Stuttgart
I. Theoretische Vorüberlegungen (Hypothesen)
Vergegenwärtigt man sich die verschiedenen Stadien des westeuropäischen Integrationsprozesses, so mag die Rolle der USA auf den ersten Blick als wenig kontrovers angesehen werden.
Zumindest nach dem subjektiven Verständnis vieler Amerikaner scheint kein Zweifel darüber angebracht zu sein, daß die Vereinigten Staaten die europäische Einigung stets gefördert haben. Aber der Schein kann trügen und das Selbstverständnis falsch sein.
Erforderlich ist also die Analyse der tatsächlichen Wirkung des Faktors USA. Es stellt sich die Frage, ob die USA objektiv eine integrationsfördernde oder -hemmende Rolle spielten, ob sich in den verschiedenen Phasen des Integrationsprozesses unterschiedliche Wirkungszusammenhänge ermitteln lassen und wie diese Unterschiede zu erklären sind, ob sich schließlich eine Wahrscheinlichkeitsaussage über die künftige Entwicklung des amerikanisch-westeuropäischen Verhältnisses ma-chen läßt.
Bevor eine Antwort gesucht wird, sind einige kurze theoretische Bemerkungen notwendig. Diese Vorüberlegungen werden zu Hypothesen führen, mit deren Hilfe das empirische Datenmaterial geordnet und die Rolle der USA geklärt werden soll.
Im Unterschied zu den traditionellen Föderalismustheorien sind die modernen Integrationstheorien weniger an der Erarbeitung juristischer Schemata interessiert als vielmehr daran, Integrationsvorgänge empirisch zu analysieren und Regelmäßigkeiten festzustellen. Das Erkenntnisinteresse ist auf den Prozeß friedlicher Konfliktregelung und friedlicher Strukturveränderungen gerichtet Die statische Betrachtungsweise ist durch eine dynamisch-prozeßhafte abgelöst worden. Dementsprechend verstehe ich unter „Integration" einen Prozeß, durch den zwei oder mehrere selbständig organisierte Staaten eine neue gemeinsame politische Handlungs-und Entscheidungseinheit bilden und in dessen Verlauf Funktionen und Kompetenzen einzelner Bereiche schrittweise gemeinsam wahr-Peter Weber-Schäfer:
Demokratie in Japan ......................... genommen und neue Konfliktregelung praktiziert werden
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Methoden der fried-lichen Kooperation Dabei sind — wie Galtung dargetan hat — zwei Integrationskriterien wichtig:
intern die Fähigkeit, in diesen Bereichen tatsächlich eine gemeinsame Politik zu entwickeln und zu betreiben, und extern die praktische Anerkennung dieser neuen Handlungs-und Entscheidungseinheit durch Nichtmitglieder.
In unserem Zusammenhang ist der externe Bezug besonders interessant: Wenn in einem funktionalen Bereich oder in mehreren Bereichen die an einem Integrationsprozeß beteiligten Länder gemeinsames Handeln vereinbaren und verwirklichen, werden sie sich gezwungen sehen, eine gemeinsame Außenpolitik gegenüber Dritten auszu-arbeiten, und dieser Vorgang kann durch die Reaktion der Drittländer auf den Integrationsprozeß beeinflußt werden Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, daß externe Kräfte schon bei der Ingangsetzung des Integrationsprozesses aktiv mitwirken Ihre Rolle wird also in allen Phasen des Integrationsund Interaktionsprozesses relevant.
Zu diesem Gesamtproblem sind in der Literatur einige Annahmen formuliert worden, die die folgende Untersuchung leiten können. Ich beschränke mich hier auf vier Hypothesen, die die wichtigsten Annahmen zusammenfassen und z. T. erweitern:
1. Die Hypothese von der integrationsfördernden Wirkung externer Herausforderung Diese Hypothese nimmt an, daß die Existenz einer gemeinsamen externen Bedrohung oder Herausforderung ein oder gar der wichtigste Faktor ist, der die Initiierung von Integrationsprozessen fördern bzw. beschleunigen sowie die Ausdehnung des ökonomischen Integrationsprozesses in den politischen Bereich im engeren Sinne stimulieren kann
2. Die Hypothese von der aktiven Hilfsfunktion externer Eliten Danach kann man davon ausgehen, daß oftmals der Integrationsprozeß von den Mitgliedern nicht aus eigener Kraft in Gang gesetzt werden kann, sondern der Hilfe von außen bedarf. Externen Faktoren wird also die Rolle von aktiven Katalysatoren zugeschrieben. Eine externe Elite erhöht die Erfolgsaussichten ihrer integrativen Aktionen, je mehr die Richtung ihrer Machtanwendung mit de Machtstruktur der entstehenden integrierte!
Einheit übereinstimmt; ihr Machteinsatz wirk sich erfolgshemmend aus, je mehr er sich in Gegensatz zu dieser Machtstruktur voll zieht
3. Die Internalisierungshypothese Sie nimmt an, daß dann, wenn derIntegrations prozeß die Anfangsphase erfolgreich durchlau fen hat und im Innern genügend eigene An triebskräfte entwickelt worden sind, die Ten denz entsteht, daß die internen Eliten die Kon trollfunktionen der externen Eliten überneh men
4. Die Hypothese von der integrationshem menden Logik der außenpolitischen Inter essendivergenz Diese Hypothese besagt, daß dem Inte grationsprozeß Grenzen gesetzt sind, wem zwischen einem am Integrationsprozel beteiligten Staat und einer externen Groß'macht eine stärkere außenpolitische unc sicherheitspolitische Bindung besteht als zu den Partnern der entstehenden Gemeinschaft
Alle diese Hypothesen machen deutlich, daf die Einschätzung der Wirkung externer Faktoren im Integrationsprozeß die internationale Machtund Interessenstruktur und deren Wandel mit berücksichtigen muß In diesem Kontext können m. E. die genannten vier Annahmen helfen, die Fülle der Daten über die Rolle der USA im europäischen Integrationsprozeß sinnvoll zu ordnen und die eingangs gestellten Fragen zu beantworten. Es bedarf wohl kaum einer gesonderten Hervorhebung, daß die europäische Integration ein äußerst komplexer Vorgang war und ist. Ihre Ziele lassen sich stichwortartig wie folgt beschreiben:
Überwindung der innereuropäischen Antagonismen, Gewinnung von Sicherheit, Stabilität und Wohlstand im Rahmen einer demokratischen Ordnung sowie Erlangung neuer ökonomischer und politischer Macht. Die Erreichung dieser Ziele war in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg durch die sowjetische Politik, die als externe Bedrohung perzipiert wurde, ebenso in Frage gestellt wie durch die innere Schwäche der europäischen Staaten, die sich besonders krass vor dem Hintergrund der amerikanischen Potenz abhob.
Zwei Rahmenbedingungen prägten mithin die Machtund Interessenkonstellation im Westen:
1. Die bipolare Struktur des 'Internationalen Systems konstituierte eine breite Interessenidentität zwischen den USA und den westeuropäischen Staaten, und 2. die Asymmetrie in den machtpolitischen Beziehungen zwischen den USA und den westeuropäischen Staaten begründete eine extreme Abhängigkeit von den USA.
Das Zusammentreffen beider Bedingungen räumte den Vereinigten Staaten eine große Initiativmöglichkeit ein, die sie mit dem Marshall-plan intensiv wahrnahmen Die Truman-Administration glaubte — um eine Denkschrift vom 27. Mai 1947 zu zitieren »Europa cannot recover ... if her economy continues to be divided into many small watertight compartments as it is today . . . Sie band damit ihre Marshallplanhilfe an die Errichtung einer „European economic federation". Daß diese amerikanische Konzep-*
II. Amerikanische Starthilfen
tion der europäischen Integration im Kontext des Kalten Krieges (also in Abgrenzung gegenüber dem sowjetischen Einflußbereich) entstand, implizierte allerdings eine Hinnahme der Spaltung Europas, das heißt, die Integration wurde nolens volens auf das freie Europa beschränkt, wo man organisatorisch der amerikanischen Forderung zunächst durch die Bildung der OEEC Rechnung trug. In ihr waren die USA als assoziiertes Mitglied vertreten. Sie übten hier, wie in anderen Gremien zur Durchführung des Marshall-Planes, als externe Elite interne Kontrollund Leitungsfunktionen im Anfangsprozeß der europäischen Zusammenarbeit aus Die externe amerikanische Elite war fest davon überzeugt, daß der europäische Wiederaufbau auf der Basis einer privatund marktwirtschaftlichen Ordnung erfolgen müsse und daß dieses Wirtschaftssystem nur durch die europäische Zusammenarbeit stabilisiert und gegenüber sozialistischen Tendenzen immunisiert werden könnte Indem die Amerikaner die Position gleichgesinnter europäischer Kräfte in Wirtschaft und Politik unterstützten, erhielten die in der Widerstandsbewegung und Emigration entwickelten Vorstellungen von einem sozialistisch-demokratischen Europa zunächst keinerlei Realisierungschancen. Gemeinsam war und blieb jedoch das Bekenntnis zu einem demokratischen Europa.
Die amerikanische Initialzündung war erfolgreich. Wie van der Beugel, Etzioni, Haas u. a. ausführlich dargetan haben war erst aufgrund der positiven Ergebnisse der OEEC-Ar-beit die Basis dafür geschaffen, daß 1951/52 die Montan-Union gegründet werden konnte, in der bekanntlich die USA Intern nicht mehr direkt mitwirkten, zu deren Erfolg sie aber wesentlich (u. a. durch die Gewährung einer 100-Millionen-Dollar-Anleihe im Jahre 1954) beitrugen. Und damit halfen sie sogleich bei der Schaffung der Voraussetzungen für die EWGund Euratom-Verträge, die sie durch 14 ungewöhnlich rege diplomatische Aktionen förderten
Beachtlich war ferner von Anfang an das Engagement der ökonomischen Führungsgruppen der USA. Als Verbindungsgruppen (Linkage-Groups) vermittelten sie in beträchtlichem Maße sowohl die inneramerikanische Konsensbildung als auch den amerikanischen Außeneinfluß; die amerikanischen Geschäftsleute stellten enge Kontakte zu ihren Kollegen in den westeuropäischen Staaten her, so daß Kommunikationskanäle entstanden, die fortan für die Entfaltung der amerikanischwesteuropäischen Beziehungen von größter Wichtigkeit waren bzw. noch sind
Die aktive Hilfsfunktion der USA bei der Ingangsetzung des europäischen Integrationsprozesses im wirtschaftlichen Bereich hatte — rein formal betrachtet — ein Pendant bei der Favorisierung der europäischen militärischen Integration, allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, daß die Förderungsaktionen der USA erfolglos blieben. Denn bekanntlich wurde zwar die Aufrüstung der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der NATO (also im Rahmen des Atlantischen Bündnisses) erreicht, aber nicht eine europäische supranationale Militärintegration geschaffen, weil die Französische Nationalversammlung den EVG-Vertrag ablehnte
Dabei ist in unserem Zusammenhang interessant, daß — wie man aufgrund zeitgeschichtlicher Forschung weiß — die amerikanische Politik dieses negative Votum z. T. mit verursacht hat.
Die subjektiv als Förderungsaktion gemeinte politische Intervention der USA zugunsten einer integrierten Europa-Armee wirkte objektiv integrationshemmend. Die konträre Reaktion Frankreichs und der Bundesrepublik auf die amerikanische Politik und die unterschiedliche Interesseneinschätzung gegenüber den USA waren bereits 1954 wesentliche Differenzierungsfaktoren, und zwar sowohl bei den Führungsgruppen als auch (wie Umfragen zeigen) bei der Gesamtbevölkerung. Die amerikanische Politik gegenüber der Bundesrepublik wurde von einer Mehrheit der Franzosen (47 %) als zu freundlich angesehen, während eine Dreiviertelmehrheit der Westdeutschen (73 °/o) sie als richtig empfand
Da jedoch in der westeuropäischen Machtkonstellation dieser Phase Frankreich zweifellos vorherrschend war und da sich der Einfluß der externen amerikanischen Elite zugunsten der Bundesrepublik mithin im Gegensatz zu dieser internen kontinental-europäischen Machtstruktur vollzog, wirkte er integrationshemmend
Nachträglich wurde dieser Zusammenhang von den USA offenbar erkannt; denn später — bei den diplomatischen Unterstützungsaktionen zugunsten der EWG-Verträge — schlugen die Amerikaner mit Erfolg einen anderen Weg ein: Sie unterstützten den französischen Standpunkt übten ihren Einfluß mithin in Übereinstimmung mit der europäischen Machtstruktur aus und konnten so integrationsfördernd wirken.
III. Interessendivergenzen
Mit der Errichtung der EWG war der Prozeß der Integration und Internalisierung zunächst auf dem ökonomischen Bereich vorangetrieben worden Es war die Frage, inwieweit er in den außenpolitischen Bereich (einschließlich des militärpolitischen Bereiches der NATO) übergreifen würde.
Zur Diskussion stand die Stellung Westeuropas im Atlantischen Bündnis, das von den USA dominiert wurde
An den Knotenpunkten der Entwicklung zeigte sich, daß — trotz der wiederholten Bekenntnisse der USA zur europäischen Einigung — vom Faktor USA erneut integrationshemmende Wirkungen ausgingen, als die Konturen der intendierten politischen Integration mit der amerikanischen Vorstellung differierten. De Gaulles Politik stellte die Richtigkeit des Axioms in Frage, daß zwischen einem vereinigten Europa und den USA eo ipso eine natürliche Interessenharmonie bestehen werde
Indes, der gaullistische Vorschlag zur Einleitung der politischen Integration (Fouchet-Plan) hatte keine Erfolgschancen und der deutsch-französische Vertrag wurde durch die sogenannten Atlantiker neutralisiert, weil die Bundesrepublik die engen Bindungen an die Nuklearmacht USA nicht einer gemeinsamen europäischen Politik opfern wollte
Die Unterstützung der amerikanischen MLF-Pläne durch die Bundesregierung das Beharren Frankreichs auf dem Aufbau einer eigenen Atomstreitmacht sowie schließlich der Austritt Frankreichs aus der militärischen Integration der NATO waren weitere Tatsachen, die illustrierten, daß aufgrund der besonderen Bindungen zwischen der Bundesrepublik und den USA die europäische Integration auf sicherheits-und außenpolitischem Sektor blockiert wurde bzw. nach wie vor blockiert wird.
In ähnlicher Weise verzögerte das „special relationship" zwischen England und den USA — die Nassauer Vereinbarungen — den Beitritt Großbritanniens zur EWG
Der Versuch, Frankreich zur „atlantischen Unterordnung" zu zwingen, war — wie Couve de Murville in seinen soeben erschienenen Memoiren deutlich macht — das Haupthindernis für eine politische Weiterentwicklung der europäischen Einigung. So wurde der Prozeß der Internalisierung in den sechziger Jahren auf den ökonomischen Bereich eingegrenzt, dem wir uns nunmehr noch etwas genauer zuwenden müssen.
In dieser dritten Phase, in der sich die starre bipolare Struktur des Kalten Krieges auflockerte und in der somit die wirtschaftspolitischen Gegensätze im Westen nicht mehr in demselben Ausmaße wie zuvor durch sicherheitspolitische Erwägungen neutralisiert wurden, in der sich ferner das amerikanische Engagement stärker nach Asien verlagerte, vollzog sich die Verwirklichung der Römischen Verträge: nämlich die Vollendung der Zollunion (1968), die schrittweise Einführung des Gemeinsamen Zolltarifs und der gemeinsamen Agrarordnung sowie der weitere Ausbau der gemeinsamen Handelspolitik gegenüber Dritt-ländern (einschließlich der Assoziierungsund Präferenzabkommen mit afrikanischen Ländern)
Der wirtschaftliche Aufschwung in den westeuropäischen Ländern, der mit der ökonomischen Integration verbunden und zum Teil durch sie verursacht war, nährte die Hoffnungen der amerikanischen Wirtschaft — die von Anfang an für die Unterstützung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft mitentscheidend gewesen waren — auf neue Möglichkeiten, die ein großer europäischer Absatz-und Investitionsmarkt bieten würde Aus dieser Sicht mußten insbesondere die EWG-Agrar-Politik und das Präferenzsystem problematisch werden, und zwar um so mehr, als die Schwierigkeiten der US-Zahlungsbilanz zunahmen
In der Tat beeinflußte der Gemeinsame Markt der Sechs (und in geringerem Maße auch die EFTA, gegen die sich die USA von Anfang an gewandt hatten recht unterschiedlich die Chancen der amerikanischen Exportwirtschaft In den EWG-Ländern stieg zwar der Import amerikanischer Industrieund Agrarerzeugnisse volumenmäßig an; er betrug 1970 9, 03 Milliarden Dollar gegenüber 2, 8 Milli-arden Dollar im Jahre 1958 Er ging jedoch — insbesondere auf dem Agrarsektor — anteilmäßig zurück. Schätzungsweise beträgt die jährliche Einbuße, die aufgrund der EWG-Agrarordnungen für den Export amerikanischer Agrarprodukte entsteht, über 200 Millionen Dollar.
Demgegenüber hatte und hat auf dem Investitionssektor die Existenz des Gemeinsamen Marktes den amerikanischen Kapitalexport erheblich anwachsen lassen. Besonders im Bereich der Industriegüter hat die ökonomische Integration die direkten amerikanischen Investitionen erheblich gefördert und zu jährlichen Steigerungsraten in Höhe von durchschnittlich 11, 5% (= 14 Milliarden Dollar) geführt. Während die gesamten Auslandsinvestitionen der USA in den fünf Jahren vor der Gründung der EWG eine jährliche Steigerungsrate von 10, 8 % aufwiesen und in den folgenden sieben Jahren auf eine Rate von 8, 8 % zurückfielen, stieg die jährliche amerikanische Investitionsrate in Europa in dem entsprechenden Zeitabschnitt von 16 •/• auf 18, 5 %. Zwischen 1958 und 1965 war — nach den Schätzungen von Krause — die Summe der Neuinvestitionen in den Ländern der EWG und EFTA um 1— 2 Milliarden Dollar höher, als sie wahrscheinlich ohne die Wirtschaftsintegration gewesen wäre.
Der Gemeinsame Markt wurde die Hauptregion der amerikanischen Direktinvestitionen, die bekanntlich vor allem in zukunftsträchtigen, technologisch innovativen Industriezweigen vorgenommen wurden und dort zu einer Vorherrschaft der amerikanischen Firmen führten Schon 1968 verkauften die europäischen US-Firmen in Europa Waren im Wert von 14 Milliarden Dollar (zweieinhalbmal mehr als sie in die EWG exportierten) Amerika nahm also durch seine Konzerne in Europa unmittelbar und mit Gewinn an der Entwicklung des Gemeinsamen Marktes teil.
IV. Europäische Reaktionen auf die amerikanische Herausforderung
Wie reagierten die europäischen Eliten auf diesen Vorgang?
Während anfangs die amerikanischen Investitionen in den EWG-Ländern begrüßt wurden, da sie zweifellos zum wirtschaftlichen Wachstum beitrugen, stieg in den sechziger Jahren das Unbehagen gegenüber der wirtschaftlichen Invasion der USA Das Gespenst von der „amerikanischen Kolonialisierung Europas", das Ende der zwanziger Jahre (also ebenfalls nach einer Phase intensiver US-Investitionen) bereits an die Wand gemalt worden war ging um in Europa. Im Gegensatz zu der Anfangsphase der Wirtschaftsintegration in den fünfziger Jahren wurde jetzt die wirtschaftliche Unabhängigkeit von den USA als gesamteuropäische Notwendigkeit definiert. Nicht mehr die militärische Herausforderung der Sowjetunion, sondern die ökonomische der USA wurde zum externen Impuls für die Versuche, den Integrationsprozeß weiterzutreiben. Die amerikanische Herausforderung förderte die Tendenz zur Kooperation und zum Zusammenschluß von europäischen Industrieunternehmen (als dessen letztes Beispiel auf die eben eingeleitete Fusion von Hoesch und dem niederländischen Stahltrust Hoogovens verweisen sei) und sie trieb außerdem die Zusammenarbeit zwischen europäischen Banken voran.
Die politisch-organisatorischen Folgerungen, die schließlich aus dem „defi americain" gezogen wurden, mündeten in den Ruf, daß ein politischer überbau der europäischen wirtschaftlichen Integration mittels föderativer Institutionen dringend geboten sei, da nur so „die Grundvoraussetzung für die Unabhängigkeit Europas von den Vereinigten Staaten" (Mendes-France) geschaffen werden könnte
Abgesehen von den zaghaften Schritten, die Ende 1969 im Haag gewagt wurden ist diese Forderung in den sechziger Jahren nicht realisiert worden. Aber es haben sich doch u. a. angesichts der amerikanischen Herausforderung Ansätze für eine Vereinheitlichung in der Willensbildung und Außenaktion ergeben. Zumindest ist festzuhalten, daß der Faktor USA anläßlich der GATT-Verhandlungen in der Dillon-und Kennedy-Runde (in den Jahren 1961/62 bzw. 1964 -1967) die EWG-Länder zu einem gemeinsamen Auftreten genötigt hat. Diese Verhandlungen waren ein Test auf die innere Kohärenz der Europäischen Gemeinschaft, der positiv verlief:
— Die EWG-Länder haben gegenüber den USA mit einer Stimme gesprochen. ministers Faure — in der Lage, wie der Repräsentant eines Staates zu verhandeln. — Der Verlauf dieser beiden GATT-Runden zeigte ebenso wie die zwischen diesen Verhandlungen ausgetragenen Zollkämpfe zwischen der EWG und den USA (u. a. Hähnchenkrieg), daß die Zeit vorbei war, in der die Vereinigten Staaten mittels Kongreßbeschluß im GATT den anderen Ländern ihren Willen aufzwingen konnten Der amerikanischen Dominanz konnten sich die westeuropäischen Ländern nur durch ein einheitliches Handeln entziehen; die Europäische Gemeinschaft hatte damit ihre potentielle Stärke dokumentiert und die USA hatten die EWG als gleichberechtigte Einheit praktisch anerkannt
Die sechs westeuropäischen Länder wurden desgleichen (wenn auch in weit größerer Abhängigkeit) im Bereich der wissenschaftlichen Nutzung der Atomenergie durch Euratom zu einem einheitlichen Vertragspartner der USA. Euratom konnte sich in einem Lieferabkommen die Versorgung mit amerikanischem Uran und Plutonium bis zum Jahre 1995 sichern Und selbst im militärischen Bereich trugen die Verhandlungen über den Atomsperrvertrag zur partiellen Einheitlichkeit bei der Vertretung der westeuropäischen Interessen gegenüber den USA bei: die Änderungsvorschläge der Europäischen Kommission fanden ihren Niederschlag in der Europaklausel des Vertragstextes Jean Rey, der im Auftrag der Kommission
und in engem Kontakt mit dem Ministerrat die Verhandlungen führte, war — nach den Während jedoch im nuklearen Sektor die Worten des französischen Landwirtschafts-Sonderpolitik Frankreichs eine gemeinsame europäische Politik und eine Konsolidierung der Euratom verhindert, ist es im wirtschafts-und währungspolitischen Sektor wiederum die Bundesrepublik, die aufgrund ihrer stärkeren sicherheits-und handelspolitischen Orien-tierung auf die Vereinigten Staaten hin eine einheitliche Reaktion erschwert. Die amerikafreundliche deutsche Politik, die im Verlauf der gegenwärtigen Dollarund Weltwährungskrise erkennbar wurde und u. a.den ersten Schritt zur Währungsunion verzögerte weckte sogar in den USA vorübergehend die Illusion, eine einheitliche europäische Front verhindern zu können und durch eine bilaterale Verständigung mit der Bundesrepublik Deutschland der Notwendigkeit zu entgehen, mit der EWG auf der Basis der Gleichheit zu einem Interessenausgleich und einer Neuordnung der Währungs-und Handelsbeziehungen gelangen zu müssen Daß diese Illusion zerstört und sowohl im GATT als auch im Zehnerklub immerhin eine annähernd gemeinsame westeuropäische Linie gefunden wurde, könnte als Indiz dafür gewertet werden, daß im ökonomischen Bereich der Internalisierungsprozeß weitgehend abgeschlossen ist und nicht mehr oder nur sehr schwer umgekehrt werden kann.
Ohne Zweifel sehen heute die USA in der EWG-Politik eine Gefahr für die Erhaltung ihrer Vorrangstellung im Weltwährungs-und Handelssystem Wie der US-Delegierte zur GATT-Konferenz, Propps, im November 1971 erklärte fürchten die Vereinigten Staaten die Aussicht, „daß nach dem Beitritt Großbritanniens in die EWG die verbleibenden EFTA-Länder den Abschluß von Präferenzabkommen mit der Europäischen Gemeinschaft erwägen würden. Damit werde bis 1975 ein riesiges Netz von Präferenzabkommen geschaffen sein, das den Großteil Westeuropas, Afrikas und des Nahen Ostens umfasse". Resultat dieser Befürchtungen und Ausdruck der amerikanischen Kampfentschlossenheit sind die für die Europäer schockierenden Forderungen, die US-Sonder-botschafter William Eberle der EWG im Dezember 1971 unterbreitet hat und die nunmehr Gegenstand harter Verhandlungen sind: das Einfrieren der Getreidepreise und Einschränkungen beim Futtergetreideanbau, der Abbau der Agrarschutzpolitik, die Einstellung der Verhandlungen mit den EFTA-Neutralen (wie Österreich und Finnland), Beendigung der Präferenzpolitik gegenüber den Staaten Afrikas und des Mittelmeerraumes
Indem die Entwicklung der EWG nicht mehr so verläuft, wie sie vom amerikanischen Interessenstandpunkt aus intendiert war und ist, wird die Einstellung der USA zum europäischen Integrationsprozeß kritischer Die Regierung Nixon droht offen, aus dem System des GATT auszuscheren und eine eigene Präferenzzone zu bilden Indessen hat — wie die EWG-Kommissare Mansholt und Dahrendorf bezeugen — gerade die am 15. August inszenierte unilaterale Politik der USA „die Europäische Gemeinschaft zu einer größeren Einheit" gebracht.
Ob die amerikanische Herausforderung — zusätzlich zu den internen Faktoren — ein externer Impuls dafür sein wird, daß sich das Europa der Zehn gezwungen sehen wird, über die wirtschaftliche Integration hinaus politische Entscheidungsmechanismen zu schaffen, die der ökonomischen Potenz Westeuropas adäquat wären, läßt sich schwer prognostizieren. Denn sowohl das internationale System als auch die amerikanische Politik und die europäische Integration befinden sich zur Zeit in einem Stadium des Überganges, in dem die jeweiligen Interessen neu definiert und neue Strukturen gesucht werden. Sollte sich die Entspannung in Europa und zwischen den beiden Weltmächten fortsetzen, so wäre zu erwarten, daß die Diskrepanz zwischen dem außen-und militärpolitischen Übergewicht der USA und der wirtschaftlichen Macht der europäischen Staaten im Atlantischen Bündnis noch stärker als bisher bewußt wird und auf eine Neuregelung hindrängt.
V. Neue Konturen der westeuropäisch-amerikanischen Kooperation
Wie könnte dem neuen Machtfaktor Westeuropa seitens der USA Rechnung getragen werden?
Mit zunehmender Gleichheit zwischen den Vereinigten Staaten und dem erweiterten teil-integrierten Europa auf wichtigen wirtschaft-liehen Gebieten ist eine wesentliche Voraussetzung für eine gleichberechtigte Kooperation gegeben. Sie würde dann politisch eine Entsprechung finden, wenn die USA das vage Konzept einer Atlantischen Partnerschaft aufgäben. Denn dieses Konzept impliziert, daß erst nach der völligen Herstellung einer europäischen politischen Einheit und nur im Falle einer Interessen-harmonie zwischen den USA und diesen Vereinigten Staaten von Europa eine partnerschaftliche Teilhabe konzediert werden könne; die Entscheidung darüber, ob und wann beide Voraussetzungen erfüllt seien, bleibt den USA Vorbehalten
An die Stelle dieses Konzepts müßte die Bereitschaft treten, eine Aufgabenteilung mit einem Europa vorzunehmen, das sich noch mitten im Integrationsprozeß befindet.
Einige Tendenzen, die sowohl in den USA als auch in Westeuropa zu beobachten sind, könnten eine entsprechende Konzeptionsänderung begünstigen:
— in den Vereinigten Staaten die Tendenz zum Abbau des weltpolitischen Über-Engagements und — in Westeuropa der Beschluß zur Verwirklichung der Währungsunion und die Tendenz zur Koordinierung der Außenpolitik, die mit der Verwirklichung des sogenannten Davignon-Berichtes institutionelle Gestalt gewinnt (halbjährliche Ministertagungen, vierteljährliche Tagungen des neuen Komitees der politischen Leiter der Außenämter; gemeinsame Weisungen an die diplomatischen Missionen in Drittländern)
Diese Entwicklung und die Bereitschaft Frankreichs zur Schaffung einer europäischen Konföderation deuten darauf hin, daß der Internalisierungsprozeß auf politischem Gebiet (einschließlich des außen-und sicherheitspolitischen Sektors) weitergeht und daß — um mit Außenminister Scheel zu sprechen — eine „zweite Generation" der europäischen Integration beginnt. Freilich wird eine weitere Internalisierung der externen amerikanischen Kontrolle nur dann im Interese aller westeuropäischen Staaten (einschließlich der Bundes-* republik) liegen und auch von den USA akzeptiert Werden können, wenn der militärische Ost-Westkonflikt sich Weiter abschwächt und neue gesamteuropäische Strukturen einer friedlichen Konkurrenzaustragung (wie sie zur Zeit u. a. durch die Europäische Sicherheitskonferenz angestrebt werden) entstehen.
Für die neue Rolle der USA im europäischen Integrationsprozeß wäre dann bestimmend, inwieweit im westeuropäisch-amerikanischen Verhältnis die Bedingungen einer friedlichen Zusammenarbeit optimal gegeben sind bzw. hergestellt werden können.
Nimmt man als Maßstab Galtungs „five conditiöns of peaceful cooperation" so ergibt sich folgender Befund:
Die Tendenzen zum Abbau oder zur Kompensierung der Asymmetrien sind deutlich erkennbar;
die strukturellen Ähnlichkeiten, die Vielzahl von Kommunikationskanälen, die offenkundigen Interdependenzen und mannigfachen Institutionalisierungsansätze sind bereits heute vorhanden.
Ferner existiert eine intensive wirtschaftliehe Durchdringung zwischen der westeuropäischen Und amerikanischen Wirtschaft und bestehen enge Kontakte zwischen den wirtschaftlichen und politischen Verbindungsgruppen beider Regionen. Gerade die Funktion der Geschäftsleute als Linkage Group'hat (wie oben nur angedeutet werden konnte) in der Vergangenheit eine erhebliche Rolle gespielt und dürfte auch künftig relevant sein. Daneben bewähren sich neue institutionelle Formen (Wie z. B. die informelle Beratungsgruppe zwischen der Europäischen Kommission und der Amerikanischen Regierung oder die Euro-Group in der NATO).
Schließlich sind mit Organisationen wie der OECD institutionelle Rahmen der multilateralen Zusammenarbeit verfügbar.
Mag die Schaffung der europäischen politischen Einheit — ähnlich wie die Schaffung der wirtschaftlichen Integration in den sechziger Jahren — auch in Differenzierung von den USA vor sich gehen so deutet dieser Befund doch darauf hin, daß nicht ungünstige Voraussetzungen für ein kooperatives Verhältnis zwischen den USA ühd einem Sich integrierenden Westeuropa bestehen — für ein Verhältnis, daß Zwar gewiß nicht konfliktfrei sein wird, dessen Konflikte jedoch auf Grund der skizzierten Gegebenheiten eindämmbar Oder sogar von Fall zu Fall lösbar seih dürften. Die Washingtoner Währungsvereinbarungen vom 18. Dezember 1971 bestätigen diese Prognose ebenso wie der bei den Nixon-Brandt-Gesprächen ventilierte Plan, einen gemischten Ausschuß aus Vertretern der US-Regierung, der EWG-Kommission und der Mitgliederregierungen der EWG zu bilden, um so einen ständigen Konsultationsmechanismus Zur Beilegung künftiger Schwierigkeiteh züt Verfügung Zu haben
VI. Zusammenfassung und Ausblick
Für eine genauere Analyse ühd Prognose müßten selbstverständlich weitere Faktoren und Dimensionen (vor allem auch aus dem EWG-internen Bereich) in die Betrachtung einbezogen werden. Hier konnten nur einige Hauptlinien des Wirkungszusammenhangs skizziert werden; es handelt Sich also nur üm eine sehr vorläufige Aussage, die sich thesenartig folgendermaßen zusammenfassen läßt:
1. Es bestand keineswegs eine einheitliche Wirkungsrichtung der amerikanischen Politik. Lediglich in der Vorbereitungsphase und zum Teil in der Anfangsphase der Integration ist eine Übereinstimmung zwischen Intention und objektiver Wirkung der amerikanischen Politik zugunsten der westeuropäischen Einigung eindeutig feststellbar. Angesichts des ökonomischen Chaos in Europa, das den Welt-handel und die amerikanische Wirtschaft gravierend beeinträchtigte, und angesichts der sowjetischen und kommunistischen Bedrohung existierte eine weitgehende amerikanischwesteuropäische Interessenidentität, aus der sich die integrationsfördernden Aktivitäten der USA ergaben. Sie wurden sowohl auf Regierungsebene als auch im nicht-offiziellen Sektor (vermittelt durch die Linkage Group'der Geschäftsleute) intensiv entfaltet und garantierten, daß sich die europäische Zusammenarbeit auf privatwirtschaftlicher Basis vollzog.
2. In der Initiierungsund Anfangsphase der wirtschaftlichen Integration übten die USA als externe Elite eine Hilfsfunktion aus, die gleichzeitig eine direkte und indirekte externe Kontrolle beinhaltete. In der Folgezeit wurde diese externe amerikanische Kontrolle auf dem wirtschaftlichen Integrationssektor durch einen Prozeß der Internalisierung schrittweise eingeschränkt oder gar abgelöst.
3. Nach intensiven amerikanischen Investitionen in Westeuropa und. nach der Abschwä-chung der sowjetischen Bedrohung wurden die USA von dem wirtschaftlich erstarkten Westeuropa als Herausforderung empfunden — und umgekehrt rief die Agrar-und Präferenzpolitik der EWG eine kritische Haltung der USA gegenüber der Europäischen Gemeinschaft hervor. Die ökonomische Herausforderung der USA zwang und zwingt zum einheitlichen Auftreten der EWG-Staaten und erzeugte neue Impulse für den europäischen Integrationsprozeß, die auch noch in der gegenwärtigen Phase wirksam sind und auf eine gleichberechtigte Interaktionsstruktur zwischen den westeuropäischen und amerikanischen Eliten hinzielen.
4. Solange die unterschiedlichen amerikanischen Abhängigkeiten einzelner am europäischen Integrationsprozeß beteiligter Staaten und die besonderen Beziehungen potentieller Mitgliedstaaten eine innereuropäische Interessendivergenz konstituierten, wirkte der Faktor USA objektiv integrationshemmend. In dem Maße, in dem die amerikanische Politik die Bundesrepublik Deutschland und England favorisierte (also die kontinentaleuropäische Machtstruktur mißachtete), trug sie dazu bei, daß der Internalisierungsprozeß auf den ökonomischen Bereich begrenzt wurde.
5 Die Diskrepanz zwischen wirtschaftlicher Stärke und militärischer und politischer Abhängigkeit von den USA machte bzw. macht die Neuregelung des amerikanisch-westeuropäischen Verhältnisses notwendig. Sie wird möglich, nachdem die Änderungen im Internationalen System eine Voraussetzung für die Überwindung derjenigen innereuropäischen nteressendivergenzen geschaffen haben, die bisher durch die unterschiedliche sicherheitspolitische Abhängigheit von den USA gegeben waren. Der Internalisierungsprozeß dürfte daher jetzt von dem ökonomischen Bereich aus intensiver in die außen-und sicherheitspolitischen Bereiche übergreifen. Dem kann das vage amerikanische Konzept von der „Atlantischen Partnerschaft" nicht hinreichend Rechnung tragen.
6. Mit der Herstellung einer annähernden Symmetrie zwischen den USA und dem sich integrierenden Europa in wichtigen wirtschaftlichen Sektoren und mit der Tendenz zur Verringerung der Asymmetrien in anderen Bereichen entstehen die Bedingungen für eine gleichberechtigte westeuropäisch-amerikanische Kooperation, durch die die amerikanische Dominanz in Westeuropa wahrscheinlich abgelöst werden wird. Die jüngsten Ansätze einer westeuropäischen Zusammenarbeit auf außenpolitischem Gebiet und die von den USA zur Zeit betriebene Neudefinition ihrer weltpolitischen Rolle dürften diesen Prozeß fördern. Wenn der westeuropäische Integrationsprozeß — ungeachtet der zu erwartenden Rückschläge — in der angedeuteten Richtung verlaufen sollte und sich die Rolle der USA in Westeuropa künftig in kooperativen Strukturen der Gleichberechtigung entfalten kann, so werden im Verhältnis zwischen den westeuropäischen Staaten untereinander sicherlich, zwischen dem sich integrierenden Westeuropa und den USA wahrscheinlich friedliche Konfliktlösungen gewährleistet sein. Dann sähen sich zumindest partiell diejenigen Friedens-
und Konflikttheoretiker und Politiker bestätigt, die die regionale Integration als geeignetes Mittel zur Friedenssicherung betrachten.
Offen bleiben jedoch auch dann noch zwei wichtige Fragen:
1. Ob sich friedensfördernde Effekte auch gegenüber anderen Regionen und gegenüber Drittländern ergeben werden (oder ob sich etwa hier ein Abhängigkeitsverhältnis Zentrum-Peripherie stabilisiert) und 2. ob und unter welchen Voraussetzungen mit der externen Friedenssicherung eine Entwicklung einhergehen wird, durch die die binnen-staatlichen und -gesellschaftlichen Bedingungen der Gewalt abgebaut werden.
Dieser Problematik kann hier nicht weiter nachgegangen werden, aber die Politikwissenschaft und Friedensforschung wird sich künftig eingehend damit beschäftigen.