Eintritt von BRD und DDR in die Vereinten Nationen im Laufe des Jahres 1973 wird die vor allem von den Nachbarn der beiden deutschen Staaten als Normalisierung empfundene Entwicklung in Zentraleuropa dann zu einem gewissen vorläufigen Abschluß bringen. Mit der anfänglichen Bewältigung der zwischen der BRD und der DDR bestehenden Probleme auf der Basis des Grundvertrages vom Herbst 1972 wird die Aufmerksamkeit von Politik und Öffentlichkeit sich notwendigerweise auf jene Entwicklungen konzentrieren, die nicht nur eine Festschreibung des gegenwärtigen Status quo beinhalten, sondern darauf angelegt sind, einen neuen Modus vivendi im Rahmen erst zu schaffender, biund multilateral auszuhandelnder politischer Arrangements in Gesamteuropa zu finden. Den Vorverhandlungen über eine KSZE und über MBFR sowie den sich daran anschließenden Hauptverhandlungen kommt in diesem Prozeß der Reorientierung politischer Strategien in den kommenden Monaten und möglicherweise. Jahren eine besondere Bedeutung zu. Angesichts dieser Situation ist zu fragen, welche Erfolgschancen die nun beginnenden gesamteuropäischen Verhandlungen gerade unter Berücksichtigung solch relativ günstiger Ausgangsbedingungen haben und von welchen friedenspolitischen Kriterien her solcher Erfolg bewertet werden müßte.
Beide Fragen drängen sich auf, da in den vergangenen Jahren die Entspannungspolitik von den Eliten in Ost und West bewußt auf dem Hintergrund einer nicht nachlassenden Rüstungspolitik betrieben worden ist. Gerade die Regierung der BRD hat des öfteren ein-B dringlich betont, daß ihre eigene Entspannungspolitik und insbesondere ihre Ostpolitik ohne eine beharrliche Fortsetzung der überkommenen, in Militärallianzen sich organisierenden Sicherheitspolitik (Abschreckungspolitik) nicht durchführbar sei. Eine Analyse der in der BRD in den vergangenen Jahren erfolgten Rüstungspolitik zeigt, daß die Betonung einer solchen Grundposition alles andere als Rhetorik war, überdies haben die Beratungen im Warschauer Pakt und in der NATO im Herbst und im Frühwinter 1972 sehr eindeutig illustriert, daß der Wille zur konsequenten Fortsetzung herkömmlicher Sicherheitspolitik, die Aufrüstung bedingt, ungebrochen ist und daß die verbalen Begründungen hierfür sich in Ost und West fast spiegelbildlich ähneln. Während die Entspannungspolitik fortschreitet, vertieft sich auch die Kooperation in militärischen (und wirtschaftlichen) Angelegenheiten innerhalb beider Allianzen merklich, über eine derartige konzeptuelle und praktische Verknüpfung von Entspannungspolitik und herkömmlicher Sicherheitspolitik (= Abschreckungspolitik) sind im wesentlichen zwei Begründungen zu hören, die mit verschiedener Häufigkeit vorgetragen werden. Beide, die im folgenden kurz zu umschreiben sind, versuchen den Zusammenhang von Entspannungs-und Sicherheitspolitik auf je spezifische Weise zu fassen:
1. Eine erste Argumentation begreift herkömmliche Sicherheitspolitik und Entspannungspolitik als zwei Pfeiler ein und derselben friedenspolitischen Strategie. Zwar sind in diesem Verständnis Entspannungs-und Sicherheitspolitik aufeinander bezogen, doch sollen sie jeweils einen eigenen Stellenwert haben. Während Entspannungspolitik beispielsweise bestrebt ist, vermittels diplomatischer Aktivitäten zu einem modus vivendi zwischen Ost und West auf wirtschaftlichem und technologischem Gebiet zu kommen, wird explizit gefordert, die herkömmliche Sicherheitspolitik ohne Abstriche fortzusetzen, als ob es keine derartige Entspannungspolitik geben würde. Sicherheitspolitik wird dann, wie ehedem, als Reaktion auf eine potentiell virulente Konfliktkonstellation zwischen Ost und West und somit als ein Mittel zur Eindämmung eines solchen Konfliktpotentials begriffen. Die Aufgabe von Entspannungspolitik, bezogen auf sicherheitspolitische Problemstellungen, ist es dann bestenfalls, jenen minimalen Konsensus über einen modus vivendi zwischen den Antagonisten herbeizuführen, der ein geregeltes Nebeneinander ermöglicht, ohne daß hierdurch die Konflikt-konstellation und antagonistische Interessen-positionen sich überwinden ließen oder überwunden werden sollten. Die Funktion von Entspannungspolitik in dieser Mischung von politisch-militärischer Strategie besteht darin, eine potentiell explosive Konstellation durch die Einführung stabilisierender Elemente zu entschärfen (INTERPRETATION I).
2. Eine zweite Interpretation der Verknüpfung von Entspannungs-und herkömmlicher Sicherheitspolitik begreift letztere als eine Rückversicherung für Entspannungspolitik, da deren mögliches Scheitern nicht ausgeschlossen wird. Die pessimistische Variante einer solchen Interpretation Würde in der Praxis pragmatisch einfach einer Devise des Abwartens folgen, um über einen Prozeß von Versuch und Irrtum auf der entspannungspolitischen Dimension auszuloten, in welcher Richtung ein politischer modus vivendi zu finden ist, ohne daß durch diesen Prozeß die herkömmliche Sicherheitspolitik in irgendeiner Hinsicht zunächst einmal berührt würde (INTERPRETATION II a).
Die optimistische Variante würde Entspannungspolitik als ein Durchgangsstadium zwischen herkömmlicher Sicherheitspolitik und einer neuen friedenspolitischen Ordnung sehen. Im Verlauf einer derart verfolgten aktiven Entspannungspolitik würde die herkömmliche Sicherheitspolitik anfänglich unberührt bleiben, um in einem späteren Stadium der Entwicklung durch die inzwischen im Rahmen der Entspannungspolitik eingeleiteten erfolgreichen Maßnahmen allmählich in Ansatz, Struktur und Inhalt überholt zu werden. So begriffen, käme Entspannungspolitik konzeptuell jener Stellenwert zu, der in den frühen 60er Jahren, einer Rüstungskontrollpolitik als einem Durchgangsstadium zwischen herkömmlicher Abschreckungspolitik und Abrüstung zugemessen wurde, ohne daß diese Politik jemals sich als solche realisierte (INTERPRETATION II b).
Es versteht sich von selbst, daß verschiedene Kräfte in Ost und West verschiedenen Varianten solcher Interpretationen bzw. einer Mischung von ihnen anhängen und daß in keinem Falle eine „idealtypisch reine" Strategie verfolgt wird. Es kann auch kein Zweifel bestehen, daß in der öffentlichen Auseinandersetzung um Entspannungs-und Sicherheitspolitik die erstere Interpretation heute immer noch die gängigere ist, wenn auch gelegentlich von einzelnen Politikern gewisse zögernde Ansätze hinsichtlich der zweiten Interpretation gemacht werden, ohne daß diese Position heute von einer inhaltlich differenzierten Konzeption getragen wäre, geschweige denn eine politisch sich artikulierende Interessen-basis in maßgeblichen gesellschaftlichen Gruppierungen gefunden hätte.
Wie immer auch auf der Bühne politischer Rhetorik argumentiert wird, so weisen die harten Daten der Rüstungsentwicklung in den vergangenen Jahren doch darauf hin, daß der internationale Rüstungswettlauf im Rahmen des Ost-West-Konflikts unvermindert anhält. Zwar ist in den vergangenen Jahren in manchen Industrienationen ein leichter Rückgang des Anteils für Verteidigungsausgaben an den öffentlichen Ausgaben bzw. am Bruttosozialprodukt zu beobachten gewesen; nichtsdestoweniger stiegen die Ausgaben für die herkömmliche Sicherheitspolitik absolut ständig an, und neue Erhöhungen stehen für das Jahr 1973 unmittelbar bevor. Der anteilmäßige, marginale Schrumpfungsprozeß im Budgetvolumen entspricht nicht einem Schrumpfungsprozeß der Apparate selbst.
Insbesondere sind die Ausgaben für militärtechnologische Forschungs-und Entwicklungsprogramme, durch die ein im wesentlichen qualitativer Rüstungswettlauf unter anderem ständig weiter vorangetrieben wird, keineswegs zurückgegangen; im Gegenteil ist ein relatives Wachstum solcher Ausgaben zu registrieren. Versucht man die gegenwärtig verfolgte Entspannungspolitik und insbesondere die neueste Phase ihrer Entwicklung, die Vorverhandlungen über eine Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) sowie die Vorverhandlungen über eine beiderseitige ausgewogene Truppenreduzierung in Europa (MBFR), zu bewerten, sind vorab zwei wesentliche Punkte zu klären:
1. Welche Faktoren bestimmen heute die Rüstungspolitik führender Industrienationen und der beiden Militärallianzen?
Welcher Zusammenhang von nationaler bzw.
allianzgebundener Rüstungspolitik und internationalem Rüstungswettlauf ist heute zu beobachten? Welche restriktiven Bedingungen setzt Rüstungsdynamik (als der Resultante von Rüstungspolitik und internationalem Rüstungswettlauf) einer Entspannungspolitik? Diese Frage ist insbesondere dann zu stellen, wenn Entspannungspolitik nicht nur als eine autonom sich entwickelnde Politik in Ergänzung zu einer ebenso selbständig sich weiterentwickelnden Sicherheitspolitik'verstanden wird (INTERPRETATION I), sondern als Ansatz in Versuchen einer Überwindung des Ost-West-Konflikts und in der Schaffung einer neuen europäischen Friedensordnung (INTERPRETATION II, insbesondere II b).
2. Da Rüstungskontrollpolitik im Rahmen von Entspannungspolitik häufig als ein praktisches Verbindungsglied zwischen Sicherheits-und Entspannungspolitik begriffen wird, ist zur Bewertung der sich nunmehr wieder intensivierenden Rüstungskontrollverhandlungen vorab die Frage zu stellen: Welche Ergebnisse und welche Funktion hatte Rüstungskontrolle in den vergangenen zehn Jahren und welche Lehren ergeben sich aus diesen Erfahrungen für die Bewertung der Erfolgschancen der unmittelbar bevorstehenden Rüstungskontrollverhandlungen in Europa?
Nach einer Diskussion dieser beiden Fragenkomplexe wird es möglich sein, Überlegungen über den Problembereich MBFR zu formulieren.
II. Zur Analyse von Rüstungsdynamik
Abbildung 4
Vorschläge zur Abrüstung und Rüstungskontrolle in Europa 1947 bis 1964, nach Ländern Quelle : Karl W. Deutsch Arms Control and the Atlantic, Alliance, New York 1967, S. 31.
Vorschläge zur Abrüstung und Rüstungskontrolle in Europa 1947 bis 1964, nach Ländern Quelle : Karl W. Deutsch Arms Control and the Atlantic, Alliance, New York 1967, S. 31.
Welche wesentlichen Faktoren bestimmen heute Rüstungsdynamik, d, h. das Wachstum von Rüstungspolitik und die Richtung des internationalen Rüstungswettlaufs? Alternative Erklärungen Während des Kalten Krieges war die Begründung von nationaler Rüstungspolitik und internationalem Rüstungswettlauf relativ einfach. Nationale Rüstungspolitik wurde als Reaktion auf die rüstungspolitischen Maßnahmen des sogenannten potentiellen Gegners interpretiert. Rüstungspolitik wurde als außen-geleitet verstanden und der internationale Rüstungswettlauf als ein wechselseitiger Eskalationsprozeß beschrieben.
Diese Erklärungsmuster von Aktion und Reaktion, in dem rüstungspolitische Entscheidungen als von einem potentiellen Gegner aufgezwungen erscheinen, gehört immer noch zu den gängigen öffentlichen Begründungen des weiteren Wachstums von Rüstungsapparaten. Sowohl wissenschaftliche Analysen als auch die in der Praxis beobachtbare Kombination von unverminderter Aufrüstung und gleichzeitigen Entspannungsbemühungen in den vergangenen Jahren haben dieses Erklärungsmuster ernsthaft in Frage gestellt.
Prinzipiell bieten sich zwei Interpretationen an: eine, die offiziellen Verlautbarungen folgt, und eine zweite, die in der Wissenschaft immer mehr Fuß faßt: 1. Rüstungspolitik entwickelt sich in unverminderter Intensität weiter, weil politische Instanzen, auf den potentiellen Gegner starrend, eine solche Entwicklung für sinnvoll halten und bewußt anstreben. Diese Interpretation der unverminderten Wachstumsdynamik von Rüstungspolitik stimmt mit INTERPRETATION I über die Verknüpfung von herkömmlicher Sicherheitspolitik mit einer inhaltlich eng umgrenzten Entspannungspolitik überein.
Oder:
2. Rüstung wächst weiter, weil Rüstungsdynamik weithin einer Logik folgt, die ungeachtet der jeweiligen internationalen Situation wirkt. Rüstungspolitik ist dieser Interpretation zufolge nicht in erster Linie außengeleitet, sondern im wesentlichen innengeleitet, weil sie nicht vom potentiellen Gegner von außen aufgezwungen, sondern das Ergebnis nationaler und allianzgebundener politischer Willensbildungs-und Entscheidungsprozesse ist, die ihrerseits unter den restriktiven Bedingungen einer im wesentlichen innengeleiteten Rüstungsdynamik stehen.
Folgt man der ersten Interpretation, so wird dabei der rein instrumentelle Charakter von Rüstungspolitik und Rüstungsapparaten hinsichtlich der Bewältigung von außenpolitischen Konfliktpotentialen behauptet. Die jeweilige Größenordnung und das Wachstum von Rüstungsapparaten wären eine Funktion der internationalen Politik, d. h. eine Funktion von objektiven Tatbeständen jenseits eigener Grenzen (die natürlich nur über subjektive Interpretationen diesseits der Grenzen erfaßt werden).
Ist diese Interpretation korrekt, so könnte, wenn nicht kurzfristig, so doch langfristig, eine das Rüstungswachstum dämpfende Wirkung von effektiver Entspannung in der nationalen Politik nicht ausbleiben: die sicherheitspolitische „Zwei-Pfeiler-Doktrin", die weitere Aufrüstungs-und Entspannungspolitik als komplementär begreift, würde fragwürdig. Bis heute sind jedoch solche Effekte nicht eingetreten, und es gibt eine Reihe von Argumenten, die aufweisen können, warum dies nicht der Fall ist. Sie hängen mit dem zweiten Erklärungsschema zusammen 1). Gibt es triftige Argumente für dieses zweite Erklärungsschema von Rüstungsdynamik, in dem die selbstinduzierten und nicht die von außen kommenden Impulse für die weitere Entwicklung von Rüstungspolitik betont werden, dann würde Rüstungsdynamik erhebliche restriktive Bedingungen für entspannungspolitische Bemühungen entwickeln. Von hier aus betrachtet, käme die heute gängige, oben als INTERPRETATION I eingeführte Begründung der Verknüpfung von herkömmlicher Sicherheitspolitik und heutiger Entspannungspolitik einer Rationalisierung gleich, die gegebene politische Strategien legitimieren soll. Nicht nur wären dann jenen entspannungspolitischen Bemühungen enge Grenzen gesetzt, die selbst als eine Politik im Übergang von herkömmlicher Sicherheitspolitik zu neuen Formen einer gesamteuropäischen Friedensordnung begriffen werden (INTERPRETATION II); vielmehr würde auch die „Zwei-Pfeiler-Doktrin" einer ihrer Begründungen verlustig gehen: Die herkömmliche Sicherheitspolitik würde nämlich neben der heute verfolgten Entspannungspolitik u. a. weiter betrieben, weil Regierungen die Gefangenen ihrer eigenen Geschöpfe von gestern, der Rüstungsapparate, wären, und die These, man müsse gleichzeitig Sicherheitspolitik im herkömmlichen Sinne und Entspannungspolitik betreiben, wäre dazu angetan, daß dieser Sachverhalt, die eigenständige Bedeutung von Rüstungsdynamik, nicht ins öffentliche Bewußtsein eindringen würde.
Im folgenden sollen einige Tatbestände skizziert werden, die für ein Verständnis für Rüstungsdynamik heute von zentraler Bedeutung sind. Durch ihre Diskussion versuchen wir die Tragfähigkeit der dargestellten alternativen Erklärungsmuster zu bestimmen. 2. Zum qualitativen Charakter gegenwärtiger Rüstungspolitik Ehe auf einzelne Tatbestände kurz eingegangen werden kann, ist es erforderlich, auf ein grundlegendes Merkmal gegenwärtiger Rüstungspolitik . und des internationalen Rüstungswettlaufs zwischen Ost und West, vor allem in den vergangenen 15 Jahren, aufmerksam zu machen.
Dieser Rüstungswettlauf ist im wesentlichen als ein qualitativer zu kennzeichnen. Zwar spielten quantitative Größen in jeder Phase seiner Entwicklung eine maßgebliche Rolle, doch sind diese eher eine Funktion der qualitativen Dimensionen von Rüstungspolitik als umgekehrt. Auch vergangene Rüstungswettläufe, beispielsweise der zwischen dem Wilhelminischen Deutschland und England vor 1914, enthielten qualitative Merkmale. Doch waren diese im Rahmen von relativ langen Lebenszyklen jeweils vorherrschender Waffensysteme von nur punktueller Bedeutung, denn die qualitativen Ausmaße vergangener Rüstungswettläufe wurden dadurch beschränkt, daß sich solche Rüstungswettläufe im wesentlichen nur auf wenige Typen von Waffensystemen, wenn nicht gar nur auf ein einziges Waffensystem, beschränkten. Der gegenwärtige Rüstungswettlauf ist demgegenüber in all seinen Dimensionen ein qualitativer: Kein Ausschnitt aus dem heute verfügbaren Spektrum von militärischen Destruktionsmitteln bleibt ausgespart. In allen wesentlichen Bereichen wie z. B.den Aktivitäten der Geheimdienste, der Bekämpfung von nicht willfährigen Bevölkerungen im soge-nannten counter-insurgency warfare, den verschiedenen Varianten konventioneller, taktisch nuklearer und strategisch nuklearer Kriegführung sowie im Bereich chemischer Kampfstoffe und der politischen Propaganda lassen sich folgende drei für den gegenwärtigen Rüstungswettlauf wesentliche Erscheinungen beobachten, die ihn zu einem im wesentlichen qualitativen machen:
1. Die anhaltende Intensität des Innovationsrhythmus einer massiv geförderten Militärtechnologie, auf der Grundlage von hochtourig ablaufenden Forschungs-und Entwicklungsprogrammen, die zu einer Fülle von Waffensystemen führen, von denen nur ein Teil wegen bereits eingetretener Veraltung der meisten Entwicklungsprojekte über den Prototyp hinaus entwickelt werden kann bzw.deren Weiterentwicklung und Erprobung von Anfang an nicht vorgesehen war. Welche Projekte tatsächlich weiter verfolgt werden, ist das Ergebnis in erster Linie innenpolitischer und erst in zweiter Linie außenpolitisch-militärischer Überlegungen.
2. Die laufende Modernisierung einmal bestehender Waffensysteme durch ihre qualitative Verbesserung, d. h. vor allem durch die Erhöhung ihrer Genauigkeit, ihrer Verläßlichkeit, ihrer Unverwundbarkeit und dergleichen. 3. Als Ergebnis von (1) und (2) läßt sich eine hohe Veraltungsrate beobachten, auf Grund derer Waffensysteme oft schön im Augenblick ihrer Einfügung in vorhandene Militärapparate als veraltet gelten können.
Es liegt in der Natur der aus politischen Gründen intensiv vorangetriebenen Militär-technologie, daß heute schon in gewissem Sinne die Geschichte der Zukunft geschrieben wird, denn die gegenwärtigen Aktivitäten im Bereich von Forschungs-und Entwicklungsprogrammen reichen weit in die Vergangenheit zurück und greifen weit in die Zukunft voraus. 3. Spezifische Faktoren von Rüstungsdynamik Diese Überlegungen führen uns zur Darstellung einiger spezifischer Faktoren, die heute maßgeblich Rüstungsdynamik bestimmen:
1. Die eben diskutierten durchgängig wirksamen qualitativen Merkmale gegenwärtiger Rüstungspolitik und des internationalen Rüstungswettlaufs haben zum Ergebnis, daß die Bedrohung der eigenen Seite eher am Stand der eigenen Rüstung oder am potentiellen technologischen Fortschritt der eigenen Waffentechnologie gemessen wird als an der Rüstung und den technologischen Errungenschaften der Gegenseite. Gerade im Bereich der militärtechnologischen Forschung und Innovationsprogramme versagt das Erklärungsmuster von Aktion und Reaktion. Eine internationale Studienkommission hat in einem Bericht für den UN-Generalsekretär von Oktober 1971 folgendes treffend festgestellt:
„Oberflächlich könnte es den Anschein haben, daß die Anstrengung, die Qualität der Waffen zu verbessern oder die Bemühung um eine Verteidigung gegen Waffen, einer logischen Folge von Stufen folgt, in welchen ein neues Waffensystem entwickelt wird, dann ein Gegenwaffensystem zur Neutralisierung der neuen Waffen entsteht und schließlich eine Gegen-Gegen-Waffe. Aber diese Stufen folgen weder gewöhnlich noch notwendigerweise einer rationalen Zeitabfolge. Die Menschen, welche Verbesserungen in der Waffentechnologie entwerfen, sind wiederum diejenigen, welche in der Regel die weiteren Schritte ins Auge fassen, welche ihrer Meinung nach unternommen werden sollten. Sie warten nicht darauf, daß ein potentieller Feind reagiert, ehe sie selbst wiederum auf eigene Schöpfungen reagieren."
Eng mit derartigen militärtechnologischen Impulsen, die natürlich mit politischen Interessenkonstellationen vermittelt sind, hängen organisatorische Imperative zusammen, die sich vor allem in und aus jenen Apparaten entwikkeln (Laboratorien, Produktionsstätten und dgl.), die auf der Basis exklusiver Spezialisierung an der vordersten Front der Weiterentwicklung moderner Rüstungstechnologie tätig sind. Wie in empirischen Untersuchungen über Rüstungspolitik und Beschaffungswesen nachgewiesen wurde, lösen sich Forschungs-, Entwicklungs-, Erprobungs-, Produktionsund Installierungsphasen einzelner und mehrerer Waffensysteme innerhalb gegebener waffentechnologischer Forschungs-und Produktionsstätten ungeachtet der Entwicklung internationaler Politik nach einem starren Verlaufsschema ab. Um die einschlägige strategische und waffentechnologische Expertise kontinuierlich aufrechtzuerhalten, um gegebene Kapazitäten auszulasten und in Berücksichtigung der sogenannten lead-time Erfordernisse moderner Rüstungstechnologie bleiben die für die Erfindung und Herstellung von Waffensystemen spezialisierten Produktionsstätten laufend in Arbeit. Nahezu bruch-los folgen Programme aufeinander, und die Planung ihrer Abfolge war in den vergangenen zehn Jahren weniger ein Reflex neuer Lagebeurteilungen als eine Funktion der politischen Priorität, unter denen solche Apparate arbeiten — eine Priorität, die ihrerseits ein gewisses Eigenleben und eine Eigendynamik technologischer Entwicklungen, die allerdings politisch motiviert sind, auslöst.
2. Die Auffächerung der Aufgaben von Mili-
tärapparaten, („missions"), von GeheimdienstAktivitäten bis zu Versionen nuklearstrategischer Kriegführung, hat zu einer parallelen Auffächerung der Interessenbasis der herkömmlichen Sicherheitspolitik geführt. Diese aufgefächerte Interessenbasis mit ihren zumindest im Westen feststellbaren vielfältigen, sich zum Teil überkreuzenden, sich zum Teil wechselseitig ausschließenden Interessenallianzen und Interessenrivalitäten innerhalb und zwischen den einschlägigen Apparaten von Administration, Industrie, Militär und Wissenschaft führt zu einer interessentheore-
tisch und organisationssoziologisch erklärbaren Entwicklungsdynamik dieser Apparate, deren Impulse kaum als Reaktion auf Vorgän31 ge jenseits der eigenen Grenzen beim soge-nannten potentiellen Gegner begreifbar sind, während alle gängigen politikwissenschaftlichen und soziologischen Erkenntnisse über das Zustandekommen von innenpolitischen Entscheidungsprozessen auf sie unmittelbar angewandt werden können. Eine solche Beobachtung einer derartigen prozeduralen und organisatorischen Übereinstimmung von innenpolitischen und rüstungspolitischen Entscheidungsprozessen gilt um so mehr, je höher der Anteil von Verteidigungsausgaben am öffentlichen Haushalt ist. Überdies sind die Willensbildungs-und Entscheidungsprozesse in rüstungspolitischen Angelegenheiten in allen Ländern extrem hierarchisiert; sie unterliegen nur einer marginalen öffentlichen Kontrolle; und selbst in jenen Fällen, in denen eine öffentliche Diskussion tatsächlich stattfindet (wie gegenwärtig in den USA), sind die Wirkungen kritischer Stellungnahmen keineswegs durchschlagend. Nicht zuletzt eine derartige Erfahrung berechtigt, das Interessenverbundsystem der Rüstungsapparate als sicherheitspolitische Macht-elite zu umschreiben, die gelegentlich in eine Interessenkollision mit anderen Fraktionen herrschender Eliten gerät, wie dies z. B. in den USA während des Vietnam-Krieges zu beobachten war, ohne daß ihre Grundlage erschüttert würde.
3. Gängige strategische Doktrinen wie bestimmte Varianten der Abschreckungsdoktrin oder der Doktrin politischen und militär-strategischen Gleichgewichts haben heute wie früher verschiedene Funktionen. Manche Prämissen solcher Doktrinen stellen weiterhin eine globale Rechtfertigung von Rüstungsmaßnahmen auf allen möglichen Ebenen der militärstrategischen Planungen für Eventualfälle dar. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der These, daß man mit den schlechtesten Absichten des Gegners und seinen besten technologischen Fähigkeiten rechnen müsse („worst-case" -Doktrin). In dieser Funktion tragen solche Doktrinen zur Rechtfertigung der Grundorientierung gängiger Sicherheitspolitik bei, die insbesondere auf der Basis von Abschreckungspolitik notwendigerweise zu weiterer Rüstung führt. Sie stellen dann Faktoren dar, die in der Tendenz die gegebene Konfliktkonstellation, vermittelt über herkömmliche Sicherheitspolitik, als eine militarisierte am Leben erhalten.
Wichtig ist jedoch zu erkennen, daß solchen strategischen Doktrinen heute im großen und ganzen keine besonders relevante operative Bedeutung zukommt; vielmehr kommt ihren Aussagen eine Bedeutung hinsichtlich der Legitimation und Rationalisierung von gängiger Rüstungspolitik zu, die letztlich von anderen, schon aufgezeigten Impulsen vorangetrieben wird. Waffensysteme sind heute nicht so sehr das Resultat politischer Planung, sondern es besteht ein Zwang zur Definition von Einsatzmöglichkeiten und Funktionsbestimmung technologisch möglich gewordener Waffensysteme, nachdem diese als Ergebnis von Entwicklungen außerhalb politisch-strategischer Lagebeurteilungen schon realisierbar wurden.
Dieser ex post-Charakter von politisch-strategischer Auftragsbestimmung neuer möglicher Waffensysteme läßt die zum Teil häufig umdefinierte Funktionsbestimmung von solchen Waffensystemen (wie das jüngst im Falle des ABM-Systems spektakulär der Fall war) einsichtig erscheinen.
Andere Faktoren ließen sich noch benennen, die ebenfalls die Entwicklung von Rüstungsdynamik charakterisieren könnten. So könnte beispielsweise auf die Bedeutung der Koordination von Rüstungspolitik innerhalb der Militärallianzen hingewiesen werden, die zum Teil zu sehr intensiven Interaktionsprozessen zwischen den alliierten Staaten führt (vgl.
jetzt z. B. die Funktion der Euro-Gruppe in der NATO), wodurch Innenorientierung bestärkt und die Außenorientierung solcher Allianzen zumindest nicht gefördert wird.
Auch müßte in einer umfassenden Analyse von Rüstungsdynamik auf die spezifischen Antriebsimpulse, die auf typische Merkmale von Gesellschaftsordnungen zurückgeführt werden können, hingewiesen werden. Solche spezifischen, aus kapitalistischer und sozialistischer Gesellschaftsordnung resultierenden Impulse haben ein eigenständiges Gewicht, das für eine eingehende Bewertung von Rüstungsdynamik von großer Bedeutung ist. Für kapitalistische Staaten wäre hier insbesondere auf die gesamtwirtschaftlichen und herrschaftssoziologischen Dimensionen von Rüstungspolitik hinzuweisen; im Falle sozialistischer Staaten müßten die herrschaftsstabilisierenden und zwischenstaatlichen Disziplinierungsfunktionen von Militärapparaten in Betracht gezogen werden. 4. Zusammenfassung Es wird jedoch hier davon ausgegangen, daß allein schon die aufgezeigten, Rüstungsdyna-B mik tragenden und vorantreibenden Faktoren eine zentrale Beobachtung begründen können, die im folgenden zusammenfassend formuliert werden soll:
1. Der internationale Rüstungswettlauf ist weit weniger außenbestimmt als gewöhnlich unterstellt wird; er ist heute im wesentlichen innenbestimmt. Das heißt, der Rüstungswettlauf ist weniger ein Wettkampf zwischen zwei Antagonisten, deren Interaktion auf eine enge Wechselbeziehung schließen läßt (Reziprozität); er ist vielmehr ein Wettlauf der Staaten mit sich selbst, der im Rahmen der jeweiligen nationalen Rüstungspolitik zwischen den an dieser Rüstungspolitik beteiligten zivilen, militärischen, industriellen, administrativen und wissenschaftlichen Gruppierungen sich abspielt Aktions-Reaktions-Prozesse lassen sich insbesondere im Rahmen von rüstungspolitischen Willensbildungs-und Entscheidungsprozessen innerhalb von Nationen und Militärallianzen beobachten, weniger zwischen diesen.
2. Dieser Rüstungswettlauf und die ihn tragende Rüstungspolitik ist vielfältig verursacht. Diese Beobachtung ist besonders zu betonen, weil vielfältig verursachte gesellschaftliche Erscheinungen im allgemeinen durch die Verminderung einzelner Antriebs-impulse im großen und ganzen sich nicht verändern lassen. Selbst wenn einzelne Antriebs-impulse innerhalb eines vielfältig verursachten Gesamtkomplexes von der Größenordnung gegebener Rüstungsapparate an Bedeutung verlieren (beispielsweise durch eine Entkrampfung von Feindbildern), so werden dadurch derartige Apparate nur marginal berührt, wenn nicht sogar bestimmte Kompensa-tionen bei anderen Antriebsimpulsen (wie-z. B. bei den Ausgaben für Forschungs-und Entwicklungsprogramme) zu beobachten sind.
Diese Überlegung hat ein unmittelbar praktische Bedeutung für die Bewertung von Rüstungskontrollpolitik. Konstituiert sich Rüstungsdynamik aus einem Bündel von Faktoren, die wir in diesem Abschnitt kurz zu umschreiben versucht haben, wird Rüstungsdynamik vielfältig verursacht, und ist diese Verursachung eher in innergesellschaftlichen und Innenallianz-Konfigurationen zu suchen als in einem rational reaktiven Verhalten auf Aktionen des sogenannten potentiellen Gegners, dann folgen hieraus spezifische Implikationen für eine Rüstungskontrollpolitik, die einem effektiven Eingriff in die Rüstungsapparate und damit einer effektiven Beschränkung oder Beschneidung von Rüstungsdynamik gleichkäme.
Um auf diesen Problemzusammenhang einzugehen, ist es jedoch erforderlich, einige Überlegungen zu den Grundlagen und Verlaufsformen der Rüstungskontrollpolitik der vergangenen zehn Jahre hier zusammenzufassen.
III. Trends in der Rüstungskontrollpolitik der vergangenen Jahre
Untersucht man die potentiellen Erfolgschancen der kommenden Rüstungskontrollverhandlungen über MBFR, so kann ein Blick auf Inhalt und Reichweite der Rüstungskontrollabkommen der vergangenen 10 Jahre hilfreich sein. Die Bilanz dieser Abkommen ermöglicht mehr als nur hypothetische Aussagen über den Stellenwert, der heute in der Tendenz einer Rüstungskontrollpolitik in Rahmen der vorherrschenden Sicherheitspolitik zukommt. 1. Jüngste Rüstungskontrollabkommen und ihre Bewertung Im folgenden werden die jüngsten Rüstungskontrollabkommen in sechs Gruppen gegliedert, wobei jede Gruppe spezifische Merkmale aufweist. Danach ist die Lehre aus diesen Abkommen hinsichtlich der bevorstehenden MBFR-Gespräche zu ziehen.
Folgende Gruppierungen von Rüstungskontrollabkommen lassen sich formulieren:
1. Abkommen, die dazu angetan sind, das bestehende Militärsystem weniger krisenanfällig zu machen, als es ohne derartige Abkommen wäre. Der klassische Fall für ein derartiges Abkommen ist der Vertrag über die Errichtung eines heißen Drahtes zwischen den beiden Regierungszentren von USA und SU 1963, der 1971 „modernisiert" wurde. Solche Abkommen haben nicht zum Ziel, bestehende Militärpotentiale zu beschneiden; sie sollen vielmehr einen Beitrag zur „Stabilisierung der militärischen Umwelt" im Falle zugespitzter Krisensituationen leisten. Bei den vorliegenden Abkommen über den heißen Draht handelt es sich um eine technische Maßnahme gegen die Anfälligkeit von Regierungen für Fehlperzeptiom und Überreaktion in akuten Krisen, die es aber im Prinzip auf Grund der in der Abschreckungsdoktrin behaupteten rationalen Beherrschung der Eskalationsstufen gar nicht geben dürfte. 2. Abkommen, die sich auf Bereiche beziehen, die bisher von militärstrategischen und militärtechnologischen Aktivitäten ausgenommen waren. Man kann diese Verträge als Nicht-Rüstungsabkommen bezeichnen. Ihnen ist z. B.der Antarktis-Vertrag (1959) zuzurechnen, der eine Garantie der Nicht-Militarisierung der Antarktis sowie ein Verbot von Kernexplosionen in diesem geographischen Bereich enthält. Auch der Weltraumvertrag vom Jahre 1967 mit seinem Verbot, Massenvernichtungs-und vor allem Kernwaffen in Erdumlauf zu bringen oder auf Himmelskörpern zu installieren, gehört zu dieser Gruppe. Schließlich wäre ihr auch das Abkommen über die Freihaltung Lateinamerikas von nuklearen Waffen (1967) zuzurechnen und insbesondere der Vertrag über das Verbot der Stationierung von Massenvernichtungswaffen auf dem Meeresboden (1971).
Manches in diesen Abkommen hat, so ist zu hoffen, einen echten Rüstungskontrolleffekt, indem nämlich von Anfang an in bestimmten geographischen Bereichen spezifische militärische Aktivitäten unterbleiben. Am Meeresbodenvertrag läßt sich jedoch darstellen, daß keine der Supermächte jemals eine ernsthafte militärstrategische und militärtechnologische Absicht besaß, auf dem Meeresboden fest verankerte Waffensysteme einzurichten. Entscheidend ist, daß durch diesen Vertrag die militärische Nutzung des Meeresbodens kaum begrenzt wird, noch weniger diejenige des tiefen Ozeans. Der Vertrag läuft also auf die Eindämmung von militärischen Vorhaben hinaus, die nicht existieren und die sich selbst ohne den Meeresbodenvertrag höchst unwahrscheinlich entwickelt hätten. Demgegenüber beschränkt dieser Vertrag nicht das Operieren von tieftauchenden, mit Atomraketen bestückten Unterseebooten, noch verhindert er militärische Unterwasserstationen und -Systeme, die U-Boote, einschließlich nuklear-strategische, entdecken können. Er bezieht sich also auf ein Stück Umwelt, das von den Militärs selbst als nicht vital eingestuft wird. Er ermöglicht weiterhin all jene für vital erachteten Aktivitäten, die zum Kern der gegenwärtigen Nuklearstrategie gehören (wie die seegebundenen nuklearstrategischen Waffensysteme). 3. Abkommen mit teilweisem Effekt, die jedoch keine Abrüstung eingeleitet haben. In diese Gruppe fällt insbesondere der Nonproliferations-Vertrag vom Jahre 1969, der dazu beigetragen hat, die militärische Umwelt in diesem Sinne zu stabilisieren, daß nach 1969, wenigstens bis heute, kein sogenanntes nukleares Schwellenland offen eine Atomrüstung betrieben hat. Es ist jedoch bemerkenswert, daß eine ganze Reihe von solchen Schwellenländern diesen Vertrag bis heute noch nicht ratifiziert haben; ebenso bezeichnend ist es, daß die in ihm enthaltene Selbst-verpflichtung der Nuklearmächte, den nuklearstrategischen Rüstungswettlauf zu verlangsamen und effektive Abrüstungsmaßnahmen zu betreiben, bis heute wirkungslos geblieben ist, Im Gegenteil ist gerade nach 1969 eine Intensivierung der Nuklearrüstung zu beobachten, die sicher nicht auf diesen Vertrag zurückzuführen ist, die aber ein deutliches Licht auf Bedeutung und Nicht-Bedeutung von solchen Abkommen wirft. 4.
Abkommen mit eingebauten Schlupflöchern. Hier wäre insbesondere der teilweise Teststopvertrag (1963) zu nennen, der alle nuklearen Tests mit Ausnahme von unterirdischen verbietet. Die Erfahrung 7 hat gezeigt, daß nach 1963 unterirdisch jedoch weit mehr getestet worden ist als vor 1963 unter-und überirdisch, und Experten betonen, daß die neuesten waffentechnologischen Innovationen im Bereich der nuklearstrategischen Defensiv-und Offensiv-Systeme ohne eine solche Intensivierung von Testserien nach 1963 nicht hätten erreicht werden können. 5. Abkommen über die Begrenzung von quantitativen Rüstungsgrößen bei expliziter Erlaubnis, die Qualität von Rüstungen zu verbessern (Umrüstung oder weitere Aufrüstung auf Grund neuer militärtechnologischer Erkenntnisse). In diesem Zusammenhang ist insbesondere das SALT-Abkommen vom Jahre 1972 zu erwähnen. Sowohl das Abkommen über die Begrenzung der ABM-Systeme (AntiRaketen-Raketen-Systeme) als auch das Abkommen über die Begrenzung von nuklear-strategischen Offensiv-Systemen enthalten zum erstenmal in Rüstungskontrollabkommen Artikel, in denen ausdrücklich die Modernisierung der in dem Vertrag quantitativ begrenzten Waffensysteme erlaubt wird. So kann zum Teil das im SALT-Abkommen eingeräumte teilweise ABM-System durch ein moderneres ersetzt werden, sofern bestimmte Größenordnungen eingehalten werden. Das-B selbe gilt insbesondere für die nuklearstrategischen Offensivsysteme, in deren Bereich es z. B. möglich ist, veraltete Interkontinental-Raketen durch modernere zu ersetzen, sofern das fixierte numerische Plateau nicht überschritten wird. Es läßt sich im einzelnen nachweisen, daß der qualitative Rüstungswettlauf durch das SALT-Abkommen mehr beschleunigt als eingedämmt wird.
6. Abkommen über Abrüstungsmaßnahmen. Als einziges Abkommen ist hier der Vertrag über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) und Toxin-Waffen sowie ihre Vernichtung (1971) zu nennen. Dieser Vertrag zielt auf die Ausscheidung bakteriologischer Kampfmittel aus der Kriegführung ab sowie auf die Beseitigung bestehender Bestände. Obgleich es sich um das einzige Abkommen handelt, in dem eine Abrüstungsmaßnahme wirklich beschlossen worden ist, wurde dieser Vertrag doch erst möglich, nachdem aus dem ursprünglichen Vertragspaket die chemischen Waffensysteme eliminiert wurden, die nach strategischen Selbsteinschätzungen und hinsichtlich ihrer konkreten praktischen Anwendung in der Kriegführung (wie in Vietnam und andernorts) gegenüber den biologischen als militärstrategisch einzig relevant gelten können. Angesichts des Mißtrauens der Militärs hinsichtlich der Effektivität von biologischen Waffensystemen bzw. ihrer Konterproduktivität für die eigene Kriegführung kann der Gegenstand, auf den sich das Abkommen bezieht, als nicht besonders vital eingestuft werden. Daß es zustande gekommen ist, hängt nicht zuletzt damit zusammen, daß im nationalen Rahmen, z. B. in den USA, mit der Beseitigung biologischer Kampfstoffbestände begonnen worden ist, ehe das Abkommen selbst 1971 auf der diplomatischen Ebene unterzeichnet wurde. Die nationale Politik hat hier einen Manövrierraum geschaffen, der dann von der internationalen Diplomatie ausgenutzt werden konnte.
Aus den Erfahrungen mit den Rüstungsabkommen der vergangenen zehn Jahre lassen sich folgende Schlußfolgerungen hinsichtlich der Reichweite von Rüstungskontrolle ziehen: 1. Es sind Abkommen wahrscheinlich und nicht nur denkmöglich, die den internationalen Rüstungswettlauf eines Teils seiner möglichen Explosivität in Krisenzeiten entkleiden. 2. Es sind Abkommen wahrscheinlich, die sich auf Nichtrüstungsgebiete konzentrieren, insbesondere dann, wenn diese als militär-strategisch nicht vital eingeschätzt werden. 3. Es sind Abkommen wahrscheinlich, in denen die in ihnen enthaltene Verpflichtung hinsichtlich einer Selbstbeschränkung im Bereich nationaler Rüstungspolitik rein deklamatorischen Charakter besitzt.
4. Es sind Abkommen wahrscheinlich, in welche Schlupflöcher eingebaut sind, die kompensierende Aktivität ermöglichen.
5. Es sind Abkommen wahrscheinlich, die quantitative Begrenzungen bei der gleichzeitigen Freigabe des weiteren qualitativen Um-und Aufrüstens ermöglichen.
6. Es sind Abkommen wahrscheinlich, die sich auf bestehende Waffensysteme beziehen, welche ohne große strategische Bedeutung sind.
Läßt man einmal die nicht wesentlichen Bereiche, auf die sich Rüstungskontrollabkommen beziehen, außer acht, so sind es offensichtlich drei Kriterien, die ein Rüstungskontrollabkommen ohne direkte Beeinträchtigung von Rüstungspolitik wahrscheinlich erscheinen lassen:
1. Ein einmal wichtiges Waffensystem wird allmählich technologisch überholt und durch ein neueres ersetzt (z. B. landgebundene Interkontinentalraketen im Unterschied zu seegebundenen). Das überholte wird relativ spät vertraglich eliminiert.
2. Der quantitative Rüstungswettlauf wird beschränkt, der qualitative jedoch kann ungehindert sich weiterentwickeln (z. B. die Begrenzung der Zahl von Interkontinentalraketen bei qualitativer Weiterentwicklung der Waffenkopf-Technologie, wie die Entwicklung von Mehrfachsprengköpfen: MIRV).
3. Lücken sind vorgesehen, die eine Weiterentwicklung des Rüstungswettlaufs auf legaler Basis ermöglichen (teilweiser Teststop). 2. Uber die Steuerungsfunktion von Rüstungskontrollabkommen All diese Erfahrungen deuten darauf hin, daß im Bereich von Rüstungskontrolle und Abrüstung offensichtlich Beschränkungen nur dann wahrscheinlich sind, wenn gleichzeitig an anderer Stelle rüstungspolitische Entwicklungen nachdrücklich forciert werden kennen. Während auf der einen Seite Rüstung beschnitten wird, intensiviert sie sich gleich-35 zeitig an einer anderen Stelle. Deshalb ist die Frage nach der wirklichen Eingriffsfunktion von Rüstungskontrollabkommen in die autonome Wahrscheinlichkeit von Rüstungstrends von entscheidender Bedeutung. Welchen Unterschied machen Rüstungskontrollabkommen wirklich aus angesichts der in den Rüstungsapparaten und insbesondere in der Militär-technologie angelegten Entwicklungstrends zu qualitativ höher stehenden Waffenpotentialen? Haben Rüstungskontrollabkommen überhaupt eine kontrollierende Steuerungsfunktion? Die Steuerungsfunktion von Rüstungskontrollabkommen hinsichtlich der Eingriffe in bestehende rüstungstechnologische Trends war in den vergangenen zehn Jahren im großen und ganzen gleich Null, wenn man effektive Eingriffe von solchen Abkommen erwartet. Wenn es dennoch zu Abkommen gekommen ist, dann deshalb, weil bestimmte überfällige Selbstkorrekturen in den Rüstungsapparaten mit Hilfe derartiger Abkommen eher durchgesetzt werden konnten als allein im nationalen Rahmen. Dabei ist in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Mischung von effektiv weiter verfolgter Aufrüstung und langwierigen Rüstungskontrollabkommen hinzuweisen. Während die diplomatischen Delegationen über einen Gegenstand sich in „mühsamer" Kleinarbeit über viele Jahre hin unterhalten, ist vielfach dieser Gegenstand zu Beginn von Verhandlungen militärtechnologisch schon veraltet bzw. wird er während der langwierigen Verhandlungen durch neue rüstungstechnologische Entwicklung überlagert. Diese Erscheinung konnte in den noch relativ kurzen Verhandlungen über das SALT-I-Abkommen nach 1969 beobachtet werden, und vergleichbare Erscheinungen sind hinsichtlich der potentiellen Gegenstände eines SALT-II-Abkommens prognostizierbar.
Bezeichnend für die Rüstungskontrollgespräche ist die enorme Diskrepanz zwischen den massiven innergesellschaftlichen Antriebsimpulsen für ein weiteres Um-und Aufrüsten und dem Ritual von diplomatischen Gesprächen: Letzteres beginnt mit der diplomatischen Auslotung, ob derartige Verhandlungen überhaupt von allen Seiten gewünscht werden; es setzt sich fort mit der Festlegung des Teilnehmerkreises, der Lokalität der Verhandlungen, den Vorverhandlungen, der langwierigen Diskussion über die Tagesordnung und den schließlich dann evtl, beginnenden tatsächlichen Verhandlungen, die sich nach bisherigen Erfahrungen über mehrere Jahre hinziehen. Während all dies relativ spektakulär geschieht und in die Schlagzeilen der Tagespresse eingeht, entwickelt sich weniger laut, doch um so folgenschwerer, nationale oder allianzgebundene Rüstungspolitik einen neuen Schritt weiter in die Zukunft. Politische Optionen in Sachen Rüstungskontrolle und Abrüstung werden durch faktische Rüstungsentwicklungen begrenzt. 3. Anwendungen auf MBFR Welche Lehren sind aus diesen Erfahrungen für die beginnenden Rüstungskontrollgespräche über eine gegenseitige ausgewogene Truppenreduzierung in Europa zu ziehen?
Zunächst lassen sich fünf Probleme bezeichnen, die schon während der Vorgespräche über eine Vorkonferenz zum Thema MBFR deutlich geworden sind:
1. Das angestrebte Rüstungskontrollabkommen soll, wie der Titel selbst schon andeutet, eine ausgewogene und sicherheitspolitisch symmetrische Truppenreduzierung in Ost und West zum Ziel haben. Mit dieser Prämisse, die maßgebliche unilaterale Maßnahmen der einen oder anderen Seite als Vorgabe für ein gesamteuropäisches Rüstungskontrollabkommen ausschließt, ist zunächst einmal sichergestellt, daß die beginnenden Verhandlungen über MBFR kurzfristig zu keinem Erfolg führen können, sondern eine langwierige Angelegenheit darstellen. Denn es besteht in Ost und West keine Übereinstimmung über die Grundkriterien eines gleichgewichtigen Zustandes, keine Übereinstimmung über Symmetrie und demzufolge auch keine Überein-stimmung über die Ausgewogenheit einer möglichen Truppenreduzierung. Vergangene Rüstungskontrollverhandlungen haben gezeigt, daß das Prinzip der Gleichgewichtigkeit und Symmetrie in der Tendenz einer in die Verhandlungen eingebauten Obstruktion möglicher Erfolge gleichkommt. Ob sich dies in den Verhandlungen über MBFR ändern wird, wird erst die Zukunft zeigen. 2. Sehr häufig sind in der Vergangenheit Pläne über Rüstungskontrollmaßnahmen daran gescheitert, daß sie mit politischen Junktims verknüpft worden sind. In den fünfziger Jahren und zu Beginn der sechziger Jahre wurden meistenteils von westlicher Seite Junktims zwischen Rüstungskontrollmaßnahmen in Zentraleuropa und der Deutschlandfrage hergestellt. Inwiefern das Junktim von KSZE und MBFR eher hinderlich als förderlich ist, wird ebenfalls erst durch den Verlauf der Verhandlungen deutlich werden. Wird das Junktim zu eng formuliert, so könnte in ihm der Beginn des Endes von fruchtbaren Gesprächen zwischen Ost und West bestehen; werden beide Bereiche, KSZE und MBFR, relativ lose aufeinander zugeordnet, so könnte dies möglicherweise für den Erfolg von beiden Konferenzen von großem Nutzen sein.
3. Wie in allen bisherigen Rüstungskontrollverhandlungen wird auch in den MBFR-Verhandlungen angestrebt, zu einer Rüstungskontrolle mit Hilfe diplomatisch ausgehandelter internationaler Abkommen zu kommen. Angesichts der innergesellschaftlichen Antriebsimpulse nationaler und allianzgebundener Rüstungspolitik ist jedoch prognostizierbar, daß nur solche Maßnahmen durch . internationale Abkommen aushandelbar sind, die in einem Interessenkompromiß in nationalen Gesellschaften und Militärallianzen akzeptiert werden. Jenseits dieser restriktiven Bedingungen kann internationale Diplomatie kaum autonom erfolgreich agieren. Maßnahmen, die die Koordination der Militärpotentiale im Rahmen der beiden Allianzen verstärken sollen, erschweren solche Verhandlungen.
4. Die Diskussion über MBFR hat in den vergangenen Monaten eine gewisse Unschärfe hinsichtlich ihres Gegenstands gezeigt. Immer noch ist offengelassen, ob ein derartiges Abkommen im wesentlichen die in Europa stationierten Truppen ausländischer Mächte berühren würde oder ob vornehmlich die Militärapparate der europäischen Staaten selbst Gegenstand der Verhandlungen sein sollen. Auch ist bisher offengelassen worden, welche Mischung von erstem und zweitem Schwerpunkt zum Gegenstand der offiziellen Diskussion gemacht werden soll.
5. Unterstellt man einmal, daß die MBFR-Verhandlungen im wesentlichen auch die Militärpotentiale der europäischen Staaten selbst berühren sollten, so ist bis heute relativ offengelassen worden, welche geographischen Bereiche in welcher Stufenfolge von einem MBFR-Abkommen erfaßt werden sollten. Ebenfalls ist offengelassen worden, was viel schwerwiegender ist, welche Dimensionen der gegenwärtigen Militärapparate durch ein MBFR-Abkommen einschneidend berührt werden sollen.
Diesem letzteren Punkt gilt es besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Ein MBFR-Abkommen hinsichtlich der europäischen Militärapparate käme nur dann einem echten Rüstungskontroll-bzw. Abrüstungskontrollabkommen gleich, wenn sichergestellt wäre, daß auf Grund eines solchen Abkommens Eingriffe in die drei wesentlichen Dimensionen der Militärapparate gleichermaßen erfolgen würden: 1. in den Personalbestand, 2. in die Beschaffungsprogramme und 3. in die Forschungs-und Entwicklungsprogramme.
Ein Abkommen, das beispielsweise das militärische Personal um einen bestimmten Prozentsatz reduziert, während die investiven Ausgaben für Forschung, Entwicklung und Beschaffungsprogramme unberührt blieben, käme nur einer strukturellen Rationalisierung der heute bestehenden Apparate gleich. Von diesen ist bekannt, daß Strukturreformen überfällig sind. Nicht nur stimmt die Größenordnung der gegenwärtigen Militärapparate nicht mehr mit einer relativ entspannten politischen Situation in Europa überein, auch hat die jede Dimension gleichermaßen erfassende Kostensteigerung die Militärapparate in spezifische Schwierigkeiten hineinmanövriert, abgesehen davon, daß Verteidigungsausgaben überproportional inflationär wirken. Das rapide Ansteigen der Personalausgaben, das angesichts eines allgemeinen steigenden Lohn-trends in hochindustrialisierten Gesellschaften auch in Militärbereichen nicht aufgehalten werden kann, hat zum Beispiel in der Bundeswehr in den vergangenen zehn Jahren zu einer Umkehrung der prozentualen Anteile von Personal-bzw. investiven Ausgaben am gesamten Militärbudget geführt. Während der Anteil der Personalausgaben sukzessive stieg, fielen die investiven Ausgaben anteilmäßig ebenso sukzessive. Dadurch manövrieren sich die Militärapparate in spezifische organisatorische Probleme hinein, die bei Aufrechterhaltung bestehender Personalstärken und bei unveränderten militärpolitischen und strategischen Zielsetzungen von den jetzigen Apparaten selbst nicht mehr gelöst werden können. Es ist in diesem Zusammenhang bezeichnend, daß einige Länder wie z, B. Kanada, Frankreich, die Niederlande, Belgien, Dänemark, Großbritannien, die USA und Rumänien mit einer Reduzierung ihrer Personalstärken in den vergangenen Jahren schon relativ lautlos begonnen haben, um dem genannten Kostendruck und der aus ihm folgenden Tendenz zur Desorganisation der Apparate entgegenzuarbeiten. Werden nur die Personalstärken beschnitten, so besteht überdies die Gefahr, daß die frei'werdenden Mittel umgepolt werden in inve-
stive Ausgaben, insbesondere in neue Waffensysteme sowie in neue Forschungsund Entwicklungsprogramme. Eine solche Entwicklung würde ebenfalls nur einer strukturellen Rationalisierung und „Produktivitätserhöhung" der militärischen Organisationen gleichkommen.
Daß diese Überlegungen nicht abwegig sind und nicht nur Denkmöglichkeiten bezeichnen, sondern einen , durchaus wahrscheinlichen Entwicklungstrend aufweisen, läßt sich insbesondere auch von der faktischen Entwicklung der Militärapparate der vergangenen zwanzig Jahre her begründen. Diese Entwicklung kann, kurz zusammengefaßt, als eine Verlagerung von personalintensiven zu kapital-und technologieintensiven Apparaten charakterisiert werden. Wie industrielle Produktionsstätten sind auch Militärapparate durch den höheren Kapitaleinsatz, durch den Einsatz hochqualifizierten Personals und modernste Technologie gekennzeichnet. Ein MBFR-Abkommen, das sich allein auf die Personalstärken bezieht, würde in diesen Trend durchaus hineinpassen, und es ist von hier aus auch plausibel, daß manche Militärplaner dieser Form von Rüstungskontrollabkommen keineswegs feindlich gegenüberstehen. Vielmehr begreifen einige von ihnen MBFR als einen Hebel zur Durchsetzung einer überfälligen Rationalisierung der überkommenen Apparate, als eine Möglichkeit, die Effizienz dieser Apparate wiederherzustellen und zu steigern, um dem militärischen Auftrag gerechter zu werden. So begriffen, würde MBFR sich in die autonome Wahrscheinlichkeit konventioneller Rüstungsdynamik einfügen und ihr nicht zuwiderlaufen. Sollten diese Vermutungen korrekt sein, so müßten die Rüstungskontrollverhandlungen, sofern sie nicht von außereuropäischen Entwicklungen durchkreuzt werden, tatsächlich zu einem MBFR-Abkommen führen, das die europäischen Militärmaschinerien berührt. Ein solches Abkommen wäre dann in seinem wesentlichen Inhalt und seiner wesentlichen Stoßrichtung dem SALT-I-Abkommen ähnlich. Wie in jenem Abkommen von Ende Mai 1972, würden in einem MBFR-Abkommen möglicherweise numerische Größen (z. B. Personalstärke) quantitativ begrenzt, während die Begrenzung der qualitativen Dimersion von Rüstungspolitik ausgespart bliebe. Das Fazit einer solchen Entwicklung wäre nicht Abrüstung, sondern eine Umstrukturierung des Militärapparates, deren Funktion durch die vorherrschenden Faktoren, welche heute Rüstungsdynamik bestimmen, definiert würden. Die Apparate wären am Ende effizienter, weil ihre potentielle Zerstörungskapazität größer und ihr Einsatz im Rahmen einer allianzorientierten militärischen Arbeitsteilung flexibler würde. Bei diesen Überlegungen wurde unterstellt, daß wesentliche sicherheitspolitische Prämissen, wie beispielsweise die Doktrin wechselseitiger Abschreckung und angedrohter Vergeltung, auf absehbare Zeit unberührt bleiben oder daß sie nur graduell, jedoch nicht prinzipiell modifiziert werden.
Fassen wir. unsere Beobachtungen mit den Worten einer Studie zur aktuellen MBFR-Problematik zusammen: „Ein Zuwachs in der Zahl von Zivilpersonal, Berufssoldaten, ein wachsender Gebrauch von technisch hochstehenden Waffensystemen, eine wachsende Mobilität, eine wachsende operative Reichweite und Feuerkraft, aber auch eine Abnahme in den gegenwärtigen Massenarmeen, welche im extensiven Einsatz militärischen Personals besteht, ist das wahrscheinliche Resultat der gegenwärtigen Veränderungen.
Die Motivation für die strukturelle Rationalisierung der Maschinerien besteht vor allem in einer Nachfrage für eine höhere militärische Produktivität. Obgleich einige quantitative Reduktionen involviert sein mögen, sollte das Ergebnis noch nicht als eine Reduktion in den Rüstungsanstrengungen interpretiert werden. Auch werden die Armeen durch derartige Veränderungen nicht schwächer. Im Gegenteil kann man eher Armeen voraussehen, welche sich von den Massenarmeen der Nachkriegszeit unterscheiden und die für die Erfordernisse einer neuen Art internationaler Situationen bestimmt sind" (Pertti Joenniemi).
Eine abschließende Überlegung ist anzufügen. Rüstungsapparate sind, wie unsere einleitenden Überlegungen über Faktoren, die Rüstungsdynamik determinieren, aufzuweisen versucht haben, vielfältig interessenpolitisch verflochtene Gebilde. Eingebaut in die bekannten lobbyistischen Verflechtungen ist eine Tendenz zur Immobilität der Interessenorientierungen und von Segmenten der Apparate (so beispielsweise in Koalitionen zwischen Teilstreitkräften und den ihnen zugeordneten Industrie-und wissenschaftlichen Produktionsstätten). Es ist durchaus denkbar, daß, vermittelt über ein MBFR-Abkommen, die hinter neuen technologischen Trends stehenden Gruppierungen versuchen werden, mit Hilfe eines verstärkten Anpassungsdrucks ihren Einfluß auf die Entwicklungsrichtung des Gesamtapparates zu vergrößern. Was im interesenpolitischen Geflecht nationaler Rüstungspolitik allein nicht durchzusetzen ist, kann dann oft im nationalen Rahmen durchgesetzt werden, wenn verstärkende Elemente von Seiten internationaler Diplomatie in den nationalen Rahmen hineinwirken. Innergesellschaftliche Gruppierungen würden in diesem Falle MBFR als einen Hebel zur Beschleunigung von solchen internen Anpassungsprozessen benutzen, die zu Lasten spezifischer nationaler Interessenbündnisse gehen würde, im Fazit jedoch Umrüstung oder Aufrüstung bedeuten. Der Freiraum, den die internationale Diplomatie in einem solchen Falle hätte, wäre jedoch auch hier nur auf der Basis konkreter Interessenauseinandersetzungen im nationalen Rahmen zu denken. Eine derartige Konstellation, die wir hier zu umreißen versucht haben, würde jedoch ein Rüstungskontrollabkommen in dem oben genannten Sinne eher fördern als verhindern, da dieses der autonomen Wahrscheinlichkeit rüstungstechnologischer und langfristig sich durchsetzender rüstungspolitischer Trends nicht entgegenstehen würde, sondern in diese eingegliedert wäre.
Von hier aus gesehen ist hinsichtlich des Zustandekommens eines MBFR-Abkommens Optimismus durchaus gerechtfertigt; bedenkt man die in diesem Abschnitt aufgezeigten nicht nur möglichen, sondern wahrscheinlichen Inhalte eines derartigen Abkommens, ist jedoch Pessimismus angezeigt.
Nach einer Darstellung der Entstehungs-und Entwicklungsgeschichte des MBFR-Projekts und nach dem Aufzeigen einiger wesentlicher Positionen, die hinsichtlich von MBFR in den vergangenen Monaten und Jahren in West und Ost formuliert worden sind, ist in Kenntnis der bisher aufgezeigten Sachverhalte auf eine Diskussion jener Kriterien zurückzukommen, an denen eine nicht nur symbolische, sondern friedensfördernde Rüstungskontrollpolitik zu messen wäre. Es ist dies im wesentlichen eine Rüstungskontrolle, die nicht Aufrüstung oder Umrüstung begleitet oder gar zur Folge hat, sondern eine definitive Beschneidung bestehender Militärapparate und ihrer Wachstumsraten in sämtlichen entscheidenden Dimensionen.
IV. Das MBFR-Projekt
1. Das MBFR-Projekt als Bestandteil der Ost-W est-Entspannungsdiplomatie 1. Seit der Mitte des vergangenen Jahrzehnts sind die relativ festgefügten Strukturen der Ost-West-Beziehungen merklich in Bewegung gekommen. Zunächst hatten die beiden Führungsmächte, USA und UdSSR, mit dem Vertrag über das teilweise Verbot von Kernwaffentests im Jahre 1963 den Anfang gemacht. Die europäischen Verhältnisse blieben zunächst ausgespart. Einbezogen wurden sie in den entspannungsdiplomatischen Dialog erst wieder auf Grund der aus welchen Gründen auch immer erfolgten Initiativen, die die Mitgliedstaaten des War-schauer Pakts (WPO), einzeln und gemeinsam, in den Jahren 1964/66 ergriffen. Die deklarierten Absichten dieser Initiativen, die vor allem von Polen, Rumänien und der UdSSR ihre Impulse empfingen, zielten darauf ab, zu einer Sicherheitsregelung für Europa zu kommen, die auf einer Minderung oder gar Überwindung der militärischen Konfrontation zwischen den „Blöcken" basierte.
Diese Initiativen für eine europäische Sicherheitsregelung setzten die Tradition der Entspannungsdiplomatie der sozialistischen Staaten fort, dem die westliche Seite numerisch und damit auch optisch wenig entgegenstellte, wie Tabelle 1 zeigt. Gleichzeitig verbanden sich in der Bukarester Erklärung der WPO vom 6. Juli 1966, dem vorläufigen Höhepunkt der neuen Initiative der sozialistischen Staaten, die beiden bis dahin relativ unverbunden existierenden Stränge östlichen Entspannungsdenkens — der eine, hauptsächlich von der UdSSR getragene, legte das Schwergewicht auf politische Lösungen (Stabilisierung des Status quo), der andere, vor allem von Polen repräsentierte, konzentrierte sich auf Lösungen im militärischen Bereich. Das die neue Initiative auszeichnende Moment lag im Zusammenbinden von Ansätzen zur Entspannung der Ost-West-Beziehungen in einer Vielzahl von Interaktionssphären. Folgende Schritte zur Entspannung der Ost-West-Beziehungen wurden in der Bukare39 ster Erklärung der WPO in den Vordergrund gestellt: — der bestehenden Grenzen in Europa.
I— Herstellung gutnachbarlicher Beziehungen, insbesondere Verzicht auf Diskriminierung 1 und Gewaltanwendung bzw. Gewaltandrohung. I— Verstärkung der wirtschaftlichen Bezie-I hungen und Handelsverbindungen sowie Erweiterung der Kontakte und Formen der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wissen»Schaft, Technik, Kultur und Kunst.
r— Maßnahmen zur Minderung der militärif sehen Spannung, insbesondere gleichzeitige 'Auflösung der bestehenden Milttärallian-
zen. — zur Spannungsmilderung, insbesondere Aufhebung ausländischer MilitärStützpunkte, Abzug ausländischer Truppen [von fremden Territorien, Verminderung der [Zahl der Streitkräfte beider deutscher Staaten, Bildung atomwaffenfreier Zonen usw.
i— Verhinderung des Zugangs der BRD zu (Kernwaffen.
k— Einberufung einer europäischen Konferenz zur Erörterung von Fragen der Gewährleistung der Sicherheit in Europa und zur Anbahnung der europäischen Zusammenarbeit. ! 2. Die entspannungsdiplomatische Aktivität sozialistischen Staaten traf auf Adressaten, deren Vorsicht und Widerstreben gegen konkrete, insbesondere militärische Entspannungsmaßnahmen in Europa speziell in den fünfziger und frühen sechziger Jahren notorisch war (wie vor allem im Falle der BRD). Seit dem Ende der fünfziger Jahre hatte nicht zuletzt die Außenpolitik der BRD dazu beigetragen, daß die westliche Haltung gegenüber östlichen Vorschlägen für einen Abbau der militärischen Konfrontation in Europa zunehmend steriler wurde. Das insbesondere von westdeutscher offizieller Seite benutzte Instrument zur Blockierung der Entspannungsdiplomatie war das sogenannte Junktim zwischen Fort: schritt in der Wiedervereinigungsfrage und Entspannungsmaßnahmen. Damit war eine Veränderung des internationalen gesellschaftspolitischen Status quo als Vorbedingung aufgestellt, was von den sozialistischen Staaten nicht akzeptiert wurde. Obschon die mit der BRD in der NATO verbündeten Staaten sich dieser Junktim-Forderung unterwarfen, geschah dies mit unterschiedlichen Graden von
Bereitwilligkeit. Noch am ehesten zeigten Regierung und außenpolitische Führungsschicht der USA Verständnis für die Haltung der deutschen Bundesregierung. Einerseits kam die Starrheit der westdeutschen Position noch nicht in direkten Widerspruch mit der politisch-ökonomischen Strategie der USA gegenüber den sozialistischen Staaten, die damals noch eher auf Isolierung als auf Interdependenz abgestellt war; andererseits konnte diese Politik der Bundesregierung den als Teil der Entspannungsdiplomatie zu verstehenden Rüstungskontroll-Dialog der beiden Führungsmächte nicht nachhaltig verzögern. Größtes Widerstreben gegen die von westdeutscher Seite mit Hilfe der USA oktroyierte NATO-Doktrin zur Ost-West-Entspannung legten Frankreich und die kleineren NATO-Mitgliedstaaten in West-und Nordeuropa an den Tag. Sie brachen zwar aus dem offiziellen Konsens nicht aus, konnten bzw. wollten auf militärischem Gebiet auch keine eigenen Initiativen entfalten, legten aber gleichzeitig um so mehr Gewicht auf die Intensivierung ihrer wirtschaftlichen, wissenschaftlich-technischen und kulturellen Beziehungen zu den sozialistischen Staaten — eine Handlungstendenz, die von jenen positiv erwidert wurde, da sie ihren eigenen Interessen entsprach.
Die Bukarester Erklärung der WPO-Staaten und ihre wenig später erfolgte Bekräftigung in der Abschlußerklärung der Konferenz der europäischen kommunistischen und Arbeiterparteien in Karlovy Vary vom 26. April 1967 reflektierten zweifellos die realitätsgerechte Vorstellung der politischen Führungsgruppen in den sozialistischen Staaten von der inhaltlichen Brüchigkeit der offiziellen NATO-Politik. Neben den schon länger bestehenden außenpolitischen Divergenzen innerhalb der NATO (insbesondere ist hier auch auf die französische Ostpolitik seit de Gaulle hinzuweisen, die sicher auch zur Aktivierung der sowjetischen Westeuropa-Politik beitrug) trugen noch Sonderentwicklungen in den beiden, gegenüber Entspannungsmaßnahmen in Zentraleuropa am meisten abgeneigten Staaten, USA und BRD, dazu bei, daß sich die NATO durch die östlichen Initiativen in Zug-zwang versetzt fühlte. Für die USA ist dabei auf die durch die Intervention in Indochina und die Weltwährungskrise ausgelöste innenpolitische Auseinandersetzung über die Neubewertung überseeischer militärischer „Commitments" zu verweisen, die in den wiederholten Anträgen des Fraktionsführers der Demokraten im US-Senat, Mike Mansfield, auf weitestgehende Reduktion der amerikanischen Truppenkontingente in Westeuropa ihren sichtbaren Ausdruck fanden. Für die Bundesrepublik bedeutete die Wirtschafts-und politische Funktionskrise der Jahre 1966/67 eine tiefe Zäsur. Sie implizierte einen Legitimitätsverlust für die seit Kriegsende in den ehemaligen Westzonen betriebene, in der Tendenz konservative Restaurationspolitik und damit die Brüchigkeit der diese Restaurationspolitik abschirmenden Antikommunismus-Ideologie. Die nachhaltig propagierten entspannungspolitischen Offerten der sozialistischen Staaten hätten in dieser Situation nur um den Preis innenpolitisch wie außenpolitisch nachhaltiger Unglaubwürdigkeit sowie wahrscheinlich um den Preis des Ausschlagens eines kompensatorischen Marktes für eine unter mangelnder Kapazitätsauslastung leidenden Industrie unberücksichtigt bleiben können. 3. Die offizielle Reaktion der in der NATO zusammengeschlossenen kapitalistischen Staaten war gleichwohl zögernd wie auch selektiv. In richtiger Einschätzung der in der intersystemaren Entspannungsdiplomatie angelegten latenten Existenzbedrohung der NATO wurde zunächst der sogenannte Harmel-Ausschuß eingesetzt, dem die Ausarbeitung einer der östlichen Entspannungsoffensive adäquaten außenpolitischen Doktrin für die NATO-Staaten aufgetragen wurde. Das Resultat dieser Arbeit war ein nur formelhaft ermöglichter Scheinkompromiß zwischen „Falken" und „Tauben" unter den außenpolitischen Führungsschichten in den NATO-Staaten. Entspannung sollte mit Abschrekkung als gleichrangige sicherheitspolitische Strategie behandelt werden; die faktische Präponderanz der Abschreckung ergab sich jedoch daraus, daß Entspannung insbesondere nur über „gleichwertige" Verminderungen der Truppen-und Rüstungspotentiale angestrebt werden dürfe. Darüber hinaus haben sich die NATO-Staaten ausbedungen, daß Verminderungen der Militärpotentiale „lebenswichtige Sicherheitsinteressen" nicht beeinträchtigen dürften. Damit war die Unantastbarkeit zweier zentraler Komponenten des Abschreckungssystems zur Vorbedingung von Entspannungspolitik erklärt: Die Hypostasierung eines „potentiellen Aggressors" sowie die gesellschaftspolitische Garantiefunktion des Militärapparates.
Der im Harmel-Ausschuß erzielte Formelkompromiß sowie die spätere offizielle Verlautbarung des NATO-Ministerrats auf seiner Frühjahrstagung 1968 in Reykjavik über „mutual balanced force reductions" (MBFR) hatten zunächst primär den Charakter diplomatischen Spielmaterials. Einmal mußte die „neue" NATO-Doktrin genügend flexibel und viel-versprechend erscheinen, um den in einzelnen NATO-Mitgliedsstaaten angelegten Bestrebungen nach einseitigem Truppen-und Rüstungsabbau wirksam begegnen zu können (Inner-Allianz-Funktion), sodann kam dem MBFR-Projekt die weitere taktische Funktion zu, von der von den sozialistischen Staaten mit Nachdruck propagierten europäischen Sicherheitskonferenz (KSZE) jedenfalls partiell abzulenken. Man bedenke nur, daß die KSZE-Idee die Anerkennung der DDR als Staat voraussetzte, was in jenen Jahren gerade in der BRD im Unterschied zu heute noch heftig umstritten war.
Neben diese auf kurze Frist berechnete Funktion des MBFR-Vorschlags zur Abblockung der innerwestlichen Auseinandersetzungen um konventionelle Truppenstärken in Westeuropa sowie zur Erzielung eines Gleichstands im entspannungsdiplomatischen Wettbewerb zwischen WPO und NATO trat sogleich die mittelfristige Funktion von MBFR über die hierin zum Ausdruck gebrachte, zwar mit vielen Vorbehalten versehene Bereitschaft zum entspannungsdiplomatischen Dialog über europäische Sicherheitsfragen wiederum einem — die Deutschlandpolitik betreffenden — Junktim zur Wirksamkeit zu verhelfen. Während die KSZE-Initiative der sozialistischen Staaten unter anderem darauf abgestellt war, einseitig die internationale Anerkennung einer sozialistischen DDR sowie West-Berlins als selbständiger politischer Einheit zu erwirken, suchte die westliche Politik dies dadurch zu konterkarieren, daß sie einerseits über das MBFR-Projekt ihre eigene entspannungsdiplomatische Bereitschaft glaubwürdig dokumentierte, andererseits aber ihr weiteres Eingehen auf konkrete Entspannungsmaßnahmen von der vorgängigen, beide Seiten befriedigenden Regelung der Berlin betreffenden offenen Fragen sowie des Verhältnisses der beiden deutschen Staaten zueinander abhängig machte.
Die langfristige eigentliche Aufgabe des MBFR-Projekts, den Abbau der sich in Formen der, Hochmilitarisierung vollziehenden intersystemaren Konfrontation zu gewährleisten, geriert darüber ins Hintertreffen. Dies war auch nicht überaus verwunderlich, denn dem MBFR-Projekt von 1968 lag zunächst keinerlei ausgearbeitete und abgestimmte Verhandlungskonzeption zugrunde. 2. Inhaltliche Konkretisierungen des MBFR-Projekts 1. Auf der bereits erwähnten Tagung des NATO-Ministerrats von Juni 1968 in Reykjavik wurden erstmalig Kriterien für die von Seiten der NATO-Mitgliedsstaaten vorgeschlagenen Verhandlungen über Truppenreduzierungen in Europa öffentlich vorgestellt: — Beiderseitige Truppenreduzierungen sollten auf Gegenseitigkeit beruhen und nach . Umfang und zeitlichem Ablauf ausgewogen sein.
— Truppenverminderungen sollten ein bedeutsames Ausmaß annehmen und dazu dienen, den jetzigen Grad der Sicherheit bei verminderten Kosten aufrechtzuerhalten, jedoch nicht so geartet sein, daß sie eine nachteilige Veränderung der Lage in Europa zur Folge haben könnten.
— Truppenreduzierungen sollten dazu beitragen, in Europa allgemein und zwischen den Beteiligten Vertrauen zu schaffen.
— Abmachungen über Truppenverminderungen sollten mit den lebenswichtigen Sicherheitsinteressen aller Parteien vereinbar und durchführbar sein.
Der hohe Grad an Abstraktheit, der diesen Kriterien eigentümlich ist, sollte erst allmählich präziseren Vorstellungen über Inhalte und Verfahren von MBFR-Verhandlungen weichen. Dieser Prozeß der NATO-internen Abklärung kann selbst heute noch nicht als völlig abgeschlossen bezeichnet werden. Gleichwohl hatte die NATO-interne Diskussion über inhaltliche Aspekte von MBFR-Verandlungen bis Mitte 1972 einen vorläufigen Schlußpunkt erreicht, während nunmehr protedurale Fragen und das Bemühen um Herstellung einer Parallelität zwischen KSZE-Vorbereitung und Einleitung der MBFR-Verlandlungen in den Vordergrund rückten.
I. Die inhaltliche Diskussion innerhalb der NATO über MBFR läßt sich-grob in zwei Pha; en unterteilen. ie erste dieser beiden Phasen wurde von miitärisch-technischer „Modellbastelei" für ausgewogene Truppenverminderungen in Ost ind West beherrscht/Die erst 1969 erfolgte Beauftragung von Militärexperten mit der Ausarbeitung von Studien über Einzelheiten eines Programms zur Truppenverminderung in Europa spiegelt recht deutlich den ad-hocCharakter des MBFR-Projekts und die Verlegenheit seiner Urheber, das an die Öffentlichkeit getragene Konzept der MBFR trotz fehlenden politischen Konsensus zwischen den NATO-Regierungen wie auch innerhalb einiger Mitgliedsstaaten nunmehr inhaltlich weiter ausfüllen zu müssen. Die Aktivitäten der Militärexperten konzentrierten sich im wesentlichen auf Kräftevergleichsstudien und, damit innerlich zusammenhängend, auf die Untersuchung alternativer Reduktionsmodelle, denen unterschiedliche Kriterien für die Ausdehnung des Reduzierungsraums sowie für den Umfang und die Arten der zu vermindernden Streitkräfte zugrunde lagen. Die Ergebnisse der Kräftevergleichsstudien der Militärexperten stellten sogleich eine zentrale Prämisse des MBFR-Projekts, das Prinzip der militärischen „Balance", in Frage, indem sie zu dem Schluß kamen, daß bereits zum gegebenen Zeitpunkt (1969) von einer militärischen Unterlegenheit der NATO gegenüber der WPO ausgegangen werden müsse. Um dem Urteil der Militärexperten die Spitze zu nehmen und um das Gelingen des MBFR-Projekts nicht in Abhängigkeit von rein militärisch-technischen Erwägungen geraten zu lassen, einigten sich die an MBFR aus politischen Gründen interessierten NATO-Regierungen, vor allem auch die Bundesregierung, auf die Sprachregelung, daß durch Kräftevergleichsstudien keine sicheren Grundlagen für die Beurteilung der kräftemäßigen Ausgangslage für MBFR-Verhandlungen zu gewinnen seien. Ähnlich unfruchtbar für die politisch motivierten Initiatoren des MBFR-Projekts verliefen die Untersuchungen der NATO-Militärexperten über verschiedene Reduktionsmodelle. Inhaltliche Einzelheiten dieser Modelle sind bestenfalls noch von historischem Interesse und können daher vernachlässigt werden. Ausgehend von der Annahme einer geostrategischen und konventionellen Überlegenheit der WPO betrachteten die NATO-Militärexperten Truppenverminderungen vorwiegend unter dem Gesichtspunkt der Veränderung des militärstrategischen Status quo zu Gunsten der Nato, indem durch MBFR wesentlich eine Schwächung des sogenannten Offensiv-Potentials der WPO erzielt werden sollte. Die Folge eines solchen Herangehens an das Problem der MBFR war, daß alle Reduktionsmo13 delle, die in den Augen der Militärexperten für die NATO annehmbar waren, von der Gegenseite als Zumutung hätte empfunden werden müssen; und diejenigen Reduktionsmodelle, die für die WPO möglicherweise verhandelbar gewesen wären, wurden von den NATO-Militärexperten als unannehmbar abgelehnt (die problematische Ausgangssituation aller Rüstungskontroll-Uberlegungen in Zentraleuropa nach 1955). 3. Damit war die Konkretisierung des MBFR-Projekts 1970 in eine Sackgasse geraten, aus der nur die Formierung eines politischen Konsensus übet das langfristige Ziel von MBFR herausführen konnte. Die Phase der Militärexpertenstudien hatte zunächst durchaus die Erwartung der MBFR-Initiatoren auf Zeitgewinn, ohne Beeinträchtigung der mit MBFR verfolgten kurz-und mittelfristigen Nebenziele, erfüllt. Gleichwohl waren sie in der inhaltlichen Ausfüllung des MBFR-Konzepts 1970 nicht wesentlich über den Stand von 1968 hinausgekommen. Begünstigt wurde nun der rasche Übergang zur zweiten Phase der NATO-internen inhaltlichen Diskussion über MBFR durch Konzessionen der sozialistischen Staaten hinsichtlich der kurz-und mittelfristigen Nebenziele der MBFR-Initiatoren. Sie akzeptierten im Prinzip die vor allem von der Bundesregierung verfochtene; These vom inneren Zusammenhang von KSZE und MBFR sowie von der Notwendigkeit vorgängiger, für die BRD befriedigender modus vivendi-Regelungen über Berlin und das Verhältnis zwischen den beiden deutschen Staaten. Hinzu kamen taktische Züge der sowjetischen Regierung im Dialog der Supermächte, die dazu beitrugen, daß die Nixon-Administration ihre bisher geübte Zurückhaltung sowohl gegenüber KSZE als auch gegenüber MBFR aufgab.
Zur Ausarbeitung eines politisch realistischeren, die offensichtlichen Ungereimtheiten der rein militärischen Betrachtungsweise vermeidenden MBFR-Konzepts der NATO trugen insbesondere Vorstellungen der Bundesregierung bei, die sie zwischen Frühjahr 1971 und Mitte 1972 in den zuständigen NATO-Gremien entwickelte. Wenn hier die Vorstellungen der Bundesregierung als politisch realistischer bewertet werden, so bezieht sich dieses Urteil vor allem auf das westdeutsche Bemühen um ein Verhandlungsangebot, das für die sozialistischen Staaten nicht von vorneherein unannehmbar ist. Die übrigen Prämissen der westdeutschen MBFR-B Vorstellungen reflektieren demgegenüber die Beschränkheit des herkömmlichen „arms-control" -Denkens, wenn von Erhaltung der Sicherheit durch Beibehaltung der Strategie der flexiblen Reaktion und von der Stabilisierung des bestehenden Kräfteverhältnisses zwischen West und Ost die Rede ist.
Das westdeutsche MBFR-Konzept gewann einen höheren Grad an Realismus dadurch, daß es asymmetrische Reduktionsquoten für Ost und West ausschloß; dafür wurde aber die Frage effektiver Truppenverminderungen nur noch als Fernziel und MBFR-Verhandlungen insgesamt als langwieriger, vielschichtiger Prozeß vorgestellt. Vorrangige Verhandlungsgegenstände sollten demgegenüber sein:
— Vereinbarung von Grundsätzen für Verhandlungen über Sicherheitsregelungen in Europa im einzelnen.
— Vereinbarungen über die Beschränkung militärischer Dispositionsmöglichkeiten.
— Abkommen über die quantitative und qualitative Begrenzung von Streitkräften.
— Errichtung eines Minimal-Verifikatiohssystems. Bis Mitte 1972 sind von Seiten der Bundesregierung zu den drei Zuerst genannten Verhandlungsgegenständen bereits konkretere Vorschläge vorgelegt worden. Einmal empfiehlt die Bundesregierung die Verabschiedung von Grundsätzen für militäriche Entspannungsmaßnahmen in Europa (in Analogie zur McCloy-Soryn-Erklärüng von 1961 über Rüstungskontroll-und Abrüstungsverhandlungen zwischen den USA und der UdSSR), die die Form einer auf der KSZE zu verabschiedenden Deklaration annehmen könnte. Als Grundsätze, die Eingang in eine solche Deklaration finden sollten, kämen in Befracht: Verpflichtung auf ausgewogene Maßnahmen ohne militärischen Nachteil für einen Beteiligten; Einbeziehung von fremd-wie eigen-staatlichen Truppen einschließlich ihrer Waffensysteme; Schutz vor Überraschungsmaßnahmen; Verpflichtung zur Zulassung von Verifikationsmaßnahmen. — Als ersten substantiellen Verhandlungsgegenstand für MBFR-Verhandlungen sieht das Programm der Bundesregierung Vereinbarungen abgestufter Intensität über militärische Bewegungsbeschränkungen vor, deren Funktion darin bestehen würde, über den Abbau von Mißtrauen hinaus das Verbot der Rückführung oder Verstärkung von Truppen in den Reduktionsräumen sicherzustellen. Als zweiten substantiellen Schritt faßt das Programm der Bundesregierung ein sogenanntes force-limitation agreement ins Auge, das ein sowohl quantitatives als auch qualitatives Verstärkungs-und Neustationierungsverbot beinhalten würde. Eigentliche Reduzierungsverhandlungen würden demnach erst nach erfolgreicher Durchführung dieser Maßnahmen sowie befriedigender Regelung von Verifikationsprozeduren in Angriff genommen werden. Mit dieser perspektivischen Verlängerung in eine unbekannte Zukunft würde das MBFR-Projekt in der Tat zum diplomatischen Allzweck-Instrument sowohl für konservative Kritiker der intersystemaren Entspannung als auch für jene Befürworter, die intersystemare Entspannung und speziell die Entmilitarisierung der Systemkonfrontation für die Schaffung größeren gesellschaftspolitischen Bewegungsspielraums zu instrumentalisieren suchen. 3. Das MBFR-Projekt als Gegenstand innerwestdeutscher politischer Auseinandersetzung Das Programm der Bundesregierung für MBFR-Verhandlungen hatte für sie nicht zuletzt die Funktion, weiterhin den Gesamtkomplex multilateraler intersystemarer Entspannungsdiplomatie (im Unterschied zur bilateralen „Ostpolitik") nach Möglichkeit oppositionsfrei zu halten. Tatsächlich läßt sich, beginnend mit der zweiten Hälfte der sechziger Jahre, für den Bereich der multilateralen intersystemaren Entspannungsdiplomatie die Existenz einer „großen Koalition" beobachten, die nicht nur die Mehrzahl der führenden Vertreter der großen Parteien, sondern auch die wichtigsten gesellschaftlichen Organisationen, insbesondere auch die Gewerkschaften, einschloß.
Gleichwohl gab es im Rahmen dieser „großen Koalition" Bewertungsunterschiede hinsichtlich des dem MBFR-Projekts zukommenden diplomatisch-strategischen Stellenwerts. Anders als vor allem für die sozialdemokratische Führung hatte für die CDU-Führung die taktische Betrachtungsweise von MBFR Vorrang. Insbesondere suchte die CDU-Führung in der MBFR-Diskussion die SPD/FDP-Regierung darauf festzulegen, daß vor Eintritt in konkrete Verhandlungen erst einmal die westliche militärische Stärke und die militärische Kooperation unter den westeuropäischen NATO-Staaten ausgebaut würden.
Während die CDU-Führung dem MBFR-Programm der Bundesregierung keinen nennenswerten Widerstand entgegensetzte, solange und soweit es die Billigung der zuständigen NATO-Gremien fand, lehnten Sprecher des konservativen Flügels innerhalb von CDU/CSU den Gesamtkomplex intersystemarer Entspannungspolitik und damit natürlich auch das MBFR-Projekt ab. Diese grundsätzliche Ablehnung intersystemarer Entspannungspolitik gründete sich auf die — zwar selten klar artikulierte — Einschätzung, daß ein Nachlassen der Intensität der Konfrontation zwischen Ost und West die gesellschaftspolitische Stabilität der kapitalistischen Gesellschaften beeinträchtigen müßte.
Während von konservativer Seite die gesellschaftspolitische Dimension intersystemarer Entspannungspolitik immerhin thematisiert wurde, blieben diese Zusammenhänge in den Stellungnahmen der Sprecher der großen Parteien und gesellschaftlichen Organisationen ausgespart. Als bemerkenswert ist dabei zu verzeichnen, daß selbst Gruppen wie die Jungsozialisten zum MBFR-Projekt offenbar allenfalls ein Unbehagen über seine dem traditionellen Abschreckungsdenken verhafteten Prämissen überkommt. Dabei würde sich bei genauerem Zusehen eine kritische Durchleuchtung des MBFR-Projekts unter dem Gesichtspunkt seines wie immer begrenzten Stellenwerts für internationale und innergesellschaftliche Veränderungen des gesellschaftspolitischen Status quo durchaus anbieten.
V. Kriterien einer friedensfördenden Rüstungskontrollpolitik und Bedingungen für ihre Erfüllbarkeit
Es wurde in dieser Studie davon ausgegangen, daß es in absehbarer Zeit sowohl zu einer Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa als auch zu einer Konferenz über einen ausgewogenen Truppenabbau in Europa kommen wird. Im folgenden sollen einige Kriterien angegeben werden, die einer Rüstungskontrollpolitik zugrunde liegen müßten, welche nicht funktional eingegliedert wäre in Rüstungsdynamik — eine Rüstungskontrollpolitik,'die den von uns im ersten Teil aufgezeigten Entwicklungstrends von Rüstungsdynamik effektiv entgegenwirken würde. Solche Kriterien sind deshalb explizit herauszuarbeiten, weil die Gefahr besteht, daß auch die beginnenden MBFR-Verhandlungen in die Sackgasse herkömmlicher Rüstungskontrollpolitik führen. Eine solche Sorge ist angesichts der weiter oben skizzierten Planung für MBFR nicht ohne Berechtigung. Solche gängigen Paradigma sind inhaltlich vor allem auf die klassischen Merkmale von Rüstungskontrolle bezogen wie auf die Frage der Symmetrie und Gleichgewichtigkeit von Maßnahmen, die Probleme von Inspektion und Verifikation und die Probleme von geographisch oder politisch definierten Rüstungskontrollzonen und dergleichen mehr. Gegenüber den im folgenden aufzuzeigenden Kriterien einer echten Rüstungskontrollpolitik sind die genannten Probleme jedoch von sekundärer Natur.
1. Kriterien einer friedensfördernden Rüstungskontrollpolitik Im Anschluß an die Analysen in dieser Untersuchung kann als das wichtigste und grundlegendste Kriterium einer effektiven Rüstungskontrollpolitik die Gleichzeitigkeit der Reduzierung aller wesentlichen Dimensionen der Militärapparate gelten; Personalstärke und investive Aktivitäten, wobei letztere sich insbesondere in die zwei Komponenten von Beschaffung sowie Forschungs-und Entwicklungsprogramme unterteilen lassen.
Wird nur die Personalstärke durch ein MBFR-Abkommen tangiert, so besteht, wie schon ausgeführt worden ist,'die Gefahr, daß die anderen Dimensionen der Militärapparate vergleichsweise gestärkt werden, um zu einer Kompensation der tatsächlich beschnittenen Dimension zu kommen. Es ist zwar im Augenblick unwahrscheinlich, daß durch eine Kürzung der gegebenen Personalstärken Mittel in einer bemerkenswerten Höhe freigesetzt würden. Die Umstrukturierung der Militärapparate Europas von personalintensiven zu technologieintensiven Institutionen bedingt notwendigerweise einen allmählichen Übergang von Massenarmeen zu Berufsarmeen, die bekanntlich wesentlich teurer sind als erstere, Es ist also eher zu befürchten, daß eine Kombination von Lohnkostensteigerung und der Umpolung der Militär-apparate auf ein Personal, das insbesondere . hohe technologische Kompetenz besitzt, diejenigen Beträge voll und ganz absorbiert, die möglicherweise in einem ersten Schritt durch eine Reduktion von Personalstärken freigesetzt werden könnten, überdies wäre zu befürchten, daß ein derart umstrukturierter Militärapparat höhere inyestive Ausgaben benötigte und damit tendenziell sogar eine Anhebung der Militärausgäben nach sich zöge.
Unterstellt man einmal hypothetisch den Fall, daß es zu einer effektiven Einsparung von Mitteln auf Grund einer Reduktion von Personal-stärken käme, dann ist eine Umpolung derartiger Mittel in investive Ausgaben angesichts des gegenwärtigen Kostendrucks im Beschaffungswesen und angesichts einer forcierten Rüstungsforschung fast unausweichlich.
Eine solche Entwicklung könnte nur dann aufgehalten werden, wenn die Wachstumsraten aller wesentlichen Dimensionen der Militärapparate gleichermaßen beschnitten würden, d. h., wenn es zu einem Einfrieren aller Teile des Militärbudgets käme. Doch selbst die letztere Maßnahme könnte noch dazu führen, daß hierdurch eine Steigerung der Forschungsintensität im Bereich der rüstungsund militärtechnologischen Forschung stimuliert würde, was noch einmal deutlich macht, wie wichtig im gegenwärtigen Augenblick eine Beschneidung der Forschungs-und Entwicklungsmittel für militärtechnologische Programme ist, will man eine effektive Rüstungspolitik betreiben Zusammengefaßt bedeutet dies: Nur ein Abkommen, das alle Komponenten des Militärapparates erfaßt und die genannten Kompensations-bzw. Substitutionsmöglichkeiten effektiv ausschließt, kann, angesichts der gegenteiligen Erfahrungen in den vergangenen zehn Jahren, als ein Rüstungskontrollabkommen gelten, das in Rüstungsdynamik mit dem Effekt eingreift, diese wirksam zu bremsen und abzubauen. Dieses Kriterium kann als die Grundregel einer friedensfördernden Rüstungskontrollpolitik gelten.
Wie wichtig ein derartiges Kriterium ist, zeigt sich auch in einem anderen Zusammenhang, der hier nur kurz erwähnt sei. Läßt man sich einmal auf eine Diskussion über politisch, militärstrategisch oder rein geographisch definierte Rüstungskontrollzonen ein, so stellt sich auch hier unmittelbar die Gefahr von Kompensation und Substitution. Denn es ist nicht ausgeschlossen, daß die Beschränkung von Potentialen in einer gewissen Zone einfach zu einer Intensivierung von militärischen Aktivitäten an anderer Stelle außerhalb der definierten Zone führt. Dieses Beispiel, das in den Rüstungskontrollverhandlungen der zwanziger Jahre eine große Rolle spielte, zeigt, daß das herkömmliche Rüstungs-Kontrollparadigma einer sehr prinzipiellen Neu-bestimmung bedarf, um überhaupt von politischer Bedeutung für eine Friedenspolitik zu sein. 2. Bedingungen für die Erfüllbarkeit von friedensfördernder Rüstungskontrollpolitik Im folgenden sollen deshalb einige Bedingungen für die Erfüllbarkeit einer friedensfördernden Rüstungskontrollpolitik, die dem oben genannten Kriterium folgt, angegeben werden.
Wir gehen davon aus, daß aus Analysen über die politische und gesellschaftliche, auch zwischenstaatliche, Realität keine praktischen Handlungsempfehlungen einfach „abgeleitet" werden können. Solche Empfehlungen bedürfen vielmehr einer zusätzlichen Begründung, weil in ihnen nicht nur analytische, sondern praktische Vernunft zum Tragen kommt. Während aus empirischen Analysen Handlungsprogramme extrapoliert werden, die sich durch ihre idealtypische Zuspitzung und Eindeutigkeit auszeichnen, ist in der Praxis oft eine Mischung von Ansätzen die beste Grundlage von Wirkung und Erfolg. Dies gilt insbesondere in einem Bereich, der, wie im ersten Teil dieser Studie gezeigt worden ist, so yielfältig bestimmt und verursacht ist wie Rüstungsdynamik. Im folgenden sollen diese allgemeinen Überlegungen an einem konkreten Beispiel diskutiert werden.
Die Analyse in früheren Teilen dieser Studie hat aufgewiesen, daß in gängigen Analysen des internationalen Rüstungswettlaufs und des weiteren Wachstums nationaler Rüstungspolitik das Aktions-Reaktions-Modell eine beliebte Begründung darstellt. Es wurde argumentiert, daß in Wirklichkeit nationale Rüstungspolitik und internationaler Rüstungswettlauf viel eher durch jeweils interne Faktoren als von außen bedingt sind. So falsch die Handlungsperspektiven sind, die sich aus dem Paradigma der offiziellen Politik ergeben, so falsch wäre ein auf Praxis hin konzipiertes Paradigma, das kurzschlüssig nur unseren eigenen analytischen Befund in Rechnung stellen würde. Es wird zu zeigen sein, in welcher Weise für Transformationsstrategien eine Mischung von Aktions-Reaktions-Paradigma und innergesellschaftlichen Maßnahmen die beste Ausgangsbasis für eine wirksame friedensfördernde Rüstungskontrollpolitik darstellen könnte. Um dies aufzuzeigen, soll hier zunächst kurz dargestellt werden, welcher Pro-grammatik die gegenwärtige, auf MBFR bezogene Politik im wesentlichen folgt. Ausgangspunkt der augenblicklichen Politik ist ein gewisser Unilateralismus, der jedoch, nach unserer Meinung, genau in die falsche Richtung wirkt. Dieser Unilateralismus besteht heute im wesentlichen darin, daß im Vorgriff auf die Rüstungskontrollverhandlungen über MBFR, in völliger Analogie zu früheren Beispielen, zunächst der weitere Ausbau der eigenen Militärapparate auf beiden Seiten nicht nur deklariert, sondern effektiv betrieben wird. Hierfür gibt es zwei offiziell immer wieder betonte Gründe: 1. das Argument der Politik der Stärke mit der Überlegung im Hintergrund, eine derartige Maßnahme könne dazu beitragen, bestimmte Zugeständnisse vom jeweiligen potentiellen Gegner zu erzwingen (eine historisch fragwürdige und unhaltbare Unterstellung), und 2. das Argument, ein derartiger Aufbau eigener Militär-apparate würde einfach die politische bargaining-Position verbessern. Wenn beide Kontrahenten bzw. Gesprächspartner von der gleichen Prämisse ausgehen, erweist sich diese Politik der Forcierung von Militärapparaten zur Gewinnung besserer Ausgangspositionen in diplomatischen Verhandlungen als ein ausgesprochen fragwürdiges und konterpröduktives Unternehmen. Dennoch wird diese Politik nachdrücklich verfolgt. Hier sind insbesondere auch noch einmal die verstärkten Koordinationsmaßnahmen in der sogenannten Euro-Gruppe zu erwähnen, die genau diesem offiziellen alteingefahrenen Paradigma entsprechen. In einem zweiten Schritt ist es dann, nach dieser offiziellen Rüstungskontrollprogrammatik, die Aufgabe der klassischen Diplomatie (ergänzt durch militärstrategische und militärtechnologische Expertise), jenen rüstungspolitischen und rüstungstechnologischen Prozessen entgegenzuwirken, die vor der Eröffnung diplomatischer Gespräche und während der Verhandlungen im nationalen Rahmen jeweils massiv forciert wurden. Die rüstungspolitischen und rüstungstechnologischen Begleitumstände der SALT-Verhandlungen zwischen 1969 und 1972 sind auf der nuklearstrategisehen Ebene ein spektakuläres Beispiel für das Gemeinte.
Kommt es schließlich nach langwierigen Verhandlungen zu einem international ausgehandelten Rüstungskontrollabkommen, so kann dies nur durchgesetzt werden unter den letztlich unverändert restriktiven Bedingungen nationaler oder allianzgebundener Sicherheits-und Rüstungspolitik. Die typischen Ergebnisse solcher Rüstungskontrollabkommen haben wir in Teil 111, 1 dieser Studie bereits skizziert.
Wie würde eine alternative politische Pro-grammatik aussehen, welche, falls in Praxis übersetzt, erfolgversprechend wäre und weitreichende Folgen für eine wirksame Rüstungspolitik besäße?
Auch dieses Paradigma beginnt mit einem gewissen Unilateralismus. Doch die Stoßrichtung einseitiger Maßnahmen zielt nicht aüi eine Eskalation nationaler oder allianzgebundener Rüstungspolitik zur Gewinnung einer Vermeintlich besseren Ausgangsposition in den Rüstungskontrollverhandlungen ab; durch unilaterale Maßnahmen wird vielmehr bezweckt — über symbolische Gesten hinausgehend •—, erste effektive Beschränkungen auf Grund einer autonomen politischen Willensäußerung im jeweils nationalen Rahmen durchzuführen bzw. durchzusetzen, sollte es erhebliche innergesellschaftliche Widerstände, gegen eine derartige Politik geben. Eine solche Maßnahme könnte in der Reduktion des Anteils der Militärausgäbe am Bruttosozialprodukt bzw. am nationalen Budget liegen; sie müßte sich auch auf eine ausgewogene symmetrische Reduktion der investiven Aktivitäten (Forschung und Entwicklung, Beschaffung) beziehen.
Auf der Grundlage einer derartigen SelbstbeSchränkung, die zu einer nach Möglichkeit in einem Mehrjahresplan verbindlich niedergelegten effektiven Rüstungskontrollpolitik im eigenen nationalen Rahmen führt, müßte versucht werden, nach erfolgter autonomer Einleitung von (nicht nur symbolischen) Beschränkungen der eigenen Rüstungsaktivitäten mit Hilfe internationaler Verhandlungen zu einem internationalen Rüstungskontrollabkommen zu gelangen, das dann seinerseits eine Rückversicherung national schon erfolgtet Rüstungskontrollmaßnahmen durch ein international ausgehandeltes Abkommen darstellen Würde. Auch könnten derartige internationale Verhandlungen eine Rückendekkung für jene nationalen Regierungen darstellen, die erheblichen innergesellschaftlichen Widerständen bei der Durchführung des ersten Schrittes einer derartigen Politik in nationalem Rahmen begegnen würden.
Nach erfolgreichen Verhandlungen würde dann ein derartiges Rüstungskontrollabkommen zur Stabilisierung des national durchgesetzten Und im nationalen Rahmen effektiv erreichten Standes von Rüstungskontrollmaßnahmen beiträgen. Nach einer derartigen ersten Sequenz müßte dieser Prozeß in analoger Weise auf einer höheren Stufe der Intensität von Rüstungsbeschränkungen fortgesetzt werden usf. , 3. über die Programmatik einer neuen Rüstungskontrollstrategie Welche praktischen Überlegungen stehen im Hintergrund einer derartigen Programmatik? 1. Ohne eine Eindämmung der Antriebsimpulse für nationale Rüstung und allianzgebundene Rüstungspolitik kann ein international ausgehandeltes Rüstungskontrollabkommen nur solche Maßnahmen festhalten, die auch im Interesse der jeweils vorherrschenden Fraktionen nationaler Rüstungsapparate sind (dies hat das SALT-Abkommen sehr deutlich gezeigt). Als Grundüberlegung kann gelten, daß im nationalen Rahmen der Manövrierraum für die internationale Rüstungskontrolldiplomatie erst erstritten Und durchgesetzt werden muß, ehe auf diplomatischer Ebene irgendein Abkommen erreicht werden kann, das mehr als nur eine symbolische Bedeutung besitzt.
2. Diese neue Rüstungskontrollprogrammatik geht davon aus, daß jede Form von Erzwingungsstrategie („Politik der Stärke")
, im gegenwärtigen Ost-West-Konflikt vom Ansatz her für jede wirksame Rüstungskontrollpolitik ebenso konterproduktiv ist wie sie andererseits zum weiteren Ausbau der Militärapparate beiträgt. Im Gegensatz zu ihr baut die hier aufgezeigte Programmatik darauf, daß jene Nation und jene Staatengruppe, die eine derartige echt friedensfördernde Rüstungskontrollstrategie verfolgt, einen viel größeren diplomatischen Spielraum und eine viel größere politische Manövrierfähigkeit erringen würde, als es ihr im Falle herkömmlicher Handlungsmodelle möglich wäre. Auszugehen ist davon, daß jene Seite, die die Initiative für eine national durchgeführte Rüstungskontrollpolitik ergreift, mit großer Wahrscheinlichkeit die eigenen Verbündeten und insbesondere auch die Gegenseite in einen echten Zugzwang setzt — eine Situation, die von der Diplomatie, bei geschickter Inszenierung, meisterhaft politisch genutzt werden könnte.
Während alle Regierungen gegenwärtig in ihren öffentlichen Verlautbarungen erklären, einseitige Vorleistungen oder Vorgaben würden die nationale Sicherheit gefährden und den möglichen Druck der jeweiligen Verbündeten und insbesondere auch der Gegenseite auf die nationale Selbständigkeit erhöhen, dürfte in der Wirklichkeit genau das Gegenteil der Fall sein, überdies muß noch einmal betont werden, daß eine derartig inszenierte Politik, selbst unter der Zugrundelegung herkömmlicher sicherheitspolitischer Kriterien, keinerlei Risiken enthält, da die Zerstörungskapazität der Militärapparate ohnehin längst übersättigt ist. Außerdem gibt es für das Zentrum Europa, allen gegenteiligen Behauptungen zum Trotz, keine Militärstrategien mehr, welche die Substanz (Bevölkerung, Produktionsstätten, Umwelt) dieses politischen und geographischen Bereichs während eines militärischen Konflikts unberührt ließe.
• Der Realismus der hier vorgetragenen Pro-grammatik mit der für sie typischen Sequenz von spezifischen Maßnahmen auf der nationalen und internationalen Ebene besteht insofern darin, daß eine derartige Strategie die
Beschneidung von Rüstungsdynamik von mehreren Dimensionen her gleichermaßen, wenn auch anfänglich in zeitlicher Sequenz, angeht. Eine solche Strategie, in der es zu einem differenzierten Zusammenspiel zwischen innergesellschaftlichen Maßnahmen von Selbstbeschränkung und internationalen Verhandlungen, die der Rückversicherung nationaler Maßnahmen gelten, kommt, ermöglicht es, eine friedenspolitische Dynamik in Gang zu setzen, die dem vorherrschenden Trend von Rüstungsdynamik auf allen Ebenen entgegenwirkt. Das stärkste Argument für eine derartige Strategie besteht jedoch darin, daß sie die Rückkoppelung mit den Bevölkerungen nationaler Gesellschaften in den Vordergrund rückt. Vergleicht man die heute gängige Rüstungskontrollstrategie, die wir oben zu umschreiben versucht haben, mit der von uns als wünschenswert und realistisch vorgestellten Strategie, so liegt ein wesentlicher Unterschied darin, daß erstere im wesentlichen gouvernemental-etatistisch orientiert ist, während in der hier eingeführten Rüstungkontrollstrategie etatistisch-gouvernementale Maßnahmen von Bedeutung sind, jedoch ihre Effektivität erst durch ihre Rückkoppelung mit innenpolitischen Interessengruppierungen finden. Dieser Unterschied läßt sich an einem Beispiel sehr deutlich aufzeigen. Während die gängige Rüstungskontrollstrategie Kontrolle, Inspektion und Verifikation als eine Angelegenheit von Spezialisten, welche im nationalen Rahmen oder in einem internationalen Team von staatlicher Administration eingesetzt werden, versteht, ist in der hier aufgezeigten Rüstungskontrollstrategie Kontrolle im wesentlichen auch eine Angelegenheit von Selbstkontrolle. Solche Selbstkontrolle kann im nationalen Rahmen natürlich nur dann wirkungsvoll sein, wenn eine Politik der selbst auferlegten Rüstungskontrollbeschränkungen interessenbesetzt wird, d. h., wenn eine derartige Politik eigene Interessengruppierungen hinter sich zu vereinigen vermag. Letzteres wird um so einfacher möglich sein, je mehr die gesellschaftspolitische Alternative von herkömmlicher Sicherheits-und Rüstungspolitik und einer nicht mehr auf Rüstungs-und Militärapparaten basierenden Friedenspolitik deutlich in das Bewußtsein der Öffentlichkeit eindringt, und insofern die enormen sozialen Kosten der einen und der mögliche soziale Nutzen der anderen als konkrete Orientierungspunkte in die Interessendefinition konkreter gesellschaftlicher Gruppierun49 gen und ihrer Repräsentanten eingeht. Durch eine derartige Ausweitung der Basis für eine friedensfördernde Rüstungskontrollpolitik ist die beste Grundlage für eine allmähliche Überwindung der keinen rationalen Maßstäben entsprechenden Rüstungs-, Um-und Aufrüstungspolitik gelegt. Und es käme in die internationale Diplomatie eine Bewegung, die nur von einer neuen politischen Dynamik aus .dem jeweils nationalen Kontext erwachsen kann — eine Bewegung, angesichts der die heute gängige Rüstungskontroll-und abrü-i stungsdiplomatische Geschäftigkeit sich als das erweisen würde, was sie in Wirklichkeit darstellt: als ein Teil von Rüstungsdynamik selbst.
VI. Schlußbemerkung
Die vorliegende Studie ist von einer Kennzeichnung der gegenwärtigen Situation ausgegangen. Sie hat einige zentrale Elemente " einer Analyse von Rüstungsdynamik und einige Überlegungen hinsichtlich der Rüstungskontrollpolitik der vergangenen Jahre entwickelt. Die aktuelle Problematik von MBFR wurde unter verschiedenen Gesichtspunkten diskutiert. Schließlich wurden einige Kriterien einer friedensfördernden Rüstungskontrollpolitik und einige Bedingungen für ihre Erfüllbarkeit entwickelt.
Die Autoren dieser Studie gehen davon aus, daß ihre Analyse im wesentlichen Sachlich begründet und ihre praktischen Überlegungen zu einer friedensfördernden Rüstungskontrollpolitik zumindest den Anspruch höherer Plausibilität als alternative Konzeptionen haben. Sie können diejenigen sicher nicht zufriedenstellen, die unterstellen, daß der unbestrittenermaßen vorhandene gesellschaftspolitische Systemantagonismus zwischen Ost und West eine solche Politik von vorneherein ausschließt. Einem solchen Argument kann nur entgegengehalten werden, daß es Zeit ist, zwischen grundlegenden und nicht-grundlegenden Widersprüchen im Ost-West-Konflikt zu unterscheiden. Die Autoren sind davon überzeugt, daß es grundlegende Widersprüche gibt und daß der Ost-West-Konflikt nicht auf der Basis von Fehlinterpretationen und Fehlperzeptionen der in der Geschichte agierenden Eliten entstanden ist, sondern daß dieser Konflikt auf einem Interessenantagonismus aufbaut. Dennoch können sie die Über-zeugung nicht teilen, daß dieser Interessenantagonismus zwingenderweise als militarisierter ausgetragen werden muß. Sie halten es vielmehr für historisch relativ zufällig (doch im einzelnen Schritt für Schritt erklärbar), daß dieser Systemantagonismus im wesentlichen zu einer militärischen Konfrontation sich hocheskalierte, was zu einer Überlagerung des eigentlichen gesellschaftspolitischen Konfliktpotentials führte. Ein Plädoyer für eine friedensfördernde Rüstungskontrollpolitik ist auch ein Plädoyer für mehr öffentliche Auseinandersetzung über gesellschaftspolitische Alternativen.
Wir glauben mit einiger Plausibilität unterstellen zu können, daß das Ergebnis einer derartigen Auseinandersetzung, sofern sie nur die große gewaltsame Konfrontation von Ost und West ausschließt, zu Gesellschaftsordnungen führen könnte, die nicht ohne weiteres mit den heutigen in Ost und West identisch wären, ganz sicher nicht mit einer Konvergenz beider. Auch auf diesem Hintergrund halten wir eine verstärkte Diskussion über Sicherheitspolitik, Rüstungsdynamik, Rüstungskontrollpolitik und Abrüstungspolitik — eine Diskussion der Entmilitarisierung Europas — nicht nur für wünschenswert, sondern auch gesellschaftspolitisch für überfällig.
VII. Anhang: Zur Kritik von Abschreckung als Prämisse von Sicherheitspolitik
Diese Studie soll nicht abgeschlossen werden, ohne auf die prinzipielle Fragwürdigkeit der Prämissen gegenwärtiger Sicherheitspolitik (= Abschreckungspolitik) aufmerksam zu machen. Wir wollen diese Fragwürdigkeiten, die den Nerv der Sicherheitspolitik betreffen, hier in sieben Punkten zum Abschluß unserer Überlegungen zusammenfassend kritisieren. Diese Kritik wird hier explizit formuliert, da sie der vorliegenden Studie zugrunde liegt. 1. Der Widerspruch zwischen Doktrin und Praxis Das Abschreckungssystem, wie es sich nach 1950 herausgebildet hat, soll nach Aussagen offizieller Politik den Frieden sichern, und doch visiert es mit seinen Rüstungen auf der Prämisse angedrohter Vergeltung im Falle von Aggression den Krieg an. Dieser Widerspruch entfaltet sich in einem Spektrum differenzierter Gewalt-und Bedrohungspotentiale, die den Frieden stabilisieren sollen, indem sie sich auf den sogenannten „Ernstfall" (was immer man darunter verstehen mag)
einrichten: nukleare Raketen verschiedenster Reichweite, ein differenziertes „konventionelles" Instrumentarium (1972 gab es allein innerhalb der amerikanischen Armee u. a. folgende funktional verschiedene Einheiten: Panzerdivisionen, Panzergrenadiere, Infanterie, Luftlandetruppen, big lift-Truppe, Antiguerilla-Kampfeinheiten) und ein riesiges Netz von Militär-stützpunkten sowie auswärtig stationierter Truppen (1971: USA 670 200, Sowjetunion 583 500) und auf allen Weltmeeren operierende Flottenverbände. Unter der Abschrekkungsdoktrin hat sich die militärische Gewalt heute sowohl auf der Dimension der Intensität (von der Interkontinental-Rakete bis hin zur Einzelkämpfer-Ausbildung) als auch im geographischen Rahmen abgestuft und umfassend etabliert. 2. Der fehlende Realitätsbezug Abschreckung zielt auf „den Gegner", auf seine militärischen Kapazitäten und seine „potentiellen" Drohungen. Dies gilt als Rechtfertigung für den eigenen Gewaltapparat. Die tatsächliche Entwicklung der Rüstungen in der NATO und dem Warschauer Pakt verlief jedoch anders: Keine der bisher durchgeführten Untersuchungen über internationale Konflikte seit 1945 zeigt einen erkennbaren Zusammenhang zwischen internationalen Spannungen und der Entwicklung auf dem rüstungspolitischen Sektor. So ist der rasche Ausbau des amerikanischen interkontinentalen Raketensystems auf keine spezielle Intensivierung internationaler Konflikte zurückzuführen. Andererseits blieb der Umfang des amerikanischen und sowjetischen Rüstungsbudgets in den Jahren 1955 bis 1966 so gut wie konstant, obwohl in der gleichen Zeit das internationale System durchaus verschiedenartigen Kooperationsuhd Konfliktseinflüssen unterlag. 3. Die Abkapselung der Abschreckungsgesellschaften Rüstung qua Abschreckung wird also offensichtlich durch andere Motive gesteuert als durch eine den internationalen Beziehungen adäquate Realitätsprüfung. Und in der Tat spielen Feindbilder in den entscheidungsrelevanten Gremien wie bei der Rechtfertigung der immensen Rüstungskosten vor der Bevölkerung eine zentrale — wenn auch zu verschiedenen Zeiten verschieden intensive — Rolle. Darüber hinaus ist der Umfang der realen Austauschbeziehungen zwischen den Antagonisten äußerst gering. So betrug z. B.der sowjetische Anteil am amerikanischen Außenhandel insgesamt 1970 nur ca. 0, 2 Prozent, der Anteil der EWG hingegen 16, 5 Prozent. Trotz Entspannungs-und „Kooperationspolitik" hält Abschreckungspolitik weiterhin irreale, realitätsfremde Projektionen und Vorstellungen von den internationalen Beziehungen am Leben. 4. Der falsche Rationalitätsbegriff Die der Abschreckungsdoktrin verhafteten Entscheidungsträger haben eine eigene, besser gesagt eigenartige Wahrnehmung von internationalen Konflikten und Krisen entwickelt. Sie gehen davon aus, daß die Handelnden in jedem Stadium einer Krise über die vollständige Kontrollfähigkeit verfügen. Eskalationsund Deeskalationsstufen (die Paradepferde des crisis-management) stehen den Akteuren jederzeit zur rationalen Handhabung bereit, Drohungen werden einsichtig und vollständig perzepiert und nüchtern beantwortet. All dies wirkt wie eine Karikatur dessen, was wir inzwischen aus vielfältigen sozialwissenschaftlichen Untersuchungen über die Fehl-51 Wahrnehmungen, -Fehlplanungen und Selbst-täuschungen von Politikern zum Beispiel in akuten Krisen wissen. Für zahlreiche solcher Krisen kann nachgewiesen werden, daß die Kooperation der Akteure mit zunehmender Intensität des Konflikts abnimmt, daß die während Routinezeiten beobachtbare politische Flexibilität schwindet, daß — kurz gesagt — Politiker unangemessener reagieren, die Realität „lernpathologischer" wahmehmen und eher mit dem Schlimmsten rechnen, als sie es sonst gewohnt sind. In Krisen werden darüber hinaus tendenziell immer weniger Menschen an Entscheidungen und Informationen beteiligt. Diese zunehmende Abkapselung und Irrationalität in Konflikten, verstärkt durch eine wachsende Stereotypisierung von diplomatischen Botschaften und ein. ständiges Auswuchern des Konfliktziels, zeigt, auf welch fragwürdigen psychodynamischen Annahmen Abschreckungspolitik basiert. 5, Die militärische Unsinnigkeit Die Kriegsfolgenstudie der Weizsäcker-Gruppe hat mit wissenschaftlicher Genauigkeit gezeigt, daß die Bundesrepublik weder mit konventionellen noch gar nuklearen Mitteln zu verteidigen ist. Das Erhalten des wirtschaftlichen und technologischen Produktionsstandes, die Integrität des Staatsgebietes und das überleben der westdeutschen Bevölkerung, um nur drei der wichtigsten Ziele der gegen-'wärtigen Abschreckungspolitik zu nennen, sind gerade durch die Rüstungspraxis und Strategie dieser Abschreckung nicht zu erreichen. Die Bundesrepublik ginge aus einer noch so geringen konventionellen wie nuklearen Auseinandersetzung als ein verwüstetes, verkrüppeltes und unbewohnbares Land hervor. 6. Der falsche Sicherheitsbegriff Führt schon das immanent militärische Denken bei der Analyse der Abschreckungsdoktrin zu einer Aporie, so erschließt sich jedoch erst durch eine Bloßlegung der restriktiven Momente des derzeitigen Sicherheitsdilemmas die ganze Hinfälligkeit der Abschreckung. Sicherheit kann nicht so verstanden werden, als ob allein der Schutz vor einer äußeren „Aggression" jegliche Rüstungskosten vertretbar scheinen lasse. Die gleichzeitig wachsenden Kosten für Militärpotentiale und ökologische Investitionen (im weitesten Sinne: Bildung, Umweltschutz, Stadtentwicklung, Verkehrswesen) machen eine Neufestsetzung der staatlichen Prioritäten unvermeidbar. Eine solche Prioritätendiskussion muß aber notwendigerweise von einem sehr viel weiteren, d. h. gesellschaftspolitischen Sicherheitsbegriff ausgehen. Denn was nützt alle militärische Sicherheit, wenn gesellschaftliche Infrastrukturen aus Mangel an überfälligen Investitionen zugrunde gerichtet werden. Militärische Sicherheit ist jedenfalls nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Spektrum notwendiger Bedürfnisbefriedigung; auf die Dauer dürften die nicht-militärischen Sicherheitsbereiche sehr viel nachhaltiger unsere Gesellschaft berühren. 7. „Ausgewogene Verminderung" unausgewogener Abschreckungspotentiale?
Es muß ausdrücklich davor gewarnt werden, daß in den MBFR-Verhandlungen militärpolitische Prämissen der Abschreckung undiskutiert übernommen werden. Zu einer dieser Prämissen zählt der Mythos vom „Gleichgewicht des Schreckens". Nimmt man z. B. die nuklearen Potentiale der USA und der Sowjetunion, so ist klar ersichtlich, daß — bei entsprechender Differenzierung — nie ein „Gleichgewicht" im herkömmlich verstandenen Sinne bestanden hat.
Auch in Mitteleuropa lassen sich weder im konventionellen noch im nuklearen Bereich gleichgewichtige Strukturen erkennen, eher könnte man von mehrdimensionalen Asymmetrien sprechen. Realistischer ist demgegenüber jedoch die Überlegung, daß sich Militär-stärken nur im ganz groben Maßstab vergleichen lassen. Diese Einsicht muß aber dann zu der Konsequenz führen, daß alle Verhandlungen über Truppenreduzierung nicht restriktiv, d. h. „formell-balanciert", sondern jeweils inhaltlich zu diskutieren sind, ebenso wie das Sicherheitskonzept insgesamt.
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Dieter Senghaas, Dr. phil., Professor für Politikwissenschaft an der Universität Frankfurt/M., z. Z. Forschungsgruppenleiter an der Hessischen Stiftung Friedens-und Konfliktforschung, Frankfurt; geb. 1940 in Geislingen/Steige; Studium der Polikwissenschaft, Soziologie, Geschichte und Philosophie in Tübingen, Amherst (USA), Frankfurt und Ann Arbor. Veröffentlichungen u. a.: Abschreckung und Frieden. Studien zur Kritik organisierter Friedlosigkeit, Frankfurt 19722; Aggressivität und kollektive Gewalt, Stuttgart 19722; Rüstung und Militarismus, Frankfurt 1972; Aufrüstung durch Rüstungskontrolle, Stuttgart 1972. Herausgeber u. a. von: Friedensforschung und Gesellschaftskritik, München 1970; Zur Pathologie des Rüstungswettlaufs, Freiburg 1970; Kritische Friedensforschung, Frankfurt 19722; Imperialismus und strukturelle Gewalt, Frankfurt 1972; Texte zur Technokratiediskussion, Frankfurt 197 12; Politikwissenschaft. Eine Einführung in ihre Probleme, Frankfurt 19733. Volker Rittberger, Ph. D., Professor für Politikwissenschaft an der Universität Tübingen; geb. 1941; Studium der Rechts-und Politikwissenschaft an den Universitäten Freiburg i. Br., Genf und Stanford; Lehr-und Forschungstätigkeit an in-und ausländischen Universitäten; ab 1971 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hessischen Stiftung Friedens-und Konfliktforschung, Frankfurt/M. Veröffentlichungen: Evolution and International Organization, Den Haag 1973 (im Druck); Mitherausgeber von: Konflikt — Eskalation — Krise, Düsseldorf 1972; zahlreiche Zeitschriftenaufsätze und Beiträge zu Sammelwerken auf den Gebieten der Theorie der internationalen Organisation und der vergleichenden Krisen-und Revolutionsforschung. Burkhard Luber, geb. 1944, Studium der Politikwissenschaft, Geschichte und Anglistik in Frankfurt und Gießen; 1967/68 assistant teacher in Großbritannien, 1969— 1971 Tutor für Politikwissenschaft an der Universität Gießen und Mitarbeiter an der Volkshochschule Offenbach; 1971 Staatsexamen, seitdem wiss. Mitarbeiter der Hessischen Stiftung Friedens-und Konfliktforschung, Frankfurt/M. Veröffentlichungen: Beiträge in der Zeitsdirift für „Zukunfts-und Friedens-forschung“ und Redaktion von „Literatur-Informationsdienst zu Fragen der Friedensforschung".
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