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Wie der Sozialdemokrat Ulrich Lohmar den objektiven Verlauf der Geschichte aufhalten will | APuZ 8/1973 | bpb.de

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APuZ 8/1973 Sozialdemokratie oder Kommunismus? Wie der Sozialdemokrat Ulrich Lohmar den objektiven Verlauf der Geschichte aufhalten will Das „strategische Zielbündel" des Herrn Lohmar Der „Hürdenlauf" zur ideologischen Koexistenz

Wie der Sozialdemokrat Ulrich Lohmar den objektiven Verlauf der Geschichte aufhalten will

Aron Winkler

/ 25 Minuten zu lesen

Aus: „Staat und Recht", Nr. 9- 72, S. 1482- 1497.

Professor Ulrich Lohmar, Mitglied der SPD und Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Bildung und Wissenschaft, veröffentlichte kürzlich zehn Thesen zum Thema „Sozialdemokratie und Kommunismus" Er will damit nachweisen, daß es zwischen Sozialdemokratie und Kommunismus keine ideologische Koexistenz geben kann. Im Interesse einer entschiedenen Abgrenzung der Sozialdemokratie vom Kommunismus fordert er, daß die „Sozialdemokratie . . .den Wettbewerb mit den Kommunisten bewußt aufnehmen, und . .. sich sowohl gegenüber dem Kapitalismus als auch gegenüber dem Kommunismus als eine dritte Möglichkeit profilieren" muß (These 10). Die weiteren Betrachtungen werden zeigen, auf welche Weise Lohmar diese Aufgabe zu lösen versucht und worin der Inhalt jener „dritten Möglichkeit" zwischen Sozialismus und Kapitalismus besteht.

Bevor auf seine Thesen näher eingegangen wird, ist die Feststellung notwendig, daß sich Lohmar sehr zu Unrecht als Sprecher der ganzen Sozialdemokratie ausgibt. Er ist weder berechtigt im Namen der internationalen Sozialdemokratie noch für die ganze SPD zu sprechen. Innerhalb der sozialdemokratischen Bewegung zeichnen sich in allen Grundfragen der Ideologie und Politik immer deutlicher tiefgreifende Differenzen ab. „Einige ihrer Führer sind auf die Positionen der Verteidigung des Monopolkapitals und des Imperialismus übergegangen. Andere dagegen sind eher geneigt, die Forderungen der werktätigen Massen auf ökonomischem und sozialem Gebiet und in der Frage des Kampfes um Frieden und Fortschritt zu berücksichtigen" Während die rechte Führung einiger sozialdemokratischer Parteien, z. B.der SPD, jede Zusammenarbeit mit den Kommunisten ablehnt und ihre Mitglieder, die dem zuwiderhandeln, mit dem Parteiausschluß bedroht wächst bei den Führern anderer sozialdemokratischer Parteien — trotz Meinungsverschiedenheiten in prinzipiellen Fragen — die Bereitschaft, im Interesse des werktätigen Volkes enger mit den Kommunisten, der stärksten revolutionären Kraft unserer Zeit, zusammenzuarbeiten.

Welche Kräfte innerhalb der internationalen Sozialdemokratie repräsentiert Ulrich Lohmar, und in wessen Interesse verfaßte er seine Thesen? Die folgenden Betrachtungen sollen Antwort auf diese Fragen geben. Dabei kann es im Rahmen eines solchen Aufsatzes nicht darum gehen, jede Äußerung Lohmars zu analysieren. Das Ziel besteht vielmehr darin, seine politisch-ideologischen Grundpositionen sichtbar zu machen und daraus einige Schlußfolgerungen abzuleiten.

I „Das Maß aller Dinge", so überschreibt Ulrich Lohmar seine erste These, in der er den Versuch unternimmt, die gesellschaftspolitischen Ziele der Sozialdemokratie und des Kommunismus gegenüberzustellen. Schon hier werden die Stoßrichtung und der Charakter der Lohmarschen Thesen überhaupt sichtbar, denn er stellt die Ziele des Kommunismus in einer Weise dar, die weder mit den Grundsätzen der marxistisch-leninistischen Lehre noch mit dem real existierenden Sozialismus etwas gemein hat.

Deshalb sei zunächst festgestellt: Für die Kommunisten ist „das Maß aller Dinge" spätestens seit der Veröffentlichung des Kommunistischen Manifestes durch Marx und Engels klar. Es ist die Verwirklichung der historischen Mission der Arbeiterklasse. Ihr Inhalt ist es, das längst überlebte kapitalistische System der Ausbeutung und Unterdrückung des Menschen durch den Menschen im Klassenkampf zu überwinden und den Sozialismus/Kommunismus zu errichten. Im Mittelpunkt aller Tätigkeit der kommunistischen und Arbeiterparteien steht der werktätige Mensch mit seinen vielseitigen Bedürfnissen und seiner Sehnsucht nach einem Leben in Frieden und sozialer Geborgenheit. Die Kom-munisten kämpfen für eine Gesellschaftsordnung, die frei ist von den knechtenden Bedingungen des Kapitals, in der die dem Kapitalismus wesenseigene Entfremdung des Menschen überwunden ist, und die es dem Menschen erlaubt, über seine Geschicke selbst zu bestimmen, seine menschlichen Qualitäten zum eigenen Nutzen und zum Nutzen der ganzen Gesellschaft voll auszuprägen. Diese Gesellschaftsordnung ist seit der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution nicht mehr lediglich ein papierenes Programm, sondern hat in den sozialistischen Ländern in den Grundzügen konkrete Gestalt angenommen und dokumentiert immer überzeugender ihre allseitige Überlegenheit gegenüber dem Kapitalismus. Was hat dagegen die rechte Sozialdemokratie als „Maß aller Dinge" zu bieten? Nach Ulrich Lohmar geht sie aus „von den moralischen Werten der Freiheit, der Gerechtigkeit und der Solidarität" und entwickelt „auf Grund der jeweiligen gesellschaftlichen Situation daraus politische Strategien". Derartige Ziele verkünden rechte Sozialdemokraten seit mehr als acht Jahrzehnten. Man findet sie bei Bernstein und Kautsky ebenso wie bei Ebert, Scheidemann und Noske. Es erhebt sich jedoch die Frage, was in Verfolgung dieser Ziele für die Arbeiterklasse herausgekommen ist und wem die von rechten Sozialdemokraten entwickelten „politischen Strategien" nutzten bzw. nutzen. Legt man diesen Maßstab an, so erweist sich das Lohmarsche „Maß aller Dinge" als Phrase, berechnet auf die Irreführung des werktätigen Volkes.

In den letzten fünfzig Jahren haben rechte sozialdemokratische Führer mehrfach die Regierungsgeschäfte in kapitalistischen Staaten ausgeübt. Aber noch nirgends verwirklichten sie Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität, die nach Lohmar zu den „wesentlichen Leitmotiven des freiheitlichen Sozialismus" gehören. Im Gegenteil, stets dienten die von ihnen entwickelten „politischen Strategien" der Erhaltung der kapitalistischen Ausbeuterordnung. Die rechten Sozialdemokraten Ebert, Scheide-mann und Noske, die schon vor fünfzig Jahren vom „freiheitlichen Sozialismus" redeten, spielten in der praktischen Politik die Rolle eines Arztes am Krankenbett des Kapitalismus. Ihr Verrat an den Interessen der Arbeiterklasse trug entscheidend zu deren Niederlage in der Novemberrevolution bei. Indem sie die Aktionseinheit der deutschen Arbeiterklasse im Kampf gegen Imperialismus und Krieg verhinderten, leisteten sie der Machtergreifung durch den Hitlerfaschismus Vorschub.

Was hat die SPD, deren Mitglied Ulrich Lohmar ist, in den bisherigen drei Jahren ihrer Regierungszeit für die Verwirklichung der Freiheit, der Gerechtigkeit und der Solidarität in der BRD getan? Sie hat an den monopolkapitalistischen Eigentums-und Machtverhältnissen nicht das Geringste geändert. Rechte sozialdemokratische Führer bekennen sich in aller Öffentlichkeit zum staatsmonopolistischen Herrschaftssystem und versichern der Monopolbourgeoisie immer wieder, daß sie nicht die Absicht haben, dieses System in irgendeiner Weise anzutasten. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß sich der Prozeß der Konzentration und Zentralisation der Produktion und des Kapitals unter der SPD/FDP-Regierung noch beschleunigt hat. Während Ulrich Lohmar von Freiheit und Gerechtigkeit spricht, gehen die Steuer-und Preiserhöhungen unvermindert weiter, bleibt die gewerkschaftliche Forderung nach Mitbestimmung in Wirtschaft, Staat und Gesellschaft nach wie vor unerfüllt. Statt dessen wurde ein neues Betriebsverfassungsgesetz verabschiedet, das faktisch jede politische Betätigung der Arbeiter in den Betrieben unmöglich macht

Auch in solchen imperialistischen Ländern wie Großbritannien, Schweden, Österreich und Israel, wo rechte Sozialdemokraten regierten oder noch regieren, sind die monopol-kapitalistischen Eigentums-und Machtverhältnisse in keiner Weise eingeschränkt und ist die Ausbeutung der Lohnarbeit durch das Kapital nicht beseitigt worden. Vielmehr haben sich auch in diesen Ländern die Gegensätze zwischen einer kleinen Schicht von Industrie-und Finanzmagnaten und der Mehrheit der werktätigen Menschen weiter vertieft.

Betrachtet man diese Tatsachen im Zusammenhang, so wird sichtbar, daß für rechte Sozialdemokraten das „Maß aller Dinge" nicht die Lebensinteressen des werktätigen Volkes sind, sondern die Erhaltung und Festigung der historisch überlebten kapitalistischen Produktionsweise. Die moralischen Werte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität, die Lohmar immer wieder beschwört, sind ihres tiefen humanistischen Gehalts beraubt und zu Parolen der geistigen Manipulierung der Volksmassen geworden. Wenn Lohmar und seinesgleichen von Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität sprechen, dann geht es in Wirklichkeit um die Freiheit der Ausbeutung, die Verewigung der Ungerechtigkeit des Ka-pitalismus und um eine „Solidarität" im Sinne der „Integration" des werktätigen Volkes in das imperialistische System sowie den Kampf gegen alle diejenigen, die dieses System auf revolutionäre Weise überwinden wollen.

II Der Marxismus-Leninismus gründet sich auf die durch die gesellschaftliche Praxis vielfach bestätigte Erkenntnis, daß das kapitalistische Eigentum an den Produktionsmitteln, besonders in seiner monopolkapitalistischen Form, das ökonomische Fundament darstellt, von dem aus einige wenige große Monopolgruppen das ganze gesellschaftliche Leben beherrschen. Gestützt auf den ungeheuren Reichtum, den die Monopolbourgeoisie in vielen Jahrzehnten aus der Arbeiterklasse und anderen Werktätigen herausgepreßt hat, kauft oder stürzt sie Regierungen, besticht sie Politiker und Abgeordnete, finanziert sie neonazistische Parteien und Organisationen, beherrscht sie die Massenmedien, zettelt sie Staatsstreiche und konterrevolutionäre Umstürze an und dirigiert sie die ganze Staatspolitik. Wenn in der BRD solche Unternehmer-verbände wie der „Bundesverband der Deutschen Industrie", der „Deutsche Industrie-und Handelstag" und die „Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände" maßgeblichen Einfluß auf die Staatspolitik nehmen und sie im Interesse der Monopolbourgeoisie lenken, wenn jedes Gesetz von einiger Bedeutung faktisch durch ihre Zensur geht, so deshalb, weil sie als die strategischen Leitzentralen der Finanzoligarchie die Eigentümer an den entscheidenden Produktionsmitteln repräsentieren. Der einzige Ausweg für die Arbeiterklasse besteht darin, das Eigentum der Monopolgewaltigen zu vergesellschaften und in Gestalt der Diktatur des Proletariats ihre eigene politische Macht zu errichten.

Ulrich Lohmar vertritt eine andere Konzeption. In These 3 heißt es: „Die Sozialdemokraten wollen in der Eigentumsfrage durch eine soziale Verpflichtung des Eigentums, durch den Ausbau des gemeinwirtschaftlichen Sektors, durch die Kontrolle wirtschaftlicher Macht und durch Vermögen in Arbeitnehmer-hand den kapitalistischen Sektor abbauen." Und weiter heißt es: „Die soziale Verpflichtung, schon vom Grundgesetz vorgegeben, und die Vermögensbildung in Arbeitnehmer-hand wollen den einzelnen einmal an gesellschaftlichen Bindungen orientieren, ihm zum anderen aber Eigentum als eine der denkbaren Voraussetzungen für mehr persönliche Freiheit vermitteln.“

Lohmar stellt fest, daß die „soziale Verpflichtung des Eigentums" schon vom Grundgesetz vorgegeben wurde. Das Grundgesetz ist jedoch schon mehr als zwanzig Jahre alt. Wie hat sich diese „Verpflichtung" auf die Lage der Arbeiterklasse in der BRD ausgewirkt? Die Politik der „Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand" wird in der BRD seit mehr als fünfzehn Jahren betrieben. Was hat die Arbeiterklasse der BRD dadurch an Freiheit gewonnen? Solange die BRD existiert, gibt es dort einen umfangreichen staatlichen Sektor in der Wirtschaft, verfügt der Staat über etwa 40 Prozent des Nationaleinkommens. Ist es gelungen, mit Hilfe der ökonomischen Potenzen des Staates und seiner Machtmittel den „kapitalistischen Sektor abzubauen" und „politisch in den Griff zu bekommen", wie sich Lohmar ausdrückt?

Die Verhältnisse in der BRD zeigen etwas anderes. Sie bestätigen die marxistisch-leninistische Erkenntnis, daß sich das kapitalistische Eigentum an den Produktionsmitteln solange erweitert reproduziert, bis die ökonomische und politische Macht der Monopole durch den revolutionären Kampf der Arbeiterklasse und der mit ihr verbündeten Klassen und Schichten des werktätigen Volkes überwunden wird. Gerade in der BRD hat der Prozeß der Konzentration und Zentralisation der Produktion und des Kapitals bisher nie gekannte Ausmaße angenommen. Nur 0, 42 Prozent aller Aktiengesellschaften verfügen über 58, 5 Prozent des gesamten Aktienkapitals der BRD. Die Zahl der Aktiengesellschaften mit mehr als 100 Millionen DM entwickelte sich von 37 im Jahre 1954 auf 102 im Jahre 1970. Im Jahre 1954 gab es in der BRD nur 5 Aktiengesellschaften mit mehr als 3000 Millionen DM Grundkapital. Bis zum Jahre 1969 war diese Zahl auf 33 angestiegen. Fanden im Jahre 1959 nur 15 Großfusionen kapitalistischer Unternehmen statt, so waren es im Jahre 1970 bereits 505

Ulrich Lohmar spricht von „sozialer Verpflichtung des Eigentums". Tatsächlich hat aber die unsoziale kapitalistische Ausbeutung zu einer Profitexplosion größten Ausmaßes geführt. Setzt man für das Jahr 1950 = 100 Prozent, so entwickelten sich der Reallohn pro Arbeiter und Angestellten in der BRD auf 232, die Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigen auf 330 und die Profite je Kapitalist auf 678 Prozent *). Die Tatsache, daß es in der BRD einige Hunderttausend „Volksaktionäre" gibt, hat die Arbeiter weder freier gemacht — nicht einmal die „Volksaktionäre" — noch konnte damit die Tatsache aus der Welt geschafft werden, daß das kapitalistische Eigentum an den Produktionsmitteln die Quelle von Wirtschaftskrisen, Inflationen und sozialer Unsicherheit darstellt. Als Eigentümer der Produktionsmittel sind die Monopolherren nach wie vor in der Lage, Arbeiter aus dem Produktionsprozeß hinauszurationalisieren, massenhaft auszusperren, wegen politischer Betätigung zu entlassen und bei Betriebsstillegungen ganze Belegschaften auf die Straße zu setzen. Wie der Skandal bei der Einstellung der Westberliner Zeitung „Telegraf" anschaulich beweist, stehen rechte sozialdemokratische Führer bei der Anwendung solcher Praktiken der Monopolbourgeoisie in nichts nach. Dieselben rechten Sozialdemokraten, die von der sozialen Verpflichtung des Eigentums reden, machen die Belegschaft eines ganzen Unternehmens über Nacht arbeitslos.

Ebenso unsinnig ist die Version Lohmars, das kapitalistische Eigentum an den Produktionsmitteln mit Hilfe des „gemeinwirtschaftlichen Sektors" und durch die staatliche „Monopolkontrolle" abbauen zu wollen. Das Staatseigentum an den Produktionsmitteln ist im Kapitalismus eine Art Kollektiveigentum der Monopolbourgeoisie, denn der bürgerliche Staat ist der Staat der Monopole. Beides wurde von der Monopolbourgeoisie nicht geschaffen, um ihre ökonomische Macht einzuschränken, sondern um sie weiter auszudehnen. Die Praxis in der BRD zeigt das anschaulich. Der Staat schränkt nicht die Macht der Monopole ein, sondern fördert durch seine Steuer-, Preis-und Kreditpolitik den Prozeß der Konzentration und Zentralisation der Produktion und des Kapitals. Der staatliche Sektor ist kein Hindernis für die Monopole, sondern die Staatsunternehmen verschaffen den Monopolbetrieben durch Vorzugspreise, Sondertarife und auf verschiedene andere Weise zusätzliche Profite.

So erweist sich die ganze Lohmarsche Eigentumskonzeption als Bluff. In keinem kapitalistischen Land haben es rechtssozialistische Reformkonzeptionen vermocht, den ausbeuterischen Charakter des kapitalistischen Eigentums an Produktionsmitteln zu beseitigen und die ökonomische Macht der Monopole auch nur einzuschränken. Das ist auch nicht das Ziel der Eigentumspolitik rechter sozialdemokratischer Führer. Ihnen geht es ausschließlich darum, das kapitalistische Eigentum an Produktionsmitteln gegen alle Zugriffe seitens der Arbeiterklasse zu schützen. Nur in diesem Rahmen sind sie bereit, dessen schlimmste soziale Auswirkungen zu mildem. In diesem Zusammenhang erhebt sich jedoch die Frage, warum Lohmar mit seinen Formulierungen von der Eigentumskonzeption des Godesberger Programms abweicht. Dort heißt es bekanntlich: „Das private Eigentum an Produktionsmitteln hat Anspruch auf den Schutz der Gesellschaft, wenn es nicht den Aufbau einer gerechten Sozialordnung hindert."

Lohmar dagegen spricht vom „Abbau des kapitalistischen Sektors". Offensichtlich geht es ihm darum, dem wachsenden Unbehagen hinsichtlich der verstärkten Konzentration und Zentralisation der Produktion und des Kapitals entgegenzuwirken und die SPD wieder stärker als angeblich „dritte Kraft zwischen Sozialismus und Kapitalismus" aufzuwerten.

Die Arbeiterklasse in den sozialistischen Ländern hat unter der Führung ihrer marxistisch-leninistischen Parteien und ausgehend von den objektiven Gesetzen der gesellschaftlichen Entwicklung die hauptsächlichen Produktionsmittel, die Banken und Bodenschätze in gesellschaftliches Eigentum, in das Eigentum des ganzen Volkes überführt. Daraus ist durch den Fleiß und die Schöpferkraft des werktätigen Volkes im Verlauf weniger Jahrzehnte die gewaltige ökonomische Basis des Sozialismus entstanden, die gegenwärtig nahezu 40 Prozent der Weltindustrieproduktion hervorbringt.

Es entspricht völlig der Logik der antikommunistischen Grundkonzeption Ulrich Lohmars, daß er diese Tatsachen ignoriert und das Wesen des sozialistischen Eigentums an Produktionsmitteln entstellt. Er führt seine Angriffe gegen die sozialistische Eigentumsordnung ebenso einfältig wie alle anderen Antikommunisten. Um die völlig neue Qualität des sozialistischen Eigentums an Produktionsmitteln zu verschleiern, bezeichnet er es einfach als Staatseigentum und fügt die Bemerkung hinzu, daß auf seiner Basis „die Lage des Arbeiters nicht notwendig besser" werde. Er will den Eindruck hervorrufen, daß die Arbeiterklasse auf dieses Eigentum keinerlei Einfluß habe. Deshalb unterstellt er den Kommunisten, sie würden die „Kontrolle von unten nach oben verneinen. .. aus den gleichen ideologischen Gründen wie die Kontrolle der Herrschaft schlechthin".

Lohmar geht es ganz offensichtlich nicht darum, um mit Marx zu sprechen, „ob dies oder* jenes Theorem wahr sei, sondern ob es dem Kapital nützlich oder schädlich, bequem oder unbequem" ist Deshalb verschweigt er, daß in den sozialistischen Ländern, im Gegensatz zum Kapitalismus, die Arbeiterklasse nicht nur den Staat kontrolliert, sondern im Bündnis mit anderen Klassen und Schichten des werktätigen Volkes selbst die Staatsmacht ausübt und damit auch die Wirtschaft leitet. Wäre er unbefangen an die Beurteilung des Sozialismus herangegangen, dann hätte ihm nicht verborgen bleiben können, daß sich die Lage der Arbeiterklasse unter den Bedingungen des sozialistischen Eigentums an Produktionsmitteln gegenüber der Lage der Arbeiterklasse in den kapitalistischen Ländern grundlegend verändert hat.

Das sozialistische Eigentum an Produktionsmitteln ermöglicht die planmäßige Entwicklung der Wirtschaft. Verbunden mit der politischen Macht der Arbeiterklasse, befreit es die Werktätigen von der kapitalistischen Ausbeutung und der aus dieser folgenden sozialen Unsicherheit überhaupt. Auf seiner Grundlage entwickelt sich eine völlig neue Einstellung zur Arbeit. Die Arbeit verwandelt sich zunehmend aus einer Last zu einem gesellschaftlichen Bedürfnis. An die Stelle des kapitalistischen Wolfsgesetzes, nach dem der Mensch des Menschen Feind ist, entwickeln sich Produktionsverhältnisse der kameradschaftlichen Zusammenarbeit und der gegenseitigen Hilfe. Die in den sozialistischen Betrieben erwirtschafteten Gewinne dienen nicht der Bereicherung einer Minderheit, sondern der allseitigen Verbesserung der materiellen und kulturellen Lage des werktätigen Volkes. Das vom 5. Plenum des ZK der SED verkündete sozialpolitische Programm ist ein überzeugender Beweis dafür.

Gerade diese Tatsachen machen den Sozialismus für die Werktätigen im kapitalistischen Teil der Welt immer anziehender und beflügeln ihren Kampf zum Sturz der kapitalistischen Ausbeuterordnung. Daran vermögen antikommunistische Verleumdungen, gleichgültig, von wem sie produziert und propagiert werden, auf die Dauer nichts zu ändern.

III Für Marxisten—Leninisten ist der Übergang der Staatsmacht aus den Händen der Monopolbourgeoisie in die Hände der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten die Grundbedingung für die revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft, für die Schaffung des Sozialis-mus/Kommunismus. Sie gehen von der geschichtlichen Erfahrung aus, daß die Monopolbourgeoisie ihre politische Macht mit niemandem teilt und die Staatsgewalt stets dazu benutzt, die revolutionären Kräfte niederzuhalten und den gesellschaftlichen Fortschritt zu verhindern.

Die Entwicklung in den imperialistischen Ländern bestätigt die marxistisch-leninistische Erkenntnis, daß der Staat unter den Bedingungen der Herrschaft der Monopole systematisch zum umfassenden Instrument der Unterdrükkung des werktätigen Volkes ausgebaut wird. Die herrschenden Monopolgruppen setzen die Machtorgane des Staates zur Realisierung ihrer Profitinteressen und Expansionspläne ein. Die wachsende Rolle des imperialistischen Staates bei der Beherrschung der Volksmassen durch die Finanzoligarchie ist eine gesetzmäßige Folge der Verschmelzung der Macht der Monopole mit der Macht des Staates zu einem einheitlichen Ausbeutungs-und Unterdrückungsmechanismus. Was hat Ulrich Lohmar seinen Lesern angesichts dessen in der Staatsfrage zu bieten?

Zunächst muß festgestellt werden, daß er im Hinblick auf das kapitalistische System die Verwendung des Begriffs Staat weitgehend vermeidet und statt dessen von „Herrschaftsformen" spricht, die „demokratisch legitimiert und . .. gleichzeitig durch Demokratisierung"

allmählich abgebaut werden müßten, „soweit dies vor allem in überschaubaren Lebensbereichen möglich ist" (These 2). Unter „demokratisch legitimiert" versteht Lohmar, „daß niemand Herrschaftspositionen ohne die Zustimmung anderer einnehmen soll. Nicht von oben, sondern von unten soll die Legitimation erfolgen." Seiner Meinung nach können sich die Menschen „natürlich in einer solchen Beziehung nur mittelbar verwirklichen". „Wo und auf welche Weise dies unmittelbar geschehen könnte", sei „ein entscheidendes Problem sozialdemokratischer Gesellschaftstheorie".

In wessen Händen wird sich nach dieser-„demokratischen Legitimierung der Herrschaftsformen" die Staatsmacht befinden, und was soll für das werktätige Volk dabei herauskommen? Wer soll die gegenwärtigen imperialistischen Herrschaftsformen abbauen? Lohmar gibt auf diese Fragen keine Antwort. Er kann es auch nicht, weil er den Kapitalismus verteidigt und durch seine idealistische Betrachtungsweise jene objektiven Prozesse, die zur Herausbildung des Staates geführt haben und seine Existenz und Rolle im gegenwärtigen staatsmonopolistischen Kapitalismus bedingen, nicht zu erfassen vermag. Weil er im Interesse der Erhaltung des Kapitalismus die Grundfrage der Philosophie, die Frage nach dem Verhältnis von Sein und Bewußtsein, idealistisch beantwortet, tritt in seinen Staatsauffassungen an die Stelle des real existierenden Klassenkampfes das idealistische Wunschbild von der Klassenharmonie, der Klassenversöhnung, dem Ausgleich der unterschiedlichen und antagonistischen Klasseninteressen Der Staat ist für ihn nicht das politische Hauptinstrument zur Klassenauseinandersetzung, sondern lediglich ein „realsoziologisches Faktum der Herrschaft", die nur demokratisch „legitimiert" zu werden brauche.

Woran soll man erkennen, ob die Herrschaft demokratisch legitimiert ist? Lohmar antwortet darauf, daß die Sozialdemokratie „in der Praxis ihrer Politik gesellschaftliche Struktur-maßstäbe entwickelt (habe), die es erlauben, genauer zu bestimmen, auf welche Weise die drei Grundwerte (Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität — A. W.) realisiert werden können und woran dies gemessen werden soll. Es seien dies die „Maßstäbe der gleichen Chance, der Kontrolle, der Transparenz, des Mandats auf Zeit, der Partizipation und der Vielfalt von Motivationen und Meinungen...". Bei ihrer Anwendung werde sichtbar, wie weit eine Gesellschaft demokratisiert ist oder nicht (These 9).

Diese Maßstäbe sind für eine wissenschaftliche Gesellschaftsanalyse untauglich, denn sie klammern die Grundfragen aus, um die es geht, nämlich die Fragen, in wessen Eigentum sich die Produktionsmittel befinden und welche Klasse die politische Macht ausübt. Statt dessen orientieren sie auf eine Reihe abgeleiteter Fragen. Aber selbst wenn man die Gesellschaftsverhältnisse in der BRD mit den Lohmarschen Maßstäben mißt, wird der apologetische Charakter seiner Konzeption sichtbar.

Wie steht es in der kapitalistischen Praxis mit der „Chancengleichheit"? Von ihr kann weder in der BRD noch in einem beliebigen anderen imperialistischen Land die Rede sein. Arbeiterklasse und Bourgeoisie können aufgrund ihrer ungleichen Stellung zu den Produktionsmitteln und zur politischen Macht nicht die gleichen Chancen haben. Die Arbeiter erhalten nach wie vor nur den Wert ihrer Ware Arbeitskraft bezahlt, während sich die Kapitalisten die Mehrarbeit der Lohnarbeiter unbezahlt aneignen. Das bürgerliche Bildungsprivileg hindert die Arbeiterklasse wie eh und je, ihre Fähigkeiten und Talente voll auszubilden. Die Gleichberechtigung der Frauen und Mädchen steht bestenfalls auf dem Papier. In der kapitalistischen Wirklichkeit gehören Rassendiskriminierung und Mißachtung nationaler Minderheiten zur täglich geübten Praxis.

Lohmar spricht von „Kontrolle und Transparenz". Aber wer kontrolliert im Kapitalismus wen? Die Finanzoligarchie verfügt über die entscheidenden Produktionsmittel und bestimmt die Staatspolitik, über ein umfangreiches Netz von Organisationen und Vertrauensleuten steuert und kontrolliert sie alle wichtigen Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, während die Arbeiterklasse und ihre Gewerkschaften von der Teilnahme an der Staatspolitik und deren Kontrolle ausgeschlossen sind. Die im Kapitalismus agierenden Massenmedien, die Rechnungshöfe, die Ämter für Statistik und andere Instrumente imperialistischer Politik haben nicht die Aufgabe, das System „transparent" zu machen, sondern sein reaktionäres Wesen zu verschleiern. Zu diesem Zweck unterhält die Monopolbourgeoisie auch zahlreiche ideologische Zentren und Agenturen, deren Aufgabe darin besteht, das Volk geistig zu manipulieren.

Wie steht es mit dem von Lohmar gerühmten „Mandat auf Zeit"? Es erweist sich bei näherer Betrachtung als eine Einrichtung imperialistischer Politik. In der Hoffnung auf eine Politik des Friedens und der Demokratie wählt das werktätige Volk in den kapitalistischen Ländern in gewissen Abständen eine Anzahl von Abgeordneten. Da es sich jedoch um ein imperialistisches Wahlsystem handelt, gelangen politische Kräfte in die Parlamente, die einer solchen Politik entgegenwirken. In der BRD z. B. ist der Abgeordnete nicht seinen Wählern verantwortlich, sondern „seinem Gewissen". Das Bonner Grundgesetz stellt den Abgeordneten bewußt neben und über das Volk und macht ihn zum Instrument hinter den Kulissen agierender Kräfte des Monopolkapitals. Die Begleitumstände der Ratifizierung der Verträge von Moskau und Warschau durch den Bundestag offenbarten das Wesen des bürgerlichen Parlamentarismus mit aller Deutlichkeit. Da enthielten sich Abgeordnete der Stimme, als es darum ging, Verträge zu ratifizieren, die den Frieden für das Volk sicherer machen. Da wurden Mandate gekauft und verkauft wie jede andere Handelsware, und Abgeordnete konnten, ohne sich verantworten zu müssen, zu den Feinden der Entspannung überlaufen. Unter dem Deckmantel der Sicherung der Demokratie werden verfassungsändernde Gesetze verabschiedet, die das Ziel verfolgen, im Bedarfs-fälle die Reste der bürgerlichen Demokratie zu liquidieren.

Nicht anders verhält es sich mit der von Lohmar bemühten „Partizipation und Vielfalt von Motivationen und Meinungen". Die Tatsachen zeigen, daß die Monopolbourgeoisie den „Pluralismus der Meinungen" nur zuläßt, wenn dadurch die Existenz ihres Systems nicht gefährdet wird. Wie sollte man sonst das Verbot der KPD und anderer demokratischer Organisationen und das unter maßgeblicher Mitwirkung rechter sozialdemokratischer Führer erlassene Verbot verstehen, das den Kommunisten und anderen demokratischen Kräften der BRD den Zugang zu Positionen im öffentlichen Leben verwehrt? Welchen Sinn könnte es sonst haben, wenn bürgerliche Theoretiker die Auffassung verbreiten, daß der „Pluralismus" der Interessen und Meinungen stärker der Anerkennung eines „einheitlichen Wert-kodexes", einer „regulativen Idee" oder eines „Consensus omnimum" untergeordnet werden müsse? Lohmar umgeht die Beantwortung dieser Fragen, weil sie die Phrasenhaftigkeit seiner Thesen offenbaren würde.

Ulrich Lohmar wirft den Kommunisten mangelndes Demokratieverständnis vor. „Eine konkrete Demokratisierung, die sich an den bei der Sozialdemokratie wesentlichen Maßstäben orientiert (siehe oben — A. W.) und auf Selbstverwirklichung von Menschen und Gruppen gerichtet ist," finde sich bei den Kommunisten nur in der Räteidee. Diese sei in der Sowjetunion und in den anderen sozialistischen Ländern, außer Jugoslawien, durch eine „straffe Hierarchie ersetzt worden". Demgegenüber seien „Elemente eines Räte-systems" in der „kapitalistischen’ Bundesrepublik ... in der betrieblichen Mitbestimmung, in den Genossenschaften, an den Hochschulen, in der sozialen Selbstverwaltung vorhanden", die sich aber „in den Rahmen einer parlamentarischen, pluralistischen Demokratie einfügen" würden (These 9). Mit kaum zu überbietender Ironie hält Lohmar hier seine Leser zum Narren. Er stellt die Tatsachen ungeniert auf den Kopf. Die bürgerliche Demokratie, die schon Lenin als „eng, beschränkt, falsch und verlogen, ein Paradies für die Reichen, eine Falle und Betrug für die Ausgebeuteten, die Armen" entlarvte, wird von Lohmar als Grundlage für die „Selbstverwirklichung des Menschen" ausgegeben. Die real existierende sozialistische Demokratie wird dagegen bewußt entstellt.

Zwischen dem Demokratieverständnis Ulrich Lohmars und dem der Marxisten-Leninisten bestehen in der Tat unüberbrückbare Gegensätze. Für den Marxismus-Leninismus ist die Demokratie nicht lediglich ein trügerisches Spiel mit schönklingenden Worten wie für Ulrich Lohmar, sondern Gegenstand ernsthaften politischen Kampfes für die Durchsetzung der Interessen der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten. Sie lassen sich nicht dazu verleiten, den bürgerlichen Parlamentarismus, bei dem hinter demagogischen Wortgefechten und einer pseudodemokratischen Fassade stets die Interessen der Monopolbourgeoisie triumphieren, als Demokratie für das werktätige Volk anzusehen.

Unter der Führung der kommunistischen und Arbeiterparteien wurden in den sozialistischen Ländern alle Schranken niedergerissen, die das werktätige Volk daran hindern, in demokratischer Selbstbestimmung seine eigenen Geschicke zu gestalten. Alle entscheidenden Gesetze sind Gegenstand umfangreicher Volksaussprachen. Durch die aktive und vielgestaltige Mitwirkung an allen wichtigen Staatsangelegenheiten, durch viele kluge Vorschläge und Ideen nehmen die Bürger in den sozialistischen Ländern Einfluß auf das Leben der Gesellschaft. In der kapitalistischen Welt, die Ulrich Lohmar verteidigt, gibt es nichts dergleichen. Dort beklagen bürgerliche Ideologen die um sich greifende „Staatsverdrossenheit“ großer Teile der Bevölkerung, die die sich vertiefende Kluft zwischen dem Staat der Monopole und den Lebensinteressen des werktätigen Volkes widerspiegelt. Es ist wohl auch diese „Staatsverdrossenheit", die Lohmar veranlaßt, zur Manipulierung der Bevölkerung der BRD von der Notwendigkeit der „demokratischen Legitimierung der Herrschaftsformen" zu sprechen.

IV W. I. Lenin hob hervor, daß eine Revolution nur dann etwas wert ist, wenn sie sich zu verteidigen versteht Die von der Arbeiterklasse und ihren Verbündeten geschaffene Armee, so stellte er fest, „ist berufen, die Errungenschaften der Revolution, unsere Volks-macht, die Sowjets der Soldaten-, Arbeiter-und Bauerndeputierten, die ganze neue, wahrhaft demokratische Ordnung gegen alle Feinde des Volkes zu verteidigen, die heute alle Mittel in Bewegung setzen, um die Revolution zugrunde zu richten“

Von dieser Lehre gehen Marxisten-Leninisten stets aus. Sie betrachten die allseitige Stärkung der Verteidigungsbereitschaft als eine unverzichtbare Grundbedingung für die Errichtung des Sozialismus/Kommunismus. Sie berücksichtigen dabei die historische Erfahrung, daß der Imperialismus seine Versuche nicht aufgibt, die sozialistischen Gesellschaftsverhältnisse durch konterrevolutionäre Aktionen zu beseitigen.

An der von den Bolschewik! geschaffenen Militärmacht scheiterten die Versuche der Interventen und Weißgardisten, die junge Sowjet-macht zu vernichten. Die Armeen der sozialistischen Sowjetmacht verhinderten durch die Zerschlagung des Hitlerfaschismus die Verwandlung ganz Europas in ein Militär-zuchthaus. Die militärische Stärke des Sozialismus machte den Triumph der Konterrevolution 1953 in der DDR, 1956 in Ungarn und 1968 in der CSSR unmöglich. Weil es die bewaffnete Macht des Sozialismus gab und gibt, konnte der USA-Imperialismus den Sozialismus in Kuba nicht beseitigen, kann er das Volk Vietnams nicht besiegen.

Die Existenz und Entwicklung der durch den Warschauer Vertrag begründeten sozialistisehen Militärkoalition setzen dem Expansions-und Machtstreben der aggressivsten Kräfte des Imperialismus einen unüberwindlichen Damm entgegen und zwingen die internationale Monopolbourgeoisie, Schritte in Richtung einer Politik der friedlichen Koexistenz von Staaten mit entgegengesetzter Gesellschaftsordnung zu gehen. Die Kraft und Stärke des Sozialismus sichern den Frieden für alle Menschen.

In dieser Situation wirft Lohmar den Kommunisten vor, sie betrachteten das Militär nur als „Mittel der Selbsterhaltung". Das kann nur bedeuten, daß er die Arbeiterklasse in den sozialistischen Ländern dazu verleiten möchte, sich selbst zu entwaffnen, den Sozialismus wehrlos den Anschlägen des Finanzkapitals auszuliefern und der Monopolbourgeoisie größeren Handlungsspielraum zur Verwirklichung ihrer reaktionären Ziele zu verschaffen. Das wird niemals geschehen. In völliger Übereinstimmung mit den anderen kommunistischen und Arbeiterparteien der sozialistischen Staatengemeinschaft wird in den Dokumenten des VIII. Parteitages der SED festgestellt: „Angesichts der zunehmenden Aggressivität des Imperialismus und seiner konterrevolutionären Praktiken ist die Landesverteidigung planmäßig zu vervollkommnen und hat zur Stärkung der Verteidigungskraft der sozialistischen Staatengemeinschaft beizutragen. Die Waffenbrüderschaft mit der Sowjetarmee und den Streitkräften der anderen Staaten des Warschauer Vertrages ist Gebot des sozialistischen Internationalismus und bildet das feste Fundament unserer Sicherheit."

Um den Sozialismus zu diskreditieren, wärmt Lohmar die alte antikommunistische Legende auf, wonach die Kommunisten das Militär als Mittel zur „Durchsetzung ideologischer Ziele", das soll heißen zum gewaltsamen Export der Revolution, betrachten.

Heute weiß jedoch jeder, der sich nur etwas mit dem Marxismus-Leninismus vertraut gemacht hat, daß Revolutionen weder mit militärischen noch mit sonstigen Mitteln exportiert werden können. In der Auseinandersetzung mit dem linken Radikalismus arbeitete bereits Lenin heraus, welche Bedingungen für eine Revolution vorhanden sein müssen. „Das Grundgesetz der Revolution" — so schrieb er —, „das durch alle Revolutionen und insbesondere durch alle drei russischen Revolutionen des 20. Jahrhunderts bestätigt worden ist, besteht in folgendem: Zur Revolution genügt es nicht, daß sich die ausgebeuteten und unterdrückten Massen der Unmöglichkeit, in der alten Weise weiterzuleben, bewußt werden und eine Änderung fordern; zur Revolution ist es notwendig, daß die Ausbeuter nicht mehr in der alten Weise leben und regieren können. Erst dann, wenn die Unterschichten das Alte nicht mehr wollen und die Ober-schichten'in der alten Weise nicht mehr können, erst dann kann die Revolution siegen." Das bedeutet, daß eine Revolution ohne die entsprechenden inneren Bedingungen, ohne das notwendige politische Bewußtsein der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten und ohne eine marxistisch-leninistische Partei, die über Masseneinfluß verfügt und die revolutionären Kräfte führt, nicht siegen kann.

Selbstverständlich weiß auch Lohmar, daß die Kommunisten nicht die Absicht haben, irgend jemand ihre Ideologie mit militärischer Gewalt aufzuzwingen. Gerade weil diese Ideologie durch ihre Menschlichkeit immer mehr die Herzen und Hirne erobert, will Lohmar seinen Lesern einen Popanz aufbauen. Er fürchtet, daß die Ideen des Marxismus-Lenininismus ihren Siegeszug verstärkt fortsetzen und immer mehr Millionen Menschen zum Kampf gegen das unmenschliche System des staatsmonopolistischen Kapitalismus beflügeln. Aus diesem Grunde versucht er der sozialistischen Militärmacht Aggressivität zu unterstellen, während er das Wesen der Armee des Imperialismus in eine bloße Verteidigungsstreitmacht umfälscht, die das „militärische Gleichgewicht" und damit den Frieden erhalten müsse. In dieses Schema paßt freilich keinerlei Kritik an den Verbrechen der US-amerikanischen Militärmaschinerie in Indochina oder am Aggressor Israel hinein.

Nach Ulrich Lohmar ist die „Landesverteidigung" für die Sozialdemokratie ein „notwendiges Übel" (These 8). Hinter dieser These verbirgt sich nicht nur die alte Lüge von der „kommunistischen Gefahr". Sie erweckt in verschleierter Form die Losung von der „Vaterlandsverteidigung" zu neuem Leben, mit deren Hilfe rechte sozialdemokratische Führer die internationale Arbeiterklasse schon im ersten Weltkrieg aufeinanderhetzten. Diese These verschleiert vor allem die Tatsache, daß rechte sozialdemokratische Führer in der BRD zu den Hauptinitiatoren des Wettrüstens und des weiteren Ausbaus der Bonner Armee gehören. Der Rüstungshaushalt der BRD war noch nie so hoch wie unter der sozialdemokratisch geführten Regierung. Der ehemalige sozialdemokratische Bundeswehrminister Schmidt modernisierte die Bonner Armee mit einem Eifer, der den seiner CDU/CSU-Vorgänger noch übertraf. Unter seiner Leitung entstand das bekannte „Weißbuch", nach dem die Bundeswehr noch stärker zum „Ordnungsfaktor der Gesellschaft" ausgebaut werden soll.

V Wie ist nach alldem die von Lohmar offerierte " dritte Möglichkeit" zwischen Sozialismus und Kapitalismus zu beurteilen? Sie ist nichts weiter als ein raffiniertes Manöver zur Täuschung des werktätigen Volkes. Lohmar gehört zu jenen Kräften innerhalb der internationalen Sozialdemokratie, die in Ideologie und Politik auf den Positionen des Monopol-kapitals stehen und sich die Verteidigung des staatsmonopolistischen Kapitalismus zum Ziel gestellt haben. Durch allgemeine Redensarten von der „demokratischen Legitimierung der Herrschaftsformen", der „Kontrolle" und dem „Abbau" des „kapitalistischen Sektors" in der Wirtschaft sowie durch die Orientierung auf eine imaginäre, weil im Kapitalismus unmögliche „Selbstverwirklichung des Menschen", will Lohmar die Arbeiterklasse von der Ver19 wirklichung ihrer historischen Mission abhalten. Zu diesem Zweck erweckt er den Eindruck, als seien Freiheit, Demokratie und soziale Gerechtigkeit möglich, ohne die kapitalistischen Eigentums-und Machtverhältnisse zu beseitigen.

Ulrich Lohmar sieht keinen Grund dafür, „daß Sozialdemokraten ihren Wunsch unterdrükken müßten, die Welt weder kapitalistisch noch kommunistisch, sondern eben sozialdemokratisch zu sehen". Seine Thesen beweisen jedoch, daß er die Welt nur kapitalistisch zu begreifen vermag. Seine „dritte Möglichkeit"

ist in Wahrheit gewöhnlicher Monopolkapitalismus, dessen schlimmste soziale Auswirkungen durch einige systemerhaltende Reformen gemildert werden sollen. Während Lohmar auf jede Kritik am Kapitalismus verzichtet, konzentriert er seine Angriffe gegen den Sozialismus. Im Unterschied zu anderen Antikommunisten bedient er sich dabei einer „seriöseren" Ausdrucksweise. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß jede seiner Thesen mit dem Ziel formuliert wurde, Theorie und Praxis des Marxismus-Leninismus in den Augen des werktätigen Volkes zu diskreditieren. Lohmar steht also keineswegs zwischen den Fronten. Er steht auf der Seite des historisch überlebten kapitalistischen Gesellschaftssystems. Daher kann seine Ideologie nichts anderes als bürgerliche Ideologie sein. Allen denjenigen, die wie Lohmar die Arbeiterklasse mit dem Gerede vom „dritten Weg" oder von einer „dritten Ideologie" irrezuführen versuchten, hielt Lenin bereits in seiner Arbeit „Was tun?" entgegen: „... die Frage kann nur so stehen: bürgerliche oder sozialistische Ideologie. Ein Mittelding gibt es hier nicht (denn eine . dritte'Ideologie hat die Menschheit nicht geschaffen, wie es überhaupt in einer Gesellschaft, die von Klassen-gegensätzen zerfleischt wird, niemals eine außerhalb der Klassen oder über den Klassen stehende Ideologie geben kann)" Zwischen den Auffassungen Lohmars und dem Marxismus-Leninismus kann es daher keinerlei ideologische Koexistenz geben. Es ist vielmehr notwendig, die theoretischen Äußerungen Lohmars als Bestandteil der fortschrittsfeindlichen bürgerlichen Ideologie zu entlarven und mit den überlegenen geistigen Waffen der marxistisch-leninistischen Theorie zu schlagen. Ulrich Lohmar stellt fest, daß die gemeinsamen Interessen von Sozialdemokraten und Kommunisten „in der Sicherung des Friedens, in der Abrüstung, der gemeinsamen Hilfe für die Dritte Welt und in der wirtschaftli-chen Zusammenarbeit liegen" sollten. Wenn die maßgeblichen sozialdemokratischen Führer der BRD daraus entsprechende Schlußfolgerungen für die Zusammenarbeit mit den Kommunisten ziehen würden, könnte das die Front der Kräfte, die für Frieden und Abrüstung kämpfen, bedeutend stärken. Wir vergessen dabei jedoch nicht, daß die kommunistischen und Arbeiterparteien, darunter auch die Kommunisten der BRD, in den vergangenen 25 Jahren zahlreiche Vorschläge zur Aktionsgemeinschaft im Kampf gegen Imperialismus und Kriegsgefahr unterbreitet haben, die von rechten Sozialdemokraten abgelehnt bzw. ignoriert wurden. Die Ernsthaftigkeit der Erklärung Lohmars in dieser Frage kann daher nur anhand der konkreten Politik sozialdemokratischer Führer geprüft werden.

Der Verlauf der Weltgeschichte richtet sich nicht nach den Wunschvorstellungen rechter sozialdemokratischer Führer, sondern vollzieht sich nach objektiven gesellschaftlichen Gesetzen. Ob es Ulrich Lohmar wahrhaben will oder nicht, der Inhalt unserer Epoche besteht im revolutionären Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus im Weltmaßstab. Die Geschichte hat ihr Urteil über das parasitäre, verfaulende und sterbende kapitalistische System längst gesprochen. Der Sozialismus/Kommunismus ist die einzig mögliche Perspektive der menschlichen Gesellschaft. Durch die kraftvolle Entwicklung des Sozialismus und seine wachsende Ausstrahlungskraft wurde der Imperialismus in die Defensive gedrängt. Die historischen Beschlüsse des XXIV. Parteitages der KPdSU, des VIII. Parteitages der SED und der Parteitage der anderen kommunistischen und Arbeiterparteien der sozialistischen Staatengemeinschaft beschleunigten die Entwicklung des sozialistischen Systems. Sie werden dazu führen, daß die Überlegenheit des Sozialismus gegenüber dem Kapitalismus noch deutlicher sichtbar wird.

Ulrich Lohmar kann daran nichts ändern. Seine Thesen werden das gleiche Schicksal erleiden wie die ideologischen Entstellungsversuche anderer Antikommunismus. Die Geschichte wird sie hinwegspülen, weil sie gewogen und zu leicht befunden wurden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Die Zeit vom 21. 4. 1972, S. 56. Alle folgenden Zitate entstammen dieser Quelle und werden daher nicht noch einmal ausgewiesen.

  2. Internationale Beratung der kommunistischen und Arbeiterparteien, Moskau 1969, Berlin 1969, S. 193.

  3. Vgl. A. Norden, Gesellschaftspolitische Auffassungen im Widerspruch zu Arbeiterinteressen, Einheit, 1972, S. 727 ff.

  4. Vgl. G. Kalex/H. Klug, Das . strategische Ziel-bündel'des Herrn Lohmar, Einheit, 1972, S. 907 ff. [In dieser Beilage abgedruckt auf S. 21 ff., d. Red.)

  5. Vgl. J. Dötsch, „Zum Inkrafttreten eines neuen Betriebsverfassungsgesetzes in der BRD, Staat und Recht, 1972, S. 756 ff.

  6. Vgl. Der Imperialismus der BRD, Berlin 1971, S. 132 ff.

  7. Protokoll der Verhandlungen des Außerordentlichen Parteitages der SPD vom 13. — 15. 11. 1959 in Bad Godesberg, S. 530.

  8. K. Marx, Das Kapital. Erster Band, in: K. Marx/F. Engels, Werke, Bd. 23, Berlin 1962, S. 21.

  9. Vgl. Thesen „Zur Kritik der Staats-und Rechts-auffassungen des Sozialdemokratismus in der BRD", Staat und Recht, 1971, S. 1090, 1547, ausgearbeitet von einem Autorenkollektiv unter Leitung von Arno Winkler.

  10. W. I. Lenin, Werke, Bd. 28, Berlin 1959, S. 241.

  11. Vgl. a. a. O„ S. 115.

  12. W. I. Lenin, Werke, Bd. 26, Berlin 1961, S. 420.

  13. Bericht des Zentralkomitees an den VIII. Parteitag der SED, Berichterstatter: Genosse Erich Honecker, Berlin 1971, S. 68.

  14. W. I. Lenin, Werke, Bd. 31, Berlin 1959, S. 71.

  15. W. I. Lenin, Werke, Bd. 5, Berlin 1955, S. 395 f.

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