Vorbemerkung Im Zusammenhang mit der Erarbeitung eines allgemeinen Sicherheitskonzeptes für die Bundesrepublik Deutschland verabschiedet der Deutsche Bundestag in diesen Tagen auch ein neues Gesetz über den Bundesgrenzschutz, in dem im Rahmen der durch die Notstandsverfassung dem Bundesgrenzschutz zugewiesenen erweiterten Aufgaben dessen Zuständigkeit neu normiert wird.
Der Entwurf zu diesem Gesetz, in dem die Eigenschaft des Bundesgrenzschutzes als Polizei des Bundes betont wird, hatte beim ersten Durchgang durch den Bundesrat und auch anderswo gewisse Bedenken und Einwände gegen eine angebliche Ausweitung der Polizeihoheit des Bundes ausgelöst. Der Vertreter des Landes Bayern z. B. hatte aus diesem Anlaß am 22. Oktober 1972 u. a. erklärt: „Ziel des Gesetzentwurfes ist es, den Bundesgrenzschutz zu einer Bundespolizei auszubauen, deren Aufgabenbereich weit über die Sicherung der Bundesgrenzen hinausgeht. Das Grundgesetz kennt keine Bundespolizei und läßt sie auch nicht zu."
Dieser Einwand ist nicht neu. Den einen war der Bundesgrenzschutz schon immer . zuviel Bundespolizei’, den anderen zu wenig. Es geht bei diesen unterschiedlichen Auffassungen letztlich um die Frage nach der Verteilung der Polizeihoheit in einem Bundesstaat. Es soll im folgenden versucht werden, sie zu beantworten, und zwar dargestellt im wesentlichen an den deutschen staatsrechtlichen Verhältnissen in der Weimarer Republik und in der Bundesrepublik Deutschland.
I. Rechte und Pflichten im Bundesstaat
1. Die Polizeihoheit EinVolk schließt sich bekanntlich zu einem Staat zusammen, um auf begrenztem Gebiet gemeinsame Güter und Werte (z. B. Leben, Gesundheit, Eigentum, Freiheit, Sicherheit gegen Angriffe von innen und außen) zu erhalten und zu verteidigen. Dieses Bestreben setzt voraus, daß der Staat über die erforderliche Staatsgewalt verfügt, daß er eine aus dem Überordnungsverhältnis sich ergebende oberste, einheitliche Machtbefugnis hat und ausübt, die in der Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung besteht. Ein wichtiges Instrument dabei ist die vollziehende Gewalt (Verwaltung) und in ihr die Polizei; sie ist die gesetzlich geschaffene oder gebilligte Einrichtung, die das alleinige Recht und die tatsächliche Macht hat, im Namen des Staates und im Rahmen der eigenen Zuständigkeit auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung für alle oder für bestimmte, im Zuständigkeitsbereich sich aufhaltende Personen und Personengruppen, Anordnungen zu treffen und deren Befolgung erforderlichenfalls zu erzwingen. Erfolgreiche Ergebnisse dieser Polizeihoheit sind in-essen nur möglich, wenn die Staatsorgane über ein von der Verantwortung für den Staat getragenes Machtbewußtsein verfügen, ohne dessen Entwicklung auch eine demokratische Regierungsform auf die Dauer — besonders in Notzeiten — sich nicht behaupten kann Die Weimarer Republik ist nicht zuletzt daran gescheitert, daß ihre Bereitschaft, die Machtmittel des Staates gegen ihre Widersacher anzuwenden, immer geringer wurde. Nun ist zuzugeben, daß die Möglichkeiten des wirksamen Einsatzes der staatlichen Machtmittel nicht nur je nach den verfassungsmäßigen Grundlagen, sondern auch je nach dem Staatsaufbau sehr verschieden sind. Das Deutschland der Neuzeit hatte — von den Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft abgesehen — eine bundesstaatliche Struktur; d. h. mehrere Staaten hatten sich zu einem größeren Staatsganzen zusammengeschlossen, ohne ihre Eigenstaatlichkeit aufzugeben, aber mit dem Ziel und zu dem Zweck, die Staatsgewalt auf bestimmten Gebieten und in Notzeiten mehr nach dem Staatsganzen hin zu orientieren. Man kann darüber streiten, ob der Grundgesetzgeber hinsichtlich des Staats-aufbaues nur zwischen dem Bund als Zentral-staat und den Ländern als Gliedstaaten unterscheiden wollte, oder ob er von einer dreigliedrigen Staatsstruktur ausgegangen ist, bei der unter bestimmten Voraussetzungen neben die Eigenstaatlichkeit von Bund und Ländern die Bundesrepublik Deutschland als Gesamtstaat hinzutritt. Insbesondere die Aussagen der . Notstandsverfassung'sprechen m. E. dafür, daß zwar unter normalen Verhältnissen die Staatsgewalt nach grundgesetzlicher Festlegung von den Gliedstaaten (Ländern) und von dem Zentralstaat (Bund) ausgeübt werden soll, daß aber in Notzeiten die Staatsgewalt je nach dem Grad der Notlage teilweise auf den Gesamtstaat übergehen kann (vgl. z. B. die Artikel 35, Abs. 87 a, Abs. 4; 91, Abs. 2; 115 c, Abs. 1; 115 f, Abs. 1; 115 i).
Unabhängig von der Staats-und Regierungsform in Deutschland ist die Verteilung der Staatsgewalt — insbesondere der vollziehenden Gewalt und der Polizeihoheit — auf Gliedstaaten, Zentralstaat und Gesamtstaat im Laufe der Jahrzehnte Gegenstand Z. T. erheblicher Auseinandersetzungen gewesen. Ein ganzes Bündel von Argumenten wurde dabei auf den Tisch gelegt; von ihnen seien im folgenden nur diejenigen erörtert, die über die Verteilung der Polizeihoheit etwas Grundsätzliches aussagen. 2. Die bundesstaatliche Ordnung „In einem stimmen alle Bundesstaaten überein: sie führen die Gliederung in der Verfassungssphäre durch, lassen aber den Gliedstaaten die eigene Verfassung und damit die Möglichkeit einer eigenen politischen Willensbildung innerhalb der durch das Vorhandensein des Gesamtstaates gegebenen Grenzen. . . . Die Gliedstaaten des Bundesstaates sind immer in den Grenzen der im Zentralstaat verkörperten gesamtpolitischen Einheit politisch autonom. Sie sind nicht nur Verwaltungseinheiten, sondern politische Individualitäten. Durch die ihnen zugestandene eigene Verfassung sind sie zu politischer Willensbildung legitimiert. Sie haben damit eine eigene Regierungsgewalt, welche die Verwaltung innerhalb der Gliedstaaten zu leiten berufen ist, insbesondere der Ermessensbetätigung eine eigene Ausrichtung gibt. Die Regierung ist nicht nur Verwaltungszentrale, sondern auch Regierungsspitze. Ihr kommt deshalb die Organisationsgewalt zu. Mit einem Wort: alle Merkmale selbständiger Staatsorganisation finden sich sowohl beim Gesamtstaat wie beim Gliedstaat." 3)
überträgt man diese theoretische Bestimmung auf die Bundesrepublik Deutschland, so ergibt sich, daß im Gesamtstaat (Bundesrepublik Deutschland) Bund und Länder — der Bund als Zentralstaat, die Länder als Gliedstaaten — die Staatsgewalt ausüben können, daß sie also zwischen Bund und Ländern aufgeteilt ist. Damit ist zwar festgestellt, daß das Zusammenleben von Bund und Ländern auf einem Verhältnis von Rechten und Pflichten beruht, aber noch nichts darüber ausgesagt, wie die Verteilung der Staatsgewalt und in ihr die der Polizeihoheit im einzelnen aussieht. Das ergibt sich vielmehr für die Gegenwart aus den Bestimmungen des Grundgesetzes; für die Weimarer Zeit regelte es die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919. Zusammengefaßt ergibt sich, daß der Schwerpunkt der Polizeihoheit in beiden Zeitepochen bei den Gliedstaaten lag, wobei in der Weimarer Republik die entscheidende und beispielgebende Rolle des Landes Preußen die Bestrebungen nach einer reichsgesetzlichen Regelung der Zuständigkeiten für den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Art. 9 RV) zurückdrängte, während in der Bundesrepublik die von den Besatzungsmächten geforderte Eigenstaatlichkeit der Länder sehr stark auch auf die Verteilung der Polizei-hoheit ausstrahlte.
Beiden Zeitläuften ist gemeinsam, daß die Staatsgewalt des Zentralstaates und der Gliedstaaten in Notzeiten zu einer Staatsgewalt des Gesamtstaates wurde, der die Aufgabe hatte, letztinstanzlicher Garant der Sicherheit des Staates zu sein:
a) in der Weimarer Republik u. a. durch das Recht des Reichspräsidenten, „alle nötigen Maßnahmen zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu treffen, nötigenfalls durch Einsatz der bewaffneten Macht";
b) in der Bundesrepublik Deutschland u. 3'durch die aus der sogenannten Notstandsverfassung sich für den Bund ergebenden Pflichten und Rechte (insbesondere Art. 91 — neu — in Verbindung mit Art. 87 a GG). * Über die Erweiterung der vollziehenden Gewalt für den Gesamtstaat beim inneren Notstand haben sowohl in der Weimarer Republik wie in der Gegenwart Auseinandersetzungen stattgefunden. Sie waren um so lebhafter, Je verschiedenartiger die Zusammensetzung der die Regierung des Zentralstaates und die der Gliedstaaten stellenden politischen Parteien war und je mehr bei einzelnen Ländern der Eindruck entstand oder bestand, daß diese Zuständigkeitsverschiebung für Notzeiten zum Vorwand genommen würde, die Polizeihoheit der Gliedstaaten grundsätzlich einzuschränken. Es ist zuzugeben, daß die bereits erwähnte Diktaturgewalt des Reichspräsidenten in der Weimarer Zeit ihm ein fast unbeschränktes Recht zu gesamtstaatlichen Maßnahmen auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlieh und daß insbesondere der . Preußenschlag'vom 20. Juli 1932 (Ernennung eines Reichs-Kommissars für das Land Preußen) mit der praktischen Beseitigung dieses Landes noch in lebhafter, warnender Erinnerung ist, andererseits aber ist festzustellen, daß wohl jeder Bundesstaat in eine Krise seines Aufbaues gerät, wenn hinsichtlich einer drohenden Gefährdung seiner Existenz nicht rechtzeitig und ausreichend Vorsorge getroffen war, Reichspräsident Ebert, der den Art. 48, Abs. 2 RV während seiner Amtszeit allein 136mal an-wandte hatte diese letzlich im Gedanken des Staatsnotstandes wurzelnde Auffassung dem Reichswehrminister Gessler gegenüber wiederholt mit den Worten bekräftigt: „Wenn der Tag kommt, an dem die Frage auftaucht: Deutschland oder die Verfassung, dann werden wir Deutschland nicht wegen der Verfassung zugrunde gehen lassen."
Während der Art. 111 des Herrenchiemsee-Entwurfs zum Grundgesetz aus dem Jahre 1948 noch ein verhältnismäßig starkes Notstands-recht vorsah, gewährte das Grundgesetz in seiner endgültigen Form dem Gesamtstaat in Notfällen lediglich u. a. ein Weisungsrecht gegenüber den Polizeikräften der Gliedstaaten. Im übrigen zeigt die Entwicklung unseres Notstandsrechts eine deutliche Abkehr vom Begriff des Staatsnotstandes’ und der , Staatsnotwehr'als den gefahrdrohenden Zuständen, deren Beseitigung von den Verantwortlichen nur dadurch für möglich gehalten wurde, daß auch* Verfassungsnormen vorübergehend unbeachtet bleiben sollten. Die im Jahre 1968 durch das 17. Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes geschaffene Notstandsregelung trägt den Intentionen des Grundgesetzgebers Rechnung, daß nämlich a) auch in Notzeiten die Idee des Rechtsstaates als einer Gemeinschaft erhalten bleiben müsse, deren Zusammenleben ausschließlich von den Regeln bestimmt wird, welche diese Gemeinschaft bei grundsätzlicher Gewaltenteilung für alle verbindlich durch die Festlegung in Rechtsnormen aufgestellt hat, b) nicht die Verwaltung, also die vollziehende Gewalt, sondern lediglich die im Rechtsstaat verantwortlichen Verlassungsgretnien dazu berufen seien, die gesetzlichen Möglichkeiten für eine erfolgreiche Beseitigung von Notlagen zu schaffen und die notwendigen Maßnahmen zu treffen.
Für ein ungeschriebenes Staatsnotstandsrecht blieb kein Raum mehr. Diese Auffassung hat allerdings zur Voraussetzung, daß für solche Fälle das Zusammenwirken des Zentralstaates und der Gliedstaaten eingehend vorbereitet und krisenfest sichergestellt wird. Bereits in der Debatte des Deutschen Bundestages vom 25. Januar 1951 über die Schaffung einer Bundesgrenzpolizei hatte der Abgeordnete von Merkatz seine Gedanken über eine Polizei-hoheit des Bundes in die Worte gekleidet: „Ich erinnere mich an die Rede des Kollegen Menzel, ... in der er auf die Notwendigkeit hingewiesen hat, dem Bundesstaat Gewalt zu geben. Es war die Linie der sozialdemokratischen Fraktion Im Parlamentarischen Rat, eine zentralistische Lösung durchzusetzen, und es war der Wunsch meiner politischen Freunde, einen echten Föderalismus zu verwirklichen. Wir sehen in diesem Grundgesetz nicht jenes gute Gleichgewicht zwischen den Bedürfnissen des Bundes und den Bedürfnissen der Länder ... Wenn wir mit der Opposition in dem Grundsatz einig gehen: jetzt dem Bund zu geben, was des Bundes ist, so ist das der wichtigste föderalistische Standpunkt, den es überhaupt gibt. Ein föderativ aufgebauter Staat, dessen Glieder vom ehrlichen Willen zur Zusammenarbeit erfüllt sind, ist stärker als ein zentralistisch regierter Staat. Dazu ist es erforderlich, daß man dem Bunde die erforderlichen Mittel gibt, um Aufgaben zu erfüllen, die einem Gesamtbedürfnis entspringen und über die Möglichkeiten der Glieder hinausgehen." Da im Bundesstaat die Pflichten des Zentral-staates zugleich die Rechte der Gliedstaaten — und umgekehrt — sind, muß das Zusammenwirken von dem Grundsatz der Bundes-treue, in unserem Falle der Länder zum Bund und des Bundes zu den Ländern sowie der Länder untereinander, beherrscht sein. Dieser Grundsatz spielt z. B. eine große Rolle bei dem gemeinsamen Einsatz von Polizeikräften anläßlich von Naturkatastrophen (Art. 35 GG) oder bei Gefahr für den Bestand des Bundes oder eines Landes (Art. 91 in Verbindung mit Art. 87 a GG). Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 1. Dezember 1954 diese Rechtspflicht zu bundesfreundlichem Verhalten so festgelegt: „Bleiben die Auswirkungen einer gesetzlichen Regelung nicht auf den Raum des Landes begrenzt, so muß der Landesgesetzgeber Rücksicht auf die Interessen des Bundes und der übrigen Länder nehmen ... Wie dem Bund seine Befugnisse nur zum Wohl des Ganzen zugemessen sind, so müssen auch die Länder die Freiheit ihrer Entscheidung der Rücksicht auf das Gesamtwohl unterordnen. Ein Bundesstaat kann nur bestehen, wenn Bund und Länder im Verhältnis zueinander beachten, daß das Maß, in dem sie von formal bestehenden Kompetenzen Gebrauch machen können, durch gegenseitige Rücksichtnahme bestimmt ist." 3. Die Polizeihoheit als Merkmal des Staates „Daß die Besatzungsmächte den äußeren Machtapparat der Polizei zerschlugen, war in der ersten Phase der Besatzungspolitik ja nicht verwunderlich, daß aber die britische und die amerikanische Besatzungsmacht dem Staat die Polizeifunktion überhaupt aus der Hand nahmen (und kommunalen Gebietskörperschaften übertrugen) .. . beruht auf einem klaren Mißverständnis deutscher Verwaltungstradition. Welche Rechtsunsicherheit und wieviel Verwirrung dadurch ... angerichtet worden sind, läßt sich kaum abschätzen", erklärte der Leiter der Abteilung . öffentliche Sicherheit'im Bundesinnenministerimn, Egidi und der ehemalige preußische Innenminister Severing stellte fest: „Was in England, Frankreich oder Amerika gilt, mag dort gut und nütze sein. Wer uns aber damit kommt, daß eine und nur eine kommunal zersplitterte Polizei ausreiche, der verkennt die deutsche Situation. Das war also eine klare Absage von anerkannten Fachleuten an eine kommunale Polizei. Nach dem Mißbrauch, den die nationalsozialistischen Machthaber mit der Polizei des Einheitsstaates begangen hatten, war es an sich verständlich, daß die Besatzungsmächte eine Beschränkung der polizeilichen Zuständigkeit auf rein polizeiliche Aufgaben vornahmen; daß sie aber weder eine staatliche Aufsicht noch eine staatliche Einflußnahme auf Organisation und Einsatz der Polizei zuließen und eine völlige Kommunalisierung der Polizei forderten, war eine bedauerliche Fehlentscheidung Kommunal ist diejenige Polizei im organisatorischen Sinn, die von den kommunalen Selbstverwaltungsbehörden unter eigener Verantwortung, ohne Weisungsrecht des Staates als Selbstverwaltungsangelegenheit wahrgenommen wird. Staatlich dagegen ist eine Polizei, die entweder von unmittelbaren Staats-behörden oder in deren Auftrag ausgeübt wird Der öffentlichen Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland war mit dem Vorgehen der Besatzungsmächte mindestens von dem Zeitpunkt an schlecht gedient, als die Verantwortung für die innere Ordnung uns wieder allein zufiel. Bundeskanzler Adenauer sah sich deshalb am 7. Oktober 1950 veranlaßt, dem Geschäftsführenden Vorsitzenden der Alliierten Hohen Kommission eine Note zugehen zu lassen, in der er u. a. auf folgendes hinwies: „Die Innenminister der Länder haben sich vor einigen Tagen mit der Reorganisation der Polizei befaßt und sind dabei zu folgenden Ergebnissen gekommen: die nach dem Ende der Feindseligkeiten eingeführte Organisation der Polizei in den Ländern der ehern, britischen und amerikanischen Zone entspricht in keiner Weise mehr den heutigen Erfordernissen ... Die in den Ländern dieser Zonen durchgeführte, zu weitgehende Dezentralisation der Polizei macht eine einheitliche Zusammenfassung und einen überörtlichen Einsatz an besonderen Gefahrenpunkten unmöglich. Nadi einmütiger Ansicht der Innenminister der Lan-der sollte folgenden Forderungen Rechnung getragen werden: 1. Alle Beschränkungen des Rechts der Länder, ihre Polizei zu organisieren, sollten aufgehoben werden, soweit sie nicht für die Sicherheit der Besatzungsmächte erforderlich sind. 2. Einer Gesetzgebung der Länder, die ihren Innenministern ein Weisungsrecht gegenüber sämtlichen Polizeikräften in ihrem Lande sowie eine hinreichende Einwirkung auf die personelle Zusammensetzung ihrer Polizeikräfte einräumt, sollte seitens der Besatzungsmacht zugestimmt werden.,." Schon in der Weimarer Zeit waren immer mehr kommunale Polizeiverwaltungen verstaatlicht worden. „Ein Staat kann unmöglich die Sicherheit seiner Existenz, die zu schützen ja Aufgabe der Politischen Polizei ist, den Händen von Kommunalbeamten anvertrauen, die den Weisungen oder Beeinflussungen wechselnder kommunaler Mehrheiten unterliegen, und auf deren Ausbildung und Auswahl der Staat keinen Einfluß hat", meinte Polizeivizepräsident Weiß (Berlin) hinsichtlich der Bekämpfung staatsfeindlicher Bestrebungen
Severing trieb als preußischer Innenminister die Verstaatlichung der Polizei energisch voran; er war der Auffassung, daß die Polizeigewalt, da sie ein Ausfluß der Polizeihoheit ist, eine einheitliche staatliche Gewalt sein müsse, deren Anwendung nicht im kommunalen Bereich zersplittert werden dürfe. Das gesamte Preußische Polizei-Verwaltungsgesetz vom 1. Juni 1931 war daher beherrscht von dem Grundsatz, daß die Polizei eine Angelegenheit des Staates ist und daß für alles, was die Polizei tut oder unterläßt, die Staatsregierung die Verantwortung zu tragen hat; und zwar auch dann, wenn es sich um die kommunalen, der Weisungsbefugnis und der Dienst-aufsicht des Staates unterstehenden Beamten handelt. Daß der Träger der Polizeihoheit ausschließlich der Staat sein sollte und es tatsächlich auch war, ergibt sich z. B. aus folgenden Bestimmungen des erwähnten Polizeiverwaltungs-Gesetzes: Die Polizei ist Angelegenheit des Staates'; , die allgemeine Dienstaufsicht über die Handhabung der Polizeigewalt bei allen ordentlichen Polizeibehörden üben der Minister des Innern und die nachgeordneten Polizei-Aufsichtsbehörden aus'; . Polizei-aufsichtsbehörden haben Anweisungsrecht gegenüber allen unterstellten Polizei-Behörden'; . mit polizeilichen Aufgaben betraute Personen bedürfen, wenn sie nicht unmittelbare Staatsbeamte sind, der Bestätigung durch die Polizeiaufsichtsbehörde In der Bundesrepublik Deutschland verfügen alle Länder über eine, z. T. sogar nur über eine staatliche Polizei; das gilt sowohl für den Schutz der verfassungsmäßigen Grundordnung (Landesämter für Verfassungsschutz), wie für die Bekämpfung von Verbrechen und die Verfolgung strafbarer Handlungen (Landeskriminalämter), wie für die allgemeinen polizeilichen Aufgaben (Schutzpolizei, Bereitschaftspolizei, Wasserschutzpolizei usw.). Lediglich in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Bremen und Hessen bestehen in einzelnen Gemeinden noch kommunale Polizeien (insgesamt etwa 20 % der Sollstärke der uniformierten Polizei), die jedoch dem Weisungsrecht und der Dienstaufsicht ihrer Landesregierungen unterworfen sind. Die Verstaatlichung auch dieser Polizeien ist schon aus Gründen der einheitlichen Verkehrsüberwachung und der einheitlichen Verhütung strafbarer Handlungen geboten. „Denn nicht die Gemeinden, sondern der Staat ist der Hüter der Rechtsordnung. In seine Hand gehören daher die Machtmittel, die nun einmal erforderlich sind, um die Ordnung zu bewahren auch gegenüber den Gemeinden und Kreisen, denen daher die Polizeigewalt keinesfalls vollständig überlassen werden darf. Außerdem haben die obersten Staatsbehörden ein sehr berechtigtes Interesse daran, ihren Willen in den wichtigsten, bisher . polizeilich'genannten Hinsichten ohne Rücksicht auf etwa widerstrebende und jedenfalls selbstverantwortliche Kommunalorgane bis in die örtlichen Verhältnisse hinein zur Geltung zu bringen." 4. Die Träger der Polizeigewalt Steht dennoch fest, daß die Polizeihoheit von Staatsorganen wahrgenommen werden soll (also von den auf gesetzlicher Grundlage berufenen, mit besonderen Vollmachten ausgestatteten, in geregeltem Bestände geschaffenen, in das Gefüge der Verwaltung eingegliederten Personen und Institutionen, die unter öffentlicher Autorität dem Staatszweck dienen), so ist damit noch nichts darüber ausgesagt, wer im Bundesstaat der Träger der Polizeihoheit sein soll: der Gesamtstaat, der Zentralstaat oder die Gliedstaaten. In der Bundesrepublik Deutschland waren und sind die Meinungen darüber sehr unterschiedlich. Wenn der Abgeordnete Dr. Laforet (CSU) in der großen Polizeidebatte des Deutschen Bundestages am 7. November 1950 erklärte, die Länder wären die Träger der Polizeihoheit der frühere Bundestagsabgeordnete Freiherr von Aretin (FU) am 4. Februar 1953 „mit aller Schärfe festgestellt haben wollte, daß die im Grundgesetz garantierte Polizeihoheit der Länder (durch eine verstärkte Bundesgrenzpolizei) nicht angetastet werden dürfte" wenn Staatssekretär Junker (München) am 14. Oktober 1959 in Remagen davon sprach, daß das Grundgesetz die Polizeihoheit ausschließlich den Ländern zuweise und wenn — wie bereits erwähnt —der bayerische Innenminister am 22. Oktober 1971 im Bundesrat sich auf den Standpunkt stellte, daß das Grundgesetz keine Bundespolizei kenne und sie auch nicht zuließe, so kann diesen Auffassungen nicht beigetreten werden. Das Grundgesetz erwähnt zwar das Wort „Bundespolizei" nicht, überträgt aber in den Art. 35, 91 und 87 a sowie 115 f dem Bund praktisch polizeiliche Hoheitsbefugnisse.
Auch die Verweisung auf die polizeilichen Zuständigkeitsverhältnisse in der Weimarer Republik kann die Tatsache nicht erschüttern, daß im Bundesstaat auch der Gesamtstaat und der Zentralstaat eine Polizeihoheit besitzen. Der Art. 9 RV, der dem Abgeordneten Dr. Menzel (SPD) bei seinen Ausführungen am 7. November 1950 und am 25. Januar 1951 im Deutschen Bundestag über die Notwendigkeit einer Verteilung der polizeilichen Exekutiv-rechte an Bund und Länder als Vorbild diente, übertrug dem Reich ausdrücklich die Gesetzgebung über den Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, soweit ein Bedürfnis für den Erlaß einheitlicher Vorschriften vorhanden war. Daß das Reich von dieser Bedarfsgesetzgebung keinen Gebrauch machte, lag im wesentlichen daran, daß die vorzügliche preußische Polizei für etwa zwei Drittel des Reichs-gebietes zuständig und ihre Vorschriften für die Polizeien der anderen Länder beispielgebend waren. Vor allem darf nicht übersehen werden, daß der Reichspräsident nach Art. 48, Abs. 2 RV die zur Wiederherstellung der inneren Ordnung nötigen Maßnahmen treffen also z. B. die Polizeien der Länder den Reichs-behörden oder dem militärischen Inhaber der vollziehenden Gewalt unterstellen konnte (wie z. B. am 20. Juli 1932); erforderlichenfalls durfte er sogar die bewaffnete Macht einsetzen. Solche Maßnahmen brauchten nur auf Verlangen des Reichstages (nicht des Reichsrates) außer Kraft gesetzt zu werden.
Von der erheblichen Ausweitung der Polizei-hoheit des Reiches in Notfällen aber ganz abgesehen, führten schon die innerpolitischen Spannungen der Jahre 1930 bis 1932 auch bei den politischen Parteien und bei den Verantwortlichen von Reich und Ländern zu der Erkenntnis, daß die Unterstellung insbesondere der preußischen Polizei unter das Reich eine zweckmäßige Regelung wäre, um der Schwierigkeiten Herr zu werden. So gab der preußische Innenminister Severing im Jahre 1932 in einem Gespräch mit dem Reichsinnenminister zu erkennen, daß er die Übernahme der Polizei auf das Reich zu gegebener Zeit für eine verständliche und natürliche Maßnahme halte Dieser Weg erschien auch anderen Persönlichkeiten der damaligen Zeit besser als der Einsatz der bewaffneten Macht. So schreibt Meier-Welcker in seiner Seeckt-Biographie, daß der aufgrund der revolutionären Vorgänge in München am 8. November 1923 vom Reichs-präsidenten Ebert zum Inhaber der vollziehenden Gewalt im ganzen Reich ernannte General von Seeckt sich in einer Denkschrift vom 12. August 1924 u. a. über die Ausübung der Staatsgewalt dahingehend geäußert habe, „daß jeden Augenblick in einem der vielen Länder eine Partei ans Ruder kommen könne, deren Politik sich gegen das Reich wende." Die loyale Haltung Seeckts habe es ermöglicht, auch in Mitteldeutschland (Sachsen, Thüringen) jeden Widerstand gegen die Reichspolitik schnell zu bezwingen. In der Denkschrift sei weiter ausgeführt worden: „Der militärische Ausnahmezustand; der dem Reich hier wichtige Machtpositionen geschaffen hat, zeigt den Weg, den die Zivilverwaltung in organischer Weiterentwicklung der Reichsverfassung gehen muß Reich und Preußen sind nicht mehr zu trennen. Daher muß sich das Reich durch Personal-union mit Preußen und durch Zusammenlegung aller in Frage kommenden Behörden die Mach'dieses Großstaates verschaffen ... Nur wenn das Reich so zum unmittelbaren Staat wird, wird es davon absehen können, seine Innenpolitik immer wieder durch das alleinige Mittel des Ausnahmezustandes durchzusetzen." Brüning schreibt in seinen Memoiren über dieses Problem: „In einer Besprechung mit Oberst von Schleicher am 24. September 1931 warf dieser ein, daß die Länder die Polizei besäßen und damit die Naziregierungen alle Macht, außer der Reichswehr, in Händen hätten. Ich erklärte ihm, daß es gleichzeitig leicht sein würde, durch Notverordnung die gesamte Polizei dem Reichsinnenministerium zu unterstellen. Die Polizei würde eine solche ... verfassungsmäßig zulässige Maßnahme gern mitmachen, weil sie bei der besseren Finanzwirtschaft des Reiches damit rechnen dürfe, als Reichspolizei höhere Gehälter zu erhalten."
In jedem Bundesstaat wird die Tendenz dahin gehen, die Handhabung der Polizeihoheit mit der Zunahme innerer Spannungen mehr nach der Seite des Gesamt-oder des Zentralstaates hin zu verschieben. Verfassungsrechtlich unterscheiden sich die Weimarer Republik und die Bundesrepublik Deutschland auch dadurch, daß die Verfassung von Weimar in Art. 12 bestimmte: „Solange und soweit das Reich von seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch macht, behalten die Länder das Recht der Gesetzgebung", während das Grundgesetz in dem Art. 30 festlegt: „Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zuläßt." Die Weimarer Verfassung war hinsichtlich des Aufbaus des Bundesstaates zweifellos zentralistischer angelegt als das Grundgesetz. Weimar konnte für normale Zeiten im Hinblick auf Art. 9 RV, für Notzeiten in Ansehung von Art. 48 RV darauf verzichten, die polizeilichen Zuständigkeiten des Reiches im einzelnen zu normieren; das Grundgesetz dagegen hat die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern — wenn auch sehr summarisch — näher geregelt.
Beispielsweise hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebung über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in der Kriminalpolizei und in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes (Art 73, Nr. 10); die Bundesregierung kann bei Naturkatastrophen eigene Polizeikräfte (Bundesgrenzschutz, Streitkräfte und Polizeikräfte anderer Länder zur Unterstützung der Polizei im Katastrophengebiet einsetzen (Art. 35, Abs. 3); die Bundesregierung kann bei Gefahr für den Bestand und die freiheitliche demokratische Grundordnung die Polizeikräfte der Länder ihren Weisungen unterstellen, eigene Polizeikräfte (Bundesgrenzschutz) zur Abwehr verwenden (Art. 91, Abs. 2) und zum Schutz von zivilen Objekten und zur Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer auch Streitkräfte zur Unterstützung der Polizei einsetzen (Art. 87 a, Abs. 4); schließlich kann die Bundesregierung im Verteidigungsfall eigene Polizeikräfte (Bundesgrenzschutz) im gesamten Bundesgebiet zur Erfüllung allgemeiner polizeilicher Aufgaben verwenden. Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über den Grenzschutz und kann in eigener Verwaltung Bundesgrenzschutzbehörden durch Bundesgesetz einrichten; eine Verwaltungszuständigkeit des Bundes besteht außerdem für das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz. Schließlich hat der Bund sonderpolizeiliche Verwaltungszuständigkeiten im Wege der , Annex-Kompetenz'auf bahn-polizeilichem, auf ström-und schiffahrtspolizeilichem, auf luftpolizeilichem und — was den Güterfernverkehr anlangt — auf verkehrspolizeilichem Gebiet 20a).
Man sieht aus dieser kurzen Übersicht, auf deren Einzelinhalte noch eingegangen werden wird, daß das Wort von der „Polizeihoheit der Länder" den Sachverhalt unzutreffend wiedergibt und daß der Bundesgesetzgeber die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung als eine Gemeinschaftsaufgabe der Bundesrepublik Deutschland (Gesamtstaat) angesehen hat, deren Erfüllung außerhalb des Verteidigungsfalles er bewußt zwischen dem Bund (Zentralstaat) und den Ländern (Gliedstaaten) aufgeteilt wissen will. Die Notstandsverfassung aus dem Jahre 1968 brachte eindeutig zum Ausdruck, daß — ähnlich wie im preußischen Polizeiverwaltungs-Gesetz aus dem Jahre 1931 betont — die Abwehr von Gefahren für die innere Sicherheit des Gesamtstaates an Zuständigkeitsfragen nicht scheitern dürfe und nicht zu scheitern brauche.
Bedauerlich bleibt, daß die von den Besatzungsmächten veranlaßte unterschiedliche Organisation der Polizei in den einzelnen Län-dem noch immer nicht überwunden ist, so daß die Gewerkschaft der Polizei in ihrer Denkschrift „Polizei-Notruf" für den Bereich der Schutzpolizei mit Recht schreibt: „Es ist fast unmöglich, die vielfältigen Organisationsformen und die unterschiedlichen Organisationsstufen der uniformierten Polizei in den Ländern zu erfassen, sie richtig einzuordnen und verständlich zu machen. So unterschiedlich die Aufgabenzuweisung für die Schutzpolizei ist, so vielschichtig ist ihre Gliederung und ihre Zuständigkeit. Man sollte annehmen, daß sich aus dem klassischen Polizei-Auftrag der Gefahrenabwehr . . . klare, übereinstimmende und zumindest vergleichbare Aufgaben und Befugnisse für die Schutzpolizei herleiten lassen."
In die gleiche Richtung weist eine Bemerkung des Vorsitzenden des Bundestagsausschusses für Inneres Prof. Dr. Schäfer (SPD): „Das zweite Gebiet, auf dem es einer einheitlichen Regelung bedarf, ist die Einschränkung der Grundrechte. Die Regelung in den einzelnen Polizeigesetzen ist durchaus verschieden. Das ist eine schlechte Sache. Hier müßte der Bund ebenfalls (wie hinsichtlich der Anwendung unmittelbaren Zwanges) dahin wirken, daß einheitliche Bestimmungen gelten, Es geht doch nicht an, daß man sich, von einem Bundesland in ein anderes kommend, anderen Bestimmungen gegenübersieht." Und aus jüngster Zeit eine Stellungnahme des damaligen Bundesinnenministers Benda in der Bundestags-sondersitzung vom 30. April 1968 zu den Gefahren einer uneinheitlichen Anwendung der Polizeigewalt anläßlich der Osterunruhen 1968: „.. . erschwert die Uneinheitlichkeit der Polizeiorganisation jede Übersicht und jede Möglichkeit der Koordinierung. Würde wirklich einmal ein überregionaler innerer Notstand entstehen, der den Bund zum Eingreifen verpflichtet, dann würde sich die Buntscheckigkeit der Polizei-Organisation sehr bald als schwerer Mangel herausstellen, der zu sehr negativen Folgen führen könnte." Benda forderte deshalb für den Fall überregionaler Störungen der inneren Sicherheit, daß dem Bund gewisse Koordinationsaufgaben zugestanden werden, ohne dadurch die Entscheidungsfreiheit und Veran’wortlichkeit der Länder anzutasten
Daß dem Zentralstaat — dem Reich bzw.dem Bund — in dem von der Verfassung gezogenen Rahmen eine Polizeihoheit zustand und zusteht, wird auch von den eifrigsten Verfechtern der alleinigen Zuständigkeit der Länder für die Erfüllung der allgemeinen Polizei-aufgaben nicht bestritten. Der Streit in der Bundesrepublik entzündet sich eigenartigerweise an der Bezeichnung der die Polizeihoheit des Bundes ausübenden Behörden: es geht praktisch um das Wort . Bundespolizei', hinter dem man die Bereitschaft zur Verfassungsum. gehung insbesondere im Zusammenhang mit dem bereits wiederholt erwähnten neuen Gesetz über den Bundesgrenzschutz — vermutet „Den Verdacht, durch die vorsichtig angedeuteten Änderungen im Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums könnte möglicherweise der Aufbau einer Bundes-polizei . durch die Hintertür'vorbereitet werden, wies Bundesinnenminister Genscher zwar als unbegründet zurück, gab aber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gegenüber erneut zu erkennen, daß er den bestehenden Bundesgrenzschutz als . eine Art Bundespolizei'begreift." Dem Bundesinnenminister wurde unterstellt, mit der Formulierung in § 42 Abs. 1 des genannten Entwurfs: „Der Bundesgrenzschutz wird in bundeseigener Verwaltung geführt. Er ist eine Polizei des Bundes und untersteht dem Bundesminister des Innern" erstrebe der Bund die gesetzliche Festlegung, daß diese . Bundespolizei'über die grundgesetzlichen Bestimmungen hinaus allgemeine polizeiliche Zuständigkeiten (z. B. als Bundesbereitschaftspolizei) besitze oder erhalten solle. Bundesinnenminister Genscher hat demgegenüber wiederholt betont, daß die Polizeihoheit der Länder durch dieses Gesetz nicht nicht angetastet werden solle und auch angetastet werde: „Der vorliegende Gesetz-entwurf berührt die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern nicht. Er ist vielmehr die Antwort eines föderalistischen Staatswesens auf die Fragen, die die innere Sicherheit unseres Landes mit zwingender Notwendigkeit stellt" erklärte er bei der 1. Lesung dieses Gesetzentwurfes im Deutschen Bundestag. Demgegenüber gibt es Stimmen im Lager der Bundesländer, welche die Polizeihoheit des Bundes sogar ausweiten möchten; sie betreffen nicht nur das Bundeskriminalamt, sondern gerade auch den Bundesgrenzschutz, dessen Ersetzung durch eine Bundesbereitschafts-Polizei bereits bei seiner Aufstellung im Jahre 1951 im Deutschen Bundestag ernsthaft erörtert wurde Am 21. Dezember 1967 äußerte der rheinpfälzische Innenminister: . Möglich wäre der Ausbau des Bundesgrenz-schutzes, der ohnehin nur an der Demarkationslinie echte polizeiliche Aufgaben hat, zu einer Bundespolizei. Im Ernstfall könnte eine solche Bundespolizei dann zusammen mit der Bereitschaftspolizei eingesetzt werden, deren Ausbildung ihr (der Bundespolizei) unterstehen würde. Eine solche Lösung würde den Einsatz von Bundeswehr bei inneren Unruhen überflüssig machen.“ Der Innensenator Hamburgs, Ruhnau, erklärte in der Sitzung des Bundesrates am 22. Oktober 1971 bei der Beratung des Entwurfs zu dem neuen Bundesgrenzschutzgesetz u. a.: „Ich bin davon überzeugt, daß viele Bürger in unserem Land überhaupt kein Verständnis dafür hätten, wenn wir Beamte, und seien sie auch Beamte des Bundes, die im Rahmen von polizeilichen Einsätzen verwendet werden können, aus prinzipiellen Gründen nicht verwenden und die Sicherheit ihrem Schicksal überlassen."
Zum Schluß dieses Abschnitts noch ein Blick auf die Verteilung der Polizeihoheit in einigen außerdeutschen Staaten mit bundesstaatlichem Aufbau: a) In den Vereinigten Staaten von Nordamerika, in denen aufgrund der besonderen Art des föderativen Staatsaufbaues und ihrer geschichtlichen Entwicklung sich eine Vielzahl von Polizeien herausgebildet hatte, ist die Tendenz zu einer Bundespolizei nicht zu übersehen. Die Schrumpfung der Entfernungen und die Notwendigkeit zur Zusammenfassung in größeren Formen zwingen dazu, die Neigung gegen eine Zentralisierung der Polizei und die Bereitschaft, in Notfällen dafür lieber den Einsatz der Nationalgarde (also territoriale militärische Reserven) hinzunehmen, zu revidieren. Das zeigt sich zunächst in der Vereinheitlichung des kriminalpolizeilichen Dienstes (FBI) und des Bundesfahndungsdienstes. Von hier gehen die Impulse zur Koordinierung der Polizei-Organisation auf Bundesebene aus. b) In der Republik Österreich mit ihren neun weitgehend selbständigen Ländern ist die Gesetzgebung zwischen dem Bund und den Ländern nach dem Aufzählungsgrundsatz aufgeteilt, wobei die Polizei (außer der örtlichen Sicherheitspolizei) in die ausschließliche Bundeszuständigkeit fällt. Sämtliche Polizeibehörden sind Bundesbehörden und unterstehen in den mittleren, unteren und untersten Instanzen der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit beim Bundesinnenministerium. c) In der Schweizer Eidgenossenschaft mit ihren 19 Voll-und 6 Halbkantonen werden die Angelegenheiten der Polizei mit denen der Justiz von einem besonderen Bundesministerium wahrgenommen. d) Die 6 Bundesländer in Jugoslawien sind für ihre polizeilichen Angelegenheiten selbst verantwortlich. Außer der Verkehrsüberwachung auf den Fernstraßen sind bundespolizeiliche Zuständigkeiten nicht bekannt. e) Die Tschechoslowakei: Der Schwerpunkt der polizeilichen Tätigkeit liegt bei den 16 städtischen Bezirken mit je einer Abteilung für die öffentliche Sicherheit. Diese Bezirke stehen unter Aufsicht einer zentralen Verwaltung für öffentliche Sicherheit in Prag. f) In der Sowjetunion mit ihren 200 Millionen Einwohnern und ihren 40 Bundesstaaten, autonomen Republiken und Gebieten ist das Prinzip der Einheit von Partei und Staat bis zu den untersten Staatsorganen durchgeführt; es wird von der politischen Geheimpolizei überwacht. Im Innenministerium sind alle Sicherheitsaufgaben in Stadt und Land zusammengefaßt, dazu gehören z. B. die Paßkontrolle oder die Abwehr von Gefahren für den Frieden (innere Sicherheit).
Auch aus dieser kurzen Übersicht über die Verteilung der Polizeihoheit in außerdeutschen Bundesstaaten ergibt sich, daß die Zuständigkeitsverteilung auf Zentralstaat und Gliedstaaten je nach geschichtlicher Entwicklung und grundsätzlicher Aufgabenzuweisung zwar unterschiedlich geregelt ist, daß aber überall eine Bundespolizei besteht.
II. Fachliche Zuständigkeitsverteilung der Polizeihoheit
1. Besondere Aufgabengebiete Es würde zu weit führen, im Rahmen dieser Abhandlung die Zuständigkeitsverteilung der Polizeihoheit auf die einzelnen Fachgebiete zu erörtern; nur einige grundsätzliche Fragen seien angeschnitten.
Der Polizeibegriff hat im Laufe der Zeit — besonders seit dem 19. Jahrhundert — eine immer stärker werdende Einengung erfahren und sich unter Ausschaltung Z. B. aller Wohlfahrtsangelegenheiten und deren Übertragung an die Selbstverwaltungskörper (in der Hauptsache an die Gemeinden) auf rein polizeiliche Aufgaben (z. B. Schutz von Leben und Eigentum, Verhütung und Aufdeckung von Verbrechen) beschränkt Andererseits sind unsere Lebensverhältnisse und die Möglichkeiten der Angriffe auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung immer komplizierter und differenzier« ter geworden, so daß sich die fachliche Auf* gabenverteilung immer mehr verzweigt und zu einer Spezialisierung der polizeilichen Tätigkeit geführt hat. Unterschied man früher z. B. zwischen Verkehrspolizei, Politischer Polizei, Fremden-, Gesundheits-, Lebensrnittel*, Feuer*, Steuer-, Bau-, Gewerbe*, Berg-, Grenz*, Kriminalpolizei u. a. m., so fordern insbesondere fortschreitende Technik und wachsende Umweltgefahren neue Formen der polizeilichen Gefahrenabwehr, wobei einer Zersplitterung der Polizeikräfte bei dem stark variierenden Aufgabenanfall durch zusatnmenlassende Unterstellung entgegengewirkt werden muß. Damit ist bei unserem bundesstaatlichen Aufbau die grundsätzliche Frage der gegenseitigen Hilfe und Unterstützung der Polizeikräfte von Ländern und Bund im Wege der Amtshilfe, der Organleihe angesprochen.
Akut wurde diese Frage z. B. bei der Beratung des schon mehrfach genannten Entwurfes über ein neues Bundesgrenzschutz-Gesetz im Bundesrat, dessen § 9, Abs. 1 folgendes vorsah: „Der Bundesgrenzschutz kann zur Unterstützung der Länderpolizeien Verwendet werden
1. zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder einem besonders schweren Unglücksfall nach Art. 35 Abs. 2 und 3 des Grundgesetzes; 2. zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes nach Art. 91 Abs. 1 des Grundgesetzes: 3. auf Anforderung der zuständigen Landeibehörde für Maßnahmen zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in anderen Fällen von besonderer Bedeutung, soweit das Landes recht es vorsieht und die Polizei des Landes ohne diese Unterstützung eine Aufgabe nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten erfüllen könnte.
Vorbehaltlich des Art. 35 Abs. 3 GG unterliegt er dabei den fachlichen Weisungen des Landes, in dem er verwendet wird."
Der hessische Justizminister Hempfler meinte bei der Beratung des Entwurfes am 22. Oktober 1971 im Bundesrat zu dieser Bestimmung, daß sie nach Meinung der Hessischen Landesregierung die dem Bundesgesetzgeber gezogenen Grenzen für die Festlegung der räumlichen und sachlichen Zuständigkeiten des Bundesgrenzschutzes überschreite: „Das Grundgesetz regelt in Art. 35 Abs. 2 und 3, in Art. 91 und in Art. 115 f abschließend die Ausnahmesituationen, in denen der Bundesgrenzschutz unabhängig von seiner Grenzsicherungsaufgabe im Innern eingesetzt werden kann und darf. Es ist nicht zulässig, neben diesen auf Notstandsituationen beschränkten Zuständigkeiten dem Bundesgrenzschutz polizeiliche Aufgaben zu übertragen und ihm den Status einer Bundesbereitschaftspolizei zuzuweisen Das Institut der Organleihe’ berechtigt den Bundesgesetzgeber auch nicht, die für die , Organleihe‘ vorgesehenen Bundesbehörden mit Aufgaben zu betrauen, für deren Regelung ihm die Gesetzgebungskompetenz nicht Z steht. Die fehlende Bundeskompetenz kann auch nicht dadurch ersetzt werden, daß das Landesrecht die Verwendung des Bundeigrenzschutzes zur Erfüllung von Landespolizeiaufgaben zuläßt. Solche landesrechtlichen Zulassungen laufen leer, soweit nicht eine grün gesetzlich zulässige, bundesrechtliche Zuwe, sung von Aufgaben an den Bundesgrenzschur stattfindet." Auf diese Bedenken ist hinsichtlich der Polizei-hoheit zu erwidern, daß in der Formulierung der Ziff. 3 des § 9 Abs. 1 der Vorlage richtigerweise zum Ausdruck kommt, daß nicht nur der Zentralstaat und die Gliedstaaten, sondern auch der Gesamtstaat für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit verantwortlich sind. Die vorgesehene Ermächtigung entspricht im ürigen dem Verfassungsprinzip des bundes-und länderfreundlichen Verhaltens. Das Institut der , Amtshilfe'besteht in der vorübergehenden Beistandsleistung überall dort, wo eine Behörde ihre Aufgabe im Rahmen Ihrer gesetzlichen Zuständigkeit nur mit Hilfe (Unterstützung) einer anderen zweckentsprechend und sachgemäß erfüllen kann; die ersuchte Behörde, zu der kein über-oder Unterordnungsverhältnis bestehen darf, muß deshalb tatsächlich und rechtlich zur Hilfe-leistung in der Lage sein. Amtshilfe wird nach dem für die ersuchte Behörde geltenden Recht durchgeführt. Abweichend von der Amtshilfe bedeutet die . Organleihe'die vorübergehende Eingliederung eines Bundesorgans in die Verwaltungszuständigkeit eines Landesorgans (und umgekehrt) oder die eines Landesorgans in die eines anderen Landes mit der Folge, daß das entliehene Organ dadurch Landes-und Bundesorgan wird, also nach dem Recht der die Entleihung erbittenden Behörde tätig wird. Mit der Anforderungsmöglichkeit nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 der Vorlage soll den Ländern das Recht eingeräumt werden, für bestimmte polizeiliche Aufgaben Kräfte der Polizei des Bundes (Bundesgrenzschutz) zur Unterstützung ihrer Polizei nach den Rechtsvorschriften und unter der Verantwortung des anfordernden Landes einzusetzen. Die entliehenen Teile der Polizei des Bundes (Bundesgrenzschutz) sollen für den bestimmten Zweck den entleihenden Landesorganen funktionell eingegliedert werden und die Befugnisse erhalten, welche die entsprechenden Landesbehörden kraft Gesetzes haben; diese Behörden sollen im übrigen die Fachaufsicht über alle aus einem fest-umgrenzten Anlaß eingesetzten Kräfte haben. Unzulässig wäre es allerdings, wenn aufgrund landesrechtlicher Ermächtigungen der Polizei des Bundes (Bundesgrenzschutz) polizeiliche Zuständigkeiten als Daueraufgabe unter der Verantwortung des Bundes oder des anfordernden Landes zugewiesen würden (z. B. Übertragung der Verkehrsregelung in einer Stadt während normaler Zeiten an eine Einheit des Bundesgrenzschutzes auf Dauer).
Unklarheiten bestehen ferner in der Frage des Objektschutzes, der mit der Zunahme von Terrorakten — nicht nur im Verteidigungsfall — erhöhte Bedeutung gewinnt. Die Streitkräfte sind zuständig für den Schutz ihrer Unterkünfte und Einrichtungen gegen Angriffe aller Art und für den Schutz ziviler Objekte im Spannungs-und im Verteidigungsfall, soweit dies zur Erfüllung ihres Verteidigungsauftrages erforderlich ist. Der Schutz ziviler Objekte obliegt sonst grundsätzlich der Länder-polizei, soweit nicht im Falle des Art. 91 GG andere Zuständigkeiten entstehen. Das ist einfach und klingt plausibel, hat aber seine großen Schwierigkeiten. Es ist nicht vorhersehbar, welche zivilen Objekte im Verteidigungsfall von militärischen Kräften überraschend angegriffen werden. Da die Polizeibeamten der Bundesländer keine Kombattanteneigenschaft besitzen und im Verteidigungsfall nur Verräter und Saboteure aus der eigenen Bevölkerung abwehren dürfen, scheiden diese Polizeibeamten im Verteidigungsfall für einen Objektschutz aus. Ihnen nur in Normal-und Spannungszelten diesen Schutz zu übertragen, hätte den großen Nachteil, daß mit Eintritt des Verteidigungsfalles — also gerade zu einem besonders kritischen Zeitpunkt — der polizeiliche Schutz durch den militärischen ersetzt werden müßte. Will man diesen Wechsel vermeiden, der schon deswegen sehr unerwünscht ist, weil ein nachhaltiger Schutz eine genaue Kenntnis der politischen und verwaltungsmäßigen Bedeutung, der technischen Einrichtungen, der Gefährdung und der Schadensempfindlichkeit voraussetzt, dann müßte auch bereits in Normalzeiten der Objektschutz allgemein — von Ausnahmen abgesehen — den Streitkräften oder dem Bundesgrenzschutz als politische Aufgabe zugewiesen und damit eine Bundeszuständigkeit errichtet werden. Das setzte, da die Zuständigkeit weder auf dem Wege der Amtshilfe noch der Organleihe zu erreichen wäre, eine Grundgesetzänderung voraus, welche auch die wesentliche Tatsache berücksichtigen könnte, daß die Beamten der Bundesgrenzschutzverbände im Verteidigungsfall die Kombattanteneigenschaft besitzen.
Schließlich sei in diesem Zusammenhang auf eine Frage hingewiesen, die zwar nicht die Zuständigkeit von Bund oder Land unmittelbar betrifft, sondern die der Polizeihoheit überhaupt. Anläßlich des Bankraubes in München 1971 hatte ein Staatsanwalt den Polizeibeamten einen Feuerbefehl gegeben, bei dessen Durchführung einer der Täter und eine Geisel den Tod fanden. Martin Hirsch (jetzt Bundesverfassungsrichter) schreibt dazu u. a.: „Auch rechtlich leuchtet keineswegs ein, warum der Staatsanwalt (der Aufsicht und Leitung des Justizministers unterstehend) unter Benutzung der ihm aus strafprozessualen Gründen übertragenen Befehlsgewalt über die Hilfsbeamten (der Staatsanwaltschaft) plötzlich Aufgaben der Gefahrenabwehr sollte übernehmen können, die allein der Polizei zugewiesen sind. Hier muß eine klare Trennungslinie gezogen werden ... Im Bereich der Gefahrenabwehr unterliegt die Polizei ausschließlich den Weisungen der Polizeibehörde bzw.der inneren Verwaltung." Die Meinung der Justizminister der Länder geht dahin, daß die Entscheidung über den Schußwaffengebrauch in solchen Fällen der Staatsanwaltschaft zufalle, daß aber dessen Zeitpunkt, Art und Umfang Sache der Polizei sei. 2. Polizeihoheit und Bevölkerung Der Staatsrechtler Drews hat die Notwendigkeit des Wandels der Rechtsauffassungen damit begründet, daß das Recht nicht leblos und an den Buchstaben des Gesetzes gebunden, sondern lebendig und in steter Entwicklung begriffen sei, daß das Recht den nach der Rechtsüberzeugung veralteten Buchstaben jeden formellen Gesetzes überwinde und vor ihm Vorrang habe Er hat damit nicht nur den wandelbaren Begriff der öffentlichen Ordnung apostrophiert, sondern die Notwendigkeit der Anpassungsfähigkeit jeder polizeilichen Tätigkeit an die Mannigfaltigkeit der Beziehungen der Menschen zueinander und an ihre Abhängigkeit von den Ereignissen der Umwelt, an landsmannschaftliches Herkommen der Bevölkerungsgruppen, an ihr Wesen und ihre Gebräuche, an politische, soziale Einflüsse und an vieles andere. Es ist eine alte Erfahrung, daß über die Richtigkeit des polizeilichen Handelns letzten Endes allein der Erfolg entscheidet. Dabei kann kluge Zurückhaltung eine Bewegung zur Ruhe kommen lassen, die ein unbedachtes Eingreifen zum Aufruhr entfacht; dabei können entschlußloses Abwarten, verantwortungsscheue Nachgiebigkeit und wankelmütiges Zugreifen ein schwelendes Glimmen zum Brand werden lassen, das ein tatkräftiges Handeln beseitigt hätte (Opportunitätsprinzip) Zwischen diesen bei-den Polen bewegt sich die polizeiliche Tätigkeit sowohl beim Schutz der Freiheit des Staatsbürgers wie bei der Geltendmachung der Staatsautorität.
Von der vernünftigen, rechtmäßigen, verantwortungsbewußten und gerechten Handhabung hängt das Ansehen ab, das die Polizei in der Bevölkerung genießt. Zu einem überraschenden, recht günstigen Ergebnis in dieser Hinsicht ist eine Untersuchung gekommen, welche die Wickert-Institute kürzlich in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt haben und über die im April 1970 auf einer Tagung der Evangelischen Akademie in Loccum mit dem Thema „Polizei zwischen Obrigkeit und Öffentlichkeit“ berichtet wurde. Danach äußerten sich 76 % der Befragten positiv über die Polizei. Von den bis 29 Jahre alten Personen taten das 63 %, von den bis 49 Jahre alten 83 % und bis 69 Jahre alten 84 %. Die positive Einschätzung ist auch nach Ländern verschieden: in Nordrhein-Westfalen waren es 90%, in Niedersachsen und Bayern 64%. Bei den einzelnen Sparten lag die Schutzpolizei mit 72 % vor der Kriminalpolizei mit 58% Dieses Resultat ist um so erfreulicher, als gerade für die Polizei das alte Sprichwort gilt: „Wer am Wege baut, hat viele Meister!'. Bundesinnenminister Genscher meinte gelegentlich einer Ansprache in Kassel am 31. August 1971 zu diesem Thema: „Der Schutz von Freiheit und Recht des Staatsbürgers vollzieht sich in einem ständigen Spannungsverhältnis zwischen der Freiheit des einzelnen und den Ansprüchen der Gesellschaft, letztlich also zwischen Freiheit und Ordnung .. . Die Freiheit des einzelnen ist empfindlicher, leicht verletzbar geworden, und zwar nicht nur gegenüber Eingriffen des Staates und seiner Organe, sondern auch gegenüber Ansprüchen des Mitbürgers." Und Innensenator Ruhnau (Hamburg) erklärte im April 1970 auf der Arbeitstagung in Loccum u. a.: „Die Polizei verteidigt den demokratischen Staat; sie schützt nicht eine einmal erreichte und gewünschte Ordnung, sondern den verfassungsmäßig garantierten Raum, in dem sich die ständigen Änderungen vollziehen. Die freiheitliche Demokratie basiert auf einer geregelten und kanalisierten Austragung gesellschaftlicher Konflikte; sie unterliegt dem sozialen und politischen Wandel ... Die Polizei muß Regeln ha-* ben, mit denen sie demokratisch handeln kann. Politische Versäumnisse dürfen nicht auf dem Rücken der Polizei ausgetragen werden."
Mit Recht spricht Ruhnau von dem „verfassungsmäßig garantierten Raum", in dem die Ausübung der Polizeihoheit sich in allen Sparten zu bewegen hat, und nicht von einem Akkord mit der jeweiligen Regierungsgewalt, der schließlich zu einer parteipolitischen Ausrichtung der Polizei mit allen sich daraus ergebenden Nachteilen für das Vertrauen in die Unparteilichkeit bei der Handhabung der Polizei-hoheit führen müßte. Ein wesentliches Merkmal der Demokratie ist ja die verfassungsmäßig gewährleistete Möglichkeit, seine politische Meinung im Rahmen dieser Verfassung frei äußern zu können; diesem Prinzip würde es widersprechen, wenn die Polizei unter Wahrung der inneren Sicherheit und Ordnung den Schutz der gerade herrschenden politischen Partei oder Parteikoalition verstehen würde. Heinrich Brüning klagte im April 1932: „Eine Schwierigkeit, sowohl für die politischen Verhandlungen wie auch für die Reichsreform, lag in der Polizeiverwaltung. Hier hatte aufgrund der Erfahrungen der vergangenen anderthalb Jahre die Erkenntnis außerordentliche Fortschritte gemacht, daß es unmöglich sei, die Polizei bei dauernd wechselnden parteipolitischen Konstellationen intakt und schlagkräftig zu erhalten ... Aus diesem Grunde hatte ich ... gebeten, im stillen eine Notverordnung auszuarbeiten, die in der ersten Mai-Woche (1932) fertiggestellt wurde. Sie hatte den Zweck, im Falle des Scheiterns aller politischen Koalitionsverhandlungen in den Länderregierungen die Polizei auf das Reich zu übernehmen ..." 3. Entwicklung der Polizeihoheit in einzelnen Polizeisparten a) Politische Polizei — Verfassungsschutz Eine wichtige aus der Polizeihoheit sich für den Staat ergebende Aufgabe ist der Schutz der verfassungsmäßigen Grundordnung gegen Bestrebungen, die eine Aufhebung, gewaltsame Änderung oder Störung dieser Grundordnung oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern verfassungsmäßiger Organe zum Ziel haben (vgl. das Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes vom 27. September 1950 — BGBl. S. 682 —). Von der Betrachtung schließe ich die Einrichtungen aus, welche die Staatsführung mit Nachrichten und Erkenntnissen über die äußere Sicherheit des Staates versorgen und also dem Staatsschutz dienen (Nachrichtendienst) und welche die staatlichen Gebietsgrenzen und den staatlichen Gebiets-stand gegen Beeinträchtigungen und Angriffe von außen schützen sollen (Streitkräfte). Außer Betracht lasse ich auch Schutzmaßnahmen gegen Verfassungsmißachtungen durch höchste Verfassungsorgane (z. B. Duldung von Verfassungsverletzungen, Verfassungsbruch, Staatsstreich). Da staatsfeindliche Pläne und Aktionen in aller Regel nicht die Tat eines einzelnen sind, sondern die Ausstrahlung einer zentral geleiteten, über weite Gebiete sich erstreckenden staatsfeindlichen Bewegung, bestand auch in der Weimarer Republik das Bestreben nach einer möglichst einheitlich organisierten und gesteuerten Abwehr. Bei den staatlichen Polizeiverwaltungen der Länder wurde die . Politische Polizei'gebildet, die zwar mit der Arbeit anderer Polizeisparten — insbesondere der Kriminalpolizei — aufs engste verknüpft war, aber doch von einer Zentrale her geleitet und eingesetzt wurde (vom Innenministerium oder von dem Polizeichef der Hauptstadt des Landes, der zugleich für das ganze Land diese Aufgabe wahrnahm). Selbstverständlich mußte die . Politische Polizei'einen eigenen Nachrichtendienst unterhalten, dessen Beamte zu keiner Exekutivaufgabe, zu keiner Durchsuchung, Verhaftung oder Vernehmung herangezogen wurden; sie hatten lediglich politisch-polizeilich wissenswerte Mitteilungen zu sammeln und auszuwerten. Das Reich stützte sich in der Beurteilung der politischen Lage im wesentlichen auf die Berichte und Erkenntnisse der politischen Polizeien der Länder; der beim Reichsminister des Innern bestehende Reichskommissar für die öffentliche Ordnung hatte nur ergänzende Bedeutung und fand bei den Ländern keine allzu große Unterstützung. Pläne des Reiches im Jahre 1928 zur Schaffung eines Reichskriminalpolizeiamtes, das auch für die Überwachung staatsfeindlicher Bestrebungen zuständig sein sollte, stießen zunächst auf den Widerstand Preußens, sehr zum Bedauern Severings, der damals Reichsminister des Innern war Als die Bundesrepublik Deutschland geschaffen wurde, entstand auch die Frage des Staats-schutzes neu. Die Verwerflichkeit der Willkür-herrschaft in der nationalsozialistischen Zeit mit ihrer Geheimen Staatspolizei prägte die Grundzüge dieses Schutzes nach 1949, bei denen man davon ausging, 1. daß dem neu zu schaffenden Bundesamt für Verfassungsschutz keine polizeilichen Exekutivbefugnisse zustehen sollten (vgl. § 3 Abs. 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes vom 27. September 1950);
2. daß die Tätigkeit des Bundes grundsätzlich dort aufhören sollte, wo der Verfassungsschutz zum Staatsschutz würde; d. h. wo ein politisches Verhalten gegen Bestimmungen der (im Laufe der Jahre mehrfach ergänzten und geänderten) Strafgesetze verstößt, geht die Verfolgung von den Angehörigen des Bundesamtes für Verfassungsschutz auf die Organe der Strafverfolgungsbehörden und damit auch der Polizei über;
3. daß die Rolle des Hüters der Verfassung dem Bundesverfassungsgericht zuzumessen wäre (Art. 21 GG in Verbindung mit Art. 9 Abs. 2 und Art. 18 GG).
Man kann natürlich darüber streiten ob es richtig und überhaupt durchführbar ist, daß dieses Bundesamt unter enger Zusammenarbeit mit den Landesämtern für Verfassungsschutz sich auf die Sammlung und Auswertung von Auskünften, Nachrichten und sonstigen Unterlagen über verfassungsfeindliche Bestrebungen beschränken und — bar jeder eigenen Exekutive — alles weitere der Polizei und den Strafverfolgungsbehörden der Länder überlassen müßte. Man wird auch hierin zunächst eine Reflexhaltung des Grundgesetzgebers gegenüber den Ereignissen im nationalsozialistischen Staat sehen müssen. b) Kriminalpolizei Einen ähnlichen Weg wie die . Politische Polizei'ging die Kriminalpolizei in den letzten 50 Jahren. Zwar war schon vor dem Ersten Weltkrieg das Bemühen um eine enge Zusammenarbeit unter den Polizeidienststellen in der Verbrechensbekämpfung erkennbar und der Anstieg der Kriminalität in Nach-den kriegsjähren förderte die Bestrebungen nach einer besseren und spezialisierteren Zusammenarbeit auch zwischen Reich und Ländern, aber erst die Ermordung der Reichsminister Erzberger (26. 8. 1921) und Rathenau (24. 6.
1922) führten am 21. Juli 1922 zur Verabschiedung eines Reichskriminalpolizeigesetzes durch den Reichstag (RGBl. 1922 S. 593). Dieses Gesetz — auf dem Art. 9 RV fußend — ist zwar nicht wirksam geworden, weil die Reichs, regierung, die den Zeitpunkt des Inkrafttretens zu bestimmen hatte, bei den damaligen politischen Verhältnissen insbesondere den Widerstand der Länder nicht zu überwinden vermochte, aber es hat in seinen Grundzügen die Entwicklung der Kriminalpolizei in den Ländern entscheidend beeinflußt. Soweit die Polizeihoheit des Reiches und der Länder in diesem Gesetz angesprochen war, seien die wichtigsten Bestimmungen skizziert. Dem Reichskriminalpolizeiamt (RKPA) sollten u. a.
folgende Aufgaben zufallen:
1. Aufstellung von Richtlinien für die einheitliche Einrichtung und Geschäftsführung der Landeskriminalpolizeiämter (LKPÄ), für die Ausbildung der Beamten und die planmäßige Zusammenarbeit insbesondere auf dem Gebiet eines gemeinsamen Nachrichten-und Erkennungsdienstes; 2. Einrichtung von Landeskriminalpolizeiämtern in jedem Land oder in mehreren Ländern gemeinschaftlich;
3. Ermittlungen durch eigene Vollzugsbeamte des RKPA unter Mitteilung an die oberste Landesbehörde, wenn Einzelfälle die Interessen des Reiches unmittelbar berühren;
4. Vornahme von Amtshandlungen im ganzen Reichsgebiet durch Vollzugsbeamte des RKPA und der LKPÄ, die dort überall die Befugnisse von Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft haben; 5. Übernahme der Gesamtkosten für das RKPA, zu einem Drittel für die LKPÄ.
Das Land Sachsen paßte mit dem 1. Oktober 1922 als erstes seine kriminalpolizeiliche Organisation diesem Reichsgesetz an, während das Land Preußen erst durch den Erlaß des Preußischen Ministers des Innern vom 20. Mai 1925 eine Landeskriminalpolizei schuf. Dieses LKPA wurde beim Polizeipräsidenten von Berlin eingerichtet, der für die sachgemäße und einheitliche Tätigkeit der bei den staatlichen Polizeiverwaltungen zu bildenden Landeskriminalpolizeistellen (LKPSt) zu sorgen hatte. Dieses LKPA hatte in aller Regel keine Exekutivbefugnisse im Lande, sondern war in erster Linie Nachrichtensammelstelle Nachdem mit dem Zusammenbruch im Jahre 1945 die im nationalsozialistischen Reich geschaffene Reichskriminalpolizei ein schnelles Ende gefunden hatte, entstanden in den einzelnen Besatzungszonen — wie bei den anderen Polizeisparten — auch auf dem Gebiet der Kriminalpolizei sehr unterschiedliche Organisationsformen, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll. Die in der britischen und amerikanischen Zone geforderte Dezentralisation auch der Kriminalpolizei erwies sich sehr bald für deutsche Verhältnisse als ungeeignet und führte dazu, daß weitergehend als in der Weimarer Republik der Einfluß des Bundes auf die kriminalpolizeiliche Tätigkeit bereits im Grundgesetz festgelegt wurde. Art. 73 Nr. 10 GG bestimmt, daß der Bund die ausschließliche Gesetzgebung hat über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in der Kriminalpolizei und in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, über die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes sowie über die internationale Verbrechensbekämpfung. Der Art. 87 Abs. 1 Satz 2 gibt dem Bund ferner das Recht, in bundeseigener Verwaltung durch Bundesgesetz u. a. Zentralstellen für das polizeiliche Auskunfts-und Nachrichtenwesen, zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und für die Kriminalpolizei einzurichten. Damit war der Weg frei für die Organisation einer zweckentsprechenden Zusammenarbeit von Bund und Ländern, die in dem Gesetz über die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes (BKA) vom 8. März 1951 — BGBl. I S. 165 — ihren sinnvollen Niederschlag fand. Das BKA hat u. a.
1.den Verbrecher zu bekämpfen, soweit er sich über das Gebiet eines Landes hinaus betätigt (oder voraussichtlich betätigen wird);
2. Nachrichten und Unterlagen für die kriminalpolizeiliche Verbrechensbekämpfung und die Verfolgung strafbarer Handlungen zu sammeln und auszuwerten;
3. die Behörden der Länder über die sie betreffenden Nachrichten zu unterrichten.
Die Länder sind verpflichtet, für ihren Bereich zentrale Dienststellen der Kriminalpolizei (LKÄ) zu unterhalten und deren Nachrichten und Unterlagen dem BKA zu übermitteln; sie sind für die vorbeugende Verbrechens-bekämpfung und die Verfolgung strafbarer Handlungen allein zuständig. Das BKA hat jedoch eine strafbare Handlung selbst zu verfolgen, wenn eine zuständige Landesbehörde darum ersucht oder wenn der Bundesminister des Innern es aus schwerwiegenden Gründen anordnet. Die auf diese gesetzliche Ausnahmeregelung gestützte Aufstellung einer Sicherungsgruppe als Bestandteil des BKA mit den Arbeitsgebieten: Ermittlungen über Landesverrat und Hochverrat, Schutz-und Begleitdienste ist mehrfach Gegenstand des Vorwurfs gewesen, der Bundesminister des Innern habe mit diesen Einrichtungen Zuständigkeiten in Anspruch genommen, für die im Gesetz über das BKA keine Grundlage vorhanden wäre
Diese Bedenken sind durch die Neufassung des Gesetzes über das BKA vom 19. September 1969 — BGBl. I S. 1717 — z. T. dadurch ausgeräumt worden, daß das BKA zusätzlich verpflichtet wurde, die polizeilichen Aufgaben auf dem Gebiet der Strafverfolgung selbst wahrzunehmen, wenn der Generalbundesanwalt oder der Untersuchungsrichter in Verfahren, in denen der Generalbundesanwalt die Ermittlungen führt, darum ersucht oder einen Auftrag erteilt, daß das BKA ermächtigt würde, in solchen Fällen den zuständigen LKÄ Weisungen für die Zusammenarbeit zu geben. Darüber hinaus erhielt das BKA das Recht:
1. unbeschadet der Zuständigkeit der Polizei-behörden in den Ländern zur Unterstützung von polizeilichen Strafverfolgungsmaßnahmen Bedienstete zu den Polizeibehörden der Länder zu entsenden, wenn die zuständige Landes-behörde darum ersucht oder wenn dies den Ermittlungen dienlich sein kann;
2. zur einheitlichen Wahrnehmung der Strafverfolgung einem Land polizeiliche Aufgaben im Einvernehmen mit einem Generalstaatsanwalt und einer obersten Landesbehörde insgesamt zuzuweisen, wenn eine strafbare Handlung den Bereich mehrerer Länder berührt oder ein Zusammenhang mit einer anderen strafbaren Handlung in einem anderen Land besteht. Diese gesetzlich festgelegte Zuständigkeitsverteilung auf Bund und Länder fand ihre praktische Zusammenführung in der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der LKÄ mit dem BKA: „Auf diese Weise wurde eine Verzah-nung der Tätigkeiten erreicht, die das BKA als sachlich-fachlich notwendige und unabdingbare Ergänzung der Kriminalpolizeien der Länder ausweist. Seit ihrem Bestehen ist die kriminalpolizeiliche Zentralstelle des Bundes damit mehr und mehr in die Rolle eines die Vollzugstätigkeit aller Kriminalpolizei-Behörden unterstützenden, sie oft sogar erst ermöglichenden Amtes hineingewachsen — eines Amtes, das dank der aus dem In-und Ausland bei ihm eingehenden Nachrichten und Unterlagen über breitgestreutes Informationsmaterial und damit in vielen Fällen über die große Übersicht verfügt. In seiner Eigenschaft als Nationales Zentralbüro der Internationalen kriminalpolizeilichen Organisation (IKPO = Interpol) faßt das BKA alle kriminalpolizeilichen Angelegenheiten internationalen Charakters in der Bundesrepublik Deutschland zusammen und ist somit Bindeglied zwischen den deutschen Kriminalpolizei-Behörden und dem Generalsekretariat der IKPO = Interpol in Paris sowie den Nationalen Zentralbüros der angeschlossenen Staaten."
Die starke Zunahme der Kriminalität insbesondere auf den Gebieten des Rauschgiftmißbrauchs, des Kraftfahrzeug-Diebstahls, des Raubes, der Wirtschaftsverbrechen, der Straftaten von Ausländern und der Geiselnahme hat die Bundesregierung veranlaßt, ein Sofortprogramm zur Modernisierung und Intensivierung der Verbrechensbekämpfung aufzustellen, das neben einer wesentlichen Verstärkung der Haushaltsmittel des BKA und personellen Maßnahmen auch organisatorische Änderungen (Aufbau einer Ermittlungsgruppe, Ausbau der bereits erwähnten Sicherungsgruppe, Verbesserung der Kriminaltechnik, Intensivierung der Forschungsarbeit, engere Zusammenarbeit mit der Schutzpolizei) vorsieht. c) Schutzpolizei Erfolge dieser Maßnahmen zeitigte u. a. die Fahndung nach den Mitgliedern der Baader-Meinhof-Bande. Der Bund verfügt über keine eigenen Schutz-polizeikräfte, so daß sich Untersuchungen über die Zuständigkeitsverteilung bei dieser Polizeisparte auf das Teilgebiet der Bereitschaftspolizei beschränken können. Ich habe in meiner Abhandlung „Polizeiliche Zuständigkeitsfragen zu Beginn der Bundesrepublik Deutsch-land" die Schwierigkeiten aufgezeigt, die sich einer Beteiligung des Bundes an den Bereitschaftspolizeien der Länder entgegenstellten und habe den wesentlichsten Inhalt eines am 27. Oktober 1950 zwischen Bund und Ländern abgeschlossenen , Verwaltungsabkommens über die Errichtung von Bereitschaftspolizeien der Länder'wiedergegeben. Erinnert sei daran, daß dieses Abkommen bereits am 7. November 1950 im Deutschen Bundestag z. T. auf heftige Kritik gestoßen war. Der Abgeordnete Dr. Menzel (SPD), der sich dafür eingesetzt hatte, dem Bund auf dem Gebiet der Polizeiexekutive verfassungsrechtlich eigene Rechte einzuräumen, erklärte u. a,:
„Noch unmöglicher (als die Vorhaltung von einem Viertel der Bereitschaftskräfte zur Verfügung des Bundes) ist der Versuch, in einem Vertrag für alle Länder festzulegen, daß er bereits dann gelte, sobald die Mehrheit der Länder zugestimmt hätte. Ich wende mich vor allem an die Föderalisten dieses Hauses: wo kommen wir hin bei der notwendigen klaren Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Bund und Ländern, wenn man die gesamten Zuständigkeiten dadurch verschieben kann, daß eine Mehrheit der Länder — nicht im Bundesrat, sondern vertreten durch ihre Bürokratie — sich bereit erklärt, Hoheitsrechte auf den Bund zu übertragen . . . Wir können die Zuständigkeitskataloge des Grundgesetzes nicht durch Ländervereinbarungen abändern; das ist verfassungsrechtlich unmöglich und verfassungspolitisch bedenklich".
Ähnliche Bedenken kamen auf einer Arbeitstagung der Gewerkschaft der Polizei im Herbst 1959 in Remagen zutage, als ein Referent u. a. erklärte: „Man wird das (Verwaltungs) Abkommen (vom 27. 10. 1950) für zweckmäßig und verständig halten dürfen. Man vergegenwärtige sich aber, daß unsere Verfassungsväter davon gewußt hätten! Ich glaube, wenn man das Ganze scharf ansieht, dann hat es vor dem Grundgesetz nur mit allergrößter Mühe Bestand. Das muß uns bedenklich stimmen. Wir dürfen uns nämlich im Rechtsstaat die diebische Freude nicht leisten zu versuchen, den Verfassungsgeber übers Ohr zu hauen." Das kritisierte Abkommen, das inzwischen durch neue Abkommen ersetzt wird, hat — was die Einwirkungsmöglichkeit des Bundes anlangt — in den abgelaufenen 20 Jahren seine Bewährungsprobe erfreulicherweise nicht zu bestehen brauchen, weil die inneren Verhältnisse es den Ländern gestatteten, die öffentliche Sicherheit und Ordnung ohne Einschaltung des Bundes zu gewährleisten.
Begrüßenswerterweise sind die Länder dazu übergegangen, die bisherige Organisation der Bereitschaftspolizei, Ausbildungseinrichtung und Einsatzreserve zu sein, dahingehend abzuändern, daß die Bereitschaftspolizei nur noch Eingreifreserve ist und die Grund-und die Spezialgrundausbildung der Dienstanfänger in besonderen Ausbildungsstätten vorgenommen wird. Dadurch wird eine ungestörte Ausbildung erreicht und die Einsatzfähigkeit geschlossener Polizeikräfte gefördert.
Die Bereitschaftspolizeien der Länder gliedern sich z. Z. in sechs Direktionen und 25 Abteilungen; fünf weitere Abteilungen sind im Aufbau. Mit Befriedigung stellt eine Denkschrift aus letzter Zeit fest, daß die Bereitschaftspolizei in den kritischen Lagen der letzten Jahre der wesentlichste Ordnungsfaktor im landes-polizeilichen Bereich gewesen ist, ein Faktor, dessen schwerpunktmäßiger Einsatzwert naturgemäß beim großen Sicherheits-und Ordnungsdienst liegt. Nachzutragen bleibt in diesem Zusammenhang, daß in der Weimarer Republik Einzeldienstpolizei und Bereitschaftspolizei bei den staatlichen Polizeiverwaltungen in den Polizei-Abteilungen, den späteren Polizei-Inspektionen, bzw. bei den mittleren und kleinen Polizei-Kommandos integriert waren, daß also jeder Schutzpolizeiverband über Polizei-Reviere und Polizei-Hundertschaften verfügte, eine Organisation, die sich in den unruhigen Verhältnissen jener Jahre gut bewährte. Die Grundausbildung wurde damals ausschließlich auf Polizei-Schulen betrieben. d) Grenzpolizei Die an der Grenze eines Hoheitsgebietes eingesetzten Exekutivorgane sollen die Unversehrtheit des abgegrenzten Gebietes bewahren, verbotene Grenzübertritte verhindern und Verstöße gegen das Zollgesetz verhüten. Die Grenzbewachung war bis in die neuere Zeit hinein meistens eine militärische Aufgabe. Mit der Liberalisierung des Reiseverkehrs und der Verminderung der Gefahr überraschender militärischer Aktionen wurde die Grenzüberwachung in verstärktem Maße eine polizeiliche Aufgabe. Nach der Weimarer Reichsverfassung (Art. 79) war der Schutz des Reichsgebietes gegen kriegerische Angriffe Sache des Reiches, und zwar durch Streitkräfte. Daneben waren die Organe der Reichsfinanzverwaltung (des Zolls) eingesetzt, deren Beamte (Grenzaufsichtsdienst) die Überwachung des Personenverkehrs mit wahrnahmen. Im übrigen war es Aufgabe der Länder, das Eingreifen einer fremden Staatsgewalt zu verhindern; zu diesem Zweck bestanden bei der staatlichen Polizeiverwaltung Grenz-Kommissariate. Seitdem an die Stelle eines möglichen großen Krieges, dessen Risiko in den Zeiten der Atomdrohung zu groß ist, der Kleinkrieg, der revolutionäre Krieg — oder wie immer man den mehr oder weniger hinterhältigen Kampf gegen die bestehende Ordnung bezeichnen will — mit den Methoden der Infiltration, Subversion, Sabotage oder des Terrors getreten ist, gewinnt der polizeiliche Schutz der Grenzen zunehmende Bedeutung. Das gilt besonders für Deutschland, dessen Gebiet durch eine Demarkationslinie in zwei Teile gespalten wurde mit zwei verschiedenen Gesellschaftssystemen im Macht-und Schutzbereich der beiden gegensätzlichen Weltmächte.
An die sich daraus ergebenden Gefahren für den Bestand der sich bildenden Bundesrepublik Deutschland dachte der Grundgesetzgeber, als er einem Vorschlag der Abgeordneten Prof. Dr. von Mangoldt (CDU), Dr. Dehler (FDP) und Zinn (SPD) folgend im Parlamentarischen Rat in den späteren Art. 87 GG den Satz einfügte: „Durch Bundesgesetz können (u. a.) Bundesgrenzschutzbehörden eingerichtet werden“. Der ursprüngliche Vorschlag der drei Abgeordneten lautete: „Bundesgrenzschutz-Polizei-Behörden"; das Wort . Polizei'wurde im Verlaufe der Beratungen auf Antrag u. a.der Fraktion der CDU/CSU gestrichen, weil die Polizeihoheit entsprechend dem föderativen Staatsaufbau angeblich (nur) bei den Ländern läge. Prof. Dr. von Mangoldt hat aber in einem Schreiben vom 3. Januar 1950 an den Bundesinnenminister ausdrücklich darauf hingewiesen, daß auch mit dem Wort Bundesgrenzschutzbehörden'Polizeibefugnisse des Bundes und eine Bundespolizei gemeint gewesen wären.
Der in Auswirkung dieser grundgesetzlichen Bestimmung im Jahre 1951 aufgestellte Bundesgrenzschutz sollte sein und ist der polizeiliche Puffer zwischen den militärischen Vorposten von Ost und West; das haben die Grenzzwischenfälle in den 20 Jahren seines Bestehens und mehr noch der erfolgreiche Schutz der Bevölkerung an dieser Grenze zur Genüge bewiesen Daß die Organisation einer Polizei mit solchen Aufgaben, daß deren Einsatzform, Ausrüstung, Bewaffnung, Ausbildung und völkerrechtliche Stellung von denen der Polizei im Innern der Bundesrepublik Deutschland abweichen muß, ist eine zwangsläufige Folge. Abwegig ist es, wenn bei der Beratung des Entwurfes eines neuen Bundesgrenzschutz-Gesetzes — das dieser Organisation auf Anforderung einer Landesbehörde auch allgemeinpolizeiliche Aufgaben zur Unterstützung der Länderpolizeien einräumen soll — der Vertreter des Landes Hessen u. a. ausführte: „Der Bundesgrenzschutz ist nach seiner Aufgabenstellung, Organisation und Bewaffnung keine spezifische Polizeieinheit, sondern ein para-militärischer Truppenverband, der im Falle eines bewaffneten Konflikts einen militärischen Kampfauftrag hat ... Der Ausschuß (Vorprüfungsausschuß des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts) hat am 15. 12. 1966 klargestellt, daß der Bundesgrenzschutz von Anbeginn an ein quasi-militärischer Verband war und ist. In einem Rechtsstaat müssen aber die Funktionen der Polizei als eines Rechtsschutzinstruments und die Funktionen der bewaffneten Macht als eines Instruments staatlicher Bestandssicherung getrennt bleiben." Diese Auffassung wurde allerdings von den anderen Ländern nicht geteilt. Um aber auch im Ausdruck zu betonen, daß der Bundesgrenzschutz eine Polizei des Bundes und nicht eine Truppe ist und sein will, sollte man die zweideutige Bezeichnung . PolizeiTruppe'vermeiden, zumal ja der wichtige BGS-Einzeldienst, zur Kontrolle des grenzüberschreitenden Reiseverkehrs bestimmt, keine . Truppenaufgaben'wahrnimmt. Das erste Bundesgrenzschutz-Gesetz spricht nicht von Polizeitruppe’, sondern von . Verbänden des Bundesgrenzschutzes': dieser Bezeichnung sollte man sich grundsätzlich bedienen.
Eine andere Frage, die im Laufe der Jahre bei der Erörterung der polizeilichen Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern auftauchte, betrifft das Fortbestehen von Landesgrenzschutz-Behörden (bayerische und hessische Grenzpolizei). Bereits bei der Beratung des 1. BGS-Gesetzes am 15. Februar 1951 hatte der Abgeordnete Dr. Menzel (SPD) Bedenken gegen Grenzpolizeien der Länder angemeldet: „Bei den Beratungen im Ausschuß für innere Angelegenheiten war man sich darüber klar, daß mit der Schaffung des Bundes-grenzschutzes eine Auflösung der Landesgrenzschutzbehörden zwangsläufig verbunden ist .,. Wenn der Bund die ausschließliche Gesetzgebung über den Grenzschutz hat (Art. 73, Ziff. 5 GG), dann bedeutet das, daß die Länder keine eigenen Landesgrenzschutzgesetze erlassen dürfen ... Es heißt in Art. 87 GG nicht, daß der Bund Grenzschutzbehörden errichten darf, sondern er darf nur Bundesgrenzschutz-Behörden errichten ... Somit Ist Jetzt schon kraft Verfassung ein etwaiger Landesgrenzschutz ... Bundesgrenzschutz geworden." Das Land Hessen überführte seine Grenzpolizei bereits Ende des Jahres 1949 in den Zollgrenzdienst, während Bayern seine Grenzpolizei auch jetzt noch unterhält mit der Begründung, daß in dem Art. 87 GG mit Vorbedacht die Formulierung gewählt worden wäre, durch Bundesgesetz könnten Bundesgrenzschutzbehörden eingerichtet werden. Es wäre also nicht „ausgeschlossen, daß der Bund unter Verzicht auf das Recht der eigenen Verwaltung den Vollzug des Gesetzes einem Land in eigener Verwaltung überläßt" Um eine rechtliche Grundlage zu schaffen, sieht das neue BGS-Gesetz in § 63 vor, daß der Bundesminister des Innern nach Vereinbarung mit dem beteiligten Land durch Rechtsverordnung die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Reiseverkehrs und die einzeldienstliche Wahrnehmung sonstiger Grenzschutzaufgaben Polizeibehörden der Länder nach seinen Weisungen im Wege der Organ-leihe zur Ausübung überläßt. Grenzpolizeiliche Aufgaben Innerhalb der Bundesverwaltung können auch von der Zollverwaltung wahrgenommen werden, um dadurch die Abfertigung dieses Reiseverkehrs zu vereinfachen. e) Flughafen-Polizei Terror-Anschläge gegen in der Luft und auf Flughäfen befindliche Flugzeuge haben auch in der Bundesrepublik Deutschland den Ruf nach mehr Sicherheit im Luftverkehr verstärkt und einige Länder aus Mangel an verfügbaren Polizeikräften veranlaßt, den Bund um Unterstützung durch den Bundesgrenzschutz zu bitten. Diese Hilfeleistung hat wiederum eine um das Verfassungsrecht besorgte Kritik hervorgerufen, so daß eine kurze Erörterung der Zuständigkeitsverteilung auch auf diesem Gebiet angezeigt erscheint.
Seit dem Frühjahr und Herbst 1970 sind auf Anfordern der entsprechenden Länder erstmalig Vollzugsbeamte des Bundesgrenzschutzes zur Abwehr der dem Luftverkehr drohenden Gefahren auf den Flughäfen Frankfurt a. M., Hamburg-Fuhlsbüttel, Hannover-Langenhagen und Bremen eingesetzt, obwohl die Flughäfen der Polizeihoheit der Länder unterstehen. Die polizeiliche Zuständigkeit der Länder wird überlagert durch Befugnisse der Luftfahrtbundesbehörden, die als Luftaufsicht von den Ländern (Ministerium für Wirtschaft und Verkehr) im Auftrage des Bundes oder aber von dem Luftfahrtbundesamt bzw.der Bundesanstalt für Flugsicherung (Sicherheitsfragen des Flugpersonals und der Flugtechnik) wahrgenommen werden. Bisher war der Bundesgrenzschutz-Einzeldienst auf den internationalen Flughäfen lediglich in Ausübung der Verpflichtung zur Verhinderung verbotener Grenzübertritte tätig. Soweit die Landesgesetzgebung eine Unterstützung der Polizeikräfte des Landes durch Vollzugsbeamte des Bundes zuläßt, können Polizeivollzugsbeamte des Bundesgrenzschutzes im Wege der Organleihe, also nach Landesrecht, Aufgaben der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit (Gefahrenabwehr) übernehmen; andernfalls muß der Umweg über die Amtshilfe beschritten werden, d. h.der Polizeivollzugsbeamte des Bundes kann nur nach Bundesrecht tätig werden. Diese Verschlungenen Zuständigkeitsverhältnisse sollten baldmöglichst dahingehend vereinfacht werden, daß die gesamte Luftaufsicht in bundeseigener Verwaltung durchgeführt und — abgesehen von Pachaufsichtsrechten — dem Bundesgrenzschutz übertragen wird, der damit auch für Bewachung der Flugzeuge, Überwachung des Flugfeldes und die Abwehr von konkreten Gefahren für den Luftverkehr zuständig würde.
Die Reihe der Polizeisparten mit unterschiedlicher Zuständigkeit von Bund und Ländern ist damit nicht abgeschlossen; sie könnte Z. B. mit der Darstellung der Gesundheitspolizei, der Verkehrspolizei, des Zivilen Bevölkerungs-Schutzes, der Ordnungspolizei der Parlamente, der Bahnpolizei, des Zollfahndungsdienstes oder der Schiffahrts-und Strompolizei fortgesetzt werden. Das bisher Gesagte zeigt jedoch zur Genüge die unterschiedliche Entwicklung der Polizeihoheit auf. f) Zwangsanwendung Erfreulicherweise ist auf dem Gebiet der Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Vollzugsbeamte des Bundes bei Ausübung öffentlicher Gewalt weitgehende Übereinstimmung zwischen Bund und Ländern herbeigeführt worden (Bundesgesetz Vom 10, 3, 1961 — BGBl. I 3. 165 —). Nur über die Zweckmäßigkeit und die Art der Waffen für die Polizei sind noch unterschiedliche Vorstellungen vorhanden. Sie reichen von dem Verzicht auf alle Schußwaffen für die Polizei nach englischem Muster bis zu der Forderung einer vorsorglichen Ausrüstung des Bundesgrenzschutzes mit Granatwerfern und Handgranaten. Da nicht vorhersehbar ist, welche Waffen und Sprengmittel der Störer der öffentlichen Sicherheit einsetzen kann und wird, muß die Polizei so bewaffnet und ausgerüstet sein, daß sie auch dann ihre Aufgabe noch erfüllen kann, wenn nicht mehr unter der Verfassung, sondern um sie gekämpft werden muß. Man kann nicht beides zusammen wollen: eine möglichst geringe Bewaffnung der Polizei, und einen möglichst weit hinausgeschobenen Einsatz der bewaffneten Macht. Die unausweichliche Folge wären langwierige und für die eingesetzten Polizeikräfte der Länder und des Bundes verlustreiche Kämpfe. Ipsen sagt in seinem Kommentar zu Art. 87 a GG über die Bewaffnung der Sicherheitskräfte richtigerweise: „Es wird keine verantwortungsvolle Staatsführung hinnehmen können, daß eine kontinuierliche Gefährdung der Unbeteiligten Bevölkerung aufrechterhalten wird, nur um die Aufständischen zu schonen. Hinzu kommt, daß langanhaltende Kämpfe im Innern Zwangsläufig gefährliche außenpolitische Auswirkungen haben Werden, unter Umständen sogar das auslösende Moment für einen Krieg darstellen. Angesichts dieser Realitäten ist hier ein typisches Beispiel dafür gegeben, daß juristische Argumentation einen Punkt erreichen kann, an dem nicht mehr die tatsächlichen Ereignisse, sondern die verfassungsrechtlichen Argumente die Aufrechterhaltung der verfassungsmäßigen Ordnung in Frage stellen."
III. Die Polizeihoheit in Notzeiten
1. Grundsätzliches Die sich aus der Polizeihoheit für die Organe in Bund und Ländern ergebenden Rechte sind das Ergebnis der Pflichten, welche diese Organe insbesondere in Notzeiten gegenüber dem einzelnen Staatsbürger wie deren Gemeinschaft, dem Staat, haben. Zur Erfüllung dieser Pflichten gehört es, rechtzeitig Vorsorge zu treffen, daß die Grundsätze, auf denen das Staatswesen ruht, auch in Notzeiten bestehenbleiben können, damit im Notstands-fall an die Stelle des Rechts nicht die Macht der Tatsachen tritt. Uber die Form und das Ausmaß der notwendigen Vorsorge kann man selbstverständlich verschiedener Meinung sein: Sie ist abhängig von der Beurteilung der gegenwärtigen und zukünftigen, äußeren und inneren Lage, von dem Grad der Einwirkungsmöglichkeit äußerer Umstände und Kräfte auf die innere Sicherheit, von der Bereitschaft aller Verantwortlichen, das Wohlstandsdenken durch die Ankündigung auch unpopulärer Maßnahmen zu stören, von der Einsatzfähigkeit und der Einsatzbereitschaft der Sicherungskräfte u. a. m.
Manche Zeitgenossen machen es sich zu bequem, wenn sie mit der Ausrufung des , Staatsnotstandes'in Krisenlagen die Verantwortung für das Schicksal des Staates allein der vollziehenden Gewalt zuschieben wollen oder gar das Eintreten von existenzgefährdenden Lagen überhaupt bezweifeln. Wir leben in einer im Grundsatz auf ruhige Zeiten angelegten rechtsstaatlichen Demokratie; gerade diese Tatsache legt uns die Verpflichtung auf, für Notzeiten die Anwendung der Macht und deren Auswirkungen vorausschauend erkennbar zu machen. Das gilt besonders für das Verhältnis des Zentralstaates zu den Gliedstaaten, das sich um so stärker zu einem Gesamtstaat hin entwickeln muß, je größer die Bedrohung dessen Bestandes ist.
Für längere Ausführungen über die Entwicklung unseres Notstandsrechtes ist hier nicht der Raum. Für die Weimarer Zeit sei lediglich festgestellt, daß in diesen 14 Jahren über mehr als in der Hälfte der Zeit mit dem zivilen oder militärischen Ausnahmezustand regiert werden mußte. Ernst Benda schreibt darüber: „Wenn einmal unter schwierigen politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen dem Parlament die Flucht aus der Verantwortung gestattet wird (Art. 48 RV!), die gerade dann naheliegt, wenn nur drastische und daher für den Wähler u. U. wenig attraktive Schritte die gestörte Ordnung wiederherstellen können, dann ist an sich schon ein Klima entstanden, in dem der Ruf nach dem starken Mann ertönt, der wieder Stabilität zu bringen scheint." Der Grundgesetzgeber hat aus den Erfahrungen und Fehlern der Weimarer Epoche die nötigen Lehren gezogen und zwar nicht mit dem schillernden Begriff des allgemeinen Staatsnotstandes, sondern mit den Bestimmungen z. B. über den Umfang der zulässigen Einschränkung von Grundrechten, über die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Verteidigungsfall auch auf den sonst den Ländern vorbehaltenen Gebieten, über die Befugnisse des Gemeinsamen Ausschusses (Notparlament), über die Weisungsbefugnisse der Bundesregierung oder einer Landesregierung im Verteidigungsfall für das ganze Bundesgebiet.
Im Rahmen dieser Abhandlung sollen nur diejenigen Bestimmungen erörtert werden, welche die Polizeihoheit in dem Bund/Länder-Verhältnis in Notzeiten betreffen. Es wird sich dabei zeigen, daß das Maß der Gefährdung der inneren Sicherheit und der Umfang der Verlagerung von Länderzuständigkeiten auf den Bund Funktionen voneinander sind, soll der Bundesstaat überleben. Sehr aufschlußreich wäre es, diese in Notzeiten veränderliche Abhängigkeit der Polizeihoheit auch in anderen Bundesstaaten zu untersuchen; ich muß mich auf die Bundesrepublik Deutschland beschränken, und zwar auf die im Grundgesetz behandelten Fälle von Naturkatastrophen und von Gefahren für den Bestand des Staates. Die Verfassungsregelung der Länder für Notstandsfälle, die von der Verkündung des Staatsnotstandes durch die Regierung (Baden-Württemberg), über die Einschränkung oder Aufhebung bestimmter Grundrechte durch die Regierung (Bayern) bis zum Verordnungsrecht der Regierungen Senate mit Gesetzeskraft (Bremen, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, reichen, sollen unerörtert bleiben, wie die Notstands-befugnisse Alliierten, die bis 1968 in Kraft wie schließlich andere bundesgesetzliche (wie z. B. Bundesleistungsgesetz, Die in den Artikeln 35, 91 (in Verbindung mit 87 a) und 115 f GG festgelegten Zuständigkeiten gehen von dem Grundsatz der Einheit der Staatsgewalt im Geltungsbereich des Grundgesetzes aus, auch wenn die Staatsgewalt von verschiedenen Körperschaften ausgeübt wird, Die Durchführung einer Sicherheitsmaßnahme soll an Zuständigkeitsfragen nicht scheitern, wobei — wie bereits erwähnt — die gegenseitige Verpflichtung zur Hilfe, Unterstützung und Ersatzvornahme nicht nur für das Bund/Länder/Gemeinde-Verhältnis besteht, sondern auch für die einzelnen Verwaltungen untereinander. Dabei wird unterschieden zwischen a) dem regionalen und überregionalen Notstand, d. h.der Gefahrenlage, die nur ein Land betrifft, und der, welche mehrere Länder oder das gesamte Bundesgebiet angeht;
b) den Gefahren, die von Menschen ausgehen, und solchen, die von Naturgewalten verursacht worden sind. 2. Katastrophenfall (Art. 35 GG)
Der Art. 35 GG, der die Verpflichtung der Behörden des Bundes und der Länder zur gegenseitigen Rechts-und Amtshilfe enthält, ist durch die Notstandsverfassung dahingehend erweitert worden, daß bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall das betroffene Land Kräfte und Einrichtungen der Polizei anderer Länder und anderer Verwaltungen sowie Kräfte und Einrichtungen des Bundesgrenzschutzes und der Bundeswehr anfordern kann.
Sind mehrere Länder betroffen, so kann die Bundesregierung, soweit erforderlich, a) den nicht betroffenen Landesregierungen die Weisung erteilen, den betroffenen Ländern Polizeikräfte zur Verfügung zu stellen; b) Einheiten des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte einsetzen.
Wesentlich ist, daß es sich um Gefahrenlagen handeln muß, für deren Begrenzung und Beseitigung die Polizei zuständig ist.
Den Anlaß zu dieser Erweiterung des Grundgesetzes hat zweifelsohne die Flutkatastrophe vom Februar 1962 im Raum Hamburg gegeben. Der für die Hilfsmaßnahmen s. Z. verantwortliche Innensenator Schmidt berichtete bei der zweiten Lesung des Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes hierüber: „Ich habe gar keine Zweifel, daß es selbstverständlich im Rahmen des geltenden Grundgesetzes voll und ganz gerechtfertigt war, Bundeswehreinheiten zu alarmieren und sie auf dem Wege über die Amtshilfe ... für vielerlei Rettungsund Versorgungsmaßnahmen einzusetzen. .., So kamen Neugierige in großer Zahl, die mit ihren Pkw die einzige Versorgungsstraße blokkierten, die wir zur Versorgung jener Menschen hatten, die auf der Elbinsel Harburg-Wilhelmsburg vom Wasser völlig eingeschlossen waren ... Nun war es so, daß die Polizei nicht mehr über die Kräfte verfügte, um dort rücksichtslos mit Hunderten von Fahrzeugen Neugieriger aufzuräumen ... Wir handelten damals durchaus in dem Bewußtsein, gegen das Grundgesetz zu verstoßen, als wir das Folgende anordneten: wir räumten mehreren Kompanien der Bundeswehr ausdrücklich polizeiliche Befugnisse ein und kündigten an, daß wir diese Pkw mit Gewalt durch Ordnungskräfte (auch Bundesgrenzschutz und Bundeswehr) in den Bach stürzen lassen würden."
Bisher konnten solche Kräfte nur nach dem Recht des ersuchenden Staates (Bund, Land) im Wege der Amtshilfe tätig werden, d. h. Kräfte der Bundeswehr durften z. B. polizeihoheitliche Aufgaben überhaupt nicht, Kräfte des Bundes-grenzschutzes nur polizeiliche Aufgaben im Rahmen ihrer grenzpolizeilichen Befugnisse wahrnehmen. Art. 35 GG (neu) legt durch die Formulierung , zur Hilfe'(Absatz 2) und , zur Unterstützung'(Absatz 3) der Polizeikräfte fest, daß die Bekämpfung von Naturkatastrophen usw. nach der grundgesetzlichen Zuständigkeitsverteilung Ländersache ist, daß daher Hilfskräfte nur nach dem im Einsatzland geltenden Recht tätig werden dürfen. Es handelt sich also um eine , Organleihe'mit der Folge, daß diese Kräfte im Einsatzland auch zur Ausübung polizeilicher Hoheitsaufgaben verwendet werden können (z. B. Verkehrsregelung, Evakuierung, Inanspruchnehmen Nichtpolizeipflichtiger). Das bedeutet insbesondere für die eingesetzten Teile der Streitkräfte ein grundsätzliches Umschalten auf polizeiliche Grundsätze (Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, pflichtmäßiges Ermessen, Verhältnismäßigkeit der Mittel, Zulässigkeit des unmittelbaren Zwanges, Inanspruchnehmen polizeipflichtiger und nichtpolizeipflichtiger Personen usw.).
Es ist nicht ersichtlich, warum der Grund-gesetzgeber im Abs. 2 (Art. 35 GG) von , Hilfe', im Abs. 3 dagegen von . Unterstützung'spricht.
Nachdem er sich entschlossen hat, bei Hilfe-leistungen aus Anlaß von Naturkatastrophen usw. das Verhältnis von Bund und Ländern grundgesetzlich zu regeln, muß sein Wille unterstellt werden, alle aus diesem Anlaß eingesetzten Kräfte nach den im Einsatzland geltenden Rechtsnormen, besonders Polizei-Rechtsnormen, tätig werden zu lassen, gleichgültig, ob es sich um , angeforderte', , zur Verfügung gestellte'oder , von der Bundesregierung eingesetzte'Kräfte handelt. Ich würde eine Unterscheidung zwischen , Hilfe'(= Amtshilfe mit Tätigwerden nach den für diese Kräfte sonst geltenden Rechtsnormen) und . Unterstützung'(= Organleihe mit Tätigwerden nach dem im Einsatzland geltenden Recht) ablehnen.
Der Zweck der Absätze 2 und 3 besteht lediglich in einer dem Grad und Umfang der Katastrophe angepaßten Steigerung der Hilfeleistung, wobei es das Prinzip der Bundestreue verlangt, daß zwischen den Behörden des betroffenen Landes und denen der die Hilfskräfte abstellenden Behörden ein einvernehmliches Zusammenwirken stattfindet. Aus diesem notwendigen Zusammenwirken ergibt sich a) für das betroffene Land die Verpflichtung, solche Kräfte nur dann, erst dann und nur solange anzufordern, als die eigenen Kräfte tatsächlich oder erwartungsgemäß nicht ausreichen; b) für die um Hilfe angegangenen Landes-regierungen bzw. für die Bundesregierung die Pflicht, der Anforderung zu entsprechen, soweit und solange Personal-und Sachhilfe unter objektiver Abwägung und ohne erhebliche Beeinträchtigung eigener Interessen gewährt werden kann.
Besteht Gefahr im Verzüge, d. h. wenn zu besorgen ist, daß durch das Anforderungsverfahren wertvolle Zeit z. B. zur Rettung von Menschenleben verloren geht, dann kann das betroffene Land sich unmittelbar an die nächste zur Hilfeleistung fähige Dienststelle eines anderen Landes oder des Bundes (z. B. Standort-ältester, Bundesgrenzschutz-Abteilung) wenden unter unverzüglicher Benachrichtigung der Landes-bzw.der Bundesregierung. Umgekehrt kann der Fall eintreten, daß das betroffene Land, z. B. infolge Ausfalles der Fermeldemittel, außerstande ist, das Hilfeersuchen abzugeben. Wiederum aus der Verpflichtung zur Bundestreue hat die nächstgelegene . andere'Landes-oder Bundesbehörde von sich aus Hilfe zu leisten (unter Meldung an die zuständige eigene Landes-oder Bundesregierung), wenn diese Hilfe nach Lage der Dinge unumgänglich notwendig erscheint. In beiden Fällen muß der Rechtsfolgen und der Kostenfolge wegen die förmliche Anforderung bzw. die Einsatzanordnung nachgeholt werden.
Bei Streitigkeiten zwischen dem Bund und den Ländern sowie zwischen verschiedenen Ländern entscheidet das Bundesverfassungsgericht (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG).
Dem bundesstaatlichen Prinzip folgend muß die Bundesregierung Maßnahmen nach Art. 35 Abs. 3 GG auf Verlangen des Bundesrates, als des bei der Verwaltung des Bundes mitwirkenden Organs, jederzeit aufheben. 3. Innerer Notstand (Art. 91 in Verbindung mit Art. 87 a GG) Während es sich bei dem Katastrophenfall um das Zusammenwirken der Polizeikräfte von Bund und Ländern bei Gefahrenlagen handelt, die ungewollt Rechtsgüter einzelner Menschen bedrohen, tritt der innere Notstand durch gewolltes Handeln gegen den Bestand des Staates und dessen freiheitliche demokratische Grundordnung ein. Dieses Handeln kann bestehen 1. in der Vorbereitung oder Unternehmung des Hochverrats gegen die Bundesrepublik Deutschland oder gegen eines ihrer Länder a) infolge Beeinträchtigung ihres Gebietsstandes durch Einverleibung von Teilen der Bundesrepublik Deutschlands in das Gebiet eines anderen Landes;
b) infolge Änderung der auf dem Verfassungsgesetz beruhenden Grundordnung entweder durch Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt (Umsturz von unten) oder aber durch Mißbrauch oder Anmaßung von Hoheitsbefugnissen (Umsturz von oben);
c) infolge Beeinträchtigung der völkerrechtlichen und inneren Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland;
2. in der Vorbereitung einer Gewaltherrschaft (Bildung von Gruppen, um sie zu Gewalttätigkeiten, zur Volksverhetzung, zur Bedrohung der Allgemeinheit mit Verbrechen, zur staats-gefährdenden Sabotage an lebenswichtigen Betrieben, zur Zersetzung oder Agententätigkeit einzusetzen); in der Beschaffung von Waffen und Sprengstoffen zu diesem Zweck; in anderen staatsgefährdenden Bestrebungen gegen die Freiheit von fremder Botmäßigkeit, gegen die staatliche Einheit und gegen die Unversehrtheit des Bundesgebietes
3. in der Einschleusung von Aufständischen, von Waffen und Ausbildern über die Grenzen in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.
Unter freiheitlicher demokratischer Grundordnung, gegen die sich solche Unternehmen richten, ist die Wahrung u. a. folgender Grundsätze zu verstehen: 1) das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen; 2) die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht; 3) das Recht aller politischen Parteien auf die verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition; 4) die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung; 5) die Unabhängigkeit der Gerichte; 6) der Ausschluß jeder Gewalt und Willkür-herrschaft; 7) die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten; 8) die Gewaltenteilung 56).
Der Art. 91 GG legt fest, unter welchen Voraussetzungen, zu welchem Zweck und mit welchen Mitteln die Grenzen der Verwaltungszuständigkeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zeitweise durchbrochen werden dürfen, um die Grundsätze der gemeinsamen Verfassungsordnung vor Beeinträchtigungen zu bewahren und die Einheitlichkeit der Polizei-hoheit zur Geltung zu bringen. Er begründet also keine Pflicht zur Abwehr, sondern er setzt diese voraus. Er schränkt nicht die Grundrechte des einzelnen Bürgers ein, wie es z. B. die Notstandsregelung des Art. 48 RV getan hat, sondern er will sicherstellen, daß die der vollziehenden Gewalt zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und Hilfsquellen geschlossen, nach einheitlichem Plan und unter einheitlicher Führung eingesetzt werden können Voraussetzung für die Änderung der Zuständigkeitsgrenzen der Polizeihoheit ist, daß aufgrund objektiver Tatsachen, nach den Erfahrungen des praktischen Lebens die große Wahrscheinlichkeit besteht, ohne die Maßnahmen nach Art. 91 GG würden die befürchteten Nachteile in nächster Zeit eintreten (drohende Gefahr
Der Grundgesetzgeber sieht in der Erkenntnis, daß die Bekämpfung solcher Gefahren eine echte polizeiliche Aufgabe ist, hinsichtlich der Verlagerung der Polizeihoheit zwischen Bund und Ländern je nach dem Grad der drohenden Gefahr im Art. 91 in Verbindung mit Art. 87 a GG folgende Stufen vor:
Stufe 1: Jedes Land bekämpft die Gefahr allein unter Einsatz aller verfügbaren Polizeikräfte und Mittel.
Stufe 2: Das bedrohte Land fordert zusätzlich die Polizeikräfte anderer Länder an.
Stufe 3: Das bedrohte Land fordert Kräfte und Einrichtungen von Verwaltungen anderer Länder und des Bundes an.
Stufe 4: Das bedrohte Land fordert Kräfte und Einrichtungen des Bundesgrenzschutzes an (die Anforderung von Streitkräften ist im Gegensatz zu der Lage bei Naturkatastrophen — Art. 35 GG — nicht zulässig).
Grundvoraussetzung bei den weiteren Stufen ist, daß das bedrohte Land zur Bekämpfung der Gefahr durch Maßnahmen nach den Stufen 1 bis 4 nicht selbst bereit oder in der Lage sein muß.
Stufe 5: Die Bundesregierung unterstellt die Polizei in dem bedrohten Land und die Polizeikräfte anderer Länder ihren Weisungen.
Stufe 6: Die Bundesregierung setzt Einheiten des Bundesgrenzschutzes ein.
Stufe 7: Die Bundesregierung erteilt bei überregionaler Bedrohung den Landesregierungen Weisungen auf Gebieten der Landesverwaltung. Stufe 8: Die Bundesregierung setzt zur Unterstützung der Polizei und des Bundesgrenzschutzes beim Schutz von zivilen Objekten und bei der Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer Streitkräfte ein.
Die Wahl der Stufen liegt in dem pflichtmäßigen Ermessen der zuständigen Landesbehörde (Stufen 1 bis 4) bzw.des Bundeskabinetts (Stufen 5 bis 8). Die Einhaltung der Stufenfolge wird dann unterbleiben können und müssen, wenn sich — unter Umständen von Anfang an — übersehen läßt, daß Maßnahmen einer nächsthöheren Stufe nicht ausreichen oder ungeeignet sind, die drohende Gefahr abzuwehren.
Für ein Tätigwerden der Bundesregierung (Kabinettsbeschluß erforderlich!) ist Voraussetzung, a) entweder, daß das bedrohte Land unter Bruch der Bundestreue zur Bekämpfung . nicht bereit'ist, d. h. daß es trotz Erschöpfung der eigenen Mittel es ablehnt oder nichts getan hat, um Polizeikräfte anderer Länder oder des Bundes zu erhalten, b) oder, daß das bedrohte Land zur Bekämpfung . nicht in der Lage'ist, d. h.. daß trotz voller Ausschöpfung der Möglichkeiten nach den Stufen 1 bis 4 die Gefahrdrohung anhält, daß die Gefahr über die Grenzen des eigenen Landes hinausgreift oder daß die angerufenen Länder sich ganz oder teilweise weigern, der Anforderung nach den Stufen 2 und 3 nachzukommen. Diese Voraussetzungen werden im übrigen auch dann als gegeben angesehen werden müssen, wenn die Bundesregierung nach pflicht-mäßigem Ermessen im Benehmen mit dem bedrohten Land zu der Überzeugung kommt, daß nur ihr Eingreifen nach den Stufen 5 bis 8 die Gefahr abwehren kann. Die Unterscheidung zwischen . Polizei'und . Polizeikräften'im Art. 91 GG bringt zum Ausdruck, daß die Bundesregierung in dem . nicht bereiten'oder . nicht in der Lage befindlichen'Land sich nicht nur die Exekutivkräfte von Staat und Gemeinden, sondern auch die Leitung und die Verwaltung, also das ganze Institut der Polizei unterstellen kann, indem sie z. B. als Leiter der Polizei einen Bundesbeauftragten in dieses Land entsendet und eine Art Auftragsverwaltung im Sinne des Art. 85 GG einrichtet, die den Bund berechtigt, eine Bundesaufsicht (z. B. auf dem Gebiet des Vereins-und Versammlungswesens oder des Meldewesens) auszuüben. Von den anderen Ländern kann die Bundesregierung nur Polizei-Kräfte ihren Weisungen unterstellen, das sind sowohl die des polizeilichen Vollzugsdienstes (Schutzpolizei, Kriminalpolizei, Bereitschaftspolizei) wie die des Sicherheitsdienstes (Verfassungsschutzamt usw.). Das Gleiche gilt für den Fall, daß die Bundesregierung sich bei einem überregionalen Notstand entschließt, den Landesregierungen bestimmte Weisungen für die Bekämpfung der Gefahr zu erteilen.
Von den vielfachen anderen Fragen, die der Art. 91 in Verbindung mit Art. 87 a Abs. 4 GG aufwirft, muß die des Unterstellungsverhältnisses der angeforderten oder eingesetzten Kräfte erörtert werden, weil dabei die Möglichkeiten der Verteilung der Polizeihoheit im Bundesstaat besonders deutlich werden. Unbestritten ist, daß dem Bund durch den Art. 91 GG echte polizeiliche Zuständigkeiten übertragen worden sind. Unbestritten ist ferner, daß die im Falle des Art. 91 Abs. 1 GG durdi das bedrohte Land von anderen Ländern oder dem Bund angeforderten und eingesetzten Kräfte der Polizei, des Bundesgrenzschutzes usw. zwar Organe des ersuchten Landes und des Bundes bleiben, aber der Weisungsgewalt des ersuchenden Landes unterstehen und die polizeilichen Aufgaben nach dem Recht des bedrohten Landes wahrnehmen, also dessen Staatsgewalt nach dessen Gesetzen ausüben Zur Vermeidung einer Vermengung der Einheiten und Verbände von Länderpolizei und Bundespolizei werden die Kräfte des Bundes-grenzschutzes von dem bedrohten Land in der Form einzusetzen sein, daß sie einen bestimmten Auftrag erhalten und ihn in Ausübung einer Verwaltungskompetenz dieses Landes ausführen. Einrichtungen des Bundes, d. h. sächliche Möglichkeiten zur Bekämpfung der Gefahr (z. B. Unterbringung von Kräften der Länder, Ausrüstungen aller Art) sind möglichst ohne Einschränkungen zur Verfügung zu stellen.
Schwieriger liegen die Verhältnisse, wenn die Bundesregierung nach Art. 91 Absati 2 GG tätig wird (vgl. die Stufen 5 bis 8). Zwar ist auch die Bundesregierung in der Wahl der Stufen frei, sie kann unter Beachtung der grundsätzlichen Beschränkungen die eine oder die andere Möglichkeit ihres Eingreifens anwenden, sie kann auch mehrere Möglichkeiten zusammen ergreifen. Entscheidet sie sich aber für eine Möglichkeit, so kann sie nicht bei gleichem Anlaß die Landeszuständigkeit bestehen lassen. Das würde dem Vorrang der Bundeskompetenz widersprechen, zwei Polizeihoheiten schaffen, einer einheitlichen Führung der Kräfte hinderlich sein, die Verantwortlichkeit verwischen und aus dem verfassungsmäßig geforderten Miteinander im Bundesstaat ein nachteiliges Neben- oder sogar Gegeneinander werden lassen. Rechtlich nicht geklärt ist leider die Frage, ob sich das Tätig-werden von durch die Bundesregierung eingesetzten Kräften (Polizeikräfte der Länder, Kräfte des Bundesgrenzschutzes oder Streitkräfte) nach dem Recht des Einsatzlandes oder nach Bundesrecht zu richten hat. Diese Lücke wird durch das neue Bundesgrenzschutz-Gesetz geschlossen, dessen § 66 vorsieht, daß die Befugnisse des Bundesgrenzschutzes und der Polizeikräfte der Länder bei einem Einsatz aus Anlaß des Art. 91 Abs. 2 GG sich nach dem in den §§ 10 bis 41 des Gesetzes zu schaffenden Bundesrecht richten. Dieses Gesetz geht von der Überzeugung aus, daß die grundgesetzliche Ermächtigung des Art. 91 Abs. 2 GG eine besondere Verwaltungskompetenz des Bundes begründet, die eine entsprechende Gesetzgebungskompetenz des Bundes einschließt, daß auch die unterstellten Polizeikräfte der Länder also eine Bundesaufgabe erfüllen, ohne etwa Bundesorgane zu werden. Maßnahmen nach den Stufen 5 bis 7 muß die Bundesregierung auf Verlangen des Bundes-rates jederzeit aufheben mit der Folge, daß die weitere Bekämpfung der Gefahr dem betroffenen Land (mit und ohne Hilfe der Polizeikräfte anderer Länder und Einrichtungen) allein zufällt.
Besonderer Erörterung bedarf der Einsatz von Streitkräften beim inneren Notstand. Die Weimarer Reichsverfassung hatte keine dem Art. 91 GG verfassungsrechtlich vergleichbare Regelung, weil der Reichspräsident bei erheblicher Gefährdung oder Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung die nötigen Maßnahmen, erforderlichenfalls mit Hilfe der bewaffneten Macht, treffen konnte mit der Folge, daß die Beseitigung des inneren Not-standes eine Reichsangelegenheit wurde und die vollziehende Gewalt auf die Militärbefehlshaber überging. Das Reich/Länder-Verhältnis war also nur als zwangsläufige Nebenwirkung berührt. Die Entscheidung darüber, ob eine Maßnahme nach Art. 48 Abs. 2 RV für erforderlich gehalten wurde, war Sache des freien pflichtmäßigen Ermessens des Reichspräsidenten. Sie unterlag zwar der Kontrolle des Reichstages, bedurfte aber keiner förmlichen Erklärung des . inneren Notstandes'. Unabhängig davon legte das Wehrgesetz vom 23. 3. 1921 in der Fassung vom 18. 6. 1921 — RGBL S. 787 — in seinem § 17 fest, daß die Wehrmacht bei innerem Notstand auf Anfordern der Landesregierungen Hilfe zu leisten hatte; sie durfte nur dann und erst dann eingesetzt werden, wenn es der Polizei nicht gelang, die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit ihren eigenen Mitteln wiederherzustellen.
Ein selbständiges Eingreifen der Wehrmacht war nur zulässig, wenn die Landesbehörden durch höhere Gewalt außerstande waren, das militärische Einschreiten herbeizuführen. Die Reichswehr handelte in einer solchen Lage ausschließlich kraft Gesetzes und zwar als selbständige Funktion der Staatsgewalt. Aber auch dann, wenn die Reichswehr auf Anfordern einer Landesbehörde Hilfe leistete, trat sie als selbständiges Organ der Staatsgewalt auf, d. h. sie übernahm kraft eigenen Rechtes eine polizeiliche Tätigkeit anstelle der Polizei, und zwar nach militärischen Grundsätzen — insbesondere hinsichtlich des Waffengebrauchs. Die politische Verantwortung für den Einsatz der Reichswehr hatte die anfordernde Landesbehörde zu übernehmen. Art, Form und Mittel des Einsatzes lagen grundsätzlich in der Zuständigkeit der Wehrmacht
Von der Ermächtigung des § 17 des Wehr-gesetzes ist mit dem Erstarken der Sicherheitspolizeien der Länder — von einigen Hilfsmaßnahmen z. B. beim mitteldeutschen Aufstand, bei den Kämpfen in Hamburg abgesehen — kein Gebrauch gemacht worden, weil sich nach den bitteren Erfahrungen der vorläufigen Reichswehr (1919 bis 1921) in den Kämpfen in Berlin, in Bayern, an der Ruhr, in Sachsen überall die Überzeugung durchsetzte, daß die Streitkräfte sich auf ihre Grundaufgabe beschränken und sich aus inneren Händeln her-aushalten sollte. Mit Leidenschaft vertrat der damalige Chef der Heeresleitung, General von Seeckt, diese Auffassung; er schrieb z. B. am 10. Juni 1922 an den Reichskanzler Wirth u. a.: „Hier handelt es sich darum, dem Heer eine dauernde Polizeiaufgabe zuzuweisen, die seinem Wesen und seinem Zweck widerspricht .. . Unter Berufung auf diesen Vorgang würde die Reichswehr zu jeder anderen Polizeiaufgabe heranzuziehen sein. Das ist das Ende der Reichswehr." Die gleiche Meinung vertrat Reichskanzler Brüning im April 1932 in einem Gespräch mit dem amerikanischen Kriegsminister Stimson. Er bezeichnete es als „sinnlose Aufgabe der Reichswehr.., bei jeder innenpolitischen Krise infolge der Beschränkung der Gesamtziffer der deutschen Polizei Polizeidienste mitübernehmen zu müssen" Und Reichswehrminister von Schleicher erklärte wenige Tage nach dem , Preußenschlag'vom 20. Juli 1932 im Rundfunk: „Zwei Dinge sind dem Soldaten besonders unsympathisch:
als Polizist verwendet und in die Politik hineingezogen zu werden. ... In dieser Landesverteidigung liegt die hohe und ideale Aufgabe des Soldaten, und gerade deshalb haben wir uns seit dem Inkrafttreten des Vertrages von Versailles mit allen Kräften gegen die französische Auffassung gewehrt, die die Reichswehr zu einer Polizeitruppe machen wollte. Richtig ist natürlich, daß die Wehrmacht die ultima ratio des Staates darstellt und daß ihr Einsatz in kürzester Frist Ruhe und Ordnung wiederherstellen und die Staats-autorität voll zur Geltung bringen muß."
Es ist heute eine einhellige Auffassung, daß die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere für den Bestand des Staates, ausschließlich Sache der Polizei ist und daß die Ausbildung sich auf diese Aufgabe einzustellen hat. Meinungsverschiedenheiten bestanden und bestehen lediglich darüber, ob es notwendig sei, grundgesetzlich den Einsatz von Streitkräften im Innern als . ultima ratio'für den Fall vorzusehen, daß um die Verfassung gekämpft werden müßte. Der Grund-gesetzgeber hat sich auf den vernünftigen Standpunkt gestellt, daß es Selbstmord wäre, die Möglichkeit des Unterganges des Staates dem Einsatz von Streitkräften vorzuziehen. Er hat dementsprechend diesen Einsatz unter folgenden Bedingungen zugelassen:
a) Es muß sich um die Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes handeln, die von organisierten und militärisch bewaffneten Aufständischen ausgeht;
b) das bedrohte Land muß nicht bereit oder in der Lage sein, die Gefahr mit eigenen polizeilichen Kräften und denen anderer Länder wirksam zu bekämpfen;
c) auch die von der Bundesregierung eingesetzten Polizeikräfte der anderen Länder und des Bundesgrenzschutzes müssen sich als Unzureichend erwiesen haben oder aber aller Voraussicht nach unzureichend sein;
d) die Streitkräfte dürfen nicht institutionell (also nicht nach eigenem Recht und nicht unter Anwendung der Regeln des Kriegsgebrauchs), sondern nur zur Unterstützung der Polizeikräfte eingesetzt werden, d. h. sie müssen in die zivile Leitung und in den Einsatzplan der Polizei eingefügt werden, haben nach polizei-lichen Einsatzgrundsätzen und unter Anwendung von Bundespolizeirecht zu handeln (vgl. Abschnitt 2 des neuen BGS-Gesetzes
e) die Streitkräfte dürfen erst nach förmlichem Beschluß des Bundeskabinetts eingesetzt und müssen auf Verlangen des Bundestages oder des Bundesrates bzw. nach Beseitigung der Gefahr unverzüglich zurückgezogen werden. Aus diesen Darlegungen ergibt sich, wie unterschiedlich die Zuständigkeitsverteilung der Polizeihoheit in den einzelnen Stufen ist; das muß in einem Bundesstaat hingenommen werden. Bedenken aber tauchen auf, wenn der Art. 91 Abs. 2 des Grundgesetzes praktiziert werden soll. Werden die dort vorgesehenen Maßnahmen der Größe der Aufgabe gerecht? Ist das ganze Verfahren nicht zu kompliziert? In einem Vortrag auf einer Arbeitstagung der Gewerkschaft der Polizei im Oktober 1959 führte W. Henrichs dazu aus: „Zwar wird im 2. Absatz die Bundesregierung ermächtigt, die Polizei des Landes, das selbst nicht zur Bekämpfung der Gefahr bereit oder in der Lage ist, oder die Polizeikräfte anderer Länder ihren Weisungen zu unterstellen. Man muß sich das aber nur einmal auszumalen versuchen: wie soll die Polizei eines Landes, das zur Bekämpfung nicht in der Lage Ist, dadurch schlagkräftig werden, daß ihr die Bundesregierung Weisungen erteilt? Wie soll die Einsatzfreude der Polizei eines Landes durch die Weisungen der Bundesregierung wiederhergestellt werden, wenn das Land selbst, das die Polizei bezahlt, zur Gefahrenbekämpfung nicht bereit ist. Diese ganze Bestimmung ist nur aus den Schatten der Vergangenheit zu verstehen, die über der Arbeit am Grundgesetz gelegen haben, und außerdem aus den Interventionen der Militärgouverneure.“
Es ist zuzugeben, daß die Wirkungsmöglichkeit dieser Grundgesetzermächtigung durch die Novellierung des Art. 91 GG zugenommen hat, gleichwohl bestehen Bedenken fort. Ob sie berechtigt sind, kann nur der Ernstfall erweisen. 3. Verteidigungsfall Verschiebt sich schon beim inneren Notstand die Polizeihoheit sehr stark nach der Seite des Zentralstaates, des Bundes, hin, so geht der bundesstaatliche Charakter nach Eintritt des Verteidigungsfalles völlig verloren und der Gesamtstaat tritt als alleiniger Träger der Polizeihoheit hervor. Der Bund bzw. die Bundesregierung haben dann u. a. das Recht, Gesetze auf Sachgebieten zu erlassen, die zur auch Gesetzgebungszuständigkeit der Länder gehören (Art. 115 c Abs. 1 GG), den Bundesgrenzschutz — soweit die Verhältnisse es erfordern — zur Wahrnehmung allgemeinpolizeilieber Aufgaben im gesamten Bundesgebiet einzusetzen (Art. 115 f, Abs. 1 Nr. 1 GG) sowie den Landesregierungen und den Landesbehörden Weisungen zu erteilen (die Landesverwaltungen also zu Bundesauftragsverwaltungen im Sinne des Art. 85 GG zu machen (Art. 115 f, Abs. 1 Nr. 2GG).
Umgekehrt können die Landesregierungen bei Ausfall der Bundesorgane die zur Abwehr der Gefahr notwendigen Maßnahmen treffen, den Bundesgrenzschutz in ihrem Zuständigkeitsbereich einsetzen und den in ihrem Gebiet tätigen Behörden — auch denen des Bundes und anderer Länder — Weisungen erteilen. Der Einsatz von Verbänden des Bundesgrenzschutzes wird sich in diesem Falle überall dort anbieten, wo mit Einwirkungen feindlicher Streitkräfte (z. B. auf Versorgungslager, Befehlsstellen, Verkehrsanlagen) gerechnet werden muß und wo zu deren Schutz Polizeibeamte benötigt werden, die wie die Angehörigen der Verbände des Bundesgrenzschutzes Kombattanteneigenschaft besitzen.
Der Grundgesetzgeber hat dem Bund für (und nicht im) den Verteidigungsfall das Recht der konkurrierenden Gesetzgebung eingeräumt; darin kommt zum Ausdruck, daß solche Bundesgesetze bereits in Normalzeiten mit der Einschränkung erlassen werden können, daß sie erst mit dem Verteidigungsfall in Kraft treten. Dadurch soll vermieden werden, daß die Gefahrenlage bei Eintritt des Verteidigungsfalles noch dadurch verschärft wird, daß die Zuständigkeiten auf allen möglichen Gebieten, insbesondere auf dem der öffentlichen Sicherheit, geändert werden, so daß das Chaos vollkommen wird. Die Hauptwirkung dieser Ermächtigung sollte u. a. darin bestehen, daß bereits in Normalzeiten die Gesetzgebung der Länder — zumal auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit — im Benehmen mit den Bundesorganen einander soweit angeglichen wird, daß für den Bund kein absehbares Bedürfnis besteht, von dieser Gesetzgebungskompetenz Gebrauch zu machen. Dabei könnte es sich z. B. handeln um die Verstärkung der Polizei durch Dienstverpflichtung bereits vor Eintritt des Verteidigungsfalles (vgl. Art. 12 a Abs. 5 GG), um Grundsätze für das Zusammenwirken der Polizeien von Bund und Ländern, um Regelung der Schließung von Grenzen, um Fragen der Vereinheitlichung der Verwaltung.