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Die amerikanische Präsidentschaftswahl Das Verfahren zur Nominierung der Präsidentschaftskandidaten | APuZ 34/1972 | bpb.de

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APuZ 34/1972 Die amerikanische Präsidentschaftswahl Das Verfahren zur Nominierung der Präsidentschaftskandidaten

Die amerikanische Präsidentschaftswahl Das Verfahren zur Nominierung der Präsidentschaftskandidaten

Werner Peters

/ 97 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die amerikanischen Präsidentschaftswahlen sind das einzige wirklich nationale Ereignis in diesem immer noch stark föderalistisch orientierten Staat. Das Wahlsystem ermöglicht eine umfassende Beobachtung und aktive Mitwirkung durch die ganze Bevölkerung, von der ersten Phase bis zum Tag der Wahl. Im Unterschied zu den politischen Verhältnissen in Deutschland vollzieht sich auch der Prozeß der Nominierung der Kandidaten durch die Parteien in aller Öffentlichkeit. Jedem Anhänger einer Partei ist die Mitwirkung am Nominierungsprozeß möglich. Dies wird vor allem in den öffentlichen Vorwahlen (primaries) praktiziert, wo die Delegierten für den Bundeskonvent, auf der der Präsidentschaftskandidat nominiert wird, gewählt werden. Aber auch das System der Parteienversammlungen zur Selektion der Delegierten für den Bundeskonvent, das in den meisten Staaten angewandt wird, ist auf der untersten Ebene offen für alle Anhänger der jeweiligen Partei. Allerdings wird dieses Delegiertenauswahlverfahren in der Praxis durch die Parteifunktionäre stark manipuliert. Die weitreichenden Reformen der demokratischen Partei haben sichergestellt, daß sich bei der Wahl der Delegierten zum Bundeskonvent die Willensbildung von unten nach oben ungehindert vollzieht. Nur dadurch ist das Phänomen der Nominierung George McGoverns, den die Basis der Partei gegen den Willen der Parteiführung erzwungen hat, zu erklären. Der Artikel beschreibt den Aufbau der Wahlkampforganisation, die Wahl-kampftechniken, die Strategie der Präsidentschaftsbewerber zur Kontrolle und Steuerung des Bundeskonvents sowie die Kosten und Finanzierung eines solchen Feldzugs um die Nominierung.

1. Einleitung

Alle vier Jahre beherrscht in den USA ein Ereignis das gesamte politische Leben der Nation: der Wahlkampf um das Amt des Präsidenten. Für die Bevölkerung der USA geht es bei der Präsidentenwahl um mehr als um die Bestellung einer neuen Regierung. Das Präsidentenamt ist das einzige Mandat, das die ganze Nation umfaßt. Sein Inhaber wird als einziger vom ganzen Volk gewählt und ist berechtigt, für die ganze Nation zu sprechen und zu handeln. Die Abgeordneten und Senatoren gelten nicht so sehr als Mitglieder einer das ganze Volk repräsentierenden Körperschaft, sondern sind in erster Linie Vertreter der sie in den Kongreß entsendenden Wähler Deshalb sind Präsidentschaftswahlen das einzige wirklich nationale politische Ereignis in diesem Land. Sie erfüllen einen geradezu kathartischen Zweck. Einmal alle vier Jahre taucht die Nation aus ihrer Zersplitterung in einzelstaatliche und Gruppeninteressen auf und besinnt sich auf ihre Existenz als Gesamtstaat. Dies ist der entscheidende Grund für die außerordentliche Bedeutung, die der amerikanische Präsidentschaftswahlkampf im Leben der Nation spielt. Es kommt hinzu die unerhörte Machtfülle, die diesem Amte innewohnt. Der amerikanische Präsident ist anders als ein deutscher Regierungschef weder von der Zustimmung seiner Kabinettskollegen noch von der Mehrheit im Parlament abhängig. In seiner Person allein sind alle exekutiven und administrativen Handlungsvollmachten vereinigt. Der Präsident ist souverän in der Führung der politischen Geschäfte, solange er sich innerhalb der vom Kongreß erlassenen Gesetze hält. Er ist dem Parlament für seine Politik keine Rechenschaft schuldig und braucht auch dessen politische Vorstellungen, solange sie sich nicht in förmlichen Gesetzen niederschlagen, nicht zu beachten. Wie weit die tatsächliche politische Handlungsfreiheit des Präsidenten geht, kann an der Tatsache abgelesen werden, daß seit nunmehr nahezu zehn Jahren von den USA in Vietnam mit zeitweise über 500 000 Soldaten ein Krieg geführt wird, ohne daß hierfür eine förmliche Kriegserklärung des Kongresses eingeholt werden mußte.

Die Macht des Präsidenten ist vor allem in den letzten Jahrzehnten weiter angestiegen, innenpolitisch durch das Aufkommen des Versorgungsstaates und in seinem Gefolge das Anwachsen der Bürokratie, außenpolitisch durch den Aufstieg der USA zur Weltmacht und die damit verbundene Ausweitung der Rolle des Oberkommandierenden der Streitkräfte und obersten Vertreters des Staates nach außen. Die Rolle des Präsidenten als Staatsoberhaupt und Repräsentant des Staates trägt ebenfalls zu der Bedeutung bei, die die Wahl eines neuen Präsidenten in der amerikanischen Politik innehat.

Der Präsidentschaftswahlkampf steht aber auch deshalb so im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses, weil der gesamte Prozeß von den ersten Ankündigungen der Bewerber bis zum Wahltag im November jedes durch vier teilbaren Jahres zur Beobachtung und Mitwirkung durch die Bevölkerung offensteht. Es-handelt sich hierbei zweifellos um keine zufällige Erscieinung. Gerade weil das Amt des Präsidenten von so großem Einfluß auf das politische Geschehen und die Wahl des Präsidenten für die Identität der Nation von so grundlegender Bedeutung ist, hat sich ein Verfahren zur Wahl des obersten Repräsentanten der Nation entwickelt, das eine möglichst große aktive Anteilnahme der Bevölkerung ermöglicht. Und dies ist nicht nur auf die allgemeinen Wahlen beschränkt. Bereits der Prozeß der Nominierung der Parteikandidaten findet in aller Öffentlichkeit und unter Mitwirkung breiter Bevölkerungskreise statt. Diese Tatsache ist für jemanden, der von den deutschen Verhältnissen ausgeht, abstrakt kaum nachvollziehbar. Bei uns ist die Aufstellung der Kandidaten für sämtliche politischen Ämter ein Privileg der Partei, auf das der Wähler keinen Einfluß hat und auch nicht beansprucht. Er wird erst im zweiten Akt des Wahlverfahrens, wenn die von den Parteien nominierten Kandidaten einander gegenüberstehen, einbezogen und zur Entscheidung aufgefordert. Das amerikanische politische Verständnis ist hier radikal anders. Die Nominierung innerhalb der Partei ist von der Wahl zwischen den einzelnen Parteien in Funktion und politischer Bedeutung grundsätzlich nicht unterschieden. Deshalb besteht kein Grund, die Phase des innerparteilichen Auswahlprozesses anders zu gestalten als die allgemeine Wahl. Während aber für die allgemeine Wahl zwischen den Parteikandidaten leicht verbindliche Formen entwickelt wurden, die eine breite Beteiligung der Bevölkerung ermöglichen, ist dies bei der Auswahl von Bewerbern innerhalb einer Partei sehr viel schwieriger. Das System, das in den USA für diesen Prozeß entwickelt worden ist, zeigt deshalb deutlich den Charakter des Experimentellen, was nicht negativ verstanden werden soll. Es gibt einfach für dieses Problem (noch?) keine verbindlichen Lösungen.

Besonders problematisch ist ein solcher Nominierungsprozeß unter breiter Beteiligung der Bevölkerung natürlich bei einem Amt, dessen Mandat sich über die Gesamtheit der USA erstreckt. Gerade darum aber ist dieser Prozeß, der die Vielfalt der Versuche zur Bewältigung dieses Problems wiederspiegelt, ein so faszinierendes Schauspiel. Von den beiden Phasen des amerikanischen Wahlkampfes unterscheidet sich die allgemeine Wahl und der Wahlkampf hierzu nicht wesentlich von den Verhältnissen in Deutschland. Hier wie dort stehen sich zwei oder mehr Persönlichkeiten gegenüber, die jeweils mit einer Partei identifiziert sind und von ihr getragen werden. Der Kampf um Wählerstimmen wird sowohl mit der Person des Spitzenkandidaten als auch mit dem Programm der Partei ausgetragen. Hingegen gibt es zu dem amerikanischen Verfahren der Bewerbung um die Nominierung durch eine Partei und dem Wahlkampf, der hierfür geführt wird, keine Parallele im deutschen oder, soweit mir bekannt, in irgendeinem europäischen politischen System.

Geschichtliche Entwicklung Das Wahlsystem einschließlich der Nominierung des Präsidentschaftskandidaten, das wir heute in den USA vorfinden, hat eine lange Entwicklungsgeschichte hinter sich. Die Verfassungsväter haben nicht einmal die allgemeine Wahl, geschweige denn die Nominierung unmittelbar dem Volk, sondern die Wahl des Präsidenten einem Gremium von Wahlmännern übertragen. Dieses Verfahren ist auch heute noch gültig, wenn es auch praktisch seit Anfang des 19. Jahrhunderts nur noch eine Formalität ist

Die Gründer der Nation wollten mit dieser Konstruktion auch den Einfluß der sich gerade formierenden Parteien auf die Wahl des Staatsoberhauptes verhindern. Die Entwicklung ließ sich jedoch nicht aufhalten. Das Volk wie auch die Parteien verlangten unmittelbaren Einfluß auf die personelle Besetzung dieses wichtigsten Amtes im Staate. Da in einem weitausgedehnten Land mit einer großen Bevölkerung eine unmittelbare Bewerbung aller Kandidaten für das Amt nicht möglich war und nur zu einer Zersplitterung der Stimmen geführt hätte, entwickelte sich ganz automatisch die vorherige Auslese der Bewerber durch die Parteien Die Bundeskonvente wurden geboren, auf denen sich die Parteianhänger auf einen Bewerber einigten, der dann mit seinem Namen und dem der Partei im Lande um die Gunst der Wähler warb.

Dieses System der vorherigen Kandidatenauslese auf einer Versammlung von Parteianhängern aus dem ganzen Land wird in seinen Grundzügen bereits etwa seit dem Jahr 1800 angewendet. Gewandelt hat sich seit dieser Zeit vor allem die Zusammensetzung dieses obersten Auswahlgremiums und der Prozeß der Entsendung in dieses Gremium. Die Urform des Bundeskonvents, die bis etwa zum Jahre 1830 üblich war, ist die Versammlung aller Senatoren und Mitglieder des Repräsentantenhauses der jeweiligen Partei. Sie wurde im weiteren Verlauf der Demokratisierung des Präsidentschaftswahlverfahrens abgelöst vom Delegiertensystem, das auch heute noch gilt. Jeder Einzelstaat entsendet die ihm nach einem bestimmten Schlüssel zukommenden Delegierten in den Bundeskonvent.

Zusammensetzung des Bundeskonvents Der Schlüssel war ursprünglich an der Zahl der Wahlmännerstimmen ausgerichtet, die ungefähr, wenn auch mit leichtem Übergewicht für die kleinen Staaten, proportional der Bevölkerungszahl ist. Im Laufe der Zeit wurde dann als weitere Kategorie neben der Bevölkerungszahl die Stärke der Partei in dem jeweiligen Staat, ausgedrückt in den auf sie entfallenden Wählerstimmen, bei der Zuteilung der Delegierten eingeführt. Zur Zeit wird folgender Schlüssel bei den Parteien angewendet:

Demokraten Das Verhältnis zwischen Delegiertenanteil nach Bevölkerungszahl und nach Stärke der Partei („voting strength") ist 53 zu 47. Jeder Staat und der District of Columbia erhält von den 3000 Stimmen des Konvents zunächst je 3 für jede seiner Wahlmännerstimmen (538 X 3 = 1614). Die restlichen 1386 Stimmen werden auf die Staaten nach einer komplizierten Formel, die aus den jeweiligen kombinierten Stimmenergebnissen der letzten drei Präsidentschaftswahlen ermittelt wird, verteilt. 16 Stimmen sind den Territorien (Guam, Canal Zone, Puerto Rico, Virgin Islands) zugewiesen. Ersatzdelegierte dürfen nur von den kleineren Delegationen in gleicher Anzahl, wie sie Delegiertenstimmen haben, benannt werden. Den großen Delegationen stehen nur für einen Teil der Gesamtdelegation Ersatzdelegierte zu. Insgesamt sind 1897 Ersatzdelegierte zugelassen. Der demokratische Konvent besteht also aus annähernd 5000 Delegierten

Republikaner Der Delegiertenschlüssel des republikanischen Konvents ist sehr viel komplizierter. Hier wird zwischen Bezirksdelegierten und Landes-delegierten unterschieden. Für jeden Kongreßbezirk im Staat, in dem mindestens 4000 Stimmen bei der letzten Präsidentschafts-oder Kongreßwahl für den republikanischen Kandidaten abgegeben wurden, steht dem Staat ein Delegierter zu, bei über 12 500 Stimmen zwei Delegierte. Daneben hat jeder Staat 4 Landesdelegierte. Die kleinen Staaten, die keine Kongreßdistrikte haben, weil sie nur einen Abgeordneten entsenden, haben weitere 2 Delegiertenplätze. Schließlich gibt es noch einen Bonus von Delegierten für jeden Staat, in dem einer von vier Tests für republikanische Parteierfolge bestanden wurde. Der Bonus wird sehr großzügig vergeben. In diesem Jahre haben nur sieben der fünfzig Staaten der Union keine dieser vier Bedingungen erfüllen können. Zusammen mit den auf andere Weise ermittelten Delegiertenstimmen für den District of Columbia, Puerto Rico, die Virgin Islands und Guam kommen die Republikaner auf 1346 Stimmen; für jeden Delegierten ist ein Ersatzdelegierter zugelassen. Der republikanische Konvent kommt also auf annähernd 2700 Delegierte 6).

2. Die Wahl der Delegierten

Das föderalistische Parteiensystem in den USA Das System zur Auswahl der Delegierten hat im Verlauf der Geschichte eine große Entwicklung durchgemacht. Eigentlich kann man gar nicht von einem System sprechen, da das Verfahren der Delegiertenwahl von Staat zu Staat verschieden ist. Die amerikanischen Par-feien sind entsprechend der föderalistischen Struktur des Staates praktisch nur eine Föderation von 50 einzelnen Landesparteien mit einer außerordentlich weitgehenden Selbständigkeit. Die Bundespartei als solche existiert eigentlich nur in dem alle vier Jahre zusammentretenden Bundeskonvent. Und dieser sieht seine wesentliche Berechtigung, praktisch seine einzige Aufgabe in der Vorbereitung der Wahl für das einzige Amt von bundesweitem Ausmaß, die Präsidentschaft. Auch der Bundesvorstand Committee), der Geschäfte die der Bundespartei in der Periode zwischen den einzelnen Konventen führt, hat im Grunde genommen keine weitere Aufgabe die Vorbereitung des nächsten Bundeskonvents.

In dieser föderalistischen Parteienstruktur ist das Recht jeder Landespartei, sich ihre Satzung und Geschäftsordnung selbst zu geben, grundsätzlich unbeschränkt. Diesem Prinzip steht allerdings die Tatsache entgegen, daß es sich bei der Aufstellung von Delegierten zum Konvent, also auch bei den Regeln für diesen Prozeß, um eine Angelegenheit handelt, die die Bundespartei betrifft.

Es stehen sich hier also zwei gleichwertige Verfahren gegenüber, die miteinander in Einklang gebracht werden müssen. Dies geschieht in der Weise, daß die Bundespartei (der Bundeskonvent) Grundsätze aufstellt, an die die Einzelstaaten sich bei der Aufstellung ihrer Delegierten halten sollen oder müssen. Doch gibt es kein unabhängiges Gremium, etwa ein Parteigericht, das die Einhaltung dieser Grundsätze überwacht oder gar erzwingt. Zur Durchsetzung der vom Bundeskonvent erlassenen Richtlinien gibt es kein anderes Mittel als die Entscheidung des Bundeskonvents selber, der die entgegen den Grundsätzen zusammengestellte Delegation eines Staates von der Teilnahme an eben diesem Bundeskonvent ausschließen kann, über die Frage der Teilnahme-berechtigung gibt es keinen anderen Richter als den Parteitag selber. Er entscheidet — selbstverständlich unter Ausschluß der angefochtenen Delegierten — mit Mehrheitsbeschluß, ob die Delegation teilnehmen darf oder nicht.

Allerdings spielt die Legitimität im juristischen Sinne bei der Meinungsbildung der abstimmenden Delegierten nur eine untergeordnete Rolle. Denn wenn man bedenkt, daß es bei einem solchen Bundeskonvent um die Nominierung zum höchsten Staatsamt der USA geht, kann man sich unschwer vorstellen, daß die Entscheidung zum überwiegenden Teil unter dem Gesichtspunkt gefällt wird, wie weit die angefochtene Delegation die Kandidatur des eigenen Favoriten unterstützt, über die Rechtmäßigkeit im juristischen Sinne wird überhaupt nicht entschieden. Das bedeutet aber, daß die Landesparteien, wenn die politischen Verhältnisse ihnen günstig sind, und ihre Stimmen dringend benötigt werden, jederzeit die Möglichkeit haben, sich über alle von oben kommenden Regeln hinwegzusetzen. Allerdings gilt auch dies nur mit Einschränkungen. Die Verletzung der Grundsätze darf nicht so grob sein, daß die Partei damit vor der Öffentlichkeit, speziell den eigenen Wählern ihr Gesicht verliert. Ein Beispiel hierfür ist der systematische Ausschluß der farbigen Minderheiten von den Delegationen der Südstaaten, der lange Jahre praktiziert und vom Bundes-konvent stillschweigend geduldet wurde. Als aber vor allem für die demokratische Partei die Stimmen dieser Minderheiten von kritischer Bedeutung wurden, und auch die Neger-bevölkerung wachsam beobachtete, wie sich die Parteien ihnen gegenüber verhielten, wurden solche Übertretungen der in der Bundessatzung festgelegten Grundsätze der Nicht-diskriminierung ganz radikal mit Ausschluß vom Bundeskonvent geahndet.

Die Grundtypen des Auswahlverfahrens Die Durchsetzung einheitlicher Grundsätze bei der Delegiertenauswahl wird also nicht juristisch, sondern nur pragmatisch-politisch entschieden. Innerhalb dieser Grundsätze — und, wie gesagt, zum Teil auch außerhalb — sind die Landesparteien souverän in der Ausgestaltung der Methoden, nach denen sie die Auswahl der Delegierten vornehmen. Sie sind in einigen Staaten völlig frei, in anderen Staaten bestehen gesetzliche Regelungen, die den Parteien das Auswahlverfahren teilweise oder vollständig vorschreiben. Dies gilt vor allem in den Staaten, wo die Bestimmung der Delegierten auf dem Wege einer staatlich organisierten und überwachten Vorwahl (Primary) erfolgt.

Es gibt aber auch in vielen Staaten ohne Vorwahlen Bestimmungen, die den innerparteilichen Delegierten-Auswahlprozeß regulieren. In jedem Fall aber liegt die Ausgestaltung der Wahlverfahren bei den einzelnen Staaten, was bei den unterschiedlichen Strukturen der Staaten nach Größe und Bevölkerung, dem bewußten Individualismus und der politischen Experimentierfreude der Amerikaner zu einer verwirrenden Vielfalt von Methoden geführt hat. Im folgenden soll versucht werden, diese Verfahren auf einige Grundtypen zurüdezuführen und in ihren Hauptkennzeichen zu beschreiben.

Zunächst lassen sich zwei Haupttypen der Delegiertenwahl unterscheiden:

— das Vorwahlsystem (primary System)

— das Parteiversammlungssystem (party committee-/convention System). Nach dem Vorwahlsystem werden die Delegierten zum Bundeskonvent in einer öffentlichen, staatlich überwachten Wahl von den Anhängern bzw. Wählern der Partei gewählt. Das Parteiversammlungssystem entspricht formal dem bei uns gebräuchlichen Verfahren der Delegiertenauswahl: von der untersten Ebene werden Delegierte zur nächst höheren Ebene entsandt, die wiederum Delegierte zur nächsten Parteiebene wählen und so in einem fortlaufenden Prozeß bis hin zur Wahl der Delegierten für den Bundeskonvent. In manchen Staaten gibt es auch eine Kombination dieser beiden Systeme.

Berechtigung zur Teilnahme am Auswahlverfahren Bevor wir uns näher mit diesen Auswahlverfahren beschäftigen, dürfte es empfehlenswert sein, einige grundsätzliche Informationen über das amerikanische Parteiensystem zu geben, durch die das Verständnis und die richtige Beurteilung dieser Wahlverfahren erleichtert wird.

Die amerikanischen Parteien sind in einem gewissen Sinne Massenparteien. Zwar gibt es keine Parteimitgliedschaft mit Beitragspflicht und Mitgliedsnummer, aber weit über die Hälfte aller Wahlberechtigten hat sich förmlich zum Anhänger einer Partei erklärt. Dies hängt mit einer Besonderheit des amerikanischen Wahlrechts zusammen, der sogenannten „registration". Anders als in Deutschland wird man nicht durch die Erreichung des Wahlalters automatisch wahlberechtigt, sondern man muß durch einen förmlichen Akt, nämlich die Registrierung im Wahlamt, seinen Willen zur Ausübung des Wahlrechts bekunden. Bei der Registrierung kann man gleichzeitig seine Zugehörigkeit zu einer Partei erklären. Der Beamte im Wahlamt fragt sogar, für welche Partei man sich registrieren lassen wolle: für die Demokraten, die Republikaner oder eine der vielen Splitterparteien. Diese Registrierung für eine bestimmte Partei ist nicht Pflicht. Man kann sich auch als „Independent = Unabhängiger“ registrieren lassen; aber die meisten Amerikaner, die die Wahlberechtigung erwerben, geben gleichzeitig ihre Parteizugehörigkeit an. Allerdings ist in den letzten Jahren ein starker Trend zur Registrierung als „Independent" zu verzeichnen.

Natürlich kann man jederzeit seine Parteizugehörigkeit umregistrieren oder sich wieder eine Zeitlang als „Independent" führen lassen. Es sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt, daß diese Registrierung für eine Partei keinerlei Verpflichtung beinhaltet, für diese Partei auch bei den Wahlen zu stimmen. Diese Verpflichtung gibt es ja nicht einmal für ein deutsches Parteimitglied, das sehr viel enger an seine Partei gebunden ist. Wie wenig diese Parteizugehörigkeit für die eigentliche Wahl — die in den USA sehr viel stärker personenbezogen ist — ausmacht, zeigt die Situation in vielen Bundesstaaten, wie z. B. New York, Pennsylvania, New Jersey, Connecticut, deren Bevölkerung überwiegend demokratisch registriert ist und dennoch häufig republikanische Gouverneure und Senatoren wählt.

Die Registrierung für eine Partei verleiht dem Wähler dieselben Rechte — ohne ihm allerdings entsprechende Pflichten aufzuerlegen —, wie sie ein Parteimitglied in Deutschland hat. Denn die so als Parteianhänger ausgewiesenen Bürger entscheiden über die Aufstellung der Kandidaten und wählen die Parteivorstände und die Delegierten für die Parteitage. Diese Basis der Partei ist sowohl in den Primaries als auch auf der untersten Stufe des innerparteilichen Willensbildungsprozesses wahlberechtigt

Das Parteiversammlungssystem (Convention System)

Insofern unterscheiden sich die beiden Systeme zur Bestimmung der Konventsdelegierten nicht so grundsätzlich, wie man auf den ersten Blick geneigt ist, anzunehmen. Das „innerparteiliche" System ist theoretisch genauso offen für die Partizipation aller Bürger wie das primary System. Es bestehen natürlich entscheidende Unterschiede, die vor allem in der geringeren Attraktivität jenes Systems für die Bürger und in der Manipulationsmöglichkeit durch die Parteiführung liegen, aber beide Systeme sind von ihrer Konzeption her echte Volkswahlen. Dies ist auch der entscheidende Unterschied zwischen dem amerikanischen dem deut-und sehen innerparteilichen Delegiertenauswahl-System. Jenes ist für die Bevölkerung geschlossen, dieses offen.

Das amerikanische Parteiensystem entspricht in seinem hierarchischen Aufbau äußerlich dem deutschen Parteiensystem. Auch dort herrscht als grundsätzliche Struktur das System der vier übereinander liegenden Ebenen vor. Die unterste Ebene ist der Precinct, ein kleiner Stadtbezirk oder ein Dorf. Precinct-Wahlen sind Urwahlen, jeder (registrierte) Anhänger der Partei kann an ihnen teilnehmen. Alle höheren Parteigremien werden aus Delegierten gebildet, die unmittelbar oder mittelbar aus diesen Precincts hervorgehen.

Die nächst höhere Stufe ist gewöhnlich das county (Landkreis oder kreisfreie Stadt). In Großstädten, die meist nur ein County umfassen, aber oft Hunderte und Tausende von Precincts haben, sind noch als Zwischenstufen die sogenannten Wards eingeschoben.

Die nächste Stufe nach der County Convention ist die State Convention. Da aber in vielen Staaten ein Teil der Delegierten zum Bundes-konvent nach den Wahlbezirken für die Kongreß-Abgeordneten (congressional district) bestellt wird ist dort noch ein entsprechendes Gremium — jedoch hauptsächlich für diesen Wahlbezirk — zwischengeschoben. In manchen Staaten ist die „congressional district Convention" ein eigenes Parteigremium mit eigenen Delegierten, in den meisten Staaten ist diese Parteiebene jedoch identisch mit den Delegierten zur State Convention aus dem jeweiligen District. Diese Delegierten treffen sich meist am Vorabend der State Convention und halten jeweils separate District-Caucuses (= Versammlungen) ab, auf denen sie die ihnen zustehenden Wahlen durchführen. Uber die State Convention erhebt sich dann der Bundeskonvent (National Convention). Neben der Wahl von Delegierten wird auch auf jeder Ebene ein Vorstand (Committee) und/oder ein Vorsitzender (Chairman) gewählt, die in der Zeit zwischen den jeweiligen Mitglieder-bzw. Delegiertenversammlungen die politische und organisatorische Führung ihres Parteibezirks innehaben.

Mängel des Parteiversammlungssystems Äußerlich betrachtet, macht das hier beschriebene System den Eindruck einer wohl durchdachten, in demokratischen Ordnung, der Praxis sah und sieht es zum Teil anders aus. Die Versammlungen und Wahlen auf allen Ebenen wurden eine reine Formalität, die die Parteifunktionäre unter sich ausmachten, die Bestimmung der Delegierten war ein Privileg der Parteiführer. Dies blieb solange unbemerkt, als die große Menge der Parteianhänger, die theoretisch an diesem politischen Prozeß mitbeteiligt ist, von diesem Recht keinen Gebrauch machte. Normalerweise kamen zu den Versammlungen auf Precinct-Ebene nur die Parteifunktionäre, die sich in ihren Ämtern bestätigen ließen. Die anderen Parteianhänger beteiligten sich nicht, weil sie einerseits nicht daran glaubten, wirklichen Einfluß ausüben zu können, und andererseits das ganze komplizierte System nicht verstehen, vor allem, weil die Person des Präsidentschaftskandidaten der Partei nie derart umstritten war, daß ein breites Engagement der Parteiöffentlichkeit zu erreichen war.

Eine solche Situation ergab sich aber im Jahre 1968, als von den Parteiführern der Demokraten die Wiederaufstellung des bisherigen Präsidenten Johnson als beschlossene Sache angesehen wurde, obwohl dieser vor allem wegen seiner Vietnam-Politik von einer großen Anzahl engagierter Anhänger der Partei leidenschaftlich bekämpft wurde. Als sich dann mit der Kandidatur Eugene McCarthys eine Alternative bot, versuchten diese Gruppen auch in den Staaten ohne Vorwahlen politischen Einfluß zu gewinnen und führten den Kampf um Delegierte auch auf dem Weg über die Partei-instanzen. Sie besuchten in großer Anzahl die Precinct-Caucuses und bemühten sich, Delegierte zu wählen, die der Kandidatur von McCarthy geneigt waren. Da dies nicht im Sinne der Parteifunktionäre war, die entweder loyal zu Präsident Johnson und seinem „Vize” Humphrey standen, oder sich zumindest nicht in ihre Rechte hineinreden lassen wollten, die Delegierten nach ihrem Belieben zu bestellen, wurden diese Bestrebungen des Parteivolks mit allen zur Verfügung stehenden politischen, juristischen, prozeduralen und auch illegalen Mitteln zurückgedrängt und unterdrückt.

Der Versuch einer breiten, engagierten Gruppe innerhalb der Partei, sich auf dem vorgeschriebenen Instanzenweg der Partei Gehör zu verschaffen, ist damals gescheitert. Er endete auf dem Bundeskonvent in Chicago im Chaos und führte fast zu einem Auseinanderbrechen der demokratischen Partei. Aber diese Anstrengungen um Demokratie innerparteiliche waren nicht ganz vergeblich gewesen. Sie hatten unübersehbar bloß gelegt, daß der innerparteiliche Willensbildungsprozeß dringend reform-und überholungsbedürftig war. Auf dem Par teitag in Chicago wurden zwei Kommissionen einberufen: die eine erhielt die Aufgabe, eine gründliche Analyse des Prozesses der Delegiertenauswahl vorzunehmen und Reformvorschläge vorzulegen, die andere, Vorschläge zur Reform der Geschäftsordnung auf dem Bundeskonvent und andere Satzungsbestimmungen vorzubereiten. Von diesen Kommissionen hatte die erste zweifellos die wichtigere Aufgabe. Sie hat unter dem jetzigen Präsidentschaftskandidaten McGovern gleich nach dem Parteitag ihre Arbeit ausgenommen und in monatelangen Studien und Anhörungen unter Beteiligung aller wichtigen Kräfte und Gruppierungen der Partei eine Anzahl neuer Richtlinien für die Auswahl der Delegierten ausgearbeitet, die in leicht modifizierter Form vom Bundesvorstand angenommen und, wie man feststellen konnte, von den meisten Staaten auch ziemlich exakt befolgt worden sind. Die republikanische Partei ist einem solchen Test der Offenheit und Fairneß ihres innerparteilichen Willensbildungsprozesses bisher nicht unterworfen worden. Außerdem ist bei den Republikanern die Stellung der Parteiführung niemals so fest und übermächtig gewesen wie bei den Demokraten. Dennoch sind sehr viele der bei den Demokraten festgestellten Regeln, die den innerparteilichen Willensbildungsprozeß stark behindern, auch bei den Republikanern üblich gewesen und z. T. noch in Gebrauch. Die republikanische Partei ist aber ebenfalls entschlossen damit beschäftigt, das Delegiertenauswahlsystem und die Prozeduren auf dem Bundeskonvent zu überprüfen und zu reformieren. Auf dem Parteitag von 1968 wurde ebenfalls eine Kommission, „The Delegates and Organizations Committee", eingesetzt, die nach entsprechenden Studien und Anhörungen 10 Empfehlungen zum Delegiertenauswahlprozeß formuliert hat, die der diesjährige Parteitag s Empfehlungen zum Delegiertenauswahlprozeß formuliert hat, die der diesjährige Parteitag sicherlich annehmen wird. Diese Empfehlungen entsprechen in vielen Punkten den Richtlinien der demokratischen Studienkommission 9).

Um sich eine Vorstellung davon zu machen, welche Entwicklung vor allem die Demokraten in den letzten vier Jahren durchgemacht haben, um zu verstehen, daß das jetzige System der innerparteilichen Delegiertenauswahl, wenn nicht dem Buchstaben so doch dem Inhalt nach grundverschieden ist von dem bisherigen, und um zu erkennen, welche Möglichkeiten der Manipulation und Umfunktionierung in diesem System nicht nur theoretisch stecken, sondern auch praktisch in Gebrauch waren, dürfte es gut sein, einen kurzen Abriß der früher üblichen Regeln und Praktiken zu geben, vor deren Hintergrund die derzeitigen Reformbestrebungen zu sehen sind 10).

Der undemokratische, manipulative Charakter des früheren Systems war einerseits durch strukturelle Fehler und andererseits durch prozedurale Unregelmäßigkeiten bedingt.

Strukturelle Fehler a) Zu früher Beginn des Auswahlprozesses Eine der erschreckendsten Entdeckungen der McGovern-Kommission war die Tatsache, daß fast 40 % aller Delegierten (970 von 2622) zum Bundeskonvent in einem Auswahlprozeß gewählt wurden, der lange vor dem Beginn des Präsidentschaftswahljahres begonnen hatte. Die Parteianhänger hatten, falls sie überhaupt an dem Auswahlprozeß beteiligt waren, in zum Teil über 2 Jahre zurückliegenden Precinct-Caucuses Delegierte zu den Gremien und Organen gewählt, die den weiteren Prozeß der Aufstellung der Delegierten zum Bundeskonvent in der Hand hielten. b) Bestellung der Delegierten durch den Parteivorstand In über 10 Staaten wurden die Delegierten zum Bundeskonvent nicht durch Parteitage, sondern durch Parteivorstände, sei es auf Distrikt-, sei es auf Landesebene bestellt. Zwar waren diese Vorstände selbst von den Mitgliedern bzw. Parteitagsdelegierten gewählt worden, aber dies war z. T. schon lange her. Außerdem ist der Einfluß der Mitglieder auf die Bestellung der Delegierten durch dieses indirekte Verfahren total abgeschwächt. Im Staat Georgia war das Verfahren dergestalt, daß die Zusammenstellung der Delegierten praktisch und juristisch dem Landesvorsitzenden überlassen war. c) Ex-Oiiicio-Delegierten-Status.

In vielen Staaten wurde eine demokratische Repräsentation der Meinungen dadurch erschwert, daß auf allen Stufen der Parteihierarchie — und auch bei der Zusammenstellung der Delegierten für Bundeskonvente — eine große Anzahl von Positionen und Stimmen automatisch an Mandats-und sonstige Amtsträger vergeben wurde. d) Ungleichmäßige Repräsentation In vielen Staaten kamen für die Zuweisung der Stimmen in den Parteitagen aller Ebenen Schlüssel zur Anwendung, die keine oder nicht genügende Berücksichtigung der jeweiligen Bevölkerungszahl oder der für die Demokraten abgegebenen Stimmen enthielten, sondern rein oder zum größten Teil auf veralteten Territorial-Prinzipien beruhten. Dies führte zu einer teilweise grotesken Uberrepräsentation der ländlichen gegenüber den städtischen Bezirken.

Prozedurale Unregelmäßigkeiten a) Fehlen schriftlicher Geschäftsordnungen In vielen Precinct-Caucuses wurden die Neulinge von der Parteiorganisation dadurch kaltgestellt, daß wegen des Fehlens schriftlicher Geschäftsordnungen gegen die parlamentarischen Manöver des Vorsitzenden nicht anzukommen war. Aber auch auf den höheren Parteiebenen waren häufig genug verbindliche Geschäftsordnungen nicht zu erhalten. b) öffentliche Bekanntmachungen der Versammlung Die Teilnahme unerwünschter Parteimitglieder wurde dadurch verhindert, daß die Parteileitung den Termin und Ort der Precinct-Caucuses einfach nicht bekannt gab oder so versteckt, daß keiner die Ankündigung entdeckte. Oder man kündigte einen Termin an, hielt den Caucus aber bereits eine Stunde früher ab. In den Bestrebungen zur Verhinderung unerwünschter Teilnahme an den Caucuses waren dem Einfallsreichtum keine Grenzen gesetzt. In New Mexiko war als Ort eines Precinct-Caucus ein Wohnwagen in einer der in vielen US-Städten üblichen Wohnwagensiedlungen angegeben worden. Der Caucus fand auch in diesem Wohnwagen statt, nur hatte man ihn einige Stunden vor Beginn mit unbekanntem bzw. nur den Eingeweihten bekanntem Ziel weggeschleppt. c) Stimmenabgabe in Vertretung In vielen Staaten war die Stimmenabgabe in Vertretung („proxy-voting") erlaubt. Hier brachte der Vorsitzende einen Packen Vollmachten mit in die Versammlung, die er natürlich in jeder erdenklichen Weise manipulieren konnte. d) Einheitliche Stimmenabgabe (Unit Rule)

In vielen Staaten war die sog. »Unit Rule'in Gebrauch. Sie besagt, daß in einer Delegation alle Mitglieder so abzustimmen haben, wie es die Mehrheit der Delegation wünscht. Die Delegation soll dadurch, daß sie geschlossen abstimmt, als „Unit" auftritt, größeren Einfluß erhalten. Der Effekt dieser Regel, die in manchen Staaten von der untersten Ebene bis hin zur Bundeskonventdelegation durchgesetzt wurde, ist die frühzeitige und totale Ausschaltung jeglicher Minderheitsmeinung. Denn selbst starke Minderheiten können sich bereits auf der zweiten Parteiebene nicht mehr artikulieren und Koalitionen schließen, da ihnen eine Stimmenabgabe nach ihren Vorstellungen untersagt ist. '

Dieses sind nur die wesentlichen Unregelmäßigkeiten und Verfahrensmängel, die durch die turbulenten Ereignisse im Wahljahr 1968 und die nachfolgende sorgfältige Analyse aufgezeigt wurden. Das Erschreckende daran war, daß die wenigsten dieser Mängel auf echter Willkür und illegalem Vorgehen beruhten; die meisten dieser zum Teil haarsträubenden Verfahrenspraxen waren durchaus satzungsgemäß und legitim.

Reformen Die Reformkommission der Demokraten hat in ihren Richtlinien die Beseitigung all der hier aufgezählten und einer ganzen Anzahl weiterer struktureller Verfahrensmängel gefordert. Die einzelnen Landesparteien sind ihr dabei weitgehend gefolgt. Die wichtigsten Reformen sind neben der Abschaffung der „Unit Rule“, die bereits der Parteitag von 1968 beschlossen hat, das Verbot zum Start des Delegiertenauswahlprozesses vor dem Beginn des Präsidentschaftswahljahres, die weitgehende Abschaffung der Benennung von Delegierten durch die Vorstände und die tatsächliche Öffnung des Auswahlverfahrens für die Mitglieder in den Precinct-Caucuses durch Beseitigung der prozeduralen Hindernisse.

Das innerparteiliche Auswahlverfahren ist bei den Demokraten -— und wenn der republikanische Konvent die vorgeschlagenen Empfehlungen akzeptiert, weitgehend auch bei dieser Partei — nicht nur formal, sondern auch in der Praxis offen und demokratisch. Das hat die Delegiertenauswahl zum diesjährigen Parteitag der Demokraten unzweifelhaft deutlich gemacht. Für die Republikaner ist infolge der fehlenden Auseinandersetzung um die Person des diesjährigen Präsidentschaftsbewerbers dieses Jahr zum Testen der Institutionen schlecht geeignet. Für die Partei mag die Belastungsprobe in vier Jahren kommen, wenn Nixon, sollte er diesmal als Präsident wiedergewählt werden, nicht wieder kandidieren kann und das Rennen, wie im Augenblick bei den Demokraten, offen ist. Dann wird sich zeigen, ob die Strukturen und Prozeduren der Partei so reformiert worden sind, daß sich die Meinungen und Voten des Parteivolkes bemerkbar machen können, oder ob sie durch die Parteiführer unterdrückt und manipuliert werden können.

Die Reformkommission der Demokraten (und auch der Republikaner) ist aber über die Aufgabe der Beseitigung offensichtlicher Struktur-und Verfahrensmängel hinausgegangen und hat positive Schritte unternommen, die vor allem auf eine angemessene Berücksichtigung der Minderheiten gerichtet sind a) Angemessener Anteil von Frauen, ethnischen und rassischen Minderheiten und Jugendlichen an der Delegation Die früheren Bundeskonvente der Parteien waren dadurch ausgezeichnet, daß in ihnen große Schichten der Wähler-und Anhängerschaft nicht angemessen vertreten waren. Dies gilt vor allem für Jugendliche unter 30 Jahren sowie für Frauen. Auch Neger und Spanisch-Amerikaner, die gerade bei den Demokraten einen erheblichen Anteil der Wählerschaft darstellen, waren unterrepräsentiert. Die neuen Richtlinien begnügen sich nicht nur mit einem Verbot der Diskriminierung dieser Gruppen, sondern fordern konkrete Maßnahmen, einen angemessenen Anteil dieser Schichten an den Delegationen sicherzustellen. Die Angemessenheit ist an dem Anteil der jeweiligen Gruppen an der Bevölkerung orientiert. Das bedeutet, daß ungefähr die Hälfte aller Delegierten Frauen und etwa 30 °/o unter 30 Jahre sein sollen. b) Die angemessene Vertretung der Minderheitsmeinung In den Auseinandersetzungen des Vorwahlkampfes 1968 kam es in vielen Staaten auf allen Ebenen der Parteiversammlungen vor, daß die Parteirebellen eine starke Minderheit darstellten, aber eben nur eine Minderheit. Das Ergebnis war häufig, daß bei der Zusammensetzung der Delegation zur nächsthöheren Ebene die Mehrheit von ihrer Macht Gebrauch machte und keinen Delegierten der an-deren Richtung durchkommen ließ. Hier handelt es sich zweifellos nicht um einen undemokratischen Akt im strengen Sinne des Wortes-, aber da es sich bei dem innerparteilichen Delegiertenauswahlverfahren um einen überaus komplizierten und langwierigen Prozeß handelt, der von der untersten Ebene etwa eines Stadtteils oder eines Dorfes bis hinauf zum Landeskonvent eine ganze Reihe von Auswahlstufen durchläuft, wird klar, daß ein kompromißloses Ausnutzen der Mehrheitsposition zu einer völligen Verzerrung der echten Meinungsstränge innerhalb der Partei führen kann. Die Anhängerschaft eines Kandidaten, die noch bei den Urwahlen auf unterster Ebene (Precinct-Caucuses) 30— 40 °/o der Stimmen im ganzen Land erzielt hat, kann nämlich auf diese Weise auf dem Landeskonvent (State Convention) schon überhaupt nicht mehr vertreten sein, weil die Mehrheiten auf den Kreisparteitagen (County-Conventions) sie jeweils überstimmt haben.

Genauso ist es vielerorts im Jahre 1968 geschehen. Von daher wurde der Ruf nach proportionaler Repräsentation laut, der auch zu einem der Kerngedanken der demokratischen Reformmaßnahmen geworden ist. Dieser Gedanke nimmt seine Rechtfertigung nicht so sehr aus dem demokratischen Prinzip — denn es ist ja zweifellos nicht undemokratisch, wenn die Mehrheit von ihrem Recht Gebrauch macht —, sondern aus der Idee der Partizipation. Wenn man eine große Menge von Parteianhängern am Prozeß der Nominierung des Kandidaten der Partei, in diesem Falle also des Präsidentschaftskandidaten, beteiligen will, so muß man sicherstellen, daß ihre Stimmen auch in angemessener Weise zum Tragen kommen, daß sie sich nicht verlieren im Gestrüpp der Geschäfts-ordnungen und Abstimmungsmechanismen. Es sollen also nach den Reformvorstellungen der Demokraten die Stärkeverhältnisse, die sich, angefangen bei den lokalen Urwahlen, auf den jeweiligen Versammlungen herausstellen, proportional widergespiegelt werden in der Zusammensetzung der Delegation, die von dort zur nächst höheren Ebene gewählt wird und von dieser wieder zur nächsten Ebene. Auf diese Weise müßte sich — zumindest theoretisch — die Zusammensetzung der Landesdelegation zum Bundeskonvent in genau den Zahlenverhältnissen bewegen, wie sie sich bei den Urwahlen auf unterster Ebene ergeben haben.

Dieses Konzept für das Parteiversammlungssystem ist nichts anderes als die Anwendung des Primary-Prinzips auf die innerparteiliche Willensbildung. Wie in der Primary soll auch hier die Entscheidung, wenn auch formal mit Zwischenstufen, so doch in der Sache unmit-telbar und abschließend durch die Basis der Partei getroffen werden. Die in den Urwahlen auf lokaler Ebene ermittelten Präferenzen für die einzelnen Präsidentschaftsbewerber sollen sich unverfälscht in der Stimmabgabe auf dem Bundeskonvent niederschlagen.

Das Prinzip der proportionalen Repräsentation ist im Gegensatz zu den anderen Bestimmungen noch nicht für die Auswahl der Delegierten zum diesjährigen Konvent der Demokraten, sondern erst für den nächsten Konvent zur Richtschnur erklärt worden. Viele Staaten sind aber bereits dem Ruf der Reformkommission gefolgt und haben dieses Prinzip in ihrem Delegiertenauswahlsystem verankert. Vor allem in den Staaten des Westens hat es großen Anklang gefunden

Das Primary-System Das Primary-System, daß im Präsidentschaftswahlkampf eine so große Rolle spielt, ist keineswegs allein auf diesen beschränkt, sondern durchzieht das gesamte amerikanische Wahlsystem. Es ist sogar in den Wahlen für andere Ämter sehr viel weiter verbreitet. Nur ein Teil der Staaten kennt das Primary-System für die Bestimmung der Delegierten zum Bundeskonvent, auf dem der Präsidentschaftskandidat gewählt wird, aber alle Staaten sehen die Möglichkeit vor und meistens sogar den Zwang zur Abhaltung von Vorwahlen für die Nominierung von Senatoren und Mitgliedern des Repräsentantenhauses. Ähnlich ist es bei Gouverneuren, Landtagsabgeordneten, Landes-senatoren, Bürgermeistern, Ratsherren und der Unzahl der kleinen Ämter, die im amerikanischen politischen System auf unmittelbarer Volkswahl beruhen. Für sie schreiben die Staaten in den meisten Fällen zur Bestimmung der Kandidaten der Parteien die öffentliche Vorwahl, die Primary, vor.

Die Präsidentschaftsprimary Der entscheidende Unterschied zwischen der Präsidentschaftsprimary und der Primary für alle anderen Ämter besteht darin, daß in jenen Fällen der Kandidat unmittelbar nominiert wird, während es bei den Primaries im Präsidentschaftswahlkampf zumindest formal um die Wahl der Delegierten zum Bundeskonvent geht, auf dem dann die Wahl des Kandidaten vorgenommen wird. Die genaue Entsprechung zu den übrigen Primaries wäre im Falle der Präsidentschaftswahl eine einzige bundesweite Vorwahl („National Primary"), ein Verfahren, das aus den verschiedensten Motiven heraus immer wieder in die Diskussion gebracht wird. Gegen diesen Vorschlag spricht vor allem die Tatsache, daß Bewerber, die nicht bereits bundesweit bekannt sind oder über enorme finanzielle Mittel zu ihrer Vorstellung verfügen, gar keine Nominierungschance haben. Das derzeitige System aufeinanderfolgender Vorwahlen in vielen kleinen und größeren Staaten bietet dagegen die Möglichkeit, durch intensive Anstrengungen in einem überschaubaren Bereich Erfolge zu erzielen, die einerseits in Form von Delegiertenstimmen auf dem Bundeskonvent zu Buche schlagen, andererseits — und das ist der entscheidende Faktor — über die Presse verbreitet werden und das öffentliche Interesse an diesem Politiker so erregen, daß er allmählich zu einer bundesweit bekannten Persönlichkeit wird.

Der demokratische Präsidentschaftskandidat McGovern ist dafür das beste Beispiel. Vor der ersten Primary in New Hampshire stand er mit unter 4 Prozent Anhängerschaft auf Bundesebene weit abgeschlagen am untersten Ende der Liste der demokratischen Präsidentschaftsbewerber. Die ehemaligen Präsidentschafts-bzw. Vizepräsidentschaftsbewerber Wallace, Humphrey und Muskie, ferner Edward Kennedy oder auch der Oberbürgermeister von New York, John Lindsay, waren besser bekannt und wurden auch dementsprechend in den Meinungsumfragen häufiger genannt. Mit dem überraschenden Erfolg bei der Vorwahl in New Hampshire und dem großen Triumph in Wisconsin änderte sich das Bild schlagartig. McGovern wurde überall bekannt und auch seiner Bewerbung mehr und mehr Chancen eingeräumt. Das hatte zur Folge, daß er immer größere Unterstützung moralischer, finanzieller und organisatorischer Art erhielt.

Die verschiedenen Primaries der Einzelstaaten Es ist bereits gesagt worden, daß nicht alle Staaten Vorwahlen haben. In diesem Jahr sind es 22 und der District of Columbia, also die Bundeshauptstadt Washington. Es sind 8 mehr als vor 4 Jahren, im nächsten Präsi-dentschaftswahljahr können es noch mehr oder auch wieder weniger sein. Zur Zeit ist der Trend — ausgelöst vor allem durch die Re-formbestrebungen der demokratischen Par-tei — auf eine möglichst starke Beteiligung der Wähler-bzw. Anhängerschaft am Nominierungsprozeß gerichtet, und diese kommt zumindest äußerlich im System der Vorwahlen am stärksten zum Ausdruck. Die Welle kann aber auch wieder abklingen, etwa so wie nach der ersten Blütezeit der Primaries zu Anfang des Jahrhunderts viele Staaten die Vorwahl wieder abgeschafft haben

Es ist Sache der Einzelstaaten, ob sie eine Vorwahl abhalten oder nicht. Sie setzen auch die Regeln fest, unter denen sich die Wahl vollzieht. Dabei sind sie weitgehend frei in ihren Gestaltungsmöglichkeiten, da es eine eigentliche Bundeswahlordnung nicht gibt. Es gibt nur einige wenige Grundsätze in der Bundesverfassung und auch nur wenige Bundesgesetze, die sich auf das Wahlrecht und die Ab-haltung von Wahlen beziehen Innerhalb dieses von der Bundesgesetzgebung sehr weit gesteckten Rahmens ist den Staaten die Ausgestaltung der Wahlverfahren überlassen. So ist es nicht verwunderlich, daß es die verschiedensten Arten von Präsidentschaftsvorwahlsystemen in den USA gibt. Keine Primary gleicht in ihren Bedingungen, Bestimmungen, Zielen, Ergebnissen der anderen. Hier zeigt sich der Individualismus und Pragmatismus der amerikanischen Politik, in der Schemata und Starrheit keinen Platz haben. Es ist deshalb auch nicht möglich, eine Darstellung des amerikanischen Primary Systems zu geben.

Delegiertenvorwahl und Präferenzvorwahl Wir hatten zu Anfang dargelegt, daß es sich bei den Präsidentschaftsprimaries gar nicht um Primaries im eigentlichen Sinn handelt, da ja nicht der Bewerber um das Amt unmittelbar von den Anhängern seiner Partei nominiert wird, sondern nur über den Umweg der Delegiertenauswahl. Die Aufgabe der Primary als Vorstufe zum Bundeskonvent muß die Bestimmung der Delegierten sein, andererseits liegt es aber im Wesen der Primary, daß sie der Wählerschaft ein direktes Votum für einen Bewerber ermöglichen soll. Dieser spezielle Charakter der Präsidentschaftsvorwahl hat dazu geführt, daß es neben der Wahl von Delegierten (Delegate Primary) noch eine direkte Abstimmung über den Präsidentschaftsbewerber (Presidential Preference Primary) gibt.

Dies entspricht auch durchaus dem Interessen-stand des Bewerbers: er bemüht sich einerseits um Delegierte, die auf dem Bundeskonvent für ihn stimmen; gleichzeitig möchte er in der Öffentlichkeit und vor allem gegenüber den anderen Bewerbern, den Parteiführern, den noch nicht festgelegten Delegierten, kurz allen, die mittelbar oder unmittelbar auf seine Nominierung Einfluß haben könnten, dokumentieren, daß er in der Lage ist, eine große Zahl von Wählern auf sich zu vereinigen.

Fast alle Staaten, die überhaupt eine Präsidentschaftsvorwahl haben, führen beide Arten der Vorwahl durch. Nur Alabama und New York haben keine Präferenz-Wahl. Aber nicht in allen Staaten, in denen Präferenz-Wahlen durchgeführt werden, haben ihre Ergebnisse den gleichen Einfluß auf die Zusammensetzung der Delegation des Staates für den Bundeskonvent oder deren Abstimmung in den einzelnen Wahlgängen. Einerseits ist die Präferenz-Vorwahl — anders als sonstige Primaries — kein Votum, das eine Entscheidung nach sich zieht, sie ist nichts anderes als eine offizielle Meinungsumfrage. Die eigentliche Entscheidung treffen die Delegierten auf dem Konvent. Auf der anderen Seite ist ihr Ergebnis nicht nur eine Meinung, sondern auch eine Willensbekundung der Bevölkerung dieses Staates, den siegreichen Bewerber zum Präsidentschaftskandidaten der Partei zu machen. Ein wesentliches Kriterium zur Kennzeichnung der verschiedenen Primaries ist die Art und Weise, wie sie diese beiden Aspekte der Präsidentschaftsvorwahl miteinander integriert haben

Folgende Arten der Verbindung der beiden Vorwahlen sind gegeben: 1. Beide Wahlen sind überhaupt nicht miteinander verknüpft. Dieses System gilt in den Staaten Illinois, West Virginia, Arkansas (das aber seine angekündigte Primary gar nicht durchgeführt hat), New Jersey, New Hampshire und Nebraska. In manchen Staaten wird darauf hingewiesen, daß das Ergebnis der Präferenz-Vorwahl für die Delegierten eine Richtlinie sein soll; aber diese Anweisung bedeutet nicht viel.Die Wahlen sind nicht miteinander verknüpft, Delegierte können aber auf dem Wahlzettel ankündigen, daß sie den Sieger der Präferenzwahl auf dem Konvent unterstützen werden. Sie sind dann im Fall der Wahl auf ihn verpflichtet. Diese Möglichkeit besteht in den Staaten Ohio und Pennsylvania. 2. Präferenz-und Delegiertenwahl sind praktisch identisch.

Der Präsidentschaftsbewerber bzw.seine Anhänger stellen eine Liste von Delegierten zusammen, die zur vollen Unterstützung des Kandidaten verpflichtet sind. Auf dem Wahlzettel erscheinen häufig nicht einmal die Namen der Delegierten, sondern nur der des Kandidaten. Der Bundesstaat entsendet diejenigen Delegierten zum Bundeskonvent, deren Kandidat die meisten Stimmen in der Präferenzwahl gewonnen hat.

Bei der Zuweisung der Stimmen gibt es zwei Varianten: a) der Kandidat mit den meisten Stimmen im ganzen Staat erhält alle Delegierten des Staates. Dies ist der Fall in California, Rhode Island, South Dakota. b) ein Teil der Delegierten wird in den Wahl-bezirken für das Repräsentantenhaus (Congressional Districts) gewählt und ein kleinerer Teil für den ganzen Staat (at large). Der Präsidentschaftsbewerber erhält jeweils die Delegiertengruppe, wo er die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigt hat. Beispiel: Florida, Wisconsin. 3. Es werden separate Delegierten-und Präferenzwahlen durchgeführt, aber die Delegierten — wen auch immer sie persönlich favorisieren — sind für eine bestimmte Anzahl von Wahlgängen (in keinem Fall mehr als drei) an den Sieger der Präferenz-Primary gebunden. a) Die ganze Delegation ist an den Sieger im Gesamtergebnis des Staates gebunden: Massachussetts, Oregon, District of Columbia. b) Die Delegierten sind, je nachdem sie in Congressional Districts oder „at large" gewählt wurden, gebunden an die jeweiligen Sieger in ihren Districts bzw. im Staat insgesamt: Indiana Maryland, Tennessee -------—. — 4. Eine interessante Verbindung des Primarymit dem Convention-System findet sich in drei Staaten, die es in diesem Jahr eingeführt haben. Die Delegierten werden nicht in einer Primary, sondern nach dem Convention-System gewählt, doch wird die Zusammenstellung der Delegation des Staates nach dem Ergebnis der Präferenz-Vorwahl vorgenommen, a) Michigan: Proportionale Zuteilung an alle Bewerber, die mehr als 5 °/o der Stimmen aut sich vereinigten.

b) North Carolina: Proportionale Zuteilung an die ersten vier Sieger, soweit sie mindestens 15 °/o der Stimmen erhalten haben.

c) New Mexiko: Proportionale Zuteilung der Delegiertenplätze an die ersten beiden Sieger der Präferenz-Vorwahl.

In neun der 23 Vorwahlen liegt also das Hauptgewicht auf der Delegiertenvorwahl. Die Präferenz-Vorwahl ist entweder nicht vorhanden (New York, Alabama), oder hat auf die Abstimmung der Delegierten auf dem Bundes-konvent keinen Einfluß. In weiteren sechs Primary-Systemen ist zwar das Ergebnis der Präferenz-Vorwahl für eine bestimmte Anzahl von Wahlgängen für die Delegierten bindend, aber die personelle Zusammenstellung der Delegation, die Bestimmung der Delegierten durch die Wähler, erfolgt formal unabhängig von der Präferenz-Wahl. Nur in acht Vorwahlen hat die Präferenzwahl direkten Einfluß auf die Delegiertenauswahl

Der Delegiertenvorwahl ist also von den ernsthaften Bewerbern um die Nominierung, zumindest in den neun Staaten ohne bindendes Präferenzsystem, dieselbe Aufmerksamkeit und Energie zu widmen, wie den Präferenzvorwahlen. Nur ist der Kampf um die Wahl der richtigen Delegierten ungleich schwieriger zu organisieren als das Votum für einen Präsidentschaftsbewerber. Dem Durchschnittswähler, dem das komplizierte Nominierungssystem kaum weniger unverständlich ist als uns, ist nur mit großer Anstrengung klar zu machen, daß seine Stimmabgabe für einen Präsidentschaftsbewerber nur eine Meinungsäußerung ist und daß alles darauf ankommt, die richtigen Delegierten zu wählen. Hier sind die lokalen Parteiorganisationen klar im Vorteil. Sie und ihre Gefolgsleute kennen das System und wissen für die richtigen Delegierten zu stimmen.

Das Problem wird noch dadurch erschwert, daß in einigen Staaten die Delegierten-Kandidaten nicht einmal auf dem Stimmzettel ihrer Präferenz für einen der Präsidentschaftsbewerber kenntlich machen dürfen. Dies ist der Fall im Wahlsystem der Staaten New York und West Virginia. Hier hat die Wahlkampforganisation des Bewerbers die mühselige Aufgabe, den potentiellen Anhängern klar zu machen, welche der vielen Delegierten oder Delegiertengruppen die „richtigen" sind. In den meisten Staaten ist jedoch die Möglichkeit gegeben, seine Präferenz anzugeben, oder — wie in den Staaten Ohio und Pennsylvania — sich zu verpflichten, den Sieger der Präferenz-Primary zu unterstützen.

Eine Verpflichtung zu einer solchen Präferenz-angabe gibt es aber in keinem dieser Staaten. Man kann sich auch einfach als „nicht festgelegt" („uncommitted") aufführen lassen. Oft verbirgt sich hinter dieser Bezeichnung aber bereits eine Festlegung auf einen Bewerber, mit dem man sich nur nicht gern in der Öffentlichkeit identifiziert, weil dies die Chancen für die Wahl zum Delegierten vermindert. So waren z. B. im Jahre 1968 fast alle demokratischen Delegierten, die sich als „uncommitted" bezeichneten, unausgesprochen auf die Kandidatur Präsident Johnsons und nach dessen Verzicht auf die des Vizepräsidenten Humphrey eingeschworen. Sie vermieden jedoch durch diese Bezeichnung die direkte Auseinandersetzung mit den politischen Gegnern. Meistens sind die lokalen und staatlichen Parteiorganisationen daran interessiert, daß ihre Delegation offiziell „uncommitted“ bleibt, um auf dem Parteikonvent eine starke politische Position zu haben

In jedem Fall ist bei der Delegiertenwahl, die nicht innerlich mit der Präferenzwahl verbunden ist, die Parteiorganisation, die „machine", wie die Amerikaner sagen, in einer sehr viel stärkeren Position als bei der Präferenzvorwahl. Es ist deshalb kein Zufall, daß diese Art von Vorwahl vor allem in den Staaten New York, New Jersey, Pennsylvania, Ohio und Illinois stattfindet, in denen die Parteiorganisationen vor allem der Demokraten sehr stark ausgebildet sind. Bei diesem System kann es passieren, daß ein Kandidat zwar die Präferenzvorwahl und damit den Popularitätswettbewerb haushoch gewinnt, aber ein anderer Kandidat, der über eine bessere Basisorganisation verfügt, mit der Mehrzahl der Delegierten abzieht.

Es ist noch anzumerken, daß selbst in den Fällen, wo ein Delegierter bei seiner Kandidatur eine Präferenz für einen Kandidaten angegeben hat, eine rechtliche Verpflichtung zur Unterstützung dieses Kandidaten nur in 2 Staaten, nämlich Nebraska und New Hampshire existiert. New Hampshire hat die interessante Möglichkeit, daß ein Delegierter seine Präferenz auf zwei Arten kenntlich machen kann. Er neigt entweder einem bestimmten Bewerber zu („is favorable"), in welchem Fall er ungebunden ist, oder er verpflichtet sich ihm („is pledged"). In diese Kategorie gehören auch die Bestimmungen der Primary-Gesetze in Ohio und Pennsylvania, wonach sich ein Delegierter zur Unterstützung des Siegers der Präferenzwahl in dem besagten Staat verpflichten kann.

In allen anderen Staaten gibt es keine rechtliche Bindung des Delegierten an den Bewerber, unter dessen Namen er kandidiert hat.

Die Kandidatur zum Delegierten in der Vorwahl Die Verfahren zur Aufstellung der Delegiertenkandidaten sind ebenfalls in jedem Vor-wahlsystem verschieden. Außerdem variieren sie in den Staaten, wo dieser Bereich nicht gesetzlich geregelt ist, auch zwischen den Parteien. Die Art und Weise der Delegiertenkandidatenaufstellung hängt in starkem Maße von dem angewandten Primary-Wahlsystem ab.

Die gewöhnliche Form ist die Selbstbewerbung des Kandidaten. Sie ist in den meisten Fällen gebunden an die Vorlage einer bestimmten Zahl von beiürwortenden Unterschriften von Wählern aus dem jeweiligen Bereich, den der Kandidat als Delegierter vertreten will. In manchen Staaten genügt auch die Zahlung einer Registrationsgebühr, in anderen Staaten wird beides verlangt. Die Festsetzung einer hohen Registrationsgebühr, die es nicht nur im Primary-System, sondern auch im „innerparteilichen" Auswahlsystem gibt, war zu früheren Zeiten in manchen Staaten ein beliebtes Mittel, unbequeme Konkurrenz fern-zuhalten. Beide Parteien haben in ihren neuesten Reformvorschlägen ausdrücklich die diskriminierender Registrationsgebühren untersagt.

Ein anderer Grundtypus ist die Auswahl der Delegiertenkandidaten durch die Anhänger des Präsidentschaftsbewerbers. Dies Prinzip ist naturgemäß in den Vorwahlsystemen verbreitet, wo die Präferenzwahl für den Präsidentschaftsbewerber und die Delegiertenwahl praktisch miteinander identisch sind. Es wird vor allem in der demokratischen Partei, die in ihren Reformbestrebungen auf stärkere Partizipation der Bevölkerung auf allen Stufen des politischen Prozesses hinarbeitet, angewandt. In seinen Grundzügen verläuft dieses Verfahren folgendermaßen: Die Anhänger eines bestimmten Präsidentschaftskandidaten treffen sich in örtlichen Versammlungen, die teils von der örtlichen Parteileitung allein, teils im Zusammenwirken mit Repräsentanten des jeweiligen Präsidentschaftskandidaten veranstaltet werden. Ort und Zeit werden durch die örtlichen Medien bekanntgegeben. Für jeden Bewerber findet eine eigene Versammlung statt, auf der alle Parteianhänger, die schriftlich oder mündlich ihre Präferenz für diesen Bewerber erklären, teilnahmeberechtigt sind. Auf diesen Versammlungen werden Delegierte zu der nächsten Ebene gewählt, die entweder noch einmal Delegierte zur nächsthöheren Ebene wählen oder ihrerseits die Delegierten-kandidaten für die Vorwahl aufstellen. In dieser oder ähnlicher Form werden die demokratischen Delegiertenlisten der einzelnen Präsidentschaftskandidaten in den Vorwahl-systemen der Staaten California, Rhode Island und Florida zusammengestellt.

Es wird bei dieser verwirrenden Vielfalt nicht verwundern, daß auch die Wahlverfahren in den einzelnen Staaten variieren. In manchen Staaten hat der Wähler nur eine Stimme für einen Delegierten, in anderen Staaten so viele Stimmen, wie Delegiertenpositionen zu besetzen sind. In jedem Fall aber hat er immer dann, wenn Delegierte sowohl nach Distrikten als auch für den Staat insgesamt gewählt werden, für beide Typen von Delegierten mindestens eine Stimme. In manchen Staaten werden die Delegierten en bloc gewählt, in manchen hat der Wähler die Möglichkeit, die ihm zur Verfügung stehenden Stimmen selektiv auf die einzelnen Delegierten zu verteilen. Zur Wahl zum Delegierten genügt in fast allen Staaten die relative Mehrheit.

In manchen Staaten werden die Kandidaten, die den gewählten Delegierten an Stimmen-zahl nachfolgen, als Ersatzdelegierte bestimmt. Diese Handhabung ist aber keineswegs durchgängig. Das Wahlverfahren der Ersatzdelegierten ist mindestens noch einmal so kompliziert wie das des Delegierten und sollte deshalb übergangen werden. Da aber nicht selten Delegierte ausfallen und Ersatzdelegierte zum Konvent fahren, haben beide Parteien dieser Frage große Aufmerksamkeit geschenkt und in ihren Reformvorschlägen übereinstimmend eine Anpassung des Systems der Wahl von Ersatzdelegierten an das Delegiertenwahlsystem (sowohl in „primaries" als auch in „conventions") gefordert

Die Kandidatur der Präsidentschaftsbewerber in der Präferenzwahl Auch in den Verfahren zur Teilnahme der Präsidentschaftsbewerber an der Präferenz-vorwahl sind große Unterschiede vorhanden. Aus der Sicht der Präsidentschaftsbewerber gibt es grundsätzlich zwei Typen von Präferenzwahlen. Bei der einen muß er, um auf dem Wahlzettel geführt zu werden, offiziell seine Bewerbung und Teilnahme anmelden. Der Präsidentschaftskandidat hat also hier die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, ob er an dieser Vorwahl teilnehmen will. Auch diese Kandidaturen sind meist mit einer Registrationsgebühr und/oder der Vorlage einer bestimmten Anzahl befürwortender Unterschriften verbunden. Zur Zeit gewinnt ein neues Verfahren zunehmende Beliebtheit, die zuerst der Staat Oregon eingeführt hat. Hier stellt der „Secretary of State" (in etwa dem „Chef der Staatskanzlei“ vergleichbar) eine Liste aller Präsidentschaftskandidaten zusammen, ob sie sich nun offiziell um dieses Amt bewerben oder auch nur in der Presse als Bewerber „gehandelt“ werden. Jeder dieser als Präsidentschaftsbewerber angesehenen Politiker wird davon unterrichtet, daß sein Name auf den Wahlzettel geschrieben wird. Er kann dem nur dadurch entgehen, daß er eidesstattlich versichert, weder zur Zeit Kandidat zu sein noch zu beabsichtigen, für dieses Amt zu kandidieren. Dieses Verfahren zwingt alle Kandidaten, die im Rennen bleiben wollen, zumindest nominell an der Vorwahl teilzunehmen. Damit soll verhindert werden, daß die Bewerber nur in den Staaten an den Vorwahlen teilnehmen, wo sie sich Chancen ausrechnen, und die Staaten übergehen, " 0 entweder die Zahl der zu gewinnenden Dele-Festsetzung für einen Erfolg von vornherein ungünstig sind

Für dieses Verfahren spricht das Argument, daß die Wähler, wenn die Vorwahl einen Sinn haben soll, die Möglichkeit haben müssen, über alle Bewerber ihr Votum abzugeben. Gleichzeitig soll von denjenigen, die sich um das höchste Amt im Staat bewerben, verlangt werden, daß sie in allen Teilen der Nation ihre Sadie vertreten und sich dem Votum der Bevölkerung stellen, und nicht nur dort, wo es ihnen günstig erscheint.

Auf der anderen Seite sind die Bewerber schon aus schierer physischer und finanzieller Not gezwungen, in der Teilnahme an den Vorwahlen selektiv zu sein. Denn in Vorwahlen innerhalb von weniger als 4 Monaten in den verschiedensten Teilen des Landes mit vollen Kräften zu kämpfen, übersteigt die Möglichkeiten eines jeden potentiellen Kandidaten. Er muß ja seine Kräfte und die seiner Organisation außerdem noch auf die Entwicklung in den Staaten ohne Vorwahlen richten. Hier werden immerhin auch noch annähernd 40 Prozent der Delegierten gewählt 23), von denen jeder Kandidat, selbst wenn die Vorwahlen für ihn sehr gut verlaufen sind, eine gewisse Anzahl braucht, um über die Mehrheit auf dem Bundeskonvent zu verfügen.

3. Der Wahlkampf um die Nominierung

So wie sich das Nominierungsverfahren nicht auf einen Nenner bringen läßt, so ist auch für den Verlauf einer Bewerbung um die Nominierung kein einheitliches Schema aufzustellen. Es hängt im wesentlichen vom politischen Temperament, von der Art der potentiellen Anhängerschaft, vom Bekanntheitsgrad, von der derzeitigen politischen Stellung von der Zahl und Art der Mitbewerber und vielen anderen Faktoren ab. Um dennoch gewisse Charakteristika einer solchen politischen Selbstbewerbung herauszuarbeiten, müssen zunächst alle nicht normalen Fälle ausgesondert werden, von denen es vier Grundtypen gibt: — Der erste ist die erneute Kandidatur des bisherigen Präsidenten, die nach der Verfassung einmal, in Sonderfällen zweimal möglich ist. In diesem Fall braucht der Bewerber faktisch keinen Vorwahlkampf zu führen, da die Partei ihn wieder aufstellen wird. Dies gilt aber seit dem revolutionären Ereignis im Jahre 1968, als die Gegenkandidatur Senator McCarthy's Präsident Johnson zum Verzicht auf eine neue Bewerbung trieb, nicht mehr ohne Einschränkung.

Die inzwischen durchgeführte Reform des Delegierten-Auswahlprozesses in der demokratischen Partei, die den Einfluß der Parteibasis gegenüber der Führung enorm ausgeweitet hat, dürfte die Unverwundbarkeit des amtierenden Präsidenten bei einer erneuten Präsidentschaftskandidatur weiter einschränken.

— Der zweite Typ, der hier außer acht bleiben soll, ist der Kandidat, der auf einen „draft", eine Art Kürung durch den Parteikonvent ohne aktive Bewerbung, wartet. Dergleichen hat es in der amerikanischen Geschichte nicht selten gegeben. In diesem Jahre hätte z. B. Senator Edward Kennedy gute Chancen gehabt, durch einen Draft nominiert zu werden, wenn er seine Erklärung, nicht zu kandidieren, weniger eindeutig abgegeben hätte. Die Nominierung Eisenhowers im Jahre 1952 war zwar kein Draft im formalen Sinne, kam diesem aber doch sehr nahe.

— Der dritte Typ ist der Bewerber, der von vornherein nicht auf Sieg spielt, sondern auf die Chance, als Kompromißkandidat aus dem Streit der eigentlichen Bewerber hervorzugehen. Ein solcher Kandidat wird nur einen ganz bescheidenen Vorwahl-kampf führen, der nicht auf das Sammeln von Delegiertenstimmen abzielt, sondern hauptsächlich darauf, sich im Gespräch zu halten.

— Der vierte Typ schließlich ist der Bewerber, der sich überhaupt keine Chancen ausrechnet. Dies ist gar nicht so ungewöhnlich, denn allein die Tatsache, . dabeizusein’, erhöht das Prestige (abgesehen vielleicht von der Peinlichkeit niederschmetternder Stimmenergebnisse) und vergrößert durch die Publizität, die jedem Bewerber um die Präsidentschaft automatisch zukommt, den Bekanntheitsgrad.

Die ersten Aktivitäten Kehren wir nach diesen Sonderfällen zum normalen Bewerber zurück, der auf dem Bundeskonvent gewinnen will. Grundsätzlich können überhaupt nur solche Politiker an eine ernsthafte Bewerbung denken, die erstens über einen gewissen Bekanntheitsgrad, zumindest bei den engagierten Parteianhängern, verfügen und weiterhin gleich von Anfang an einen, wenn auch kleinen, Wahlkampfstab einsetzen können. Eigenes Kapital, so unglaublich dies klingen mag, ist keine zwingende Notwendigkeit. Die oben genannten Bedingungen sind grundsätzlich erfüllt bei Senatoren und Gouverneuren, die ihre Abgeordnetenbüros bzw. die Staatskanzlei zumindest während der ersten Testversuche als Organisationsbasis benutzen können. Bei Mitgliedern des Repräsentantenhauses ist der Bekanntheitsgrad meist gering.

Die Bekleidung eines Staatsamtes ist keine Bedingung, sie verschafft nur zusätzlich zur Bekanntheit die Unterstützung durch einen in politischen Dingen erfahrenen, für den Bewerber selbst kostenlosen Mitarbeiterstab. Aber dies ist der unbedeutendere der beiden eben genannten Faktoren; denn eine bekannte politische Persönlichkeit wird sehr leicht an genügend Geld kommen können, um sich einen kleinen Wahlkampfstab zu halten. So hatte z. B.der jetzige Präsident Nixon zum Zeitpunkt seiner Bewerbung um das Amt kein politisches Mandat, wurde aber gleich von Anfang an in ausreichendem Maße von potenten Geldgebern unterstützt.

Der erste Schritt zur Kandidatur ist die Sondierung der politischen Landschaft. Der Bewerber muß feststellen, welche Unterstützung er zu erwarten hat. Er wird zunächst seine engsten politischen Freunden konsultieren und dann persönlich oder über Mittelsleute einen großen Kreis von Politikern im ganzen Land nach ihrer Meinung über seine mögliche Kandidatur aushorchen. Zur gleichen Zeit wird er testen, wie er beim Parteivolk und bei der breiten Bevölkerung ankommt. Er wird Einladungen annehmen zu Vorträgen auf Parteiveranstaltungen, Universitätsfeiern, Verbandsversammlungen und den Dutzenden anderer Gelegenheiten, wo ein bekannter Politiker vor einem geladenen Kreis, aber gerichtet an die Adresse der breiten Öffentlichkeit, zu den Themen der Zeit Stellung nehmen kann. Er wird ferner über seine Mitarbeiter Hintergrundgespräche mit der Presse führen lassen, so daß sein Name dort „gehandelt" und seine Absicht kommentiert wird.

Wenn die Tests einigermaßen befriedigend verlaufen sind, folgt meist die Eröffnung eines „xy for President" -Hauptquartiers in Washington oder der Stadt, wo der Bewerber seine politische Basis hat. Ohne daß der Kandidat sich mit diesem Hauptquartier oder der dahinter stehenden Organisation — dem „xy for President-Committee" — offiziell identifiziert, dient dieses nun als Organisationsbasis für die weiteren, schon sehr viel konkreteren und energischeren Schritte des Kandidaten auf seinem Weg zum Bundeskonvent.

Sammlung einer Gefolgschaft Die nächste Etappe ist die Weckung des Engagements in der Partei für seine Kandidatur, die Heranbildung einer tragfähigeu Gefolgschaft im ganzen Land oder zumindest in großen Teilen des Landes. Hierbei sind die Bewerber, die schon aus früheren Jahren über eine feste Gefolgschaft verfügen, im Vorteil. Die Neulinge müssen versuchen, zunächst ihren Bekanntheitsgrad zu erhöhen, um die potentiellen Anhänger draußen im Lande davon zu überzeugen, daß es lohnend ist, sich für sie einzusetzen. Bei diesem Versuch scheitern die meisten, und so schließen nach einiger Zeit die „X for President" -und „Y for President" -Hauptquartiere wieder ihre Tore.

Wer sich als Neuling eine eigene, über das ganze Land verbreitete Basis aufbauen will, hat nur Aussicht auf Erfolg, wenn es ihm gelingt, eine ganz bestimmte Schicht der Partei oder gar der Bevölkerung auf sich zu vereinigen. Wer nur ganz allgemein als „ein neues Gesicht" oder als „der wahre Volksvertreter'auftritt, dem wird es nicht gelingen, eine feste Gefolgschaft zu gewinnen, die sich unmittelbar mit ihm identifiziert. Diese Art von allgemeiner Ansprache der Bevölkerung können sich nur diejenigen leisten, die bereits über ein festes Image und über einen ausreichenden Bekanntheits-und Beliebtheitsgrad verfügen.

So sind in diesem Jahr von dem demokratischen Feld aus der „Qualifikationsrunde neben den schon vorher weithin bekannten Kandidaten Humphrey, Muskie und Wallace nur zwei Bewerber mit gewissen Chancen herausgekommen: — Senator Jackson, der als einziger Befürworter des Vietnam-Krieges und einer starken Militärmacht die konservativen Demokraten, soweit sie nicht zu Wallace überliefen, auf sich vereinigte, und — Senator McGovern, dem es gelungen war, den starken und, wie sich gezeigt hat, mehrheitsfähigen linken Flügel der Partei auf sich zu ziehen.

Die beiden Außenseiter Jackson und McGovern kamen zwar bei den Meinungsumfragen vor den Vorwahlen niemals über fünf Prozent hinaus, aber durch die Ansprache bestimmter Gruppen in der Partei gelang es ihnen, ein ausreichend dichtes Netz von Gefolgsleuten im ganzen Land oder jedenfalls in den Schwerpunkten zu knüpfen und so ihre Kandidatur zu festigen.

Bei ihren Bemühungen um die Entwicklung einer tragfähigen Basis für den Wahlkampf werden die Kandidaten mit besonderem Eifer um die Gunst von Multiplikatoren innerhalb der Partei oder der Bevölkerung allgemein werben. Sie werden versuchen, prominente Persönlichkeiten der Partei, wie Abgeordnete, Senatoren, Gouverneure, Bürgermeister großer Städte zu einer öffentlichen Befürwortung ihrer Kandidatur zu bewegen, ebenso auch Sprecher wichtiger Gruppen wie der Gewerkschaften, der Bürgerrechtsorganisationen, der Minderheiten im Lande.

Die Wahlkampfstrategie Die nächste Phase ist die konkrete Vorbereitung des Vorwahlkampfes. Ihre zwei Hauptaspekte sind die Entwicklung und Festlegung der WahlkampfStrategie und der Aufbau einer Wahlkampforganisation.

Lange bevor die ersten Delegierten gewählt werden, muß der Bewerber in den Grundlinien festlegen, auf welche Staaten er seine Kräfte konzentrieren will. Dies betrifft vor allem die Frage, an welchen Vorwahlen er sich beteiligen soll. Aber auch die Staaten ohne Primaries mit ihren zum Teil erheblichen Delegierten-blocks müssen in das Kalkül mit einbezogen werden. Den Vorwahlen kommt insofern eine größere Bedeutung zu, als es dort nicht nur um die Delegiertenstimmen geht, sondern stärker noch um die Wirkung in der Öffentlichkeit. Durch einen überzeugenden Erfolg in einer oder gar mehreren Vorwahlen kann sich ein Bewerber geradezu über Nacht in eine Favoritenrolle hineinkatapultieren, umgekehrt kann ein schlechtes Abschneiden in den Vorwahlen sehr schnell das Ende einer viel-versprechenden Kandidatur bedeuten. Die in den Vorwahlen erkennbar werdende Wähler-gunstkann nicht das Ergebnis des Bundes-konvents vorwegbestimmen, aber ein Bewerber, der in den Vorwahlen zeigt, daß er bei den Wählern nicht ankommt, wird diese „Stunde der Wahrheit" politisch nicht überleben. So war es also in der Vergangenheit, als die Bundeskonvente noch ziemlich fest in der Hand der Parteiführer waren, für einen unpopulären Kandidaten, der sich der Gunst der Parteifunktionäre sicher war, besser, den Vorwahlen ganz auszuweichen. Hubert Humphrey wählte im Jahre 1968 diesen Weg, um zu vermeiden, daß die geringe Resonanz, die er beim Parteivolk fand, offenkundig wurde.

Heute, wo die Entscheidung über die Nominierung — zumindest bei den Demokraten — sehr viel stärker auf die Basis verlagert ist, wird diese Taktik nicht mehr durchführbar sein, zumal die Zahl der „automatischen" Vorwahlen in den letzten Jahren so stark angestiegen ist, daß ein Popularitätstest gar nicht zu vermeiden ist.

Teilnahme an Primaries Fragt man nach den Kriterien für die Entscheidung der Bewerber, so kann man auch hier keine verbindlichen Regeln aufstellen. Es gibt nur immer jeweils eine individuelle Strategie, die in erster Linie von der politischen Ausgangslage des Kandidaten abhängt. Im Jahre 1968 beteiligte sich Richard Nixon an sehr vielen Vorwahlen, nicht so sehr wegen der dabei zu gewinnenden Delegierten, sondern weil er das Image des Verlierers abschütteln mußte, das als einziges bedeutendes Hindernis seiner Nominierung im Wege stand. Aus diesem Grunde — neben anderen — vermieden seine Hauptrivalen Rockefeller und Reagan die Vorwahlen und ließen Nixon zwar die Delegierten gewinnen, nahmen ihm aber die Chance, sich als erfolgreicher Wahlkämpfer zu profilieren. Folgende Kriterien sind für die Entscheidung zweifellos von Bedeutung:

der Charakter der Primary

das politische Klima des Staates;

die Größe der in dem jeweiligen Staat vorhandenen Gefolgschaft;

die Anzahl der zu gewinnenden Delegierten; die Erfolgsaussichten;

die erforderlichen Anstrengungen; die Kosten;

die Art und Zahl der Mitbewerber.

Eine ganz entscheidende Rolle spielt noch der Zeitfaktor. Die Vorwahlen folgen nicht in regelmäßigen Abständen aufeinander, sondern drängen sich in manchen Wochen zusammen und weisen dann wieder beträchtliche Abstände auf. Nichts aber ist für die Bewerber von so großer Bedeutung, als ständig im Blickpunkt der Öffentlichkeit zu bleiben. Wer allzu lange Pausen macht, fällt unweigerlich zurück. Deshalb kommt es vor, daß Bewerber auch ohne große Hoffnungen auf einen direkten Delegiertengewinn sich an manchen Vorwahlen beteiligen, einfach um im Gespräch zu bleiben und ihre Popularität unter Beweis zu stellen.

Besonders strategische Bedeutung bezüglich des zeitlichen Aspekts hat die Wahl in New Hampshire: die Bevölkerung der ganzen Nation wartet nach monatelangen Prognosen und Meinungsumfragen gespannt auf das erste Stimmenergebnis dieser ersten Wahl. So hat das Stimmenergebnis in New Hampshire oft eine psychologische Wirkung, die weit über die tatsächliche Delegiertenstärke dieses kleinen Staates hinausreicht. Zweimal hintereinander hat New Hampshire bei den Demokraten eine politische Sensation gebracht: Im Jahre 1968 gelang in dieser ersten Vorwahl dem krassen Außenseiter Eugene McCarthy, der gegen den damaligen Präsidenten Lyndon B. Johnson so unübersehbarer kandidierte, ein Erfolg, daß das der Unzufriedenheit Ausmaß mit dem Präsidenten und seiner Politik wie durch einen Blitzschlag erhellt und dadurch deutlich wurde, daß Johnson verwundbar war: Robert Kennedy stieg damals in den Ring, und Johnson verzichtete kurz darauf auf eine Bewerbung um die Wiederwahl. Eugene McCarthy, ein außerhalb der politischen Kreise Washingtons und seines Heimatstaates Minnesota kaum bekannter Politiker, wurde als Repräsentant der Anti-Vietnambewegung in der demokratischen Partei bekannt und seiner vorher belächelten Kandidatur wurden nunmehr ernsthafte Chancen eingeräumt.

Eine fast identische Wiederholung brachten dann die Vorwahlen dieses Jahres. Der hohe Favorit in New Hampshire war der Senator aus dem Nachbarstaat Maine, der eindeutige „frontrunner" im Felde der demokratischen Bewerber, Edmund Muskie. Wenn irgendwo, so mußte er hier einen haushohen Sieg erringen. Zur allgemeinen Überraschung gelang es dem Kandidaten des linken Flügels, McGovern, den Erfolg McCarthys zu wiederholen. Der Sieg Muskies fiel verhältnismäßig mager aus und legte die ersten Zweifel an dessen Favoritenstatus — dagegen glänzte um so heller der enorme Achtungserfolg McGoverns in diesem gemeinhin als konservativ geltenden Staat. Der Senator aus South Dakota, der schon seit über einem Jahr offiziell seine Bewerbung erklärt hatte, aber laut Meinungsumfragen überhaupt nicht vom Fleck kam, war auf einmal ein erfolgreicher und ernst zu nehmender Kandidat. Alle potentiellen Anhänger, die bis dahin nicht so richtig an seine Chancen glauben konnten, strömten nun auf ihn zu und ermöglichten ihm den Triumphzug durch die Primaries, der dann auf dem Bundeskonvent in Miami mit seiner Nominierung endete. McGoverns Entscheidung, sich in die Höhle des Löwen — den Nachbarstaat des Favoriten — zu wagen, war der siegreiche Eröffnungszug in diesem politischen Schachspiel.

Die Entscheidung wurde dadurch erleichtert, daß New Hampshire ein kleiner, überschaubarer Staat ist, in dem praktisch jeder demokratische Wähler von einer guten Wahlkampf-organisation persönlich zu erreichen ist. Diesen Vorteil hat McGovern ausgenutzt. Aufbauend auf dem Potential, das durch den ersten Anti-Establishment-Kandidaten McCarthy in New Hampshire gelegt worden war, hat McGovern mit seinem Stab diesen Stab in minutiöser Detailarbeit durchforscht und so eine ansehliche Gefolgschaft hinter sich gebracht, die bei der geringen absoluten Größe der Wählerzahlen zu einer eindrucksvollen Prozentzahl im Gesamtergebnis führte.

Ist schon die Entscheidung über die Teilnahme oder Nichtteilnahme an einer freiwilligen Vorwahl schwer genug, so steigert sich die Problematik bei den Pflichtvorwahlen. Denn ein aktiver Kandidat wird in den Staaten Florida, Oregon, Maryland und anderen auf dem Stimmzettel stehen, ob er einen Wahlkampf dort führt oder nicht, und aus den veröffentlichten Stimmenergebnissen wird man Rückschlüsse auf seine Popularität ziehen. Hat ein Bewerber das Image eines Favoriten, ist er fast gezwungen, in diese Wahlen einzusteigen, damit nicht ein allzu peinliches Bild in der Offentlichkeit entsteht. Dies war das Dilemma des früeren Vizepräsidentschaftskandidaten Muskie, der zu Beginn der politischen Saison eindeutig der haushohe Favorit der Demokraten war. Er mußte sich zu einer frühen teit des Wahlkampfes an der Vorwahl im Bundesstaat Florida beteiligen, für dessen Bevölkerungstruktur der biedere Neuengländer denk bar ungeeignet war. Es kam hinzu, daß bei der zu diesem Zeitpunkt noch vorhandenen Fülle der Kandidaten ein mörderischer Kleinkrieg um die wenigen Wählerstimmen entbrannt war, die der diesem Staat passende Kandidat George Wallace übrigließ. Muskie, der nicht wie die anderen Kandidaten, eine bestimmte Klientel hatte — Humphrey die Rentner und einen Teil der jüdischen Wähler, Lindsay den Großteil der jüdischen Wähler, McGovern die Liberalen, Jackson die gemäßigten Konservativen —, endete für einen Favoriten zu weit im Hinterfeld. Nach dem halben Mißerfolg von New Hampshire war damit der Anfang vom Ende seiner diesjährigen Bewerbung eingeleitet.

Die Wahlkampforganisation Die Größe und Vielfalt der Aufgaben, die im Nominierungsverfahren anfallen, stellen an jeden Bewerber bereits in dieser Phase Anforderungen, die denen des eigentlichen Wahlkampfes in nichts nachstehen. Im Gegenteil, der Hauptwahlkampf ist sehr viel überschaubarer und einheitlicher. Der ganze Aufgabenbereich der Delegiertenstrategie, die innerparteilichen Auseinandersetzungen, das Ringen um Delegiertenstimmen, das Umwerben der mächtigen Parteifürsten, die Vorbereitung und Überwachung der Ereignisse auf dem Konvent — all diese Notwendigkeiten fallen im Hauptwahlkampf fort. Positiv macht sich bemerkbar, daß im Hauptwahlkampf der gesamte Parteiapparat, der bis dahin bestenfalls neutral, unter Umständen aber, wie etwa jetzt wieder im Falle McGoverns, praktisch auf der Seite der Gegner gestanden hat, voll und ganz zur Verfügung steht, sowohl bezüglich der organisatorischen als auch der finanziellen Unterstützung.

Im Vorwahlkampf aber ist der Bewerber ganz auf sich allein gestellt. Was immer erforderlich ist, um sich in den Primaries und im Parteiversammlungsprozeß Delegierte zu sichern, muß er mit eigenen Kräften schaffen. Das bedeutet, daß er schon in einem sehr frühen Stadium seiner Bewerbung eine große Menge Leute braucht, die ihn freiwillig oder bezahlt unterstützen. Um eine Vorstellung von dem Aufwand zu geben, den heute die Vorbereitung einer Kandidatur zum Präsidenten der Vereinigten Staaten erfordert, sei darauf hingewiesen, daß z. B. Edmund Muskie bereits im Mai 1971 — acht Monate, bevor er überhaupt seine Bewerbung offiziell erklärte — allein in Washington einen voll bezahlten Stab von etwa 70 Leuten beschäftigte. In den Spitzen-zeiten des Vorwahlkampfes 1968 belief sich die Zahl der vollbezahlten Mitarbeiter im Hauptquartier des Präsidentschaftsbewerbers McCarthy auf etwa 300 Personen. Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, daß McGoverns Stab noch größer gewesen ist.

Zur Frage nach dem Aufgabenbereich eines solchen Wahlkampfstabes und seiner Organisation ist zu sagen, daß — wie bei so vielen Aspekten des Wahlverfahrens — es auch hier keine festen Schemata gibt. Sehr viel hängt davon ab, ob ein Kandidat seinen Wahlkampf personalintensiv — also mit vielen freiwilligen Helfern — oder als Medienfeldzug führt, ob er eine große Zahl von persönlichen Veranstaltungen durchführt oder mehr mit Pressekonferenzen und Erklärungen arbeitet, ob er um jede Delegiertenstimme kämpft oder versucht, durch eindrucksvolle Erfolge in den Präferenz-wahlen die Mitbewerber aus dem Felde zu schlagen. Die folgende Beschreibung eines „typischen" Vorwahlkampfstabes kann deshalb nicht als ein starres Organisationsschema genommen werden, sondern mehr als Darstellung der wichtigsten Aktivitäten, die in einem Vor-wahlkampf vorkommen. Je nach dem Charakter des Wahlkampfes und der Größe der Organisation sind die einzelnen Abteilungen von größerer oder geringer Bedeutung oder zum Teil auch garnicht vorhanden. . 1. Politische Stabsgruppe (political operations, delegate operations)

In dieser Gruppe wird die politische Strategie zur Gewinnung von Delegierten entwickelt und ihre Durchführung überwacht. Das erfordert zunächst den Aufbau eines umfassenden Informationssystems. Die politische Situation in jedem Staat wird genauestens erforscht, das Delegiertenauswahlverfahren gründlich analysiert, die Machtstrukturen untersucht, Informationen über potentielle Freunde und Gegner des Bewerbers gesammelt, die Erfolgsaussichten abgewogen.

Die politische Abteilung unterhält ein großes Netzwerk von Außendienst-Mitarbeitern, die als „field-workers" am Ort sitzen, die Informationen besorgen und nach Washington weiterleiten. Die „field-workers" haben gleichzeitig die Aufgabe, die örtlichen Wahlkampf-organisationen bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Sie sorgen dafür, daß bei den Vorwahlen und Parteiversammlungen die richtigen Delegiertenkandidaten für den Bewerber aufgestellt werden und achten darauf, daß genügend Unterschriften für die Bewerdung des Präsidentschaftskandidaten zusammenkommen. Ihre Rolle ist besonders bedeutungsvoll in den Staaten ohne Primary; denn hier sind faktisch sie es, die zusammen mit den örtlichen Wahlkampfkomitees für den Kandidaten den Kampf um die Delegiertenstimmen — von den „precinct caucuses" bis hin zur „state Convention" — organisieren und leiten.

Die „field workers" sind zum Teil bezahlte Mitarbeiter des Kandidaten, die in den Staat entsandt werden. Meistens wird aber ein qualifizierter loyaler Gefolgsmann aus dem Staat selber für diese Aufgabe herangebildet, da er die Verhältnisse am Ort am besten kennt und überschaut.

Die politische Abteilung bleibt auch nach den Delegiertenwahlen weiter bestehen, ja, sie wird jetzt zum entscheidenden Instrument der Konventstrategie. Sobald eine Delegierten-wahl abgeschlossen ist, werden alle verfügbaren Informationen über die gewählten Delegierten (und Ersatzdelegierten) gesammelt, gespeichert und ständig auf dem neuesten Stand gehalten. Es werden für jeden Delegierten Karteikarten angelegt, auf denen neben vielen persönlichen Daten vor allem vermerkt ist, wie er zu den Kandidaten und zu den wichtigsten Themen, die auf dem Konvent zur Sprache kommen, eingestellt ist. Die „field workers" versuchen, in der Zeit zwischen den Delegiertenwahlen und dem Bundeskonvent zu allen ansprechbaren Delegierten persönlichen Kontakt herzustellen und aufrechtzuerhalten. Um einen noch nicht festgelegten Delegierten bemühen sich prominente Politiker seines Heimatstaates oder andere bedeutsame Persönlichkeiten, die den Kandidaten unterstützen, um ihn ins eigene Lager zu bringen. Man scheut sich auch nicht, persönliche Schwächen und Probleme auszunutzen, um seine Stimme zu gewinnen. Früher war auch der Stimmenkauf eine durchaus übliche Angelegenheit. Das Anlegen solcher „delegate-profiles", Delegiertendaten, ist zumindest bei den Demokraten nicht mehr von derselben großen Bedeutung wie früher, weil mehr und mehr Delegierte zumindest für den ersten Wahlgang entweder durch Gesetz oder durch eigene verbindliche Erklärungen festgelegt sind. 2. Koordination der regionalen und lokalen 'Wahlkamplorganisationen (state/local cam-

paign coordination)

Während die eben beschriebene Abteilung mehr die politische Zusammenarbeit zwischen der Zentrale und den Einzelstaaten herstellt, hat diese Stelle die Aufgabe, die „wahlkampftechnische" Koordination der regionalen und lokalen Wahlkampforganisationen, die weiter unten noch ausführlich zu beschreiben sind, mit dem Wahlkampfhauptquartier herzustellen. Von hier werden Wahlkampfliteratur und Wahlkampfutensilien, Presseerklärungen des Kandidaten und technische Instruktionen an die unteren Wahlkampfzentren versandt. Diese Abteilung ist die Anlauf-und Clearingstelle für alle technischen und organisatorischen Probleme, die auf regionaler und lokaler Ebene auftauchen. Sie hat die Aufgabe, für eine gewisse Koordination der Wahlkampf-anstrengungen im ganzen Land zu sorgen. 3. Koordination der Unterstützungskomitees (Auxiliary groups coordination)

Eine Besonderheit des amerikanischen Wahlkampfes, aber, wie die letzte Bundestagswahl gezeigt hat, zum Teil auch bereits in Deutschland heimisch, ist die Gründung berufsständischer oder ethnischer Unterstützungskomitees. Parallel zur territorialen Wahlkampforganisation (lokal, regional, national) bildet sich eine zweite Struktur, die auf die speziellen Interessen der Bevölkerung ausgerichtet ist. Zum Teil spontan, zum Teil vom Kandidaten forciert und gesteuert, werden Wahlkampf-ausschüsse ins Leben gerufen, die bestimmte Bevölkerungsschichten ansprechen. In jeder großen Wahlkampforganisation gibt es eine Gruppe „Black Americans for XY", es gibt „Businessmen for XY", „Farmers for ...', „Labor for ...", „Lawyers for .. „Women", „Senior Citizens", „Clergymen", „Veterans", „Scientists and Engineers", „Spanish-Americans", „Indians", „Poor People". Präsident Nixon hatte in seinem Hauptwahlkampf für fast jede ethnische Gruppe, wie die Deutsch-, Italo-, und Japano-Amerikaner und Dutzende andere ein eigenes Komitee.

Je nach der Ausstrahlung des Kandidaten und seinen politischen Leistungen für bestimmte Gruppen haben die Ausschüsse eine größere oder geringere Wirkung. Auf jeden Fall sollen sie die Identifikation der jeweiligen Bevölkerungsschicht mit dem Kandidaten erleichtern. Zu diesem Zweck wird ein solcher Ausschuß von einem prominenten Mitglied dieser Berufs-, ethnischen, religiösen oder sonstigen Gruppe angeführt.

Neben der Stimmenwerbung für den Kandidaten dienen diese Gruppen vor allem der Geldbeschaffung. Es ist oft erfolgreicher, wenn Ärzte, Rechtsanwälte, Professoren von einem hochangesehenen Mitglied ihres Standes um Geldspenden angesprochen werden als vom Kandidaten selbst.

Manche dieser Ausschüsse operieren völlig unabhängig von der Organisation des Kandidaten. Sie entwerfen und drucken ihre eigene Wahlkampfliteratur, schicken prominente Leute auf Reisen durchs Land, plazieren Anzeigen in den Zeitungen und finanzieren sich selbst. Manche sind nur pro forma selbständig, der Vorsitzende leiht dem Kandidaten nur seinen Namen und seinen Ruf, während die ganze Arbeit von den professionellen Mitarbeitern des Wahlkampfhauptquartiers geleistet wird. 4. Koordination der ireiwilligen Heiter (Volunteer coordination)

Eine wichtige Aufgabe im Wahlkampf stellt die Koordination des Einsatzes der vielen freiwilligen Helfer dar. Dies gilt vor allem für die Kandidaten McCarthy im Jahre 1968 und diesmal McGovern, die ihren Wahlkampf sehr personalintensiv führen. Vor allem für die Wahlkampftechnik des „Canvassing", die im folgenden noch eingehend beschrieben werden soll, ist der Einsatz einer großen Zahl freiwilliger Helfer unentbehrlich. Aber auch für viele technische Hilfsdienste, von der Bedienung der Abzugsmaschinen über Chauffeurdienste bis hin zur Verbreitung von Wahlkampfliteratur auf den Straßen braucht man freiwillige Helfer. 5.

Ghostwriter und Dokumentationsabteilung (speechwriting and research department)

Die persönlichen Aktivitäten des Kandidaten verlangen eine große Anzahl weiterer Mitarbeiter. In einem Wahlkampf, der auf vollen Touren läuft, sind täglich vier bis sieben Ansprachen, von denen mindestens eine von besonderer Qualität sein muß, das übliche Pensum. Ein aktiver Präsidentschaftskandidat beschäftigt auch im Vorwahlkampf zwei bis drei ständige Ghostwriter, nicht gerechnet die Anzahl bedeutender Journalisten und Wissenschaftler, die ihm zeitweilig zu bestimmten Themen zuarbeiten.

Die Speechwriter erhalten die Grundlagen für ihre Reden aus der Dokumentationsabteilung (research department), in der neben allgemeinem Archivmaterial alle Äußerungen des Kandidaten, sein Standpunkt zu den verschiedensten politischen Fragen, sowie die Äußerungen seiner wichtigsten Gegner gesammelt werden. Neben der Materiallieferung für neue Reden und der Information über die Gegner hat die Dokumentationsabteilung die Aufgabe, von Zeit zu Zeit Grundsatzerklärungen des Kandidaten zu bestimmten politischen Themen („Position papers") herauszugeben. Bei der ungeheuren Vielfalt der Interessen in der amerikanischen Gesellschaft ist es unmöglich, zu allem und jedem in einer Rede ausführlich und befriedigend für die Zuhörer Stellung zu nehmen. Deshalb werden an die interessierten reise solche „Position papers" zu Israel (für m Juden), zu den Bürgerrechten (für die -eger und die liberalen Weißen), zur Legalisierung der Abtreibung (für die Frauenrechtler), zur Situation in Belfast (für die Iren) und zu Hunderten weiterer Themen versandt. 6. Terminplanung und Veranstaltungsvorbereitung (scheduling and advancing)

Auch für die Terminplanung (scheduling) steht meist ein Stab von mehreren Leuten zur Verfügung. Ein Präsidentschaftskandidat könnte um ein Vielfaches mehr Reden halten, wenn er die Zeit und die Kraft dazu hätte. Alles kommt darauf an, aus der verfügbaren Zeit des Kandidaten ein Maximum an Wirkung herauszuholen. Der „scheduler" muß nicht nur über die technischen Einzelheiten Bescheid wissen, wie schnell man in der Hauptverkehrszeit mit den Autos von Punkt A nach Punkt B gelangen kann, sondern auch die politischen Notwendigkeiten und Effekte sorgsam abwägen.

Die Vorbereitung am Ort übernimmt das soge-nannte „advance team“. Es erscheint einige Tage vor dem geplanten Besuch des Kandidaten am Ort und prüft, ob die Vorbereitungen von seifen der lokalen Organisation und auch die Hotel-und Transportakkomodationen in Ordnung sind. Sie überprüfen aber nicht nur die technische Infrastruktur, sondern informieren sich vor allem, ob der Besuch politisch und publizistisch genügend vorbereitet ist, um einen Erfolg der Veranstaltung zu gewährleisten. In ihrer Entscheidungsgewalt liegt es, eventuelle Versäumnisse noch nachzuholen oder bei allzu schlechter Vorbereitung die Sache abzublasen.

Da die Kandidaten in der Hitze des Wahlkampfes an einem Tag oft in zwei, drei Städten an verschiedenen Stellen des Kontinents auftreten, sind immer eine ganze Reihe solcher Teams unterwegs. Die „advance" -Mannschaft Senator McCarthys belief sich zu Zeiten auf ungefähr 25 Mann.

Terminplanung und Veranstaltungsvorbereitung sind zweifellos keine Besonderheiten des amerikanischen Wahlkampfes. Aber zwei Aspekte, nämlich die enorme Größe des Apparates und zum anderen die Tatsache, daß im Vorwahlkampf diese Organisation jeweils von dem Kandidaten selber auf die Beine gestellt und unterhalten werden muß, sind sicherlich bemerkenswert. 7. Presseabteilung (press department)

Bei dem Interesse, das die Präsidentschaftswahlen in den USA hervorrufen, ist es üblich, daß ein aussichtsreicher Bewerber auf seiner Reise von zwanzig bis vierzig Pressevertretern begleitet wird. Sie zu betreuen, mit Hintergrundmaterial zu versorgen, bei guter Laune zu halten, ist die Aufgabe der Presse-abteilung. Außerdem sorgt sie durch die ständige Herausgabe von Presseerklärungen dafür, daß der Name des Bewerbers auch nicht einen Tag aus den Nachrichten verschwindet. 8. Reisebüro (transportalion department)

Die rein technische Organisation der Reisen des Kandidaten erfordert einen eigenen umfangreichen Stab. Diese Tatsache ist als solche weniger bemerkenswert, aber sie dokumentiert ebenfalls das Ausmaß und die Verzweigtheit der Organisation, die von einem Präsidentschaftsbewerber aus dem Nichts heraus aufgebaut und unterhalten werden muß.

Die logistischen Probleme sind in der Tat nicht unerheblich. Es muß ja nicht nur der Kandidat versorgt werden, sondern auch die Pressevertreter und die Mitarbeiter, alles in allem eine Entourage von sechzig bis achtzig Personen, die ihn ständig begleiten. Die meisten Bewerber chartern für den Wahlkampf ein Flugzeug, aber die Fahrt von Ort zu Ort ist nur der kleinste Teil der Probleme auf Reisen. Bereitstellung von Autos und Bussen für Stad’fahrten, Zimmerreservierung, Gepäck-transport müssen jeden Tag für achtzig Personen mit größter Präzision organisiert werden. 9. Rednereinsatz (Speaker's Bureau)

Der Kandidat ist nicht der einzige Redner im Wahlkampf. Den meisten Bewerbern gelingt es, zahlreiche Prominente zum gelegentlichen oder ständigen Einsatz im Wahlkampf zu gewinnen. Es handelt sich dabei nicht nur um Politiker — im Gegenteil, am beliebtesten bei den Kandidaten und Zuhörern sind Berühmtheiten von Film, Funk und Fernsehen, dazu Sportler, Schriftsteller, Musiker, kurz: alles, was Rang und Namen hat. Auch diese Technik ist im vergangenen Bundestagswahlkampf übernommen worden. Die Kandidaten wetteifern um die Gunst der Prominenten, denn deren Unterstützung erhöht ihr Prestige und zahlt sich in Wählerstimmen aus. Für McGovern arbeiteten in diesem Wahlkampf die Schauspielerin Shirley MacLaine (sogar als Delegierte), Warren Beatty, Julie Christie und viele andere „Celebrities". Präsident Nixon kann wie schon vor vier Jahren sicherlich wieder mit dem aus vielen Western-Filmen bekannten (erzkonservativen) John Wayne rechnen, aber auch Frank Sinatra, lange Jahre ein Freund der Demokraten, ist in das Lager des Präsidenten übergewechselt.

Auch wenn man die Bedeutung der Stars nicht überbewerten soll, der tätige Einsatz als Redner ist zweifellos von großer Bedeutung. Er ermöglicht es den Kandidaten, auf sehr viel mehr Veranstaltungen „präsent" zu sein, als physisch und technisch möglich ist. Auch die Familienangehörigen des Kandidaten, vor allem seine Frau, werden als Redner eingesetzt, Diese ganzen Aktivitäten müssen organisiert und sorgsam koordiniert, vor allem auch mit den Veranstaltungen des Kandidaten abgestimmt werden. 10. Werbung, Öffentlichkeitsarbeit (Media) Eine zentrale Rolle in der Wahlkampforganisation nimmt die Werbeabteilung ein. Hier werden die einzelnen Werbemittel, Broschüren, Plakate, Handzettel, vor allem die Radio, und Fernsehwerbung konzipiert und eingesetzt. Vom Finanzvolumen her stellt dieser Teil der Wahlkampfaktionen alles andere in den Schatten. In die Werbemittel, vor allem die Fernsehwerbung, geht mehr als die Hälfte des Wahlkampfetats. Gerade in den letzten Jahren, ausgelöst durch den erfolgreichen Medienwahlkampf Präsident Nixons, hat die Medienwerbung eine enorme Bedeutung erhalten und die traditionellen Wahlkampf-techniken wie Veranstaltungen und „Canvassing" stark in den Hintergrund gedrängt. Der 1970er Kongreßwahlkampf spielte sich fast ausschließlich auf der Fernsehmattscheibe ab. Bei den hier anfallenden riesigen Kosten — vor allem bedingt durch die Ausweitung des Farbfernsehens — entwickelte sich der Wahlkampf zu einer reinen Materialschlacht, bei der auf der Strecke blieb, wem als erstem das Geld ausging. Inzwischen scheint das Pendel wieder zurückgeschlagen zu sein, vor allem durch die Begrenzung der Wahlkampf-ausgaben für Medien, aber wohl auch, weil sich die Fernsehwerbung doch nicht als so unfehlbar und wirkungsvoll erwiesen hat, wie eine Zeit lang angenommen worden war. Nichtsdestoweniger ist gerade die Medien-arbeit weiterhin ein dominierender Faktor. Sie wird, genau wie in deutschen Wahlkämpfen, nur zu einem kleinen Teil vom Stab des Kandidaten bzw. von den Parteiangestellten selbst gemacht. Meistens wird die Durchführung bestehenden Werbeagenturen übertragen. Es kommt allerdings vor, daß ein Kandidat für die Dauer des Wahlkampfes eine solche Agentur unter ausschließlichen Vertrag nimmt. In den Vereinigten Staaten gibt es neben den großen Werbeunternehmen, die für alle Branchen arbeiten, bereits kleinere Teams, die sich ausschließlich auf politische Werbung spezialisieren. Eine solche Firma, Treleaven & Co" hat z. B.den erfolgreichen Wahlkampffeldzug Richard Nixons von Anfang bis Ende konzipiert und durchgeführt. 11. Wahlkampffinanzierung (fund-raising and accounting)

Die Geldbeschaffung, -Verwaltung und -abrechnung ist bei den Summen, die der Wahlkampf verschlingt, eine Aufgabe, die eine ganze Reihe weiterer Mitarbeiter beansprucht. Die Frage der Wahlkampfkosten und -finanzierung soll am Ende des Artikels gesondert und ausführlich behandelt werden. Hier genügt ein Hinweis auf die Größe des Mitarbeiterstabes, der Woche für Woche bezahlt werden will, die Telefonkosten, Hotelrechnungen, Reise-spesen und dazu die riesige Position der eigentlichen Werbungskosten, um einen Eindruck von den Summen zu bekommen, die hereingeholt und verbucht werden müssen. Außerdem zwingt die neueste amerikanische Gesetzgebung die Kandidaten dazu, in regelmäßigen kurzen die Herkunft und Abständen zum Teil auch die Verwendung ihrer Gelder in detaillierter Form zu veröffentlichen. Dies ist eine weitere Belastung, die zusätzliches Personal erfordert.

Technischer Apparat 12.

Die Wahlkampforganisation bedarf natürlich einer eigenen Infrastruktur von technischem und Schreibpersonal, das zahlenmäßig noch einmal so stark wie der eigentliche Wahlkampfstab ist.

Die lokale Wahlkampforganisation Dieser riesige Stab stellt nur einen kleinen Teil der Hilfstruppen dar, die in einem Präsidentschaftswahlkampf, auch und gerade in der Vorwahlphase, zur Verfügung stehen müssen, wenn ein Kandidat sich durchsetzen will. Denn das Wahlkampfhauptquartier (national staff) ist im wesentlichen darauf beschränkt, die persönlichen Aktivitäten des Kandidaten zu unterstützen, die politische Strategie zu planen und durchzusetzen und darüber hinaus eine gewisse Koordinationsfunktion auszuüben. Der größte Teil der Wahlanstrengungen wird mehr oder weniger unabhängig vom Hauptquartier von lokalen und regionalen Organisationen unternommen.

Wir treffen hier wieder einmal auf das Phänomen des föderalistischen Aufbaus Amerikas, seiner Parteien, seiner Politik, seiner Gesellschaft. Ein solcher Präsidentschaftsvorwahlkampf ist nur zu einem geringen Teil zentral organisiert und gelenkt, vielmehr bilden sich für die prominenteren und aussichtsreicheren Kandidaten überall im Land Wahlkampfaus-sShüsse (campaign committees), die meist aus eigener Initiative und in eigener Regie, mit eigenen Finanzmitteln und eigenem Personal in ihrem Staat den Wahlkampf führen. Natürlich sind die Bedingungen von Staat zu Staat und von Bewerber zu Bewerber verschieden. Häufig wird der Kandidat auch einen oder mehrere Sonderbotschafter durchs Land schikken, um die in Frage kommenden Persönlichkeiten aufzufordern, für den Kandidaten aktiv zu werden. Manchmal werden auch ständige Repräsentanten vom Hauptquartier gesandt, die beim Aufbau der lokalen Wahlkampforganisation mithelfen, aber letztlich wird diese getragen von der Initiative der Anhänger am Ort. Es gibt für das Verständnis des amerikanischen Parteiensystems und damit letztlich auch der amerikanischen Politik kaum einen wichtigeren Faktor als die Tatsache, daß die Bürger die Organisation des Wahlkampfes zu einem ganz erheblichen Teil selbst in die Hand nehmen.

Wie weit die Unabhängigkeit dieser lokalen Organisationen von dem Präsidentschaftskandidaten geht, zeigt sich deutlich daran, daß es solche Organisationen bisweilen sogar dann gibt, wenn der betreffende Politiker zu verstehen gegeben hat, daß er eine Kandidatur nicht anstrebt. In einem solchen Fall ist es das Hauptziel des betreffenden Ausschusses, unter der Bevölkerung eine solche Stimmung für den Nicht-Kandidaten zu erzeugen, daß sie ihn von der Möglichkeit oder sogar der Notwendigkeit seiner Kandidatur überzeugt. Eine solche starke Bewegung hat es in diesem Jahr zugunsten von Edward Kennedy gegeben. Sie war bekanntlich erfolglos. Aber bisweilen, wie 1968 im Falle des New Yorker Gouverneurs Nelson Rockefeller, führt sie auch, zusammen mit anderen Beweggründen, zu einem Umdenken des Kandidaten. Eine so weitgehende Unabhängigkeit ist jedoch die Ausnahme, üblicherweise ermuntern und unterstützen die Bewerber ganz offen ihre Anhänger beim Aufbau der lokalen Wahlkampforganisationen.

Welches sind die Ziele und Aktivitäten der regionalen Wahlkampfzentren? Ganz grundsätzlich ist es ihre Aufgabe, eine möglichst große Zahl von Bürgern des Staates — vor allem die jeweiligen Anhänger der Partei — über den Kandidaten zu informieren und für ihn zu gewinnen. Wie dies im einzelnen geschieht, hängt sehr von dem Charakter des Vorwahl-systems ab. Die Organisation des Wahlkampfes im Primary-System unterscheidet sich stark von der eines innerparteilichen Wahlkampfes. Auch wird es eine große Rolle spielen, ob der Kandidat energisch um die Delegierten kämpfen oder einfach nur repräsentiert sein will. Im letzteren Fall dient das Wahlkampfhauptquartier nur als eine Art Informationszentrum und „public relations“ -Büro. Bei einer ausgewachsenen Wahlkampforganisation werden auf jeden Fall in den wichtigsten Zentren des Staates, wenn möglich, in allen großen und kleineren Städten, örtliche Komitees gegründet oder, soweit sie sich bereits spontan gebildet haben, koordiniert.

Eine andere wichtige Aufgabe, sei es auf regionaler oder lokaler Ebene, ist die Erfassung aller registrierten Demokraten bzw. Republikaner, bis hin zu einer namentlichen Katalogisierung aller potentiellen Wähler auf Karteikarten. Die Namen aller registrierten Partei-anhänger sind, wie bei uns die Namen der Wahlberechtigten, von der Stadtverwaltung zu erhalten. Diese Wählerlisten bilden die Grundlage für die mittlerweile auch in Deutschland heimisch gewordene Wahlkampftechnik des „Canvassing", der massenhaften gezielten Ansprache von einzelnen Personen: Freiwillige Helfer schwärmen aus in das ihnen zugeteilte Revier, stellen sich als Repräsentanten des jeweiligen Kandidaten vor und überreichen die mitgenommene Wahlkampfliteratur. Dabei versuchen sie herauszubekommen, wie der angesprochene Wähler zu ihrem Kandidaten steht. Alle Informationen werden gespeichert und die sympathisierenden Wähler im Verlauf des Wahlkampfes und besonders am Wahltag noch einmal angesprochen.

System Dieses kann bis zur Perfektion gebracht uner werden, wenn ein über -schöpfliche Mengen tüchtiger freiwilliger Helfer und eine Handvoll guter Organisatoren verfügt und der Staat oder die Region überschaubar ist. Dies war das Geheimnis der überraschenden Erfolge von McCarthy 1968 und McGovern in diesem Jahr bei den Vorwahlen in New Hampshire. Die gesamte demokratische Wählerschaft dieses Gebietes war nach Stadtteilen katalogisiert und in Canvassing-Bezirke eingeteilt.

Diese glänzende Planung wurde dann in die Tat umgesetzt durch Tausende und Abertausende von Studenten, die in Busladungen oder mit dem eigenen Auto Wochenende für Wochenende aus den umliegenden Universitäten, die gerade in dieser Gegend massiert sind (Harvard, Yale, MIT), angefahren kamen Eine solche Wahlkampfführung ist dann möglich, wenn es gelingt, durch bestimmte politische Themen, wie etwa den Vietnam-Krieg, eine große Menge von Leuten zu mobilisieren.

Die Wählerlisten bieten auch noch andere gute Verwendungsmöglichkeiten. Sie dienen als Grundlage für Massenbriefsendungen oder auch für ein sogenanntes Telefon-Canvassing, das, wie schon der Name sagt, sich von dem oben beschriebenen „Canvassing" nur dadurch unterscheidet, daß der Wähler nicht persönlich an der Tür, sondern am Telefon kontaktiert wird.

Neben der direkten Ansprache der Wähler auf brieflichem, telefonischem oder persönlichem Wege ist die Abhaltung von Bürgerversammlungen eine wichtige Aufgabe der lokalen Zentren. Die Veranstaltungen finden teils mit eigenen Rednern, teils mit den I Rednern, die für den Kandidaten herumreisen, teils mit dem Kandidaten selber statt. Ihre Durchführung kann die verschiedensten For-I men annehmen, je nach dem eingeladenen Personenkreis und dem Zweck, der damit verfolgt wird: es gibt die normale Veranstaltung mit Rede und Diskussion; die Großveranstaltung (Rallye), ein zwangloses Treffen bei Kaffee j und Kuchen, ein Picknick oder Barbecue unter I freiem Himmel. Der Lust a.der Show dienen Pop-Konzerte, Festivals und Umzüge. Eine be-j liebte Form der Veranstaltung ist ferner die I Fundraising-Party, d. i. ein gesellschaftliches Ereignis, bei dem entweder durch den Eintritts-preis, mit einer Sammlung oder Verlosung während der Veranstaltung Geld für den Wahlkampf zusammengebracht wird. Die Amerikaner sind außerordentlich erfindungsreich Gestaltung solcher in der Ereignisse, bei denen den Teilnehmern kräftiger Obolus für die ein gute Sache abgenommen wird.

Dies ist eine der Haupteinnahmequellen der lokalen und regionalen Wahlkampforganisationen, die, wie noch einmal betont werden soll, sich weitgehend selbst finanzieren. Andere Möglichkeiten der Geldeinnahme sind briefliche, sogar telefonische Geldsammelaktionen. Erfolgreich ist oft auch eine Zeitungsanzeige, in der die Sache des Kandidaten vertreten und auf einem anhängenden Coupon um Spenden gebeten wird. Audi hier sind der Erfindungsgabe keine Grenzen gesetzt: ein Wahlkampfausschuß in San Diego richtete an die Anhänger des Kandidaten die Aufforderung, eine bestimmte Anzahl von Werbeminu. ten im Radio zu kaufen und diese selbst mit einem eigenen Text über die Gründe der Unterstützung ihres Kandidaten zu besprechen. Andere Gruppen sammelten Geld durch den Verkauf graphisch besonders gelungene Wahlkampfmaterialien wie Anstedeknöpfe (buttons), Aufkleber (bumper stickers), Fah” nen, Plakate (posters) und andere Dinge.

Die regionalen und lokalen Organisationen sind das Rückgrat jedes erfolgreichen Vor-wahlkampfes. Auch in Deutschland wird der Bundestagswahlkampf nicht allein von der Bonner Zentrale geführt, sondern von den lokalen Ortsverbänden. In ähnlicher Weise arbeiten auch in den amerikanischen Vorwahlen die lokalen Ausschüsse und das Wahlkampf-hauptquartier zusammen. Die beiden entschei-denden Unterschiede sind jedoch, daß im amerikanischen System die lokale Infrastruktur in den meisten Fällen aus Amateuren und Freiwilligen besteht und daß sie außerdem für jeden Kandidaten immer erst neu aufgebaut werden muß.

4. Der Bundeskonvent

Der letzte Akt und spektakuläre Höhepunkt des langen Dramas ist der Bundeskonvent. Man darf sich diese Veranstaltung weder in den Dimensionen noch in ihrem Charakter nach den Maßstäben deutscher Parteitage vorstellen. Amerikanische Bundeskonvente sind ein Jahrmarkt, ein Festival, eine Rallye, eine Show, eine Volksversammlung, ein ins Riesenhafte gesteigertes Thing, bei dem die Leute im Saal in mindestens gleichem Maße Akteure sind wie die Dirigenten auf dem Podium. Allein die Größenordnungen sprengen den Rahmen aller üblichen Vorstellungen.

Der demokratische Bundeskonvent umfaßt über dreitausend Delegierte, dazu etwa zweitausend Ersatzdelegierte, die zwar nicht stimmberechtigt sind, aber ebenfalls in der Versammlungshalle Platz finden müssen. Bei den Republikanern sind es insgesamt knapp dreitausend Delegierte und Ersatzdelegierte. Dazu kommen die Zuschauer, Pressevertreter und das Organisationspersonal. Dieses große Ereignis der Nominierung des Präsidentschaftskandidaten zieht natürlich Scharen von Schaulustigen an, sei es aus berufsmäßiger, sei es aus privater Neugier. Bei den Demokraten, wo es in diesem Jahr besonders interessant war, sind zehntausend Einlaßkarten an Vertreter der öffentlichen Medien vergeben worden. Die großen Fernsehgesellschaften, die den Verlauf der Konvente von Anfang bis Ende übertragen, bringen allein einen Stab von etwa tausend Personen mit. Aber nicht nur Journalisten, die das Ereignis für Fernsehen, Rundfunk und Zeitungen beobachten, sondern auch Schriftsteller, Historiker, politische Beobachter aus anderen Ländern, Humoristen und Dichter fallen unter die Rubrik „Repräsentanten der öffentlichen Meinung". Von den zehntausend Medienvertretern erhielten etwa zweitausend Sondergenehmigungen zum Betreten der Halle selbst, der Rest findet auf den Zuschauertribünen Platz.

Auch die Tribünensitze sind bei dem großen Interesse der Bevölkerung an diesem Schauspiel heiß begehrt. Die einzelnen Staaten erhalten ein bestimmtes Kontingent von Tri-bünenkarten, die sie an verdiente Parteifreunde vergeben oder, falls sich wegen der langen und kostspieligen Reise im eigenen Staat nicht genügend Leute, die sich dieses Vergnügen leisten können, finden, am Veranstaltungsort zu Schwarzmarktpreisen verhökern.

Die Stadt selbst, in der der Konvent stattfindet, entwickelt eine wahre Karnevalsatmosphäre. Mit Fahnen, Musikkapellen und Paraden werden die ankommenden Delegationen, vor allem aber die Präsidentschaftsbewerber begrüßt. Ihre Hotels sind geschmückt und dekoriert und ständig von einer riesigen Menge von Schaulustigen umlagert. Seit dem letzten Mal (1968) hat auch die Jugend ihr Interesse an den Konventen . entdeckt. Sie kommt in großen Scharen, kampiert in öffentlichen Parks und erhöht die allgemeine Jahrmarkt-Atmosphäre. Die Bundeskonvente sind ein lebendes Schauspiel amerikanischer Folklore. William J. Bryan, der langjährige Präsidentschaftskandidat der Demokraten um die Jahrhundertwende, hat den Bundeskonvent einmal als ein „Photograph of the Nation" bezeichnet. Hier sind Menschen aus allen Teilen des Kontinents, aus Hawaii und Alaska, sogar von den überseeischen und karibischen Besitzungen Guam, Puerto Rico, den Virgin Islands und der Panama-Kanalzone als Delegierte vertreten. Hier sind Holzfäller aus Oregon, Geschäftsleute aus New York, Farmer, Viehzüchter, Olmillionäre, Journalisten, Handwerker, Professoren, Autoverkäufer, Hausfrauen, Studenten, Rentner, Neger, Indianer, Eskimos, Japano-, Mexiko-, Sino-Amerikaner und die unendlich vielfältige Schicht der Weißen, die in den Süd-staaten ganz anders sind als im Nordosten, im Mittelwesten verschieden von der Bevölkerung der Rocky Mountains-Staaten, in Südkalifornien anders als an der nördlichen Pazifikküste. Da es zur Zeit der Bundeskonvente, die im Juli oder August stattfinden, meistens brütend heiß ist, ist die Kleidung entsprechend leger. „Come as you are" — ein faszinierendes Bild. Die meisten drapieren sich noch mit irgend-welchen Utensilien, die für ihren Kandidaten werben sollen: dem Strohhut mit seinem Bild oder Namen, einem Dutzend Ansteckknöpfe an der Bluse, einer Schärpe mit seinem Wahlkampfemblem, einem Spazierstock mit seinen Farben, einem Plakat mit seinem Slogan, einer mit Aufklebern übersäten Tasche. Jede Delegation hat eigene Banner, jede Gruppe eigene Fahnen, die von Zeit zu Zeit unter großem Hurra entfaltet und bei Paraden im Triumph herumgeführt werden.

Das Tagungsprogramm und der Ablauf eines solchen Bundeskonventes entsprechen ganz dieser Mischung aus Politik und Show. In den vier Tagen, die sich ein solcher Konvent hinzieht, wird das eigentliche politische Geschäft, die Wahl des Präsidentschafts-und Vizepräsidentschaftskandidaten und die Verabschiedung des Wahlprogramms, umrahmt von einem Ritual unzähliger Reden, Präsentationen und Prozeduren.

Das große Ereignis beginnt mit dem Absingen der Nationalhymne oder anderer patriotischer Gesänge. Dies wird bei jeder neuen Sitzung wiederholt, ebenso wie die religiösen Einführungsworte, die in schönem Pluralismus jedesmal der Vertreter einer anderen religiösen Gemeinschaft gibt. Der offiziellen Eröffnung schließen sich Begrüßungsreden von Bürgermeister, Gouverneur und Abgeordneten aus dem gastgebenden Staat an, jeweils eingeführt von wieder anderen Politikern, damit möglichst viele Personen zu Worte kommen. Die vorläufige Geschäftsordnung, das vorläufige Tagungspräsidium, die vorläufige Sitzverteilung wird beschlossen und vier Hauptausschüsse offiziell berufen, für die Bestellung des endgültigen Tagungspräsidiums (Committee on Permanent Organization)

für Geschäftsordnung und Parteisatzung (Committee on Rules and Order of Business)

für Mandatsprüfung und Beglaubigung (Committee on Credentials)

für das Parteiprogramm (Committee on Platform and Resolutions) Dies sind reine Formalitäten, da die einzelnen Landesparteien für die ihnen zustehenden Sitze in diesen Ausschüssen ihre Vertreter längst benannt haben

Außerdem konferieren die Kommissionen bereits seit Tagen, zum Teil Wochen und haben alle wesentlichen Beschlüsse schon gefaßt. Ebenfalls Formalität ist die Wahl des Bundesparteivorstandes (National Committee), da auch hier die Landesparteien für die ihnen zustehenden Positionen ein Vorschlagsrecht haben.

Es schließt sich die große Einführungsrede des vorläufigen Tagungspräsidenten (bei den Demokraten) oder eines besonders bekannten Redners (bei den Republikanern) an, die soge-nannte „key-note speech", die mit einem emotionalen Bekenntnis zur Partei und ihren Leistungen eine begeisterte Stimmung in die Versammlung bringen soll.

In den folgenden Sitzungen werden die Berichte der genannten Kommissionen entgegengenommen, gegebenenfalls diskutiert und darüber abgestimmt. Diese Verhandlungen können sich, wenn Kontroversen auftauchen, unendlich lange hinziehen. Zwischendurch werden immer neue Personen auf die Bühne gebracht, da die Partei die Gelegenheit nutzen will, vor der ganzen Nation, die dieses Ereignis am Fernsehschirm verfolgt, kostenlose Propaganda für den kommenden Wahlkampf zu machen. Da werden die Gouverneure oder Gouverneurskandidaten vorgestellt, die in diesem Jahr zur Wahl anstehen, etwas später präsentieren sich die Senats-kandidaten aus den Staaten des mittleren Westens mit Reden zur Situation der Land-bevölkerung Amerikas, kurz darauf halten andere Kandidaten Reden zu den Problemen des urbanisierten Amerikas. Verdiente Parteiführer werden vorgestellt, die Verstorbenen geehrt, besonders Verdiente sogar mit einem Gedächtnisprogramm, Grußworte von prominenten Republikanern oder Demokraten, die große Verbände repräsentieren, wie die Gewerkschaften oder die vaterländischen Vereine, an die Versammlung, vor allem aber an die zuschauende Bevölkerung gerichtet.

So kämpft sich dieser Koloß langsam voran, bis endlich der große Höhepunkt, die Nominierung der Bewerber und die Abstimmung erfolgt. Auch diese vollziehen sich nach einem zeitraubenden aber geheiligten Ritual. Der Sekretär des Parteitages ruft die einzelnen Staaten — meist in alphabetischer Reihenfolge — auf, Kandidaten vorzuschlagen. Die früher aufgerufenen Delegationen geben bisweilen aus Courtoisie ihre Vorschlagsrechte an einen Staat, der später auf der Liste steht, weiter, zu dessen. Delegation der Politiker gehört, der die Nominierungsrede halten soll (»Alabama yields to California").

Bei der Nominierungsrede war es früher Tradition, daß der Name des Bewerbers, obwohl er allen Zuhörern durch die Attribute bekannt war, die der Redner auf ihn häufte, erst am Schluß der Rede genannt wurde. Sobald dann der Name fiel, verwandelte sich die Halle in einen Hexenkessel. Die Anhänger sprangen von ihren Sitzen auf, tanzten, schrien, schwenkten Fahnen, Hüte, Banner, marschierten zum Klang einer eigens vom Wahlkampf-stab des Kandidaten besorgten Musikkapelle durch die Reihen und zeigten mit allen erdenklichen Mitteln die große Begeisterung, die ihr Kandidat zu entfachen vermochte. Luftballons stiegen auf und Konfetti regnete herab. Dies hatte zu früheren Zeiten möglicherweise den Effekt, noch schwankende Delegierte von der Stärke der Anhängerschaft des Kandidaten zu überzeugen und damit auf dessen Seite zu ziehen. Doch wird dies immer mehr in Zweifel gezogen, und die Demokraten haben für dieses Jahr alle Aufmärsche, Paraden, Musik-und Jubelstürme dadurch unterbunden, daß nach den neuen Regeln die hierauf verwandte Zeit von der Rednerzeit für die Nominierung des Bewerbers abgezogen wird und so war man in der Tat mit Demonstrationen sehr zurückhaltend. Da bei den Republikanern keinerlei politische Entscheidung zu erwarten ist, wird man davon ausgehen können, daß dort, um der Menge wenigstens etwas Unterhaltung und Gelegenheit zur Aktivität zu geben, das Volksfest in alter Tradition seinen Verlauf nehmen wird.

An die Nominierungsrede schließen sich noch weitere Reden für den Bewerber an (wseconding Speeches“), wobei weniger von Bedeutung ist, was gesagt wird, als wer sich für den Kandidaten engagiert. Nach den Nominierungsreden, die sich endlos hinziehen können, wenn viele Politiker ihre pro-forma-Bewerbung aus Publizitätsgründen bis zum letzten Moment aufrechterhalten wollen — für einen im Wahlkampf stehenden Senator oder Gouverneur bedeutet eine solche Kandidatur zwanzig Minuten freie Fernsehwerbung —, erfolgt dann ebenfalls in Form des soge-nannten „Roll Call" die Abstimmung über die Kandidaten. Der Sekretär des Parteitages ruft wieder die einzelnen Delegationen auf und deren Delegationsleiter gibt über Mikrofon die Anzahl der Stimmen für die einzelnen Bewerer bekannt. Wenn Delegierte glauben, daß ihr Delegationsleiter sie nicht fair repräsentiert, gibt es auch die Möglichkeit namentlicher Abstimmungen der einzelnen Delegierten, entweder ebenfalls über das Mikrofon in der Halle oder in einem separaten Raum unter Anwesenheit eines Vertreters des Tagungspräsidiums Eine solche namentliche Abstimmung in der Delegation von New Jersey, die auf den „Favorite Son" Senator Clifford Case eingeschworen war, sicherte im Jahre 1968 dem Kandidaten Nixon die erforderlichen Stimmen für einenSieg im ersten Wahlgang Zur Wahl ist die absolute Mehrheit der Stimmen erforderlich.

Der Rest ist Anti-Climax. In der nächsten und letzten Sitzung wird in derselben Weise — mit Nominierungsreden und „Roll Call" -Abstimmung — der Vizepräsident gewählt, gewöhnlich nur eine Formalität, da der Präsidentschaftskandidat ein ungeschriebenes Vorschlagsrecht hat.

Im Anschluß an diese Wahl ziehen unter großem Jubel die beiden Kandidaten in die Halle ein, die unterlegenen Bewerber kommen mit auf die Bühne und demonstrieren vor dem Parteitag und der Nation ein schönes Bild innerparteilicher Versöhnung und Eintracht. Dann hält der Vizepräsidentschaftskandidat eine kurze Dankrede, die überleitet in die große „acceptance Speech" des Präsidentschaftskandidaten. Diese Rede ist Programm für den Wahlkampf, Selbstdarstellung des Kandidaten, Geißelung der Gegenpartei und Frohe Botschaft für die Nation in einem. Sie bildet zur gleichen Zeit den Ausklang des Nominierungsfeldzuges und Anfang des Hauptwahlkampfes.

Mit einer Danksagung an den HERRN vertagt sich dann der Parteitag „sine die" auf vier Jahre.

Dieses ganze Spektakel, das vor den Zuschauern in der Halle und am Fernsehschirm abläuft, ist aber nur die äußere Form, die das eigentliche politische Drama eher verhüllt. Das politische Programm findet nicht so sehr auf dem Rednerpodium statt, sondern zum größten Teil vor, zwischen und während des offiziellen Konventverlaufs — in den Sitzungen der Ausschüsse, die über das Programm, die Geschäftsordnung, die Zulassung von Delegierten beraten und beschließen, in den Zusammenkünften der einzelnen Staaten-Delegationen („Caucuses"), zu denen die Präsident-Schaftsbewerber geladen werden, in den Pressekonferenzen der Kandidaten, die den Nervenkrieg mit dem Gegner führen, in der Halle bei den Delegationen, die noch in letzter Minute von den Agenten der einzelnen Bewerber mit immer neuen Argumenten, Gerüchten, Versprechungen bestürmt, beeinflußt, zum Umfallen bewogen und wieder umgedreht werden.

Die eigentlichen Hauptakteure und Dirigenten des Bundeskonvents sind die Präsidentschaftsbewerber, die bezeichnenderweise an der Veranstaltung bis kurz vor Schluß überhaupt nicht teilnehmen, sondern die Ereignisse in ihren Hotels auf dem Fernsehschirm verfolgen. Aber ihre Gefolgschaft und ihre Organisation ist allgegenwärtig auf dem Konvent, mit dem Auftrag und dem Ziel, die wichtigen politischen Entscheidungen zugunsten des Kandidaten zu beeinflussen.

Die Vorbereitung des Konvents durch die Organisation des Bewerbers beginnt bereits Monate vorher. Denn allein die logistischen Probleme sind überwältigend. Die Hotelreservierung für den Kandidaten, seine Familie und den Wahlkampfstab ist das geringste Problem. Daneben müssen Räume festgemacht und eingerichtet werden für Informations-Zentren und „Hospitality" Centers zur Betreuung der Delegierten samt ihren Frauen, ferner Büros für den Wahlkampfstab, Repräsentationsräume, Lagerräume für das ganze Wahlkampfmaterial, es müssen Schreib-maschinen und Kleindruckapparate beschafft und bemannt werden — denn der ganze Propaganda-Feldzug muß ja gerade am Ort der Entscheidung weiterlaufen —, Rallyes, Festivals, Umzüge, Empfänge müssen vorbereitet werden. Das Transportwesen und das Komunikationssystem zwischen den einzelnen Zentren und der Veranstaltungshalle muß sorgfältig geplant und durchorganisiert werden.

Die zentrale Rolle in dieser Organisation fällt dem Delegierten-Kontrollapparat zu. An ihm hängt es, die Abstimmungen zu überwachen und zu beeinflussen, die eigenen Leute bei der Stange zu halten, Unentschlossene hinüber-zuziehen, Einbruchsversuche der Gegner abzuwehren. Die Kandidaten bauen hierfür ein ganz ausgefeiltes Informations-und Kontrollnetz auf.

Die Befehlszentrale dieser Operation ist das Delegierten-Daten-Zentrum („delegate intelligence"), das bereits während des Wahlkampfes aufgebaut worden ist. Alle verfügbaren Informationen über die Delegierten, vor allem ihre Einstellung zu den Kandidaten und den wichtigsten politischen Themen, die auf diesem Konvent aufkommen können, sind gesammelt. Diese Datenbank und Befehlszentrale ist in unmittelbarer Nähe der Halle untergebracht, zur Not, wenn kein anderer Raum verfügbar ist, in einem außerhalb geparkten großen Wohnwagen. Die Operationsleitung innerhalb der Halle hat der sogenannte „floor manager" des Kandidaten.

Unter ihm arbeiten die Unterführer („lieutenants“), die jeweils für eine Gruppe von Delegationen zuständig und verantwortlich sind. Es sind häufig dieselben Personen, die bereits während des Wahlkampfes die politische Koordinationsarbeit für den Kandidaten in diesen Staaten durchgeführt und von daher guten Kontakt zu den Delegierten haben. Häufig stellen sich den Kandidaten aber auch für diese Aufgabe prominente Politiker dieser Regionen zur Verfügung, die im Verlaufe des Wahlkampfes in das Lager des Bewerbers eingeschwenkt sind. Sie können kraft ihrer Persönlichkeit und ihres politischen Prestiges sehr viel wirkungsvoller für den Kandidaten auftreten als ein Mann aus dem Wahlkampfstab.

Das letzte Glied in der Befehlskette sind die Einpeitscher („whips"), die jeweils für eine kleinere Gruppe von Delegierten verantwortlich sind und dieser die Anweisungen, die von der Zentrale kommen, weitergeben. Für die McGovern Organisation war auf diesem Bundeskonvent ein Heer von zweihundertundfünfzig Einpeitschern in Bewegung gesetzt. Die Einpeitscher sind selten direkte Mitglieder des Wahlkampfstabes. Häufig handelt es sich hier um Mitglieder der jeweiligen Delegation, deren Loyalität und Tüchtigkeit so erprobt ist, daß man sie mit dieser Aufgabe betrauen kann.

Bei der ungeheuren Ausdehnung der Halle und der Vielzahl der Menschen ist persönliche Berichterstattung und Meinungsaustausch nur selten möglich. Deshalb kommt alles darauf an, daß ein perfektes Kommunikationssystem wie Telefon und Walkie Talkies innerhalb der Halle und nach außen zur Befehlszentrale eingerichtet wird.

Eine wichtige Aufgabe der Konvent-Manager ist nicht nur der Kontakt mit den Delegierten und der Befehlszentrale, sondern auch die Information der Presse, vor allem des Fernsehens. Die Journalisten sind wie die Floor Manager und Lieutenants ständig unterwegs zu allen Delegationen, von denen sie sich politische Informationen erhoffen. Da ihre Meldungen „life" übertragen werden und sofort in die Halle zurückwirken, stellt das Fernsehprogramm ein eigenes Kommunikationssystem fu den Nervenkrieg um Delegiertenstimmen dar Die Agenten des Kandidaten suchen also die Gelegenheit, in einem Interview Gerüchte über Einbrüche in die Delegiertenstärke des Gegners auszustreuen, Meldungen abzuwehren über eigene Schlappen, die Namen prominenter Delegierter bekanntzugeben, die gerade ihre Unterstützung erklärt haben, optimistische Zahlen über die eigene Delegiertenstärke zu nennen, die Zahlen des Gegners Lügen zu strafen, über mögliche Vizepräsidentschaftskandidaten zu spekulieren, um bei den Genannten oder ihren Anhängern Unterstützung für den Präsidentschaftsbewerber zu finden, kurz alle Möglichkeiten der Zermürbung des Gegners und Aufmunterung der eigenen Leute durchzuspielen.

Neben der Bewältigung der logistischen Probleme und dem Aufbau der Delegierten-organisation ist die Kontrolle der Arbeit der Ausschüsse die dritte wichtige Aufgabe in der Vorphase des Bundeskonvents. Der Ausschuß für die Besetzung der Tagungsleitung (Committee on Permanent Organisation) ist praktisch bedeutungslos, obwohl bei der Machtfülle, die der Versammlungsleiter einer amerikanischen Convention hat oder bisher hatte, die Besetzung dieser Position von großem politischen Gewicht sein kann. Im Jahre 1932 kam es über die Wahl des Convention Chairman zur ersten entscheidenden Kraftprobe zwischen den Anhängern Franklin Roosevelts und denen seines Gegenkandidaten Al Smith. Auch für den Chicagoer Bundeskonvent hatten die Anti-Establishment Kräfte zunächst geplant, gegen den vom Parteivorstand vorgeschlagenen Chairman Carl Albert einen Gegenkandidaten aufzustellen.

Im Rules Committee werden die Geschäftsordnung für den Parteitag und allgemeine Satzungsfragen behandelt. Jeder Parteitag gibt sich eine eigene Geschäftsordnung. Traditionell wurde dabei für alle prozeduralen Fragen wie Abstimmungsmodalitäten, parlamentarische Manöver, Entscheidungsbefugnis des Vorsitzenden und ähnliches die komplizierte Geschäftsordnung des Repräsentanten-hauses zugrundegelegt. Dabei konnten die Versammlungsleitung und die Berufspolitiker Saal die einfachen Delegierten leicht überfahren. im Auch an diesem Problem hat die Reformbewegung der demokratischen Partei angesetzt und dem 72er Konvent zum ersten Mal eine eigene Geschäftsordnung verfaßt, die sehr viel mehr Fairneß und Verständlichkeit haqenuber dem früheren System gebracht Neben der Parteitagsgeschäftsordnung im engeren Sinne werden im Rules Committee auch allgemeine Fragen der Parteisatzung behandelt. Doch ist eine allzu betonte Differenzierung zwischen Geschäftsordnung und Parteisatzung nicht angebracht. Denn da der Bundeskonvent praktisch die einzige Manifestation der Bundespartei ist, handelt es sich auch bei dem, was man als Satzungsbestimmungen bezeichnen könnte, letztlich nur um Regeln, die sich auf die Durchführung des Bundeskonvents beziehen Der umfangreichste und wichtigste Teilbereich hierbei ist die Regulierung des Auswahlverfahrens für die Delegierten zum Bundeskonvent.

Mit dem Verfahren der Auswahl der Delegierten ist auch der Mandatsprülungsaus-

schuß (Credentials Committee) befaßt, wobei der wesentliche Unterschied darin besteht, daß der Satzungsausschuß die allgemeinen Grundsätze für den nächsten Konvent festlegt, während der Mandatsprüfungsausschuß die Rechtmäßigkeit der Wahl der zu diesem Konvent entsandten Delegierten überprüft.

Aber ganz genau ist diese Trennung nicht aufrechtzuerhalten.

Das Mandat für die vom demokratischen Parteitag 1968 eingesetzte Kommission zur Überprüfung des Delegierten-auswahlverfahrens ist in einer Kombination von zwei Resolutionen enthalten, von denen die eine vom Satzungs-, die andere vom Mandatsprüfungsausschuß vorbereitet worden war. Heiße Debatten über Geschäftsordnungs-

und Satzungsfragen werden sich nur dann ergeben, wenn, wie im Jahre 1968, bei den Demokraten eine Reform der Prozeduren überfällig ist. Hingegen ist es die Regel, daß kein Konvent ohne Auseinandersetzungen über die Legitimation der Delegiertenmandate stattfindet.

Zunächst werden die Anfechtungen von Delegiertenmandaten („challenges") präsentiert.

Diese können sich auf die verschiedensten Arten von SatzungsVerletzungen beziehen.

Sehr häufig, auch auf politisch ruhigen Konventen, wie etwa 1964 bei den Demokraten, wo die Wiederaufstellung Präsident Johnsons feststand, entbrannten heftige Auseinandersetzungen um die Südstaaten-Delegationen, bei deren Zusammenstellung die Farbigen systematisch ausgeschlossen worden waren. Eine andere Form der Challenge ist die aus Gründen der Loyalität, die ebenfalls häufig gegen Südstaatendelegationen vorgebracht worden ist. Die demokratischen Delegierten hatten zum Teil öffentlich erklärt, daß sie im Wahlkampf den Kandidaten einer anderen Partei unterstützen würden, falls der von ihnen befürwortete Kandidat auf dem Bundes-konvent nicht nominiert oder ein Parteiprogramm mit einem zu starken Bürgerrechtsakzent verabschiedet würde.

Eine andere Basis für die „challenges“ sind prozedurale Unregelmäßigkeiten, wie sie gerade im Vorwahlkampf 1968 bei den Demokraten ständig vorkamen.

Im Jahre 1968 wurde auch eine neue Begründung entwickelt, die zwar auf diesem Konvent noch nicht zum Durchbruch kam, aber in den Reformvorschlägen der Partei große Nachwirkungen gezeigt hat: die These von der proportionalen Repräsentation. Die McCarthy-Anhänger forderten in vielen Staaten eine stärkere Anzahl von Sitzen, weil sie bei der Zusammenstellung der Delegierten durch den Landeskonvent oder den Landesparteivorstand nicht entsprechend ihrer in den „Primaries" oder „Precinct Caucuses" gezeigten Stimmenzahl berücksichtigt worden waren.

In diesem Jahr kam als neue Anfechtungsbegründung ungenügender Anteil weiblicher, farbiger und jugendlicher Delegierter an der Gesamtdelegation hinzu, wie er nach den neuen Vorschriften dringend gefordert worden war.

Die Anfechtungen werden vor dem Credentials Committee von Rechtsanwälten vorgetragen und begründet. Auch die Delegierten, deren Mandat angefochten wird, erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Schließlich äußert sich auch der Justitiar der Partei zu diesem Fall. Der Ausschuß berät und bereitet für die Abstimmung im Konvent einen Vorschlag vor. Ist die Minderheit mit diesem Vorschlag nicht einverstanden, so legt sie dem Konvent einen eigenen Beschlußvorschlag („minority report") vor. Die meisten „challenges" werden abgelehnt, aber wie schon gesagt, selten aus juristischen, sondern aus politischen Erwägungen. Wie sehr die Politik die Überlegungen des Ausschusses und nachher auch des Konvents bestimmt, zeigt sich am Beispiel der „California Challenge" in diesem Jahr. Der Staat California hat ein klares und eindeutiges Vorwahlgesetz. Danach fallen dem Sieger der Präferenzwahl alle Delegiertenstimmen zu. Dies widerspricht sicherlich dem Prinzip der „proportional representation", ist aber andererseits im amerikanischen Wahlsystem ganz üblich. Bekanntlich fallen auch im allgemeinen Präsidentschaftswahlkampf sämtliche Wahlmännerstimmen eines Staates demjenigen Bewerber zu, der eine wenn auch noch so dünne Mehrheit in diesem Staat erzielt hat.

Ganz davon abgesehen, ist das kalifornische System seit langem in Gebrauch und allen Bewerbern bekannt gewesen, ohne daß einer von ihnen vor der Wahl dagegen protestiert hätte. Als nun die Möglichkeit einer Wahl McGoverns, der die kalifornische Vorwahl und deren 271 Delegierte gewonnen hatte, bedrohlichnä. herrückte, entschloß sich die ABM-Koalition der Gegner („Anybody but McGovern") zu einem letzten verzweifelten Schritt. Sie erklärten im Wahlprüfungsausschuß die Zuteilung der Delegierten nach dem kalifornischen Wahlgesetz für ungültig und setzten statt dessen eine Verteilung der Delegierten nach dem Verhältnissystem fest, nach dem für McGovern nur noch 120 der 271 Delegierten verblieben und die restlichen Delegierten auf Humphrey, Muskie und Wallace verteilt worden wären. Die Anhänger McGoverns machten von ihrem Recht Gebrauch, dem Konvent ein Minderheitsvotum des Wahlprüfungsausschusses zuzuleiten, in dem die ursprüngliche Verteilung aufrechterhalten war. Hier zeigte sich die Bedeutung einer gut funktionierenden „delegate-operation". Ohne die kalifornische Delegation hatte McGovern nicht die erforderliche Mehrheit, um die Abstimmung über diese Anfechtung siegreich zu bestehen. Die zusätzlichen Stimmen mußten von anderer Seite kommen. Also schwärmten die McGovern Manager aus und bearbeiteten diejenigen Delegierten der anderen Kandidaten, von denen sie wußten, daß sie zwar bei der Abstimmung über die Nominierung gebunden waren, aber doch in dieser Sachfrage Argumenten der Fairneß oder Versprechungen zugänglich waren. Die Organisation funktionierte, das Minderheitsvotum erhielt bei der Abstimmung eine deutliche Mehrheit, die kalifornischen Delegierten kamen zurück ins Lager McGoverns und der Weg zur Nominierung war frei. 9 , Ein Ausschuß von großer politischer Bedeutung ist das Platform Committee, in dem das Wahlkampfprogramm debattiert und formu liert wird. Wenn auch das Parteiprogram häufig eine Aneinanderreihung von Banalitäten und Allgemeinplätzen ist, so kann e-> doch auch hier, wenn eine starke Gruppe 15 Partei zu einer eindeutigen politischen Aus sage zwingen will, zu heftigen Auseind Setzungen kommen. Solche Sternstunden, der jüngsten Parteigeschichte der Vereinig® Staaten waren zweifellos die Programmdiskussionen auf dem demokratischen Konvent von 1948, wo der damalige Oberbürgermeister von Minneapolis, Hubert Humphrey, der Partei eine eindeutige Aussage zu den Bürgerrechten der Neger abrang, oder die Auseinandersetzung um den Vietnam-Krieg auf dem 68er Parteitag der Demokraten. Allerdings stellt das Programm formal keinerlei Verpflichtung dar für die Parteimitglieder. Es bindet nicht einmal den Präsidentschaftskandidaten in seinem Wahlkampf, geschweige denn den gewählten Präsidenten.

Das bedeutet nicht, daß man sich mit der Abfassung nicht große Mühe geben würde. Das Platform Committee Parteimitglieder lädt und auch Außenstehende aus allen Schichten und Teilen des Landes ein, in öffentlichen Hearings Vorschläge zum Programm zu machen, die dann auch in unverbindlicher Form möglichst irgendwo auftauchen. Denn dieses Programm soll ja allen etwas geben. Es ist nicht ungewöhnlich, daß vor dem Programmausschuß oder seinen Unterausschüssen 300— 400 Personen auftreten.

Die Demokraten haben jetzt beschlossen, daß der Ausschuß Hearings in den verschiedenen Regionen der USA abhalten muß, um den Interessenten mehr Gelegenheit zu geben, ihre Vorschläge zum Parteiprogramm mitzuteilen. Bei der Formulierung des Programms werden die Vertreter der verschiedenen Kandidaten darauf achten, daß deren Ansichten und Vor-

schläge angemessen berücksichtigt werden. Denn wenn das Programm den jeweiligen Kandidaten auch nicht bindet, so soll es doch zu ihm passen. Bei kontroversen Themen wird es schon innerhalb des Ausschusses zu heftigen Auseinandersetzungen kommen. Gibt es keine Einigung, so werden dem Konvent Mehrheits-

und Minderheitsvoten vorgelegt, über die in endlosen Debatten und Abstimmungen beschlossen wird.

Auch hier werden die Delegiertenorganisatoren aufs Höchste gefordert. Denn es muß verhindert werden, daß ihr Kandidat mit allzu problematischen Forderungen im Parteiprogramm belastet wird, andererseits dürfen Gruppen, die eine bestimmte Sache vertreten, nicht so verärgert werden, daß sie bei der anschließenden Abstimmung über die Nominierung die Gefolgschaft verweigern. Auch hier zeigte die McGovern Organisation eine geradezu brillante Technik, als sie so kontroverse Themen wie legalisierte Abtreibung, ein garantiertes Mindesteinkommen von 6000 Dollar und ähnliche Forderungen der McGovern Gefolgschaft elegant hintenüberfallen ließ, ohne doch die Anhängerschaft dabei zu verlieren. Die Organisation und Kontrolle des Konventverlaufs ist, wie die diesjährige Veranstaltung der Demokraten in Miami gezeigt hat, für den Kandidaten keineswegs dadurch leichter geworden, daß nun sehr viel mehr Delegierte vorher festgelegt sind auf einen Bewerber und statt der Berufspolitiker einfache Parteimitglieder auf den Delegiertenbänken sitzen. Man könnte fast sagen, im Gegenteil. Denn früher, als noch sehr viele Delegationen von Landesfürsten in beliebiger Weise gelenkt und eingesetzt werden konnten, da brauchte man oft nur mit wenigen Figuren im Feld zu rechnen und zu operieren. Auch sind engagierte Bürger, selbst wenn sie auf einen Kandidaten eingeschworen sind, sehr viel schwieriger in ihrer Stimmenabgabe nach dessen Willen und dessen politischen Notwendigkeiten auszurichten als abgehärtete Parteifunktionäre, für die der Kompromiß in Sachfragen zur täglichen Lebenserfahrung gehört. Das zeigte sich ganz deutlich in der Abstimmung über die Legitimation der vom Chicagoer Bürgermeister Daly angeführten Delegiertengruppe.

Für McGovern war im Hinblick auf den kommenden Hauptwahlkampf die Unterstützung dieses mächtigsten Mannes im Staate Illinois und eines der mächtigsten demokratischen Parteiführer überhaupt von entscheidender Bedeutung, für die er gern einen Kompromiß in der Sache eingegangen wäre. Aber seine Delegierten versagten ihm hier die Gefolgschaft, um Rache zu nehmen an dem Mann, der verantwortlich war für die brutale Unterdrückung der Anti-Vietnam-Demonstration während des Chicagoer Parteitages.

Sie stimmten gegen die Beglaubigung seiner Delegation und setzten an ihre Stelle eine Pro-McGovern-Gruppe. Wenn McGovern nicht eine so ausgezeichnet funktionierende Delegierten-Organisation gehabt hätte, so hätte er noch mehr solcher „Siege" errungen, die ihm, wenn nicht die Nominierung gekostet, so doch für den Hauptwahlkampf unabsehbaren Schaden zugefügt hätten.

5. Wahlkampffinanzierung

Die Finanzierung einer Kampagne für die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten stellt zweifellos ein gewaltiges Problem dar. Aus der Beschreibung der Wahlkampforganisation ist deutlich geworden, um welch riesige Summen es hier geht. Der Vorwahlkampf Senator McCarthy's im Jahre 1968 hat annähernd 10 Millionen Dollar gekostet. Davon wurden etwa 3 Millionen durch die örtlichen Wahlkampfkomitees selbst aufgebracht. Der Rest mußte vom „national staff“ besorgt werden. Für dieses Jahr sind die Gesamtzahlen noch nicht veröffentlicht, sie dürften sich aber in derselben Größenordnung bewegen. Denn auf der einen Seite sind die Wahlkampfausgaben in diesem Jahr zum ersten Mal effektiv begrenzt worden, und außerdem war diese Vorwahlkampfperiode um mehr als eineinhalb Monate kürzer als 1968. Andererseits ist in den Jahren 1968 bis 1972 die Preisentwicklung nicht stehen geblieben. Inflationsrate und Kostenbegrenzung dürften sich in etwa gegenseitig aufgehoben haben.

Diese Kalkulation wird bestätigt durch die Zahlen, die bisher veröffentlicht wurden. Danach hat Sen. McGovern von Jahresanfang bis 31. Mai über 5 Mill. Dollar ausgegeben, wobei die großen Vorwahlen in California und New York noch vor ihm lagen Man wird also auch hier auf etwa 7— 8 Millionen kommen.

Wie werden diese Summen hereingeholt? Hierzu muß zunächst gesagt werden, daß das politische Leben in den Vereinigten Staaten, also auch die allgemeinen Wahlkämpfe und die ständigen Operationskosten der Partei-büros auf Bundes-und Staatenebene ausschließlich aus Spenden finanziert werden. Es gibt (bis jetzt!) weder eine staatliche Parteien-finanzierung noch einen Mitgliedsbeitrag. Das Geld muß immer wieder neu flüssig gemacht werden. Nun muß man wissen, daß die Tradition des Spendens für gemeinnützige Zwecke — und hierzu zählt bei den Amerikanern in gewisser Weise die Politik — in den Vereinigten Staaten sehr viel weiter verbreitet ist als in Deutschland. Religiöse Gemeinschaften leben nicht von der Kirchensteuer, sondern von den Spenden ihrer Mitglieder. Universitäten sind in den USA als private Einrichtungen entstanden. Auch heute noch erhalten sich die großen Universitäten zu einem nicht unbeträchtlichen Teil von den zahlreichen groß-36 zügigen Spenden ehemaliger Studenten, die zu Amt, Würde und Geld gekommen sind. Nun besteht ohne Zweifel ein entscheidender Unterschied zwischen Geldspenden für politische Parteien auf der einen und Kirchen und Universitäten auf der anderen Seite. Einmal sind politische Spenden nicht steuerlich absetzbar, und zum andern kann nicht übersehen werden, daß politische Spenden häufig zweckgebunden sind. Aber diese Problematik beiseite gelassen, auf die später noch eingegangen werden soll, sei doch soviel festge-halten, daß es in den Vereinigten Staaten tief-und festverwurzelte Tradition ist, für Dinge, an die man glaubt, auch den eigenen Geldbeutel zu strapazieren. Und diese Einstellung ist nicht auf wenige Mäzene beschränkt, sondern durchdringt alle Schichten der amerikanischen Gesellschaft.

So hat sich in den Vereinigten Staaten schon lange eine eigene Technik der Spenden-beschaffung, das sogenannte „fund raising'entwickelt, die immer mehr verfeinert und verbessert wird. Massenbriefsendungen, Inserate, Telefonate, Fernsehwerbespots mit Spendenaufruf, Fundraising-Parties sind nur einige der Methoden, die hierbei angewandt werden. Mit diesen Mitteln haben so verschiedene politische Persönlichkeiten wie Barry Goldwater, Eugene McCarthy, George Wallace und George McGovern sehr große Summen in kleineren und mittleren Beträgen hereingeholt.

Allerdings ist es mit einer noch so intensiven Kleinspenden-Aktion nicht getan. Damit allein ist es nicht möglich, einen stets sehr kostspie-ligen Präsidentschaftsvorwahlkampf durdht-zuführen. Trotzdem braucht kein potentieller Bewerber zu verzweifeln. Es gibt unter den reichen Leuten Anhänger und Vertreter aller Richtungen, und die „links“ orientierten Geldgeber sind zum Teil großzügiger und opferbereiter als die konservativen Finanziers, die mit ihren Spenden gleichzeitig ihre Geschäfts-interessen schützen wollen. Außerdem verfügen auch die Gewerkschaften über wohlgefüllte Kriegskassen („war-chests"), die sie für Verfechter ihrer politischen Interessen bereitwillig öffnen.

Spenden aus den Wirtschaftskreisen erfolgen sicherlich nicht nur aus politischer Anhänglichkeit, aber andererseits erhält ein Politiker, der für die Präsidentschaft kandidiert, sowieso von keinen anderen Stellen Geld als von denen, deren Wirtschaftsinteresse er auch bis her, und nicht unbedingt nur aus finanziellem Eigennutz, begünstigt hat. Der Kandidat Jackson z. B., der einzige konservative Bewerber im demokratischen Feld — von Wallace einmal abgesehen —, ist aus politischer Grundüberzeugung und auch als Vertreter eines Staates mit einer riesigen Flugzeug-industrie während seiner ganzen politischen Karriere für einen umfangreichen Verteidigungshaushalt eingetreten. Da die anderen Kandidaten sich für Kürzungen der Militär-ausgaben aussprachen, war es nicht verwunderlich, daß Jackson von der gesamten Rüstungsindustrie, auch ohne konkrete Versprechungen, mit Spenden überhäuft wurde.

Zur Erleichterung der Finanzierungsprobleme — vor allem bei liberal und sozial eingestellten Kandidaten — hat stark beigetragen, daß sich, so wie bei vielen Berühmtheiten von Film und Bühne, auch in den Kreisen der Finanz-welt ein politisches Engagement entwickelt hat. Dies ist früher nicht so gewesen, aber das Erlebnis des Vietnam-Krieges hat viele, vor allem junge Persönlichkeiten der Wirtschaft darauf aufmerksam gemacht, daß sie auch außerhalb ihres engen Bereichs eine Verantwortlichkeit für das Ganze haben. Ein Phänomen wie McCarthy von 1968 und McGovern in diesem Jahr wäre gar nicht möglich ohne die großen Spenden, die von reichen Leuten aus idealistischen Motiven für den Kandidaten, an dessen politische Ziele sie glauben, ausgegeben wurden. In Finanzkreisen New den Yorks, Bostons, Chicagos, San Franciscos und Los Angeles'gibt es eine Anzahl Personen, die nicht nur sondern sich aktiv für liberale Kandidaten einsetzen. Mit ihrer Hilfe war es McGovern möglich, eine Fund-Raising-

Organisation aufzubauen, die auch aus Kreisen, die normalerweise einem solchen Kandidaten nicht positiv gegenüberstehen, große Summen herbeischaffte.

Alles in allem bedeutet dies, daß Geld im Kampf um die Nominierung nicht die überwältigende Rolle spielt, die man ihm gemeinhin zuweist. Natürlich, ein Kandidat wie Muskie, der ständig Niederlagen einstecken mußte, merkte nach einiger Zeit, daß die Quellen versiegten, und konnte den Wahlkampf nicht mehr weiterführen. Aber hier lag die Ursache nicht im Fehlen von Geld, sondern im schlechten Abschneiden des Kandidaten. Umgekehrt zeigt der Siegeszug McGoverns, daß es möglich ist, auch ohne anfängliche große Geldmittel durch eine kluge Strategie, die eindrucksvolle Erfolge zu Beginn des Wahlkampfes erbringt, den Spendenfluß so in Gang zu halten, daß die Organisation ständig auf Hochtouren laufen kann.

Das Problem der Wahlkampffinanzierung wird dadurch weiter entschärft, daß seit Anfang April dieses Jahres eine — wie es scheint — wirklich effektive gesetzliche Kostenbegrenzung eingeführt worden ist. Danach dürfen für Medienwerbung nur noch 10 Cent pro Wähler, im Höchstfall jedoch 50 000 Dollar insgesamt ausgegeben werden, davon nur 60 Prozent für Radio-und Fernsehwerbung

Diese Begrenzung wird durch eine sehr straffe Offenlegungspflicht erzwungen, die sowohl für die Ausgaben als auch die Einnahmen gilt. Auch das dürfte die Probleme, die mit der Wahlkampffinanzierung Zusammenhängen, erleichtern, da dunkle Einnahmequellen der Konkurrenten zugestopft werden. Seit April dieses Jahres müssen alle Einnahmen bis hinunter zu Beträgen über 100 Dollar mit namentlicher Angabe des Spenders veröffentlicht, und über alle Spenden bis hinunter zu Beträgen über 10 Dollar namentlich Buch geführt werden.

Es ist sicher richtig, daß die Situation auch weiterhin noch unbefriedigend ist, aber zweifellos kann das Finanzierungsproblem allein nicht für das Scheitern der meisten Bewerber verantwortlich gemacht werden. Der richtige Mann, der für die richtige Sache steht, kann in den USA auch das nötige Geld bekommen, um diese Sache zu vertreten.

6. Schlußbetrachtung

Eine Beurteilung des Nominierungsverfahrens für das Amt des Präsidenten der USA muß ausgehen von der Tatsache, daß in diesen Jahren eine tiefgreifende Umwälzung in diesem Verfahren, zumindest hei den Demokraten, aber ohne Zweifel mit Auswirkungen auch auf die Republikaner und das ganze politische System, stattgefunden hat und noch in Bewegung ist. In einem bislang gar nicht vorstellbaren Maße ist das, was diesem Nominierungssystem als Idee zugrunde liegt, auch in der Praxis verwirklicht worden: eine echte Volksentscheidung. Wie weit diese Reformen Bestand haben und sich weiter durchsetzen, bleibt abzuwarten. Das Konventsystem hat jedenfalls einen weiteren großen Schritt fort von seinem Ursprung in den ersten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts, dem Caucus der Parteioligarchen, gemacht.

Die Einführung der Primary zu Anfang dieses Jahrhunderts war der erste wesentliche Einbruch in die Macht der Parteiführung, der erste revolutionäre Schritt hin zur Demokratisierung des Nominierungsverfahrens. Aber auch die in den Vorwahlen selektierten Delegierten waren Parteifunktionäre, die zudem durch die recht unvollkommenen Primary-Regulationen in ihren Entscheidungen auf dem Parteitag nur in geringem Maße an den Willen der Wähler gebunden waren.

In den Staaten ohne Vorwahlen war die Zusammenstellung der Delegation ganz und gar eine Sache der Parteiführer, wenn nicht sogar ein Privileg des Landesfürsten, der durch Patronage und andere Machtmittel -die Partei maschine kontrollierte. Die Masse der -Partei anhänger war aus den verschiedensten Gründen an der Mitwirkung in diesem Prozeß nicht interessiert und von den ihr -machte zuste henden Rechten der Mitbestimmung keinen Gebrauch. Als sie es tat, zeigte sich, daß die Prozeduren der Partei eine solche Mitwirkung auch gar nicht ermöglichten.

Natürlich waren auch die früheren Konvente nicht nur ein finsteres Kulissenschieben der Bosse, das ohne jede Rücksicht auf die Meinung des Volkes und der Parteianhänger ab-lief. Gerade Berufspolitiker haben ein feines Gespür für die Wünsche der Menge, und grundsätzlich ist es auch in ihrem Interesse, den populärsten Mann zu nominieren; denn dieser ist es, der die Partei im November zum Sieg führen kann. Letztlich aber lag es, wie der demokratische Konvent 1968 in Chicago mit aller Deutlichkeit gezeigt hat, in ihrer Hand, den Kandidaten, der ihren Vorstellungen entsprach, auch gegen den Willen der Mitglieder und entgegen den Ergebnissen der Vorwahlen, auf den Schild zu heben.

Die drastischen Reformen, die von der demokratischen Partei (und sehr viel weniger auffällig auch von den Republikanern), eingeleitet worden sind, haben diese Situation in doppelter Weise verändert. Zum einen sind die Delegierten durch die Art des Auswahlverfahrens und die klaren Bindungen aus den vielen neuen bzw. modernisierten Primary-Be-Stimmungen sehr viel fester an das Votum der Parteianhänger gebunden. Die Präferenz der Wähler schlägt sich unmittelbar in den Abstimmungsergebnissen auf dem Konvent nieder.

Aber fast noch wichtiger als dieses Faktum ist die Tatsache, daß die personelle Struktur des Konvents sich völlig geändert hat. 86 Prozent der diesjährigen demokratischen Delegierten waren zum ersten Mal auf einem Bundeskonvent. Die Parteianhänger an der Basis, die früher das kuriose Spektakel der Nominierung des Präsidentschaftskandidaten den „Pros', den Berufspolitikern, den Aktivisten, den Funktionären überlassen hatten, übernahmen nun selbst die Rolle Delegierten.der Das System der Nominierung des Präsidentschaftskandidaten durch die Bundeskonvente, das viele nach den schrecklichen Erfahrungen des Chicagoer Bundeskonvents für tot erklärt hatten, ist durch diese Reformen neu belebt und in zweifellos seinem Wert bestätigt worden. Die ihm zugrunde liegende Konzeption, die echte der Meinung Partei der durch die Konventsdelegierten — 1968 als Farce entlarvt —, ist 1972 verwirklicht worden. Natürlich ist das System weit davon entfernt, perfekt zu sein. Aber es zeigt sich allen anderen Modellen überlegen. Man hat, wie schon erwähnt, den Vorschlag gemacht, statt der Bundeskonvente eine einzige bundesweite Vorwahl (National Primary) durchzuführen. Hierbei würde aber jedem Politiker, der nicht schon vorher bundesweit bekannt wäre, von vornherein die Möglichkeit zur Kandidatur genommen. Außerdem würde eine solche Bundes-Vorwahl astronomische Summen verschlingen. Das letztere muß auch zu dem Vorschlag gesagt werden, zwar nicht am selben Tag eine einzige bundesweite Vorwahl, sondern wie bisher in Abständen hintereinander, jedoch in allen Staaten der Union Primaries durchzuführen. Schon in diesem Jahr, wo es 23 Vorwahlen gab, haben viele Kandidaten das Rennen aus Gründen der finanziellen Erschöpfung aufgeben müssen. Noch mehr öffentliche Wahlkämpfe würden die Kräfte für den Hauptwahlkampf lahmlegen. Ein Mehr an Vorwahlen, als es zur Zeit gibt, würde dem gewünschten Ziel entgegen wirken, dem Wähler mehr Mitspracherecht zu geben. Da sich nur noch wenige Kandidaten beteiligen könnten, würden die Mitsprachemöglichkeiten praktisch geringer werden.

Das derzeitige Präsidentschaftsvorwahlsystem ist also nicht weiter in Richtung auf mehr Primaries zu verbessern, sondern nur in sich selbst. Hier liegt in der Tat auch der entscheidende Ansatzpunkt der Kritik. Bei aller Vielfältigkeit, die den Einfallsreichtum und Individualismus der Amerikaner bezeugt, müßten die verschiedenen Vorwahlsysteme, was bereits von der McGovern-Kommission als zentrale Forderung erhoben wurde, in ihrer grundsätzlichen Struktur und Wirkungsweise einander angenähert werden.

Dies gilt sowohl für die verschiedenen Formen innerhalb der beiden Grundtypen von Delegierten-Auswahlverfahren, als auch für das Verhältnis dieser beiden Typen zueinander. Zum einen geht es nicht an, daß vor allem die öffentlichen Vorwahlen in einem solchen Ausmaß wie derzeit voneinander differieren, was die Widerspiegelung des Wahlergebnisses in der Zusammensetzung der Delegation des Staates angeht. Bei der allgemeinen Tendenz zur Demokratisierung des Vorwahlverfahrens sind Delegiertenvorwahlen, bei denen auf der einen Seite keine Indikation der Präferenz für den Präsidentschaftsbewerber möglich ist, und auf der anderen Seite reine Popularitätstests, die keinen Einfluß auf die Delegiertenwahl aben, überholte Formen. Nicht nur dem Kandidaten, sondern vor allem dem Wähler spiegeln sie einen demokratischen Mitbestim-mungsprozeß vor, wie es ihn gar nicht gibt.

Zum anderen ist von entscheidender Bedeutung, den Auswahlprozeß über Parteiversammungen überall so zu gestalten, daß er dem Prinzip der Primaries, nämlich der Verlagerung der Entscheidung auf die Basis, möglichst nahe kommt. Denn es ist eine Quelle erheblicher Frustation, die im Jahre 1968 die demokratische Partei auseinandergerissen hat und möglicherweise im Jahre 1976 die Republikaner beschäftigen wird, wenn ein Kandidat, der seine Popularität in den Vorwahlen unter Beweis gestellt hat und auch in den Non-Primary-Staaten eine große Anzahl von Anhängern zu den Precinct-Caucuses mobilisieren konnte, am Ende ohne Delegierte dieser Staaten dasteht. Ein System etwa wie in Colorado, wo entsprechend der Stimmenverhältnisse in den Precinct-Caucuses die Delegation des Staates zusammengestellt wird, könnte hier vorbildlich sein.

Bei einer solchen durchgehenden Demokratisierung könnte das Parteiversammlungssystem aus vielerlei Gründen sogar dem Primary-System vorzuziehen sein. Erstens ist dieses Verfahren sehr viel weniger aufwendig als das öffentliche Vorwahlsystem. Auch wenn die Finanzierung der Primaries, wie wir festgestellt haben, kein unüberwindliches Problem ist, spielt der Kostenfaktor doch eine erhebliche Rolle.

Es ist weiterhin nicht zu übersehen, daß in einem mit den modernsten Mitteln der Werbe-technik geführten Wahlkampf häufig weniger die politischen Argumente als das geschickte Auftreten und die persönliche Ausstrahlung eine Rolle spielen. Hierbei sind Politiker, die im Umgang mit der Bevölkerung weniger geschickt sind, selbst wenn sie von der Sache mehr verstehen, im Nachteil. Hingegen sind es in stärkerem Maße echte politische Argumente als die allgemeine Werbewirkung, die zum Besuch von Parteiversammlungen motivieren. Und schließlich ist es sicherlich ein Vorteil, wenn die Wahl der Delegierten und damit letztlich die des Präsidentschaftskandidaten vornehmlich in die Hände derer gelegt wird, die bereit sind, sich über die Stimmenabgabe an der Wahlurne hinaus durch den Besuch von Parteiversammlungen politisch zu engagieren. Wer allerdings die Politik in den USA ein wenig kennt, der wird zugeben müssen, daß dies nur ein theoretisches Ideal ist; denn in der Praxis, das zeigt sich leider allzu oft, werden solche Parteiversammlungen von den Funktionären rücksichtslos manipuliert. Wo die Freiheit der Partizipation, die Offenheit der Versammlung und die Fairness der Verhandlungen gewährleistet ist, wie dies in den weniger bevölkerten Staaten des Westens der Fall ist, scheint dieses Modell allen anderen vorzuziehen zu sein, wo nicht, ist zweifellos der Gang zur staatlich bewachten Wahlurne das bessere Mittel zur Sicherstellung einer demokratischen Willensbildung.

Die Demokraten haben in diesem Jahr ernst gemacht mit der Demokratisierung ihrer Partei. Sie haben sie weit geöffnet und die Partizipation aller Interessenten ermuntert und gefördert. Sie mußten es tun, um zu verhindern, daß die Kräfte, von denen die Partei lebt, sich von ihr abwandten und unabhängig von ihr, vielleicht in Form einer dritten Partei, ihre politischen Vorstellungen durchzusetzen versuchten.

Die Reform steht nicht nur auf dem Papier, sondern ist Wirklichkeit geworden. Der deutlichste Beweis dafür ist der Kandidat, den dieser Reformkonvent aufgestellt hat: George McGovern. Seine Nominierung wäre undenkbar gewesen unter den alten Spielregeln. Danach hatte Edmund Muskie, der Favorit des Partei-Establishments, die Nominierung schon lange in der Tasche. Selbst sein schlechtes Abschneiden in den Primaries hätte an dieser Tatsache nicht viel geändert. Doch der Parteitag war nicht mehr in der Hand der „Pros", er war ein Spiegelbild der Meinungen der Basis, zumindest soweit sie sich in Vorwahlen und Parteiversammlungen darstellte und die Basis wünschte mit Mehrheit einen Kandidaten des linken Flügels: George McGovern.

McGoverns Abschneiden bei den Präsidentschaftswahlen wird also über mehr entscheiden als darüber, ob die Demokraten wieder ins Weiße Haus einziehen werden. Es wird maßgeblich die Beurteilung und den weiteren Fortschritt der Parteireform in den USA beeinflussen. Scheitert der Kandidat, den der Reform-Konvent gegen den Willen der Parteiführer erzwungen hat, so ist das auch für die Reformbestrebungen ein schwerer Rückschlag. Kann er sich durchsetzen, wird man auch in Zukunft dem in Miami erprobten Willensbildungsprozeß von unten nach oben seinen Lauf lassen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Die Abgeordneten (= Members of the House of Representatives) werden ähnlich unseren Bun-Aestagsabgeordneten in Wahlbezirken mit ungeaor gleicher Bevölkerung gewählt (allerdings hat I er Staat Anspruch auf mindestens einen Sitz im Repräsentantenhaus). Die Senatoren, zwei für a c Staat, werden von der Gesamtbevölkerung oos Staates gewählt.

  2. Bei der Präsidentschaftswahl werden formal nicht die Präsidentschaftsbewerber gewählt, sondern in jedem Staat eine gewisse Anzahl von Wahlmännern, die für die jeweiligen Bewerber kandidieren. Die Zahl der Wahlmännerstimmen jedes Staates entspricht der Zahl seiner Abgeordneten im Kongreß (Congressional delegation),, also der Mitglieder des Repräsentantenhauses und der Senatoren zusammen. Da nur die Abgeordneten-sitze proportional der Bevölkerungszahl auf die Staaten verteilt sind, aber jeder Staat ungeachtet seiner Größe zwei Senatoren stellt, sind die kleinen Staaten überrepräsentiert. Alaska hat eine „Congressional delegation" von drei Mann (zwei Senatoren und ein Abgeordneter, der ebenfalls jedem Staat ungeachtet seiner Größe zusteht), aber es hat nicht einmal so viele Einwohner, wie ein normaler Wahlbezirk für einen Abgeordneten haben müßte. Dem Präsidentschaftskandidaten, dec in einem Staat die (relative) Mehrheit erhält, fallen sämtliche Wahlmännerstimmen zu. Für die Wahl des Präsidenten und Vizepräsidenten im Wahlmännerkollegium ist absolute Mehrheit erforderlich. Kommt diese nicht zustande, entscheidet das Repräsentantenhaus, wobei jeder Staa eine Stimme hat. Die Wahl des Vizepräsidenten erfolgt in derselben Weise durch den Senat.

  3. Karl Loewenstein, Verfassungsrecht und Verfassungspraxis der Vereinigten Staaten, Bin. 193 1 S. 266 tl.

  4. Jede Staatendelegation darf bis zu 20 reguläre Delegierte umfassen. Da nicht allen Staaten so viele Stimmen zustehen, ist die Anzahl der auf dem Konvent maximal vertretenen Delegierten etwas höher als die Stimmenzahl, nämlich 3103. Die verfügbaren Stimmen werden in diesen Fällen aufgeteilt.

  5. Nomination and Election of the President and Vice President of the United States, including the Manner of Selecting Delegates to the National Political Conventions (mit einem Ergänzungsband), US Government Printing Office, Washington 1972, p. 66 f.

  6. Selecting Delegates, p. 71.

  7. Grundsätzlich sind nur registrierte Parteiangehörige wahlberechtigt, es gibt aber Ausnahmen. Eine Form der Primary, wie sie z. B. im Bundesstaat Wisconsin durchgeführt wird, kennt keine Einschränkung der Wahlberechtigung. Es können also auch registrierte Republikaner in der demokratischen Vorwahl mitabstimmen und umgekehrt. Auch im Parteiversammlungssystem wird in vielen Staaten die Wahlberechtigung sehr großzügig gehandhabt. Die demokratische Partei hat ganz bewußt in ihren Reformvorschlägen eine weitgehende Öffnung der Partei empfohlen. Danach können in vielen Staaten wahlberechtigte Bürger bei den Parteiveranstaltungen mitabstimmen, wenn sie nur ihre Bereitschaft zur Unterstützung der Ziele der Partei erklären. Eine förmliche Registrierung ist hier nicht Bedingung.

  8. Nadi den neuen Regeln beider Parteien sollen mindestens 75 Prozent der Delegierten auf Bezirksebene gewählt werden.

  9. Für die folgende Darstellung vgl. „Mandate for Reform: A Report of the Commission on Party Structure and Delegate Selection to the Democratic National Committee in: Congressional Record, 92nd Congress, First Session, Vol. 117, No. 138.

  10. Diese und andere Reformvorschläge sind nicht auf das „innerparteiliche“ Auswahlsystem beschränkt, sondern gelten für den Auswahlprozeß allgemein. Das Mandat der Reformkommission bezog sich nicht nur auf das Parteiversammlungssystem, sondern auf den ganzen Bereich des Delegiertenauswahlverfahrens. Allerdings waren im Parteiversammlungssystem die schwerwiegendsten Mängel sichtbar geworden, so daß sich die Reform-bestrebungen vor allem darauf konzentrierten.

  11. Es ist auch, wie das Beispiel der Staaten North Carolina, New Mexiko und Michigan zeigt, mit dem Primary-System verbunden worden.

  12. Karl Loewenstein, Verfassungsrecht, S. 273.

  13. In der Verfassung gibt es neben den Voraussetzungen für die Übernahme des Amtes — Vollendung des 35. Lebensjahres, amerikanischer Staatsbürger von Geburt, seit 14 Jahren in den USA wohnhaft — und dem dort niedergelegten Prinzip des allgemeinen Wahlrechts keine Bestimmungen, die für die öffentlichen Vorwahlen relevant sind. Auch die Bundesgesetzgebung ist sehr zurückhaltend und hat sich vornehmlich auf die Verhinderung von Wahlrechtsbeschränkungen, wie Verbot von Wahlsteuern, Abschaffung der Intelligenztests, Verbot diskriminierender Wohnsitzverpflichtungen, konzentriert. In letzter Zeit hat der Bundesgesetzgeber sich allerdings sehr aktiv mit der Regulierung der Wahlkampffinanzierung befaßt.

  14. Ausführliche Beschreibung der einzelnen Primary-Gesetze in „Nomination and Election ... including The Manner of Selecting Delegates ..." 2 Bde., Washington 1972.

  15. Die Delegierten der Staaten Indiana und Tennessee werden nicht in Vorwahlen, sondern in Conventions gewählt. Allerdings findet im Falle Indianas die Wahl der Precinct-Delegierten ebenfalls in der Primary statt.

  16. Die Wahl der Precinct-Delegierten geschieht in der Primary.

  17. Nicht in allen der 23 Vorwahlen werden sämtliche Delegierte durch die Vorwahl bestimmt; in einigen, z. B. New York, Massachussetts, Florida, wird ein geringerer Anteil durch den Landesparteivorstand (State Committee) benannt, der gewöhnlich ebenfalls in dieser Vorwahl gewählt wird. In Maryland sind es die gewählten Bezirks-delegierten, die den Rest der Delegation wählen. Die neuen Regeln der demokratischen Partei bestimmen, daß nicht mehr als 10 °/o der Delegation vom Vorstand oder ähnlichen Gremien gewähl werden dürfen. Dies gilt auch für das Parteiversammlungssystem. Außerdem haben beide Parteien vorgeschrieben, daß grundsätzlich mindestens 75 Prozent der Delegierten auf Bezirksebene zu wählen sind.

  18. Auch bei den Primaries gab es häufig die schon erwähnte „favorite son" — Kandidatur des Landesvorsitzenden.

  19. Hier gibt es daneben auch die Selbstbewerbung.

  20. CQ (Weekly Report) 1972, p. 943. 945.

  21. Eine Mittelstellung nehmen die Staaten ein, wo zwar der Secretary of State die Liste der Bewerber zusammenstellt, der Kandidat aber die Möglichkeit hat, seinen Namen ohne Angabe von Gründen zurüdezuziehen.

  22. In diesem Jahr wurden bei den Demokraten 23 vrozent der Delegierten in Vorwahlen bestimmt.

  23. Wenn ein Vizepräsident während der zweiten da fte der regulären Amtszeit des Präsidenten durch dessen Tod oder sonstiges Ausscheiden aus em Amt nachgerückt ist, kann er zusätzlich nodi zwei volle Amtszeiten ausfüllen.

  24. Nixon hatte seit dem Jahre 1950 keine einzige Wahl mehr aus sich heraus gewonnen. Seine letzten Bewerbungen, um die Präsidentschaft 1960 und das Gouverneursamt in Kalifornien 1962, hatten ihm Niederlagen gebracht.

  25. Delegierten-oder Präferenzvorwahl; bindend oder nicht bindend; proportionale Verteilung der Delegierten oder einheitliche auf den Sieger.

  26. Joe McGinnis, The Selling of the President 1968, New York 1969.

  27. Ben Stavis, We were the Campaign, Boston 1969, p. 10 ff.

  28. Bisher war in beiden Parteien üblich, daß jeder Delegation zwei Sitze zustanden, was zu einer Überrepräsentation der kleinen Staaten führte. Die Demokraten haben jetzt diesen Schlüssel dahingehend geändert, daß jeder Staat nur einen Sitz unabhängig von seiner Größe erhält und weitere hundert Sitze entsprechend der Delegationsstärke auf die Staaten verteilt werden (CQ, Weekly Report, 1972 p. 1457).

  29. Bei den Demokraten in diesem Jahr nach eins durch Los bestimmten Reihenfolge (CQ, Wee Report, 1972 p. 1457).

  30. CQ p. 1457.

  31. The Presidential Nominating Conventions, 1968, Congressional Quarterly Service, Washington 1968, p. 141. 152.

  32. Pr. Nom. Conv., p. 41.

  33. CQ Weekly Report 1972, p. 944.

  34. Hier deuten sich allerdings neue Entwicklungen an. Zum ersten Mal in der Geschichte der USA will sich eine der großen Parteien, nämlich die demokratische, eine Verfassung geben, die sie aus einer losen Föderation von Staatenparteien in einen fest strukturierten Organismus mit engem Zusammenhalt und starker ideologischer Identität umbilden soll. (CQ Weekly Report 1972, p. 946).

  35. CQ Weekly Report, 1972, p. 1459.

  36. Campaign Communications Reform Act (PL 92— 225) vom 7. 2. 72. Zum ersten Mal wird ferner eine Art staatlicher Parteienfinanzierung eingeführt, die sich allerdings nur bei den allgemeinen Wahlen, und dies erst im Jahre 1976, auswirken wird. Die Partei, die die staatliche Subvention in Empfang nimmt, wird dadurch auch zu einer absoluten Begrenzung der Ausgaben, nämlich auf die vom Staat erhaltene Summe, 15 Cent pro Wähler, verpflichtet (Presidential Election Campaign Fund Act; PL 92— 178 vom 10. 12. 71).

  37. Hier zeigt sich übrigens ein großes Dilemma der Reformbestrebungen. Einerseits will man die Delegierten möglichst frei und ungebunden von Weisungen haben, andererseits sollen sie den Willen der Wählerschaft respektieren. Das Problem des imperativen Mandats, das durch manche Primary-Gesetze aufgeworfen wird, ist zur zet stark in der Diskussion. Allerdings läßt sich dieses Problem, wie das Vorwahlsystem in California Florida, South Dakota, Rhode Island zeigt, aud ohne Aufgabe des Primary Prinzips lösen.

Weitere Inhalte

Werner Peters, Dr. phil., geb. 14. 7. 1941, Studium der Klassischen Philologie und Philosophie; zweieinhalbjähriger Studienaufenthalt in den USA, u. a. Studien und Forschung zur Polit. Wissenschaft an der Harvard-Universität. Mitarbeiter am amerikanischen Kongreß (Congressional fellow), Leiter des Eugene McCarthy-Wahlkampf-Archivs (dieses Archiv stellt die erste umfassende Dokumentation des amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfes dar); z. Z.freiberufl. Berater für polit. Planung und Öffentlichkeitsarbeit, außerdem Lehrbeauftragter für Politikwissenschaft an den Pädagogischen Hochschulen Köln und Koblenz.