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Strukturprobleme der politischen Bildung | APuZ 5/1973 | bpb.de

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APuZ 5/1973 Strukturprobleme der politischen Bildung

Strukturprobleme der politischen Bildung

Wolfgang Behr

/ 104 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Stärken und Schwächen der politischen Bildung in der Gegenwart werden von den Bedingungen und Erfordernissen des politisch-ökonomischen Strukturrahmens von Systemen her gesehen. Die Analyse des politisch-ökonomischen Rahmens (insbesondere der BRD) ist Voraussetzung der Bewertung dessen, was sich in praxi innerhalb seines Bezugssystems abspielt. Dies mündet ein in die von daher zu verstehende zentrale Fragestellung nach Zustand, Leistungsvermögen und Leistungsschwächen, mithin einerseits zu konsolidierende und andererseits der Veränderung bedürftige Elemente der politischen Bildung. Anhand der als fundamental erkannten Problemdimensionen der Politikwissenschaft als entscheidend wichtiger fachspezifischer Bezugswissenschaft der politischen Bildung wird eine Strukturierung politisch relevanter Inhalte vorgenommen, wobei gleichzeitig der kontroverse gegenwärtige Diskussionsstand im Bereich von Systemtheorie und dialektisch-kritischer Theorie expliziert wird. Die Diskussion der politikwissenschaftlichen Problemdimensionen dient als Voraussetzung für die Erarbeitung eines eigenen dialektischen Kategoriensystems im Bezugsrahmen von System-Paradigmata für die politische Bildung. In diesem Zusammenhang werden inhaltliche und formale Strukturierungsvorschläge für die politische Bildung von Rolf Schmiederer und Wolfgang Hilligen analysiert und mit den eigenen Ausgangspositionen konfrontiert. Der fachwissenschaftlichen Komponente (Politikwissenschaft) der politischen Bildung und deren problemorientierter inhaltlicher Strukturierung und Transformierung folgt die erziehungswissenschaftlich-didaktische. Hierbei wird entsprechend der Gesamtthematik von der Struktur politischen Unterrichts ausgegangen und in einer Übersicht versucht, lerntheoretische Aspekte herauszuarbeiten. Dem Zusammenhang von Unterrichtsstrukturierung im Sinne gruppendynamischer mikrosoziologischer Forschung und in Verbindung damit sinnvoll praktikabler lerntheoretischer Ansätze gilt die besondere Aufmerksamkeit.

Der vorliegende Aufsatz geht von der Prämisse aus, daß eine Bestimmung der politischen Bildung, ihrer Aufgaben und Probleme vor dem Hintergrund jenes gesellschaftlichen Systems zu geschehen hat, in dem und für das sie ihre Funktion hat. Stärken und Schwächen der politischen Bildung in der Gegenwart müssen somit von den Bedingungen und Erfordernissen eines politischen Gesamtrahmens her gesehen werden. Diesen Gesamtrahmen mit seiner strukturbestimmenden Wirkung gilt es im 1. Kapitel analytisch herauszuarbeiten, wobei auch determinierende Faktoren des Politischen — soweit im Rahmen des Themas erforderlich — zu untersuchen sind. Die Analyse des politischen Rahmens ist Voraussetzung der Bewertung dessen, was sich in praxi innerhalb seines Bezugssystems abspielt. Hieraus ergeben sich wesentliche Kriterien, anhand deren Aussagen über systemimmanente Zielsetzungen, Selbstverständnis und Realisierungsgrade sowie -chancen gemacht werden können. Dies mündet ein in die von daher zu verstehende zentrale Fragestellung nach Zustand, Leistungsvermögen und Leistungsschwächen, mithin einerseits zu konsolidierende und andererseits der Veränderung bedürftige Elemente der politischen Bildung.

Im 2. Kapitel wird anhand der als fundamental erkannten Problemdimensionen der Politikwissenschaft als entscheidend wichtiger fachspezifischer Bezugswissenschaft der politischen Bildung eine Strukturierung politisch relevanter Inhalte vorgenommen, wobei gleichzeitig der kontroverse gegenwärtige Diskussionsstand expliziert wird. Eine relativ abstrakte Darstellungsweise ist hierbei aus zweierlei Gründen unumgänglich: 1. Es wird versucht, unterschiedliche politik-wissenschaftlich relevante Positionen der Gegenwart terminologisch möglichst unverzerrt wiederzugeben und somit von der je eigenen Begrifflichkeit her zu erklären. Eine „Übersetzung" der Begriffe hätte notwendigerweise Entstellungen bzw. langwierige Erläuterungen zur Folge. Die Wiedergabe der jeweiligen politikwissenschaftlichen Ansätze

Vorbemerkungen

Inhalt Vorbemerkungen I. Der politisch-ökonomische Strukturrahmen politischer Bildung 1. Der Staat als zentrale gesamtgesellschaftlich verpflichtende Institution 2. Die Bundesrepublik als Sozialstaat 3. Der Zwang zu funktionaler Koordination 4. Zur Interessenidentität politisch-ökonomischer Herrschaft 5. Zur politisch-ökonomischen Funktionalität von Erziehung und Ausbildung II. Politikwissenschaftliche Problemdimensionen 1. Zur theoretischen und methodischen Komplexität in der Politikwissenschaft 2. Elemente systemtheoretischer Konzeptionen 3. Elemente dialektisch-kritischer Konzeptionen 4. Probleme der Systemtheorie 5. Probleme der dialektisch-kritischen Theorie 6. Politikwissenschaftlidle Problemdimensionen in Systemtheorie und dialektisch-kritischer Theorie III. Die Transformation politikwissenschaftlicher Problemdimensionen in dialektische Kategorien der politischen Bildung 1. Neuere Konzepte zu Theorie und Didaktik politischer Bildung (R. Schmiederer, Billigen)

2. Zur Strukturierung von Zielen und Inhalten der politischen Bildung 3. Strukturmuster politischer Bildungsinhalte und sozio-politisches Verhalten 4. Der Begriff des Systems als Paradigma 5. Begriff und Leistungsanspruch der Kategorien 6. Kategorie: Gesellschaft und Wirtschaft 7. Kategorie: Politische Herrschaft 8. Kategorie: Ideologie 9. Die Zuordnung des dialektischen Kategoriensystems IV. Unterrichtsstruktur und lerntheoretische Ansätze in der politischen Bildung 1. Lernen und Verhalten als gesellschaftliche Prozesse 2. Zur Funktion der dialektischen Kategorien im Lern-und Verhaltensprozeß 3. Lerntheoretische Aufgabenstellungen der dialektischen Kategorien 4. Lerntheoretische Ansätze Schlußbemerkungen

mit ihren eigenen Begriffen schließt selbstverständlich das Bemühen um Klarheit und Transparenz nicht aus. 2. Es muß bedauerlicherweise festgestellt werden, daß die politikwissenschaftlichen (bzw. im weiteren Sinne sozialwissenschaftlichen) Ansätze, auf die im 2. Kapitel primär eingegangen wird, selbst wenig an einer Konkretisierung ihrer theoretischen Positionen interessiert sind. Dieses Bild kann jedenfalls durch gelegentliche konkrete Hinweise oder Beispiele, die entweder aus dem Zusammenhang gerissen sind oder selbst wieder sehr allgemein gehalten sind, nicht korrigiert werden. Eine Ausnahme bilden lediglich moderne systemanalytische Ansätze, die sich als theoretische Instrumente für Planung und Steuerung der politischen Praxis verstehen und — bei allen feststellbaren Mängeln — entschlossene Schritte über endlose erkenntnistheoretische Diskussion hinaus wagen, um mit dem Praxisbezug Ernst zu machen.

Die Erörterung der politikwissenschaftlichen Problemdimensionen wird im 3. Kapitel zu einem eigenen dialektischen Kategorienansatz im Bezugsrahmen eines Paradigmas verdichtet. In diesem Zusammenhang werden inhaltliche und formale Strukturierungsvorschläge für die politische Bildung von Rolf Schmiederer und Wolfgang Hilligen analysiert und mit den eigenen Ausgangspositionen konfrontiert.

Der fachwissenschaftlichen Komponente der politischen Bildung und deren problemorientierter inhaltlicher Strukturierung und Transformierung folgt im 4. und letzten Kapitel die erziehungswissenschaftlich-didaktische. Hierbei wird entsprechend der Gesamtthematik von der Struktur politischen Unterrichts ausgegangen und in einer Übersicht versucht, lerntheoretische Aspekte herauszuarbeiten. Dem Zusammenhang von Unterrichtsstrukturierung im Sinne gruppendynamischer mikrosoziologischer Forschung und in Verbindung damit sinnvoll praktikabler lerntheoretischer Ansätze gilt die besondere Aufmerksamkeit. Der gesamte Aufsatz versteht sich somit als Diskussionsbeitrag zu Strukturproblemen der politischen Bildung auf vierfache Weise: Er will die zusammenhängende strukturelle Determination der politischen Bildung erhellen, Probleme und Spielräume für Verbesserungen und Veränderungen aufzeigen (Kap. I). Er will durch das Aufzeigen von Problem-dimensionen in der Politikwissenschaft einen Vorentwurf für die fachspezifisch-inhaltliche Strukturierung der politischen Bildung liefern (Kap. II).

I. Der politisch-ökonomische Strukturrahmen politischer Bildung

Paradigmatischer Bezugsrahmen:

Probleme der politischen Bildung können nicht losgelöst von dem gesellschaftlichen Hintergrund gesehen und verstanden werden, vor dem sich politische Bildung als Kristallisationspunkt verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen als Studienrichtung, Unterrichtsfach, partikular-politisches Manipulationsinstrument und allgemeines demokratisches Prinzip vollzieht. Wir gehen von der noch zu belegenden These aus, daß Probleme der politischen Bildung weder ausschließlich Wissenschafts-hoch fachimmanent, vielmehr zu einem erheblichen Teil gesellschaftlich, politisch und wirtschaftlich bedingt sind. Es erscheint von daher müßig — obwohl immer wieder derartige Versuche unternommen werden —, erkannte Mängel der politischen Bildung ausschließlich an dieser selbst kurieren zu wollen, ohne ihre Integration in gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge in dem notwendigen Maße zu berücksichtigen. Strukturprobleme der politischen Bildung sollen hier deswegen zunächst in den Zusammenhang der strukturierenden Bedingungen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft gestellt werden, um von daher jenen Gesamtrahmen zu gewinnen, in den die Probleme politischer Bildung einzuordnen sind. In Verbindung damit ist dann die weiterführende Frage zu stellen, inwieweit dieser allgemeine Strukturrahmen bestimmte gesellschaftliche Probleme bedingt, die sich u. a. in der politischen Bildung als spezifische Strukturprobleme niederschlagen. Zunächst ist allerdings zu fragen, wie der politische, ökonomische und gesellschaftliche Strukturrahmen aussieht, innerhalb dessen sich Bildung und Erziehung vollziehen. Als kon3. Er will durch die Konfrontation dieser Ausgangspositionen mit den inhaltlichen und formalen Strukturierungskonzeptionen von Rolf Schmiederer und Wolfgang Hilligen deren Leistungsvermögen und -schwächen aufzeigen und versuchen, durch einen dialektischen Kategorienansatz in einem paradigmatischen Rahmen eigene Vorstellungen zur Strukturierung des politischen Unterrichts zu entwickeln (Kap. III).

4. Er will durch das Aufzeigen von Unterrichtsstruktur und lerntheoretischen Ansätzen einen Vorentwurf für die erziehungswissenschaftlich-didaktische Strukturierung der politischen Bildung liefern (Kap. IV). kretes Beispiel wird im folgenden die BRD gewählt, um Pauschalierungen für westliche entwickelte Systeme (andere Systeme können wegen ihrer erheblichen Unterschiede im Rahmen dieser Arbeit nicht behandelt werden) zu vermeiden. Es sei jedoch hinzugefügt, daß sich hierbei zwischen westlichen entwikkelten Systemen eine Reihe von Parallelen und Berührungspunkten ergibt. Vor dem Versuch der Beantwortung obiger Fragestellung ist darauf hinzuweisen, daß dieser Beitrag zur politischen Bildung seine Aufgabe nicht darin sehen kann, sich in größerem Umfang mit Theorien und Analysen auseinanderzusetzen, die Strukturen und Normen der Gesellschaft der BRD als die einer Klassen-, Schichten-oder nivellierten Mittelstandsgesellschaft 1) belegen oder widerlegen, mithin ausführen, inwieweit erkenntnisleitende Interessen, Liberalität und Illiberalität oder Sachgesetzlichkeiten der wissenschaftlich-technischen Zivilisation 2) den Bildungsprozeß maßgeblich beeinflussen. Auf entsprechende Theorieansätze und Analyseergebnisse wird zwar im Laufe der Arbeit wiederholt einzugehen und zu verweisen sein, die Auseinandersetzung mit, entsprechenden kontroversen Beiträgen zum System BRD und die Darstellung eines eigenen an der Wirklichkeit der BRD empirisch und kritisch entwickelten Modells würde jedoch verständlicherweise einen wesentlich weiteren Rahmen der Darlegung voraussetzen. Es wird deswegen im folgenden der Versuch unternommen, aufgrund einer gezielten, jedoch keineswegs einseitig selektierenden Sekundäranalyse Umrisse des Gesellschaftssystems der BRD abzustecken und an bestimmten Parametern zu messen, um damit nachzuweisen, in welchen Bereichen maßgebliche Verbindungen von politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Interessen sowie Bildungsanforderungen festzustellen sind. Dies soll im folgenden in der Weise geschehen, daß durch das analytische Vorgehen jene politikwissenschaftlichen und soziologischen Kategorien erhellt werden, die als Instrumente zur Strukturierung politischer Bildungsinhalte weiter unten ausführlich erörtert werden.

1. Der Staat als zentrale gesamtgesellschaftlich verpflichtende Institution

Gehen wir von der gesellschaftlichen Nivellierungs-und Sachgesetzlichkeitsthese Schelskys in bezug auf die BRD aus, so ist zu fragen, in welchem Bereich er die maßgebliche Verbindung von politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Erfordernissen und bildungspolitischen Notwendigkeiten ansetzt. Impliziert ist die Antwort auf diese Frage, wenn Schelsky den Staat „als einen technischen Körper" begreift, „der funktionieren muß, und zwar mit höchster Leistungsfähigkeit, mit einem Optimum an Ertrag gemessen an dem, was an Kräften darin steckt" Diese Bestimmung scheint allein auf Effizienz ausgerichtet insofern, als sie den Staat als objektive gesamtgesellschaftliche Verteilerapparatur versteht. Schelsky unterläßt es aber (bzw. für ihn ist es von seinem soziologischen Vor-verständnis her erwiesen und bedarf keiner weiteren Explikation), die in seiner Bestimmung des Staates benutzten Begriffe und Phrasen, wie „funktionieren muß", „mit höchster Leistungsfähigkeit", „Optimum an Ertrag" und „was an Kräften in ihm steckt“ zu erläutern. In bezug auf unsere letzte Fragestellung nach dem Bereich, in dem Schelsky die maßgebliche Verbindung von politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Erfordernissen und bildungspolitischen Notwendigkeiten ansetzt, läßt sich die Antwort geben: im Bereich des Staates; die Bestimmung dessen allerdings, was der Staat in dieser Funktion leisten soll, läßt sich mit den obigen Begriffen und Leerformeln nicht hinreichend verdeutlichen. Schelskys Aussage ist soziologisch wie politikwissenschaftlich unbefriedigend, da Kategorien wie „nivellierte Mittelstandsgesellschaft“ und „Sachgesetzlichkeit" offensichtlich nicht ausreichen, um komplexe gesellschaftlich-politische Sachverhalte zu beschreiben. Immerhin vermag Schelskys Anspruch an den Staat das Interesse auf diese gesamtgesellschaftlich verpflichtende Institution zu richten, verbunden mit der Frage, ob dies denn nun wirklich der zentrale Ort der Umsetzung politischer, ökonomischer und gesellschaftlicher Erfordernisse in bildungspolitische Aufgabenstellungen und Steuerungsmechanismen sei und aufgrund welchen Auftrags und mit welchen Zielen und Mitteln der Staat diese Aufgabe zu bewältigen unternimmt. Hiermit soll der Versuch unternommen werden, bestehende Funktionen des Staates am Beispiel der BRD zu beschreiben und von dieser Bestandsaufnahme aus für kritische Fragen zu öffnen. Das Spannungsfeld von Bestehendem und anzustrebendem Möglichen soll damit aufgezeigt werden.

2. Die Bundesrepublik als Sozialstaat

Als Kennzeichnung des Staates der BRD kann der Begriff des Sozialstaates verwendet werden, der von der Mehrzahl politischer und politikwissenschaftlicher Autoren als eines der wesentlichen Charakteristika benutzt wird 3a). Die Definition dieses Begriffes weist allerdings eine beträchtliche Spannweite auf: Prinzipiell kann der Sozialstaat vom bürgerlich-liberalen Staat mit seiner klassisch-kapitalistischen Wirtschaftsordnung abgegrenzt werden. Wiesen für den Staat bürgerlich-liberaler Prägung das Prädikat „Nachtwächterstaat" und das Prinzip des „laissez-faire“ für das unternehmerisch aktive Großbürgertum auf die sich gegenseitig tolerierenden Sphären des rechtspolitisch fixierten staatlichen Rahmens und der wirtschafts-und gesellschaftspolitischen Gestaltung der in der Gesellschaft dominierenden Bourgeoisie hin, so erzwang die fortschreitende Industrialisierung mit dem ständig wachsenden Potential der Arbeiterschaft neue Formen von Beziehungen zwischen Staat und Gesellschaft und innerhalb der Gesellschaft. Die Entstehung und der ständig wachsende Einfluß von Arbeiterparteien und Gewerkschaften bewirkten Änderungen des Wahlrechts und die parlamentarische Behandlung und Verabschiedung von Betriebsverfassungsgesetzen. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Probleme wurden zu staatlichen Aufgabenstellungen im Sinne des Sozialstaats.

Für den Sozialstaat Bundesrepublik sind der praktische Ausbau des Sozialversicherungswesens und die theoretische Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft konstitutive Elemente, ohne daß dadurch allerdings privat-und obligopolkapitalistische Verfügungs-und Entscheidungsstrukturen in dem für die gesamte Gesellschaft bestimmenden ökonomischen Bereich abgebaut worden wären. Sozialstaatliche Maßnahmen vermögen soziale Härten zu mildern, garantieren allerdings nicht jene Verbindung von Freiheit und Gleichheit, die als Forderungen nach Mitbestimmung und Chancengleichheit von selten der sozial Unterprivilegierten und ihren Interessenvertretungen unter Hinweis auf grundlegende Prinzipien der Demokratie erhoben werden.

Soziale Unterprivilegierung und daraus resultierende Forderungen nach Mitbestimmung und Chancengleichheit weisen darauf hin, daß es im Sozialstaat Bundesrepublik soziale Privilegierung, autoritäre Herrschaft und Ungleichheit der Chancen gibt. Dies läßt darauf schließen, daß es soziale Gruppen, Schichten und Klassen gibt, die an den Eigenschaften des Sozialstaats unterschiedlich partizipieren, da sich der Sozialstaat die Aufgabe gestellt hat, soziale Ungleichheiten mit deren negativen Konsequenzen für Staat und Gesellschaft zwar zu mildern, nicht jedoch aufzuheben. Zu fragen ist allerdings, nach welchen Transformationsregeln der Sozialstaat gesellschaftliche Anforderungen aufnimmt, verarbeitet und in eine entsprechende politische Programmatik und Politik umsetzt. Sind es privilegierte Gruppen, die überwiegend partikulare Interessen auf Kosten der Gesamtgesellschaft durchsetzen und nur dann zu Kompromissen bereit sind, wenn gesamtgesellschaftlicher Schaden sich ungünstig auf ihre eigenen sozialen Einfluß-und Herrschaftspositionen auswirken würde?

An dieser Stelle könnte das Für und Wider in den zahllosen Kontroversen zwischen Konflikt-und Integrationstheoretikern erneut aufgenommen werden ohne daß für oder gegen die eine oder andere Position neue Argumente beigebracht würden. Wichtiger erscheint die Feststellung, daß die komplexen Systeme der Gegenwart trotz vielfältiger manifester und latenter Konflikte so viel Integrationspotential erbringen, daß damit ein labiles Gleichgewicht garantiert erscheint. Wie lassen sich allerdings die Dimensionen des Integrationspotentials von Systemen erfassen und messen, ohne daß damit Soziologie oder Politikwissenschaft sich kritischer Ansätze entledigten und zu affirmativer Herrschaftswissenschaft degenerierten?

3. Der Zwang zu funktionaler Koordination

Wolf-Dieter Narr weist darauf hin, daß für alle produktiven, distributiven und koordinierenden Instanzen der Gesellschaft die Forderung besteht, im Hinblick auf die Lebensbedingungen aller funktional zu sein Reziprok besteht die Funktion von (integrierender)

Herrschaft in:

I a) der Koordination zur Erhöhung der Produktion sowohl der Güter als auch des Wissens; b) der Koordination zum Zwecke der Verteilung; c) der Koordination zur Abwendung von Gefahren und Krisen.

Die unterschiedliche Knappheit vorhandener Mittel, verschiedene institutionell-soziale Strukturen und technologische Kapazitäten führen zu qualitativ und quantitativ unterschiedlichen Herrschafts-und Koordinationsfunktionen. Nach Narr stellen die verschiedenen Koordinationsfunktionen vielleicht die wichtigste Quelle gesellschaftlicher Machtbildung dar; von ihnen gehen Muster und Prozeß gesellschaftlicher Normierung und Sanktionierung aus

Entsprechend hoch ist bei Beantwortung der Frage nach den Dimensionen des Integrationspotentials von Systemen das Teilsystem der Wirtschaft mit der damit verbundenen Produktions-und Einkommensstruktur zu veranschlagen Daraus folgt, daß sowohl konstitutionelle politische Herrschaft auf ihre ökonomische Funktion wie Ökonomie auf ihre politische Funktion hin untersucht werden müssen Politisch-historische Prozesse sind ohne bedeutsame ökonomische Implikationen ebensowenig denkbar wie umgekehrt ökonomische Prozesse ohne politische und/oder gesellschaftliche Eingriffe und Veränderungen. Der marxistischen Tradition bis hin zum Neomarxismus ist an dieser Stelle die Überbetonung ökonomischer Faktoren gegenüber Flexibilität, Taktik, Strategie und „Unabhängigkeit vom Unterbau" politisch-konstitutioneller Herrschaft vorzuwerfen. In gleicher Weise ist aber auch die politikwissenschaftlich-soziologische Reinheit von Theorien zu kritisieren, die glaubten und glauben, wirtschaftliche Fragen einfach dem Kalkül politischer Herrschaftstechnik oder gesamtgesellschaftlichen Wandlungsprozessen unterordnen zu können.

4. Zur Interessenidentität politisch-ökonomischer Herrschaft

Die Identität von Interessen politischer und wirtschaftlicher Herrschaft ergibt sich aus dem Postulat der Sicherung innenpolitischer Stabilität und des außenpolitischen Handlungsspielraums bei Aufrechterhaltung bestehender Bindungen (Bündnisse, Verträge). Aus den oben angeführten Koordinationsfunktionen konstitutionell-politischer Herrschaft — die gleichzeitig im ökonomischen Interesse Koordinationsfunktionen darstellen — folgt die notwendige Zuarbeitung für die Wirtschaft durch die Politik, da ohne zumindest relative wirtschaftliche Stabilität keine politische Stabilität gesichert werden kann.

In bezug auf das sog. „wirtschaftspolitische magische Viereck" (ausgeglichene Zahlungsbilanz, Vollbeschäftigung, wirtschaftliches Wachstum, Geldwertstabilität) läßt sich erläutern, was unter je gegebenen politischen Bedingungen eines Landes (Tradition, Ideologie, Regierungssystem, Wirtschafts-und Ge-sellschaftsordnung) relative wirtschaftliche Stabilität und damit politische Stabilität garantieren kann: Vollbeschäftigung bei Hinnahme von Geldentwertung; Bremsen des wirtschaftlichen Wachstums zur Bekämpfung von Geldentwertung bei gleichzeitiger Inkaufnahme von Arbeitslosigkeit u. a. Bei den Versuchen, ihre wirtschaftspolitischen Probleme in den letzten Jahren zu regeln, gingen etwa die BRD den ersten, die USA den zweiten Weg. In beiden Fällen war es allerdings staatliche Politik, die — selbstverständlich nicht ohne starken Druck und Einfluß wirtschaftlicher Interessen — die als adäquat erscheinenden Maßnahmen traf, um damit nationale politische Ziele (und sei es nur im Sinne der Aufrechterhaltung des Status quo) zu realisieren.

Die eingangs gestellte Frage kann damit zu einem weiteren Teil beantwortet werden: Der Staat versteht sich als zentrale Instanz zur Sicherung gesamtgesellschaftlicher Stabilität. Dieser Auftrag kann durchaus als mehrheitlich von der Gesamtgesellschaft erteilt gelten (vgl. Meinungsbefragungen). Die angestrebte Stabilität ist allerdings solange gesamtgesellschaftlich problematisch, als sie nicht ihren Niederschlag in einer aktiven Beteiligung der Gesellschaft findet, sondern von dieser überwiegend passiv in Planung, Steuerung und Manipulation nur weniger institutioneller Herrschaftsträger in den Spitzen von Staat und Wirtschaft hingenommen wird.

Gesamtgesellschaftliche Zielfestlegungen werden von einem vergleichsweise kleinen Kreis von Politikern, Interessenvertretern und „überparteilichen" Experten vorgenommen (Beispiele: Bildungsreform, Städtesanierung), ohne daß der davon betroffenen Gesellschaft die Notwendigkeit derartiger Zielfestlegungen verdeutlicht und erklärt wird. Gesellschaftliche Lernprozesse in fundamental wichtigen sozialen Angelegenheiten finden somit in überwiegend nur verkrüppelter Form statt. Die Gesellschaft reagiert mehrheitlich negativ oder politisch labil auf Steuererhöhungen oder Beschäftigungsrückgang, also unterbleiben diese, um Wähler nicht zu vergrämen und die relative Stabilität des Status quo nicht zu gefährden Die Wirtschaft ist ohnehin nicht an einer Erhöhung der Körperschaftssteuer und stärkerer Konzentrationskontrolle interessiert, da dies Gefahren für den Wettbewerb und das Gewinnstreben bedeutet. Die für die Wirtschaft notwendigen größeren Aufgaben werden aus der Identität der Interessen heraus durch staatliche Hilfe zumindest vordergründig gelöst (Beispiele: Ruhrkohle AG, Subventionen für die Landwirtschaft).

Ziele und Maßnahmen des Staates in bezug auf ökonomische Prozesse betreffen allerdings nicht nur gelegentliche Interventionen im Falle von Krisen oder Disparitäten Die gesamtgesellschaftliche Stabilität unter den Bedingungen des Status quo verlangt dessen dauernde Reproduktion. Daraus resultiert die staatliche Bereitstellung einer Vielzahl von Institutionen und Instrumenten, die primär der Wirtschaft zugute kommen und erst als sekundäre Konsequenz gesamtgesellschaftliche Auswirkungen haben. Diese primär wirtschaftlichen, sekundär gesamtgesellschaftlichen Institutionen und Instrumente sind: a) finanzielle Begünstigung von industrieller Forschung und Entwicklung

b) Erziehung und Ausbildung, die immer stärker fach-und berufsbezogen sein soll;

c) Ausbau und Instandhaltung von Verkehrs-wegen für wirtschaftliche Transporte und zur Steigerung des privaten Kraftfahrzeug-verkehrs; d) Erschließung von Gewerbegebieten;

e) wirtschaftliche Subventionen;

f) soziale Sicherungsmaßnahmen, die sozialen Konflikten in der Wirtschaft vorbeugen;

g) Maßnahmen zur Verhinderung einer ökologischen Katastrophe, die auf ungehemmte ökonomische Wachstumsprozesse zurückzuführen wäre.

Unter den aufgeführten staatlichen Institutionen, die primär wirtschaftliche, sekundär gesellschaftliche Aufgaben erfüllen, befinden sich Erziehung und Ausbildung. Deren politische und ökonomische Funktionen und Dysfunktionen sind im folgenden zu untersuchen.

5. Zur politisch-ökonomischen Funktionalität von Erziehung und Ausbildung

Unumstritten ist die Notwendigkeit der Verbesserung und Veränderung von Erziehung und Ausbildung, was sich auch immer der einzelne darunter vorstellen mag. Umstritten ist allerdings die Rolle von Politik und Wirt-schäft in Erziehung und Ausbildung auf zweifache Weise:

1. Inwiefern wirken sich staatliche Politik und wirtschaftliche Interessen auf Erziehung und Ausbildung aus (Schulverwaltungsgesetze, Bildungspläne)?

2. Inwiefern sind Politik und Wirtschaft als notwendiger obligatorischer Bestandteil von Erziehung und Ausbildung zu sehen?

Wenn wir davon ausgehen, daß Erziehung und Ausbildung sich für Lehrende wie Lernende als kommunikativer Prozeß darstellt, so ergibt sich daraus deren fundamental gesellschaftlicher Aspekt Da jede Analyse von Gesellschaft deren entscheidend wichtige politische Bedingtheit aufzeigt (was in dieser Allgemeinheit auch immer darunter zu verstehen ist), sind soziale und soziologische Fragestellungen nicht von politischen und politikwissenschaftlichen zu trennen. Daraus folgt der notwendige Hinweis auf den soziopolitischen Bezug von Erziehung und Ausbildung sowie der Art und Weise der Behandlung und Vermittlung ihrer Gegenstände in Lernprozessen.

Erziehung und Ausbildung werden sich immer wieder die Frage nach ihrem gesellschaftlichen und politischen Standort und Bezug stellen müssen, wollen sie sich nicht bewußt oder unbewußt als willfährige Objekte undurchschauter Gruppeninteressen oder damit mehr oder weniger identischer politischer Direktiven begreifen. Wissenschaftstheoretisch ist über diese Frage ausgiebig gestritten worden. Auch wenn sich für die damit angesprochenen unterschiedlichen erkenntnistheoretischen Positionen bis heute eine Annäherung nicht deutlich abzeichnet, so ist Auseinandersetzungen wie dem „Positivismusstreit in der deutschen Soziologie“ doch keineswegs das Verdienst abzusprechen, in den zur Debatte stehenden Problemkreisen wichtige bewußtseinsbildende Funktionen erfüllt zu haben.

Festzuhalten bleibt, daß jede Fachdisziplin ständig ihren Praxisbezug reflektieren muß, daß sie ihre erkenntnisleitenden Interessen erkennen und kommunikativ zu vertreten bzw. zu revidieren in der Lage sein muß. Die Triebkräfte, die bestimmen, was wie geleistet werden soll, müssen nach dem „Warum?" und möglichen Alternativen befragt werden. Der oben konstatierte wirtschaftliche Einfluß muß ebenso wie andere partiell-gesellschaftliche Einflüsse durchschaut werden, Deren Eliminierung ist allerdings allein deswegen unmöglich, da Erziehung und Ausbildung in einer komplexen Gesellschaft nicht ausschließlich ihre Interessen vertreten können Wohl aber muß die Erkenntnis staatlicher und wirtschaftlicher dominierender Einflüsse in Erziehung und Ausbildung Anlaß zu deren kritischer Reflexion geben: Wodurch kam dieser Einfluß zustande? Wie wirkt er sich aus? Ist er systembedingt nötig? Welche realisierbaren Alternativen zeigen sich? Ist dieser Einfluß aufzuheben oder abzumildern?

Die staatliche Verwaltung gibt den in ihren Bildungsinstitutionen Erziehenden und Ausbildenden wie den zu Erziehenden und Auszubildenden kaum effektive Möglichkeiten politischer Beteiligung in ihrem Bereich. Dies ist historisch mit dem relativ spät erfolgten gesamtgesellschaftlichen Differenzierungsvorgang der schulischen neben der familiären Sozialisation zu erklären

In Preußen etwa wurde erst 1893 durch einen Ministerialerlaß das Schulamt als „Hauptampt" eingeführt und von seinen Verbindungen mit niederen Kirchendiensten (Küster) getrennt. Begünstigt wurde die Entwicklung durch die Idee der „allgemeinen Volksbildung" im Zuge der preußischen Reformen (Frhr. v. Stein). Dieser Prozeß verlief insofern integrativ im Sinne der bestehenden politischen Herrschaft, als der Staat die Qualität der Lehrerausbildung und damit der allgemeinen Erziehung und Ausbildung anhob, gleichzeitig jedoch den nunmehr gesellschaftlich effizienteren Lehrerstand in das dem Staat verpflichtete Beamtenverhältnis übernahm

a) Die „pädagogische Freiheit“ des Lehrers

Im Vergleich zum Verwaltungsbeamten unterschied sich der Lehrer durch die „pädagogische Freiheit", d. h. innerhalb des durch Ver-waltungsvorschriften abgesteckten formalen Rahmens vermochte der Lehrer in einem beträchtlichen Handlungsspielraum seinen Unterricht selbständig zu gestalten. Diesen knapp umrissenen Tatbestand bestätigen auch die Bildungspläne der Gegenwart in den einzelnen Bundesländern. Empirische Untersuchungen über Inhalte des politischen Unterrichts und deren Wirksamkeit kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, daß nicht minutiöse Beeinflussung und Lenkung von staatlichen Instanzen die Behandlung von Themen bestimmen, sondern das stark persönlich motivierte politische Interesse oder Desinteresse des jeweiligen Lehrers.

Der staatliche dominierende Rahmen in Erziehung und Ausbildung ist unleugbar und für jedermann leicht erkennbar vorhanden. Richtlinien in Bildungsplänen, Erlassen, Verwaltungsvorschriften und die Disziplinargewalt schaffen ein breites Feld staatlicher Eingriffsmöglichkeiten in den Erziehungs-und Ausbildungsprozeß und gegenüber denjenigen, die ihn als Lehrer in erster Linie verantworten. Dennoch ist ein evident repressiver Gebrauch dieser Instrumente selten. Liegt dies in der eminenten Funktionalität des Lehrerverhaltens begründet?

Die Ursache ist primär in dem bestehenden politischen, ökonomischen und sozialen Wert-system zu sehen, woraus sich weitere Bedingungen ableiten lassen. Das für Erziehung und Ausbildung in der BRD relevante allgemeine Wertsystem reglementiert nicht bis ins Detail (wie etwa in der DDR), sondern läßt der Rolle des Lehrers — von obigen Einschränkungen abgesehen — offensichtlich einen weiten Spielraum. Dieser Spielraum wird allerdings von der überwiegenden Anzahl der Lehrer durch unreflektierte Anpassung an bestehende Normen und Werte nicht zu einer kritischen Selbständigkeit genützt Noch immer gilt, daß die Mehrzahl von Gymnasiasten und Lehrerstudenten „in Denkweisen geübt werden, die für die Erfassung sozialer Tatbestände ungeeignet sind" Die unkritische Übernahme als funktional erforderlich suggerierter oder vermuteter Werte und Normen führt zu Irrationalität und Ideologie Falls doch Kritik stattfindet, offenbart sich allerdings rasch der ordnungspathologische Charakter des Systems, insbesondere der übergeordneten Verwaltungsinstanzen.

Dann wird deutlich, daß der Lehrer seinen Auftrag von der Verwaltungsaufsicht her ausführt, nicht kraft eigener kritischer pädagogischer und politischer Analyse

Die Kritik an distanzloser Anpassung trifft also zum einen das unreflektierte Verhalten der meisten Lehrer, sie bezieht sich aber nicht minder auf jene Verwaltungsbeamten, 'die auf der Grundlage von Richtlinien und Erlassen disziplinarische Maßnahmen ergreifen, ohne in der Lage zu sein, den in Frage stehenden Fall sowohl unter Berücksichtigung statischer Gegebenheiten (Gesetze, Verordnungen) — was ja einseitig geschieht! — als auch aufgrund eines dynamisch-analytischen Verständnisses sachgerecht zu beurteilen. Erziehung und Ausbildung sind damit weitgehend auf die statische Erhaltung der Funktionalität des Status quo ausgerichtet. In erster Linie allerdings zielt die Kritik auf „die Unfähigkeit der Politik, angesichts derer eine Verwaltung überhaupt erst herrschsüchtig werden kann, wenn nicht sogar bis zu einem gewissen Grade werden muß"

b) Der politisch-ökonomische Funktionalitätsanspruch an Erziehung und Ausbildung

An dieser Stelle schließen sich die Ergebnisse unserer bisherigen Untersuchung zu einem Kreis: Der Staat ist — wie u. a. Schelsky richtig sieht — die zentrale Instanz für Erziehung und Ausbildung in einer modernen Gesellschaft. Der Staat ist aber nicht in der Weise autonom, daß er selbständig Wertmaßstäbe setzen und den institutioneilen Prozeß von Erziehung und Ausbildung ausschließlich bestimmen kann. Dies hat seine Ursache in den Koordinierungsfunktionen des Staates, die sich primär auf den ökonomischen Bereich beziehen, da sich von daher die Mehrzahl gesellschaftlicher Funktionen direkt oder indirekt ergibt. Wenn der Staat allerdings unter dem maßgeblichen Einfluß ökonomischer Interessen seine Entscheidungen im Bereich von Erziehung und Ausbildung trifft, so ist davon auszugehen, daß diese Entscheidungen wirtschaftlichen Interessen nicht zuwiderlaufen, sondern sich im allgemeinen zumindest neutral verhalten. Die zu konstatierende unreflektierte Anpassung der überwiegenden Zahl von Lehrern an diesen so bestimmten Rahmen dient der funktionalen Aufrechterhaltung bestehender Normen und Werte, ohne sie auf ihren gesellschaftlichen Bezug, Nutzen oder Schaden zu befragen. Dies ist ein Zustand, der sich mit den Ansprüchen von gesellschaftlicher Aufklärung und wissenschaftlicher Rationalität nicht in Einklang bringen läßt.

Welche Alternativen werden sichtbar, die es ermöglichen, diesen festgestellten gesellschaftlichen Mißstand in der Weise zu beheben, daß historisch-und systembedingte Normen und Werte nicht unbefragt als Grundlage von Erziehung und Ausbildung dienen, auf der einen Seite zwar Funktionalität unter den bestehenden Verhältnissen garantieren, den Wandel der Bedingungen allerdings nicht reflektieren, so daß die Unbeweglichkeit und Erstarrung des politischen Denkens zu Ignoranz gegenüber gesellschaftlich notwendigen politischen und ökonomischen Innovationen führen? Die Möglichkeit zur Beseitigung oder Abschwächung der konstatierten Mängel liegt nicht in der je einseitigen Alternative der Eindämmung des Verwaltungseinflusses auf Erziehung und Ausbildung oder der Ausweitung und Absicherung der pädagogischen Freiheit der Lehrer, sondern in einer Bildungspolitik die in der Lage ist, gesamtgesellschaftlich diskutierte und formulierte Erziehungs-und Bildungspolitik festzulegen. Diese gesamtgesellschaftliche Diskussion von Betroffenen und Ausführenden kann allerdings sinnvoll nur im Rahmen eines akzeptablen Minimalkonsensus geführt werden. Hierzu soll im folgenden ein Beitrag geleistet werden, der, gestützt auf ein noch darzulegendes theoretisch begründetes Verständnis von Politik, Politikwissenschaft und politischer Bildung, aufzuzeigen versucht, wie es mit der methodischen Hilfe ausgewählter Kategorien gelingen kann, ein elementar notwendiges Minimum systemimmanenter Transparenz mit systemwandelnden Antizipationen und Zielprojektionen zu verbinden.

II. Politikwissenschaftliche Problemdimensionen

1. Zur theoretischen und methodischen Komplexität in der Politikwissenschaft

Die Versuche der begrifflichen Erfassung und der theoretischen Grundlegung der Politikwissenschaft sind ebenso wie ihre Methoden vielfältig und widersprüchlich. Gehen einige Schulrichtungen von Politikwissenschaft als einem Teil praktischer Philosophie (neben Ethik und Ökonomik) im aristotelischen Sinn aus und lehnen naturwissenschaftliche Methoden, kausal-schlußfolgernde Theorien und Generalisierungen ab, so verwahren sich andere Bestimmungen ausdrücklich dagegen und verweisen 1. auf die Ausdifferenzierung moderner Gesellschaften, die es nicht zulassen, Politikwissenschaft in traditioneller Manier als „Wissenschaft vom Leben in der Polis" zu begreifen, da die Differenzierung in komplexen Gesellschaften zu Normen-und Interessen-pluralität in einer Vielzahl gesellschaftlicher Subsysteme führe, die wissenschaftlich nur durch eine entsprechende „requisite variety" erfaßt werden könne. Unter „requisite variety" wird hierbei verstanden, daß Begriffe, Theorien und Methoden der Politikwissenschaft eine Komplexität aufweisen müssen, die der Komplexität des untersuchten Gegenstandes gerecht wird. 2. auf die Problematik wissenschaftlichen Erkennens schlechthin, indem die Erkenntnis eines Subjekts prinzipiell nicht unabhängig ist von seiner gesellschaftlichen Umwelt und seinem je spezifischen Standort, ja dadurch sogar wesentlich vermittelt ist. Daraus resultieren offen oder versteckt, bewußt oder unbewußt erkenntnisleitende Interessen die sich in der Entscheidung für einen bestimmten Theorieansatz oder die Zuordnung und Verbindung mehrerer Theorieansätze, die Wahl der Paradigmata, Kategorien, Methoden und Verfahren niederschlagen Theorieansätze und weiter ausgebaute Theorien können als Stufen ersten Grades der Reduktion von Komplexität in der Wirklichkeit verstanden werden-, Paradigmata als Stufen zweiten Grades der Komplexitätsreduktion, wobei ein allgemeines Regelsystem als Bezugsrahmen theoretischer Generalisierung, Deduktion und empirischer Analyse eines konkreten Untersuchungsgegenstandes dient. Theorieansätze wie Paradigmata und Kategorien werden im weiteren Verlauf der Arbeit im Zusammenhang mit konkreten Problemstellungen weiter dargelegt und erörtert werden. ökonomische wie politische Entwicklungen haben im Laufe des historischen Prozesses von der griechischen Polis bis zur Industriegesellschaft und zum Sozialstaat der Gegenwart einen politikwissenschaftlichen Ansatz in seinem Erkenntniswert erheblich gemindert, für den pauschal und subjektiv wertgebunden „politisch . . . potentiell . . . alles (ist), was das Wohl des politischen Verbandes und seiner Menschen berührt" Mit bestimmten Konzeptionen verbundene Begriffe wie „Praxis" als gutes, tugendhaftes Handeln und „Polis" als gerecht geordnetes Gemeinwesen, das tugendhaftes Handeln ermöglicht, werden den sich rasch wandelnden, sich verstärkenden und abebbenden Bedürfnissen und Interessen von Gruppen und deren Einflußversuchen sowie tatsächlichen Einflußnahmen auf das politische System nicht gerecht. Ähnliches meint in bezug auf die didaktischen Anforderungen an Politikwissenschaft und politische Bildung Hermann Giesecke, wenn er für Funktionsund Interdependenzmodelle plädiert, die es ermöglichen, „hochdifferenzierte Phänomene und zahllose Details im Bewußtsein zusammenzubringen und ... offen und korrigierbar zu bleiben". Bei „weltanschaulischen Modellen vom Typ der , Urphänomene'" sieht er dieses Postulat nicht eingelöst und verweist damit auf die theoretische und didaktische Beschränktheit derartiger Versuche im Rahmen moralphilosophischer Politikbestimmung 36a).

Die Schwächen traditiönell-ontologisierender Ansätze in der Politikwissenschaft versuchen gegenwärtig im wesentlichen systemtheoretisch und kritisch-dialektisch orientierte Konzeptionen zu überwinden.

2. Elemente systemtheoretischer Konzeptionen

Systemtheoretische Konzeptionen werden im allgemeinen als Varianten empirisch-analytischer Theorie verstanden und sind es ihrer neueren Tradition nach auch überwiegend 36b). Für systemtheoretische Forschungsansätze (approaches) stehen der Rahmen eines Systems (Rechts-und Wirtschaftsverfassung, Gesellschaftsordnung) sowie seine Teile (politisches, ökonomisches, soziales System) und Subsysteme (Regierung, Parlament, Wirtschaftskonzerne, Parteien, Verbände) in ihrer politisch relevanten Strukturierung und vor allem in ihrer politischen Funktionalität und Dysfunktionalität in bezug auf die Erhaltung des bestehenden Systems im Mittelpunkt des Untersuchungsinteresses. Daraus abgeleitete Intentionen systemtheoretischer Ansätze beziehen sich auf Analysen und Entwürfe politischer Planung und Steuerung, politischer Entscheidungshilfsmittel und Kontrollmechanismen sowie politischer Information, Kommuni-kation, Spieltheorie und Simulation Die Anwendung politikwissenschaftlich-systemtheoretischer Erkenntnisse im Bereich der politischen Bildung ist bislang in der BRD in nennenswertem Umfang kaum festzustellen 37a).

3. Elemente dialektisch-kritischer Konzeptionen

Dialektisch-kritische Konzeptionen gehen von der gesellschaftlichen Vermittlung jedes Erkenntnisprozesses aus und stellen deswegen den Empirie-Theorie-Praxis-Bezug in den Mittelpunkt ihres Untersuchungsinteresses. Sie wenden sich damit sowohl gegen räumlich und zeitlich unbegrenzte normative Festlegungen der traditionell-ontologisierenden Richtung wie gegen Theorien, Gesetze und Regeln, die ausschließlich auf der Basis empirischer Analysen bzw. mit Hilfe deren Überprüfungsverfahren zustande gekommen sind. Gegen die politische Praxis und den mit deren Wirklichkeit übereinstimmenden empirisch gewonnenen Theorien hegen sie einen tiefgründigen Ideologieverdacht.

Die Ideologisierungsgefahr wissenschaftlicher Aussagen versuchen dialektisch-kritische Theoriekonzeptionen im wesentlichen durch vier Elemente zu vermindern: a) den Bezugsrahmen der Totalität; b) den dynamischen, funktionalen und dysfunktionalen Prozeß der Geschichtlichkeit; c) das methodische Prinzip der Dialektik; d) das Postulat und Erkenntnisinteresse der gesellschaftlich vermittelten Emanzipation

In ihrer praktischen Forschungsarbeit beschränken sich dialektisch-kritisch orientierte Ansätze — ausgehend von den vier Theorie-elementen — sehr stark auf die Kritik kapitalistischer Systeme im allgemeinen und deren gesellschaftlicher Entfremdung und Verdinglichung im besonderen. Mit Hilfe der dialektischen Methode versuchen sie die Ideologie der Wirklichkeit ideologiekritisch zu durchschauen und die Widersprüche zwischen politisch herrschenden und gesellschaftlich abhängigen Interessen aufzudecken. Strategisch-praktisch orientierte Richtungen leiten von diesen Analysen theoretisch untermauerte Modelle sowie ethische und rationale Rechtfertigungen der Revolution ab

Die ideologiekritischen Implikationen dialektisch-kritischer Theorie lenkten deren Interesse auch auf Fragen der Sozialisation und der politischen Bildung Die Vernachlässigung soziologischer und politikwissenschaftlicher empirischer Analysen wirkt sich hierbei allerdings bisher insofern nachteilig aus, als die kritische Dialektik das Antithetische gegenüber der als negativ vorausgesetzten Wirklichkeit übertont und von daher eine synthetische Zielprojektion anstrebt, die auf dieser Basis nur mit erheblichen Einschränkungen nachvollziehbar und für die Erziehungspraxis umsetzbar ist.

Insbesondere die letzten kritischen Anmerkungen mögen als Hinweis darauf verstanden werden, daß es hieße, den systemtheoretischen wie den kritisch dialektischen approach mit ihren Varianten bei weitem zu überschätzen, wäre man der Auffassung, hiermit seien die Schwächen anderer politikwissenschaftlicher Ansätze vermieden und es bedürfe nur der Intensivierung der Forschungsarbeit auf den bislang erarbeiteten Grundlagen, um die Politikwissenschaft zu jener Königswissenschaft zu machen, von der Aristoteles sprach. An je zwei Beispielen soll die Problematik einer derartig unhaltbaren Euphorie aufgezeigt werden:

4. Probleme der Systemtheorie

1. Der im Rahmen der Systemtheorie sehr einflußreiche strukturell-funktionale Ansatz übernimmt ein bestehendes System (bei den US-Systemtheoretikern sind dies im allgemeinen die USA) unkritisch als theoretischen Bezugsrahmen und bestimmt von daher Strukturen, Funktionen und Dysfunktionen im Sinne der Erhaltung des Gleichgewichts (Equilibrium). Die Ideologie der Wirklichkeit wird damit zur Theorie des Systemmodells, ohne daß sich diese Theorie auch nur bemüht, die Funktionalität ihrer Entstehung zu durchleuchten und sich von der Abhängigkeit von erkenntnisleitenden Herrschaftsinteressen frei zu machen. Im Gegenteil: Sie formuliert als funktionale Erfordernisse und Imperative („functional prerequisites", „functional imperatives") die Anpassung des Systems an die Umwelt („adaption"), Zielvorstellungen („goalattainment"), Integration der Systemteile und -elemente sowie Aufrechterhaltung der Verhaltensmuster und Konfliktregelung („patternmaintenance“, „tension-management") Dies alles in Zuordnung zu dem bestehenden Systemrahmen. 2. Eine ähnliche funktionale Setzung vollziehen Ansätze im Bereich der vergleichenden Systemtheorie und -analyse („Comparative Politics"). Politische und sozio-ökonomische Systeme müssen demnach in folgenden Bereichen funktionalen Erfordernissen genügen: a) Input-Funktionen, d. h. Funktionen des sozio-ökonomischen Systems gegenüber dem politischen:

Politische Sozialisation und Eliten-Rekrutierung Interessenartikulation Interessenvereinigung Politische Kommunikation b) Output-Funktionen, d. h. Funktionen des politischen Systems gegenüber dem sozioökonomischen: Erstellung von Gesetzen Anwendung von Gesetzen Überwachung von Gesetzen

In der Verbindung dieses Funktionenkatalogs mit der Typisierung von Entwicklungsstadien politischer Systeme und politischer Kulturen glaubt der entsprechende systemtheoretische Ansatz der „Comparative Politics" ein Mittel gefunden zu haben, konkrete Stadien und Normen politischer Entwicklung sachgerecht analysieren und vergleichen zu können, um dadurch Aussagen über die Anpassung von Systemen (insbesondere Entwicklungsländern!) an die sich wandelnden komplexen System-und Umweltverhältnisse machen zu können Eine apodiktisch vertretene Grund-these ist hierbei, daß die am höchsten entwikkelten Systeme am ehesten in der Lage seien, Prozesse hinlänglich stabilen Gleichgewichts zu garantieren. Dem Typus angelsächsischer Demokratie (seit dem Ende des 19. Jahrhunderts den USA) wird hierbei bescheinigt, daß er dem höchsten Entwicklungsstand am meisten entspreche, somit am ehesten geeignet sei, jene Norm der Modernität zu bestimmen, die Richtschnur für den Prozeß weniger entwickelter Systeme sein soll. Auch in diesem Fall wird die Ideologie der Wirklichkeit unreflektiert in den theoretischen Systemansatz übernommen.

5. Probleme der dialektisch-kritischen Theorie a) Opposition gegen die bestehenden Verhältnisse (Strukturen):

Die kritische Dialektik dient als theoretische Begründung von Oppositionswissenschaft, d. h., sie ist in ihren Aussagen gegen die bestehenden (insbesondere kapitalistischen) Verhältnisse und deren Strukturen gerichtet. Die empirischen Grundlagen zur Bestimmung der bestehenden Verhältnisse und der real nachweisbaren Möglichkeiten ihrer Überwindung sind allerdings — entgegen den Postulaten des Selbstverständnisses dieser Schulrichtung — dürftig. Ursache hierfür ist die unzureichende Überprüfung der gesellschaftskritisch-philosophisch zugrunde gelegten Wert-prämissen, was — trotz gegenteiliger Behauptungen und trotz der Bemühungen um Ideologiekritik — der Ideologisierung der eigenen Position Tür und Tor öffnet. Auch der aus dem Selbstverständnis heraus geforderte Theorie-Praxis-Bezug wird wegen der Verzettelung in unaufhaltsam wiederkehrende, langatmige erkenntnistheoretische Diskussionen und Polemiken nur ungenügend geleistet.

Falls der Sprung in die systemüberwindende Praxis allerdings gewagt wird, zeigt sich das Versagen dialektischer Theorie und Strategie (vgl. Studentenunruhen in der BRD 1968 mit der Schlüsselrolle des dialektisch-kritisch argumentierenden und handelnden SDS). Die Ergebnisse von Strukturanalysen (Klassenanalysen) der kritisch-dialektischen Richtung sind — da dialektisch-ideologiekritisch durch Prämissen gesetzt — empirisch-analytisch anfechtbar und halten der praktischen Überprüfung in der sozialen und politischen Realität nur mit mehr oder minder großen Einschränkungen stand.

b) Unklarheit des Prozesses und Zieles der Emanzipation: Emanzipation wird von der kritisch-dialektischen Konzeption als Zweck, Ziel und Prozeß verstanden, ohne daß allerdings außer stereotyper verbaler Wiederholung der Begriff, die mit ihm verbundene Theorie und die geforderte praktische Durchsetzbarkeit in einem (revolutionären) Prozeß an Klarheit gewinnen würde Bei Einordnung des Begriffes der Emanzipation in einen Bezugsrahmen müßte dieser von der Bestimmung der Emanzipation als Zweck und Ziel eines Prozesses her zum Zielmodell erklärt werden. Unter Zielmodell ist ein System zu verstehen, in dem ein Element (Variable) ungeachtet der Bedingungen und Auswirkungen auf andere Systemelemente maximiert werden soll Ist ein derartiges Zielmodell als relativ simpel zu bezeichnen, so ergibt sich daraus seine geringe Brauchbarkeit in Anwendung auf komplexe Systeme, die durch Ausdifferenzierung von Subsystemen und Multifunktionalität gekennzeichnet sind

Noch fragwürdiger wird eine derartige Zweckbestimmung und Zielfestlegung von politischen Prozessen allerdings dadurch, daß es sich bei der Norm der Emanzipation weder um einen dominierenden Struktur-noch Prozeßfaktor in vorfindbaren entwickelten Systemen handelt Emanzipation als Zweck und Ziel von Prozessen setzt also eine normative Änderung der politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Praxis voraus. Diese Änderung wird von der kritisch-dialektischen Theorierichtung zwar postuliert, sie vermag jedoch weder das Zielmodell umfassend zu beschreiben noch den theoretischen und praktischen Weg hierzu aufzuzeigen.

Die an je zwei Beispielen gezeigten Mängel, Schwächen und Leerstellen bezogen sich bei der Systemtheorie auf:

a) die Überbetonung des strukturellen Aspekts von Systemen, damit deren Erhaltung, Integration und Anpassung;

b) auf die Fixierung von funktionalen Erfordernissen zur Bestimmung von Modernität sowie Stadien und Normen der politischen Entwicklung von Systemen; bei der dialektisch-kritischen Theorie auf:

a) die dialektisch (ideologisch-ideologiekritisch) interpretierten Strukturanalysen (Klassenanalysen), die Antagonismen und Dichotomien in Gesellschaften nachzuweisen suchen, obwohl diese empirisch nur wenig zuverlässig erfaßbar sind (z. B. „oben" und „unten");

b) die Unklarheit von Zweck, Ziel und Prozeß der Emanzipation als entscheidend wichtig postulierter Variabler im gesamtgesellschaftlichen Rahmen. Hinzu kommt der in allen Beispielen kritisch hervorgehobene Ideologiegehalt, der auch die ideologiekritischen Ansätze der dialektisch-kritischen Theorie dem Ideologieverdacht aussetzt. Vergleicht man Leistungsvermögen und Schwachstellen systemtheoretischer und kritisch-dialektischer Theorieansätze und Paradigmata, so ergeben sich Parallelen, die im folgenden als politikwissenschaftliche Problemdimensionen in Systemtheorie und dialektisch-kritischer Theorie zusammengefaßt werden sollen.

6. Politikwissenschaftliche Problemdimensionen in Systemtheorie und dialektisch-kritischer Theorie

Beide Ansätze weisen sowohl Erfolge wie Unzulänglichkeiten bei der theoretischen Erfassung und der analytischen Durchdringung folgender politisch fundamentaler Aspekte von Systemen auf: 1.des Strukturaspekts von Systemen:

Die strukturell-funktionale Methodenrichtung in der Systemtheorie vermag zwar die system-integrierende Funktion des Strukturaspekts adäquat zu erfassen, mißt diesem Aspekt im Vergleich zu anderen jedoch eine zu große Bedeutung zu. Die dialektisch-kritische Theorie geht von einer manifest oder latent vorhandenen antagonistischen Gesellschaftsstruktur aus und paßt ihre Strukturanalysen als Klassenanalysen in diesen Bezugsrahmen ein. 2.des Prozeßaspekts von Systemen:

Die systemtheoretische Richtung der „Comparative Politics" legt die Funktionen der am höchsten entwickelten Systeme fest und bemißt aus dem Modernitätsrückstand die Entwicklungsstadien des Prozesses, den weniger und unterentwickelte Systeme auf dem Weg zur Modernität zu durchlaufen haben. Die dialektisch-kritische Theorie bestimmt den Prozeß nach Maßgabe der Norm der Emanzipation, die zwar gesellschaftlich vermittelt sein soll, die jedoch ohne umfassende Prozeßtheorie und -analyse als zielprojizierendes Systemelement notwendigerweise unklar bleibt. 3.des Normenaspekts von Systemen:

Bei der Mehrzahl systemtheoretischer Ansätze gehen Ideologien über die Wirklichkeit unreflektiert in die Theorie ein und bestimmen von daher Prämissen, Ergebnisse und Erkenntniswert von Analysen. Die unbestrittene normative Ausrichtung von Systemen in Theorie und Praxis wird damit unbesehen durch die Festlegung des theoretischen Systemrahmens vorweggenommen, ohne nach innovativen Normen für politische Praxis und politische Sozialisation zu fragen. Die dialektisch-kritische Theorie hebt auf die Norm der Emanzipation ab und setzt diese dialektisch den empirisch-analytisch belegten, ideologisch begründeten Herrschafts-und Abhängigkeitsverhältnissen entgegen. Sie analysiert aber weder Brauchbarkeit und Notwendigkeit noch deren Gegenteil in bezug auf die in der Wirklichkeit vorfindbaren Normen und Ideologien, sondern sucht diese mit dem Mittel der Ideologiekritik als ausschließlich gesellschaftsfeindlich aufzudecken und theoretisch wie praktisch mit der Norm (Ideologie) der Emanzipation als Zweck und Ziel zu überwinden.

Es erscheint nach dem bisher Ausgeführten möglich, ausgehend von den sich überschneidenden Problembereichen beider Theorieansätze, gemeinsame Bezugspunkte herauszuarbeiten, die zwar noch in keiner Weise eine Lösung der aufgeworfenen Fragen beinhalten, vielleicht jedoch Hinweise darauf zu geben vermögen, mit welchen Mitteln welcher der beiden Theorieansätze mit seinen Varianten in der Lage ist, die nachgewiesenen Mängel und Leerstellen tendenziell aufzuhellen bzw. zu vermindern. Gleichzeitig ist dabei nach Möglichkeiten ergänzender Zuarbeit der beiden Theoriekonzeptionen im Sinne einer „kritischen Systemtheorie" zu suchen. Dies soll im folgenden geschehen, wobei die Problemdimensionen in der zuvor aufgeführten Reihenfolge behandelt werden: Strukturaspekt, Prozeßaspekt, Normenaspekt.

a) Der Strukturaspekt

Robert A. Dahl bestimmt als politisches System „jedes andauernde Muster menschlicher Beziehungen, das zu einem beträchlichen Teil Macht, Herrschaft oder Autorität beinhaltet" Dies ist eine formale Aussage, die auf Macht, Herrschaft oder Autorität als Mittel des politischen Systems abhebt. Dahl gelangt zu dieser begrifflichen Festlegung durch empirische Analysen und deren theoretische Generalisierung, was deren intersubjektive Überprüfung und Nicht-Falsifikation einschließt. Nun führen zwar die Methoden und Verfahren des Positivismus und Neopositivismus nicht schlechthin zu dem Bezugsrahmen des Systems in der Systemtheorie, wohl aber sind deren Ergebnisse bis heute maßgebliche empirische und theoretische Grundlagen zur Bestimmung von Systemen, deren Strukturen, Funktionen usw. In bezug auf Norm und Zweck sind derartige Definitionen — noch dazu in einer derartigen Allgemeinheit — zwar problematisch, immerhin vermögen sie aber erhärtete Grundaussagen über ein wesentliches Phänomen von Politik und System zu machen, das sich auf deren strukturierende, strukturerhaltende und strukturwandelnde oder -zerstörende Mittel bezieht: das Phänomen von Macht und Herrschaft. Abzulehnen ist die ausschließliche oder überwiegende und undifferenzierte Reduktion auf Aspekte von Macht und Herrschaft bei der Bestimmung von Systemstrukturen, da dies einer plumpen, räumlich und zeitlich nicht begrenzten Verallgemeinerung empirischer Daten über politisches Desinteresse weiter Teile jeder Gesellschaft gleichkommt. Hinzu kommt die den strukturerhaltenden Herrschaftsinteressen dienende Aussage über eine positive Korrelation von Krise und hoher politischer Partizipation ohne nach Zwecken und Ursachen politischer Partizipationsbestrebungen in der Gesellschaft und deren Verhältnis zu einer partiellen oder allgemeinen politischen Krise zu fragen (an Beispielen ist hier auf gesellschaftliche und politische Partizipationsbestrebungen im „Krisenjahr" 1968 hinzuweisen: Studentenunruhen in der BRD, Mai-Revolte von Studenten und Arbeitern in Paris, gesellschaftliche und politische Mobilisierung weiter Teile der Gesellschaft in der CSSR u. a.).

Die empirischen Analyseergebnisse lassen es zu, das politische System als einen überwiegend strukturerhaltenden und im allgemeinen gesamtgesellschaftlich stabilisierenden Herrschaftsverband zu kennzeichnen, der mit dem „Monopol legitimen physischen Zwanges"

ausgestattet ist. Zu weit geht allerdings etwa die Theorie des „democratic elitism" die generalisierend behauptet, auch in demokratischen Systemen müsse sich die politische Herrschaftsausübung auf Führungseliten wegen deren größerer Zuverlässigkeit beschränken. Der Macht-und Herrschaftsaspekt als entscheidend wichtiger (aber auch häufig einseitig bevorzugter) Strukturaspekt zur Bestimmung von System und Politik kann nur als instrumentelles Mittel im Rahmen eines Systemüberlebensmodellsgesehen werden, das theoretisch relativ anspruchslos und praktisch im Falle gesamtgesellschaftlicher politischer Labilität mit einem äußerst weitreichenden Risiko behaftet ist (Beispiel: Umschlagen der Weimarer Republik in den Faschismus nach der Typologie von Karl Dietrich Bracher: Machtverfall — Machtvakuum — Machtergreifung Die Tatsache, daß die entwickelten Systeme in der politischen Praxis überwiegend nach dem Systemüberlebensmodell funktionieren, zeigt sich in der funktional-integrativen Anpassung der Teil-und Subsysteme (Staat, Gesellschaft, Wirtschaft, Regierung, Parteien, Interessengruppen) an die gegebenen Systembedingungen, ob diese nun ideologisch verklärt werden (Soziale Marktwirtschaft, Neues Ökonomisches System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft) oder vom verbalen Anspruch her überwunden werden sollen (reformpolitische Ansätze der Bundesregierung, Reform des Weltwährungssystems).

Die empirischen Befunde aus der politischen Praxis vermögen zu verdeutlichen, daß der Strukturaspekt in entwickelten Systemen von großer Relevanz ist und theoretisch wie methodisch mit einem hohen Stellenwert berücksichtigt werden muß, daß er allerdings überwiegend den instrumentellen Charakter von Macht und Herrschaft als Mittel und den integrativen Charakter des Systemüberlebensmodells als Rahmen zur Stabilisierung der wichtigsten bestehenden Strukturen betont. Der Strukturaspekt ist somit als Macht-und Herrschaftsaspekt von selten empirisch-analytischer und systemanalytischer Konzeptionen theoretisch und analytisch als brauchbar erkannt, bedarf allerdings der Ergänzung durch Prozeß-und Normenaspekte.

Die kritische Dialektik sieht in Macht und Herrschaft ebenfalls ein entscheidend wichtiges Instrument zur Regelung gesellschaftlicher Beziehungen. Sie bleibt allerdings bei der Feststellung des strukturbestimmenden und -erhaltenden Charakters von Macht und Herrschaft nicht stehen, sondern fragt nach deren Bedingungen, Erscheinungsformen und Entwicklungstendenzen, insbesondere im Rahmen der Ausübung institutionalisierter politischer Macht als „öffentlicher Herrschaft" Zentral für die Bestimmung des Verhältnisses von Macht und Herrschaft einerseits und der Struktur einer Gesellschaft andererseits ist dabei die Feststellung der Abhängigkeit der Politik von der Wirtschaft.

Die Richtung der kritischen Dialektik leugnet aufgrund der Vermitteltheit von empirischer wissenschaftlicher Erkenntnis und vorfindbaren gesellschaftlichen Bedingungen, daß durch Sammlung, Selektion, Analyse und Deskription von Fakten politisch-ökonomische Verflechtungen und deren gesellschaftlichen Auswirkungen erhellt werden können. Sie geht von der Prämisse aus, daß „die Menschen als die Produzenten ihrer gesamten historischen Formen" zu verstehen und nur so Gegenstand von Untersuchungen sein könnten. Von diesem Vorverständnis ausgehend gelangt die kritisch-dialektische Theorie in Anlehnung an die Arbeiten von Karl Marx zu dem Axiom der Abhängigkeit von Herrschafts-und Gesellschaftsstrukturen von den jeweiligen Produktionsverhältnissen. Die heuristische Fruchtbarkeit dieses Axioms kann nicht bestritten werden; Grenzen findet dieser Ansatz allerdings, wenn er undifferenziert auf die politische, ökonomische und gesellschaftliche Wirklichkeit übertragen wird und dialektisch gesellschaftliche Antagonismen und Konflikte in einer Größenordnung und Tragweite suggeriert werden, die der politischen Praxis — auch den in ihr angelegten alternativen Möglichkeiten — und den daraus gewonnenen empirischen Befunden nachweisbar nicht mehr entsprechen.

Einen wichtigen Beitrag zum Strukturaspekt entwickelter Systeme liefert der dialektisch-kritische Ansatz allerdings insofern, als er es nicht bei empirischen Strukturanalysen beläßt und damit simpel die Universalität von Herrschaft und deren gesellschaftsstrukturierenden Effekt diagnostiziert, sondern nach den Entstehungs-und Begründungszusammenhängen von Herrschaft und Gesellschaftsstruktur fragt. Er geht damit erheblich über die Mehrzahl systemtheoretischer Strukturbestimmungen hinaus, die sich in Feststellungen der Strukturdifferenzierungen entwickelter Systeme erschöpfen, ohne nach den Gesamtzusammenhängen zwischen der schwer kontrollierbaren Herrschaftsausübung weniger und den unterschiedlichen Abhängigkeitsverhältnissen für die meisten Mitglieder einer Gesellschaft zu fragen.

Die grundliegende Erkenntnis der dialektisch-kritischen Theorie: die starke Determinierung des Politischen durch das Ökonomische, die Bestimmung politischer Herrschaft als Mittel zur Durchsetzung massiver ökonomischer Machtinteressen in kapitalistischen Gesellschaften und in Gesellschaften, die vorgeben, den Sozialismus zu verwirklichen, gewinnt in der Politikwissenschaft, auch in den neuesten Ansätzen der Systemtheorie, zunehmend an Bedeutung. Dies geht so weit, daß etwa Wolf-Dieter Narr zu Recht feststellt: „Das Problem Herrschaft (und im weiteren Sinne Macht) ohne Einbeziehung der Wirtschaft, der Produktions-und Einkommensstruktur zu behandeln, heißt, es, wenn auch nicht aller, so doch hauptsächlicher Problemelemente entkleiden. Die Definition von Herrschaft ohne Ökonomie wird leer, prozessual, reduziert sich auf abstrakte Sanktionsmechanismen, deren allgemeiner Schein sich nicht mehr ursächlich zurückführen, ent-scheiden läßt." Wenn Narr sich weiter wundert, „daß die Mehrzahl der mit Demokratie befaßten politikwissenschaftlichen und soziologischen Studien den ökonomischen Sektor ausspart, ihn in der problem-abstrakten wissenschaftlichen Arbeitsteilung der Wissenschaft der Ökonomie zuschanzt" so trifft dieser Vorwurf nicht dialektisch-kritische Richtungen in der Politikwissenschaft und Soziologie, sondern weist im Gegenteil auf deren berechtigte Problemstellung hin.

Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß der Strukturaspekt als integrierender Herrschaftsaspekt in der Systemtheorie im allgemeinen zu ausschließlich gesehen wird und daß die kritisch-dialektische Theorie über wichtige empirische Befunde hinaus das Verdienst hat, auf Entstehungs-und Begründungszusammenhänge von politischer Herrschaft, ökonomischer Macht und gesellschaftlicher Struktur abzuheben und hierfür das Erkenntnisinteresse zu schärfen.

b) Der Prozeßaspekt

Der Prozeßaspekt muß Funktionen und Dysfunktionen in bezug auf ein gegebenes System beinhalten, da idealtypisch ausschließliche Funktionalität zu Statik, idealtypisch ausschließliche Dysfunktionalität zu Entropie und Zerfall eines Systems führen. Prozeß verlangt Dynamik und Weiterentwicklung, schließt also Konflikt und Wandel ein, Ordnung und relatives Gleichgewicht aber nicht aus Diese Position widerspricht damit sowohl der einseitig systemerhaltend konzipierten strukturell-funktionalen Theorie Talcott Parsons' als auch der die integrierende Funktion von Herrschaft unterschätzenden Konflikttheorie Ralf Dahrendorfs bzw. faßt beide Richtungen zu einem Ansatz einer dialektischen Theorie von Prozessen zusammen.

Ähnliches versucht Niklas Luhmann, wenn er von der empirisch begründbaren These ausgeht, daß „ein sinnhafter Aufbau sozialer Systeme . . .sehr rasch auf Schwierigkeiten (stößt), vor allem dadurch, daß die Erwartungen entweder zu unbestimmt oder zu widerspruchsvoll werden und daß sie zu vielfältig und zu veränderlich werden, um noch Konsensus zu finden" Indem sich Systeme durch Entwicklung und Wachstum notwendigerweise differenzieren, resultiert daraus Komplexität, wobei die neu gebildeten Systemteile, Subsysteme und Subsystemteile (Beispiele: Schulsystem im 19. Jahrhundert; Interessengruppen als organisierte Vertretungen von Subsystemen und Subsystemteilen; Verwaltung von Großorganisationen; Herstellung, Handel und Vertrieb von Gütern usw.) in ihrem Bereich eine relative Souveränität und gewisse Autonomie erreichen (sog. „Autonomie der Subsysteme"). Würde sich diese relative Autonomie in Form von fachlich gebundenem Expertenwissen sowie gruppen-und positionsbedingten Interessen und Kompetenzen gesamtgesellschaftlich ungeschmälert auswirken, so würde dies den absoluten gesellschaftlichen Dissens und Zerfall (Entropie) zur Folge haben. Durch Strategien der Reduktion von Komplexität vermögen allerdings komplexe Systeme der gesellschaftlichen Atomisierung zu begegnen. Eine dieser Reduktionsstrategien ist die interne Differenzierung.

In Anlehnung an W. Ross Ashby mißt Luhmann dem Prozeß der Differenzierung von Systemen die Wirkung von „Ultrastabilität" bei und begründet dies folgendermaßen: Durch Differenzierung werden interne Grenzen zwischen den Teilsystemen stabilisiert, die einerseits verhindern, daß sich Störungen eines Teilsystems auf andere auswirken, die andererseits in der Lage sind, gleichsam durch Filtrierung nur diejenigen Bewegungen durchzulassen, die funktional erwünscht sind. Dysfunktionale Störungen können nach Luhmann damit begrenzt und für das Gesamtsystem neutralisiert, funktionale Leistungen erweitert und verstärkt werden. Als Folge ergibt sich daraus die Beschleunigung system-interner Integrations-und Anpassungsprozesse, die es dem Gesamtsystem ermöglichen, höhere Entwicklungsstufen rascher und weniger störanfällig zu erreichen. Insbesondere die Beispiele, die Luhmann zur konkreten Stützung seiner Position anführt, demonstrieren aber deren unkritische und instrumentellunpolitische Schwäche.

Es mutet als geradezu politisch naiv an, wenn Luhmann darauf verweist, daß in modernen Gesellschaften politische Macht nicht käuflich sein solle, obwohl „die Massierung sehr großer Kapitalien in der Politik nicht ignoriert werden" könne. Dieses und weitere Beispiele verdeutlichen, daß Luhmann der Differenzierung und relativen Autonomiebildung in komplexen Systemen — die nicht bestritten werden kann — eine dezentralisierende, isolierende und partikularisierende Bedeutung für das Gesamtsystem zuschreibt, die empirisch in dieser Tragweite nicht haltbar ist. Zur Stützung der von ihm so interpretierten These der funktionalen Differenzierung von komplexen Systemen verweist Luhmann u. a. auf Talcott Parsons und Edward Shils, muß allerdings gleichzeitig das weiter bestehende Spannungsverhältnis von Differenzierung und Ge-neralisierung innerhalb von Systemen einräumen

Mit Luhmann läßt sich zusammenfassend festhalten, daß der Prozeß der Differenzierung zu größerer Komplexität führt Diese Erkenntnis und deren theoretische Generalisierung ist als Verdienst systemtheoretischer Ansätze zu bezeichnen. Politikwissenschaftlich fragwürdig bis unbrauchbar wird diese Prozeßtheorie allerdings, wenn sie Teilsystemen innerhalb von Gesamtsystemen vollen System-charakter zuspricht, anschließend jedoch in schwammiger Formulierung darauf abhebt, daß sie „ihren Beitrag (gegenüber dem Gesamtsystem — Anm. W. B.) also als System-leistung erbringen müssen, und deshalb nie ganz in ihrer Funktion aufgehen können" Das besagt nichts anderes als das, was bereits auf wesentlich weniger entwickelter Stufe der neueren Systemtheorie eine Binsenweisheit war, nämlich daß Teil-und Subsysteme sich sowohl funktional wie dysfunktional gegenüber übergeordneten Systemen verhalten können. Das über die Feststellung des Differenzierungsprozesses komplexer Systeme hinausragende Problem der Grundlagen und Bedingungen von Funktionalität und Dysfunktionalität von Teil-und Subsystemen innerhalb eines gemeinsamen Systemrahmens wird durch das Luhmannsche systemtheoretische Paradigma einer Lösung in keiner Weise nähergebracht. Diese Schwachstelle des Luhmannschen funktional-strukturellen Systemansatzes kann als typisch für den funktionalistisch-ahistorischen approach derartiger Systemtheorien überhaupt angesehen werden.

Nascholds Hoffnung auf „möglicherweise äußerst fruchtbare methodologische Komponenten auch für polit-ökonomische Analysen" im Rahmen des „Systems dynamics approach" von Jay W. Forrester und deren Inschutznahme gegen leichtfertigen Technokratieverdacht müssen bis zu ihrer weiteren Klärung als vage bezeichnet und aufgrund vorliegender Forschungsresultate mit viel Skepsis beurteilt werden.

Die Leistungsschwäche systemtheoretischer und der meisten politikwissenschaftlichen Ansätze versucht die kritisch-dialektische Konzeption durch ein gänzlich anders begründetes Paradigma zu vermeiden. Demnach bestimmen sich Funktionalität und Dysfunktionalität von Systemprozessen nach den sozioökonomischen Entwicklungen und deren Niederschlag in je spezifischen Herrschaftsverhältnissen.

Differenzierungen in einer komplexen Gesellschaft können deswegen nur in Verbindung mit der Perspektive des Ganzen (Totalität) gesehen und verstanden werden.

Gesellschaftliche Differenzierung (z. B. in Form von Arbeitsteilung) ist zwar eine Konsequenz sozio-ökonomischer und politischer Entwicklung, macht jedoch nicht die eigentlichen Widersprüche in der Gesellschaft aus, solange der sozio-ökonomische Prozeß eine Teilung der Gesellschaft in der Weise bewirkt, daß wenige über Produktionsmittel verfügen und damit wirtschaftliche und politische Macht und Herrschaft ausüben und die überwiegende (differenzierte) Mehrheit der Gesellschaft von diesen abhängig ist. Im Gegensatz zu funktionalistisch-systemtheoretischen Ansätzen, deren Hauptaugenmerk sich auf System-Struktur-Integration und -Anpassung auch und gerade im Zuge von gesellschaftlichen und ökonomischen Veränderungsprozessen richtet, betont die kritische Dialektik Bewegung, antagonistischen gesellschaftlichen Konflikt (Klassenkampf) und Wandel (u. U.

Revolution) als Hauptmerkmale jeglicher gesellschaftsbezogenen Theorie.

Die von seifen der Geisteswissenschaften und der Mehrzahl der Sozialwissenschaften lange übersehene und geleugnete Stringenz kritisch-dialektischer Theorie und Analysen in diesem Punkt weicht allmählich einer notwendigerweise aufgeschlosseneren Haltung, die ihre Ursache in einem gewandelten erkenntnisleitenden Interesse unter den Bedingungen hochkomplexer Systeme der Gegenwart haben mag. Frieder Naschold etwa gibt der u. a. von Hirsch, Leibfried, Ronge und Schmieg an ihm geübten Kritik einer feh-lenden Analyse sozio-ökonomischer Entwicklungstendenzen historischer Gesellschaftsformationen sowie einseitiger Aussagen recht und bezeichnet diesen zusammenhängenden Problembereich als „eine zentrale theoretische Schwachstelle der meisten bisherigen Analysen" Weiter konstatiert er die hohe „Eigendynamik ökonomischer Wachstums-und Konjunkturprozesse, die zu einer ständigen Gefährdung des Staatsanteils am Bruttosozialprodukt und zu erheblichen Schwankungen der staatlichen Leistungserbringung führen, so daß staatliche Ausgaben/Aufgaben hinsichtlich ihres Volumens vorwiegend von diesen autonomen ökonomischen Entwicklungsprozessen anstatt von regierungspolitischen und aufgabenorientierten Entscheidungen gesteuert werden" Entsprechend versucht Wolf-Dieter Narr, die theoretischen Ansätze und Analysen der Funktion von Herrschaft in der Demokratie ökonomisch abzusichern

Das von der kritisch-dialektischen Theorie immer vertretene politisch-ökonomische Disproportionalitätsargument von der Privilegierung politischer und ökonomischer Herrschaftsinteressen und der Deprivilegierung gesellschaftlicher Interessen erfährt damit durch die Bedingungen hochentwickelter Industriesysteme eine zusätzliche Stützung. Die Suche nach Planungs-, Steuerungs-, Entscheidungs-und Partizipationsmodellen als Instrumenten zur Überwindung dieser als gesamtgesellschaftlich gefährlich erkannten Disproportionen beweist dies.

Die kritisch-dialektische Konzeption verbindet darüber hinaus mit ihrem Theorieansatz Zielprojektionen zur Kritik von erkennbaren Entwicklungstendenzen und zum Aufzeigen alternativer Entwicklungsmöglichkeiten. Entscheidendes Kriterium hierfür ist die Überwindung von fundamentalen Widersprüchen in der Gesellschaft, deren Ursache primär im Gegensatz von Verfügungsmacht und Abhängigkeit im ökonomischen Bereich gesehen wird. So geht es in hochentwickelten Gesellschaften neben gerechtem Gewinnanteil, Krankengeld und Rentenversicherung für den individuellen Arbeitnehmer um die Analyse, Planung und Steuerung neuer, gesamtgesellschaftlich wichtiger Entwicklungstendenzen: Vor allem um die Problematik, daß exklusive Gremien nach Maßgabe ihrer Interessen und den Zwängen vorfindbarer Strukturen gesamtgesellschaftlich verbindliche Entscheidungen treffen, die in wichtigen Punkten den Interessen der Mehrheit der Gesellschaft nicht entsprechen, jedoch von dieser Mehr„heit nur unzureichend erkannt, nicht artikuliert und nicht in politisches Handeln umgesetzt werden (vgl. für den Bereich der BRD:

Bodenspekulation, Wohnungsbau, Städtesanierung, Umweltverschmutzung, Freizeitgestaltung, Kindergärten, ärztliche Versorgung, Altersheime, öffentliche Nahverkehrsmittel, Vorschulerziehung, das gesamte Bildungsund Erziehungswesen, Sparerschutz, Wirtschaftskriminalität u. a.). Hier bemühen sich kritisch-dialektische Theorie und Analyse von ihren Prämissen her und auf ihre gesetzten Ziele hin, immanente Bewegungsgesetze des ökonomischen Prozesses mit seinen soziopolitischen Auswirkungen zu erkennen und theoretisch untermauerte Strategien für die politische Praxis zu entwerfen.

Systemtheoretische und kritisch-dialektische Theoriekonzeptionen zum Ansatz einer kritischen Systemtheorie zusammenfassend, läßt sich für den Prozeßaspekt von Systemen feststellen, daß Systeme im Laufe ihrer Entwicklung Stadien der immer stärkeren Differenzierung durchlaufen, daß dies jedoch Konsequenz und nicht Bedingung politisch-ökonomischer Veränderungen ist. Insbesondere die Art und Weise politischer und ökonomischer Nutzung und Verteilung gesellschaftlich erarbeiteter Produktion bestimmen den Prozeß komplexer Systeme.

c) Der Normenaspekt

Das wichtigste Erkenntnisziel funktionalistischer Theorie und Methode im Rahmen der Systemtheorie betrifft die Struktur als Ordnungsgeflecht des Systems. Die Normen der Wirklichkeit werden dabei entweder unkritisch übernommen oder die Normen des jeweiligen Systemmodells bestimmen sich nach dem funktionalistischen Erkenntnisziel der Aufrechterhaltung einer wie auch immer organisierten Ordnung. Politische Stabilität, deren funktionale und damit normative Bedingungen auf der Grundlage bestehender Verhältnisse werden zu den entscheidenden Bezugspunkten von Systemanalysen. Die so überwiegend vertretene Systemperspektive wird zur jeweiligen „Regierungsperspektive" und bedient sich damit der vorgegebe-nen Normen einer Herrschaftswissenschaft. Nur in diesem Realitätsbezug können der Normenaspekt der meisten systemtheoretischen Ansätze verstanden und ihr Leistungsvermögen wie auch ihre Schwachstellen kontrolliert und bewertet werden Erst deren kritische Reflexionsmöglichkeit erlaubt es, implizierte Normen aufzudecken und Systemideologie von Systemtheorie zu unterscheiden. Systemtheoretische Ansätze sind sich dieser Problematik nicht immer bewußt und ziehen sich damit Rügen von selten der dialektischen Kritik zu. So stellt etwa Jürgen Habermas fest: „Die Systemtheorie läßt allein den Typ zweckrationalen Handelns zu und trifft damit auf analytischer Ebene eine Vorentscheidung, die ausschließt, daß der Übergang von kommunikativem zu monologischem Handeln als ein empirischer Zusammenhang überhaupt thematisiert werden kann. Deshalb müssen „Werte" als Randbedingungen zweckrationalen Handelns irrational bleiben; ihr Geltungsanspruch kann nur noch als ein Faktum hingenommen, nicht mehr kritisch geprüft werden." So berechtigt diese Kritik von der Position kritischer Dialektik her erscheint und in bezug auf die Überprüfung praktischer ünd theoretischer Normen auch ist, so übersieht sie doch die Kraft des Faktischen, die von bestehenden Normensystemen zur integrierenden Regulierung von Systemgesamtheiten ausgehen, ob diese nun irrational sind oder nicht. Was die kritische Dialektik übersieht oder zumindest in seiner politischen Tragweite als zu gering veranschlagt, haben bis heute systemtheoretische Ansätze in stringenter Einseitigkeit der Ausrichtung auf bestehende Systeme oder theoretische vorgegebene Systemmodelle herausgearbeitet. Claus Offe bescheinigt denn auch dem (systemtheoretischen) Integrationsansatz eine „bestimmte Plausibilität", indem „die umfassendestaatliche Regulierung sämtlicher gesellschaftlicher Lebensprozesse, durch die spätkapitalistische Gesellschaftssysteme im Unterschied zu ihren bürgerlichen Ursprungs-formen definiert sind, . . . wohl vom Integrationsansatz her besser sichtbar gemacht und nachdrücklicher in Rechnung gestellt (wird) als vom konkurrierenden Konflikt-Modell" Für den systemtheoretisch-integrativen Normenaspekt spricht demnach zunächst einmal die größere Realitätsbezogenheit.

Habermas ist allerdings zuzustimmen, wenn er in dieser Einseitigkeit der Ausrichtung systemtheoretischer Ansätze auf Theorie und Analyse bestehender funktionaler Normensysteme eine unzumutbar alternativlose Beschränkung sieht. Diese Beschränkung aufzubrechen und zielgerichtet zu überwinden ist allerdings nicht leicht. Habermas'eigene Unterscheidung zwischen Normenkonsens und -dissens aufgrund von „bedingter legitimer Bedürfnisbefriedigung“ einerseits und „Interessenorientierung" als Folge umstrittener normativer Verteilung der Befriedigungschancen andererseits führt allerdings nicht weiter. Ihm selbst muß der kritisch-dialektische Vorwurf gemacht werden, daß er ganz im systemtheoretisch-affirmativen Sinne argumentiert, wenn er „die Orientierung des Handels an institutionalisierten Werten" für „unproblematisch" hält, solange „die normierte Verteilung der Chancen bedingter legitimer Bedürfnisbefriedigung auf einem Konsensus der Beteiligten beruht"

Th. W. Adorno hatte bei seiner Gegenüberstellung von kritisch-dialektischer Soziologie und empirischer Forschung auf die Notwendigkeit der Problematisierung „des hier und heute fixierten Gegenstandes" hingewiesen, dessen Starrheit es aufzulösen gelte „in ein Spannungsfeld des Möglichen und des Wirklichen", da „jedes von beiden ..., um nur sein zu können, aufs andere verwiesen (ist)" Im Fall der Problematisierung von fixierten Normen der Realität, die empirisch belegbar vom Konsensus der Beteiligten getragen werden, scheinen Habermas, der an anderer Stelle selbst das obige Adorno-Zitat aufgreift Dialektik und kritisches Bewußtsein abhanden gekommen zu sein.

Die Notwendigkeit der kritisch-dialektischen normativen Durchdringung empirisch-system-analytischer Forschungsergebnisse mag allerdings unter Hinweis auf die Meadows-Studie „Grenzen des Wachstums" im Rahmen des Massachusetts Institute of Technology (MIT), des Club of Rome und der Stiftung Volkswagenwerk sowie auf Konzeptionen des „Planning-Programming-Budgeting-System" (PPBS), des „Politischen Entscheidungshilfsmittels Sy-stemanalyse (PES) und weiterer Simulationsmodelle hervorgehoben werden. Ohne Prämissen, Ziele, Theorieansätze, Methoden und technische Verfahren dieser wichtigen neuen systemanalytischen Forschungsbeiträge und ihres Leistungsvermögens hier im einzelnen darstellen zu können, muß auf deren in unserem Zusammenhang interessierende normativen Schwachstellen verwiesen werden. Die Bezugsrahmen aller genannten Studien sind nämlich jeweils die in der Wirklichkeit bestehenden Systeme und deren Normen-gerüst.

Nun ist es zweifellos — wie bereits oben ausgeführt — verdienstvoll, innerhalb und unter den Bedingungen dieser Bezugsrahmen Forschungsarbeit zu betreiben. Allerdings muß sich jeder daran Beteiligte darüber im klaren sein, daß die Ergebnisse seiner Untersuchung nur insoweit Geltung beanspruchen können, als sie wiedergeben, was unter den bestehenden normativen Bedingungen geschieht und was bei Beibehaltung dieses Normensystems geschehen wird oder soll. Teilweise werden zwar in diesen systemanalytischen Studien durch Verfahren wie Simulation Kausalitätsbeziehungen instrumentell geändert oder es werden gesellschaftlich weitreichende Postulate aufgestellt, ohne jedoch aufzuzeigen, daß zu deren Durchsetzung bestehende Normen geändert werden müßten, geschweige denn, wie und wodurch sie geändert werden müßten.

Die zuletzt genannten Kritikpunkte sollen im folgenden durch zwei Beispiele aus den genannten Studien erläutert werden:

1. Die MIT-Studie „Grenzen des Wachstums" geht von 5 Grunderscheinungen aus, die menschliches und gesellschaftliches Leben in Gegenwart und Zukunft maßgeblich bestimmen:

a) Wachstum der Weltbevölkerung, b) Abbau der Rohstoffvorräte, c) Rückgang der pro Kopf verfügbaren Nahrungsmittel, d) Zunahme der Umweltverschmutzung, e) Steigerung der Industrieproduktion pro Kopf.

Auf der Grundlage von Simulationsverfahren wird das gefährliche exponentielle Wachstum dieser Grunderscheinungen in der nahen Zukunft nachgewiesen. Daraus werden u. a. folgende Forderungen abgeleitet:

a) Die Weltbevölkerung darf nur noch unwesentlich über ihre derzeitige Größe hinauswachsen.

b) Die Industrieproduktion muß allmählich stabilisiert werden.

c) Der Rohstoffverbrauch muß allmählich auf ein Viertel des heutigen Umfangs gemindert werden.

d) Die Entwicklung der menschlichen Gesellschaften muß in einen Gleichgewichtszustand übergehen.

e) Bestehende Wertmaßstäbe müssen drastisch revidiert werden (u. a. werden Bildungs-

und Gesundheitswesen gegenüber materiellen Gütern einen höheren Rang einnehmen müssen).

Dieser empirische Befund mag — wie die Verfasser im Vorwort selbst feststellen — eine Reihe von methodischen und analytischen Mängeln aufweisen Für unsere Fragestellung ist aber vor allem interessant, wie eine so berechnete krisenhafte Entwicklung auf der Grundlage weltweit bestehender Normensysteme (Wachstumsideologien in kapitalistischen Systemen, These vom „Einholen und Überholen" in sozialistisch-kommunistischen Systemen, Entwicklungsanstrengungen in den Ländern der Dritten Welt) durch gezielte normative Änderungen rechtzeitig verhindert werden könnte.

Hierauf findet sich in der MIT-Studie zwar ein Hinweis, eine weiterführende Frage wird allerdings weder aufgeworfen noch werden Methoden und Verfahren zu deren Beantwortung aufgezeigt. Entsprechend wird gegen Meadows und seine Mitarbeiter der Vorwurf ausschließlich technokratischer Modellierung unter Vernachlässigung soziologischer und politikwissenschaftlicher Normenprobleme erhoben. Das MIT-Team gibt diese für die praktische Umsetzung ihrer Forschungsergebnisse entscheidende und grundlegend zu bemängelnde Verkürzung seines theoretischen und methodischen Ansatzes auch zu. 2. PPBS, PES und Simulationsmodelle sind überwiegend instrumentell ausgerichtet. Das jeweils simulierte Systemmodell wird entweder aus der Praxis genommen oder theoretisch fixiert, in jedem Fall aber explizit nicht in Frage gestellt. Dies führt zu dem Dilemma eines theoretischen Planungsansatzes, der in einem Beitrag der „Neuen Zürcher Zeitung" gepriesen wird „als das auf der Welt zur Zeit sicher modernste Hilfsmittel, um angesichts der enormen Aufgaben, die uns in nächster Zukunft erwachsen, Entscheidungen zu treffen, die sich in jeder Hinsicht verantworten lassen" Das Dilemma besteht darin, daß eine fortgeschrittene Sozialtechnologie mit fehlendem oder unkritischem politisch-normativen Bezug ihre selbstgesetzte Aufgabe verfehlen muß, wenn sie entweder die zur politischen Realisierung ihrer Forschungsergebnisse notwendigen normativen Innovationen nicht berücksichtigt oder auf diese Innovationsnotwendigkeit zwar hinweist, die praktische Umsetzung aber dem bestehenden Normensystem überläßt — das sich allerdings nicht gemäß einem „Münchhausen-Theorem" an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen kann. Forrester betont, die Beantwortung der Frage, ob sich ein System entsprechend systemanalytischen Untersuchungen tatsächlich (auch normativ) ändert, „depends primarily on political leadership and improved public understanding" Damit wird die Umsetzung politisch und gesellschaftlich wichtiger Theorien und Analysen in die Praxis dem Zufall preisgegeben.

Hans Albert versucht, diesen unhaltbaren Zwiespalt dadurch zu überwinden, daß er die Notwendigkeit einer Verbindung von theoretisch unterbauter Sozialkritik mit theoretisch gestützter Sozialtechnologie betont. In diesem Problemfeld findet sich somit ein wichtiger Berührungspunkt zwischen kritischem Rationalismus (Albert, Popper) und kritischer Dialektik (Habermas, Adorno). Der Eindruck einer Tendenz zu einem sich teilweise überdeckenden Problembewußtsein über eine bislang häufig als strikte Trennungslinie verstandene gegenseitige Abgrenzung verschiedener Theorie-und Methodenansätze hinaus wird dadurch verstärkt, daß sich etwa Carl Bohret als Vertreter systemanalytischer Modellplanung und Simulationsverfahren gegen „unkritische Quasiexperimente" wehrt und von seiner Forschungsrichtung verlangt, daß sie über die „Funktionsweise eines bestehenden Systems" hinaus Systemmängel aufzeigt und damit in die Lage versetzt wird, „begründete punktuelle Kritik" zu leisten. Dies wiederum bildet die Voraussetzung dafür, daß sozialtechnologische Arbeitsergebnisse sozialkritischer Überprüfung und entsprechender normativer und normativ-innovativer Anwendung in Theorie und Praxis genügen können.

Zusammenfassend ist zum Normenaspekt festzuhalten, daß es systemtheoretische und -analytische Forschungsansätze gibt, die bemüht und — soweit bisher erkennbar — auch in der Lage sind, aufgrund von Untersuchungen über Systemstrukturen, -funktionen und -prozessen Aussagen über Mängel von gesamtgesellschaftlicher Tragweite zu machen. Sie vermögen aufzuzeigen, ob diese Schwachstellen in Verbindung mit normativen Systembedingungen zu erklären sind. Damit können derartige systemtheoretisch orientierte Ansätze wichtige, empirisch abgesicherte Vorarbeiten auf dem Gebiet der Früherkennung von Systemkrisen leisten. Normative Alternativen sind auf dieser Grundlage plausibler zu definieren und dann ebenfalls mit Hilfe von Computersimulationsverfahren o. ä. durchzuspielen und auf ihre Brauchbarkeit im Sinne globaler gesellschaftlicher Planungs-und Steuerungsmaßnahmen zu untersuchen. Eine Verbindung von hoch-entwickelten sozialtechnologischen Methoden, Verfahren und deren systemtheoretischem Rahmen mit gesellschaftskritisch-normativen Theorieansätzen scheint bei Weiterentwicklung dieser gemeinsamen Basis sinnvoll und in der Zukunft erfolgversprechend zu sein.

III. Die Transformation politikwissenschaftlicher Problemdimensionen in dialektische Kategorien der politischen Bildung

In bezug auf Theorieansätze und Paradigmata als notwendige Reduktionsstufen soziopolitischer Komplexität erfüllten die Problem-dimensionen im vorhergehenden Kapitel die Aufgabe, Leistungsvermögen und Schwachstellen unterschiedlicher approaches unter gemeinsamen Bezugspunkten kritisch und mit Hinweisen auf mögliche Weiterentwicklungen darzustellen. Der mit den Begriffen „Strukturaspekt", „Prozeßaspekt" und „Normenaspekt" umrissene Rahmen der einzelnen Problemdimensionen war formal, mit kontroversem Inhalt gefüllt und von daher bestimmt. Es stellt sich nunmehr die Aufgabe, die erörterten politikwissenschaftlichen Problemdimensionen für die politische Bildung nutzbar zu machen, um damit Strukturen für ein Modell zu gewinnen, das weiter trägt als Stoffkataloge 94a) oder durch ihren Ausschließlichkeitsanspruch fragwürdige Zielbestimmungen und Auswahlkriterien für die politische Bildung.

Hierzu ist es zunächst nötig zu klären, welchen möglichst konkreten Zielen und Inhalten die politikwissenschaftlichen Problemdimensionen im politischen Unterricht zu genügen haben. Sodann ist zu untersuchen, in welcher Form sie in die politische Bildung umsetzbar sind, ohne Lehrer wie Schüler vor unnötige Schwierigkeiten des Abstraktionsverständnisses zu stellen. Pädagogen und Didaktiker der politischen Bildung, wie Hermann Giesecke, Wolfgang Hilligen, Karl Christoph Lingelbach, Klaus Mollenhauer, Ernst-August Roloff, Erwin Schaaf, Rolf Schmiederer, Bernhard Sutor, Klaus Wallraven und Eckart Dietrich haben das Verdienst, sich in neuerer Zeit über die Problematik von Zielen, Inhalten und Form der politischen Bildung Gedanken gemacht und damit den Erkenntnisprozeß vorangetrieben zu haben. Die Konzeptionen, Vorschläge und Anregungen aller können hier nicht referiert und diskutiert werden.

1. Neuere Konzepte zu Theorie und Didaktik politischer Bildung Zwei der wichtigsten neueren Ansätze zu Theorie und Didaktik politischer Bildung — von Rolf Schmiederer und Wolfgang Hilligen — sollen in ihren Zielen und Inhalten im folgenden dargestellt und auf ihre Plausibilität in bezug auf die Umsetzung politikwissenschaftlicher Problemdimensionen für die politische Bildung untersucht werden:

a) Rolt Schmiederer Rolf Schmiederer legt die Ziele der politischen Bildung auf der Grundlage ihrer gesellschaftlichen Funktion fest und bestimmt von den Zielen her die Auswahl der Bildungsinhalte und die anzuwendenden Methoden. GesellschattlicheFunktionen der politischen Bildung sieht Schmiederer auf zweifache Weise:

a) in die Zukunft weisende, fortschrittliche, den bestehenden gesellschaftlichen Zustand transzendierende Funktionen;

b) affirmative, den Status quo konservierende und die bestehenden Herrschaftsverhältnisse verteidigende Funktionen In Übereinstimmung mit unserer einleitenden Analyse der funktionalen Orientierung von Erziehung und Bildung im Rahmen der Bedingungen bestehender Systeme kommt Schmiederer zu dem Ergebnis, daß „die Politische Bildung in erster Linie der Erhaltung der bestehenden Herrschafts-und Machtverhältnisse, dem gesellschaftlich-politischen Status quo verpflichtet" und „die Chance, .. . ein kritisches, auf Veränderung gerichtetes Bewußtsein hervorzubringen, . .. nur gering (ist)"

Dieser ernüchternden Aussage zur Wirksamkeit politischer Bildung in der politischen und gesellschaftlichen Realität stellt Schmiederer als Ziel politischer Bildung gegenüber, einen Beitrag zu leisten „zur Demokratisierung der Gesellschaft und zur Emanzipation der Menschen" Demokratisierung bedeutet hierbei „insbesondere den Abbau von überflüssiger und daher irrationaler Herrschaft von Menschen über Menschen. Erziehung zur Demokratie bedeutet demnach Stärkung des Widerstandes gegen Ausbeutung und Herrschaft im Zusammenhang einer nicht demokratisch kontrollierten Reproduktion der Gesellschaft und Entwicklung eines demokratischen Potentials" „Emanzipation zielt auf den mündigen, autonomen Menschen, auf den Menschen, der Subjekt der Gesellschaft und ihrer Entwicklung ist." „Politische Bildung als Beitrag zur Emanzipation bedeutet zuerst Aufklärung über die gesellschaftlichen Abhängigkeiten des Menschen, über jene Mächte, die sein Schicksal bestimmen, und jene Strukturen, die seine Autonomie behindern." Dies beinhaltet Herrschafts-und Ideologiekritik sowie „Schulung eines gesellschaftlichen Bewußtseins"

Schmiederer kritisiert die Bildungsziele der meisten Theorien zur Didaktik der politischen Bildung und fast alle Bildungspläne für den Sozial-und Gemeinschaftskundeunterricht als „allgemein gehaltener, moralischer Appell" und bezichtigt sie einer „ideologische(n) Funktion" Er selbst gerät allerdings in ein Dilemma, wenn er die hohen Ansprüche von Demokratisierung und Emanzipation als Ziele der politischen Bildung angibt, andererseits aber einräumt, es sei „ohne Zweifel . . . richtig, daß im Rahmen des bestehenden politischen Systems und der Befolgung seiner Spielregeln politische Mitbestimmung und politisches Handeln praktisch kaum möglich sind" Dieses Dilemma sucht Schmiederer durch das Instrument des „reflektierten Engagements" und dessen inhaltliche Voraussetzungen, die im folgenden gekürzt wiedergegeben werden, zu überwinden:

1. Soziologische Analyse der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse und Strukturen unter Einschluß der historischen Dimension;

2. Einbeziehung der gesellschaftlichen Interessen in den Unterricht;

3. Einsicht in die Zusammenhänge zwischen individuellem Schicksal, gesellschaftlichen Strukturen und Machtverhältnissen;

4. Verstehen konkreter und aktueller gesellschaftlicher Konflikte und Kontroversen, deren Analyse zugleich die Mittel und Möglichkeiten des aktiven Eingreifens in die politischen Auseinandersetzungen deutlich werden läßt

Als didaktische Hebel dienen primär die „konkreten und zu konkretisierenden Erfahrungen und Probleme der Schüler, die auf ihre gesellschaftlichen Ursachen zurückgeführt werden" Gelernt und eingeübt werden müssen „analytische Fähigkeiten im Umgang mit der Realität, mit gesellschaftlichen Problemen und politischen Prozessen, in der Auseinandersetzung um Interessen, Macht und Herrschaft" Bestehende Bewußtseinsstrukturen, Interessen und Ideologien sind auf ihre Werturteile hin zu untersuchen und einer kritischen Überprüfung zu unterziehen Das gesellschaftliche Ganze und der „Funktionszusammenhang der Gesellschaft" dürfen dabei nie aus dem Blick kommen

Nach der knappen Darstellung der Zielbestimmungen und Verhaltenserwartungen sowie des Katalogs inhaltlicher Anforderungen ist es interessant, sich mit Schmiederers inhaltlichen Auswahlprinzipien für die politische Bildung zu befassen. Schmiederer weist in diesem Zusammenhang zunächst auf die mit der Komplexität der Gegenstände des politischen Unterrichts verbundenen Probleme hin, die es verbieten, politische Bildung als Vermittlung von enzyklopädischem Wissen zu begreifen. Zum einen sei hierfür der Gegenstandsbereich zu weit gespannt und vielfältig, zum anderen berge die Ansammlung von isoliertem Faktenwissen die Gefahr in sich, daß wichtige Zusammenhänge nicht gesehen und Urteile an nicht repräsentativen Einzelheiten gebildet werden

Auf der Suche nach einem geeigneten Auswahlprinzip gerät Schmiederer allerdings selbst in Schwierigkeiten: Eine „Systematik relevanten Wissens" oder einen „Katalog notwendiger Wissensbestände" lehnt er als „ebenso unbrauchbar" ab 5. „Die Reduktion des Politischen auf gesellschaftliche . Urphänomene', , Elementargehalte', Fundamentalelemente', . fundamentale Einsichten'etc." als „didaktische(n) Kategorie(n)" ist nach Schmiederers Meinung „zum Scheitern verurteilt, da weder die Sozialwissenschaften noch die politische Didaktik die Grundlagen für solche Reduktionen des Gesamtbereichs Gesellschaft anbieten können"

Damit bleibt Schmiederer eine Auskunft über Strukturierungsmöglichkeiten der komplexen Thematik politischer Bildung schuldig. Statt dessen weicht er erneut aus auf das — zweifellos wichtige, aber nicht ausschließlich für die Erzielung von Lernergebnissen entscheidende — Erreichen und Erhalten von Motivation und Interesse des Schülers im politischen Unterricht. Schmiederers Aussage bleibt sehr vage, wenn er behauptet, das Ziel des politischen Unterrichts lasse sich im Prinzip mit jedem Thema erreichen, das eine gesellschaftliche Dimension besitzt, nur lasse es sich eben „mit manchen Themen besser bzw. leichter erreichen.. .. als mit anderen" Damit versucht er, vom Pädagogischen und Didaktischen her ein Problem zu lösen, das eben nicht nur ein pädagogisches und didaktisches Problem sein kann, da die fachwissenschaftlichen Implikationen nicht übersehen werden dürfen 118a).

Die Frage nach der fachwissenschaftlichen Strukturierung und der Unterrichtsmethodik zur inhaltlichen Gestaltung der politischen Bildung wirft Schmiederer überhaupt nicht auf. Was nützen Zielbestimmungen und inhaltliche Festlegungen der politischen Bildung, was nützen allgemeine didaktische Prinzipien der Aktualität und Realitätsnähe, was nützen Hinweise auf Motivation und Interesse der Schüler, wenn nichts Konkretes gesagt werden kann über die Struktur des Unterrichtsgegenstandes und seine Problem-dimensionen? Wichtige Prinzipien und Grundbegriffe für den Bereich der politischen Bildung (Macht, Herrschaft, Ideologie, Gesellschaft, Konflikt usw.) bleiben so unverbunden nebeneinander stehen oder werden — solange die Systematisierungs-und Strukturierungsgesichtspunkte nicht offengelegt werden — willkürlich und beliebig nachvollziehbar oder widerlegbar zueinander in Bezug gesetzt. Wie sollen, wenn man wie Schmiederer von einer ausschließlich dichotomischen Funktion politischer Bildung als progressiv oder konservativ ausgeht, die wiederholt betonten Interessen der Schüler kritisch analysiert und auf gesellschaftliche Ursachen zurückgetührt werden, wenn die Problemdimensionen derartiger Analysen und ihre Paradigmata nicht erhellt werden?

Schmiederer befürchtet, daß ein „systematischer Aufbau" von Themen im politischen Unterricht diese zu umfangreich, zu umfassend und zu allgemein werden läßt Ganz davon abgesehen, daß sich eine derartige Befürchtung niemals verallgemeinern läßt, sehen wir in Schmiederers Vorschlägen zur Auswahl von Inhalten des politischen Unterrichts die Gefahr der einseitigen Behandlung von Themen, die die Bedingungen des Status quo vernachlässigen und sich auf eindimensionale Herrschafts-und Ideologiekritik im Blick auf Demokratisierung und Emanzipation im Sinne eines einfachen Zielmodells beschränken, d. h. die Zielvariablen Demokratisierung'und Emanzipation’ werden unter ungenügender Berücksichtigung anderer Systemfaktoren (z. B. konservatives, politisch-desinteressiertes Bewußtsein der Mehrheit der Gesellschaft, determinierende Wirkung der bestehenden Produktionsverhältnisse, Ausdifferenzierung des Systems, wichtige Interdependenzrelationen auf der Basis bestehender politisch-ökonomischer Bedingungen) maximiert und als kritische Normen dem bestehenden Normensystem unvermittelt gegenübergestellt, wobei Ziel-und Istwert nicht miteinander verglichen und weder theoretisch noch pragmatisch mit Aussicht auf die Realisierbarkeit ein Weg der Annäherung von Soll-und Istwert aufgezeigt wird. Der Versuch, die Komplexität bestehender Systeme didaktisch wirksam zu reduzieren, wird dabei nur insoweit unternommen, als dialektische Spannungsverhältnisse in groben Rastern dargestellt werden. Es ist sehr fraglich, ob auf diese Weise ein reflektiertes Engagement von Schülern erreicht werden kann, das den bestehenden Verhältnissen und Möglichkeiten zu deren Veränderung gerecht wird. Das von Schmiederer vertretene „Fallprinzip" kann hierfür weder eine Alternative noch einen ausschließlichen Ersatz bieten.

Die von Schmiederer immer wieder mit Recht geforderten gründlichen Analysen gesellschaftlicher und politischer Einzel-und Gesamtprobleme sind ohne Strukturierung des zu analysierenden Gegenstandes nicht möglich, wobei die Reduktion der Komplexität des Gegenstandes bei der Behandlung im Unterricht jederzeit belegbar sein muß und sich nicht in einem ausschließlich antagonistischen Schema erschöpfen darf.

Was von Schmiederers Ansatz jenseits des Kritisierbaren an Positivem bleibt, sind seine Hinweise auf die Wichtigkeit von Zielbestimmungen und Bildungsinhalten, die sich nicht in der Darstellung und unkritischen Hinnahme des Bestehenden erschöpfen. Hervorzuheben ist weiter seine Vielzahl von Vorschlägen zu didaktischen Prinzipien des politischen Unterrichts. Unbefriedigend bleiben dagegen seine Darlegungen, soweit sie die problemorientierte Strukturierung von Inhalten der politischen Bildung betreffen. Schmiederer weist hiermit geradezu auf eine noch zu schließende Lücke im Zuge der Weiterentwicklung der Theorie politischer Bildung hin.

b) Wolfgang Hilligen

Die Notwendigkeit der Strukturierung von Inhalten der politischen Bildung wird von Wolfgang Hilligen klar erkannt. Ausgangspunkt ist für ihn die Frage: „Wie lassen sich Ergebnisse und Erkenntnisse der Sozialwissenschaften so mitteilen, daß sie zu reflektiertem politischen Urteil und zu politischem Handeln führen, und zwar nicht nur zur Bejahung der Grundwerte der freiheitlichen Demokratie, sondern zur Verwirklichung der im Verfassungsauftrag enthaltenen Ziele und, darüber hinaus, zur Humanisierung unter Nutzung und Berücksichtigung der Bedingungen einer wissenschaftlich-technischen Gesellschaft?"

Auch Hilligen will die Inhalte (Informationen) der politischen Bildung von ihrer Zielsetzung (Intention) her bestimmen. Hierbei geht er in Anlehnung an J. S. Bruner und Nipkow

von der pädagogisch-lerntheoretischen These aus, die Strukturierung von Bildungsinhalten ermögliche Erkennen und Lernen. Struktur-muster gestatten es demnach, sowohl die komplexe Fülle von Einzelheiten im Gedächtnis zu bewahren als auch diese zu transferieren, d. h. für neue Zusammenhänge in der Wirklichkeit verfügbar zu machen. Die Generalisierungsfähigkeit im Rahmen von Strukturmustern wird zur entscheidenden Voraussetzung der Transferierbarkeit. Für die politische Bildung verlangt Hilligen demnach „Klarheit über die gewählten Strukturmerkmale, wenn sich der Unterricht im Bewußtsein der Schüler nicht als eine Sequenz von zusammenhanglosen Tatsachen und abstrakten Wertforderungen spiegeln soll". Dabei habe es der politische Unterricht „sowohl mit den Systemkategorien der ihn konstituierenden Wissenschaften als auch mit didaktischen Kategorien zu tun" Die Aufgabe von wissenschaftlichen Systemkategorien besteht nach Hilligen darin, „eine komplexe Vielfalt von Erscheinungen (zu) ordnen, indem sie Gegenstände und Prozesse nach gemeinsamen Merkmalen klassifizieren (z. B. in der Politik: Regierungssysteme usw.; in der Soziologie: Klassen, Schichten usw.)“ Didaktische Kategorien fungieren demgegenüber „ausschließlich als Auswahl-und Strukturprinzip". Ihr „Ausgangspunkt" sind „Aufgaben der Gegenwart", die „Interdependenz der Phänomene", die „Bedeutung für das Leben", das „worauf es ankommt", „dringende Probleme der Menschheit" Die damit wenig präzise umschriebene Struktur und Funktion der di-daktischen Kategorien benutzt Billigen weiter „für die Beurteilung von Prioritäten in der Auswahl des Lehrnotwendigen'', „für einen demokratischen Minimalkonsensus" und zur Begründung von „kategorialen Entscheidungsfragen" Dies soll hier nicht weiter referiert werden. Vielmehr soll der Versuch unternommen werden, auf der Basis des bisher Dargestellten die Brauchbarkeit und Problematik von Billigens Kategorienansatz aufzuzeigen. Zunächst unterscheidet Billigen wissenschaftliche Systemkategorien und didaktische Kategorien. Eine Parallelisierung der wissenschaftlichen Systemkategorien bei Billigen und der oben explizierten politikwissenschaftlichen Problemdimensionen scheint nahezuliegen, wird jedoch den unterschiedlichen Ausgangspositionen und Zielvorstellungen nicht gerecht. Billigen benutzt nämlich die System-kategorien als einfache Klassifikationsinstrumente für den Gegenstandsbereich von Politikwissenschaft oder Soziologie. Von seinen genannten Beispielen („Regierungssysteme usw.") ausgehend, läßt sich eine Vielzahl derartiger Systemkategorien erschließen, die demnach lediglich dazu geeignet sein könnten, den jeweiligen wissenschaftlichen Gegenstandsbereich in Form strukturierender Kategorien in seiner Gesamtheit überschaubarer zu machen, ohne allerdings jenseits von statischer Strukturgewinnung die diesen Strukturen immanenten Probleme theoretisch, methodisch und analytisch aufzudecken. Auch Aspekte der Dynamik und des Wandels lassen sich aus seinen Beispielen nicht schließen, so daß der Verdacht, es handele sich hierbei um einen zu einem Gesamtbild „Politikwissenschaft" oder „Soziologie" zusammensetzbaren Kategorienbaukasten, nicht von der Band zu weisen ist.

Auch Begriff und Funktion der didaktischen Kategorien werden von Billigen nicht in der wünschenswerten Klarheit dargestellt. Soviel läßt sich allerdings entnehmen, daß System-kategorien'und didaktische Kategorien im politischen Unterricht nebeneinander bestehen sollen: Die Systemkategorien liefern ds fach-wissenschaftliche Klassifikationsfeld, die didaktischen Kategorien besorgen die Auswahl des Lehrnotwendigen, die Bestimmung des demokratischen Minimalkonsensus und die Begründung der kategorialen Entscheidungsfragen. Die so vorgenommene Trennung zwischen fachwissenschaftlichem Strukturraster und didaktischer Zubereitung für den politischen Unterricht ist allerdings äußerst problematisch, entsteht doch hiermit der Eindruck, als liefere die Fachwissenschaft im Rahmen der Systemkategorien perfekte Produkte, die lediglich unter den Bedingungen der Alltags-erfahrungen im politischen Unterricht zu dialektischer Diskussion gestellt werden müßten. Billigens Frage, „von welchen Gefahren und Chancen der Mensch in Gegenwart und Zukunft betroffen ist" führt ihn dazu, diese in je drei Gruppen zu unterteilen (Gefahren: Bünger, Unterdrückung, Vernichtung; Chancen: Bedürfnisbefriedigung, Autonomie, humaner Austrag von Konflikten) und als „Folgeerscheinungen von drei grundlegenden Veränderungen" zu begreifen, „durch die sich das wissenschaftlich-technische Zeitalter von aller Vergangenheit unterscheidet"

Diese grundlegenden Veränderungen bezeichnet er auch als „Herausforderungen" und versteht darunter „Interdependenz", „Massenproduktion“ und „Massenvernichtungsmittel" Damit sind zwar Kategorien zur inhaltlichen Stukturierung von Themen der politischen Bildung gewonnen, es bleibt allerdings unklar, wie mit diesen Kategorien die Problematik politischer Berrschaft und ökonomischer Macht oder die Implikationen unterschiedlicher sozio-ökonomischer Strukturen und deren Wandel erfaßt werden sollen

Zur Fixierung von Zielen der politischen Bildung bedient sich Billigen „Optionen", um damit umfangreiche „Einsichten" -Kataloge für einen demokratischen Minimalkonsensus auf wiederum drei Kategorien reduzieren zu können: Unantastbarkeit der Menschenwürde; die Notwendigkeit, Voraussetzungen für die Entwicklung der Menschenwürde, Autonomie, Emanzipation, Chancengleichheit aller zu schaffen; die Notwendigkeit, Spielraum und Institutionen für Alternativen zu schaffen und zu erhalten Für diese Ziele gilt analog dem zu Schmiederers Zielformulierungen Ausgeführten, daß sie als Projektionen von Soll-Werten verbindungslos der politischen und gesellschaftlichen Realität gegenüberstehen. Aufgabe von Kategorien wäre es allerdings gerade, im Spannungsfeld von Wirklichkeit, Möglichkeit und Notwendigkeit entscheidend wichtige Problemdimensionen aufzuzeigen. Statt dessen führt der kategoriale Ansatz Billigens zu einer unnötigen Zersplitterung inhaltlich, zielorientiert und formal be-stimmter Kategorien, die die damit bezweckte Reduzierung von Komplexität der Wirklichkeit für die politische Bildung wieder in Frage stellt.

Das zuletzt Gesagte läßt sich auf Hilligens Vorschläge für „kategoriale Entscheidungsfragen" ausdehnen. Die wichtigen Fragen nach Notwendigkeit und Grenzen staatlicher und gesellschaftlicher Planung, Umverteilung und gezieltem Einsatz finanzieller Mittel, menschlicher Autonomie und technologischen Zwängen sind auf der vorgelegten Kategorienbasis nur unzureichend zu beantworten. Hilligen kritisiert zu Recht die Vernachlässigung der Entwicklung von „Fähigkeiten zur Kritik und Antikritik, zur Analyse von Meinungen auf dem Hintergrund von Interessen und Ideologien" und fordert als pädagogisches Ziel politischer Bildung die Entwicklung von Fähigkeiten der „Antizipation der Konsequenzen von Alternativen für einzelne, Gruppen ünd Gemeinwesen" Diese Forderung dürfte allerdings nur in Verbindung mit der Kenntnis der Implikationen von Problem-dimensionen der an der politischen Bildung beteiligten Wissenschaften, insbesondere der Politikwissenschaft, einzulösen sein.

Die politikwissenschaftliche Forschung würde ihre eigentliche Aufgabe verfehlen, wäre sie nicht in der Lage, im Rahmen ihrer Problem-dimensionen zumindest vorläufige, kontroverse und weiterzuentwickelnde Ansätze zu Zielen, Inhalten und Methoden für jene politischen und gesellschaftlichen Bereiche vorzulegen, die Hilligen betont. Die wichtigen und notwendigen Anstrengungen fachspezifischer Didaktik können keinen Ersatz für die möglichst umfangreiche Rezeption des jeweils neuesten fachwissenschaftlichen Entwicklungsstandes, seiner Zielbestimmungen, Inhalte, Theorien, Methoden und Analysetechniken sein.

2. Zur Strukturierung von Zielen und Inhalten der politischen Bildung

Was von Hilligens Ansatz jenseits der angeführten Kritik hervorzuheben bleibt, ist sein Bemühen um strukturierende Komplexitätsreduktion von Zielen und Inhalten der politischen Bildung in Form von Kategorien. Seine lerntheoretische Ausgangsposition und der daraus resultierende Strukturierungsansatz sowie der Versuch, ausformulierte Ziele und Inhalte der politischen Bildung damit didaktisch wirksamer zu machen, bleiben im folgenden zu berücksichtigen.

Nach dem zu den didaktischen Konzeptionen Schmiederers und Hilligens kritisch Dargelegten mag der Eindruck entstanden sein, im folgenden handele es sich darum, deren Ansätze durch Ergänzungen und Alternativen gewissermaßen „auf den richtigen Weg" zu bringen. Die Kritik sollte allerdings die Aufgabe haben, einen Bezug herzustellen zwischen Leistungsvermögen und Schwächen gegenwärtiger didaktischer Ansätze in der politischen Bildung unter dem Gesichtspunkt der Strukturierung von deren Zielen und Inhalten einerseits und den im vorhergehenden Kapitel dargelegten Problemdimensionen der Politikwissenschaft auf ihrem gegenwärtigen Stand andererseits. Die politikwissenschaftlichen Ansätze lieferten damit eine wesentliche Grundlage für die Kritik didaktischer Konzeptionen in der politischen Bildung. Verschieden orientierte Ansätze mögen bei ihrer Kritik natürlich zu unterschiedlichen Schwerpunktbildungen gelangen. Beispielhaft verdeutlicht werden kann dies etwa an den kontroversen Auffassungen zur Strukturierung von Inhalten der politischen Bildung mittels Kategorien zwischen Hilligen und Schmiederer. Während Hilligen betont auf die Notwendigkeit derartiger Strukturierungsinstrumente abhebt und hierzu Vorschläge unterbreitet, geht Schmiederer in seiner Ablehnung sogar so weit, generell zu behaupten:

„Niemand kann einigermaßen einleuchtend bestimmen, welches die . Grundelemente'und Grundkenntnisse ...sein sollen, nach denen sich der Unterricht in Inhalt und Ablauf richten soll." Entsprechende Konzeptionen sind für ihn rundweg „falsche Ansätze" und „in der Regel nichts anderes als eine Ansammlung von Leerformeln und Binsenweisheiten . . . oder ... künstliche Konstruktionen, die über die Ideologie des Verfassers mehr aussagen als über die Gesellschaft". Als Konsequenz sieht er eine „manipulative Einschränkung des Unterrichts und nicht selten . ..dessen Ideologisierung", da so „die politisch-gesellschaftliche Realität in ihrer Vielseitigkeit und Problematik ... mit Sicherheit verfehlt" 133a) werde. Es ergibt sich aus der bisherigen Darstellung, daß in diesem Punkt Schmiederers Meinung bereits deswegen als unhaltbar erscheint, da die auch von ihm hervorgehobene Vielfalt (Komplexität) und Problematik der sozio-politischen Realität nach didaktischen Reduktionsinstrumenten für die politische Bildung verlangt. „Gemeinschaftsideologie und Harmoniepostulat" sind damit keineswegs „in der Regel" 133b) verbunden, sollen vielmehr eben mit Hilfe komplexitätsreduzierender didaktischer Strukturierungsinstrumente aufgedeckt und in bezug auf ihre interessenverschleiernde Einseitigkeit überwunden werden. Eine praktikable Alternative hierzu zeigt Schmiederer nicht auf.

Gerade dies läßt allerdings auch eine Diskussion über die Strukturierung von Zielen und Inhalten der politischen Bildung für deren weitere Entwicklung sinnvoll erscheinen. Die kritische Hervorhebung von Mängeln soll im Rahmen dieser Arbeit Ausgangsposition für die im folgenden zu leistende Darlegung von Strukturierungsmustern für die politische Bildung sein, die versuchen, den aufgezeigten Problemdimensionen in der Politikwissenschaft gerecht zu werden und gleichzeitig didaktischen Anforderungen zu genügen, wie sie u. a. bei Schmiederer und Hilligen formuliert wurden. Die Absicht ist, damit einen weiterführenden Ansatz zur Komplexitätsreduktion in der politischen Bildung und der Erhöhung ihrer Wirksamkeit zu leisten.

Vor der Erörterung von Strukturierungsmustern für die politische Bildung sind allerdings noch einige Hinweise nötig, die Mißverständnisse in der Hinsicht vermeiden helfen, als handele es sich hierbei um ein primär formales Vorhaben, das die Gliederung von Unterrichtsinhalten bei Vernachlässigung von deren pädagogischen Zielen und deren gesellschaftlichen Konsequenzen anstrebe

Die Überlegungen zur Strukturierung der Inhalte politischer Bildung beziehen sich sowohl auf deren sozio-politische Bedingtheit wie auf deren mögliche Auswirkungen auf den politischen Sozialisationsprozeß, d. h., das Gesamtvorhaben ist in die Grenzen und Möglichkeiten jenes politisch-ökonomischen Rahmens einbezogen, der im 1. Kapitel dargestellt wurde. Aufgabe der inhaltlichen Strukturmuster politischer Bildung soll es demnach sein, das sozial-und politikwissenschaftlich in Problemdimensionen Erkannte in seiner Bedeutung für die gesellschaftliche Funktion des politischen Unterrichts umzusetzen, es mit lerntheoretischen Konzeptionen zu verbinden und damit Grundentwürfe und Motivationen für gesellschaftliches und politisches Verhalten und Handeln zu liefern Die Vorlage eines eigenen Curriculum-Entwurfs ist damit noch nicht verbunden, wohl jedoch sollen hierzu Anregungen vermittelt werden.

3. Strukturmuster politischer Bildungsinhalte und sozio-politisches Verhalten

Für Verständnis und Anwendung der im folgenden darzulegenden Strukturmuster zur inhaltlichen Gliederung der politischen Bildung ist weiter deren Perspektive hervorzuheben, die auf die sozialen Interaktionen zwischen Individuen, Gruppen und Gesamtgesellschaft abzielt. Dabei soll sowohl der gesellschaftlichen Differenzierung wie dem oben nachgewiesenen Herrschafts-und Machtgefälle Rechnung getragen werden. Für den politischen Unterricht soll dies heißen, daß dem Schüler seine Position, und seine Rollen sowohl unter den Bedingungen einer komplexen Gesellschaft wie deren Herrschafts-und Kontrollmechanismen innerhalb des politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Gesamtrahmens (System) bewußt werden. Die individuelle Standortbestimmung im gesamtgesellschaftlichen Funktionszusammenhang liefert Erkenntnisse und Fähigkeiten zur Analyse der eigenen Position und Rollen, damit der eigenen Interessen und der mit dem Versuch von deren Durchsetzung verbundenen Konflikte.

Diese Zusammenhänge aufzudecken, erkennbar und bewußt zu machen, ist die erste pädagogische Aufgabe politischer Bildung, von der aus erst sinnvoll die weiteren Aufgaben der Bestimmung gesellschaftspolitischer und politisch-individueller Ziele und der damit verbundenen gesellschaftlichen und politischen Inhalte geleistet werden können. Unterschiedliche gesellschaftliche und politische Haltungen und Einstellungen der Schüler sollen hierbei möglichst frei von voreiliger Wertung im politischen Unterricht zum Ausdruck kommen 4. Es wird zu zeigen sein, daß sich diese unterschiedlichen Einstellungen und Haltungen im Rahmen der Strukturmuster sammeln lassen, wo sie kontrovers bleiben können, allerdings durch deren logische Beziehungen an Rationalität gewinnen, damit intellektuell faßbar, durchschaubar, überprüfbar, kritisierbar und veränderbar werden.

Die Strukturmuster der politischen Bildungsinhalte sollen in der Lage sein, in Überein-stimmung mit der Forderung von Klaus Wallraven und Eckart Dietrich nicht nur als Instrumente zur (Zer-) Gliederung der überwältigenden Stoffülle zu dienen, sondern „das Wechselverhältnis zwischen individuellem Lehrerverhalten, verhaltensprägender Schulstruktur sowie den in diese Struktur investierten gesellschaftlichen Erziehungserwartungen ... in ihre Theoriebildung als Erkenntnisgegenstand einzubeziehen" Die Strukturmuster sollen deswegen gleichzeitig als Grundeinheiten (Kategorien) von Analysen der Gesamtzusammenhänge zwischen politisch-ökonomischen Rahmenbedingungen, pädagogischer Forschung, Lehrerausbildung, Hochschule, Schule und Unterricht didaktisch wirksam werden können, um mit ihrer Hilfe über plumpe vorurteilsgeladene und stereotype Bestätigung oder Kritik des jeweils gerade bestehenden politischen und gesellschaftlichen Zustandes hinauszureichen.

Hierbei gilt, daß man „Strukturbedingungen . .. zureichend nur untersuchen (kann), wenn man die Frage höher ansetzt als bestehende Strukturen" 137a). Unkritische Bestandsaufnahmen des politisch-ökonomischen Rahmens und seiner Bedingungen für das Erziehungsund Bildungswesen von der Vorschulerziehung bis zur Lehrerausbildung vermögen die Notwendigkeit für Innovationen in der politischen Bildung nicht zu erhellen. Wenn Hermann Giesecke sein didaktisches Konzept für die politische Bildung mit dem wichtigen Zusatz versieht, daß „ein Lehrer, der nicht politische Wissenschaften oder Soziologie studiert hat, .. . mit diesem (Gieseckes — W. B.) Modell kaum-arbeiten" 13713) könne, so läßt sich notwendigerweise gleiches von dem hier vorgelegten Ansatz sagen, verbunden mit dem weiteren Hinweis, daß selbst das Studium von Politikwissenschaft und Soziologie ohne Ausbildung theoretisch und methodisch fundierter Kritikfähigkeit für die Praxis der politischen Bildung unzureichend ist.

Die weiterführende Aufgabe der inhaltlichen Strukturierung politischer Bildung besteht darin, Zielorientierungen des einzelnen, die Erkenntnis über deren Möglichkeiten und Grenzen sowie entsprechende Verhaltensbestimmungen und -erwartungen in Gruppen und Gesellschaft zu erleichtern. Politische Bildung hat in einer komplexen Gesellschaft die Aufgabe, die Komplexität der Wirklichkeit adäquat zu reduzieren und didaktisch so umzusetzen, daß auf der Basis reduzierter Komplexität im Unterricht deren Erfassung in der Wirklichkeit möglich wird und den Schüler befähigt, in einem Lernprozeß die Komplexität der Wirklichkeit von vereinfachenden Strukturmustern her zu begreifen, nachvollziehen und von seinem rational bestimmbaren Standort aus kritisch bewerten zu können. Dies liefert wiederum die Grundlage für sein praktisches Verhalten in der komplexen gesellschaftlichen Umwelt der Realität.

Die Strukturmuster zur Komplexitätsreduzierung von Inhalten der politischen Bildung werden im folgenden zunächst in den Rahmen eines für diese verbindlichen allgemeinen Paradigmas gestellt. Unter Paradigma verstehen wir in der politischen Bildung analog dem oben in bezug auf Problemdimensionen in der Politikwissenschaft Ausgeführten einen formalen Bezugsrahmen, der es ermöglicht, eine verbindliche Grundorientierung und daraus abzuleitende Perspektiven für ein Problem zu geben Dieses Paradigma als Rahmen für die Bestimmung der Strukturmuster ist zunächst zu erläutern und bleibt für die weiteren Erörterungen unverändert maßgebend.

4. Der Begriff des Systems als Paradigma

Als paradigmatisches Orientierungsschema dienen im folgenden der Begriff des Systems und die damit verbundenen Theorieansätze. Diese sollen zunächst — soweit im Zusammenhang der Darstellung erforderlich — möglichst vereinfacht und mit konkreten Bezügen beschrieben werden. Es sei außerdem nochmals darauf hingewiesen, daß diese und die folgenden Darlegungen zur Strukturierung von Inhalten der politischen Bildung in einem dauernden, engen Beziehungsverhältnis zu dem oben über Problemdimensionen der Politikwissenschaft Ausgeführten gesehen werden müssen.

a) System

Begriff, Bezugsrahmen und Theorieansätze zum Paradigma des Systems wurden deswegen als übergreifendes Orientierungsmuster gewählt, da es in den letzten Jahrzehnten stetig zunehmend an weitreichender und umfassender wissenschaftstheoretischer Bedeutung mit starken Auswirkungen auf die interdisziplinäre Forschung gewonnen hat. Das Systemkonzept findet sich in den Naturwissenschaften ebenso wie in den Wirtschafts-und Sozial-wissenschaften. Allerdings liegt inzwischen eine Vielzahl von Systembegriffen und -theoremen vor, die es zu einem Erfordernis machen, den jeweils zugrunde liegenden System-begriff zu explizieren und gegebenenfalls in seinem Verhältnis zu anderen Systembegriffen aufzuzeigen oder davon abzugrenzen. Dies soll hiermit geschehen: Unter System wird zunächst ein formal Ganzes verstanden, das aus zusammengehörenden und miteinander verbundenen Teilen besteht. System wird dann definiert als „gegenseitige Abhängigkeit von Teilen oder veränderlichen Faktoren", wobei unter „gegenseitiger Abhängigkeit“ verstanden wird „die Existenz festgelegter Beziehungen zwischen den Teilen oder Variablen im Gegensatz zu dem Zufall überlassener Veränderlichkeit" Eine Einengung erfährt dieser allgemeine Systembegriff durch die Bestimmung, daß sich ein soziales System von seiner Umwelt unterscheiden und für die Handelnden selbst in seinen Grenzen erkennbar sein muß Erkenntnistheoretisch hat das Paradigma des Systems die Funktion, die Komplexität der Wirklichkeit für den Erkennenden, Lehrenden oder Lernenden zu reduzieren. In gesellschaftlicher und politischer Hinsicht lassen sich Systemgrenzen inhaltlich-konkret mit dem Geltungsbereich einer Gesamtverfassung und den Grenzen eines souveränen Staates (hierfür ist nicht die völkerrechtliche Anerkennung maßgebendes Kriterium, sondern der spezifische Systemcharakter, der dieses System von anderen unterscheidet) umschreiben 141). Derartige nationale Systeme (Nationalstaaten) stellen die Akteure im Bezugsrahmen des internationalen Systems dar und bestimmen durch internationales politisches Handeln (Außenpolitik und deren Instrumente) dessen Struktur und Prozesse. Maßgeblich für das Gewicht eines nationalen Systems im Rahmen des internationalen Systems sind sein innerer Zustand und dessen Entwicklung sowie bestimmte relativ konstante Größen wie territoriale Fläche, Bevölkerungszahl, wirtschaftliche Ressourcen u. a. Das mit „innerer Zustand und dessen Entwicklung" umschriebene, bisher noch weiße Feld zur genaueren politischen und gesellschaftlichen Bestimmung von Strukturen, Prozessen und Normen im Rahmen von nationalen Systemen soll mit Hilfe von theoretisch und analytisch im Rahmen der politikwissenschaftlichen Problemdimensionen erörterten Kategorien noch strukturiert werden.

Zuvor bedürfen allerdings die Strukturen innerhalb von Systemen und deren Bewegungen und Folgewirkungen (Funktionen bzw. Dysfunktionen) noch einer kuzen Erläuterung.

Teilbereiche eines Systems (konkret: Wirtschaft, Bildungswesen, Parteien, Interessengruppen, Familie, Jugend usw.) stehen zu den allgemeinen Systembedingungen und -normen (z. B. rechtstaatliche Demokratie, soziale Marktwirtschaft, Sozialismus, Freiheit u. a.) in einem überwiegend funktionalen Verhältnis, d. h., sie bejahen die bestehenden Systembedingungen (ob reflektiert oder unreflektiert, spielt im Rahmen dieser positivistisch-formalen Bestandsaufnahme und Begriffserklärung keine Rolle, wird allerdings noch zu erörtern sein) mehrheitlich, passen sich ihnen an und ordnen sich ihnen unter. Auch hier ergibt sich vorläufig ein weißes Feld, das noch mit Hilfe der Strukturierungsinstrumente für den Inhalt der politischen Bildung gefüllt werden wird. Hier ging es darum, den paradigmatischen Systemrahmen formal aufzuzeigen und anhand einiger Beispiele auf konkrete Inhalte hinzuweisen.

Um einem globalen, undifferenzierten System-begriff als paradigmatischem Ansatz vorzubeugen, sind noch einige Erläuterungen zu den wichtigen Teilsystemen des Gesamtsystems und deren Rolle in bezug auf die Gesamtfunktionalität des Systems notwendig. Als wichtigste Teilsysteme sind hierbei zu unterscheiden: das soziale, das politische und das ökonomische System sowie das von diesen ausgehende und auf sie zurückwirkende, das Gesamtsystem maßgeblich bestimmende ideologische System. b) Soziales System Das soziale System komplexer Gesellschaften ist durch ein hohes Maß an Ausdifferenzierung gekennzeichnet. Dies führt zu einer rela-tiven Autonomie von Teil-und Subsystemen, zwingt diese wegen einseitiger Spezialisierung und Arbeitsteilung jedoch gleichzeitig zu verstärkter Kooperation und integriert damit das Gesamtsystem. c) Politisches System Das politische System stellt ein ausdifferenziertes System des sozialen Systems dar, dessen Autonomie dadurch relativ hoch ist, daß sich in ihm der zentrale, dem sozialen System bekannte Ort für höchste, gesamtgesellschaftlich verbindliche Entscheidungen befindet (Regierung, Parlament, Spitzen von Parteien und Fraktionen, Staatspräsident, oberste Gerichte, Verwaltung). Das politische System ist in seinen Entscheidungen und Wertezuteilungen jedoch keineswegs uneingeschränkt souverän. Dies hängt zum einen mit der funktionalen Interdependenz komplexer Systeme zusammen (jeder ist irgendwie von jedem abhängig), zum anderen mit der für das Gesamtsystem komplexer Gesellschaften kaum zu unterschätzenden Rolle des ökonomischen Systems.

d) ökonomisches System

Differenzierung und Spezialisierung im Bereich des ökonomischen Systems bedingen entsprechende Wandlungen im sozialen System. Soziales und politisches System sind auf die Funktionsfähigkeit des ökonomischen Systems um ihrer eigenen Funktionsfähigkeit willen im Zusammenhang mit der Konkurrenz von Systemen auf internationaler Ebene angewiesen. Dies führt dazu, daß soziales wie politisches System eine der Komplexität des ökonomischen Systems entsprechende Eigen-komplexität entwickeln müssen. Gleichzeitig schließt dies ein, daß Entscheidungen und Wertezuteilungen weder durch das politische noch durch das soziale System unter Vernachlässigung der Bedingungen des ökonomischen Systems vorgenommen werden können. Dies heißt weiterhin, daß ein ökonomisches System, das in dieser Weise auf das politische und soziale System Einfluß nimmt, maßgeblich bei der verfassungsrechtlichen oder politischen Fixierung von Normen, die für das Gesamtsystem verbindlich sind, mitwirkt.

e) Ideologisches System

Da gesamtgesellschaftlich verbindliche Normen in der politischen und gesellschaftlichen Realität nicht als Normen eines Teilsystems, sondern als Normen des Gesamtsystems mit entsprechender uneingeschränkter Verbindlichkeit für alle Systemmitglieder dargestellt werden, also vorgeben, verbindliche normative Interpretation der gesamten Systemwirklichkeit zu sein, ohne daß dies der Fall ist, stellen sie ein ideologisches System dar. Dieses stark ökonomisch bedingte, politisch gesamtgesellschaftlich verbindlich interpretierte ideologische System ist ein ebenso entscheidender Faktor für die ideelle Integration des Gesamtsystems, wie es das ökonomische System für die materielle Integration ist. Das politische System fungiert hierbei als Schaltstation zwischen ökonomischem und sozialem System, wobei das ideologische System als umfassender Rahmen für den consensus omnium dient.

5. Begriff und Leistungsanspruch der Kategorien

Das im Rahmen des Paradigmas „System" Dargestellte kann im wesentlichen nur als formaler Rahmen dienen, der allerdings des besseren Verständnisses wegen teilweise konkretisiert wurde, wobei zwangsläufig Wertungen einflossen. Das hierzu Ausgeführte bliebe allerdings unvollständig und unbelegt, würde es nicht durch Grundeinheiten (Kategorien) ergänzt und mit konkretem Inhalt versehen. Wiederholt wurden nun die Begriffe Struktur(ierungs) muster, Grundeinheiten und Kategorien für das weitere Vorhaben der den politikwissenschaftlichen Problemdimensionen adäquaten Gliederung von Inhalten der politischen Bildung zur Steigerung von deren didaktischer Wirksamkeit gebraucht. Es sei hier festgestellt, daß keiner dieser Begriffe eine Vorzugsstellung gegenüber den anderen einnimmt, daß allerdings im folgenden wegen der Einheitlichkeit der Terminologie der Begriff „Kategorie" benutzt wird, u. a.deswegen, weil er bei Strukturierungsversuchen anderer Autoren vorzugsweise Verwendung fand (Giesecke, Hilligen, Mollenhauer, Sutor). Was sollen Kategorien als Strukturierungsmuster von Inhalten politischer Bildung leisten? Formal lassen sie sich zunächst als Instrumente zur Klassifizierung bezeichnen, dies allerdings mit dem Zusatz, daß die Klassifizierung auf der Grundlage der politikwissenschaftlichen Problemdimensionen erfolgen soll. Nicht mosaikartiges Zusammentragen, Sammeln und Vergleichen sowie nachfolgendes Einordnen in Übersichtstabellen soll die Funktion von Kategorien sein, sondern die problemorientierte Zusammenfassung von Schwerpunkten der Politikwissenschaft und deren im Rahmen von Kategorien beabsichtigte Transformation zugunsten der besseren Überschaubarkeit der wesentlichen Problem- bereiche politischer Bildung und deren didaktischer Umsetzung.

Die Kategorien sollen hierbei — möglichst konkret und allgemeinverständlich gefaßt — diese Problembereiche umfassen und gleichzeitig die Möglichkeit für nachgeordnete Kategorien offenhalten, die als Kategorien zweiten oder dritten Grades wesentliche Bestandteile des jeweiligen Problembereiches und seiner didaktischen Vermittlung sind. Erst dadurch vermag ein problemorientiertes, abgestuftes Kategoriensystem weder zu allgemein noch zu elementar der Komplexität gesellschaftlicher und politischer Realität zu entsprechen. Der Anspruch der Problemorientiertheit an die Kategorien bringt es mit sich, daß sie dialektisch-kontrovers und dynamisch sein müssen.

Weiter bleibt zu berücksichtigen, daß die didaktische Funktion der Kategorien darin besteht, die damit und darin beinhalteten gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Problembereiche für den einzelnen insofern zu verdeutlichen, daß er seinen Standort, seine Position und Rollen individuell, in Gruppenbeziehungen, gesamtgesellschaftlich und bei vollem Ausziehen dieser Perspektive im internationalen Verhältnis erkennt, sie zu analysieren und zu beurteilen vermag und Schlußfolgerungen für sein praktisches gesellschaftliches Verhalten daraus zu ziehen in der Lage ist.

Im folgenden werden die Kategorien in ihrem Bezug zum Systemrahmen und zu dem jeweiligen Systemparadigma aufgeführt, anschließend einzeln erörtert:

6. Kategorie: Gesellschaft und Wirtschaft

Dialektik: Sozio-ökonomische Struktur und sozio-ökonomischer Wandel

Mit dieser Kategorie vermag die unmittelbare Betroffenheit durch gesellschaftliche und wirtschaftliche Strukturen und Prozesse für jeden einzelnen erhellt zu werden. Die strukturelle Betrachtung der Gesellschaft der BRD etwa macht den Schülern deren Differenziertheit deutlich, zeigt ihnen ihre je spezifische Position und Rollen im Rahmen der Gesellschaft und jener Gruppen, denen sie durch Geburt, Freundschaft, Interessen, Sozialisation u. a. angehören. Die gesellschaftliche Strukturbetrachtung zwingt gleichzeitig zu Fragen nach deren Ursachen und Bedingtheiten, Hinweisen auf die gesellschaftlich strukturierenden Auswirkungen ökonomischer Prozesse und Veränderungen von der industriellen Revolution bis heute. Deswegen ist es sinnvoll, keine separaten Kategorien von Gesellschaft und Wirtschaft zu bilden, sondern deren unmittelbare Übergänge in einem gemeinsamen Rahmen darzustellen und zu behandeln. Nicht übersehen werden können bei einer gesellschaftlichen und ökonomischen Strukturbetrachtung im Rahmen dieser Kategorie deren Einwirkungen auf die gesamtgesellschaftlich verbindliche Politik (Kategorie „Politische Herrschaft") und die Rückwirkungen politischer Institutionen auf Gesellschaft und Wirtschaft. In diesem Zusammenhang muß die Problematik von „Schichten-und Klassen-gesellschaft" im Unterricht erörtert werden. Von der Dynamik ökonomischer und gesellschaftlicher Prozesse war bereits die Rede. Der damit verbundene Wandel ökonomischer und gesellschaftlicher Strukturen soll im Rahmen der dialektischen Konzeption der Kategorie „Gesellschaft und Wirtschaft" eingefangen werden. Hierbei sind Ursachen und Auswirkungen ökonomischer und gesellschaftlicher Wandlungen darzustellen und in Bezug zu setzen zu der Kategorie „Politische Herrschaft". Möglichkeiten und Grenzen der Einflußnahme und Steuerung sozio-ökonomischer Prozesse durch das politische System können damit verdeutlicht werden; ebenso Ursachen und Auswirkungen von gesellschaftlichen Spannungen, die sich aufgrund von Wandlungsprozessen ergeben und entweder durch politische Maßnahmen gemildert oder aufgehoben werden oder zu Oppositionsbewegungfen) in der Gesellschaft führen, die ihre Gruppenanliegen in ihrer gesamtgesellschaftlichen Relevanz vorbringen, politisch artikulieren und damit direkt oder indirekt (über Parteien oder Verbände) zu jener politischen Opposition werden, von der im Rahmen der Dialektik der Kategorie „Politische Herrschaft" noch zu sprechen sein wird.

Die gesellschaftliche Standortbestimmung des einzelnen, die Erkenntnis seiner Interessen sowie Möglichkeiten und Grenzen von deren Durchsetzung läßt sich innerhalb der Kategorie „Gesellschaft und Wirtschaft“ vornehmen. Hierbei erkennt der Schüler seine bestehende Position und die damit verbundenen Rollen in der Gesellschaft, deren Differenzierung in Schichten und Gruppen, deren ökonomische und politische Vermitteltheit und Abhängigkeit aber auch Möglichkeiten, den eigenen gesellschaftlichen Spielraum im Sinne seiner politischen Interessen engagiert zu nützen. Gesellschaftliche Theorien aller Schattierungen erhalten für ihn so ebenso einen neuen, rational kritisierbaren Stellenwert wie empirisch ermittelte Meinungsbefragungen, Nachrichtenübermittlung in Presse, Funk und Fernsehen kommerzielle Werbung u. a. m.

Die Gesellschaft mit ihren Subsystemen ist jener Bereich, in dem der Schüler und Jugendliche sich zurechtfinden muß und sich zurechtzufinden sucht. Hierfür muß ihm insbesondere der politische Unterricht wegweisende, aber nicht indoktrinierende Hilfestellungen leisten. Der dialektische Gebrauch der Kategorie „Gesellschaft und Wirtschaft" mit ihrem Struktur-und Prozeßaspekt sozio-ökonomischer Zustände und Veränderungen soll hierfür den wichtigen grundlegenden Beitrag leisten, der sodann in Verbindung mit den anderen Kategorien ausgebaut werden kann, um Eindimensionalität zu vermeiden und Komplexität der Wirklichkeit in reduzierter Form adäquat zu erfassen. Gleichzeitig soll mit diesem sozio-ökonomischen kategorialen Ansatz persönliches Interesse und Motivation des einzelnen Schülers an der politischen Bildung, ihren Anliegen und Zielen geweckt werden. Die Erhellung der eigenen gesellschaftlichen Situation und die Aussicht, darüber im politischen Unterricht in rational überprüfbarer Form unter stetigem Hinweis auf kontroverse Inhalte mehr zu erfahren und dies bei Erkennung und Wahrung eigener Interessen in die gesellschaftliche Praxis umsetzen zu können, sollten geeignete motivierende Ausgangspunkte der politischen Bildung darstellen.

7. Kategorie: Politische Herrschaft

Dialektik: Politische Herrschaft — Politische Opposition

Macht und Herrschaft sind in gesellschaftlichen Beziehungen allgegenwärtig. Der Schüler erfährt dies an sich selbst in der Primär-gruppe Familie, im Kreis von Freundinnen und Freunden, in der Schule, im Verein, Klub oder anderswo. Macht ist hierbei von Herrschaft nach der Definition von Max Weber insofern zu unterscheiden, als Macht „jede Chance" meint, „innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen" Herrschaft „die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden" Macht ist damit der allgemeine, für gesellschaftliche Beziehungen geltende Begriff, Herrschaft der spezifizierte, auf institutionalisierte Beziehungen ausgerichtete. Macht ist allerdings in komplexen Gesellschaften mit Herrschaft insofern untrennbar verbunden, als Herrschaft — in höchster Instanz staatlich-politische Herrschaft — in Verbindung mit den internen und externen Bedingungen eines Systems (wirtschaftliche Situation, außenpolitische Lage) Möglichkeiten und Grenzen von gesellschaftlich ausgeübter Macht bedingt und bestimmt.

Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: Die Ausübung von Herrschaft ist in einem Industrie-betrieb an dessen Organisationsstruktur gebunden, die einzelnen Organisationseinheiten auf verschiedenen Ebenen sowie den jeweiligen Organisationsleitungen Kompetenzen einräumt, die diese gebrauchen, um die eigene Abteilung und den Gesamtbetrieb funktionsfähig zu halten und die gesetzten Ziele zu erreichen. In diesem Rahmen von organisationsgebundener Herrschaft kommt es auch zur Ausübung von Macht, indem Organisationspositionen von einzelnen Positionsinhabern dazu gebraucht werden, „den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen", z. B. in der Lehrlingsausbildung, bei dem Verlangen der Ableistung von tariflich nicht vereinbarten und schlecht bezahlten Überstunden u. a. Diese Machtausübung ist institutionell nicht legitimiert, wird allerdings legal so lange gehandhabt, bis etwa durch Gerichtsentscheid die institutionell zulässigen und verpflichtenden Grenzen von kompetenz-gebundener Herrschaftsausübung aufgezeigt werden.

Für den politischen Unterricht ist es sinnvoll, Macht an die Kategorie „politische Herrschaft" anzubinden, um damit eine kontrollierbare Größe im Systemzusammenhang zu gewinnen. Politische Herrschaft wird dann als das gesamte System umgreifende, steuernde und kontrollierende Zentralinstanz gesehen, deren Ausübung in unterschiedlichen Systemen auf verschiedene Weise durch Gruppen und/oder die Gesamtgesellschaft mehr oder weniger kontrollierbar ist. Aufschluß hierüber gibt die Behandlung von Regierungssystemen, die jedoch keineswegs isoliert von den anderen Kategorien vorgenommen werden darf, da dies sonst — insbesondere in Anbetracht der Vernachlässigung ökonomischer Gesichtspunkte bei der überwiegenden Anzahl der Darstellungen von Regierungssystemen (z. B. Stammen, Herz/Carter) 145a) — zu Fehleinschätzungen hinsichtlich der Steuerungs-und Kontrollmöglichkeiten von Regierungsapparaten, Parlamenten und Parteispitzen führen muß.

Die dialektische Spannung und Dynamik der Kategorie „Politische Herrschaft" wird durch die Begriffe „Politische Herrschaft" und „Politische Opposition" umrissen. Hierunter ist nicht nur das Spannungsverhältnis von Regierung und parlamentarischer Opposition zu verstehen, also eine institutionalisierte Form politischer Herrschaftsausübung und deren Kontrolle, sondern all jene Opposition, die sich politisch gegen bestehende Herrschaft, u. U. auch gegen das bestehende Herrschaftssystem überhaupt artikuliert.

Die Dialektik der Kategorie „Politische Herrschaft" ist deswegen von besonderer Wichtigkeit, da politische Herrschaft genausowenig wie der Inhalt der anderen Kategorien statisch verstanden werden darf. Die Reduktion des Spannungsverhältnisses innerhalb der Kategorie „Politische Herrschaft" auf das institutionelle Gegeneinander von Regierung und parlamentarischer Opposition würde allerdings einer statischen Betrachtungsweise insofern Vorschub leisten, als Wandlungen der gesamtgesellschaftlich verpflichtenden Regie-rungspolitik (etwa in der BRD von Adenauer bis Brandt) und Änderungen von Taktik und Strategie einer parlamentarischen Opposition nicht erklärbar würden ohne Bezug auf Veränderungen außerhalb des politischen Systems und deren Niederschlag in geänderten Ansprüchen und Forderungen an den Herrschaftsapparat. Die Einwirkungen von Wandlungen außerhalb des politischen Systems auf dessen Herrschaftsausübung sind also im Rahmen dieser dialektischen Kategorie zu untersuchen und zu behandeln, wobei deutlich wird, daß dieses Anliegen ohne systematischen gemeinsamen Kategorienansatz nicht gelingen kann, denn die Ursachen für Einwirkungen von oppositionellen Strömungen auf die politische Herrschaft können nicht im Rahmen des Paradigmas „Politisches System" geleistet werden, das allerdings allzu häufig ausschließlicher unreflektierter Bezugsrahmen politischer Bildung war.

8. Kategorie: Ideologie

Dialektik: Herrschaftsideologie und gesellschaftliches Bewußtsein

Politische Herrschaft legitimiert sich aufgrund einer Idee. Da diese Idee bewußt oder unbewußt mit Gegenwart und Entwicklung der Wirklichkeit nicht identisch ist, dies jedoch im Sinne der Rechtfertigung politischer Herrschaft und der damit zusammenhängenden Verhältnisse behauptet oder beansprucht wird, entartet die Idee zur Ideologie 145b). Die Dauerpräsenz von gesamtgesellschaftlicher Ideologie, die ein wesentliches Instrument der gesellschaftlichen Integration darstellt, muß den Schülern zur Erfassung der Realität ebenso bewußt sein, wie davon abgeleitete Ideologienfragmente, die in Teilen oder Gruppen der Gesellschaft mehr oder weniger modifiziert vorfindbar sind, etwa in der Familie, im Betrieb oder in der Schule. Die Erkenntnis von Struktur und Funktion einer Ideologie ermöglicht es dem Schüler, die gesellschaftliche, politische und ökonomische Wirklichkeit als Bedingung einerseits, Ergebnis andererseits von Ideologie zu begreifen.

Ideologiekritik erlaubt Alternativen der ideologisch verzerrten Wirklichkeit aufzudecken, kann allerdings auch dazu führen, alternative Möglichkeiten der Realitätsveränderung falsch einzuschätzen oder zu überschätzen. Die Dialektik der Kategorie „Ideologie" zwischen Herrschaftsideologie und gesellschaftli-chem Bewußtsein (Ideologie und Ideologiekritik) vermag so allein den Rahmen und Nutzen gesellschaftlicher Kritik gegenüber bestehenden Ideologien und deren Veränderung oder Überwindung durch praktisches politisches Handeln nicht zu bestimmen. Hierzu bedarf es erneut des Beziehungsverhältnisses zwischen den Kategorien. Dies soll im folgenden im Zusammenhang der dialektischen Kategorien verdeutlicht werden, wobei das Schwergewicht der Darlegung nicht auf einer weiterreichenden Konkretisierung der Kategorien liegen kann, da ihnen dies gerade den hiermit zu explizierenden exemplarischen Charakter nehmen würde

9. Die Zuordnung des dialektischen KategoriensystemsDie Analyse grundlegender Prinzipien wie Rechtsstaatlichkeit, Sozialstaatlichkeit und freiheitlich-demokratische Grundordnung anhand ausgewählter Fälle mag zum Ergebnis haben, daß es sich hierbei um ideologische Rechtfertigungsversuche eines Status quo handelt, der im Gegensatz zu den Ansprüchen der jeweiligen Verfassung Mängel aufweist. Der dialektische Gebrauch der Kategorie „Ideologie" verlangt allerdings gleichzeitig, daß das gesellschaftliche Bewußtsein daraufhin zu untersuchen ist, ob es eine derart ermittelte Ideologiehaltigkeit wesentlicher öffentlich-allgemeinverbindlicher Bestimmungsfaktoren des Gesamtsystems erkennt. Empirische Untersuchungen haben ergeben, daß die Mehrheit der Gesellschaft entweder keinen Ideologieverdacht hegt oder sich mit den bestehenden Zuständen unkritisch identifiziert oder einfach abfindet. Ein gesellschaftliches Potential, bestehende Ideologien an ihren Ansprüchen rational zu kritisieren und ideelle wie praktische Alternativen aufzuzeigen, ist unter den bestehenden Zuständen nicht vorhanden und es ist — außer unter Bedingungen von wirtschaftlichen oder außenpolitischen Krisen — nicht nachzuweisen, wie

sich ein derartiges Potential bilden und mobilisieren soll. Dies zur dialektischen Kehrseite der Kategorie „Ideologie".

Die Bedingungen für das wenig ideologiekritisehe Verhalten in der Mehrheit einer Gesellschaft sind in grundlegenden Systemstrukturen zu sehen und entsprechend zu erklären. So üben etwa die Ideologien des Konsums und des gesellschaftlichen Wohlstandes mit ihren realen Bedingungen (überwiegend geregelte berufliche Arbeit zur Sicherung des Einkommens, überwiegend festgelegte Arbeitsund Freizeit, relativ hohe Konsumquote) auf die Mehrheit einer Gesellschaft offensichtlich eine starke Anziehungskraft aus. Solange die damit verbundene Faszination zu gesellschaftlicher Zufriedenheit und einem entsprechenden Konsensus im Rahmen der bestehenden Ordnung führt, ist weder die Mehrheit noch eine qualifizierte Minderheit der Gesellschaft bereit oder in der Lage, die erkannten gesellschaftlichen und politischen , Schwachstellen'des Systems ideologiekritisch zu verändern. Eine politische Bildung, die dies behauptet, geht schlicht an der Realität vorbei und gaukelt den Schülern Möglichkeiten der Freiheit vor, die real nicht einzulösen sind.

Bedingungen und Möglichkeiten politischer Herrschaft und sozio-ökonomischer Struktur bestimmen materiell und im Rahmen der Ideologie den Status quo. Dieser Status quo läßt politische Opposition (Dialektik der Kategorie „Politische Herrschaft") nur systemimmanent, nicht systemüberwindend zu. Eine politische Opposition außerhalb des politischen Systems bleibt entweder unwirksam oder sie wird eliminiert.

Zu anderen Ergebnissen mag man durch Analysen des sozio-ökonomischen Wandels als dynamischer Systemdeterminante gelangen (Dialektik der Kategorie „Gesellschaft und Wirtschaft"). Der maßgeblich systembestimmende Charakter des ökonomischen Systems bewirkt weitreichende, langfristig unkalkulierbare Entwicklungen und Veränderungen für Gesellschaft und Staat (vgl. die Entwicklungen und Veränderungen von der industriellen Revolution bis zur Gegenwart). Karl Marx glaubte, diese Entwicklungen und Veränderungen theoretisch erfassen und prognostizieren zu können. Er hat sich in dieser Hinsicht geirrt. In der Gegenwart versuchen futurologische Theorie-und Analysenansätze, Auswirkungen und Bedingungen des sozioökonomischen Wandels zu erfassen. Dieses Instrumentarium ist allerdings noch nicht so weit gediehen, daß es Aussagen von einer Stringenz und Reichweite zuläßt, die. es erlau-ben, darauf alternative Systemmodelle mit praktischer Bedeutung zu entwickeln.

Für den Inhalt des politischen Unterrichts bedeutet dies, daß verbindliche Zielfestlegungen problematisch sind und selbst problematisiert werden müssen unter der Frage ihrer Realitätsbezogenheit und Realisierbarkeit. Ziele sollen ja nicht nur dem Schüler vermittelt werden, sondern der Schüler soll in die Lage versetzt werden, eigene Zielsetzungen zu reflektieren und zu artikulieren. Dies soll die Voraussetzung bilden für eine stets inhaltlich bezogene Zieldiskussion im Unterricht, die wertvolle Einsichten über den Grad der Realisierbarkeit und entsprechendes gesellschaftliches und politisches Verhalten und Handeln vermittelt.

Von Inhalten wie von Zielen her läßt sich mit Hilfe der Kategorien die individuelle Standortbestimmung und -entwicklung bestimmen. Die individuelle Rolle in der Familie, in der Schule und im Freundeskreis erscheint damit in einem neuen Licht. Sie wird erkennbar, bestimmbar, kritisierbar, steuerbar und veränderbar. Die Fähigkeit der Einordnung der individuellen Position in gesellschaftliche Zusammenhänge und deren politische und ökonomische Determinanten sowie die damit in Verbindung stehende rationale Zielbestimmung individueller Interessen und deren Realisierung durch Verhalten und Handeln kann ausgehend von den dialektischen Kategorien als Strukturierungsinstrumenten von Inhalten politischer Bildung geleistet werden.

IV. Unterrichtsstruktur und lerntheoretische Ansätze in der politischen Bildung

1. Lernen und Verhalten als gesellschaftliche Prozesse

Bildung wie Lernen und Verhalten sind als Prozesse zu begreifen, die sich in stetigem sozialen Bezug vollziehen. Die Brauchbarkeit der dialektischen Kategorien muß sich dadurch erweisen, daß sie in der Lage sind, sowohl Instrumente zur Wiedergabe jener politischen Wirklichkeit zu sein (Strukturaspekt der politikwissenschaftlichen Problemdimensionen), die die Grundlage sozio-politischer Lernprozesse darstellt, als auch Hebel zur Gestaltung der Persönlichkeit, die sie aufgrund von Lernprozessen in ihrem Verhalten entsprechend zu wandeln vermögen (Prozeßaspekt der politikwissenschaftlichen Problem-dimensionen). Sie müssen daher Kognitivität und Emotionalität umfassen. Auf Lernziele im Spannungsfeld von realen Systembedingungen, individuellen und Gruppen-Interessen und -Bedürfnissen müssen sie als Orientielungs-und Kontrollmuster ebenso anwendbar sein wie auf Realutopien und restaurative Ideologie. Dies schließt die Zuordnung von theoretischer Einübung und gesellschaftlich-politischer Praxis, Erfolg Versuch und Irrtum, und Mißerfolg ein

Begreift man Bildung als interdependenten Prozeß von Lernen und Verhalten, so lassen sich Bildungsprozesse als Verhaltens-und Lernprozesse verschiedener Ordnung darstellen, wobei sich jeder Lernprozeß als Prozeß höherer Ordnung gegenüber bestehenden Verhaltensweisen auswirkt, sofern dadurch eine Veränderung von Verhaltensweisen erreicht wird 7. In Anwendung auf die dialektischen Kategorien lassen sich grundlegende Bedingungen einer Lerntheorie der politischen Bildung formulieren. Die folgende Aufzählung versteht sich nicht als ein Nacheinander, sondern als stufenweise gestaffeltes Nebeneinander so daß die in den folgenden Abschnitten dargestellten Bedingungen in einem gegenseitigen Wirkungszusammenhang stehen. Der Theorie-Praxis-Bezug soll beständig aufrechterhalten bleiben. Dadurch soll gleichzeitig im Rahmen des sozio-politischen Lernprozesses vermieden werden, daß soziale und politische Faktenkunde ohne Bewußtseinsbildung und praktische Umsetzung betrieben sowie Motivation und Interesse der Schüler ausgeklammert werden.

Bestehende Schemata, die politische und soziale Verhaltensweisen und Einstellungen der Schüler bestimmen — mögen sie auch noch so unreflektiert und vorurteilsgeladen sein —, müssen in die lerntheoretischen Überlegungen einbezogen werden, um Ansatzpunkte für Reflexion und Änderung individuellen Verhaltens durch Lernprozesse zu gewinnen. Mit Recht weist Hermann Giesecke in diesem Zusammenhang darauf hin, daß „bei systematischen politischen Lehrzusammenhängen ... das Problem nicht darin (liegt), vom Einfachen’ zum . Schweren'fortzuschreiten, sondern darin, einen verhältnismäßig differenzierten Vorstellungszusammenhang (der Schüler — W. B.) zu korrigieren und weiter zu differenzieren" Gleichzeitig beklagt er, daß es dafür „in der bisherigen Pädagogik kein erprobtes methodisches Modell (gibt), weil die Schule immer von ganz anderen Voraussetzungen ausgegangen ist"

2. Zur Funktion der dialektischen Kategorien im Lern-und Verhaltensprozeß

Die hier vorgelegten dialektischen Kategorien sind noch nicht soweit erprobt, daß man sie ohne weitere Einschränkungen als brauchbare Strukturierungsmaßstäbe und — Instrumente eines Modells für die politische Bildung bezeichnen könnte, sie sind jedoch keineswegs als „ . reduziertes'Verfahren" für die Didaktik der politischen Bildung in dem Sinne zu begreifen, „daß auch solche Lehrer damit unterrichten können, die von den Sachverhalten zu wenig verstehen" Letzteres Zitat Giesekkes greift Rolf Schmiederer auf, um es pauschal gegen alle Bemühungen um Strukturierung und Komplexitätsreduktion in der politischen Bildung zu richten 2. Dabei übersieht Schmiederer allerdings, daß Giesecke selbst intensive Anstrengungen unternommen hat, um politische Inhalte mit Hilfe von Kategorien transparent zu machen und für die Einbringung wissenschaftlicher Modelle (z. B. Funktionsmodelle in den Sozialwissenschaften, die Marktmodelle der Nationalökonomie oder das Grundmodell der Kommunikationsforschung, kybernetische Modelle usw.) plädiert. Der Problematik dieser unterschiedlichen Modelle ist sich Giesecke völlig be-wußt Im Rahmen des oben dargelegten Systemparadigmas und der dialektischen Kategorien vor dem Hintergrund politikwissenschaftlicher Problemdimensionen wird hier der Versuch unternommen, ein derartiges, möglichst kontrovers-offenes Modell für Inhalte und Ziele der politischen Bildung darzulegen. Die dialektischen Kategorien sollen zunächst als , Behälter'fungieren, in die bestehende, mehr oder weniger unklare politische Vorstellungen einfließen, um dort gesammelt und geklärt, d. h. systematisiert zu werden. „Die Aufgabe, dem Kind irgendeiner Altersstufe ein Stoffgebiet nahezubringen, besteht nun darin, daß es seiner Art, die Dinge zu sehen, entspricht" Hierfür scheint nach den bisher gewonnenen Erfahrungen kein Verfahren geeigneter zu sein als das Fallprinzip An aktuell-realen Gegenständen aus dem Gesamtbereich der Politik wird problemorientiert analysiert und diskutiert. Elementares, Exemplarisches, bei Vergleichen auch Typisches tritt in das Verständnis der Schüler und bewirkt durch die Offenlegung einfacher Bezugssysteme eine politische Bildung, die in der Lage ist, sinnlose Ansammlungen von enzyklopädischem Faktenwissen zu überwinden Von hier aus ist ein allgemeiner Konsens über Struktur und Funktion von Kategorien in der politischen Bildung zu erreichen sowie die Bereitschaft, diese an Fällen herausgearbeiteten Kategorien zu Grundeinheiten weiterer und weiterführender politisch relevanter Analysen zu entwickeln.

Auf die Wichtigkeit des damit verbundenen Begriffsbildungspro esses für das allgemeine Lernen kann hier nur hingewiesen werden. Zweifel, ob es überhaupt sinnvoll sei, „ein vorfabriziertes, kategoriales Schema auf konkrete Sachverhalte zu beziehen" gehen an der Konzeption des hier vorgelegten Kategoriensystems, seinen induktiven Möglichkeiten („Einsicht") und seinen vielfältigen Differenzierungsperspektiven, die der Komplexität und Varietät des weiterführend behandelten

Gegenstandes zu entsprechen vermögen, vorbei und lassen zudem die wichtige Frage nach der notwendigen Strukturierung des politischen Unterrichts unbeantwortet Eine Einengung oder Reglementierung politischer Standorte im Sinne einer Ideologisierung ist damit insofern nicht verbunden, als dialektische Kategorien und Einsichten (Urteil, Wertung, Glauben) nicht identisch sind Das Gegenteil von Ideologisierung soll bewirkt werden: Erhellung von Bewußtseinsinhalten, Förderung neuer Einsichten und Umsetzung dieser Erkenntnisse durch Handeln in die neu verstandene Wirklichkeit (vgl. hierzu die Dialektik der Kategorie „Ideologie"). 3. Lerntheoretische Aufgabenstellungen der dialektischen Kategorien 1 a) Methodisches Gerüst für Motivation und Interesse Erstes Ziel der am Beispiel von Fällen gewonnenen systematischen Kategorienbasis soll ein methodisches Gerüst sein, das die elementar-komplexitätsadäquate und problemorientierte Behandlung jener Gegenstände des politischen Unterrichts gewährleistet die im Erfahrungs-und Interessenhorizont der Schüler liegen. Dieser Erfahrungs-und Interessenhorizont kann allerdings nicht im festgegliederten Rahmen und möglichst detailliert ausgearbeiteten Stundenplan ermittelt werden, sondern erfordert die Beteiligung der Schüler bei der Festlegung interessierender Themen und bei der Organisation ihrer Bearbeitung. Den Themenvorschlägen der Schüler entspricht während ihrer Behandlung ständige kritische Beteiligung u. a. durch Fragestellungen, Aufzeigen von Alternativpositionen, aktuelle und historische Diskussionsbeiträge. Der Wunsch der Schüler, über Themen zu sprechen, von denen sie persönlich betroffen sind, bildet den ersten Schritt zu ihrer gesellschaftlichen und politischen Motivation im Unterricht. Das Anknüpfen an bestehende Interessen und Ideologien der Schüler führt mit Hilfe der Kategorien exemplarisch zur Möglichkeit der Distanzierung von einem möglicherweise überschätzten privaten Standpunkt und vermag diesen in seiner gesellschaftlichen Dimension zu erhellen. Die damit zu gewinnende Einsicht in die Vermittlung individueller und gesellschaftlicher Interessen und Bedürfnisse kann den Ausgangspunkt politischen Verständnisses und Handelns bilden.

Eine der Voraussetzungen für das Gelingen derartiger Lernprozesse ist ein formal dafür geeigneter Rahmen. Die Eingangsdiskussion relevanter Unterrichtsthemen sowie deren Behandlung darf nicht zur anarchischen Auflösung einer Klasse im Stile des „laissez-faire" führen. Eine formale Organisation des Unterrichts — über die natürlich ebenfalls diskutiert werden soll — ist im Rahmen festgelegter Arbeitsformen unter Berücksichtigung von Ergebnissen der Kleingruppenforschung (Gruppendynamik) unumgänglich.

Eine weitere Voraussetzung bilden themenrelevantes Unterrichtsmaterial für die Selbst-und Gruppenarbeit der Schüler, stets vorhandenes Schreibmaterial (Diskussions-, Arbeitspapiere, farbige Schreibstifte), möglichst auch die Benutzung eines schuleigenen Kopiergerätes, Tonbandgerät(e), evtl. Video-Recorder. Bei Gruppenarbeit sollten mehrere Räume bzw. ein (mehrfach) abteilbarer Raum zur Verfügung stehen. Das Vorhandensein aller genannten Punkte würde eine optimale Strukturierung des Unterrichts erleichtern, soll jedoch nicht als Voraussetzung von Lernprozessen in dem Sinne verstanden werden, als ob etwa das Fehlen von Kopiergerät und Video-Recorder einen politischen Unterricht mit den hier umschriebenen Zielen und Inhalten nicht zuließe.

Den Schülern wird in diesem Zusammenhang bewußt, daß Paradigmata und Kategorien einen formalen Bezugsrahmen liefern und ihre Anwendung einen übersichtlichen Zugang zu komplexen politischen Problemen ermöglicht, deren Kenntnis zur Erleichterung ihrer Orientierung in der Gesellschaft und zur kritischen Überprüfung und Wahrnehmung ihrer Interessen in Beruf und Freizeit beiträgt. Auf dieser Grundlage ist die sinnvolle Abwechslung und Ergänzung von Lehrervortrag und Unterrichtsgespräch anzustreben, wobei nach Möglichkeit dem Unterrichtsgespräch der Vorzug zu geben ist

b) Soziales und politisches Lernen und Verhalten

Der enge Bezug von Lernen, Motivieren und Verhalten bringt es mit sich, daß die Rezeption der Kategorien durch die Schüler und ihre Motivierung die Ermöglichung eines entsprechenden praktischen politischen und sozialen Verhaltens zur Folge hat, und zwar nicht nur in Vertröstung auf die spätere rechtliche und politische Mündigkeit, sondern am Ort der politischen Bildung — vorzugsweise also in der Schule — selbst. Heinrich Roth weist auf die Bedeutung des Erlernens sozialer Rollen im Rahmen des gesamten sozialen Lernens hin. Gleichzeitig bedauert er zu Recht, daß es bis heute ein Desideratum empirischer Forschung in Sozial-psychologie und Soziologie ist, soziale Lerntheorien zu entwickeln, die komplexes soziales Lernen verständlich machen — dies um so mehr, da „es bei den Lern-und Sozialisationsprozessen um das Gelingen oder Mißlingen der Entwicklung insgesamt geht"

Wichtige Erkenntnisse zur Arbeit von Klein-gruppen als politisch erprobenden Handlungseinheiten vermag die gruppendynamische Forschung zu vermitteln. Die Strukturierung einer Gruppe nach innen, ihre Aufgabe, Themenbereiche zu diskutieren und zu einem Konsensus zu gelangen, diesen Konsensus gegenüber anderen Gruppen zu vertreten und im Konflikt durchzusetzen, nicht durchzusetzen, zu einem Kompromiß oder zu einem mehrwertigen Ergebnis zu gelangen — dies sind einige Punkte des Leistungsvermögens gruppendynamischer Verfahren für den politischen Unterricht. Insbesondere kann damit aber auch eine größere Transparenz des Unterrichts insofern erreicht werden, als sich durch geeignete Themen die Gruppenmitglieder aus Passivität und (scheinbarer) politischer Indifferenz lösen und durch Gruppendiskussionsverfahren dazu veranlasst werden, eigene Standpunkte darzustellen und gegen andere kritisch abzuwägen. Verhaltsdispositionen können hierdurch erkannt, verstärkt korrigiert und in mögliches Handeln umgesetzt werden.

Auch hierfür kann das Kategoriengerüst wichtige formale und inhaltliche Hilfestellungen leisten. Die Dialektik kontroverser Standpunkte und deren Rückkopplung auf jeden einzelnen ermöglicht die schrittweise Erhellung gesellschaftlicher und politischer Strukturen und Prozesse. Selbstverständlich schließen gruppendynamische Verfahren keineswegs Meinungsnivellierung oder einseitige Indoktrination ein, sondern ermöglichen im Gegenteil, eigene, latent vorhandene Interessen präziser zu erkennen und zu artikulieren. Das gesellschaftlich und politisch wichtige Handeln in Gruppen und durch Gruppen kann hierbei praktisch erfahrbar gemacht werden. Erweiterungen dieser Verfahren sind durch Diskussionen Verschiedenen Klassen und deren Gruppen sowie zwischen Sclülergruppen und Arbeitern, Angestellten, Studenten, Wehrpflichtigen, Jugendgruppen von Parteien u. a. möglich.

Gewarnt werden muß vor ungeduldiger Erwartung sichtbarer und fixierbarer Ergebnisse durch den Lehrer. Die Diskussionen im formal-organisatorischen Rahmen und der vor allem zu Beginn langsame Prozeß der eigenen Interessenerkenntnis sowie der Möglichkeiten und Grenzen ihrer Durchsetzung in Gruppen und Gesellschaft zwingt zur Geduld, wenn nicht das gesamte Verfahren scheitern soll. Auch stärkere Konflikte innerhalb und zwischen den Gruppen, die erwünscht sind, verlangsamen den Weg zu „abhakbaren" Unterrichtsergebnissen, verlangen dafür den Schülern aber Lernprozesse ab, die Bewußtseinsbildung statt einer unstrukturierten Sammlung von Faktenwissen (oder nicht einmal dieses) zum Ziel haben.

Die politische, überwiegend systemintegrierte Struktur der Schule, der Lehrerschaft und des Lehrplans (vgl. hierzu den Strukturaspekt aller Kategorien) wird an den praktischen Verhaltensweisen ebenso deutlich wie an den Bedingungen, unter denen sich deren Wandel vollzieht (vgl. Prozeßaspekt aller Kategorien) und in der veränderten gesellschaftlichen Rolle der Jugendlichen, gewandelten Bildungsanforderungen, neuen Unterrichtstechnologien, reformbedürftigen Organisationsstrukturen des Bildungssystems u. a. zum Ausdruck kommt. Politische und soziale Verhaltensweisen müssen deswegen im Rahmen eines lerntheoretischen Konzepts der politi-* sehen Bildung innerhalb des Bereichs der Schule und zugeschnitten auf die Erfordernisse dieses Subsystems praktizierbar sein, denn für die politische Bildung in einem demokratischen System muß möglich sein, was Sport-und Musikunterricht fraglos zugestanden wird: „Wo kein Reck ist, kann man den Unterschwung nicht erlernen, und wo nie Barockmusik ertönt, kann man Bach nicht kennen-und liebenlernen." Darüber hinaus vermögen Schüler nur durch Erfahrungen der eigenen Praxis Erfolg oder Mißerfolg politischer und sozialer Verhaltensweisen zur Durchsetzung eigener Vorstellungen und Interessen zu erkennen und daraus Konsequenzen für weitere Lern-und Verhaltungsprozesse zu ziehen.

Die Aufgabe von Unterrichtsstrukturierung und Lerntheorie der politischen Bildung besteht nicht in der Stabilisierung von Aussagen, die die Umweltbedingungen im Lernprozeß als statisch annehmen, wodurch dann ebenso statisch Motivation und Verhalten des einzelnen determiniert werden soll. Ein unbrauchbares Beispiel für eine sozio-politischeLerntheorie ist etwa jener von den Verhaltenstheoretikern so gut wie ausnahmslos anerkannte Satz, daß ein Mensch in einer bestimmten Situation in einer bestimmten Weise reagiert und die Belohnung dieser Reaktion die Wahrscheinlichkeit in sich birgt, daß diese Reaktion in derselben oder in einer ähmlichen Situation wiederholt und zwar je häufiger diese Situation auftritt und je häufiger die Reaktion belohnt wird, mit desto größerer Wahrscheinlichkeit und Sicherheit. Der umgekehrte Satz lautet: Wird eine bestimmte Reaktion nicht belohnt bzw. bestraft, dann verringert sich die Wahrscheinlichkeit, daß sie sich wiederholt, und zwar wird diese Wahrscheinlichkeit in dem Maße größer, in dem in einer bestimmten Situation eine bestimmte Reaktion nicht belohnt bzw. bestraft wird

Die Aufgabenstellung darf nicht lauten, wie kann dem einzelnen durch einen Lernprozeß eine bestimmte Motivation und ein bestimmtes Sozialverhalten in bestimmten praktisch vorfindbaren sozialen Umweltbedingungen nahegebracht und internalisiert werden, sondern, wie lernt der einzelne, Motivationen und soziales Verhalten in seiner sozialen Umgebung unter den Bedingungen des sozio-ökonomischen Wandels zu entwickeln und dabei ein Höchstmaß eigener Interessen im gesellschaftlichen Zusammenhang zu realisieren? Eine Abstimmung der Lern-und Verhaltens-ansprüche mit den entsprechenden kindlichen und jugendlichen Entwicklungsphasen und dadurch bedingten Lern-und Verhaltens-voraussetzungen ist selbstverständlich. Zu berücksichtigen sind dabei auch die staatlichen und gesellschaftlichen Anforderungen an das Kind und den Jugendlichen, die mit fünf bis sechs Jahren die Schulfähigkeit, mit 14 Jahren die Entscheidungsfähigkeit der Berufswahl oder der Fortsetzung des Schulbesuchs, mit 18 Jahren die Fähigkeit zu politischen Wahlentscheidungen und Militärdienst, weiterhin eine Vielzahl selbständiger Entscheidungen wie Heirat, berufliche Weiterbildung, Gestaltung einer sich erweiternden Freizeit u. a. erwarten. Auch hier vermögen die Kategorien aufgrund ihres elementaren, typischen und repräsentativen Charakters ein Fortschreiten des sozio-politischen Lernprozesses vom Einfachen, Anschaulichen und konkret Naheliegenden zum Komplexen und Umfassenden zu ermöglichen, ohne daß aufgrund des interdependenten Kategorienbezugs ein Gegenstand unzulässig von Gesamtzusammenhängen isoliert würde. 4. Lerntheoretische Ansätze Auf die im einzelnen anzuwendenden Lerntheorien und Lernprinzipien (Psychoanalyse, Reiz-Reaktions-Theorien Behaviorismus und Neobehaviorismus, kognitive Lerntheorien soll und kann in diesem Zusammenhang nicht umfassend eingegangen werden. Hier liegt das weite und noch wenig bearbeitete Feld für interdisziplinäre Wissenschafts-und bildungstheoretische Zusammenarbeit zwischen den unterrichtlichen Fachwissenschaften (in unserem Fall der Politikwissenschaft in Verbindung mit Sozial-und Wirtschaftswissenschaften, Geschichts-, Rechtswissenschaft und Geographie) sowie der Pädagogik, der Didaktik und ihren grundlegenden und ergänzenden Disziplinen (hier vor allem Philosophie, Psychologie und Soziologie). Es erscheint allerdings wichtig, auf das Leistungs-vermögen verschiedener Lerntheorien und ihrer Prinzipien für die politische Bildung abschließend kurz einzugehen.

a) Der psychoanalytische Ansatz

Er betont die grundlegend wichtige Bedingtheit von Lem-und Verhaltensprozessen im gesellschaftlichen Zusammenhang. Elementare soziale und unreflektiert politische Verhaltensweisen des Kindes und des Jugendlichen aufgrund von Identifikationen im Sozialisationsprozeß sind ohne Berücksichtigung dieses Ansatzes als Voraussetzung für gezielte weitere Lernprozesse nicht zu verstehen.

b) Der Reiz-Reaktions-Ansatz

Auf ihn ist wegen seiner Bedeutung innerhalb der modernen pädagogischen Psychologie und für die politische Bildung etwas ausführlicher einzugehen.

B. F. Skinner legt für seine Lerntheorie den Verhaltensbegriff von John Dewey zugrunde. Dewey gebraucht hierfür den Terminus „habit" und versteht darunter den Zusammenhang zwischen den einzelnen Handlungen und den Denkprozessen des Individuums, wobei alle Handlungen Lernspuren hinterlassen, die sowohl das Lernen als auch dadurch wieder weitere Handlungen des Individuums beeinflussen

B. F. Skinner machte diesen Verhaltensbegriff Deweys für die Lerntheorie fruchtbar, indem er erkannte, daß ein spezifisches menschliches Verhalten nicht durch irgendwelche isolierte Stimuli bedingt ist, sondern durch eine Vielzahl von bedingenden Faktoren (multiple Kausation) Skinner nennt dieses durch positive oder negative Verstärkung (reinforcement) bestimmte Verhalten „operatives Verhalten" (operant behavior) im Gegensatz zu dem bloßen Reflexverhalten (respondent behavior). Operatives Verhalten ist also weder vererbt noch durch isolierte Eindrücke determiniert, sondern entwickelt sich aus den permanenten Wechselwirkungen zwischen Objekten (soziale Umwelt) und dem Subjekt (Mensch). Wenn es richtig ist, daß bestimmtes Verhalten durch die Konsequenz von Erfolgserlebnissen die Lernprozesse von Individuen beeinflußt (Thorndikes „law of effect"), so resultiert neues, als sozial und politisch nützlich erkanntes Verhalten über den Mediator des Denk-, Lern-und Motivationsprozesses aus vorhergehenden Verhaltensweisen („feed back") und deren permanenter Wandlungsfähigkeit. Umwelteinflüsse wirken also auf das Verhalten ein, dieses auf den Lernprozeß, dieser wiederum auf das Verhalten u. s. f.

Es kann und muß Ziel einer derartigen Lerntheorie und ihrer Prinzipien sein, nicht nur auf bekannte Reize mit gewohnten Reaktionen zu antworten, sondern bei Differenzierung („Diskrimination") und Änderung von Reizen durch gewandelte Systembedingungen mit entsprechend neu gelernten Reaktionen zu antworten Die Neobehavioristen unterscheiden sich hierbei von den klassischen Behavioristen dadurch, daß sie jenen starren Schematismus einer mechanischen Abhängigkeit des menschlichen Verhaltens von mehr oder weniger unmittelbaren Umwelteinflüssen theoretisch zu überwinden suchen. Dies soll durch die Erfassung komplexer Situationen mit ihrer dynamischen Bündelung von Reizkonstellationen und deren Vermittlung von differenzierten und wandlungsfähigen Reaktionen geschehen.

In der politischen Bildung erscheint mit diesem theoretischen Konzept das Lernen an repräsentativen, elementaren und typischen Situationen für neue Probleme möglich. Gleichzeitig folgert daraus für eine moderne soziopolitische Lerntheorie, daß sie das Individuum in Theorie und Praxis in die Lage versetzt, sich unter den Bedingungen struktur-erhaltender wie -wandelnder Faktoren im Rahmen des bestehenden und sich entwickeln-* den Systems durch, entsprechendes Lernen und Verhalten Erfolgserlebnisse zu verschaffen, deren Effekt sich in der Internalisierung von dynamischen Verhaltensweisen für künftige soziale und politische Situationen niederschlägt. Die Vermittlung derartiger dynamischer Strukturmuster in der politischen Bildung widerspricht den landläufigen Vorstellungen von einem sozial und politisch programmierten Menschen und betont bewußt sozialkritisches und politisch-kreatives Denken und Handeln das sich an Prinzipien der Realität orientiert.

c) Der kognitive Ansatz

Grenzen, die sich für den Reiz-Reaktions-Ansatz ergeben, vermag seiner Intention nach der kognitive Ansatz — bei allem Angewiesensein auf Konditionierungsprozesse — zu überwinden. Einsicht und Bewußtseinsprozesse im politisch-sozialen Bezug bedürfen der Strukturierung, die zwar prinzipiell auf der Grundlage dialektischer Kategorien erreicht werden kann, die allerdings im Sinne von längerfristigen Programm-und Planungsentwürfen für soziales und politisches Handeln sinn-und zweckorientierter Strategien bedarf. Damit wird die Deutung des Reiz-Reaktions-Ansatzes für soziale und politische Lernprozesse keineswegs entwertet, vielmehr seine bedeutende Lernstufenfunktion als häufige Voraussetzung komplexen Lernens betont.

Das Leistungsvermögen des kognitiven Ansatzes für die politische Bildung liegt in seiner theoretisch unbegrenzten Möglichkeit, politische, soziale und ökonomische Gesamtzusammenhänge rational zu erfassen. Dialektische ategorien können hierbei die Funktion erfüllen, kognitiv Faßbares zu strukturieren und damit irrationale Elemente in Theorie und Praxis von Gesellschaft und Politik erkennbar und veränderbar zu machen.

Schlußbemerkungen

Verschiedene Strukturprobleme der politischen Bildung wurden erörtert und in ihren Zusammenhängen dargestellt. Die Form der Veröffentlichung als Aufsatz zwang hierbei aus räumlichen Gründen zu manchen Beschränkungen, so daß nicht jeder der einzelnen Strukturaspekte vergleichsweise gleich-gewichtig und intensiv diskutiert werden konnte. Dies ist natürlich ebenfalls auf spezifische Intentionen des Autors zurückzuführen, der in den bisher geleisteten Beiträgen zu Theorieansätzen der politischen Bildung eine stärker reflektierte Einbeziehung der Politikwissenschaft und ihrer Problemdimensionen vermißt. Diesen Gesichtspunkt galt es hier herauszustellen, allerdings nicht isoliert, sondern in seiner strukturellen Interdependenz zu politisch-ökonomischer Umwelt, Grundbedingungen der politischen Bildung sowie Unterrichtsstruktur und Lernprozessen.

Hiermit sollte gleichzeitig erneut verdeutlicht werden, daß Fortschritte in der Theorie politischer Bildung nur durch das interdisziplinäre Zusammenwirken der dafür relevanten wissenschaftlichen Disziplinen erreicht werden können. Die einseitige Bevorzugung einer Disziplin oder eines Fachbereichs, die nicht mehr den Bedingungen des ausdifferenzierten wissenschaftlichen Forschungsbetriebs der Gegenwart gerecht wird und wichtige Aspekte anderer beteiligter oder zu beteiligender Disziplinen vernachlässigt, kann damit vermieden oder zumindest verringert werden. Dies ist um so mehr nötig, als sich — wie im 1. Kapitel dargelegt — Erziehung und Bildung nicht in einem beliebigen sozialen Rahmen, der der „pädagogischen Freiheit" kaum Grenzen setzt, vollziehen, sondern durch politische, ökonomische und gesellschaftliche Strukturen, Normen und Prozesse bedingt sind.

Jede Theorie der Erziehung und Bildung, die diese Bezüge vernachlässigt oder glaubt, völlig außer acht lassen zu können, geht an der Realität vorbei und kann kaum brauchbare Beiträge zur weiteren Entwicklung leisten. Der einzelne Wissenschaftler, der sich um die Erfassung des interdependenten Gesamtkomplexes bemüht, ist allerdings hinsichtlich der Einlösung seines Leistungsanspruchs überfordert, da er zwar bis zu einem gewissen Grad darin erfolgreich sein kann, den Stand der für die politische Bildung relevanten wissenschaftlichen Disziplinen pauschal zu übersehen, für die damit verbundenen fachspezifischen Detailprobleme, -forschungen und -erkenntnisse kann dies jedoch keinesfalls gelten. Interdisziplinäre wissenschaftliche Teamarbeit bietet sich somit als einziger theore45 tisch wie praktisch erfolgversprechender Ausweg aus dem Dilemma politischer Bildung an. Ansätze hierzu liegen zwar vor, der Umfang der beteiligten Disziplinen und die erzielten Arbeitsergebnisse sind allerdings noch kaum in der Lage, über vorliegende monodisziplinäre Erkenntnisse hinausreichen.

Als mögliche Maßstäbe zur Bewertung des Leistungsvermögens bisheriger und folgender theoretischer Ansätze in der politischen Bildung sollen hier abschließend einige Aspekte aufgeführt werden, die mit den im Aufsatz behandelten identisch sind:

1. Die System-Umweltbeziehungen und -bedingungen, innerhalb derer sich politische Bildung vollzieht, müssen analysiert bzw. in Sekundäranalysen für die Problembereiche politischer Bildung aufbereitet werden. Erreicht werden soll hiermit eine realistische Ausgangsbasis für die Bestimmung der gegenwärtigen Situation der politischen Bildung und jener empirisch vorfindbaren Grundlagen, die bei weiterreichender Theoriebildung und damit in Verbindung stehenden Planungen und Programmen sowie deren praktische Umsetzung berücksichtigt werden müssen.

2. Ziele und Inhalte politischer Bildung sind zu entwickeln, die die realen Gegebenheiten der politischen Ausgangssituation ebenso zur Kenntnis nehmen und einarbeiten, wie die von daher sich ergebenden Entwicklungsmöglichkeiten. Ziele müssen im Rahmen von Systemzielmodellen erklärbar und theoretisch wie analytisch nachvollziehbar und überprüfbar sein. Zielorientierungen im Systemzielmodell werden dabei — im Gegensatz zu oben aufgezeigten einfachen Zielmodellen (Emanzipation, Demokratisierung) —• nicht isoliert und ohne Berücksichtigung anderer wichtiger Systemfaktoren gewonnen, sondern es wird davon ausgegangen, daß die Optimierung eines oder mehrerer Systemziele (sofern vereinbar) nicht die Realisierung grundlegen-der und vorläufig nicht alternativ zu besetzender bestehender Systemziele gefährdet oder unmöglich macht.

So müssen etwa im Systemzielmodell Zielvorstellungen wie Partizipation und Emanzipation bei grundsätzlich positiver Bewertung darauf untersucht werden, ob bzw. ab welchem Grad ihrer Realisierung sie etwa grundsätzlich wichtige Systemziele wie die gesicherte Produktion von Nahrungsmitteln, die Bereitstellung und Durchführung von gesellschaftlich notwendigen Dienstleistungen u. a. einem erhöhten Risiko aussetzen. Partizipation und Emanzipation sind im Systemzielmodell gegen Funktionsfähigkeit und Effektivität des Systems abzuwägen und vom jeweiligen Entwicklungsstand einer Gesellschaft, ihrer Struktur, ihren Normen und Entwicklungsmöglichkeiten spezifisch zu bestimmen. 3. Die fachwissenschaftliche Komponente der politischen Bildung, insbesondere die Politikwissenschaft, muß unter Beachtung ihrer unterschiedlichen wissenschaftstheoretischen Ausgangspositionen, deren Leistungsvermögen und aktuellem Leistungsstand (politikwissenschaftliche Problemdimensionen) für die fachliche Auswahl und Strukturierung von Gegenstandsbereichen der politischen Bildung adäquat berücksichtigt werden. 4. Die Erziehungswissenschaft und deren relevante wissenschaftliche Grund-und Hilfsdisziplinen müssen interdisziplinär mit den für die politische Bildung relevanten Fachwissenschaften kooperieren. 5. Politische Bildung als Gemeinschafts-oder Sozialkundeunterricht in der Schule ist als ein Fach zu erkennen, das — wie bislang kein anderes — den Schülern die Möglichkeit gibt, die Komplexität ihrer Umwelt und ihres Systems schrittweise zu erfassen und sich darin unter Wahrnehmung eigener Interessen zurechtzufinden. Systemaufklärung sowie individuelle, gruppenspezifische und gesamtgesellschaftliche Standortbestimmung sollen und können von einer so zu entwickelnden politischen Bildung für alle gesellschaftlichen Bereiche wirksamer geleistet werden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. hierzu: Urs Jaeggi, Macht und Herrschaft in der Bundesrepublik, Frankfurt/M. 1969; Claus Offe, Politische Herrschaft und Klassenstrukturen. Zur Analyse spätkapitalistischer Gesellschaftssysteme, in: Gisela Kress/Dieter Senghaas (Hg.), Politikwissenschaft. Eine Einführung in ihre Probleme, Frankfurt/M. 1969, S. 155— 189; Helmut Schelsky, Auf der Suche nach Wirklichkeit. Gesammelte Aufsätze, Düsseldorf-Köln 1965; Ralf Dahrendorf, Gesellschaft und Demokratie in Deutschland, München 1965.

  2. Vgl. Jürgen Habermas, Erkenntnis und Interesse, München 1969; Dahrendorf, a. a. O.; Schelsky, a. a. O., S. 439 ff. Kritisch zu der Kategorie des Sachzwanges: Wolf-Dieter Narr, Sachzwang als neue Kategorie in Wissenschaft und Politik, in: Koch/Senghaas: Texte zur Technokratiediskussion, Frankfurt/M. 1971.

  3. Schelsky, a. a. O., S. 456.

  4. Vgl. Reinhard Kühnl, Formen bürgerlicher Herrschaft. Liberalismus — Faschismus, Reinbek b. Hamburg 1971, S. 52 f.

  5. Vgl. Jörg Kammler, Das sozialstaatliche Modell öffentlicher Herrschaft, in: Wolfgang Abendroth/Kurt Lenk (Hrsg.), Einführung in die politische Wissenschaft, Bern-München 1968, S. 86 f.

  6. Vgl. C. Offe, a. a. O., S. 155 ff.

  7. Zur Gegenüberstellung von Oppositions-und Herrschaftswissenschaft vgl. Frieder Naschold, Politische Wissenschaft. Entstehung, Begründung und gesellschaftliche Einwirkung, Freiburg/München 1970, S. 22 ff.

  8. Wolf-Dieter Narr/Frieder Naschold, Theorie der Demokratie. Einführung in die moderne politische Theorie, Bd. III, Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1971, S. 69.

  9. Narr/Naschold, a. a. O., S. 77 f.

  10. Vgl. auch den Versuch des SPD-Langzeitprogramms, von einem ökonomisch-politischen Orientierungsrahmen auszugehen: Parteivorstand der SPD (Hrsg.), Entwurf eines ökonomisch-politischen Orientierungsrahmens für die Jahre 1973— 1985, Bonn, Juni 1972.

  11. Vgl. Narr/Naschold, a. a. O., S. 101— 105.

  12. Vgl. „Das Stabilitätsgesetz wäre gut genug ... wenn die Regierung mehr Courage hätte", in: Handelsblatt vom 7. 8. 1972.

  13. Vgl. Narr/Naschold, a. a. O., S. 110 f.

  14. Vgl. „Geheimnisse um Forschungspolitik sollen schrittweise gelüftet werden", in: Stuttgarter Zeitung vom 5. 8. 1972.

  15. Vgl. Klaus Mollenhauer, Erziehung und Emanzipation. Polemische Skizzen, München 19704, S. 45 ff.; Bryan R. Wilson, Die Rolle des Lehrers — eine soziologische Analyse, in: Klaus Betzen/Karl Ernst Nipkow (Hrsg.), Der Lehrer in Schule und Gesellschaft, München 1971, S. 13.

  16. Vgl. Theodor W. Adorno u. a., Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie, Neuwied u. Berlin 19702.

  17. Dies impliziert die Absage an jegliche Ideologie der Ganzheit, wie dies durch Hans-Jochen Gamm (Kritische Schule. Eine Streitschrift für die Emanzipation von Lehrern und Schülern, München 1970, S. 25) in Ablehnung der erziehungswissenschaftlichen Aufgabenstellung bei Hermann Röhrs und unter Hinweis auf Widersprüche bei Helmut Schelsky geschieht.

  18. Vgl. Gamm, a. a. O„ S. 23.

  19. Vgl. Arno Combe, Kritik der Lehrerrolle. Gesellschaftliche Voraussetzungen und soziale Folgen des Lehrerbewußtseins, München 1971, S. 113 f.

  20. Vgl. W. Jaide, Jugend und Demokratie, München 1970; H. -M. Stimpel, Schüler, Lehrerstudenten und Politik, Göttingen 1970; Manfred Teschner, Politik und Gesellschaft im Unterricht. Eine soziologische Analyse der politischen Bildung an hessischen Gymnasien, Frankfurt 1968; E. Becker, S. Herkommer u. J. Bergmann, Erziehung zur Anpassung? Eine soziologische Untersuchung der politischen Bildung in den Schulen, Schwalbach/Ts. 1967; Institut für Sozialforschung der Universität Frankfurt (Hrsg.), Zur Wirksamkeit der politischen Bildung, Teil I, Frankfurt/M. 1966; Jürgen Habermas, Ludwig v. Friedeburg, Ch. Oehler und F. Weitz, Student und Politik. Eine soziologische Untersuchung zum politischen Bewußtsein Frankfurter Studenten, Neuwied 1961.

  21. Vgl. hierzu Combe, a. a. O., S. 125 ff.

  22. Die Formulierung von Bryan R. Wilson (a. a. O., S. 13): „Und doch gehört zur Lehrerrolle immer auch die Konservierung (!) und energische (!) Weitervermittlung bestimmter (!) gesellschaftlicher Werte", ist eben deswegen abzulehnen, da sie wegen ihrer mangelhaften Präzision unreflektierter Anpassung Vorschub zu leisten vermag.

  23. M. Schwonke, Das Gesellschaftsbild des Lehrers, in: Die Deutsche Schule 58, 1966.

  24. Diese Feststellung hat inzwischen zum Teil zur Fixierung von Gegenideologien geführt. Vgl. von der älteren Literatur insbesondere Charles Wright Mills, Kritik der soziologischen Denkweise, Neuwied 1963, S. 79 f.; Dahrendorf, Gesellschaft und Freiheit, a. a. O., S. 93.

  25. Diese Formulierung in Anlehnung an Dahrendorf: „Ordnung" als „pathologischer Sonderfall des Lebens" (Gesellschaft und Freiheit. Zur soziologischen Analyse der Gegenwart, München 1965, S. 81).

  26. Vgl. hierzu Gamm (a. a. O., S. 25 f.), der diese Auftragserteilung als entscheidend ansieht.

  27. Thomas Ellwein, Die verwaltete Schule, in: Das Argument 31, 19715, S. 209— 220, 219. Ellwein formulierte diese Kritik zuerst 1964. Trotz politischer Veränderungen in der BRD und gewandelter Verhältnisse im bildungspolitischen Bereich (Bildungsgesamtplan, Gesamtschulen) hat sie jedoch von ihrer Gültigkeit bis heute nichts eingebüßt. Ursachen und Ausdrucksformen können hier allerdings nicht weiter ausgeführt und belegt werden.

  28. Vgl. Ellwein, a. a. O., S. 219 f.

  29. Vgl. hierzu den Gedanken einer „pädagogischen Prospektik" bei Gamm (a. a. O., S. 23 f.).

  30. Vgl. etwa Wilhelm Hennis, Politik und praktische Philosophie, Neuwied und Berlin 1963.

  31. Hans Maier, Artikel „Politikwissenschaft", in: Fischer Lexikon „Staat und Politik", Frankfurt/M. Neuausgabe 1968, S. 260.

  32. Vgl. hierzu im Anschluß an R. Ashby (Design for a Brain, New York 1960) Frieder Naschold, Demokratie und Komplexität, in: Politische Vierteljahresschrift (PVS) 9/1968, S. 494— 518, 498.

  33. Vgl. J. Habermas, Erkenntnis und Interesse, a. a. O.

  34. Vgl. hierzu F. Naschold, Politische Wissenschaft, a. a. O., S. 35 ff.

  35. Vgl. Dieter Oberndorfer, Politik als praktische Wissenschaft, in: ders. (Hrsg.), Wissenschaftliche Politik. Eine Einführung in Grundlagen ihrer Tradition und Theorie, Freiburg 1962, S. 9— 58, 19.

  36. Hermann Giesecke, Didaktik der politischen Bildung, München 19694, S. 222.

  37. Vgl. hierzu an neuerer Literatur in der BRD: Carl Bohret und Albrecht Nagel, Politisches Entscheidungshilfsmittel Systemanalyse, in: PVS 10/1969, S. 576— 603; Carl Bohret (Hrsg.), Simulation innenpolitischer Konflikte, Opladen 1972; ders., Entscheidungshilfen für die Regierung. Modelle, Instrumente, Probleme, Opladen 1970; Albrecht Nagel, Leistungsfähige Entscheidungen in Politik und Verwaltung durch Systemanalyse. Ein generell anwendbares Verfahren zur systematischen Erarbeitung vertretbarer Tagesentscheidungen, Berlin 1971; Frieder Naschold, Systemsteuerung. Einführung in die moderne politische Theorie, Bd. 2, Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 19712; ders., Die systemtheoretische Analyse demokratischer politischer Systeme. Vorbemerkungen zu einer system-analytischen Demokratietheorie als politischer Wachstumstheorie mittlerer Reichweite, in: PVS Sonderheft 2, 1970, S. 3— 39; Ernst Gehmacher, Methoden der Prognostik. Eine Einführung in die Probleme der Zukunftsforschung und Langfristplanung, Freiburg 1971; Karl-Dieter Opp, Kybernetik und Soziologie. Zur Anwendbarkeit und bisherigen Anwendung der Kybernetik in der Soziologie, Neuwied und Berlin 1970; Martin Shubik (Hrsg.), Spieltheorie und Sozialwissenschaften, Frankfurt/M. 1965; Horst-Dieter Rönsch/Lucian Kern (Hrsg.), Simulation internationaler Prozesse, PVS Sonderheft 3 (noch nicht erschienen); Gesellschaftlicher Wandel und politische Innovation, PVS Sonderheft 4, 1972.

  38. Vgl. hierzu insgesamt die Beiträge von Theodor W. Adorno und Jürgen Habermas, in: Adorno u. a., Positivismusstreit, a. a. O. Weiterhin Jürgen Habermas in: J. Habermas/N. Luhmann, Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie — Was leistet die Systemforschung?, Frankfurt/M. 1971. Neuerdings Hauke Brunkhorst, Wissenschaftskritik und sozialistische Praxis, in: Ästhetik und Kommunikation. Beiträge zur politischen Erziehung 3/1972, S. 58— 82.

  39. Vgl. Herbert Marcuse, Repressive Toleranz, in: R. P. Wolff, Barrjngton Moore, H. Marcuse, Kritik der reinen Toleranz, Frankfurt/M. 1966; ders., Kultur und Gesellschaft, Bd. 1, Frankfurt/M. 1965, Vorwort; ders., Vernunft und Revolution, Neuwied und Berlin 1962, S. 369 ff.

  40. Vgl. hierzu Mollenhauer, a. a. O.; Rolf Schmiederer, Zur Kritik der Politischen Bildung. Ein Beitrag zur Soziologie und Didaktik des Politischen Unterrichts, Frankfurt/M. 1971; Klaus Wallraven/Eckart Dietrich, Politische Pädagogik. Aus dem Vokabular der Anpassung, München 1970. Oskar Negt, Soziologische Phantasie und exemplarisches Lernen. Zur Theorie und Praxis der Arbeiterbildung, 2. Aufl. d. überarb. Neuausgabe, Frankfurt 1971.

  41. Vgl. Talcott Parsons, Soziologische Theorie, Neuwied/Berlin 1964; Chandler Morse, The Functional Imperatives, in: Max Black (Hrsg.), The Social Theories of T. Parsons, Englewood Cliffs N. J., 19644, S. 100— 157.

  42. Vgl. Gabriel A. Almond/James S. Coleman, The Politics of the Developing Areas, Princeton, N. J. 1960, S. 17.

  43. Gabriel A. Almond/G. Pinham Powell, Comparative Politics, Boston-Toronto 1966, S. 24 ff. und 43 ff.

  44. Vgl. hierzu Günther Doeker (Hrsg.), Vergleichende Analyse politischer Systeme. Comparative Politics, Freiburg 1971, insbesondere den einleitenden Aufsatz Doekers „Einführung in die Methodik der vergleichenden Analyse politischer Systeme", S. 17— 53, der allerdings die immanenten Probleme — vor allem das Problem der Ideologiehaltigkeit derartiger Systemmodelle — nicht in wünschenswerter Deutlichkeit herausarbeitet.

  45. S. 79 ff. Vgl. hierzu Narr, Theoriebegriffe, a. a. O.,

  46. Vgl. Naschold, Demokratie und Komplexität, a. a. O., S. 499; ders., Die systemtheoretische Analyse, a. a. O., S. 5; Robert A. Dahl, A Preface to Democratic Theory, Chicago 1956, S. 2.

  47. Vgl. hierzu die weiterführenden Darlegungen im Zusammenhang mit dem „Prozeßaspekt" auf den folgenden Seiten.

  48. Vgl. hierzu die Ausführungen im Zusammenhang, mit den Darlegungen des „Strukturaspekts" auf den folgenden Seiten.

  49. Robert A. Dahl, Modern Political Analysis, Englewood Cliffs, N. J. 1963, S. 6.

  50. Vgl. F. Naschold, Die Analyse, a. a. O., S. 7 f.

  51. Max Weber, Wirtschaft und 19473, S. 29.

  52. Vgl. hierzu insgesamt R. A. S. 55 ff.; P. Bachrach, The Theory Elitism, Boston 1967, S. 93 ff. systemtheoretische Gesellschaft, Tübingen Dahl, a. a. O., of Democratic

  53. Karl Dietrich Bracher, Die Auflösung der Weimarer Republik. Eine Studie zum Problem des Machtverfalls in der Demokratie (Schriften des Instituts für Politische Wissenschaft, Bd. 4), Stuttgart-Düsseldorf 1957.

  54. Vgl. zu diesem Begriff zusätzlich zu dem im folgenden Ausgeführten die Erläuterungen bei Naschold (in Anlehnung an Etzioni), Politische Wissenschaft, a. a. O., S. 25; ders., Demokratie und Komplexität, a. a. O., S. 499 f.

  55. Vgl. Jörg Kammler, Gegenstand und Methode der politischen Wissenschaft, in: Wolfgang Abendroth/Kurt Lenk (Hrsg.), Einführung in die politische Wissenschaft, Bern und München 1968, S. 9; weiterhin insbesondere die Beiträge von Kühnl und Kammler zum liberalen und sozialstaatlichen Modell öffentlicher Herrschaft, in: Abendroth/Lenk, a. a. O„ S. 57— 85; 86— 118.

  56. Max Horkheimer, Philosophie und kritische Theorie, in: Zeitschrift für Sozialforschung (ZfS) 6/1937, S. 625 ff.

  57. Narr/Naschold, Theorie der Demokratie, a. a. O., S. 99.

  58. Ebda., S. 101.

  59. Vgl. hierzu die wichtigsten Hinweise bei Peter Waldmann, Zeit und Wandel als Grundbestandteile sozialer Systeme, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie (KZfSS) 23/1971, S. 687— 703, 687 ff.

  60. Vgl. hierzu von den wichtigsten Werken Talcott Parsons': The Structure of Social Action, New York 19492; The Social System, London 19644. Parsons versuchte später, den Prozeßaspekt in seine strukturell-funktionale Theorie zu integrieren. Vgl. hierzu Parsons, Die jüngsten Entwicklungen in der strukturell-funktionalen Theorie, in: KZfSS 16/1964, S. 30— 49.

  61. Vgl. hierzu mehrere Aufsätze in: Ralf Dahrendorf, Gesellschaft und Freiheit, a. a. O. Vgl. auch insgesamt: K. Messelken, Politikbegriffe der modernen Soziologie. Eine Kritik'der Systemtheorie und Konflikttheorie, Köln und Opladen 19682.

  62. Niklas Luhmann, Soziologie als Theorie sozialer Systeme, zuletzt in: ders., Soziologische Aufklärung. Aufsätze zur Theorie sozialer Systeme, Köln-Opladen 19712, S. 123.

  63. W. Ross Ashby, Design for a Brain, London 19542.

  64. Luhmann, a. a. O., S. 123 f.

  65. Ebda., S. 134, Anm. 41.

  66. Luhmann bezieht sich hierbei u. a. auf Parsons, Smelser, Eisenstadt und LaPalombara (vgl. Luhmann, a. a. O., S. 134, Anm. 45).

  67. Luhmann, a. a. O., S. 134, Anm. 41.

  68. F. Naschold, Zur Politik und Ökonomie von Planungssystemen, in: PVS Sonderheft 4, 1972, S. 13— 53; 50, A. 15.

  69. Vgl. hierzu Jay W. Forrester, Industrial Dynamics, Cambridge (Mass.) 19685; ders., Urban Dynamics, Cambridge (Mass.) 1969; Planung unter dem dynamischen Einfluß komplexer sozialer Systeme, in: Volker Ronge/Günter Schmieg (Hrsg.), Politische Planung in Theorie und Praxis, München 1971, S. 81— 90.

  70. Naschold wendet sich insbesondere gegen Hirsch-Leibfried, Materialien zur Wissenschaftsund Bildungspolitik, 1971.

  71. Vgl. hierzu etwa Dennis Meadows u. a., Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit, Stuttgart 1972. Eine detaillierte Kritik dieser Studie kann im Rahmen unseres Themas nicht geleistet werden. Vgl. dazu u. a. R. L. Heilbroner, Wachstum und überleben, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 3/73.

  72. Hirsch-Leibfried, a. a. O.; Ronge/Schmieg, a. a. O.

  73. F. Naschold, Zur Politik und Ökonomie, a. a. O., S. 30.

  74. Ebda., S. 25.

  75. Vgl. Narr/Naschold, Theorie der Demokratie, a. a. O„ S. 99— 136.

  76. Vgl. hierzu die in Anm. 37 aufgeführte Literatur.

  77. Narr, Logik der Politikwissenschaft, a. a. O., S. 18.

  78. Zur Bereitstellung von Elementen und Untersuchungskriterien von Theorien vgl. Narr, Theorie-begriffe, a. a. O., S. 32 ff.

  79. Habermas/Luhmann, a. a. O., S. 250.

  80. C. Offe, a. a. O., S. 159 f.

  81. Habermas/Luhmann, a. a. O., S. 251.

  82. Ebda.

  83. Theodor W. Adorno, Soziologie und empirische Forschung, in: ders. u. a., Positivismusstreit, a. a. O., S. 82.

  84. Jürgen Habermas, Analytische Wissenschaftstheorie und Dialektik. Ein Nachtrag zur Kontroverse zwischen Popper und Adorno, in: Adorno u. a., Positivismusstreit, a. a. O., S. 165.

  85. Meadows u. a., Grenzen des Wachstums, a. a. O.

  86. Zu PPBS und PES vgl. Nagel, Leistungsfähige Entscheidungen, a. a. O.; ferner: Gerhard Willke, Überlegungen zu einer zielorientierten Finanzplanung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 35/72. Zur Kritik von PPBS vgl. insbes. Wolf-Dieter Narr: Rationalität und Regierung — Bemerkungen zum Programming-Planning-Budgeting System (PPBS), in: Kritische Justiz, 1/1971, S. 1— 15.

  87. Vgl. etwa Carl Bohret (Hrsg.), Simulation innenpolitischer Konflikte, a. a. O. Zur Kritik vgl. u. a. Steffen Harbordt: Die überschätzte Computersimulation, in: Soziale Welt 21/22, 1970/71, S. 494— 507.

  88. Vgl. hierzu Thomas von Randow, So geht die Welt zugrunde, in: Die Zeit v. 17. 3. 1972.

  89. H. P. Künzi/J. Kohlas, Zur Kosten-NutzenAnalyse in staatlicher, wirtschaftlicher und industrieller Sicht, in: Neue Zürcher Zeitung (NZZ) v. 31. 8. 1967, zit. bei: Albrecht Nagel, Leistungsfähige Entscheidungen, a. a. O., S. 2. Nagel teilt diese Auffassung offensichtlich ohne Einschränkung.

  90. Volker Ronge/Günter Schmieg (Einleitung, in: dies. (Hrsg.), Politische Planung, a. a. O., S. 12) in bezug auf Jay W. Forresters reichlich hilflose Feststellung: „The urban dynamics exposed by this investigation imply that the city can change from the inside" (Forrester, Urban Dynamics, a. a. O., S. 128).

  91. Forrester, ebda.

  92. Hans Albert, Traktat über kritische Vernunft, Tübingen 1968, S. 179.

  93. Carl Bohret, Einführung in das Werkstatt-Buch, in: ders. (Hrsg.), Simulation innenpolitischer Konflikte, a. a. O., S. 17.

  94. Ebda., S. 17 f.

  95. Hermann Giesecke, Didaktik, a. a. O.; Wolfgang Hilligen, Didaktische und methodische Handreichungen zur politischen Bildung und Sozial-kunde, zugleich Lehrerheft zu dem Unterrichtswerk „Sehen-Beurteilen-Handeln", Frankfurt/M., 19695, S. 10 ff.; ders., Vorschläge für didaktische Kategorien zur Strukturierung von Inhalten und Intentionen der politischen Bildung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 3/1970, S. 20 ff.; Karl Christoph Lingelbach, Der „Konflikt” als Grundbegriff der politischen Bildung, in: Pädagogische Rundschau 21/1967, S. 48— 55, S. 125— 138; Klaus Mollenhauer, Erziehung und Emanzipation, a. a. O., S. 160 f.; Ernst-August Roloff, Politische Didaktik als kritische Sozialwissenschaft, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 10/72. Erwin Schaaf, Ordnung und Konflikt als Grundprobleme der politischen Bildung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 1/1970; Rolf Schmiederer, Zur Kritik, a. a. O.; Bernhard Sutor, Didaktik des politischen Unterrichts. Eine Theorie der politischen Bildung, Paderborn 1971; Klaus Wallraven/Eckart Dietrich, Politische Pädagogik, a. a. O.

  96. Auf ältere Ansätze zu Ziel-und Inhaltsbestimmung, Methodik und Didaktik der politischen Bildung, deren Leistungsvermögen und Leistungsschwächen sowie deren Ideologiegehalt wird hier nicht weiter eingegangen, da an anderen Stellen das wichtigste hierüber gesagt wurde. Vgl. hierzu etwa die knappe kritische Darstellung mit Literaturhinweisen bei Wallraven/Dietrich, a. a. O., S. 105— 120.

  97. Zur Auseinandersetzung mit Form und Inhalt der Kategorien von Giesecke, Hilligen und Sutor vgl. meinen Aufsatz „Politikwissenschaftliche und politisch-didaktische Grundkategorien", in: Gesellschaft—Staat—Erziehung (GSE), 17/1972, S. 289— 304, insbes. S. 299— 303.

  98. Rolf Schmiederer, Zur Kritik der Politischen Bildung. Ein Beitrag zur Soziologie und Didaktik des Politischen Unterrichts, Frankfurt 1971 2, S. 22 f.

  99. Ebda., S. 23.

  100. Ebda., S. 27.

  101. Ebda., S. 38.

  102. Schmiederer, ebda. Den Begriff des „demokratischen Potentials" erläutert Schmiederer anschließend mit einem Habermas-Zitat (Habermas u. a., Student und Politik, a. a. O., S. 55).

  103. Schmiederer, Zur Kritik, a. a. O., S. 41.

  104. Ebda., S. 56 ff.

  105. Ebda., S. 64 ff.

  106. Ebda., S. 45.

  107. Ebda., S. 46.

  108. Ebda., S. 49.

  109. Ebda., S. 50 ff.

  110. Ebda., S. 51.

  111. Ebda., S. 52.

  112. Ebda., S. 59.

  113. Ebda., S. 71 ff., 80.

  114. Ebda., S. 64 ff., 71.

  115. Ebda., S. 91 ff.

  116. Ebda., S. 94.

  117. Ebda., S. 95 ff.

  118. Ebda., S. 97.

  119. Schmiederer, Zur Kritik, a. a. O., S. 111.

  120. Vgl. hierzu Naschold, Demokratie und Komplexität, a. a. O., S. 499.

  121. Schmiederer, Zur Kritik, a. a. O., S. 117 ff.

  122. W. Hilligen, Vorschläge, a. a. O., S. 20.

  123. J. S. Bruner, A Study of Thinking, New York 1956; ders., The Process of Education, Harvard 1960; Nipkow, Allgemeindidaktische Theorien der Gegenwart, in: Zeitschrift für Pädagogik, 1968.

  124. Hilligen, Vorschläge, a. a. O., S. 20.

  125. Ebda., S. 20 f.

  126. Ebda., S. 21.

  127. Ebda., S. 21 ff.

  128. Ebda., S. 21.

  129. Ebda.

  130. Ebda., S. 21 f.

  131. Vgl. hierzu auch meine Kritik in: „Politikwissenschaftliche und politisch-didaktische Grundkategorien", a. a. O., S. 300 f.

  132. Hilligen, Vorschläge, a. a. O., S. 22 f.

  133. Ebda., S. 24.

  134. Vgl. hierzu neuerdings für den Bereich der politischen Bildung Hans Albrecht Hesse, Curriculum-Forschung und -Planung für politische Bildung in der Schule, in: GSE 17/1972, S. 73— 86; allgemein ist hinzuweisen auf Herwig Blankertz, Theorien und Modelle der Didaktik, München 1969 3.

  135. Vgl. hierzu insgesamt Franz Weinert (Hrsg.), Pädagogische Psychologie, Köln—Berlin 1967 2.

  136. Vgl. Schmiederer, Zur Kritik, a. a. O., S. 56 ff. sowie S. 77: „Sachverhalt und Sachurteil sind vom Werturteil so klar wie möglich zu trennen. Damit wird verlangt, daß der Lehrer sich über weite Teile des Unterrichts möglichst wertabstinent verhält." — R. Schmiederer vertrat diese Auffassung bereits in seinen „Thesen zu einer Theorie der Politischen Bildung" (in: GSE 13/1968, S. 255/256; These 9). S. hierzu die anschließende kritische Stellungnahme von Wolfgang Hilligen („Emanzipation — kein Wert?", in: GSE 13/1968, S. 257/258). — Vgl. neuerdings auch Ernest Jouhy, Zum Begriff der emanzipatorischen Erziehung, in: GSE 17/1972, S. 145— 149, sowie die Stellungnahme W. Hilligens „Anmerkungen zu einem Schlüsselbegriff'’, in: GSE 17/1972, S. 150— 153.

  137. Wallraven/Dietrich, a. a. O., S. 10.

  138. Es sei hier nochmals auf die kurze Erläuterung von Begriff und Funktion des Paradigmas mit Literaturangaben bei Naschold, Politische Wissenschaft, a. a. O., S. 40 ff., hingewiesen.

  139. Talcott Parsons u. a., Toward a General Theory of Action, Cambridge (Mass.) 1951, S. 107.

  140. Letztere Einschränkung bei Niklas Luhmann, des politischen Systems, in: ders., So -Soziologie ziologische Aufklärung, a. a. O., S. 155.

  141. Vgl. hierzu die wichtigen Hinweise in dem vom Institut für Sozialforschung der Universität Frankfurt herausgegebenen Bericht: Zur Wirksamkeit der politischen Bildung, Teil I, a. a. O., S. 36 sowie die dort aufgeführten Tabellen 12, 13 und 14.

  142. Zur Funktion der Massenmedien für die politische Sozialisation vgl. neuerdings Hans Friedrich, Das Unterhaltungsangebot der Massenmedien als Problem und Gegenstand der politischen Bildung, in: GSE 17/1972, S. 162— 171; weiterhin verschiedene Beiträge in: Der Bürger im Staat 22/1972, S. 49— 111.

  143. Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, Bd. 1, S. 28.

  144. Max Weber, Gesammelte politische Schriften, München 1921, S. 397.

  145. Außer knappen konkreten Hinweisen und Beispielen kann eine umfassende Konkretisierung der Kategorien in diesem Rahmen nicht geleistet werden, da sich nicht anhand fragmentarisch zusammengetragener Einzelbeispiele deren Stärken bzw. Schwächen nachweisen lassen. Eine vorläufige Konkretisierung in größerem Zusammenhang versuche ich in der Darstellung „BRD—DDR. Elemente eines politischen Systemvergleichs" (erscheint Anfang 1973 in der Reihe „Politik und Soziologie. Zeitschrift zur Gestaltung des politischen Unterrichts", hrsg. v. Institut für Bildungsplanung und Studieninformation, Stuttgart).

  146. Vgl. Heinrich Roth, Pädagogische Anthropologie, Bd. 2, Hannover 1971, S. 115 ff.

  147. Vgl. Hans Aebli, Die geistige Entwicklung als Funktion von Anlage, Reifung, Umwelt-und Erziehungsbedingungen, in: Heinrich Roth (Hrsg.) Begabung und Lernen. Ergebnisse und Folgerungen neuer Forschung, Stuttgart 1969, S. 160 ff.

  148. Ähnlich betont auch Giesecke, daß das politische Lernen die politische Aktion begleiten solle (Die Krise der politischen Bildung — Ein Literatur-bericht, in: Deutsche Jugend, 1970, S. 35— 45).

  149. Vgl. zum Theorie-Praxis-Bezug und entsprechender Kritik an Giesecke: Hans-Jürgen Windszus, Kritische Bemerkungen zu Hermann Gieseckes „Didaktik der politischen Bildung", in: Die Deutsche Schule 60/1968, S. 683.

  150. Vgl. Oskar Negt, a. a. O., S. 96 ff.

  151. Giesecke, Didaktik, a. a. O., S. 220.

  152. Ebda.

  153. Ebda., S. 221.

  154. Schmiederer, Zur Kritik, a. a. O., S. 97.

  155. Giesecke, Didaktik, a. a. O., S. 99 ff.

  156. Ebda., S. 222.

  157. Jerome S. Bruner, Bereitschaft zum Lernen, in: Franz Weinert (Hrsg.), Pädagogische Psychologie, a. a. O., S. 105.

  158. Vgl. hierzu Rudolf Engelhardt: Politisch bilden — aber wie?, Essen 1964, sowie insgesamt K. Ch. Lingelbach, a. a. O., S. 48 ff.

  159. Bedeutung und Problematik der Aktualität im politischen Unterricht heben neuerdings wieder hervor: Willy Rehm, a. a. O., S. 68 ff.; R. Schmiederer, Kritik, S. 101.

  160. Zur Kritik des enzyklopädischen Prinzips vgl. R. Schmiederer, Kritik, S. 91 f.

  161. H. -J. Windszus, a. a. O., S. 685.

  162. Vgl. hierzu auch W. Hilligen (Zu einer Didaktik des Konflikts, a. a. O., S. 90): „Didaktische Kategorien unterscheiden sich in Grundschule und Universität nur durch das Maß der Differenziertheit bzw. Elementarisierung."

  163. Vgl. hierzu etwa Rudolf Engelhardt, Urteilsbildung im politischen Unterricht, Essen 1968, S. 34 ff.: K. Ch. Lingelbach, a. a. O., S. 127 ff.

  164. Eine Identifizierung von Kategorien und Einsichten vollzieht dagegen Bernhard Sutor, a. a. O., S. 259 ff.

  165. Vgl. hierzu ausführlich Rolf Schmiederer, Kritik, S. 117— 128.

  166. Vgl. hierzu in kritischer Auseinandersetzung mit Giesecke Kurt Fackiner, Einleitung. Zur Didaktik des politischen Unterrichts, in: Kurt Fackiner (Hrsg.), Handbuch des politischen Unterrichts, Frankfurt/M., Berlin, München 1972, S. 9 ff.

  167. Roth, S. 141.

  168. Ebda., S. 123. Pädagogische Anthropologie, a. a. O.,

  169. Zur systemabhängigen Rolle des Lehrers vgl. R. Reichwein, Autorität und autoritäres Verhalten bei Lehrern, in: Neue Sammlung 1967, S. 20— 33; G. Schefer, Das Gesellschaftsbild des Gymnasiallehrers. Eine Bewußtseinsanalyse des deutschen Studienrats, Frankfurt/M. 1969.

  170. Vgl. zu dieser Problematik insgesamt: Klaus Wallraven/Eckart Dietrich, a. a. O., S. 10 ff.; Schmiederer, Kritik, S. 7 ff.; Martin Baethge, Ausbildung und Herrschaft. Unternehmerinteressen in der Bildungspolitik, Frankfurt/M. 1970; Heinz Joachim Heydorn, über den Widerspruch von Bildung und Herrschaft, Frankfurt/M, 1970. — Vgl. auch das Eingangskapitel dieser Arbeit.

  171. Aebli, S. 162.

  172. Andrzej Malewski, Verhalten und Interaktion. Die Theorie des Verhaltens und das Problem der sozialwissenschaftlichen Integration, Tübingen 1967, S. 10.

  173. Vgl. Roth, Pädagogische Anthropologie, a. a. O., S. 117 f.

  174. Vgl. hierzu ausführlich: Ernest R. Hilgart/G. H. Bower, Theorien des Lernens, Bd. 1 u. 2, Stuttgart 1970; E. R. Hilgard (Hrsg.), Theories of Learning and Instructions. 63rd Yearbook of the National Society for the Study of Education, Chicago 1964; H. Roth, Pädagogische Anthropologie, a. a. O., S. 115ff.

  175. Science and Human Behavior, New York, 1953 (Paperback 1965).

  176. John Dewey/Tufts, Ethics, rev. ed., New York 1932, S. 179 f.

  177. Vgl. hierzu auch das oben erwähnte Ordnungssystem von Verhalten und Lernen bei H. Aebli.

  178. Experimentell und mit Hilfe umfangreicher empirischer Studien hat Albert Bandura die Fruchtbarkeit lerntheoretischer Hypothesen für die Erklärung der Prinzipien der Nachahmung und des beobachteten Verhaltens („observational learning“) nachgewiesen. Vgl. hierzu insbes. Bandura, Behavioral Modifications through Modeling Procedures, in: Leonhard Krasner/Leonhard P. Ullmann (Hrsg.), Research in Behavior Modification, New York 1965, S. 310— 340.

  179. Skinner, S. 65.

  180. Vgl. H. Hörmann, Psychologie der Sprache, Berlin 1967, S. 342.

  181. Vgl. Roth, Pädagogische Anthropologie, a. a. O., S. 125 ff.

  182. Vgl. hierzu den Hinweis bei Karl-Dieter Opp (Die verhaltenstheoretische Soziologie: Ihr Forschungsprogramm und einige ihrer Probleme, in: Soziale Welt 21/22, 1970/71, S. 159), der feststellt, daß lerntheoretische Hypothesen offenbar auch auf „komplexe" soziale Tatbestände anwendbar seien, „etwa zur Erklärung von . Prozessen'in Organisationen oder zur Prognose sozialen Wandels". — Vgl. weiterhin die prägnanten Bemerkungen bei Frieder Naschold: Politische Wissenschaft, S. 45 ff.

  183. Vgl. hierzu den Einwand bei Roth, Pädagogische Anthropologie a. a. O., S. 160.

  184. Der Typ des Systemzielmodells wird hier in Anlehnung an Naschold (Demokratie und Komplexität, a. a. O., S. 499) gebraucht und erläutert. Naschold setzt diesen Typ gegen das „System effectiveness model" Etzionis ab, um damit eine größere Offenheit inhaltlicher Systemzielbestimmungen zu ermöglichen.

Weitere Inhalte

Wolfgang Behr, Dr. phil., Dozent für Politikwissenschaft an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe; geb. 1940 in Erlangen; Studium der Politikwissenschaft, Geschichte, Soziologie, Anglistik, Pädagogik und Philosophie an den Universitäten Heidelberg, London und Erlangen-Nürnberg. Veröffentlichungen: Sozialdemokratie und Konservatismus, Hannover 1969; Der Beitrag der Gemeinschaftskunde zur Sexualerziehung, in: Die Schulwarte 22/1969; Politikwissenschaftliche und politisch-didaktische Grundkategorien, in: Gesellschaft-Staat-Erziehung 17/1972; BRD — DDR. Elemente eines politischen Systemvergleichs, in: Politik und Soziologie. Zeitschrift zur Gestaltung des politischen Unterrichts, Stuttgart 1973.