Zu meiner Untersuchung „Die jüngere Wirt-
schaftsgeschichtsschreibung in der DDR über den deutschen Imperialismus"'in B 33/71 vom 14. August 1971 dieser „beilage zur wochen-zeitung das parlament" hat nicht einer der zitierten und kritisierten Autoren in der DDR selbst Stellung genommen, sondern der englische Historiker T. W. Mason vom St. Peter's College, Oxford, der leider mit der deutschen Geschichte der Zeit zwischen der Reichsgründung und dem Ende des Zweiten Weltkrieges, besonders aber mit der Geschichte der wirtschaftspolitischen und der wirtschaftlichen Entwicklung im Dritten Reich so wenig vertraut ist, daß er einige historisch nicht haltbare Behauptungen aufstellt und aus diesen dann anschließend Forderungen an mich richtet, die ich aufgrund des Sachverhalts, nicht aus politischer Voreingenommenheit, nicht erfüllen kann.
Mason wohl, wenn ich Ausführungen hat seine richtig verstanden habe, was mir aus sprachlichen Gründen nicht an allen Stellen gelungen ist, im wesentlichen drei Anliegen: Er beschäftigt sich erstens mit Czichons Buch „Der Bankier und die Macht", das ich im sehr viel weiteren Rahmen der Ausführungen in meinen Aufsätzen in der „beilage" und in der Zeitschrift „Tradition" (1971, S. 288 f.) eingehend kritisiert habe, und mit Czichons Buch „Hermann Jos. Abs, Porträt eines Kreuzritters des Kapitals"; er versucht zweitens, meine ausführliche Kritik an den Werken einiger Autoren in der DDR zu widerlegen; er bemüht sich drittens, seine eigene Auffassung von der Geschichtsschreibung in der Bundesrepublik und in der DDR sowie von der Bedeutung des Marxismus-Leninismus für die Geschichtsschreibung darzulegen.
In meiner Erwiderung werde ich im wesentlichen auf die beiden ersten Punkte eingehen, da sie teils meine Person, teils meine Auffassung von historischen Ereignissen und Personen betreffen.
L Alles in allem wird bemerkenswerterweise E. Czichon in dem Aufsatz von Mason, eingebettet in einige Lobsprüche über Verdienste im Sinne der marxistischen Geschichtsschreibung, so radikal fallengelassen, daß ich erneut, wie schon bei meinen Gesprächen mit Mason in Oxford und in meiner Bemerkung über Masons Brief vom 24. Oktober 1971 (vgl. „Tradition", a. a. O., S. 289) an mich, unsere Übereinstimmung in wesentlichen Punkten konstatieren kann. Mason gibt zu, daß Czichons „Porträt von Hermann Jos. Abs in der Tat schwerwiegende Entstellungen und Unterschlagungen enthält". Er glaubte bei der Niederschrift seines Aufsatzes noch, darüber werde „ein Gericht demnächst zu befinden haben". Inzwischen ist Czichon von dem Gericht, das sich mit der Frage der historischen Richtigkeit gewisser Behauptungen von ihm zu beschäftigen hatte, erstens bisher bei 37 von 40 zur Entscheidung gestellten Behauptungen der Unwahrheit überführt worden (die restlichen drei Punkte stehen noch offen), von denen übrigens nur ein Teil die Punkte betrifft, bei denen ich. nachgewiesen habe, daß Czichon als Historiker falsche Angaben gemacht hat, daß so also die Gesamtzahl der vor und Gericht in meinen Aufsätzen nachgewiesenen falschen Angaben erheblich über 40 liegt — tatsächlich beträgt sie allein im „Bankier und die Macht" mehrere hundert.
Zweitens hat das Landgericht Stuttgart In einem weiteren Urteil vom 24. Februar 1972 festgestellt, daß Czichon „äußerst unsorgfältig, wenn nicht mutwillig mit der Wahrheit umgegangen ist, wie die Überprüfung der einzelnen beanstandeten Behauptungen in zahlreichen Fällen ergeben hat".
Mason war „selber von Herrn Czichons Studie etwas enttäuscht, denn man erfährt daraus wenig über die Rolle der privaten Institute im Wirtschaftssystem; die Differenzierung zwischen nominellem Besitz, wirtschaftlichem Einfluß auf einzelne Unternehmen und wirtschaftspolitischer Macht wird nicht genau genug vollzogen; die Probleme lösen sich etwas voreilig in einem Prozeß finanzieller und wirtschaftlicher Konzentration auf, deren Konturen und Antriebskräfte verschwommen bleiben". Dies alles beruht nun aber obendrein noch auf einer gerichtlich festgestellten „Grundlage“ von falschen Namen und Zahlen sowie konstruierten „Zusammenhängen“, so daß es meiner sogenannten „kenntnislosen Verdächtigungen" also gar nicht mehr bedürfte — falls es solche wären. Mason findet es „irritierend und verunsichernd, ... zahlreiche Detailfehler in einem Buch festzustellen" (nämlich in dem von Czichon). Sein Versuch, die Fülle von Verdrehungen und Fälschungen bei Czichon mit „Schludrigkeit, Eile, Sorglosigkeit bei der Fahnenkorrektur" zu erklären und dadurch zu verharmlosen, beruht entweder auf Unkenntnis der hier zur Diskussion stehenden Probleme oder läßt darauf schließen, daß Mason selbst über die Bedeutung der historischen Wahrheit eine ungewöhnlich laxe Auffassung hat. Die aber hat er, wie ich aus nicht wenigen Begegnungen mit ihm in Oxford weiß, durchaus nicht: Er versucht vielmehr nur, den politischen Auffassungen Czichons nahestehend, diesen gerade da zu retten, wo er gewiß nicht zu retten ist, und hält es schließlich nur noch für „möglich", daß Czichons Buch „die Tugend" habe, „einen zutreffenden Umriß der Laufbahn von Herrn Abs zu bieten, eine Darstellung, die bei allen Fehlern die Meilensteine, die Wendepunkte und die politischen Umstände in etwa zutreffend analysiert. Diese Frage bleibt noch offen, mangels einer wissenschaftlichen Rezension."
Das ist, soweit es verständlich ist, sehr wenig; und dieses Wenige ist nun auch noch gerichtlich zerpflückt worden. Ich selbst stimme mit Mason dahin überein, „daß marxistisch-leninistische Historiker sich die Freiheit nehmen, Bankiers zu verunglimpfen". Auch Mason hält das bei wissenschaftlichen Historikern für nicht erlaubt: er verlangt, daß „auch kritischste Biographie keine unbegründeten Diffamierungen und Verdächtigungen enthält". Auch hiermit stimme ich mit Mason uneingeschränkt überein — gegen Czichons Praxis. Zu dieser Praxis erklärt das bereits zitierte Gerichtsurteil vom 24. Februar 1972: Czichon „hat seinem Buch durch einen umfangreichen Fußnotenapparat ein wissenschaftliches Gepräge gegeben. Hierdurch besteht die Gefahr, daß die mit Erfolg beanstandeten schwerwiegenden Vorwürfe auch von anspruchsvollen und kritischen Lesern ernst genommen werden". An zwei Stellen beschäftigt sich Mason mit Einzelheiten meines Aufsatzes in der „Tradition". Mein Beweis dafür, daß Czichon in einen Bericht einer amerikanischen Untersuchungskommission eine H. J. Abs belastende Fälschung hineinmanipuliert hat, „scheint unanfechtbar zu sein". Das heißt, abgesehen von dem Drum und Dran der Formulierungen Masons, die nicht von der Sache ablenken können: Czichon hat, von Mason zugegeben, an einer historisch wichtigen Stelle eines der für seine Behauptungen bedeutungsvollsten Dokumente verfälscht, damit es überhaupt brauchbar wurde. Zweitens — die Arisierung des Petschek-Konzerns: Ich habe nicht einen Aufsatz über dieses Thema geschrieben, was Mason hinterher völlig un-berechtigterweise von mir verlangt. Ich habe vielmehr mit Hilfe eines Briefes von William Petschek vom 22. Juli 1970, der vom Gericht als Beweismaterial uneingeschränkt akzeptiert worden ist, eindeutig nachgewiesen, daß Czichons Behauptung, Abs habe sich bei der Arisierung der Hubertus-Grube AG (nur um diese geht es auch in Czichons Buch) als „Interessenvertreter der Betroffenen ausgegeben", im Rahmen dieser „Interessenvertretung" aber „sich die . arisierten'Besitztitel selbst anzueignen verstanden", eine unhaltbare Lüge ist. Flick und Göring, deren Namer Mason anführt, haben mit dieser Angelegen heit nicht das Geringste zu tun, und Masor läßt nach langen Ausführungen, die nicht zu: Sache gehören, auch hier schließlich Czicho mit seinen Lügen einfach fallen: „Treues Dar Stellung der Details in bezug auf die Rolle de Familie Abs ist in jeder Hinsicht plausibel um beruht offensichtlich auf einer breiteren um präziseren Quellenbasis als die von Czichor zitierte. . . . Der von Prof. Treue in . Tradition abgedruckte Brief von William Petschek a Herrn Abs macht es eindeutig klar, daß di Gebrüder Petschek den Bankier Abs in beide: Arisierungsverfahren als Beschützer betrachte ten." Wohlgemerkt, Mason schreibt: „betrach teten" und läßt damit die Möglichkeit offen daß die „Gebrüder Petschek" sich geirrt habe: können, Abs ihnen gar nicht wirklich geholfei und Czichon damit also doch noch recht hal So viel Infamie muß man aufwenden, um Ret tungsversuche zu Gunsten unter Czichons nehmen zu können.
Mason meint, „die Übernahme der Hubertu Braunkohlen AG war nur ein Teilaspekt, um auch nur ein untergeordneter eines große: und verästelten Verfahrens . .. über die Roll von Abs bei diesem Verfahren weiß ich nich mehr, als was aus den Darstellungen und Akte: von Herrn Czichon und Prof. Treue hervor geht. Es ist aber unwiderlegbar, daß die Söhn von Ignaz Petschek Anfang 1938 — also bevo es einen förmlichen . Druck der Gesetzgebun des Dritten Reiches'gab — unter sehr erheb lichem wirtschaftlichen und politischen Drue standen, ihr Vermögen zu Preisen weit unte dem Marktwert zu veräußern." Vollkomme richtig, niemand hat das jemals bestritten -nur gehört es weder zu Czichons noch zu me nem Thema. Und falls Mason damit andeute möchte, daß Abs Juden erst angesichts di „Drucks der Gesetzgebung" geholfen habe -was eine solche Hilfe ja nur gefährlich machte —, davor aber nicht, so möchte i ihn auf Gottfried Bermann Fischer: „Bedroht — Bewahrt, Weg eines Verlegers" (Frankfurt 1967 und als Taschenbuch unverändert 1971, S. 99) hinweisen. In diesem erstmals vor dem Erscheinen von Czichons Buch über Abs und vor dem Prozeß gegen Czichon veröffentlichten Band heißt es über die Notwendigkeit des Fischer-Verlages zu emigrieren: „Damals, Ende 1935, wandten wir uns gemeinsam an Hermann J. Abs, der zu dieser Zeit dem Bankhaus Delbrück-Schickler vorstand, um Rat. Als Bankier mit weltweiten Beziehungen, der den neuen Herrschern ablehnend gegenüberstand, konnte er uns vielleicht den Weg weisen, wie der für den Verbleib in Deutschland bestimmte Verlagsteil unter Leitung Suhrkamps finanziert und in welcher Form er weitergeführt werden konnte. Wir hatten uns nicht getäuscht. Abs hatte sehr schnell eine Lösung des Problems ..."
über meine Feststellungen in bezug auf die Quellengrundlage von Czichons Bankier-Buch macht Mason teils falsche, teils den Leser verwirrende Bemerkungen. Ich habe durchaus nicht in Bausch und Bogen „die schiere Existenz des gesamten von Herr Czichon herangezogenen Aktenmaterials" in Frage gestellt oder suggeriert, daß die Akten erfunden sind.
Vielmehr habe ich sehr genau angegeben, daß die Angaben von Mai und Czichon über vorhandene (also erhalten gebliebene) Akten der Deutschen Bank einander nicht bestätigen, daß Czichon ganz bestimmte, von ihm genannte Akten nicht in den Archiven gesehen haben kann, die er als Aufbewahrungsorte angegeben hat, und daß er schließlich Archive genannt hat, die es unter der in seinem Buch gedruckten Bezeichnung bzw. an dem von ihm dort angegebenen Ort nicht gibt. Ich will Mason und Czichon aber gerne noch eine weitere präzise Angabe machen: Czichon nennt („Der Bankier und die Macht", S. 247 f.) 24 Aktenbestände der „Ausländsabteilung" der Deutschen Bank AG, die er in Potsdam benutzt habe. In Exhibit 174 b, S. 3 f.des Czichon vorzüglich bekannten OMGUS-Reports über die Deutsche Bank heißt es innerhalb des Berichtes von Direktor Häussler über die „Organisation der Ausländsabteilungen der Deutschen Bank, Berlin, seit 1935": „Das gesamte Aktenmaterial der Ausländsabteilungen ... ist in der Nacht vom 22. zum 23. November 1943 restlos verbrannt." „Doppelkopien von allen ausgehenden Korrespondenzen der Abteilung AV und Zentralstelle Ausland waren in den letzten Jahren aus Sicherheitsgründen jeweils zur Deutschen Bank, Filiale Görlitz, versandt worden. Die laufenden Auslands-Abteilungen sandten ihre Kopien an die Filiale Dresden.
Es hat sich bisher noch nicht feststellen lassen, wieweit das Material in den beiden Städten noch vorhanden ist." Vielleicht hat Czichon dieses Material benutzt, das allerdings höchstens die letzten Jahre ab September 1939, wahrscheinlich sogar erst ab 1940/41 betreffen dürfte und somit viele seiner Angaben über die frühere Zeit nicht decken würde. Das Landgericht Stuttgart ist in seinem Urteil vom 14. Februar 1972 zu dem Ergebnis gelangt, Czichon habe „in seiner ... unkorrekten Arbeitsweise offensichtlich aus zweiter Hand zitiert". Lassen wir es dabei bewenden — Czichons Art der „Geschichtsschreibung" ist auch von Mason nicht zu retten, der übrigens freimütig erklärt, daß Czichons Bücher im westdeutschen Buchhandel „schnell und leicht" erhältlich sind, obwohl sie aufgrund einer gerichtlichen einstweiligen Verfügung nicht mehr verkauft werden dürfen.
Ich wende mich Masons zweitem Anliegen zu: meine Kritik an einigen DDR-Autoren zu entkräften und zu widerlegen. Ich bestreite gar nicht, daß Historiker in der DDR „umfangreiche Aktenforschung" betreiben. Ihre Schriften aber, und dem stimmt Mason mehrfach nachdrücklich zu, sind eindeutig festgelegt durch den Marxismus-Leninismus. Sie besitzen somit natürlich keineswegs nur einen „vornehmlich politisch-propagandistischen Charakter", sondern die gesamte Geschichtsschreibung in der DDR steht im Dienst der kommunistischen Politik. Ich wiederhole, was ich in meinen drei Aufsätzen in der „beilage", in „Tradition" und in „Technik-Geschichte" (1971, S. 220 ff.) nachgewiesen habe: Die Geschichtsschreibung in der DDR ist Hilfs-„Wissenschäft" der Politik; ihr Ziel ist, von mir zitiert und wieder und wieder in den von mir angeführten Büchern und Aufsätzen formuliert: der Sturz der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ordnung in der Bundesrepublik. Das sind nicht „vermeintliche Beobachtungen" von mir, sondern in der DDR gedruckte Zielsetzungen. Natürlich erhebt der von mir „heftig verworfene Marxismus-Leninismus Anspruch darauf, eine geschichtswissenschaftliche Methodologie zu bilden" — das ist in der Tat keine „umstürzende Neuigkeit". Aber als ich mich insbesondere in meiner Studie in der „beilage" — im Gegensatz zu der nicht gerade fairen Behauptung von Mason — mit den „Fragestellungen" der Arbeiten von DDR-Autoren eingehend auseinandergesetzt habe, mußte ich zu dem Ergebnis gelangen, daß diese Arbeiten mit „Wissenschaft" nur etwas zu tun haben können, falls die Wissenschaft der Politik verpflichtet und zugeordnet ist und die „konkreten Forschungsleistungen" der von mir kritisierten Autoren politische Leistungen sind, bei denen durchaus nebenher für den wissenschaftlichen Historiker interessante Informationen abfallen können — etwa in der von Mason hervorgehobenen und auch von mir genannten Arbeit von Goss-weder.
Es liegt mir fern zu behaupten, die moderne Wirtschaftsgeschichte müsse sich „in erster Linie mit der Persönlichkeit führender Wirtschaftsfiguren befassen“. Meine eigenen Arbeiten, die Mason wohl nicht kennt, belegen diese Auffassung immer wieder. Aber man muß sich auch, für die Zeit des Hochkapitalismus sogar in sehr starkem Umfange, mit den positiven und negativen Leistungen von Personen beschäftigen — freilich wissenschaftlich und, wie Mason schreibt, „immer vorausgesetzt, daß auch die kritische Biographie keine unbegründeten Diffamierungen und Verdächtigungen enthält". Daß Czichon gröblich gegen diese berechtigten Forderungen an vielen Stellen verstoßen hat, ist nicht nur von mir in meinen Aufsätzen, sondern auch vor Gericht nachgewiesen worden. Es handelt sich dabei übrigens um einen Grundsatz, der in der ideologisch festgelegten DDR-Geschichtsschreibung nicht existiert und auch nicht existieren kann. Mason beschäftigt sich im Zusammenhang mit der Kritik an mir mit der „Misere der modernen Wirtschaftsgeschichte in Deutschland in der Zeit nach 1914", schränkt diese Kritik freilich sofort wieder ein auf den angeblichen Mangel an „fundierten" Darstellungen, womit er sich die Möglichkeit schafft, die vorhandenen abzuqualifizieren und als nicht „fundiert" zu übergehen. Hier macht sich die Begrenztheit seiner Kenntnis der deutschen Geschichtsschreibung leider ebenso bemerkbar wie wenige Zeilen später die seiner Kenntnis der deutschen Zeitgeschichte: Man kann heute wirklich nicht mehr der Geschichtsschreibung in der Bundesrepublik vorwerfen, sie sehe die Wirtschaft im Dritten Reich „in erster Linie durch die Brille des Politikers, des Generals und des Beamten, die die Prozesse zu beeinflussen versuchten". Und es zeugt nicht gerade von einer eingehenden Beschäftigung mit der Wirtschaftsgeschichte des Dritten Reiches, wenn man schreibt, „Markt und Wettbewerb" seien „Organisationsprinzipien der deutschen Wirtschaft in diesen Jahren" gewesen, und von den westdeutschen Historikern „werden ... die politischen Einflußnahmen auf die Wirtschaft implizit überschätzt." Was heißt hier „implizit"?
Wer meinen Aufsatz in der „beilage" gelesen hat, weiß, daß ich zu der immer wieder für die DDR-Historiker peinlichen Unterstützung von Hitlers Rüstungs-und Kriegspolitik durch Stalin ebenso wie für v. Schröders Behauptungen und für andere Ausführungen wissenschaftlich einwandfreie Belege geboten habe, und wundert sich gewiß mit mir, daß Mason dies bestreitet. Verläßt er sich vielleicht darauf, daß die Leser seines Aufsatzes meine im August 1971 in der „beilage" gemachten Ausführungen nicht zur Hand haben? Dieser Zeitabstand bildet in der Tat einen Vorteil für ihn und einen Nachteil für mich, der mich zwingt, ausführlicher zu erwidern, als von der Sadie her eigentlich nötig ist: Wie seine Schützlinge in der DDR versucht er, uns etwas als harmlose echte Gelehrtenleistung aufzuschwatzen, was politische Kampfliteratur ist. Ihre Verfasser wissen sehr genau, warum sie sich mit „geistloser Faktenaufzählung" nicht aufhalten, sondern ihren Lesern „Analysen" ungenannt bleibender Fakten bieten: Anders können sie nicht zu den „Ergebnissen" gelangen, deren Erreichung in jenen „Marx-, Lenin-und Ulbricht-'Zitaten als Aufgabe gestellt wird, welche Mason selbst zwar „obligatorisch“ (laut „Duden“: „verpflichtend, bindend") nennt, gleichwohl aber harmlos findet. Unterwirft er selbst seine eigene Forschung auch solchen „verpflichtenden" Richtlinien und Anweisungen durch die „Klassiker" des Marxismus-Leninismus, die über den „Kalten Krieg" weit hinauszielen? Ich komme kurz zum dritten Punkt: Mason bietet uns längere Ausführungen über seine Auffassung von der Bedeutung der marxistisch-leninistischen Geschichtstheorie und die Leistungen der auf ihr beruhenden Geschichtsschreibung bis hin zu Mandel. Da diese Darlegungen mit meinen Aufsätzen über Czichon und einige Historiker in der DDR nichts zu tun haben, enthalte ich mich jeder Stellungnahme dazu. Ich möchte ihm aber mit dem Blick auf die Geschichtsschreibung in der DDR im allgemeinen und auf die biographischen Pionier-„Leistungen" Czichons im besonderen, soweit Mason sie verteidigt, mit einigen Sätzen aus Bertrand RusseliS „Autobiographie! 1872— 1914" über den englischen Historiker oder historischen Belletristen Lytton Strachey abschließend antworten: „Die historische Wahrheit ist ihm gleichgültig; er will das Bild immer retouchieren, um die Lichter und Schatten greller und die Torheit oder Schlechtigkeit berühmter Leute augenfälliger zu machen. Es sind das schwere Vorwürfe, aber ich mache sie allen Ernstes.“