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Die guten und die bösen Deutschen Das Freund-Feind-Bild im Schrifttum der DDR | APuZ 47/1971 | bpb.de

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APuZ 47/1971 Artikel 1 Die guten und die bösen Deutschen Das Freund-Feind-Bild im Schrifttum der DDR

Die guten und die bösen Deutschen Das Freund-Feind-Bild im Schrifttum der DDR

Lothar von Balluseck

/ 91 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Der in dem Untertitel verwendete Begriff „Freund-Feind-Bild im Schrifttum der DDR" wurde vom Autor sehr weit gefaßt: er behandelt das Freund-Feind-Bild nicht nur im Rahmen der eigentlichen Literatur, sondern im Kinder-und Jugendbuch ebenso wie in Schulbüchern, Unterrichtshilfen für die Lehrer, offiziellen Verlautbarungen, die in den Tageszeitungen der DDR abgedruckt wurden, Karikaturen, der Malerei (soweit sie Gegenstand von Besprechungen in Zeitungen und Zeitschriften ist), der Trivialliteratur sowie der eigentlichen Belletristik. Dabei wird anhand einer umfangreichen Bild-und Textdokumentation, vor allem aus dem Jahre 1971, festgestellt, daß in gewissen Bereichen eine Abschwächung der bisher totalen Polarität im Freund-Feind-Denken der DDR-Führung zu beobachten ist. Der Sowjetsoldat wandelt sich vom großen Bruder hier und da zum Freund und Helfer, nichtkommunistische Bürger der Bundesrepublik und West-Berlins werden gelegentlich sympathisch gezeichnet. Besonders bei den jüngeren Autoren schwächt sich die Kontrast-darstellung von Gut und Böse, personifiziert durch die „positiven Helden" und ihre Gegenspieler, deutlich ab. Sie suchen zunehmend die unkämpferische Idylle, eine Welt jenseits von Gut und Böse. Aber für die staatsbürgerliche Erziehung gehört die Hervorhebung des alten Freund-Feind-Bildes und damit die Weckung und Auslösung von Emotionen gegen fast alles, was heute die Bundesrepublik und West-Berlin ausmacht, immer noch zu den wichtigsten Zielen. Der DDR-Staatsführung und der SED dürfte es schwerfallen, im Rahmen der gegenwärtigen Entspannungspolitik die fest zementierte ideologische Basis, auf der ihre Freund-Feind-Bilder errichtet worden sind, abzubauen.

Das Freund-Feind-Bild der DDR erscheint nicht in vielerlei Gestalt, aber in allen meinungsbildenden Medien. Es wäre des Guten (oder Schlimmen) zuviel, sein kontinuierliches Auftreten in dem ganzen Universum der dortigen Kommunikationsmittel zu verfolgen. Fernsehen, Funk und Film werden nicht berücksichtigt. Mit der Beschränkung auf einen Bruchteil dessen, was mittels Druckerschwärze publiziert wird — die Kinder-, Jugend-, Unterhaltungs-und Trivialliteratur sowie die anspruchsvollere Belletristik der letzten Jahre —, bleibt uns immer noch ein weites Feld, auf dem manche Entdeckung zu machen ist — eine Landschaft, in der man sich zugleich heimatlich vertraut und doch wieder fremder als vor manchen fremdsprachigen Texten fühlt.

Dieses Feld darf im weitesten Sinne und buchstabengetreu zwar literarisch genannt werden, aber die dazu naheliegende Frage, wie es bestellt wird und, vor allem, ob es gute künstlerische Frucht hinter seinen Umzäunungen trägt, soll hier nur berührt, jedoch nicht vertieft werden. Aber was heißt schon „gut" angesichts unserer jungen Künstlergeneration, die (fast) alles außer Kunst schaffen will, so daß mancher Konservative, der längst Vergilbtes konserviert, mit verstohlenem Neid in den Romanen und Erzählungen aus der DDR blättern mag. Dort werden in einer scheinbar heilen Welt noch Konflikte zwischen Neigung und Pflicht in folgegerechter Handlung zwischen realistisch porträtierten Personen ausgetragen, wie sie sie vor Dezennien Gerhart Hauptmann oder Friedrich Wolf darstellten, und die Lösung am Schluß, auch wenn das happy-end fehlt, tut Herz und Verstand gleichermaßen wohl.

Die Frage, ob die Schematik unserer Bestseller und Illustriertenromane ergiebiger ist, sei hier nicht gestellt, so wie es hier ohne Belang ist, ob hüben oder drüben die besseren Lore-Romane geschrieben werden. Es geht, auch weil sie zu hinken pflegen, überhaupt nicht um Vergleiche oder gar um die Einstimmigkeit zur polit-literarischen Parteinahme für und wider irgend etwas, zumal unsere literarische Moderne mit ihren Wortketten, Psychogrammen und Collagen so ganz außerhalb der Öffentlichkeit leben muß.

Nirgendwo spiegelt Belletristik die Bild-und Vorstellungswelt der Menschen ganz wider; man darf sich auf der Suche nach dieser nicht auf jene beschränken. Dafür ist jedoch die Beschränkung in Kauf zu nehmen, die sich aus der Divergenz zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung ergibt. Aber auch, wenn man sich nur an das gedruckte Wort hält, ergibt sich Interessantes, denn die Zeiten ändern sich und mit ihnen die Kontrollmaßstäbe der Zensoren wie die Zensuren der Freiwilligen Selbstkontrollen. Die Konsolidierung des Staatswesens, das zunehmende Gewicht von Managern und qualifizierten Arbeitern für Industrie und Wirtschaft und andere uns geläufige Umstände geben Staat und Partei Anlaß zu liberalen Gesten gegenüber der Bevölkerung, deren consensus durch Hebung ihres Selbstgefühls, durch dünnere Dosierung beim Verabreichen politischer , essentials‘ durch Ermunterung zur Sachkritik gewonnen werden soll. Das ermöglicht, ja bedingt eine Bereicherung der Aussagemöglichkeiten. So kommt es zwar nicht zum freien Wort, aber doch zur Auflösung mancher starren Formel und Form. Hier und da schwächt sich die totale Polarität des Freund-Feind-Denkens ab, werden auch nicht-kommunistische Bürger der Bundesrepublik sympathisch gezeichnet und der Sowjetsoldat wandelt sich vom großen Bruder zum Freund und Helfer.

Tempora mutantur — aber sie ändern Verschiedenes in verschiedenem Maße und manches überhaupt nicht. Das bestätigt sich in der Bild-und Vorstellungswelt, die den Kampf der SED um Frieden, Fortschritt und Freiheit gegen Militarismus, Reaktion und Ausbeutung im allgemeinen und in der Bundesrepublik im besonderen motiviert und aktiviert.

Bei dem vorliegenden Beitrag handelt es sich um einen auszugsweisen Vorabdruck aus dem gleichnamigen Buch, das in .der Reihe „Politische Text-und Bildsammlungen für Schule und Unterricht“ um die Jahreswende im Hohwacht-Verlag Bonn-Bad Godesberg erscheinen wird.

Lektüre für Kinder und Jugendliche

1. Politisch- Engagement und Liebe für die Partei der alle Werktätigen in der sozia-listischen Menschen- 2.

Die marxi-stisch-leni-nistische Analyse des Charakters unserer Epoche ist die objektive Grundlage unseres Freund-Feind-Bildes. 3.

So wie die Arbeiterklasse der DDR ihre historische Mission erfüllt.

wird es auch eines Tages die Arbeiterklasse Westdeutsch-lands tun. 4.

Liebe und Verbunden-heit zum sozialisti-schen Vater-land. Unser Haupt-feind ist der westdeutsche Imperialis-mus. Ihm gilꓰٔ?

Ideale und Idole prägen sich jüngeren Menschen leichter als älteren ein; Umerziehung ist schwer, Erziehung vergleichsweise leicht. Nach dieser alten Erfahrung konzentriert sich alle Macht der Welt beim Einprägen ihrer Leitbilder auf die Jugend. So bereitet sich auch die Kinder-und Jugendliteratur der DDR schon den Boden vor: die Erwachsenenliteratur bekräftigt, bestätigt, rekapituliert nur, wofür dort der Grund gelegt wurde.

Daher werden Unterrichts-und Freizeitlektüre, die wir im Westen als unterschiedliche und oft kontroverse Begriffe verstehen, so planmäßig koordiniert, daß sie planmäßig ineinander übergehen; für die Kinder-, Jugendbuch-und Zeitschriftenverlage gelten die gleichen Maximen wie für die Schulbuchverlage. Ihre Produktionen sind pädagogisch prinzipiell vertretbar, ganz aufeinander abgestimmt Was kürzlich Karl-Heinz Brokerhoff über die Tendenz der DDR-Schullesebücher mitteilte gilt somit auch für den Lesestoff der Kinder-und Jugendlichen: „Die . Aufgabenstellung'weist auf die Einheit von Unterricht und außerunterrichtlicher Tätigkeit hin und macht zugleich auf die grundlegende Bedeutung der außerunterrichtlichen Tätigkeit aufmerksam. Die außerunterrichtliche Tätigkeit bietet eine Vielfalt von Möglichkeiten, die sozialistische Wehrerziehung interessant, erlebnisreich und emotional zu gestalten.“

Wenn in der FDJ-Zeitschrift „Junge Generation" General Heinz Hoffmann, Minister für Nationale Verteidigung der DDR, von Pädagogen fordert, den Heranwachsenden „einen tiefen Haß gegen die imperialistischen Feinde anzuerziehen“ dann spricht daraus nicht die Engstirnigkeit eines Militärs; er stimmt mit den Lehr-und Unterrichtszielen für die Schulen vollständig überein. So schreibt ein Horst Adam „Zur Entwicklung des Freund-FeindBildes im Staatsbürgerkunde-Unterricht der Klassen 7 und 8": „Das Freund-Feind-Bild ist von fester Freundschaft zu unseren Klassen-brüdern und von Haß und Abscheu gegenüber den Klassenfeinden, und „Das Freund-Feind-Bild ist von fester Freundschaft zu unseren Klassen-brüdern und von Haß und Abscheu gegenüber den Klassenfeinden, den Feinden des sozialistischen Vaterlandes und allen Feinden des Sozialismus geprägt“ 6). Ähnlich wie Erich Honecker in einer Rede vom Oktober 1971 7) bekräftigte ein Autorenkollektiv der Pädagogischen Hochschule Potsdam diese Auffassung im Mai 1971: „Es geht um die Entwicklung echter, historisch begründeter Gefühle der Schüler, wie Liebe und Vertrauen zur Arbeiterklasse und ihrer Partei und Haß gegenüber den imperialistischen Feinden der Menschheit, auf der Grundlage des Prinzips der Einheit von Erkennen, Werten und Erleben.“ 8)

Mit dem Lesen-und Schreibenlernen verbinden sich bereits politische Elemente. In den Lehrplänen für die Oberstufe heißt es: „Die Schüler sollen zur Einsicht geführt werden, daß die Menschen in der Deutschen Demokratischen Republik für Frieden, Sozialismus und ein glückliches Leben aller Menschen eintreten. Enge Beziehungen zu Werktätigen, insbesondere zu Arbeitern in sozialistischen Brigaden, zu Mitgliedern der SED, zu Volksvertretern und zu Angehörigen der bewaffneten Kräfte, sollen zur Einstellungsbildung der Schüler beitragen und tiefe und konkrete Bindungen zu ihrem sozialistischen Vaterland herstellen.“

Dementsprechend zeigt die in der DDR benutzte Fibel bereits auf einer der ersten Seiten groß und bunt die Fahne der DDR Sie wird, zusammen mit einer roten Fahne und dem blauen FDJ-Wimpel wieder auf Seite 27 gezeigt, und diesmal nimmt der Lese-text bereits darauf entsprechenden Bezug: „Uli, hole unsere Fahnen her! Uns fehlen Fahnen. Wer will Fahnen malen? Olaf, Anne malen sie. Alle Fahnen in einer Reihe! So, nun sehen wir alle Fahnen. Wer will sie nennen? Was sehen wir in unseren Fahnen?

Erst wenn die Schüler auf Seite 103 angelangt sind und die Kunst des Lesens schon leidlich beherrschen, findet der Feind zum ersten Mal Erwähnung. Mit dem Satz: „Kein Feind soll es wagen, unsere Deutsche Demokratische Republik anzugreiien“ beschließt ein Soldat Heinz den an einen Schüler gerichteten handschriftlich wiedergegebenen Brief Der Feind wird nicht weiter beschrieben, aber eine Zeichnung unter dem Brief gibt einen Richtungshinweis: zwei Soldaten stehen neben einem Mauerwerk, Blick und Waffe nach links (in der politischen Bilderbuchsprache wie auf der Landkarte stets mit dem Westen identisch) gerichtet, und ein Düsenjäger, von rechts kommend, überfliegt sie in Richtung Westen. Das Bild illustriert, was das Wort noch nicht sagt. Mit unendlicher Vorsicht, mit Umschreibungen, Andeutungen und sinnbildlichen Darstellungen wird so das Feindbild dem Kind nähergebracht. Die erste, reich bebilderte Seite einer Kinder-erzählung enthält nur einen einzigen Satz: «Wir Jungpioniere lieben den Frieden“, womit indirekt unterstellt, aber nicht expressis verbis behauptet wird, daß es irgendwo Leute gebe, die im Gegensatz zu den Jungpionieren den Frieden nicht lieben.

Wie die Unterrichtsfibel zeigt auch das Kinderbuch, was vertrauensund liebevolle Zunei-nung verdient: die Sowjetmacht, die Streitkräfte der DDR usw.

Dabei wird, ganz wie bei uns, mit ein wenig Farbsymbolik gearbeitet: Von jeher haben die Guten bei uns blonde und die Bösen dunkle Haare. Wenn so die Haarfarbe eine moralische Kategorie versinnbildlicht, wird an den bewährten Assoziationsmechanismus angeknüpft, den das Erscheinen von Hell und Dunkel von jeher, und nicht nur bei uns Deutschen, ja nicht einmal, wie uns die Verhaltensforschung bei Tieren zeigt, nur bei Menschen auslöst. Eine sprechende Bildgeschichte für ABC-Schützen zeigt Sowjetsoldaten von vertrauenerweckender Kindlichkeit der Gesichtszüge: sie sind für jeden Spaß zu haben, sie speisen die Kleinen, das Zusammensein mit ihnen bringt den Kindern eitel Freude: ein Beispiel für perfekte SympathieWerbung

Das Thema wird für die Größeren, ihrem Begriffsvermögen entsprechend, von Bodo Schu-lenburg in der Erzählung „Wir verschenken Bammel" variiert

Die Erzählung „Der große und der kleine Dieter" spielt sich, der westdeutsche Leser muß darauf aufmerksam gemacht werden, am Tage des Mauerbaus in Ost-Berlin ab. Da fahren Panzer der Nationalen Volksarmee auf, um den Frieden zu retten. Den Jungpionieren gegenüber sind die Panzersoldaten, die Geschichte schildert es, dagegen voller Güte und Liebe. Wer wollte da nicht eines Tages selber Panzerfahrer werden, wenn man, wie der kleine Dieter, erlebt hat, „wie stark die Soldaten des Volkes sind, wie klug und geschickt" und wie gemütvoll? Eine geschickte Idealisierung des 13. August und seiner militärischen Akteure.

Das Feindbild erscheint auch hier nur schattenhaft: „Jetzt vergeht den Volksfeinden das Lachen“ sagt ein Kampfgruppenmann, aber nicht, um wen es sich dabei handelt, und schon gar nicht wird er in Kontur und Farbe beschrieben. Der Feind wird erst für Leser der nächsten Altersstufe scharf ins Bild gerückt. Für die Leser dieser Erzählung genügt es zu wissen, daß es ihn gibt.

Die Nationale Volksarmee hilft gegen Blitzschlag und Brandkatastrophe; Darstellungen wie die von Siegfried Dietrich finden sich, leicht variiert, in vielen Kinder-und Jugend-büchern.

Ohne Rücksicht auf die eigene Sicherheit retten Volksarmisten unter letztem Einsatz eine wertvolle Erdgassonde, die durch einen Blitz in ein Flammenmeer verwandelt ist.

Zielvorstellung: die Volksarmee schützt, auch gegen Naturgewalten. Und was kann stärker als Naturgewalten sein? (s. auch Dok. 12)

Was dem kindlichen Bedürfnis nach Geborgenheit und Wärme entspricht, ist gut. Gut sind der Staat, die sowjetische Gesellschaft und ihr Funktionärskorps, gut sind die Warschauer Paktstaaten und ihre Soldaten. Mit ihnen wird das Kind durch die ersten Lesestoffe vertraut gemacht. Das erschreckend Böse tritt erst dann in Erscheinung, wenn das Gute voll in den harmonischen Teil der kindlichen Begriffswelt integriert ist, wenn sich die Prozesse der Identifizierung und Idealisierung bereits vollziehen oder vollzogen haben. Damit ist nichts DDR-Spezifisches gesagt, denn alle Kinder-literatur der Welt beginnt mit dem Guten; verruchte Gestalten, die im Marionettentheater vor Kleinkindern ein böses Ende nehmen, geben kaum irgendwo den Lesestoff für Klipp-schüler ab; der Schuft im „Western“ soll den höheren Altersgruppen von 8— 80 Jahren Vorbehalten bleiben. Der Unterschied zwischen Ost und West liegt also nur darin, was als gut und böse gilt.

Wie bei uns wird das jeweils Böse in Kinderbüchern von zweifelhaftem pädagogischen Wert verabsolutiert, es wird mit allen Superlativen der Grausamkeit, der Niedertracht, der Unmenschlichkeit versehen. Aber solche Buhmänner stehen, imaginäre Phantasiegebilde, bei uns im allgemeinen, trotz durchaus realistischer Schilderungen, außerhalb der Realität. Was dem Kind in der DDR als schlechthin böse vorgeführt wird — die gerade amtierende Bundesregierung, die Bundeswehr u. a. m. —, besteht wirklich. Und damit erscheint es als unmittelbare Existenzgefährdung des Guten und damit auch der Guten: auch dem Friedlichsten bleibt keine Wahl — er muß es hassen und bekämpfen. Auf diese Unumgänglichkeiten läuft die Darstellung des Feindes in der Lektüre der Zehnjährigen hinaus.

Was die Heranwachsenden in ihren Freizeit-büchern (und -heften, die von den Jugendorganisationen herausgegeben werden) lesen, wird in den Deutsch-und Geschichtsunterricht einbezogen, (s. auch Dok. 13). Damit schließt sich der Kreis der Orientierungsmöglichkeiten durch das gedruckte Wort. Beispiel: Im Lehrplan 1971 für die 4. Klasse wird dieLektüre der Erzählungen „Waffenbrüder" und „Der Trinkende" für die ersten Stunden der 3. Unterrichtswoche mit den folgenden Ziel-und Aufgabenstellungen und methodischen Hinweisen in Verbindung gebracht: „ 1. Stunde: Nachhaltiger Eindruck von der Waffenbrüderschait der Staaten des War-schauer Vertrages; Dienst der Soldaten dient dem Frieden; Ireundschaitliche Verbunden heit-, Schlußfolgerungen für Verhalten als Thälmann-Pioniere. 2. Stunde: Fortsetzung der Erschließung des Textes nach inhaltlichen Gesichtspunkten des Lehrplans. Anschließend: Übung im fließenden Lesen der Abschnitte, die über Anteilnahme der Bevölkerung an dem Manöver erzählen. 3. Stunde: Anknüpfen an „Waffenbrüder". In haltliche Erschließung soll Verbundenheit dei Schüler mit Angehörigen der NVA vertiefen“ Wie ein solcher gegenwartsbezogener Geschichtsunterricht im einzelnen verlaufen soll, darf den Lehrer-Anweisungen für die 7. Stunde — hier geht es um den Bau der Mauer 1961 — entnommen werden (siehe auch Dok. 14). Hinsichtlich der Behandlung der Bundesrepublik im Unterricht für die Älteren vgl. Dok. 15. In den Polit-Unterricht wird auch der Fremdsprachenunterricht einbezogen; die Lesestoffe enthalten hier und da auch das Vokabular für politische Argumentationen: Ein Reiseführer erzählt Franzosen von der am Brandenburger Tor gegen die Feinde des Friedens gebaute Mauer ein Englisch-Lehrbuch erzählt von den katastrophalen Verhältnissen in der Bundesrepublik Es gibt solche Stellen in den Lehrbüchern, aber es gibt sie selten; die „normalen" Themen überwiegen bei weitem. Und doch läßt sidi im ganzen sagen, daß jedem Kind durch Bild und Text ideologisch geprägter Gewissensgehorsam anerzogen wird; dem widerspricht die Tatsache nicht, daß viele Kinderbücher sehr gut gestaltet und völlig unpolitisch sind. Irgendwann stößt das Kind auf seinem Wege zum Buch auf die erwähnten Unumgänglichkeiten. Diese Erziehung findet bei den nächsten Altersstufen ihre Ergänzung durch das Einüben eines undifferenzierten Denkschemas, dessen aggressive Einschichtig-keit unübersehbar ist. Offenbar tut man im Politikunterricht immer noch zuviel des Guten. Eine Pädagogin stellt in ihrem Fachblatt die Frage: „Und warum kommen wir noch nicht bei allen Schülern an?“; sie spricht von oppositionellen Neigungen in der Schülerschaft, die den Anschein erwecken, „als ob die betreffenden Schüler gegen den Sozialismus auftreten', was ungefähr soviel bedeutet wie mit dem Teufel verbunden zu sein: „Für die meisten ist das so selbstverständlich, daß sie sich wundern, wenn wir ihnen dauernd den Sozialismus als Fortschritt der Menschheit darstellen. Sie fühlen sich über die Maßen agitiert, schalten ab nach dem Motto: Ich spüre die Absicht und bin verstimmt. Hinzu kommt, daß nicht alle Lehrer mit den Schülern der oberen Klassen politisch argumentieren können. Unsere Schüler wenden sich gegen Schlagworte, gegen Schwarz-Weiß-Malerei, gegen unwissenschait liehe Verallgemeinerung. Sie fordern manchmal heraus, und diese Art von Opposition wird dann oft so aufgefaßt, als ob die betreffenden Schüler gegen den Sozialismus auftreten.

Die Abstufungen ergeben sich aus den kindlichen Entwicklungsphasen. Da Kinder ihre Einstellungen anderen Gruppen gegenüber erst etwa vom vierten Lebensjahr ab entwickeln und wahrnehmen werden sie zunächst mit zu Bejahendem vertraut gemacht. Erst danach werden vorsichtig, etwa vom zehnten Lebensjahr an, gewissermaßen in Breitwand und Color Feindphänomene an sie herangebracht, die schließlich in das marxistische System abstrakter Kategorien eingeordnet werden. Damit besitzt der junge Mensch die emotionale und weltanschauliche Aufnahme-möglichkeit für Indoktrinierungen, die sein weiteres Leben formen bzw.deformieren. Das Individuum ist jetzt systemimmanent, es kann aktiv Anteil an der Verfremdung der Fremd-gruppe „Klassenfeind" haben. So vermag es jetzt die Appelle von Staat und Partei aufzunehmen, von Grund auf zu bejahen und sich zu eigen zu machen. Auf der anderen Seite erscheint die Fremdgruppe fremd im abstoßenden Sinne; in ihr steckt so wenig Gutes, daß sie mit allen möglichen Mitteln ohne Gewissenskonflikt bekämpft und vernichtet werden kann.

Die guten und die bösen Deutschen in der Belletristik

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Goethe hat in einem Brief am 5. August 1796 gesagt, „die tiefsten Blicke in das Wesen der Kunst ... stehen zwischen trivialen sentimentalen Anforderungen", aber fürs Triviale keine Definition geliefert. Obwohl dem Begriff in den letzten Jahren gewichtige Untersuchungen gewidmet sind, wollen wir uns darauf im einzelnen nicht einlassen, sondern Trivialliteratur schlicht als leichte Kost verstehen, der man als schmackhafte Zutat gern hübsche Illustrationen zusetzt: Lesestoff zur Unterhaltung und Entspannung in Buch-oder Heftchenform oder als Beiwerk von Zeitungen und Zeitschriften für Menschen wie du und ich. Er enthält nichts, was erst auf den zweiten Blick erkennbar ist, alles wird in klaren, übergangslosen Farben veranschaulicht.

Es findet sich nichts an Differenzierungen, wie das folgende Zitat exemplifiziert: „Je mehr sich aber unter unseren Verhältnissen auch die gegnerische Haltung als gleichberechtigt erweist, desto komplizierter wird das Geschäft des Stückeschreibers heute. Er sieht sich zunehmend der Tatsache gegenüber, daß sich die Kontrahenten nicht mehr bis zur Ausschaltung ihrer Person bekämpfen, sondern sich , lediglich“ das Ungenügen ihrer Standpunkte nachzuweisen haben. Ihre Gegnerschaft schließt die teilweise Anerkennung des anderen nicht aus, ja, sie beruht sogar auf weitgehender Übereinstimmung im Wollen. Manchmal gerät man darüber in Verzweiflung:

Es soll alles richtig und es soll alles dramatisch sein!“

Von solchen Schwierigkeiten, die sich durch das Verblassen unversöhnlicher Gegensätze ergeben, fehlt in der Unterhaltungsliteratur jede Spur; da werden keine Skrupel, Zweifel, Unsicherheiten der Sache gegenüber laut: da bietet die Bühne neben Unterhaltungsstücken reines Tendenztheater wie das 1971 in Leipzig uraufgeführte Stück von Helmut Baierl über den Bau des „antifaschistischen Schutzwalls“, das sich gleichermaßen von den Problemen der Zeit wie von einigen geschichtlichen Tatsachen fernhält Treulich geführt, erlebt so das Publikum anschaulichen Schulungsunterricht — oder aber auch wieder ein paar schöne Stunden ohne merklichen ideologischen Zusatz. Denn die kann man sich — immerhin — ruhigen Gewissens wieder machen: das Private ist, mit Maßen, versteht sich, wieder bühnen-und literaturfähig. 1971 wurde eine durchaus bunte Palette mit unerschöpflicher Themenwahl und jeder nur denkbaren Szenerie angeboten: die Erlebnisse eines Försters, ganz ohne Jägerlatein (Kurt Bachor, Jagdtage, Rudolstadt 1971), heitere Geschichten (Ralph Wiener, Gehört sich das?, Rudolstadt 1971), Forschungsromane (Wilhelm Strube, Pierre und Marie, Leipzig 1971), eine Ehegeschichte mit einem leidenschaftlichen Bekenntnis zur sozialistischen Gemeinschaft zweier Menschen (Helmut Richter, Scheidungsprozeß, Halle 1971), zahlreiche Kriminalromane, etwas Science fiction (Wolf Weitbrecht, Orakel der Delphine, Rudolstadt 1971), eine Menge historischer Romane mit deutlichem Gegenwartsbezug — die Helden kämpfen stets für die Armen, gewissermaßen als Vorläufer der sozialistischen Gesellschaft — (Klaus Herr-mann, Die Nacht sinkt über Babylon, Berlin (Ost) 1971); Friedemann Berger, Krippe bei Torres, Berlin 1971; H. H. Wille, Der grüne Rebell, Berlin (Ost), staatsbejahende Heimatromane (Hans Joachim Pruszak, Früh-sommer, Berlin (Ost) 1971) und völlig unpolitische Heimaterzählungen (K. H. Pollmer, Turmgeschichten — Erzgebirgische Kirchtürme erzählen, Evangelische Verlagsanstalt, Berlin (Ost) 1971), die Geschichte einesKaplans, der den Thesen Johannes XXIII. folgen will, am Widerstand konservativer Kräfte scheitert und schließlich als Sanatoriumsinsasse von dem kommunistischen Chefarzt seelisch aufgerichtet und geheilt wird (Jochen Hauser, Der Kaplan, Berlin (Ost) 1971), Arztromane, Liebesgeschichten, weihnachtliche Erzählungen (G. Busch, Das Schokoladenherz — Weihnachtliche Erzählungen, Evangelische Verlagsanstalt, Berlin (Ost) 1971); die kleinen Freuden des Alltags, z. B. das Glück eines Großvaters, über den Besuch seiner Enkelkinder (A. Jaenicke, Die Kinderkule, Berlin (Ost) 1971).

Hier finden auch Autoren einer Kategorie, die man seit den Bestsellern des Freiherrn von Ompteda aus Kaisers Zeiten „Militärschriftsteller" nennt, reichlich Verwendung. Die Werke von Heinz Senkbeil, Hans Dietmar Angler, Heinz Kruschel und Walter Flegel erscheinen vorzugsweise in den Büchern und verschiedenen Romanserien des Deutschen Militärverlages. Sie sind sehr verschieden angelegt. Bei dem Offizier Flegel, der seit 1956 der Volksarmee dient, ist Ideologie eine Selbstverständlichkeit, über die nicht lange zu sprechen ist. Die Handlung seiner Bücher „Wenn die Haubitzen schießen", „In Bergheide und anderswo" und „Der Regimentskommandeur" kreist daher um die Bewältigung außergewöhnlicher Situationen in der Truppe; so hat die Titelfigur des frischgebackenen „Regimentskommandeurs" zunächst Schwierigkeiten mit seiner Einheit, weil er extrem hohe Anforderungen zur Steigerung der Gefechts-bereitschaft ohne Absprache mit dem Offiziers-kollektiv durchsetzt.

Das Buch wurde in allen Zeitungen und literarischen Zeitschriften gewürdigt und nach erheblichen Rügen — der Kritiker des „Neuen Deutschland" monierte, daß manche Personen eigentlich nicht viel mehr als lediglich Träger von Dienstgrad und Name, Rede und Gegenrede sind“; „Neue Deutsche Literatur" bemängelte die „literarisierte Burschikosität" man-eher Dialoge — doch für gut und nützlich befunden. Wie ein Volksarmist über die DDR urteilt, zeigt eine Leseprobe aus Flegels Erzählung „Wölkchen“, in der die Zerstörung Dresdens durch amerikanische Luftangriffe nicht ganz beziehungslos zur Gegenwart Erwähnung findet Während der optimistische Grundton in Flegels Konflikt-Milieuschilderungen aus der Volksarmee auf die Weckung aggressiver Emotionen verzichtet und die Leser mit dem Leben in der Volksarmee vertraut machen soll, kann sich der Magdeburger Oberschullehrer Heinz Kruschel, Jahrgang 1929, mit der Verteufelung des Klassenfeindes kaum genugtun. Kruschel begann seine schriftstellerische Laufbahn mit Kinder-und Jugenderzählungen, die er aus Neigung auch jetzt noch schreibt. Seinem Militärroman „Das Mädchen Ann und der Soldat", Berlin (Ost) 1964, folgte 1970 der Roman „Jeder Abschied ist ein kleines Sterben", den der Deutsche Militärverlag ebenso wie seine Anti-Nazi-Geschichten (mit der häufig angedeuteten Identifizierung von deutscher Wehrmacht und deutscher Bundeswehr) herausbrachte. Die Schilderung von Untaten der Wehrmacht in Rußland („Das Kreuz am Wege“, 1962) wurde 1970 auszugsweise in einem Heft der „Erzählerreihe“ nachgedruckt — ebenfalls vom Deutschen Miltärverlag herausgegeben. Die folgende Leseprobe aus Kruschels „Jeder Abschied ist ein kleines Sterben" zeigt die kritische Einstellung und Aggressivität eines einfachen Bundeswehrsoldaten gegenüber der Bundeswehr-Führung: „Auspuifgestank der Schützenpanzer. Das Manöver läuft. Die Phonstärke der Motorengeräusche erreicht die Schmerzschwelle. Die Blauen rollen vorwärts. Die Luftherrschaft ist in unserer Hand, ein typischer Sandkasten-angriff. Die Panzergrenadiere greifen an und besetzen die vorgegebenen Räume. Unser Ziel: Die vorverlegte Grenze ist in drei Stoßkeilen zu überrollen. Die Roten werden auf diesen Angriff nicht unvorbereitet reagieren. Eine Materialschlacht, keine Atombomben, nur konventionelle 'Waffen. , Im Ernstfall', hat Major von Hepp erklärt, , im Ernstfall müßten wir die Pershing-Rakete einsetzen, um den Nachschub des Gegners blockieren zu können, etwa an der Linie Oder und Neiße. Die Pershing erreicht zur Zeit achthundert Kilometer, in zwei Jahren steigern wir ihre Wirkungstiefe auf eintausend Kilometer. Bei dieser Übung begnügen wir uns mit der angenommenen Linie Rostock—Magdeburg—Leipzig. Wir rechnen nicht damit, daß die Russen eingreifen'. Warum eigentlich nicht, hat Woligang gedacht, wie kommen sie denn zu dieser Rechnung? Die Volksarmisten gehören einem Militärbündnis an, von Hepp glaubt doch wohl selber nicht, daß man uns drüben in der DDR konventionell operieren ließe, uns steht der Warschauer Pakt gegenüber. Major von Hepp hat die unausgesprochenen Einwände seiner Truppenoffiziere wohl gespürt, denn er hat gesagt: , Wir gehen von folgender Kriegseröffnung aus — Zünder in Gestalt eines Grenzkonflikts. Der Kampf beginnt am eisernen Vorhang, wo denn sonst, meine Herren. Wir denken nicht daran, einen Schlag zu erleiden. Wir wollen einen Schlag austeilen. Wir müssen schneller sein, in jedem Falle, sowohl für den waffenmäßig und territorial begrenzten Krieg, wie wir ihn heute annehmen, als auch für den Einsatz taktischer Raketenkernwaffen, sogar für den totalen Kernwaffenkrieg. Bei günstiger politischer Konstellation der Westmächte nehmen wir also in diesem Fall an, daß der Russe nicht eingreifen wird. Wir würden bis zu der fixierten Linie vorstoßen, zur gleichen Zeit beginnt der Angriff von Bayern aus und im Norden die Seeoperation, wie das etwa das Marine-manöver Fairwind Seven vorexerziert hat. Die Rechnung muß in drei Tagen aufgehen, meine Herren, nur im Blitzangriff ist unsere Aufgabe zu erfüllen. Was dann folgt, hängt von ihrer Gegenoffensive ab. Wenn sie dann noch können, heißt es ... Wenn sie dann noch können. Das ist doch billige Spekulation. Und wenn Sie dann noch können, setzt also der Atomschlag ein. Oder? Dann wird aus diesem Grenzkonflikt, diesem Zünder des begrenzten Krieges, ein weltweiter, unheilvoller Krieg. Wie können wir denn nur damit rechnen, daß die Russen nicht eingreifen werden? Aber wir müssen uns angeblich verteidigen. Wir proben einen Angriff, denn der ist immer noch die beste Verteidigung. In einer Linie: Magdeburg—Rostock im Norden, Halle—Leipzig—Dresden im Süden. In einer Linie, vorerst nur fixiert. Millionen Menschen leben in diesen dichtbesiedelten Gebieten. Es ist zum Kotzen."

Heinz Kruschel gibt sich nicht immer friedens-kämpferisch: Im Herbst 1971 erschien eine ganz zivile Schülergeschichte „Mein elftes Schuljahr", deren Konfliktstoff sich aus den Anforderungen an eine gute Klassengemeinschaft ergibt, die die Helden der Erzählung stellen.

Wenn „Profis" wie Kruschel Freund und Feind lebendig und realistisch — und damit überaus glaubhaft — darstellen, kommen die schreibenden „Amateure" über das Schema von Idealisierung und ihrem Gegenteil nicht hinaus. So stellt die „Arbeitsgemeinschaft schreibender Soldaten des Grenzkommandos“ einen Sowjet-offizier als makellosen Ritter ohne Fehl und Tadel dar: „Ja, er lebt, der Werner Wegener, Kompaniechef der Grenztruppen der Deutschen Demokratischen Republik. Er hat eine Familie, und seine Schwestern sind verheiratet, haben Kinder. — Sie leben, weil er lebte, der Hauptmann Saratow, Lehrer in Leningrad einst und jetzt, von dem Werner Wegener erzählt, wann immer Gelegenheit ist, mir, seinen Soldaten und und Jungen und Mädchen in den Grenzorten. — , Ja, so war er', schließt er, seiner Erzählung nachsinnend, . groß und kräftig war Hauptmann Saratow, streng war er und gerecht. Gut war er zu Menschen und Tieren. Und klug und menschlich, der Lehrer aus Leningrad! Er war so, daß ich damals mir fest vornahm, zu werden wie er, daß ich Jahr um Jahr danach gestrebt habe, ihm gleich zu werden im Denken und im Handeln.“

Die Simplizität dieser Diktion erinnert an die Jugenderzählung von Bodo Schulenburg sie steht in keinem Zusammenhang mit der „eigentlichen" Literatur, in der sich für unser Thema sehr beachtenswerte Aussagen finden. „Unter diesen Umständen kann auch der Künstler seine hohe gesellschaftliche Mission, Bildner und Gestalter, Seher und Künder, Mahner und Warner zu sein, nur dadurch ganz erfüllen, daß er sich die herrschend gewordene sozialistische Weltanschauung schöpferisch zu eigen macht und sich mit den neuen Strömungen und Kräften im Leben des Volkes unlöslich verbindet. Von diesem Geist inspiriert und von diesen Kräften getragen, werden schöpferisches Genie und künstlerische Phantasie stets einen unschätzbaren und durch nichts zu ersetzenden Faktor der sozialistischen Höherentwicklung der Menschheit bilden.“

Diese peinliche Häufung großer Worte, die an das „Oh-Mensch" -Vokabular des Expressionis-mus erinnert, wurde auf dem DDR-Schriftsteller-Kongreß 1961 von Allred Kurella (Jahrgang 1895) artikuliert, der aus dem Sturm und Drang der Wandervogelbewegung zum Kommunismus gefunden hatte. Und dieser Kurella, übrigens ein Schriftsteller, der, milde gesagt, zeitlebens unüberbrückbare Schwierigkeiten mit der Sprache gehabt hat, war nicht irgendwer; er spielte eine der Hauptrollen auf der literarischen Bühne, und seine apodiktische Definition von Kunst und Künstler wurde von der gesamten Presse nachgedruckt. Sein Pathos, vor kurzem noch eine gängige Münze, verliert in der DDR an literarischem Kurswert; sein Gebrauch wird mehr und mehr auf das Zeremoniell feierlicher Reden und Leitartikel beschränkt, wo es in aller Welt ein sicheres Refugium gefunden hat (s. auch Dok. 19).

Aber diese Beschränkung auf die klassischen Arenen wortreicher Unreflektiertheit spiegelt jene Säkularisierung der kommunistischen Dogmenwelt wider, die sich in der Architektur mit der Ablösung majestätischer Repräsentationsgebäude durch einen einst verfemten Konstruktivismus moderner Zweckbauten angekündigt hatte. Dieser Wandel, der sich ganz allmählich vollzog und vollzieht, sollte also keineswegs als Ergebnis der Wachablösung Ulbricht/Honecker verstanden werden; er setzte bereits in der Ära Ulbrichts ein. Schon Ende 1970 trat der Filmregisseur Kurt Maetzig dafür ein, mehr als bisher den kritischen Sinn der jungen Generation zu berücksichtigen, wurde in der Presse die Forderung erhoben, das kulturelle Leben auch als Beitrag zur Erholung und Entspannung zu verstehen, prämierte ein Schlagerwettbewerb — durchaus ein Politikum — unpolitische Schnulzentexte, wurden für das Fernsehen „spritzige und einfallsreiche Unterhaltungssendungen“ gefordert.

Es gehörte keine prophetische Gabe dazu, das Werden dieser Entwicklung aufzuspüren. So schrieb ich 1963: „In zahlreichen Hör-und Fernsehspielen bemühen sich kommunistische Autoren, ihre Figuren und Konflikte glaubhaft zu gestalten; das Traktoristenpathos wird durch psychologische Motivierung, gelegentlich harte Dialoge und wesentlich verstärkte Spannungsmomente abgelöst. Nicht daß von heute auf morgen aus Pathetikern Meister der literarischen Kolportage werden: auch jetzt noch werden Romane, Stücke und Reime nach den nicht mehr bewährten alten Mustern angelegt. Aber die Ansätze zur weichen Linie sind schon vielfach erkennbar, vom Illustriertenroman bis zu dem für den bürgerlichen Geschmack geschriebenen anspruchsvolleren Werk — ein Phänomen, auf das unsere Politi ker ausdrücklich hingewiesen seien. Denn es kann als sicher angenommen werden, daß hier mit wachsendem Geschick eine Gebrauchsliteratur entwickelt wird, die erhöhte Chancen hat, anzukommen ...“

Wieweit sich seitdem dieser Wandel auch auf dem literarischen Feld vollzog, zeigt ein Vergleich zwischen dem Zitat von Kurella und einer großen Bestandsaufnahme und Aufgabenbestimmung der Literatur, um die sich prominente Autoren Anfang 1971 (ndl 1/71) zwar nicht einstimmig, wohl aber miteinander übereinstimmend bemühten.

So schreibt der vor allem als Lyriker hervorgetretene Volker Braun: „Die Literatur wird (langsam) öffentlicher und operativer, ihrem Wesen entsprechend also kunstvoller (trotz gegenläufiger Tendenzen).“

Stephan Hermlin stellt Betrachtungen über den bleibenden Wert der Literatur an: „Die Dichtung (natürlich im weitesten Sinne, also Prosa und Drama einschließend) ist neben der Musik und der Bildenden Kunst die einzige Hinterlassenschaft der Völker, die von Dauer ist, alle anderen Leistungen vergehen oder werden durch größere Leistungen überholt. Bedeutende Dichtung überdauert Hohnreden und falsches Lob; Scheiterhaufen und Lorbeer, Bannflüche und Weihrauch können ihr nichts anhaben. Wenn man sie totschweigt, wartet sie geduldig im Schatten. Immer ist sie, wenn sie zeitgemäß ist, die Verbündete der Zukunft, einer besseren Welt. Ist sie nicht zeitgemäß, so ist sie nicht der Rede wert. Zeitgemäß, aber als nicht zeitgemäß empfunden, kann sie der Nachwelt Botschaft geben von einer Zeit, die der Poesie nicht gemäß war." Henryk Keisch glaubt, daß dem Schriftsteller seit dem Sieg des Sozialismus eine neue Rolle zukomme: „Und mir gefällt der Gedanke, daß der Auftrag des Schriftstellers an seinem neuen Platz in der Gesellschaft auch die Verpflichtung bedeutet, etwas zu dieser geistigen Hygiene seiner Zeitgenossen beizutragen. Damit verhält er sich zu den Brechtschen Tuis, die ihre willfährige Feder auf dem Markt aus-bieten, etwa so wie eine moderne, im Dienst des Menschen stehende Medizin zu den Quacksalbern, die einst auf demselben Markt nur zum eigenen Nutzen bedauernswerte Kranke zur Ader ließen.“

Anders akzentuiert der Romancier Erik Neutsch diese Veränderungen: „Natürlich gibt es am laufenden Band Veränderungen im Arsenal der künstlichen Mittel und in der Genre-Struktur der Literatur, die in der DDR geschrieben wird. Hervorgeruien einerseits durch echt neuartige ästhetische Bedürfnisse der Bevölkerung, wie sie etwa durch eine solche Einrichtung wie das Fernsehen befriedigt werden müssen. Hervorgeruien andererseits aber auch durch eine nach meiner Ansicht dem Sozialismus und letzten Endes auch dem Realismus fremde ideologische Überlagerung spätbürgerlicher Routineware an Kunst und Literatur. Es gibt Modelle und Moden. Die ersteren sind mir lieber als die letzteren. Der Realismus von Anna Seghers und Erwin Stritt-matter zum Beispiel ist mir lieber als jede Art von Nachäffung der literarischen Clownerie eines Günter Grass.“

Dieser Ausfall gegen die . literarischen Clownerien“ von Günter Grass mag politisch motiviert sein, er besagt aber auch etwas über andere Divergenzen. Unsere Kritiker halten die formalistischen Eskapaden, die Neutsch Grass offenbar anlastet, schon längst für konventionelle Stilmittel: was dem einen modernistisch erscheint, halten die anderen für überholt.

Aber wenn Neutsch zeitgerechteren Autoren nachhinken sollte — den politischen Schrittmachern bleibt er dicht auf den Fersen. Somit spricht er Rechtens von Veränderungen in seinem „Arsenal der künstlerischen Mittel". 1959 verfiel er in ein der Kritik wohlgefälliges Delirium des Hasses: . Haß! Schreit doch den Haß in jede Wohnung, lernt doch hassen ohne Schonung. Haß! Allerorts und in jeder Stunde. Haß'auch bei trauter Kaffeestunde. Haß! Sei jetzt mein Freund, sei mein Gefährte. Führe die Hand an meinem Schwerte. Haß! Kehre in meine Feder wieder, werde das Lied jetzt aller Lieder. Haß! Und keine Liebe? Keine Liebe! Haß nur übt Vergeltung! übe Haß!“

Daß „Haß" und „Hetze" sprachlich engver-wandte Worte sind, läßt sich an der Atemlosigkeit dieser immer wieder mit Ausrufungszeichen schließenden Exklamationen ablesen: der Hetzer scheint selbst der Gehetzte zu sein. 1964 bewies Neutsch wiederum, daß er „auf dem laufenden" war: Er gehörte zu den ersten Autoren, die (mit dem Roman „Spur der Steine") literarische Ansätze zu dem jetzt ge-forderten DDR-Nationalbewußtsein (= „sozialistische Nationalkultur“) machten und dabei Kritik an zu übereifriger Gängelei durch Funktionäre oder an Mängeln der Planwirtschaft zu deren besten übten.

1970 erschien die Geschichte „Die anderen und ich", in der mit scheinbar subtiler Kenntnis das Denken und Treiben von Bonner Revanchisten „entlarvt" wird. Neutsch zeigt eine bemerkenswerte Vertrautheit mit bundesdeutschen Begriffen und Personen („Verfassungsschutz", „APO"); alles könnte der Wirklichkeit abge-lauscht sein, muß und soll der unbefangene Leser meinen. Hier überzieht Neutsch die Effekte nicht; die Personen sprechen kein Schriftdeutsch, sondern schnodderige Dialoge; den kommentierenden Sätzen fehlt, auch das steigert den Anschein naturgetreuer Darstellung, oft das Prädikat.

Diese saloppe Detailschilderung der Bonner Szenerie will nicht mitreißen wie der häßliche Haßgesang aus dem Jahre 1959; sie ist auf Tiefenwirkung angelegt, auf die Erzeugung und Vertiefung einer kaum korrigierbaren Voreingenommenheit gegen die Bundesrepublik. Neutsch handhabt seine konventionelle Schreibweise virtuos als Waffe

Für Erwin Strittmatter sind Veränderungen der literarischen Form irrelevant: „Ich gehöre zu den unmodernen Menschen, die Veränderungen von künstlerischen Mitteln für gering achten, denn ich habe schon zu viele Ismen kommen und verschwinden sehen. Genre hin, Genre her — wenn bei der Herausbildung neuer Genres die Kunst, in der Literatur zum Beispiel die Poesie, verlorengeht, so lügen die Genre-fabrikanten sich etwas in die Tasche, wenn sie prahlen, sie hätten allein durch ihr neues Genre Menschenherzen bewegt.“

über die Aufgabe der Literatur schreibt Christa Wolf: „Literatur in unserer Zeit, wenn sie überhaupt einen Sinn haben soll und sich selbst ernst nimmt, muß mithelfen, den Gebrauch, den wir von den selbstgeschaifenen Geräten und Instrumenten machen, zu humanisieren. Das heißt aber, die menschlichen Beziehungen so produktiv und reich wie möglich zu machen und es nicht zuzulassen, daß Technik und Ökonomie zum Selbstzweck entarten und dann ihren eigenen destruktiven Gesetzen folgen.“

Auffallend, aber nicht überraschend, ist die trotz verschiedener Nuancierungen gleiche Grundauffassung der Schriftsteller über ihr Wollen, ihre Funktion und ihre gesellschaftlichen Wirkungsmöglichkeiten. Die durchaus nicht flexible marxistisch-leninistische Grundauffassung über die gesellschaftliche Zweckbestimmtheit von Kunst und Literatur erlaubt heute den Autoren ein beachtliches Maß an Flexibilität; innerhalb dieses abgesteckten Rahmens haben sie heute viel Bewegungsfreiheit, über die Gründe für die begrenzte Liberalisierung wurde viel spekuliert. Man darf annehmen, daß die Bevölkerung der Traktorenlyrik, der Agitprop-Kunst, der erbärmlichen Lobhudeleien für Partei und Parteifunktionäre müde wurde: Damit erhielten die Autoren die Chance, unbeschwerter zu schreiben, um besser „anzukommen". Für diese Annahme spricht die selbstkritische Äußerung eines Verlagsleiters anläßlich der Leipziger kommunistischen Buchmesse 1971: „Wir haben gelernt, daß wir Bücher machen müssen, die die Leute erwarten und die sie gern lesen.“

Diese Einsicht erklärt „das Verständnis der Partei für die Mühen der Kunstschaffenden bei der Suche nach neuen Formen des Gestaltens, .. . die der Wirklichkeitsnähe, Volksverbundenheit und Parteilichkeit des sozialistischen Realismus entspringt“. Dieses letzte Zitat wurde einem Leitartikel des Zentral-organs der SED entnommen, der die Über-schrift „Auf du und du mit dem Menschen" trägt Die Dichter im Dienst, die dem großen Haufen mit Fanfare und Trommel voraus-gingen, die in steter Atemlosigkeit große Männer und Aufgaben besangen — sie dürfen sich jetzt ganz zivil, auf du und du mit dem Menschen geben.

Man macht Bücher, die gelesen werden, man tut alles, um die Menschen an eine volkstümliche, unbeschwertere Belletristik heranzubringen. Das „Neue Deutschland" veröffentlicht ständig Leserbriefe, die zur kritischen Diskussion anregen sollen. So bei Otto Gotsches „Märzstürme" über die Vermenschlichung der Heldenfigur: „Und schließlich ist der Held unseres Romans nicht nur , Held‘, er lacht und liebt und irrt, wie jeder von uns." Und über die „Überfahrt von Anna Seghers, die einmal deutsche Literaturgeschichte gemacht hat, meint ein Leser aus Schwarzenberg, sie erzähle zu einfach, die Charaktere seien nicht tief genug gezeichnet

Der Kurswechsel erfaßt nicht nur die Berufs-literaten und ihr Publikum, sondern auch die zahllosen „Zirkel schreibender Arbeiter" in denen regelmäßig über Probleme und Leistungen der betrieblichen Kollektive („Brigaden") diskutiert und geschrieben wird, aber nicht mehr gesdiraubt und schematisch: „Nun entdeckten wir: Wir hatten unsere Zeitgenossen fast immer so dargestellt, daß sie austauschbar waren. Der Arbeiter arbeitet. Er erfüllt den Plan. Er macht Neuerungsvorschläge. Er liebt seine Arbeit. Wir hatten gut formulierte Lebensläufe verfaßt, Aneinander-reihungen von wichtigen Stationen des Lebens, nein — meist waren es nur Arbeitsstationen. Wir nannten diese Portraits . LiterarischeKaderakten .“

Wer mit diesem Wandel nicht Schritt hält, verliert an Resonanz, wie z. B. die Arbeiter-und Bauerntheater im Bezirk Suhl, die über Besucherschwund klagen

Daß hier ein Umschwung zu registrieren ist, mag durch die Wiedergabe von zwei Zitaten aus dem Zentralorgan der SED belegt werden. Das erste, aus dem Jahre 1952, richtet sich gegen den Schriftsteller Stephan Hermlin der sich damit schwertat, in das monotone Fortissimo der Anspornung und der Heilserwartung einzustimmen. Die Zeitung klagte Hermlin an: „Sich von subjektiven Gedanken-verbindungen treiben zu lassen, das bedeutet Verzicht aui die bewußte Gestaltung der Wirklichkeit.“ 1971 liest man's anders. In dem gleichen Blatt schreibt jetzt Werner Jehser vom Institut für Gesellschaftswissenschaften beim Zentralkomitee der Partei zustimmend über den Autor Armin Stolper „Die volle Wiederentdekkung der Individualitäten des Eigenwertes und Eigenlebens der Persönlichkeiten auf der jetzt erreichten höheren Stufe der Entwicklung des Sozialismus, die Wahrheit der Figuren, die Gerechtigkeit ihnen gegenüber — darauf achtet laut Stolper das Publfkum. Die Formulierung von 1971 ist wirklich neuesten Datums; das schon zitierte „Kulturpolitische Wörterbuch" des parteieigenen Dietz-Verlages 1970 spricht sich unter dem Stichwort „Subjektivismus" (S. 498) noch gegen das „Vorherrschen zufälliger, subjektiver, von den objektiven Erfordernissen der gesellschaftlichen Praxis losgelöster Auffassungen und Entscheidungen“ aus. Für die Älteren hat dieser Maßstab seine Gültigkeit behalten. Sie arbeiten, als säßen sie in der „guten Stube" von einst, dem Schönen, Edlen, der Sache Marx’ und Lenins also verschrieben; ihre Sätze sind nach alter Art makellos poliert, und zwischen den Zeilen spürt man Anklänge an die deutsche Klassik und Romantik. Dabei gerät aber selbst ihnen das Bild des exemplarischen Arbeiters immer seltener ins Pathetisch-Monumentale; die penetrante Makellosigkeit der „positiven Helden" aus den fünfziger Jahren wird bei aller Linientreue durch Menschlich-Allzumenschliches abgelöst. Gewiß, die Jüngeren ehren die Alten, berufen sich auf sie, sie sprechen nicht ihre Sprache. So widmet der Dramatiker Helmut Baierl, Jahrgang 1926, in der Erzählung „II Tricheco" (zu deutsch: Das Walroß, wie Alfred Kurella im Freundeskreis hieß) seinem alten Lehrer liebevolle Worte, die viel sachlicher und nüchterner ausfielen als alles, was Lehrmeister Kurella jemals geschrieben hat. Die folgenden Zeilen von Baierl geben Wesenszüge von Kurella im Stil einer „neuen Sachlichkeit" wieder, sie vermitteln so ein literarisch-biographisches Stimmungsbild: „Ich bin kein Anhänger der Physiognostik, und trotzdem würde ich meinen, etwas von der Vielfalt des Lebens nimmt das Gesicht in sich auf, in Falten und Linien, in Augenwinkeln, Mundstellung und Kinn haltung. Mir sein Gesicht vorstellend, fällt es mir merkwürdigerweise wiederum schwer, einen raschen, umschreibenden Satz zu finden. Ist sein Gesicht hart, weil es mitunter harte Züge zeigt, um die Kinnpartie herum? Man kann es nicht sagen. Seine Fältchen, vor allem um die Augen, tragen Humor und Ernst wie Licht und Schatten und vermögen in Bewegung beliebig ineinander zu verfließen. Die Augen — fast immer groß und weit offen — haben in gleicher Weise Güte und Kühle und sind manchmal ganz woanders, ohne auch im Ganz-woanders etwas von ihrer Aufmerksamkeit zu verlieren. Die Kopfform selbst ist groß, ein wenig rund wirkend, gegen die Ecken des Gesichtes. Das Haar, ehemals dunkelblond und wirr, trägt die Narben schütteren Graus. Der Gang ist rasch, betont, aufrecht. Dieser Gang brachte den Wandervogel durch den Krieg, den Jungkommunisten nach Sowjetrußland, den Berufsrevolutionär nach Europa und den Urlauber auch heute noch jedes Jahr zwischen die zwei-bis dreitausend Meter hinauf in die erhabene Stille der Bergwelt des Kaukasus.“

Diese im Vergleich zu der Generation Kurellas moderne Diktion hält sich streckenweise an abgenutzte Klischees, die von den noch Jüngeren immer seltener verwendet werden: „Die erhabene Stille der Bergwelt" — so etwas kommt da kaum noch vor.

Durchaus noch gebräuchlich bleibt indessen bei allem Wandel das Kontrastschema, das die Welt in eine vom Lichte der Erkenntnis erhellte und eine trübe, düstere Zone aufteilt; der Kampf zwischen Drachen und Drachenbezwinger feiert im jährlichen Buchausstoß — in vielerlei Gestalt, aber mit stets gleichem Ablauf — Urständ. Die Leserschaft wird so in die verspätete historische und literarische Situation zurückversetzt, in der sich solche Autoren befinden, die sich nicht als Vorläufer einer Entwicklung, sondern als Nachsprecher apodiktischer Postulate genug-tun.

Auch hierfür einige Belege:

Die folgende Einblendung schildert einen Weihnachsbesuch von Westberlinern bei ihren Ostberliner Verwandten, aus dem schließlich, in der Sicht von Günter de Bruyn, Jahrgang 1926 (also so alt wie Baierl), eine Feindbewegung wird:

„Pünktlich zum Mittagessen kam Karl. Dann hatten die Frauen in der Küche zu tun, Großvater ging mit den Kindern in den Wald, Karl schmückte den Baum. Früh begann die Bescherung. Die Kerzen brannten, die Kinder sagten Gedichte auf, man sang, die Frauen weinten, mit Kuß und Umarmung bedankte man sich, die Kinder spielten, Großvater begann von Zeiten zu erzählen, in denen Brötchen zwei Pfennig, Schnaps einen Groschen gekostet hatten. Karl unterbrach mit der Frage nach dem damaligen Verdienst eines Arbeiters. Als Antwort auf Karls frechen Ton streute sein Schwiegervater in Belehrungen über Bezüge ost-und westdeutscher Versicherungsangestellter die Zone’ ein, wofür Karl sich mit der , NPD‘ rächte, die die , Mauer'zur Folge hatte, die wiederum mit , Strauß'beantwortet wurde. Als Elisabeths Vater zum Schlag gegen Ulbricht ausholte, ertrug Karl es nicht länger, stand auf, knallte die Tür, zog den Mantel an, setzte sich ins Auto und fuhr davon. Froh, es endlich geschafft zu haben!“

E. R. Greulich, Jahrgang 1909, (1929 Eintritt in die KPD, nach 1933 illegale Arbeit gegen den Faschismus, 1939 verhaftet, 1942 zum berüchtigten Strafbataillon 999 eingezogen, 1946 Rückkehr nach Ostberlin) vermittelt in seiner Erzählung „Die Gangster und der Grindige": Einblicke in das Bonner Treiben gegen Verständigung und Entspannung: Die Gangster sind „Beamte im Pressereierat der Dienststelle für Gesamtdeutsche Fragen in Bonn“, die zum Treffen „der großen Drei in London“, dem amerikanischen Außenminister Dulles „etwas Pfundiges auf den Tisch legen“ sollen: Die Meldung über Folterungen des Staatssicherheitsdienstes der DDR. Einen von ihnen beschreibt Greulich so „Schreibtischarbeit ist eine Strafe, benähe wie Knast. Geduld, dies hier ist der Übergang, ist nur Sprungbrett. Megen hat schon den richtigen Riecher für die richtigen Leute. Mit seinen sogenannten alten Hasen sind keine großen Schlachten zu gewinnen. Die braven Beamten haben beim ständigen Gehaltsempfang längst vergessen, wozu die Dienststelle für gesamtdeutsche Fragen eingerichtet wurde. Zulas ging zur Herrentoilette im nächsthöheren Stockwerk.

Dort kommt auch wieder so einer. Zulas grüßte einen vorübereilenden Kollegen, etwa im Alter Brimmers. Sein herablassendes Kopfnicken hieß: Junger Mann, verdienen Sie sich erst mal die Sporen. — Der biedere Familiensinn, die betonte Solidität dieses Grüns stinkt mich an, erinnert mich an Vater.

Zulas trat in den gekachelten, sauber blitzenden Raum, ging ans Fenster, starrte hinunter auf die gepflegte Landschaft. Herrliche Ungeduld damals mit der ständigen Befürchtung, daß nur der Krieg nicht vorher zu Ende ginge. Endlich dann das letzte Aufgebot der Jungen. Unbändige Lust am Schießen, Zuschlägen und Drauftrampeln. Wunderbare Zeit, hart, ohne Schmus.

Ein Kollege kam leise pfeifend herein, verstummte, überlegte, ob es nicht komisch wirke, an diesem Ort zu grüßen. Er ließ es. Zulas zündete sich eine Zigarette an.

Der andere seufzte. . Affenhitze heute'.

, Ja, sagte Zulas und betrachtete die Gegend, ihre blanken Aspahltstraßen, die hellen Park-wege, wohlgeordnet alles wie bei einem makellosen Modell. Trotzdem siegten die andern, dachte er, als er wieder nach unten ging. Erwartungsvoll fragte er in seinem Zimmer, ob die , Marschorder'eingetroffen sei. Die Stenotypistin verneinte. Des besseren Aussehens wegen klemmte er sich einen Ordner unter den Arm und wanderte diesmal ein Stockwerk tiefer.

Gedanken über Verpatztes sind zähe. Ohne die Unterstützung des Herrn Papa hätte ich mit dem Studieren aufhören müssen. Tagelang rannte ich umher mit keinem andern Gedanken, als auf radikale Art Schluß zu machen. Bis der Ffunger kam. Der Hunger erwürgte meinen Trotz und lehrte mich, gerissen zu sein. Wer an seinen Idealen verreckte, war selber schuld. Zulas'Gemütszustand hellte sich auf. Ich bin nicht verreckt. Alle vom Jahrgang achtundzwanzig meiner Klasse, die übrigblieben, haben umgelernt. Halt, einer nicht, Timmermanns wurde Kommunist. Kommunist sein heißt langsamer Selbstmord. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann sie auch staatsoffiziell verboten werden. Schon damals mochten die Offiziere sie nicht, weder die französischen noch die britischen und schon gar nicht die amerikanischen. Die hatten uns besiegt. Daß sie die Kommunisten so innig haßten wie wir, das war das Tröstliche. Damit ließ sich was anfangen. Ich habe es getan. Bis auf jene Panne ging es eigentlich stetig bergauf. Aber das ist vorbei, vergeben und vergessen. Megen heißt der Zaubermann, der mich aus dem Schlamassel zog. Aus Menschenliebe? Man muß alles bezahlen. Er gibt mir jetzt eine Chance. Zulas hielt inne auf seinem Weg, die Zeit totzuschlagen, und kehrte um. Der Gedanke an die Marschorder zauberte wieder das Sieger-lächeln in sein Gesicht“

In der Bundesrepublik spielt auch die Erzählung „Das Urteil" von Helmut Sakowski, Jahr-gang 1924. „Das Urteil“ beleuchtet die Problematik der bundesdeutschen „Bewältigung der Vergangenheit" mit der deutlichen Absicht, die Dinge schlimmer darzustellen als sie sind: Eine Mutter mußte mit dem Mörder ihres Sohnes schlafen

Die kämpferische Note findet in Malerei und Graphik ihre Entsprechung. Ein Beispiel: das zuerst auf der Hallenser Bezirks-Kunstausstellung 1971 gezeigte Diptychon von Willi Sitte . Mensch, Ritter, Tod und Teufel". Die Resonanz dieses mit den konventionellen Mitteln des sozialistischen Realismus erstellten Bildes ist aus der Stellungnahme von zwei Kritikern ersichtlich. Die Zeitschrift „Bildende Kunst", Heft 5/71, schreibt über die kämpferische Haltung des Malers: „Sittes gedanklicher Ausgangspunkt war die Situation des Menschen im Imperialismus: zwischen , Tod und Teufel', zwischen Atomtod, mordender Kolonialsoldateska und den . teuflischen'Versuchungen falscher Parolen, des dolce vita, der Sex-Welle usw."

Dem steht das „Positive" auf der rechten Bildtafel gegenüber: „Die rechte Tafel wird erfüllt von dem Bild der sozialistischen Menschen-gemeinschaft in der DDR, ausgedrückt in der Szene eines zärtlichen Glückwunsches für eine erfolgreiche Brigade und in eifrig lernenden Schulkindern.“

Die permanente bildhafte Gegenüberstellung von Sozialismus und Imperialismus scheint heute aber auch eingefleischte Wortführer der Kunstideologie zu ermüden. Als symptomatisch dafür darf ein Artikel im „Neuen Deutschland" angesehen werden, in dem es wörtlich heißt: „Manchmal stört es in unseren Kunstausstellungen noch, daß sich bestimmte Motive — hochragende Fäuste oder Gruppen diskutierender Menschen etwa — so oft wiederholen. Da liegt meist nahe, die Künstler zu fragen, ob dem Reichtum des Neuen in unserem Leben nicht ein reicherer künstlerischer Ausdruck gemäßer wäre. . . .

Oftmals werden Bilder als , schon einmal da-gewesen'empfunden, weil sich in ihnen die warmherzige Sympathie des Künstlers für die Menschen nur auf eine immer wieder ähnliche, recht allgemeine Art äußert. Aber die ungebrochene Bejahung der Schönheit unseres Lebens ist keine Übereinstimmung mit einem unbeweglichen Zustand, sie ist die Bejahung eines Menschen, der das sozialistische Leben meistert, schwierige Probleme löst..

Wenn diese Malerei mit ihren altbewährten Kontrasten zwischen leuchtenden und düsteren Farben, ihren überhöhten und erhebenden „Idealgestalten" und deren üblen Widersachern auf die Dauer Langeweile verbreitet, finden die Karikaturisten durch die ständig wechselnden aktuellen Bezüge immer neue Abwandlungsmöglichkeiten des Themas Nr. 1

Jüngere Autoren geben sich gern hemdsärmelig-derb, dem mit vorsichtigem Realismus gezeichneten Arbeiter der Faust von Grund auf verbunden. Es darf gelacht werden, herzlich, aber rauh: der gute Werktätige in seinem dunklen Drange ist sich des rechten Weges wohl bewußt, und wo er doch einmal — auch Proleten können Fehler unterlaufen — davon abweicht, folgt die Kurskorrektur auf dem Fuße oder auf der Wegstrecke des nächsten Kapitels. Aber der Prozeß der Ent-heroisierung ist damit nicht abgeschlossen: unter den Jüngsten vermeiden einige beflissen alles, was sie dem Verdacht ehrfürchtiger, bewundernder, feierlicher Regungen aussetzen könnte.

So wird die exemplarische Figur eines „Kandidaten für den Bezirkstag", der schließlich auch andere erstrebenswerte Rollen wie die eines Betriebsleitungsmitgliedes übernimmt, von Peter Abraham („An Herrn Rechtsanwalt persönlich!“) als schrulliger Kauz geschildert, der sich mit seiner Frau lächerlich schwer-tut — ein Einzelgänger, der eigentlich nicht ins kollektive Dasein paßt! Friedemann Berger („Möglichkeiten") stellt die Frage, ob der Lebensweg einer tüchtigen Parteigenossin, die er mit demonstrativer Respektlosigkeit als „Stuhlfunktionärin" bezeichnet, unbedingt nachahmenswert ist: „Was sollen wir da sagen? Sollen wir sie loben, loben für das, was ihr selbstverständlich? Sollen wir sie bewundern, bewundern für etwas, das ihr Pflicht ist dem Betrieb und den Frauen gegenüber? Oder sollen wir sie bedauern, bedauern um Kenntnisse und Aufgaben, die sie als notwendig angenommen hat?“ Wie die Antwort auf diese Fragen ausfällt, versteht sich von selbst. Neu ist hier, daß sie bei Sachverhalten gestellt wird, gestellt werden darf, deren völlige Fraglosigkeit so ganz außer Zweifel stand. Der Kampf ums ideologische Dasein, durch die Figurinen des „positiven Helden" und seiner Gegner personifiziert, wird von anderen als den bisher vorgestellten Autoren nur mehr noch mit jenem geringen Grad an Passion beschrieben, das ihnen unumgängliche Pflichtübungen eingibt; nicht die imaginären Helden, sondern ihre Gestalter sind müde, ihnen fällt nichts dazu ein. So mehren sich die Kampf-pausen, es entstehen gänzlich unkämpferische Idylle (so bei Reiner Kunze, Alfred Wellm, Günter Kunert — sämtlich in westdeutschen Lizenzausgaben nachzulesen). Man wird in Dimensionen entrückt, die sich jeglichem Für und Wider entziehen — Wirklichkeiten außerhalb der gesellschaftspolitischen Wirklichkeit. Dann wird als ganz elementar erlebt: die Liebe, das Altern, der Traum oder die Krankheit — ohne gesellschaftlichen Bezug; der Autor entzieht sich auf seine Weise der Gesellschaft. Das gibt es also und müßte in einer Anthologie, die den literarischen Querschnitt eines Landes anno 1970 zieht, dokumentarisch belegt werden — anders könnte ein schiefes oder falsches Bild entstehen. Aber die Aufgabe, Widerspiegelungen des Freund-Feind-Bildes im deutschenn Schrifttum jenseits der Elbe festzuhalten, erfordert andere als literarische Auswahlkriterien, das heißt, einige Leute dort schreiben besser, als die hier vorgelegten Leseproben vermuten lassen. „Der geistige cordon sanitaire, der das Land hermetischer als die Mauer gegen unsere , Dekadenz'abschließt, hält nicht mehr recht, die Ansteckungsgeiahr, die von uns, nicht von dort, ausgeht, nimmt zu; junge staatsbewußte DDR-Bürger infizieren sich leichter als die Älteren in freierer Luft.“

Die Rehumanisierung des Heldenbildes wirkt sich — zumal bei den ganz Jungen — wie von selbst auf die Behandlung des Feindbildes aus: es verliert an Schärfe, man versieht es ganz vorsichtig mit Fragezeichen. „Seltsam der Feind, der uns bedroht. Ich weiß wie schwer es ist, ihn wirklich heiß zu hassen und unbequem der Kampf wie eh und je" heißt es im „Soldatenpoem" des grüblerischen Lyrikers Gerd Eggers, Jahrgang 1945, Absolvent des Leipziger Literaturinstituts „Johannes R. Becher".

Mit aller Kraft sucht er Halt im Obligo seines kommunistischen Uber-Ich, dem sein Es mit aller Macht entfliehen will — zwei Seelen in seiner Brust. Einmal verwandelt er sich in einen Baum („Manchmal wär ich gern einem Baum verwandt"), in einem anderen versichert er sich überlaut seiner Parteitreue:

, Dnd es wird Kommunismus sein!

Was sonst? sagt doch, was sonst.

Ich kann anders nicht die Welt begreifen, noch ihre Energie verstehn:

im Frauenhaar und unter Lidern, in eurem Händedruck, Genossen.“

Dann wieder betreibt er in „Zweikampf dieser Zeit" schmerzhafte Gewissenserforschung:

„trag ich ihn in mir redlich aus, wähl ich nicht allzugern Bequemlichkeit, frag zaudernd allzulang nach Vorteil, frag: wozu?“

So wie sich selbst stellt er Sakrosantes in Frage, den Dienst mit der Waffe (den er 1968/69 ableistete) und das Feindbild, auf das sie gerichtet ist. Zwar schreibt er in seiner Ratlosigkeit:

„ich trüg statt der Uniform grellbunten Schal, wüßt ich besseren Rat.“

Aber dann legen zwei Zeilen seinen „Zweikampf", seine Problematik bloß:

„Es schützt ein Gewehr im Angriff das eigene Herz nicht.“ Wenn er vorhin klagte, „wie schwer es ist..., wirklich heiß zu hassen", bekennt er schließlich, daß er an der Forderung, zu hassen, scheitert:

„Doch das Gewissen, wo finde ich's in solchem Schema, wenn Haß die Liebe mir zerfrißt. ..'

Das Singuläre an diesen Zeugnissen innerer Zerrissenheit ist, daß sie gedruckt wurden, gedruckt werden durften. Es mag sich zeigen, ob die formal konventionellen Verse von Gerd Eggers in politicis avantgardistischen Charakter haben und, nicht literarisch, Schule machen. Was derartige Erscheinungen angeht, so beunruhigte eine Sammlung von Schüler-und Studentengedichten aus dem Jahre 1970 die Kritik durch ihre Tendenz zur Tendenzlosig-keit; die 20jährigen stürzt es nicht unbedingt wie Gerd Eggers in Konflikte, wenn sie das Artifizielle über das Weltanschauliche setzen. Inside-Probleme tauchen in kleinen Psychodramen auf, das sozial Relevante verliert an literarischer Relevanz, lange Entrücktes und Verfemtes gewinnt Raum in ihrem Bewußt-sein; Wiederentdeckungen werden wie Neu-entdeckungen erlebt. Damit wird sprachlich kein Neuland betreten, keine großartige Schöpfung vollbracht oder auch nur angestrebt. Man drängt, das ist das Neue, schlicht auf die klare klar gestellter Beantwortung Fragen; offenbar kommt man ihnen mit dialektischen Manövern und Opas Kommunismus für alle Lebenslagen nicht mehr bei:

Bernd Lunghard:

Falsche Diskussion „Freilich diskutiere ich manchmal auch daneben.

Freunde, seht, dann müßt ihr mir eben Kontra geben, müßt mir sagen, wie es wirklich ist.

Aber:

nicht mit Phrasen, nicht mit billigen Vergleichen und dergleichen!

Seifenblasen können niemals mich erreichen.“

Juliane Bambula-Klahre:

„Wer seid ihr, daß ihr Runkelrüben statt Rosen euch auf eure Blumenbeete pflanzt?

Daß ihr in eurem Kopf nur Zahlen habt, nicht aber ein Gedicht?

Warum laßt ihr den Mond dort oben?

Nehmt ihn herab, er ist nicht rationell!

Ihr könnt bei Neonlicht ja schließlich eurer Liebe pflegen.

Doch müßt ihr dann, um konsequent zu sein, das Küssen lassen, denn auch das ist zu nichts nutze, vertane Zeit für euch.“

Aus diesen Zeilen (oder zwischen ihnen) läßt sich kaum verblümte Abwehr gegen alles polarisierende Zweckdenken ablesen.

Kaum noch übt sich einer der Autoren in sozialistisch-realistischer Heldenverehrung wie ihr ältester, der Berliner Reinhold Andert, Jahrgang 1944. Er besingt, auch im Ausdrucks-niveau ein Nachläufer, das sowjetische Ehren-mal in Berlin-Treptow, an dessen Machart Wilhelm II. gewiß seine Freude gehabt hätte, im Stile vaterländischer Gedichte aus der Kaiserzeit:

„Im Treptower Park im Ehrenmal, da steht ein Symbol, das monumental spricht von unglaublichen Taten.

Ein Rotarmist, ein Kind im Arm.

Er hält es fest, dem Kind wird warm im Mantel des roten Soldaten.“ Natürlich stürzen sich einige Junge doch in die brisante Aktualität des politischen Meinungskampfes, so Regina Scheer:

„Ich bin wie alle blind geboren, sehen lernte ich in diesem Land.

Hier hab ich keine Zeit verloren, hier hab ich meine Zeit erkannt.

Und ich lernte, die uns hassen, sind nicht plötzlich unser Freund.

Auch wenn wir sie loben lassen, was uns trennt, sie sind uns feind.

Und ich lernte, aufzupassen.

Manches lernte ich verstehen, als ich fragte, wem es nützt.

Die vor einem Gitter stehen, hörn, daß es vorm Abgrund schützt.

Und das zwingt sie, hinzusehen.

Ich bin wie alle blind geboren, sehen lernte ich in diesem Land.

Hier hab ich keine Zeit verloren, hier habe ich meine Zeit erkannt.“

Der Partei entging der tagespolitische Wert dieser Aussage nicht: sie druckte das Gedicht in ihrem Zentralorgan ab

Fazit

Das ist der Brief vom Soldaten Heinz: -------------Kennt ihr auch einen Soldaten? Was könnt ihr ihm schreiben? Weißt du, was NVA heißt? 103 Lieber KÜUM! ZO. Jumc Uir /cLa/Vbk^t Dir Mmd xhn Bionieren ür & uren U/34 Zr tmu 2 Sa& r Cager 4 in umserer NäRe. B^bocM uns doc& & 8 4 Lein, da/s Mr aeee gu 4 georn 4 Ra 8 D rahri ins BionierCager AaM Mr Such würkUGh -c& rdün 4. Seid u>d 4& r Ceißig! HeM 4 xzuoh mU, da^ immer Jriudn 8ce 84! Fragi Sture 8Si& m und Sture. Lekrer; ume Jr schon dun dänrU 1 Unc& r Ddnd dl ꓰ̸ٔ柉

Die Imagines, von denen die Rede war, werden den verschiedenen Altersgruppen und Bevölkerungsschichten zur Erreichung optimaler Wirkung nach Maßgabe psychologischer Erfahrungssätze vor Augen geführt.

Kinder im schulpflichtigen Alter Am Anfang steht das Gute; von ihm wird ausführlich und anschaulich gesprochen. Etwas wird die Existenz des Bösen erwähnt — beiläufig in Andeutungen oder in unkommentierten sinnbildlichen graphischen Darstellungen. Jugendliche Hier wird der Disposition zu kindlichem Eifer für oder gegen etwas voll Rechnung getragen. Der Kampf für das staatspolitisch Gute und sein Gegenteil wird zum kategorischen Imperativ der Schulungsarbeit: jetzt wird das Böse, stets in westlicher Gestalt, voll und mit eindringlichen Farben ins Bild gesetzt.

Unterhaltungsund Trivialliteratur Keine grundsätzliche Milderung der Gegensätzlichkeit, die aber in den siebziger Jahren nicht mehr das Hauptthema abgibt. Die gesellschaftlich nur mittelbar relevanten privaten Erlebnisbereiche kommen mehr als früher zu ihrem Recht. Anders als bei uns jedoch wird, bis hinunter zur Kolportage und zum Taschenkrimi, Vergangenheitsbewältigung betrieben. Den Schilderungen nationalsozialistischer Untaten fehlen selten Hinweise auf die geistige Verwandtschaft von Drittem Reich und Bundesrepublik. Spätestens seit Vietnam treten neben deutsche Gestalten böse Amerikaner in den Mittelpunkt des Feindbildes, die Zerstörung Dresdens durch die amerikanische Luftwaffe, die Behandlung der Neger durch die Weißen — so kann man Tatsachen dadurch für sich sprechen lassen, daß andere, dem Feindbild unzuträglich, verschwiegen werden.

Anspruchsvollere Literatur Der Kontrast wird vergleichsweise noch seltener, und von den Jüngeren unter -Vermei dung greller Farben behandelt; der „positive Held" und seine Kontrastfiguren nehmen so menschliche Züge an, daß auch die Motivationen und Verhaltensweisen der Gegenspieler einfühlbar werden. Das private Erleben, optimistisch eingefärbt, wird auch in den schönen zur thematischen Dominante. Wo Künsten noch unmittelbar Partei ergriffen wird, gerät Positives besser als das undankbare Feind-Sujet, wobei anstelle der bösen Deutschen von heute vorzugsweise die von gestern oder aus anderen Jahrhunderten gemalt werden. Die positiven Gestalten, ausgenommen die Bilder und Plastiken exemplarischer Gestalten mit Denkmalscharakter, werden oft nur noch geringfügig überhöht herausgestellt.

Die naheliegende Grenze zum „tout com-prendre c'est tout pardonner" bleibt dabei außer Sicht. Aber die jüngere Generation kommt ihr näher; sie äußert hier und da gegenüber den Wertsetzungen des Establishments Skepsis, Zweifel und, schlimmer noch, Desinteresse. Ihre Welt ist nicht in Freund und Feind gespalten.

Zu diesem Lagebericht noch ein Schlußwort für Leser, die auch praktische Gegenwartskunde, also Politik betreiben:

Es hat den Anschein, als gäbe es zu dem Freund-Feind-Verhältnis Analogien bei der längst begrabenen nationalen Erzfeindschaften wie der zwischen Deutschen und Franzosen, die ihre kriegerischen Auseinandersetzungen, gereimt oder ungereimt, in ihren patriotischen Schullesebüchern und auch sonst mit flinker Feder fortsetzen. Aber dieser Schein trügt: schlimmstenfalls — und das ist unverzeihlich schlimm — ließ man dabei am Gegner kein gutes Haar, gab man ihn, einzeln oder als Kollektiv, der Lächerlichkeit oder der Verachtung preis. Eine pädagogisch ausgetüftelte Erziehung zum Haß auf die andere Seite als Pflichtfach hat es dabei bei aller Hetzerei nicht gegeben. Und nirgendwo wurde zwischen 1815 und 1933 der kategorische Imperativ aufgestellt, die gesellschaftlichen Verhältnisse links oder rechts des Rheins zu ändern und die dort herrschenden Schichten zu beseitigen. Man wünschte den Gegner wohl zum Teufel, aber man hielt ihn nicht dafür. Der Politik jener Zeit fehlte trotz vieler chauvinistischen Exzesse der Überheblichkeit, der spezifisch missionarische Charakter: damals wurden erst die totalitären Denkansätze zu den auf Erlösung zielenden Herrschaftssystemen gelegt, mit denen unser Jahrhundert konfrontiert ist.

Wir im Westen haben uns dagegen mit problematischen Mitteln zur Wehr gesetzt, oft mit der Restaurierung des nationalsozialisti-sehen Antibolschewismusbildes, dessen Verblassen mit einer Emotionalisierung innenpolitischer Gegensätze, also einer Verlagerung der Polarisierungen von außen nach innen einhergeht. Auch unsere Gesellschaft bedarf noch der absoluten Negativfigur und der schrecklichen Vereinfachungen: „Einigkeit macht stark — und Angst einigt. So wird es schwerfallen, einen Ersatz für diesen Gegenstand einer lange praktizierten Verteufelung zu finden. Die Politiker, die ich aui diese Frage ansprechen konnte, gingen darauf nur scheinbar realistisch ein: nach dem Vertrage von Moskau werde man gewiß eng mit kommunistischen Staaten zusammenarbeiten, wirtschaftlich, wissenschaftlich, in kulturellem Austausch; der weltanschauliche Gegensatz zum Kommunismus bleibe von diesen Prozessen jedoch unberührt. Aber wissen wir nicht aus der Geschichte, daß das Eingehen solcher Bindungen viel Gegensätzlichkeit im Geiste ausräumt? Die Wirtschaft folgt der Flagge, die Entteufelung (trotz ideologischen Vorbehalts) der wirtschaftspolitischen Kooperation. Die Inkarnation des Bösen wird vermutlich auch den Ideologen in Moskau und Ost-Berlin — obwohl sie messerscharf zwischen politischer Praktik und Geisteshaltung unterscheiden und so die Zwangsläufigkeit gewisser Prozesse übersehen — fehlen, sie verunsichern, sie verändern“.

Dabei kommt die DDR in eine ungleich schwierigere Lage als die Bundesrepublik: unser Antikommunismus, soweit er die Gemüter emotional aufladen wollte, wurde vergleichsweise doch nur dilettantisch betrieben und von vielen als Rückfall in jene Vorurteilskrankheit des Nationalsozialismus angesehen, die das Rassenwahn-Bild vom bolschewistischen Untermenschen hervorgerufen hatte. (Zudem: jegliche Ideologie oder Anti-Ideologie widerspricht unserem Demokratie-Verständnis, weil sie in jedem Falle Vorurteile, Freiheit jedoch Vorurteilsfreiheit impliziert. So übermenschlich weit haben wir es gewiß nicht gebracht, aber das so gänzlich ideologiefremde Erfahrungswissen von der Fragwürdigkeit des Menschen und seinen Institutionen läßt sich aus unserem Bewußtsein nur in den Augenblicken verwischen, wo wir von allen guten Geistern verlassen, also nicht mehr immun gegenüber ideologischen Schablonen sind.) Und anders als in der DDR werden Staat und Gesellschaft von brillanten Analytikern in Frage gestellt oder, mit geringerem geistigen Aufwand, kommunistisch interpretiert. Am Ende entspannt sich leichter, wer am freiesten von doktrinärer Verkrampfung ist.

Einige Politologen gehen dabei so weit, die politische Bildung, die stets gesellschaftsbezogen und nicht apolitisch angelegt ist, als Ideologiekritik zu begreifen. Das geht sicher zu weit; denn politische Unterweisung setzt einen für die Gesellschaft unerläßlichen Minimalkonsensus normativer Wertsetzungen voraus, und das impliziert immerhin mögliche Affinitäten zu Ideologien, den „einer Gesellschaftsschicht oder einer wirtschaftlich-politischen Interessenlage zugeordneten Denkweisen und Wertvorstellungen ..." Man könnte wohl von einem ideologischen Minimalkonsensus sprechen als einer vielleicht unerläßlichen Ausgangsbasis aller kritischen Reflexion von Politik und Gesellschaft und gewiß nicht von einer Gedanken und Gefühle aller bestimmenden Weltanschauung. Das zeigt sich bei jeder — meist reaktiven — Konfrontation mit der kommunistischen Ideologie, der unser politisches Bewußtsein nichts „Gleichwertiges" entgegensetzen kann und will: „Ideologisches Denken wird von Normen gesteuert, die man nicht kritisch überprüft, sondern unkritisch hinnimmt."

Dem kommunistischen Ideologieverständnis, das jede kritische Überprüfung seiner Prämissen ausschließt, wäre eben diese analytische Überprüfung entgegenzusetzen und jedenfalls kein Kontrastprogramm zu dem Kampf des Lichtes gegen das Dunkel, wie ihn das schon erwähnte „Kulturpolitische Wörterbuch“ des Dietz-Verlages in Ost-Berlin schildert: „Zwischen der sozialistischen und der bürgerlichen I. findet ein unversöhnlicher Kampf statt. Sie sind Ausdruck der entgegengesetzten Klassenfronten im weltweiten Kampf zwischen Imperialismus und Sozialismus, zwischen Krieg und Frieden. Die bürgerliche I. erfährt in der Gegenwart ihre reaktionärste Ausbildung zur militaristischen und neofaschistischen Kriegsideologie der imperialistischen Kreise.“

Mit dieser Gesinnnung wird es der DDR-Führung schwer fallen, zu einer mehr als rhetorischen Entspannung zwischen Deutschen und Deutschen zu kommen. Es ist auch unser Problem, ob sie das erreichen kann, will oder muß. Indikationen darüber wären im Schrifttum des anderen Deutschland von morgen nachzulesen.

Anhang

Viele Grüße von Lena Wir sind Gäste der Sowjetsoldaten Die Ausbildung macht hungrig Zuerst über die Hindernisbahn Schnapp lernt den Tanz der Soldaten m --™" ----Soldatengäste

Dok. 1

Ursula Brocke: Erzählung, Bildgeschichte und aktuelle Information, in: Börsenblatt des deutschen Buchhandels 843/1970. „ . Seit Jahren arbeitet die TROMMEL mit Autoren zusammen, die sich der Pionierzeitung verbunden fühlen und es als ihren gesellschaftlichen Auftrag ansehen, für sie zu schreiben. Für einen längeren Zeitraum wird in gegenseitiger Absprache thematisch festgelegt, worüber unsere Autoren schreiben werden. Da die Zeitung verpflichtet ist, einen hohen Aktualitätsgrad zu erreichen, müssen z. B. auch verschiedene literarische Themen zu bestimmten gesellschaftlichen Höhepunkten geplant und literarisch umgesetzt werden. Dabei hat es sich immer als sehr positiv erwiesen, die Autoren mit den Schwerpunkten unseres geltenden Schuljahrsarbeitsplanes bekanntzumachen, der der Durchset zung und Erfüllung des jeweiligen Pionierauftrages und seiner Umsetzung mit allen publizistischen Mitteln dient. Als sehr positiv wirkt sich der gegenseitige Gedankenaustausch mit den Autoren über die Probleme der verschiedenen Altersstufen unserer Leser aus. Der unmittelbare Kontakt zu Kindern durch Besuche an den Schulen, in den Pioniergruppen und im persönlichen Gespräch ließ die Redaktion auf bestimmte Probleme aufmerksam werden, die mit Autoren diskutiert, von ihner aufgegriffen und dann literarisch umgesetzt wurden. . .“.

Dok. 2

Horst Adam: Zur Entwicklung des Freund-Feind-Bildes im Staatsbürgerkundeunterricht der Klassen 7 und 8, in: Geschichtsunterricht und Staatsbürgerkunde, 1970, 2. Volk und Wissen Volkseigener Verlag, Berlin (Ost) 1970, S. 141 ff.

Die nachstehende Studie, deren erster Teil hier in ausführlicheren Auszügen wiedergegeben wird, verlegt „die Entwicklung des ideologischen Freund-Feind-Bildes'in das „Zentrum der Hauptaufgaben der politisch-ideologischen Erziehung der Schuljugend.“ Dieses Bild steht auch im Mittelpunkt der außerschulischen Erziehung.

Daß an dem Freund-Feind-Kontrast auch dann festgehalten wird, wenn zwischen Ost-Berlin und Bonn über Möglichkeiten einer „friedlichen Koexistenz“ zwischen den beiden deutschen Staaten gesprochen wird, unterstrich Erich Honecker in seiner Herbst-Ansprache an die Absolventen der Militärakademie in Dresden 1971 (Neues Deutschland v. 13. 10. 1971; siehe auch Dok. 3, 4 u. 5). Danach besteht „nicht der geringste Anlaß, an dem Feindbild, das den Angehörigen unserer Nationalen Volksarmee vermittelt wird, Abstriche vorzunehmen“. Diese richtungweisenden Worte gelten für die politisch-ideologische Erziehung in allen Bereichen, also nicht nur für die Kader der NVA. „Das Hauptanliegen der staatsbürgerlichen Erziehung unserer Schuljugend sehen wir in der Herausbildung eines festen marxistischen Klassenstandpunktes und sozialistischer Verhaltensweisen bei der Entwicklung junger sozialistischer Persönlichkeiten. Unter unseren gesellschaftlichen Verhältnissen heißt das vor allem die weitere Vertiefung der bewußten Einstellung unserer Schüler zur sozialistischen Gesellschaftsordnung und zum sozialistischen Staat.

Das auf marxistisch-leninistischer Grundlage beruhende Freund-Feind-Bild ist ein notwendiges und wesentliches Element dieser bewußten Einstellung zum sozialistischen Staat, des sozialistischen Staats-und Vaterlandbewußtseins. Die Entwicklung des ideologischen Freund-Feind-Bildes der Schüler liegt, wie es die Aufgabenstellung zur weiteren Entwicklung der staatsbürgerlichen Erziehung der Schuljugend der DDR ausweist, im Zentrum der Hauptaufgaben der politisch-ideologischen Erziehung der Schuljugend. Hierzu haben alle Unterrichtsfächer ihren spezifischen Beitrag zu leisten. Die Orientierung auf diesen Bildungsund Erziehungsschwerpunkt im Staatsbürgerkundeunterricht trägt dazu bei, daß die Schüler zu einem festen sozialistischen Klassenstandpunkt geführt werden.

Was verstehen wir unter dem Freund-Feind-Bild! (...)

Die weltweite Auseinandersetzung zwischen Sozialismus und Imperialismus zeigt, daß der Imperialismus zwar nicht stärker, aber aggressiver geworden ist, was sich nicht zuletzt in einer Erweiterung des Arsenals seiner Mittel und Methoden des Kampfes gegen den Sozialismus äußert. Diese Klassenkampfsituation sowie der Prozeß der Bewußtseinsentwicklung der Schüler in der sozialistischen Gesellschaft machen es erforderlich, die marxistisch-leninistische Auffassung vom Freund Feind-Bild als integriertes Element der sozialistischen Ideologie und des sozialistischen Bewußt seins zu untersuchen.

(•••)

Bezogen auf unsere Thematik ist es Aufga-• der sozialistischen Schule, auf der Grundlage der marxistisch-leninistischen Ideologie unserer Schul jugend die konkrete Klassenkampfsituation sowie Freund und Feind in der Klassenauseinandersetzung durch systematische staatsbürgerliche Erziehung bewußt zu machen, sie zum staatsbürgerlichen Denken und Handeln zu erziehen. Das klare Freund-Feind-Bild ist in der Klassenauseinandersetzung iür den einzelnen unerläßlich, denn es gibt ihm die notwendige ideologische Orientierung und bestimmt seine persönliche Haltung unter den verschiedenen Formen des Klassenkampfes. Als Bestandteil der Ideologie und des gesellschaftlichen Bewußtseins bringt es in konzentrierter Weise die spezifischen Interessen einer Klasse oder — wie in der sozialistischen Gesellschaft — einer ganzen Menschengemeinschaft zu den verbündeten und zu den feindlichen Kräften zum Ausdruck. Es dient der Verfestigung bestimmter Lebens-und Verhaltensweisen und beeinflußt das Gesamtsystem der politischen Einstellungen und Haltungen. Nadi unserer Auffassung gelten folgende Merkmale für das ideologische Freund-Feind-Bild einer gesellschaftlichen Klasse:

— die Bestimmung der Personen, Kräfte, Gruppen, Klassen oder Systeme, die als Freunde beziehungsweise als Feinde angesehen werden, das heißt die Benennung der Freunde oder Feinde;

-die Darstellung der Träger der Freund-oder Feindschaft, die darüber Auskunft geben, wem der einzelne dient, welche Klasse oder welches System er vertritt (Repräsentation einer Klasse oder eines Systems);

— die Charakterisierung der Freund-oder Feindschaft, die den Intensitätsgrad des Freund-Feind-

Bildes zum Ausdruck bringt, indem sie den engsten Freund beziehungsweise den Haupt-feind bestimmt;

— die Handlungen und die praktische Politik der Vertreter der jeweiligen Klasse oder des Staates; — die Dialektik bei der Bestimmung der Freunde beziehungsweise der Feinde, die Auskunft darüber gibt, wann und in welcher Sache Personen, Kräfte, Gruppen, Klassen oder Systeme als Freunde beziehungsweise als Finde angesehen werden, das heißt, auf welche Klassenfront sich der einzelne im konkreten Falle stellt;

— die ideologische Motivierung der Freundschaft beziehungsweise der Feindschaft, die sich vor allem auf die Darstellung der tatsächlichen oder unterstellten Absichten, Ziele, Handlungen und Eigenschaften bezieht.

Ausgangspunkt für die Bestimmung des ideologischen Freund-Feind-Bildes der Arbeiterklasse ist der Nachweis ihrer historischen Mission, ihrer strategischen Zielsetzung sowie die Bestimmung ihrer Aufgaben auf Grund der marxistisch-leninistischen Analyse des Charakters der Epoche.

Das Freund-Feind-Bild ist von fester Freundschaft zu unseren Klassenbrüdern und von Haß und Abscheu gegenüber den Klassenfeinden, den Feinden des sozialistischen Vaterlandes und allen Feinden des Sozialismus geprägt.

Über die Beurteilung von Freund und Feind gibt die soziale Herkunft eines Menschen noch keine endgültige Aussage, es entscheidet auch nicht sein verwandschaftliches Verhältnis oder seine soziale Stellung. Ausschlaggebendes Kriterium ist die konkrete Einstellung und Verhaltensweise des einzelnen in der konkreten Klassenauseinandersetzung. Von besonderer Bedeutung ist ferner die Tatsache, daß das Freund-Feind-Bild Bestandteil aller Formen der Ideologie und des sozialistischen Bewußtseins ist, was eine vielfältige ideologische Einflußnahme in allen Bereichen des sozialistischen Bewußtseins ermöglicht.

Wie ordnet sich das Freund-Feind-Bild in den Gesamtprozeß der ideologischen Erziehung ein?

Das Ziel der ideologischen Erziehung der Schule besteht in der Erziehung junger sozialistischer Staatsbürger, die sich durch sozialistische Grundüberzeugungen auszeichnen. Der Inhalt der ideologischen Erziehung wird bestimmt durch ideologische Grundpositionen, die in den festen Klassenstandpunkt eines sozialistischen Staatsbürgers integriert sind. Zur Herausbildung der ideologischen Grundüberzeugungen, die das ideologische Freund-Feind-Bild einschließen, hat jedes Unterrichtsfach sowie jeder andere Prozeßbereich seinen Beitrag zu leisten.

Es entspricht den erzieherischen Potenzen des Staatsbürgerkundeunterrichts in den 7. und 8. Klassen, auf den wir uns konzentrieren, daß er politische Aspekte der Erziehung betont. Deshalb beziehen sich unsere Hinweise zum ideologischen Freund-Feind-Bild in dieser Prozeßstufe besonders auf die politischen Grundüberzeugungen. In Verbindung mit den anderen Unterrichtsfächern besteht aber die Aufgabe, an der Herausbildung sämtlicher ideologischer Grundüberzeugungen zu arbeiten, die insgesamt den ideologischen Klassenstandpunkt des jungen sozialistischen Staatsbürgers ausmachen. Wir gehen davon aus, daß ein subjektiv vermitteltes Freund-Feind-Bild, das nicht auf der Grundlage marxistisch-leninistischer Erkenntnisse beruht, zu einer Verschleierung des Freundes beziehungsweise des Feindes führt und nicht zur Herausbildung grundlegender Überzeugungen und eines festen Klassenstandpunktes bei den Schülern beiträgt. Es kommt darauf an, keine abstrakten Freund-Feind-Vorstellungen zu schaffen, sondern das Freund-Feind-Bild mit typischen Vorstellungen, Erkenntnissen, Begriffen und Überzeugungen über gesellschaftliche Probleme, insbesondere über den Zusammenhang zwischen Imperialismus — Sozialismus und nationaler Frage, zu füllen.

Wir entwickeln das klassenmäßige Freund-FeindBild unserer Schüler, indem wir die Erziehung zur Liebe zum sozialistischen Vaterland mit folgenden Zielen verbinden:

1. mit einem festen politisch-ideologischen Engagement für den sozialistischen Staat, die Partei der Arbeiterklasse und den Sozialismus;

2. mit der Einstellung, die eigenen Interessen mit denen des sozialistischen Vaterlandes in Übereinstimmung zu bringen und eine feste Klassen-position einzunehmen; 3. mit der Erziehung zur Freundschaft mit anderen Völkern, besonders mit der sozialistischen Völkerfamilie, an deren Spitze die Sowjetunion steht; 4. mit der Entwicklung der internationalen Solidarität mit allen um Frieden, Demokratie und gesellschaftlichen Fortschritt kämpfenden Menschen und Staaten; 5. mit der Entwicklung eines positiven Verhältnisses zu den revolutionären Traditionen unseres Volkes, besonders des Kampfes der Arbeiterklasse, und der Entwicklung des sozialistischen Perspektivbewußtseins; 6. mit der bewußten Erziehung zum Kämpfertum und zum Haß gegenüber dem Klassenfeind, gegenüber dem Todfeind des deutschen Volkes, dem westdeutschen Imperialismus und Militarismus. Wir sind der Auffassung, daß sich unser ideologisches Freund-Feind-Bild sinnvoll in das System der ideologischen Grundüberzeugungen einordnet. Sämtliche Grundüberzeugungen enthalten Anforderungen an das ideologische Freund-Feind-Bild. Die herauszubildende Grundüberzeugung von der Sieghaftigkeit des Sozialismus sehen wir als die zentrale Überzeugung des ideologischen Freund-Feind-Bildes an.

Auf der Grundlage der ideologischen Grundiiberzeugungen bestimmen die folgenden wesentlichen Überzeugungen das ideologische Freund-Feind-Bild des jungen sozialistischen Staatsbürgers:

Dok. 3

Abbildung 5

„Aus der Rede des Genossen Erich Honecker, Erster Sekretär des Zentralkomitees und Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates der DDR, vor den Absolventen der Militärakademien“, in: Neues Deutschland vom 13. Oktober 1971.

Die jüngsten weltpolitischen Ereignisse geben der DDR und der Parteiführung der SED Veranlassung, den Klassenkampf auch gegen den Imperialismus mit unverminderter Energie fortzusetzen. Der „Aufhänger“ für eine solche Erklärung bot sich am 13. Oktober 1971, als Erich Honecker im Hause des Zentralkomitees Offiziere der Nationalen Volksarmee empfing. In Anwesenheit der Spitzen von Staat, Partei und NVA sowie von Rektoren einiger Universitäten und Hochschulen, des Geschäftsträgers der UdSSR in der DDR, des Gesandten G. N. Gorinowitsch, und des Vertreters des Kommandos der Vereinten Streitkräfte der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages bei der NVA, Generaloberst A. S. Budjeny, sagte Erich Honecker vor Absolventen der Militärakademie „Friedrich Engels’ und sowjetischer Militär-akademien u. a.: „Genossen!

Sie alle kennen die Dialektik des Klassenkampfes.

Sie wissen: Je weiter sich das sozialistische Welt-system entwickelt, je mächtiger es erstarkt und an Einfluß gewinnt, desto schärfer tritt die Unversöhnlichkeit zwischen Sozialismus und Imperialismus hervor.

Als Marxisten-Leninisten sind wir Realpolitiker.

Für uns bleibt die von Lenin gegebene und im Klassenkampf bis auf den heutigen Tag immer wieder erhärtete Analyse des Imperialismus gültige Richtschnur unseres politischen Handelns.

Es versteht sich deshalb von selbst, daß Illusionen über den Imperialismus, trotz der erzielten Fortschritte im Kampf um den Frieden, nicht am Platze sind. Er wird immer wieder versuchen, Vereinbarungen, die wir im Interesse der friedlichen Koexistenz schließen, zu brechen, wenn er annimmt, damit seinen menschenfeindlichen Zielen näherzukommen. Wir lassen uns in unserem Handeln stets von den mahnenden Worten Lenins auf dem IX. Parteitag der Kommunistischen Partei Rußlands (Bolschewiki) leiten, auf dem er ausführte: . Aber unsere Friedensschritte müssen sich paaren mit der Anspannung unserer ganzen militärischen Kräfte . . . Unsere Armee bietet eine sichere Gewähr, daß die imperialistischen Mächte nicht den geringsten Versuch, keinerlei Anschläge unternehmen werden.'

Eingedenk dieses Leninschen Hinweises haben wir immer dafür Sorge getragen, daß sich der Sozialismus der konterrevolutionären Attacken des Imperialismus auch militärisch erwehren kann.

Die Vereinten Streitkräfte der Staaten des War-schauer Vertrages, die Nationale Volksarmee der DDR und die anderen bewaffneten Kräfte unseres Landes haben stets ihren Kampfauftrag so aufgefaßt, daß sie durch unablässige Erhöhung ihrer Kampfkraft und Gefechtsbereitschaft ihren Beitrag dazu leisten, daß der Gegner keine Chance hat und wir über alle Voraussetzungen verfügen, jedem Aggressor eine vernichtende Niederlage zu bereiten. Es zeigt sich, daß die Hauptkräfte des Imperialismus, trotz der zwischen ihnen bestehenden Widersprüche, bestrebt sind, ihre ökonomischen, politischen und insbesondere militärischen Potenzen zusammenzufassen und diese koordiniert gegen das sozialistische Weltsystem, die internationale Arbeiterbewegung und die nationale Befreiungsbewegung der Völker zur Wirkung zu bringen.

Unter der Losung des Antikommunismus und vor allem des Antisowjetismus versucht der Imperialismus, die Volksmassen über ihre wahren Klassen-interessen zu täuschen und sie in die Aggressionsvorbereitung gegen die sozialistische Staatengemeinschaft einzubeziehen.

Noch deutlicher als bisher wird der Schwerpunkt der USA-Globalstrategie nach Europa verlagert. Das wird durch den riesigen Aufwand an Kräften und Mitteln belegt, die der USA-Imperialismus zur Stützung der politischen, ideologischen, ökonomischen und militärischen Positionen des Imperialismus auf unserem Kontinent einsetzt. Es gelang ihm, die westeuropäischen NATO-Partner auf die Linie seiner Globalstrategie festzulegen. Einmütig fanden sich die Regierungen der NATO-Staaten bereit, durch erhöhte Leistungen das gemeinsame Kriegs-potential auszubauen.

Die imperialistischen Kreise der BRD zeichnen sich wie eh und je dadurch aus, daß sie die Geschäfte der amerikanischen Monopolherren in Europa besonders diensteifrig besorgen. Dabei versuchen sie gleichzeitig ihre eigene Suppe zu kochen.

Ihr militärisch-politisches Programm umfaßt: — die rückhaltlose Unterstützung der USA-Global-strategie, — die forcierte Integration der NATO, — die uneingeschränkte Präsenz amerikanischer Truppen in der BRD, -— den Ausbau der Rüstungswirtschaft, — die Steigerung der Aggressionsbereitschaft der Bundeswehr durch umfassende Modernisierung sowohl der konventionellen als auch der nuklearen Komponente, was sich im Militärhaushalt der BRD für 1972 mit einer Steigerung von 11 Prozent gegenüber 1971 beweist. Der Militärhaushalt der BRD umfaßt heute 24, 2 Milliarden D-Mark direkte Rüstungsausgaben.

Parallel dazu wird die ideologische Vergiftung der Bundeswehr mit Hochdruck systematisch weiter betrieben. Raffiniert wird die antikommunistische ideologische Verhetzung mit einem umfangreichen . Bildungsprogramm'und mit anderen Maßnahmen zur sozialen . Besserstellung'verknüpft, mit denen die Bundeswehrangehörigen noch fester an den Staat der Monopole gekettet werden sollen.

Genossen!

Diese Entwicklung steht natürlich in direktem Widerspruch dazu, daß einflußreiche Kreise in der BRD ständig ihre friedlichen Absichten beteuern. Wir nehmen diese Beteuerung zur Kenntnis und knüpfen daran an, um Schritt für Schritt durch politische Aktivitäten wirksamere Garantien für Frieden und Sicherheit in Europa zu schaffen.

Aber andererseits lassen sich Tatsachen nicht vom Tisch wischen. Angesichts der militärischen Aktivitäten der NATO und der Bundeswehr wäre es sträflicher Leichtsinn, den Gegner auch nur eine Minute aus den Augen zu lassen. Solange der Imperialismus existiert, wird er nichts unversucht lassen, um den Sozialismus zu beseitigen. Es besteht deshalb nicht der geringste Anlaß, an dem Feindbild, das den Angehörigen unserer Nationalen Volksarmee vermittelt wird, Abstriche vorzunehmen.

Die politischen Aktivitäten des NATO-Blockes, seine Bemühungen, das militärische Potential stärker zur Durchsetzung seiner reaktionären und aggressiven Ziele einzusetzen, zeigen, daß die Möglichkeit des Entstehens bewaffneter Konflikte aus existierenden oder neuen Krisenherden und damit die Kriegsgefahr unverändert bestehen bleibt.

Die zuverlässige militärische Absicherung des siegreichen Aufbaus des Sozialismus erfordert von uns, in der politischen und militärischen Wachsamkeit nicht nachzulassen, den Gegner ununterbrochen im Visier zu behalten und alles zu unternehmen, um den NATO-Block an einer Aggression zu hindern.

Die weitere Erhöhung der Gefechts-und Mobilmachungsbereitschaft der bewaffneten Organe der Landesverteidigung der Deutschen Demokratischen Republik, die unablässige Erhöhung ihrer Kampf-kraft sowie die Organisation des Zusammenwirkens zwischen ihnen und mit den verbündeten Armeen der Staaten des Warschauer Vertrages, insbesondere mit der Sowjetarmee, bleiben deshalb eine aktuelle politische und militärische Aufgabe."

Dok. 4

MARSCHLIED DER NATIONALEN VOLKSARMEE Worte: Erwin Burkert (* 1929)

Melodie: Kurt Greiner-Pol (* 1922) 116 stellt sich schüt-zen 2. auf Po-sten, dem Vol -ke wer bleibt für euch wach? den Frie-den, Ar -bei -ter-Bau -ern-Ar -mee. Erwin Burkert und Kurt Greiner-Pol sind leitende für das sie dieses und viele andere Lieder schrieben. wer Das sind hält wir, Wer schützt mit Ge-eure das sind eu -re Wer schirmt die Fabriken in Arbeiterhänden, wer sorgt, daß kein Herr mehr die Ernte verzecht? Wen schꓰ̸ٔ柉

Aus: Volksarmee, Wochenzeitschrift der Volksarmee, 37/71 (Oktober), Deutscher Militärverlag Berlin (Ost).

Als Folge der internationalen sowie der deutschen Entspannungspolitik, stellt sich die Bevölkerung olfensichtlich die Frage, ob das bisher präsentierte Feindbild an Schärfe verliert und ob es angesichts dessen nicht an der Zeit sei, auch mit einer Abrüstung im Geiste zu beginnen. Diese Frage wird in der Wochenzeitschrift „Volksarmee" zum erstenmal im Oktober 1971 gestellt und mit betonter Härte verneint. „Forum des Soldaten Wird uns gegenwärtig die Gefährlichkeit des Imperialismus nicht etwas überspitzt dargestellt? fragt Gefreiter Anschütz.

Oberstleutnant Zimmermann antwortet:

Ihrer Fragestellung kann man entnehmen, daß Sie der Meinung sind, in der NVA würde die Gefährlichkeit des Imperialismus überschätzt. In Wirklichkeit sei der Gegner weniger gefährlich und nicht so aggressiv, als wir ihn darstellen.

Wer sich gründlich mit den Dokumenten des XXIV. Parteitages der KPdSU und des VIII. Partei-tages der SED beschäftigt hat und dazu auch das politische Weltgeschehen aufmerksam verfolgt, der weiß:

Der Imperialismus — an der Spitze der USA-Imperialismus mit seiner Globalstrategie und sein engster Verbündeter, der Imperialismus in der BRD — ist und bleibt der Hauptfeind der Völker und des gesellschaftlichen Fortschritts. Auch wenn der Imperialismus heute raffiniertere Mittel und Methoden zur Verwirklichung seiner Ziele anwendet, auch wenn imperialistische Regierungen durch die offensive Friedenspolitik des Sozialismus gezwungen werden, mit der Sowjetunion oder anderen sozialistischen Staaten Vereinbarungen zur Lösung brennender politischer Probleme einzugehen, so ändert das nichts am aggressiven Wesen des Imperialismus. Die Gefährlichkeit des Imperialismus, die Verschärfung des Klassenkampfes — besonders auf ideologischem Gebiet — zu übersehen oder die Illusion zu hegen, der Imperialismus würde seine feindlichen Pläne gegen den Sozialismus durch Verhandlungen — sozusagen von selber — aufgeben, hieße, einem tödlichen Irrtum zu verfallen. Daher kann es für uns nur eine Devise geben: Mit überlegener Kampfkraft und fest verbunden mit unseren Klassen-und Waffenbrüdern den Klassenfeind stets sicher im Visier zu halten und ihm keinerlei Chancen zu lassen, den Sozialismus anzutasten. Die NVA kann die ihr vom VIII. Parteitag der SED gestellte militärische Hauptaufgabe nur dann erfüllen, wenn alle Armeeangehörigen ständig um eine hohe Kampfkraft und Gefechtsbereitschaft ringen und zugleich den Gegner real einschätzen, wenn sie seine wachsende Gefährlichkeit kennen and jederzeit hohe politische und militärische Wachsamkeit üben. Darum ist es notwendig, allen Angehörigen der NVA ständig zu helfen, die abenteuerliche und verbrecherische Politik des Imperialismus zu durchschauen und den Haß gegen den Klassenfeind zu stärken. Nur wer den Klassenfeind genau kennt und ihn haßt, wird bewußt mit seiner ganzen Kraft die militärischen Pflichten erfüllen und so aktiv dazu beitragen, alle Machenschaften des Gegners entschlossen zu vereiteln."

Dok. 5

Aus: Günter Ganssauge: Schutzwall gegen Mörder, in: Junge Generation, August 1971

Im August 1971 wird die Bundesrepublik in einem Atemzuge mit den Begrilfen „Unmenschlichkeit", „Heuchelei", „ Volksbetrug“ und „Demagogie“ und im Zusammenhang mit den „Verbrechen in Indochina, im Nahen Osten und überall in der Welt" genannt. „Imperialismus und Unmenschlichkeit sind untrennbar miteinander verbunden und entsprechen dem Wesen eines Systems, das aggressiv nach außen, brutal und gewalttätig nach innen ist. Dem Macht und Profitstreben des Kapitals werden alle menschlichen Werte geopfert. Heuchelei, Lüge, Volks-betrug und Demagogie sollen dieses verbrecherische System tarnen. Die Verbrechen in Indochina, im Nahen Osten und überall in der Welt sprechen ihre eigene Sprache und entlarven täglich dieses fluchbeladene Regime. Die schönen Worte von Freiheit, Menschlichkeit und Demokratie aus dem Munde imperialistischer Mörder erweisen sich als ekelhafte Heuchelei und Betrug. Diese verbrecherischen Machtverhältnisse schützen Mörder und Verbrecher, weil sie Träger dieses Systems sind.

Auch die sozialdemokratisch geführte Regierung in der BRD hat diese Tradition in keiner Weise gebrochen. Sie steht an der Seite der Mörder des vietnamesischen Volkes, der Peiniger der arabischen Patrioten und der Militärdiktatur Griechenlands. In der BRD leben die Mörder von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht und erhalten hohe Staatspensionen. Dort lebt einer der Mörder Ernst Thälmanns. Er ist auch 1971 noch Oberschullehrer und darf junge Menschen . erziehen'. In der BRD gibt es die HIAG — eine Organisation der ehemaligen Angehörigen der SS, also eine Mörder-organisation. Sie schützt die Mörder von Artur Becker und anderen fortschrittlichen Deutschen. Die . Freiheit'in diesem Staate ist sehr einseitig, Freiheit ist alles, was den Interessen der Imperialisten dient. 1961 wollte man sich in Westdeutschland und Westberlin die Freiheit nehmen, uns von all dem zu . befreien', was wir uns mit Unterstützung der Sowjetunion und der anderen sozialistischen Länder in mühevoller, fleißiger Arbeit geschaffen haben. . Befreien'wollte man uns auch von unseren Führern, sie sollten genauso ermordet werden wie Karl Liebknecht, Ernst Thälmann und Tausende unserer Vorbilder. Diese Pläne des Imperialismus zu vereiteln war unsere Aufgabe am 13. August 1961. Deshalb heißt unser Schutzwall völlig zu Recht antifaschistischer Schutzwall. Er wurde errichtet gegen das Vordringen des Neofaschismus, Revanchismus und Militarismus aus Westdeutschland und Westberlin.

Die Maßnahmen des 13. August 1961 waren im Interesse von Frieden und Sicherheit in Europa unbedingt notwendig; denn von Westdeutschland und Westberlin aus war ein Überfall auf die DDR systematisch vorbereitet worden. Wir vereitelten mit diesem Vorgehen, das in Übereinstimmung mit den Warschauer Vertragsstaaten durchgeführt wurde, einen Krieg im Herzen Europas. Mit der militärischen Sicherung unserer westlichen Staats-grenze wurde ein wirksamer Schutz unseres friedlichen sozialistischen Aufbaus organisiert. Heute läßt sich feststellen: Der 13. August 1961 war eine Maßnahme zum Wohle der Menschen der DDR, er sicherte uns eine schnelle, kontinuierliche wirtschaftliche Entwicklung, neue Erfolge auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens und brachte uns damit ständig neue Erfolge in der Achtung und Anerkennung durch andere Staaten."

Dok. 6

Karl Ilter: Die sozialistische Wehrerziehung — ein Grundanliegen der staatsbürgerlichen Erziehung, in: Pädagogik 3/1971, Volk und Wissen Volkseigener Verlag, Berlin (Ost) 1971, S. 223 ff.

Die hier in Auszügen wiedergegebenen Artikel über die Wehrerziehung, ihre Begründung und ihre Durchführung umreißen noch einmal das ideologische Programm der SED. Die Notwendigkeit zur schulischen und außerschulischen Wehrerziehung wird unter anderem mit der Unterstellung begründet, daß die führenden Kreise der Bundesrepublik — Militär, Industrie, Regierung — sich mit unten namentlich aufgeführten Organisationen wie der „Aktion Oder/Neiße’, dem „Bund heimattreuer Jugend’ oder der „Wiking-Jugend" u. a. m. identifizieren oder wenigstens zunehmend unter ihrem Einfluß stehen.

Ein logischer Bruch in dieser wie mancher ähnlichen Programmierung ist daher kaum zu übersehen: sie vereint miteinander kaum Vereinbares: das aui Lenin zurückgeführte Prinzip der friedlichen Koexistenz, die wachsende Aggressivität des Imperialismus und die absolute Gewißheit, daß dieser dem Friedenslager zum guten Ende weichen wird. Diese Widersprüchlichkeit wird durch die auch hier geübte Dialektik eher in Abzede gestellt als aufgelöst. „Auf der 14. Tagung des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands wurde erneut hervorgehoben, daß unsere Hauptaufgabe nach wie vor die politische, ökonomische, kulturelle und militärische Stärkung der Deutschen Demokratischen Republik ist. Damit ist zugleich die Aufgabe gestellt, die sozialistische Wehrerziehung unter der Jugend zielstrebig zu führen und noch effektiver zu gestalten.

Im Prozeß der Führung und Gestaltung der sozialistischen Wehrerziehung sollte prinzipiell im Hinblick auf die Bedeutung des Schutzes des Sozialismus davon ausgegangen werden, daß die sozialistische Wehrerziehung ein Grundanliegen der staatsbürgerlichen Erziehung, besonders unserer Jugend, ist, daß unter diesem Gesichtspunkt die staatsbürgerliche Erziehung der Schuljugend verstärkt werden muß. (...)

Den Schülern sind militärische und technische Grundkenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vermitteln. Ihre körperliche Leistungsfähigkeit ist zu fördern, und ihnen sind solche Eigenschaften wie Ausdauer, Mut, Disziplin und Ordnung anzuerziehen. Die vielfältigen Beziehungen zwischen FDJ-und Pionierkollektiven, Grundorganisationen der GST ’) und den Einheiten der bewaffneten Organe der DDR und der Sowjetarmee sind weiter zu entwickeln. (...)

Ausgehend von den Bedingungen unseres Kampfes um Sozialismus und Frieden, um die Durchsetzung des von W. I. Lenin begründeten Prinzips der friedlichen Koexistenz, ausgehend von der historischen Mission der Arbeiterklasse, leiten wir das Recht und die Pflicht zur Führung der sozialistischen Wehrerziehung ab.

Angesichts der verschärften Systemauseinandersetzung zwischen Sozialismus und Imperialismus im Weltmaßstab und auf deutschem Boden, der rücksichtslosen Anwendung von Gewalt durch den Imperialismus und seiner gesteigerten Aggressivität und Gefährlichkeit ist die Führung und Gestaltung der sozialistischen Wehrerziehung besonders notwendig und aktuell.

Wir wissen, daß die tiefsten Ursachen der Kriege in der Ökonomie der Ausbeutergesellschaft und der darauf beruhenden Politik der Ausbeuterklasse beruhen. Folglich bleibt der Boden für Aggressionskriege so lange erhalten wie der Imperialismus besteht. Die gegenwärtige internationale Lage unterstreicht das Recht und die Pflicht der sozialistischen Staaten, ihre Verteidigungsbereitschaft allseitig zu erhöhen, sich so auf die Verteidigung vorzubereiten, daß der mögliche Aggressor eine vernichtende Niederlage erhält. Das entspricht der historischen Mission und Verantwortung der sozialistischen Staaten, den Krieg aus dem Leben der Menschheit für immer zu verbannen. Eine hohe Verteidigungsbereitschaft und gut organisierte Landesverteidigung der Warschauer Paktstaaten dienen dem Ziel, einen neuen Weltkrieg zu verhindern, die Imperialisten zur friedlichen Koexistenz zu zwingen, einen Export der Konterrevolution zu verhindern, den Sozialismus und Frieden wirksam zu sichern. Die Überlegenheit der sozialistischen Staaten in dieser Hinsicht ist dabei keine statische Gegebenheit, sondern ein dynamischer Prozeß; er erfordert, die Vorzüge und Potenzen der sozialistischen Gesellschafts-und Staatsordnung wirksam zu nutzen. Unsere sozialistische Schule als Macht-instrument der Arbeiterklasse, als Mittel der ideologisch-politischen Bildung und Erziehung der Schuljugend und ihrer Vorbereitung auf die Anforderungen des Aufbaus, der weiteren Gestaltung und des Schutzes der entwickelten sozialistischen Gesellschaft ist eine dieser großen Potenzen.

Es darf nicht übersehen werden, daß sich der Imperialismus immer raffinierteren Formen und Methoden des Antikommunismus bedient, seine Aggressionsabsichten zu tarnen versucht, auf die Unerfahrenheit unserer Jugend spekuliert und ihre Wehrmoral zu zersetzen versucht. Den sozialistischen Staaten werden aggressive Tendenzen und Absichten unterstellt. Kommunismus wird mit Aggressivität identifiziert, um besonders die Friedenspolitik der Warschauer Paktstaaten als . Bedrohung der Demokratie, der Freiheit und des Friedens'hinzustellen. Damit wollen die imperialistischen Kräfte unter ihrer Jugend das Verlangen wecken, den Sozialismus zu zerschlagen, Bereitschaft und Fanatismus für eine als . Verteidigung'und . Befreiung'getarnte imperialistische Aggression gegen die Deutsche Demokratische Republik und die sozialistische Staatengemeinschaft zu erreichen. Vor dem Ausmaß der Meinungsmanipulierung der Jugend in den imperialistischen Staaten dürfen wir nicht die Augen verschließen.

Nicht zu übersehen ist das Sammeln und Formieren der Rechtsextremisten und Revanchisten in der Bundesrepublik. Die besondere Gefährlichkeit besteht darin, daß die Rechtskräfte schon jetzt über den Militär-Industrie-Komplex und seine Exponenten, die in verschiedenen Bonner Ministerien einflußreiche Positionen innehaben, einen wachsenden Druck auf die Bonner Regierung ausüben.'Im Kampf gegen Ansätze einer realistischeren Politik haben sich extrem-revanchistische Kräfte in der Bundesrepublik in der . Aktion Widerstand'vereinigt. Diese Kräfte treten mit antikommunistischer, nationalistischer und revanchistischer Hetze der Entspannung entgegen und versuchen, besonders Jugendliche für ihre Aktionen zu gewinnen.

So fordert die . Aktion Oder/Neiße’ (AKON) die Rückführung aller durch den zweiten Weltkrieg verlorenen Ostgebiete. Ihre Vorstellung von der Zukunft lautet: Da nur ein Teil der Heimatvertriebenen zurückkehren kann, wird sich die zukünftige Bevölkerung Ostdeutschlands sowohl aus einem Teil der Vertriebenen und deren Nachkommen als auch aus siedlungswilligen Nichtvertriebenen zusammensetzen . . . Hieraus ist zu ersehen, daß Ostdeutschland vor allem unserer Jugend eine echte Chance für eine glückliche Zukunft bietet'. Ähnliche Vorstellungen bestehen in solchen neonationalistischen Jugendorganisationen wie . Bund heimattreuer Jugend', . Wiking-Jugend', . Freiheitlicher Schülerbund', . Jugendbund Adler'und . Republikanischer Studentenbund Deutschlands'.

Bei der Verhetzung der westdeutschen Jugend kommt der Jugendorganisation der Revanchisten-verbände, der . Deutschen Jugend des Ostens'(DJO), besondere Bedeutung zu. Mit ihren über 150 000 Mitgliedern gehört diese Organisation zu den hochorganisierten, HJ-ähnlich formierten und ideologisch einheitlich auf die revanchistischen Ziele des westdeutschen Imperialismus ausgerichteten Jugendverbände. In diesen Organisationen werden Rechtsradikale und aggressive nationalistische Kader erzogen, die auch vor bewaffneter Gewalt nicht zurückschrecken. Im imperialistischen Staat kann man nicht von . Wehrerziehung'sprechen, das ist reinster Hohn; denn dieser Begriff dient den imperialistischen Kräften zur Verschleierung einer Politik, die nichts mit Wehren zu tun hat. Ein Demonstrationsbeispiel unserer Tage ist die Vietnam-Aggression des USA-Imperialismus.

Demgegenüber können wir in unserem sozialistischen Staat von wirklicher Wehrerziehung sprechen; denn das strategische Ziel unserer Außen-, Sicherheits-und Militärpolitik besteht darin, Sicherheit und Frieden für den Aufbau der sozialistischen Gesellschaft zu gewährleisten. Die sozialistische Wehrerziehung ist ein echtes gesellschaftliches Erfordernis, ein Ausdruck des kämpferischen sozialistischen Humanismus gegenüber den aggressiven Bestrebungen des Imperialismus und Militarismus.

Es sollten besonders solche Grundfragen geklärt und als Überzeugungen herausgebildet werden wie: — die Überzeugung von der objektiven Gesetzmäßigkeit des Sieges des Sozialismus im Welt-maßstab und der Notwendigkeit, die DDR und die sozialistische Staatengemeinschaft im Kampf gegen den Imperialismus allseitig zu stärken und gegen alle Formen einer imperialistischen Aggression zu verteidigen; — die Überzeugung, daß die bewaffneten Kräfte der DDR dem Schutz des Sozialismus und des Friedens dienen, von einer marxistisch-leninistischen Partei geführt werden, aus unserem Volk hervorgegangen sind, mit der Sowjetarmee und den anderen Armeen der sozialistischen Staatengemeinschaft brüderlich verbunden sind, die eine entscheidende Ursache für die unüberwindliche Kraft und Stärke des Sozialismus darstellen;

— die Überzeugung, daß der Imperialismus nicht stärker, sondern aggressiver geworden ist, daß die Bundeswehr sich zu einem gefährlichen militärischen Aggressionsinstrument des staatsmonopolistischen Kapitalismus in Westdeutschland und innerhalb der NATO entwickelte und daß eine hohe Wachsamkeit, feste Sicherungsmaßnahmen unserer Staats-und Gesellschaftsordnung notwendig sind;

— die Überzeugung, daß es notwendig ist, mit der ganzen Person für den Aufbau und den Schutz des Sozialismus einzutreten, zur Verteidigung des sozialistischen Vaterlandes und der sozialistischen Staatengemeinschaft bereit zu sein und an der ständigen Befähigung zur Verteidigung zu arbeiten.

Das Herausbilden und Festigen dieser Überzeugungen beruht auf exakten Kenntnissen.

Das Ziel der sozialistischen Wehrerziehung orientiert in Verbindung von Erkenntnisgewinnung, Überzeugungsbildung und Fähigkeitsentwicklung auf die Allseitigkeit der sozialistischen Persönlichkeit. ...

Die sozialistische Wehrerziehung ist nicht Gegenstand eines speziellen Unterrichtsfaches und nicht Aufgabe eines oder einzelner Erziehungsträger, sondern durchgängiges Prinzip und Teilziel der gesamten Bildung und Erziehung. Im Unterricht hat jedes Fach seinen spezifischen Beitrag zu leisten. Der erkenntnisvermittelnde, der fähigkeitsentwickelnde und der ideologiebildende Prozeß stellen als dialektische Einheit an den Lehrer hohe Anforderungen. Es genügt nicht, die Notwendigkeit des bewaffneten Schutzes einzusehen, sondern der Schüler muß auch über die dazu erforderlichen Charakter-und Willensqualitäten verfügen. Das verlangt von Lehrer und Erzieher, daß er die sozialistische Wehrerziehung zum festen Bestandteil des einheitlichen pädagogischen Prozesses macht. . . .

Auf der Grundlage der Lehrpläne sollte er die vielfältigen Möglichkeiten hinsichtlich ihrer wehr-erzieherischen Potenzen sinnvoll nutzen. Uns kommt es besonders darauf an, frühzeitig eine stabile Wehrmotivation herauszubilden, die auch in schwersten Situationen für das Handeln und Verhalten bestimmend bleibt. Das verlangt zugleich, Gewohnheiten anzuerziehen, die ein zielstrebiges und diszipliniertes Handeln ermöglichen; es kann nur in der Einheit von Unterricht und außerunterrichtlicher Tätigkeit verwirklicht werden.

Außerunterrichtliche Tätigkeit und sozialistische Wehrerziehung (. •)

Die . Aufgabenstellung'weist auf die Einheit von Unterricht und außerunterrichtlicher Tätigkeit hin und macht zugleich auf die grundlegende Bedeutung der außerunterrichtlichen Tätigkeit aufmerksam. Die außerunterrichtliche Tätigkeit bietet eine Vielfalt von Möglichkeiten, die sozialistische Wehr-erziehung interessant, erlebnisreich und emotional wirksam zu gestalten." (. . .)

Dok. 7

Aus: Unsere Fibel, Volk und Wissen Volkseigener Verlag, Berlin (Ost) 1968, S. 15.

Schon die 15. Seite der Schulfibel zeigt die Fahne der DDR. Die darunterstehenden Texte behandeln das Tätigkeitswort „malen" im wörtlichen Zusammenhang mit Fahnen und im bildlichen mit der die Seite beherrschenden Fahne (s. Abb. auf S. 28).

Dok. 8

Aus: Unsere Fibel, Volk und Wissen Volkseigener Verlag, Berlin (Ost) 1968, S. 103. . Unsere Fibel" bringt das Freundbild zum ersten-mal auf Seite 15, also ganz am Anfang. Viel später, auf Seite 103, wenn man mit ihm und der Kunst des Lesens leidlich vertraut ist, wird das Feindbild erwähnt; ein Soldat der Volksarmee schreibt einem Jungpionier in Schönschrift.

Am Schluß des 1. Absatzes appelliert der Brief-schreiber an den Jungen, an der Erhaltung des Friedens mitzuarbeiten. Schließlich ist zum ersten-mal vom Feind die Rede, ohne daß dieser näher bezeichnet wird. Aber die Illustration zu dem Schreiben deutet sinnbildlich an, wo der Feind zu suchen ist (im Westen). In diesem Stadium erscheint er also noch nicht im Bild; das Kind erfährt erst später genaueres über den Feind (s. Abb. auf S. 29).

Dok. 9 Soldatengäste

Aus: Rollis und Flitzis Abenteuer, Verlag Junge Welt, Berlin (Ost) 1970, S. 52. (S. Abb. auf S. 31).

Dok. 10

Aus: Bodo Schulenburg, Wir verschenken Bammel, aus der Reihe: „Die kleinen Trompeter-bücher", Bd. 74, Der Kinderbuchverlag, Berlin (Ost) 1970, S. 53 ff.

Sowjetleutnant Mischa erzählt deutschen Jung-pionieren ein Ffeldenmärchen von einer russischen Mutter und einem T 34-Panzer, die ihren Teil an der Vernichtung des Dritten Reiches hatten. Zum Schluß möchten die Jungen am liebsten einmal Panzerfahrer werden. „ . Als ich so groß war wie ihr, da brannte die Erde, die Häuser brannten und das Korn und die Bäume. Die Menschen hungerten und starben. Es war Krieg. Und die Sonne konnte nicht scheinen, denn der Himmel war voller Rauch. Die deutschen Faschisten verbrannten mein Land. Kein Vogel sang, keine Blume duftete.

Eine Mutti wollte helfen, die Faschistenräuber zu vertreiben. Sie sagte: . Baut einen Panzer mehr, einen für mich.'Die Panzerbauer staunten. Die Mutti zählte, was sie gespart hatte, sie erschrak: Das Geld reichte nicht. Sie nahm ihren Ring aus Gold. Sie zählte: Es reichte noch immer nicht. So ging sie zu ihren Freunden und sammelte Geld. Dann war es soweit: Die Mutti kaufte einen Panzer.'

Uwe fragt: . Einen richtigen, einen aus Stahl, mit Ketten und Kanonen? Einen für vier Soldaten?', Da steht er, der T 34‘, zeigt Mischa, , der alte Panzer, der heute nicht mehr richtig glänzen will.'

Mischa erzählt weiter: Der Panzer der Mutti zog gegen die Faschisten. Siebzehn feindliche Geschütze zerschoß er. Zwölf feindliche Panzer besiegte er.

So kämpfte er bis nach Berlin hinein. Hier pflanzten die Panzersoldaten eine rote Fahne auf. Die Fahne rauschte im Wind, und das hieß: Die Sonne kann wieder scheinen, und die Vögel sollen sin-gen und alle Blumen duften und alle Kinder lachen.'

Die Pioniere schweigen.

Auf dem Hof wartet der Panzer. Auf seinem Turm lesen die Pioniere das Wort . Match', das heißt Mutter. ... Auf einem Sockel aus runden Feldsteinen, die weiß gestrichen in den blauen Himmel leuchten. Und um den Panzer blühen im Frühling, im Sommer und im Herbst fünfzig Blumen oder auch mehr. Anne sagte mir: , Ich züchte eine Blume, die auch im Winter für den Panzer blüht und duftet.'

Peter sagte mir: Ich werde Panzerfahrer, und so wie Mischa werd ich.'

Vielleicht darf Bammel mit zu den Soldaten?"

Hab ich mir die Geschichte ausgedacht Einfach so wie ein Märdien?

Nein. Das ist eine wahre Geschichte!

Die Mischa-Mutti heißt Maria Josefina Orlowa.

Ich glaube, sie lebt heute in Moskau.

Und der alte Panzer, der T 34, der steht auf einem Kasernenplatz im Norden von Berlin.

Dok. 11

Der große und der kleine Dieter, aus: Teddy und seine Freunde, Berlin (Ost) 1969, S. 93 ff. . Der große und der kleine Dieter kannten sich nicht. Sie hatten sich noch nie gesehen; und wer weiß, vielleicht nur das eine einzige Mal an diesem Augustmorgen. Aber das werden sie nicht vergessen. Der große Dieter ist Panzerfahrer bei unserer Volksarmee. Der kleine Dieter ist acht Jahre und Jungpionier.

An diesem grauen Augustmorgen fuhr der große Dieter mit vielen anderen seiner Genossen nach Berlin. Er steuerte seinen schweren Panzer ruhig und sicher, denn der Kommandeur hatte gesagt: , Wir fahren, den Frieden zu retten.'Die Ketten klirrten und krachten auf dem Straßenpflaster, der Motor brüllte wie eine ganze Herde Löwen, und eine blaue Rauchfahne stieg aus den dicken Auspuffrohren. Der große Dieter, der Panzerfahrer, schaute mit dem Kopf hervor. Er kniff die Augen zusammen, so strengte er sich an, schnell und genau zu fahren.

Der kleine Dieter ist ein Langschläfer, und es waren ja auch Ferien. Sein Freund Achim weckte ihn: . Komm schnell, Soldaten fahren durch unsere Stadt.'Der kleine Dieter sprang ans Fenster. Wirklich, da fuhren sie in langen Kolonnen, Motor-räder, Autos und Panzer — wie eine große eiserne Faust. So schnell hatte sich Dieter noch nie angezogen. Und sein Pioniertuch? Achim erinnerte ihn daran. . Vergiß dein Tuch nicht, vielleicht können wir damit winken.'

Auf der Straße standen schon andere Kinder und auch Kampfgruppenmänner.

. Das ist ein Schützenpanzer', sagte Achim. Und der kleine Dieter war ärgerlich, weil er es nicht gewußt hatte.

. Jetzt vergeht den Volksfeinden das Lachen', sagte ein älterer Kampfgruppenmann. Und Dieter schrie, und er mußte schreien, weil die Ketten so klapperten: . Jetzt kommen Panzerl‘ Nun wußte auch Achim nichts mehr zu sagen und stand mit offenem Mund da. Der kleine Dieter band sich schnell sein Tuch ab und winkte. Die Panzerfahrer und die Kommandanten in den Luken winkten zurück.

Es war ein windiger Morgen. Das Tuch wurde Dieter aus der Hand gerissen und flatterte wie ein blauer Vogel hoch, mitten auf die Straße, wo die Panzer fuhren. Gleich würde einer sein schönes blaues Tuch unter die Ketten nehmen und zerreißen. , Ach herrje!'sagte der Kampfgruppenmann traurig, und Dieter steckte sich vor Schreck eine Faust in den Mund. Das Tuch lag auf der Erde, und der Panzer donnerte genau darauf zu. Der große Dieter, mit zugekniffenen Augen, sah einen blauen Schatten an seiner Seite. Er wollte nicht hinsehen, denn ein Panzerfahrer braucht Kraft, nichts darf ablenken. Aber das war doch ... lag da nicht ein Pioniertuch?! Mitten auf der Straße! Der große Dieter war doch einmal Pionier gewesen, Mitglied des Gruppenrates sogar. Jetzt war er Panzerfahrer, aber ein Pioniertuch durfte er nicht überfahren. Er riß an den Hebeln, die Ketten kreischten auf, der Panzer fuhr langsamer. Immer langsamer. Die Kinder, die Kampfgruppenmänner und die anderen Leute sahen erstaunt zu, wie der Panzerriese genau vor dem blauen Pioniertuch auf der Straße zum Halten kam. . Maßarbeit', brummte der Kampfgruppenmann und sagte zum kleinen Dieter: , Na hole es dir schon!'Der kleine Dieter sauste auf die Straße, hob das Tuch auf und faßte schnell den Panzer an, der nach Qualm roch und warm war. Vor ihm aus dem Panzer schaute das ölverschmierte Gesicht des großen Dieter heraus. Der blinzelte ihm zu. , Paß besser auf dein Pioniertuch auf, sagte er. Der kleine Dieter wollte gerade zurücklaufen. Er besann sich und band schnell dem großen Dieter sein Halstuch um.

Der Panzer fuhr weiter.

Der kleine Dieter knuffte seinem Freund Achim in die Seite. . Genau fährt er, ganz genau. Und ich werde auch einmal Panzerfahrer.'

Der große Dieter jedoch hatte zuerst Ärger. Der Kommandeur rief durchs Telefon: . Warum sind Sie stehengeblieben, Genosse Gefreiter?'Dieter antwortete: . Genosse Oberst, ich konnte doch ein Pioniertuch nicht überfahren!'Der Oberst hüstelte ins Telefon: . Natürlich nicht. Alles in Ordnung. ’ Diesen Morgen werden sie nicht vergessen; der große Dieter nicht, der jetzt das blaue Pioniertuch trägt und seinen Panzer auf einen Fingerbreit steuern kann — und der kleine Dieter nicht, der gesehen hat, wie stark die Soldaten des Volkes sind, wie klug und geschickt.

Wenn er groß ist, will er auch einen Panzer fahren" (s. Abb. S. 33).

Dok. 12

Aus: Unser Lied dem neuen Leben. Liederbuch für die 9. bis 12. Klasse der erweiterten Oberschule, Volk und Wissen Volkseigener Verlag, Berlin (Ost) 1965, S. 116 (s. S. 35).

Dok. 13

Aus: Deutsch — 4. Klasse. Unterrichtshilfen zum Lehrplan 1971, Volk und Wissen Volkseigener Verlag, Berlin (Ost) 1971, S. 123 f.

Ein Beispiel für das Einüben der Aneignung und Vertiefung eines Freund-Bildes im Schulunterricht. Den Kindern wird die Farbreproduktion eines sozialistisch-realistischen Gemäldes gezeigt: ein freundlich lächelnder Sowjetsoldat hält ein kleines (deutsches) Mädchen aui dem Arm; zwischen beiden Blumen, die das Kind dem Soldaten geschenkt hat. Im Unterricht soll erreicht werden, daß sich die Kinder mit dem auf dem Bilde dargestellten Mädchen, das auf dem starken Arm des gütigen Soldaten Geborgenheit findet, identifizieren. „Stoffeinheit: Übungen im Beschreiben von Bildern Thema: Beschreiben des Bildes . Freundschaft'von Walter Womacka

Unterrichtsziel Die Schüler erfassen die Hauptaussage des Bildes. Sie drücken die Beziehungen zwischen dem Sowjet-soldatenund dem kleinen Mädchen anschaulich aus und beschreiben beide in mündlichen und schriftlichen Teilübungen. Die Schüler verwenden dabei Adjektive und achten auf treffende Verben. Sie werten das im Bild Dargestellte als Ausdruck auch ihrer Freundschaft zu den Soldaten der Sowjetarmee. 1. Stunde Unterrichtsverlauf 1. Zielorientierung und Motivierung Ich habe euch heute ein Bild für unser Klassenzimmer mitgebracht. Wir wollen es so beschreiben, daß eure Eltern sich das Bild nach euren Worten richtig vorstellen können. Eure Eltern werden am nächsten Elternabend sehen, ob ihr es so beschrieben habt, daß sie es erkennen. 2. Betrachten des Bildes und Erfassen der Haupt-aussage Betrachtet das Bild und saat. was ihr darauf seht! 3. Nach den spontanen Äußerungen der Schüler wird die Bildunterschrift gelesen.

Warum nannte der Maler das Bild . Freundschaft'? Die Schüler leiten ab, daß ein sowjetischer Soldat ein Mädchen — wahrscheinlich aus der DDR — auf dem Arm hält Zwischen beiden besteht Freundschaft. Die Blumen sind ein Geschenk des Mädchens. Es wird an Lesetexte und eigene Erlebnisse erinnert, die das gleiche Thema behandeln. 4. Formulieren der Hauptaussage des Bildes Schreibt in einem Satz auf, was der Maler hier ausdrückt!

Sagt es so, als stünden die beiden selbst vor euch! (Z. B.: Ein sowjetischer Soldat hält" ein Mädchen auf dem Arm, das ihm einen Blumenstrauß geschenkt hat.)

Prüfen der Ergebnisse:

— Ist das Wesentliche enthalten?

— Welche sprachlichen Mittel wurden verwendet? 5. Seht euch nun den Soldaten genauer an und beschreibt ihn!

Die Äußerungen werden geprüft, — ob sie nur das im Bild Erkennbare enthalten (ob es stimmt), — wie es ausgedrückt wird, — ob es auf das Ganze bezogen ist (z. B. Der Soldat sieht das Mädchen freundlich an. Er umfaßt es mit seiner rechten Hand, so daß es sicher sitzt. Den Blumenstrauß hält er fest. Der Soldat trägt eine sowjetische Uniform. Das Käppi hat er schräg aufgesetzt . . .). 6. Seht euch jetzt das Mädchen an und beschreibt es!

(Vorgehen wie unter 5., z. B.: Das Mädchen blickt ein bißchen verschämt auf den Soldaten. Es berührt noch die Blumen. Mit seinem linken Arm hält es sich fest. Es schmiegt sich an den Soldaten. Es ist ein zartes Mädchen . . .) 7. Vergleicht die Hände des Soldaten mit denen des Mädchens!

Schreibt in einem Satz auf, was ihr sehen könnt! (Gruppe A: Beschreiben der Hände des Mädchens; Gruppe B: Beschreiben der Hände des Soldaten.) Die Ergebnisse werden verglichen.

Das Mädchen hat kleine, weiche, zarte . . . Hände. Die Hände des Soldaten sind kräftig, groß, fest-zufassend . . . Herausfinden der verschiedenen Adjektive, die verwendet wurden. Was will uns der Maler sagen? (Bedeutung der Freundschaft zwischen den Kindern der DDR und den sowjetischen Soldaten.) 8. Wir wollen nun das Bild mündlich zusammenhängend beschreiben. (Anknüpfen an die Zielorientierung.) Die mündlichen Leistungen werden bewertet. Die Zuhörer achten auf folgendes: — Ist gesagt, was die Hauptaussage des Bildes (des Ganzen) ist? — Erkennt man, wie die Beziehungen zwischen dem Soldaten und dem Mädchen sind? — Ist dies anschaulich beschrieben? [Beim Zuhören können die Schüler die Augen schließen, um konzentriert das Bild (gedanklich) zu reproduzieren. ] 9. Ich möchte euch vom Maler auch noch etwas erzählen.

Kurzer Lehrervortrag, der den Schülern über den Künstler erste Kenntnisse vermittelt: W. Womacka ist ein bedeutender Künstler der DDR. Er arbeitet an der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee. Der Professor hat viele bekannte Bilder aus dem Leben unserer Menschen gemalt (evtl. Bilder zeigen oder mit dem Unterricht in Kunsterziehung abstimmen): , Rast bei der Ernte’, , Am Strand’, . Junge Genossenschaftsbäuerin'. Für das Haus des Lehrers in Berlin schuf Womacka gemeinsam mit einem Kollektiv den großen Fries.“

Dok. 14

Aus: Unterrichtshilfen Deutsch 4. Klasse zum Lehrplan 1971, Volk und Wissen Volkseigener Verlag, Berlin (Ost) 1971, S. 120 f.

Daß der Bau des „antifaschistischen Schutzwalls“ 1961 aus Zwang und Notwendigkeit erfolgte, wird kontinuierlich zum Ausdruck gebracht. Aber auch dieser Stoff ist 1971 in Nuancen anders als 1961 "). In der Kindererzählung „Teddy und seine Freunde“ (1969) „vergeht den Volksfeinden das Lachen“, und zu den 1971 erschienenen Unterrichtshilfen für den Deutschunterricht wird noch eine ältere Jugend-erzählung herangezogen, in deren Verlauf WestBerliner einen DDR-Posten heimtückisch ermorden. Aber es gibt Anzeichen dafür, daß anstelle solcher Holzhammermethoden feineren der Vorzug gegeben wird, die die eingrenzenden Maßnahmen von damals überzeugender verständlich machen sollen. Mag sein, daß die hier zitierten „Unterrichtshilfen“ in einer Neuauflage ein weniger entmenschtes Feindbild anbieten, wenn der Stoff Mauerbau oder eines der anderen Themen behandelt wird, die neuralgische Reaktionen unterschiedlicher Art bei Regierern und Regierten auslösen können. , 7. Stunde Thema: Vom Schutz der Staatsgrenze in Berlin Unterrichtsziel Die Schüler können begründen, weshalb es notwendig ist, die Staatsgrenze in Berlin besonders zu schützen. Sie erkennen, daß am 13. August 1961 die Kampfgruppen und die Nationale Volksarmee den Feinden den Weg in unsere Republik versperrt haben und uns vor Überfällen schützen. Aus emotional wirksamer Unterrichtsgestaltung werden Gefühle der Geborgenheit und des Vertrauens zu unseren Grenzsoldaten entwickelt. Unsere Grenzsoldaten sind stolz darauf, unsere Republik zu schützen.

Unterrichtsverlauf 1. Teilziel (Einführung und Zielorientierung)

Wir haben Berlin besucht und gesehen, daß es eine schöne Stadt ist. Fleißig wird daran gearbeitet, sie immer schöner zu gestalten. Wir müssen unsere Republik und unsere Hauptstadt schützen. Besuchen wir heute unsere Grenzsoldaten an der Staatsgrenze in Berlin! 2. Teilziel (Erarbeitung)

Wir wollen zunächst überlegen, warum es notwendig ist, die Staatsgrenze in Berlin zu schützen. In Westberlin, das auf dem Gebiet der DDR liegt, herrschen unter der Besatzung der imperialistischen Truppen noch die alten kapitalistischen Verhältnisse. Von dort aus wurde unsere Aufbauarbeit und die in den anderen sozialistischen Ländern gestört (Spione und Agenten kamen in unsere Republik). 3. Teilziel (Erarbeitung)

Dann kam der 13. August 1961. Die westdeutschen Kapitalisten wollten die DDR überfallen. Deshalb schützten wir unsere Staatsgrenze.

Im Zentrum sollten die Betrachtung der Abbildungen und der Text des Heimatkundebuches stehen. Mit ihrem Körper schützten sie die Staatsgrenze! Heute haben wir eine moderne, sichere Staats-grenze Berlin. 4. Teilziel (Vermittlung neuer Kenntnisse)

Unsere Grenzsoldaten haben eine wichtige und schwere Aufgabe zu erfüllen.

Lehrererzählung vom Leben unserer Grenzsoldaten. Es sollte versucht werden, einen Soldaten zu gewinnen, der über seine Arbeit spricht. Der Lehrer kann auch eine Episode erzählen, z. B. , Wie Reinhold Huhn ermordet wurde'.

18. Juni 1962. Es geht bereits dem Abend entgegen. Der Gefreite Reinhold Huhn, ein Arbeiterjunge aus Adorf bei Oelsnitz, steht an der Staatsgrenze auf Posten. Da kommt den schmalen Kiesweg vom Haus Zimmerstraße 56 ein Mann in dunklem Anzug entlang. Er geht die Jerusalemer Straße herunter in Richtung Dönhoffplatz. Reinhold Huhn und sein Postenführer kennen alle Bewohner dieses Hauses, denen sie ja jeden Tag begegnen, aber dieser Mann ist ihnen nicht bekannt. Hat sie ihr geübtes Auge vielleicht doch getäuscht, so fragen sie sich. Sie kommen zu dem Entschluß, sollte er zurückkommen, dann werden sie seinen Ausweis kontrollieren.

Als der Mann in der Jerusalemer Straße wieder auftaucht, steigen Westberliner Bereitschaftspolizisten auf die Mauer der Grenzbefestigung. Auch auf dem Gelände des Zeitungsverlages von . Springer'in Westberlin wird es lebendig. Plötzlich ist der Mann wieder da. Reinhold Huhn läuft ihm bis zum Kiesweg entgegen. Eine Drahtbarriere trennt ihn noch von ihm. Er ruft: . Halt, bleiben Sie stehen! Zeigen Sie bitte Ihren Personalausweis!'Der Fremde kommt einige Schritte zurück, greift in die Innentasche seiner Jacke und zieht einen metallenen Gegenstand heraus. Schüsse krachen. Reinhold Huhn bricht getroffen zusammen. Der Unbekannte ist schnell im Hauseingang verschwunden. Er flüchtet durch den gleichen Tunnel nach Westberlin, durch den er zuvor die Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik betreten hat, um seinen Agentenauftrag auszuführen.

Als Oberfeldwebel Haller den ermordeten Genossen erreicht, hallt ihm von der Mauer höhnisches Gelächter entgegen. Ein Westberliner Polizist schreit: . Warte, du Schwein, dich bringe ich heute abend auch noch um!'Als der Oberfeldwebel auf-blickt, sieht er in die Mündung von Gewehrläufen, die drohend auf ihn gerichtet sind. 5. Teilziel (Erarbeitung und Anwendung)

Was können wir tun, um unseren Grenzsoldaten für ihren aufopferungsvollen Dienst zu danken? Der Lehrer sollte die Schüler zu Aktivitäten anregen (gutes Lernen und gesellschaftlich nützliche Arbeit, Besuch bei den Grenzsoldaten, Brief an eine Einheit u. a.).

Er sollte die Schüler zu der Erkenntnis führen: Wir Jungen werden die Soldaten ablösen. Es ist eine Ehre, an der Grenze als Soldat Dienst zu tun!

Dok. 15

„Die Behandlung der Bundesrepublik im Unterricht", aus: Unterrichtshilfen — Klasse 10, Volk und Wissen Volkseigener Verlag, Berlin (Ost) 1970, S. 26 ff. „ 3. Stunde: Die Rolle des westdeutschen Staates in der imperialistischen Globalstrategie HE*): Der westdeutsche Imperialismus ist die aggressivste Macht in Europa. Als treuer Verbündeter des USA-Imperialismus ist er auf Grund seiner revanchistischen Politik und mit Unterstützung der rechten Sozialdemokratie Hauptgegner der friedlichen Koexistenz, der Abrüstung und einer wirklichen Entspannung in Europa. 1. TE‘): Der westdeutsche Imperialismus unterstützt die USA-Globalstrategie in vollem Maße. Seine Ziele sind revanchistisch und zutiefst reaktionär. Sie sind Ausdruck seiner besonderen Aggressivität. Der westdeutsche Imperialismus ist das Haupthindernis einer wirklichen Entspannung in Europa. 2. TE*): Die besondere Aggressivität des westdeutschen Imperialismus erklärt sich aus der Tatsache, daß er bei hoher Konzentration der Monopolmacht im eigenen Lande nur einen begrenzten politischen Einflußbereich im internationalen Rahmen besitzt. 3. TE’): Die rechten sozialdemokratischen Führer haben sich zu Erfüllungsgehilfen imperialistischer Politik gemacht. Sie tragen dazu bei, die wahren Absichten der westdeutschen Imperialisten zu verschleiern. 3. Stunde: Die Rolle des westdeutschen Staates in der imperialistischen Globalstrategie Stundenverlauf: Wiederholung und Problemstellung Unterrichtsgespräch:

An die Bekanntgabe des Stundenthemas kann sich im Unterrichtsgespräch eine kurze Wiederholung von Wesen, Ziel und Formen der imperialistischen Globalstrategie anschließen.

Um zu ergründen, inwieweit die Schüler Wesen und Ziele dieser Politik verstanden haben, eignet sich für einen zweiten Teil dieses Unterrichtsgesprächs die Fragestellung: — Worin sehen Sie die Ursachen der Spannungen in Europa und auf deutschem Boden?

(Aus unterschiedlichen Antworten in der Klasse, die auch schriftlich von jedem Schüler fixiert werden können, kann eine Problemsituation entstehen, die sich aus dem Verhältnis von Erscheinung und Wesen ergibt: Die Spannungen werden durch das imperialistische System und die aggressive Politik Westdeutschlands verursacht und nicht durch die Existenz der beiden gegensätzlichen Gesellschaftssysteme in Europa und auf deutschem Boden. Aus den sichtbar werdenden offenen Fragen und Problemen und den Unzulänglichkeiten in den Begründungen wird die nachfolgende Erkenntnistätigkeit der Schüler motiviert.)

Lehrer: Um diese Frage richtig und umfassend beantworten zu können, müssen wir untersuchen, welche Rolle der westdeutsche Imperialismus im Rahmen der imperialistischen Globalstrategie spielt, welche Ziele er verfolgt und wie er einzuschätzen ist. 1. Ziele des westdeutschen Imperialismus Erarbeitung, Wertung Unterrichtsgespräch: — Welche Ziele verfolgt der westdeutsche Imperialismus? (Das Unterrichtsgespräch kann auf der Grundlage der Hausaufgabe aus der 2. Stunde geführt werden. Dabei werden vor allem Beispiele westdeutscher Außenpolitik analysiert und in Verbindung mit dem Lehrbuch, S. 107/108, solchen Grundfragen imperialistischer Politik zugeordnet wie Weigerung, die DDR völkerrechtlich anzuerkennen, Streben nach atomarer Bewaffnung, Alleinvertretungsanmaßung, Revanchepolitik, Unterstützung aller konterrevolutionären Kräfte in der Welt, Unterdrückung der demokratischen Kräfte und ihre Manipulierung im eigenen Lande.) — Schätzen Sie diese westdeutsche Politik ein, und setzen Sie das Ergebnis in Beziehung zu Ihren Antworten auf die Frage nach den Ursachen der Spannungen!

(Diese Politik ist revanchistisch und zutiefst reaktionär, sie ist Ausdruck der besonderen Aggressivität des westdeutschen Imperialismus.)

— Welche Rolle spielt der westdeutsche Imperialismus im Rahmen der imperialistischen Global-strategie? (Die Politik der imperialistischen Kräfte Westdeutschlands ist Bestandteil der Globalstrategie des Imperialismus. Westdeutschland ist der Hauptverbündete des USA-Imperialismus in Europa.) Das Unterrichtsgespräch mündet in die 1. TE:

1. TE: Der westdeutsche Imperialismus unterstützt die USA-Globalstrategie in vollem Maße. Seine Ziele sind revanchistisch und zutiefst reaktionär. Sie sind Ausdruck seiner besonderen Aggressivität. Der westdeutsche Imperialismus ist das Haupthindernis einer wirklichen Entspannung in Europa. 2. Die Ursachen der besonderen Aggressivität des westdeutschen Imperialismus Wiederholung und Anwendung, Festigung Schülerarbeit:

— Begründen Sie unter Einbeziehung Ihrer Geschichtskenntnisse den besonders aggressiven Charakter des westdeutschen Imperialismus!

(Materialgrundlage: Lehrbuch, S. 108, ab:

. Worin liegen die Ursachen . . .?“)

Darstellung der Arbeitsergebnisse.

(Widerspruch zwischen der hohen Konzentration der Monopolmacht im eigenen Lande und dem begrenzten politischen Einflußbereich im internationalen Rahmen. Suche nach einem Ausweg aus dieser Situation.)

Das Unterrichtsgespräch mündet in die 2. TE:

2. TE: Die besondere Aggressivität des westdeutschen Imperialismus erklärt sich aus der Tatsache, daß er bei hoher Konzentration der Monopolmacht im eigenen Lande nur einen begrenzten politischen Einflußbereich im internationalen Rahmen besitzt. 3. Die Rolle der rechten westdeutschen sozialdemokratischen Führer Erarbeitung Schülerarbeit:

— Welche Rolle spielen die rechten SPD-Führer in der westdeutschen Innen-und Außenpolitik?

(Materialgrundlage: Lehrbuch, S. 109/110.) Darstellung und Auswertung der Arbeitsergebnisse.

Hinweis: Hier ist der Einsatz des Schülerauftrages Nr. 12 möglich. (Stellen Sie an Beispielen dar, wie der westdeutsche Imperialismus versucht, seine wahren Ziele zu verschleiern!) Die Rolle der rechten SPD-Führer kann damit besser in die Verschleierungspolitik des westdeutschen Imperialismus eingeordnet werden.

3. TE: Die rechten sozialdemokratischen Führer haben sich zu Erfüllungsgehilfen imperialistischer Politik gemacht. Sie tragen dazu bei, die wahren Absichten der westdeutschen Imperialisten zu verschleiern. Hinweis: Die Schülerarbeit zum 2. und 3. Stunden-abschnitt kann auch arbeitsteilig und gleichzeitig erfolgen. Die Auswertung im Unterrichtsgespräch muß dann mit der ganzen Klasse nacheinander vorgenommen werden."

Dok. 16

Aus: Bonjour les amis 5, Volk und Wissen Volkseigener Verlag, Berlin (Ost) 1970, S. 37. . 1 Suivez le guide Le guide pendant le tour de ville Mesdames et messieurs, j’ai l'honneur de vous saluer au nom de la direction de l'agence de voyages. Nous vous souhaitons un bon sejour ä Berlin, capitale de la Republique Democratique Allemande ...

En ce moment, nous passons par la rue Liebknecht avec ses nouvelles constructions. Regardez les nouveaux quartiers qui y sont nes pour les habitants de Berlin ...

Nous voici arrives devant la Porte de Brandenbourg, un des anciens symboles de Berlin. Ici vous pourrez voir la frontiere d'Etat qui, depuis le 13 aoüt 1961, protege notre uvre de construction socialiste contre les ennemis de la paix et contre tous ceux qui ne veulent pas entendre raison. Les bätiments que vous voyez lä-bas sont situs sur le territoire particulier de Berlin-Ouest...

Nous continuerons notre tour de ville le long de Tavenue . Unter den Linden', dont la premiere partie est reservee aux ambassades et ministeres. Vous voyez, ä droite, le Ministere de l'Education nationale de la R. D. A.“

Dok. 17

Aus: Politische Unterweisung im Englisch-Unterricht, in: English for you 4, Volk und Wissen Volkseigener Verlag, Berlin (Ost) 1970, S. 6.2 at the customs Officer: May I see your passport? Herr N.: Here you are.

Officer: I see " you come from Germany — East Germany.

Herr N.: I come from the German Democratic Republic. Officer: What's in these suitcases?

Herr N.: Only personal things.

Officer: Have you got any alcohollc drinks with you?

Herr N.: No, I haven't. Here's the complete list of the things that are in my cases. Officer: The list in incomplete.

Herr N.: Beg your pardon?

Officer: What about this camera? It's not on the list.

Herr N.: Oh yes, it is. Have a look here. Officer: You're right. Tm sorry. How much English money have you got?

Herr N.: Twenty-five pounds.

Officer: Will you open this suitcase, please? — That's all right. Thank you. — The next, please.

Rainer Neubert corrected the customs officer when he said, " I come from the German Democratic Republic." He wanted the officer to realise that there are two German States. Say why the German Democratic Republic is very different from the West German Federal Republic. Here are some phrases and questions to help you:

The German Democratic Republic: the really peaceful German state — everything is done to keep the peace — a socialist country — working dass the owners of plants and mines — production is planned — workers don’t lose their jobs by automation — training for new techniques and jobs instead of unemployment — equal pay for women — excellent training for young people; Who are the people in the government? — soli-darity with the workers in capitalist countries who are fighting for better living conditions — friendly relations with the Soviet Union and other socialist countries — support for the people of Vietnam in their fight against the American aggressors.

The West German Federal Republic:

a capitalist country — Who are the owners of plants and mines? — workers often lose their jobs when plants are automated or closed down — hard life for the people who are out of work — strikes — training for young people not good — not enough schools and teachers;

Who are the people in the government? — fascists demand the frontiers of 1937 — people who are fighting against war and fascism are sent to prison.“

Dok. 18 (siehe auch Seite 21/22)

Walter Flegel, In Bergheide und anderswo, Deutscher Militärverlag, Berlin (Ost) 1966, S. 60 ff. „Wölkchen, „Der Wandertag ist Schultag wie jeder andere, ohne Ausnahme. Wir haben mit ihm doch ein Ziel.'. Aaber', sagte Frau Großmann nachsichtig, , was für ein Ziel können Sie schon haben. Es gibt ja nur Wald ringsum und ein paar schmutzige Dörfer. Das alles kennen unsre Kinder schon auswendig.', Bitte stören Sie nicht länger. Ihre Besorgungen mögen wichtig sein, aber sie sind kein Grund, Ihre Tochter aus dem Unterricht zu nehmen.'

So’, sagte die Frau, zog die Mütze vom Kopf und schaute gleichzeitig auf Ihre Uhr. Renate sah ein eckiges Gesicht, aus dem eine männlich starke Nase mit herrisch aufgeworfenen Nasenflügeln herausragte. , So', sagte Frau Großmann noch einmal und bat dann mit singender Stimme, wobei sie aber die Augen ärgerlich zusammenkniff: . Dürfte ich dann vielleicht am Unterricht teilnehmen?', Bitte'

, Als Mitglied des Elternbeirats', fügte sie betont hinzu, . habe ich sowieso das Recht dazu und die Pflicht.'

Während Renate ein Fenster spaltbreit öffnete, nahm Frau Großmann einen Stuhl und setzte sich im Rücken von Renate nieder. Ein unangenehmes Gefühl, jemanden hinter sich zu haben. Um so angenehmer aber die freundlichen Gesichter der Kinder und das verstohlene Augenzwinkern Elkes. Renate führte die Kinder über Dresden-Klotzsche, durch Neustadt und über den . Platz der Einheit zur Elbe, , die jetzt im November grau und kalt ist, die die Brühlsche Terrasse und die gesamte neue Altstadt morgens und abends mit Nebel unsichtbar macht, als würde sie dadurch das . Elbflorenz’ für immer bewahren vor der Wiederholung des Über-falls, der es am dreizehnten Februar vor über achtzehn Jahren beinahe getötet hat.'

Als sechsjähriges Mädchen hatte Renate die brennende Stadt erlebt, die wochenlang qualmenden Trümmer, den brandigen Geruch, der ihr nach Jahren noch bei der Beseitigung der Trümmer entgegenwehte. Tote und Verletzte haben sie gesehen. Irre und Ubriggebliebene. Ihren Vater, der wegen einer Armverwundung Urlaub hatte und nach der ersten Angriffswelle der Bomber sofort in die Stadt geeilt war, hatte sie nie wiedergesehen. Viele konnten nicht mehr identifiziert werden. Bomben, Brände und Phosphor. Phosphorbrennende Menschen. Durch den Duft der Rosen von Pillnitz führte Renate die Kinder, durch den Zwinger. Mit der Standseilbahn schwebten sie über Dresden hinaus, hoch zum Weißen Hirsch. Und die Stadt breitete sich unter ihnen aus, nebellos, sonnig, sommerlich hell und frisch, jung zu beiden Ufern ihrer silbernen Flußstraße. Anders konnte Renate ihre Stadt nicht schildern.

In der Nähe des Restaurants Luisenhof’ steht eine elegante Villa mit schlankem Turm, , San Remo'. Dort wohnte ein Amerikaner namens Nobel, nicht zufällig. Es waren englische und amerikanische Bomberverbände, die unsre Kulturstadt, eine militärisch und industriell unbedeutende Stadt, zerstörten. An einem Funkgerät saß im Turm der Villa , San Remo'dieser Nobel und leitete die Anflüge der Flugverbände zum Überfall auf die Stadt. Oben am Weißen Hirsch fiel nicht eine Bombe. Nobel, ein Name, den wir uns merken müssen. Ein Mann, der in dem Teil der Welt lebt, wo seine Tat nicht als Verbrechen gilt.'

Je länger Renate erzählte, desto vertrauter wurden ihr die Kinder. Durch ihren Schmerz und Zorn, durch ihre Freude und Verwunderung um das Schicksal der fernen Stadt, die sich deutlich auf ihren Gesichtern ausdrückten. Kein Platz blieb mehr für Abweisung oder Mißtrauen.

Von oben ließ Renate sie auch auf die Loschwitz-brücke hinabschauen, die der Volksmund , Das Blaue Wunder'nennt. Eine Stahlbrücke. , Mit dieser Brücke ist eine Heldentat verbunden. Wie viele deutsche Brücken war auch sie zur Sprengung vorbereitet, von den Faschisten. Ein Telegraphenarbeiter zerschnitt die Kabel zu den Sprengladungen, und die Brücke blieb unversehrt. Ihr Retter auch.'Renate beendete den Ausflug in ihre Stadt. . Eine starke, kluge und schöne Stadt.', Und mutig', fügte leise das Mädchen hinzu, das ihr Gespräch auf Dresden gebracht hatte.

Wieder in Bergheide. Erste blaue Himmelsflecken. Schwache Sonnenstrahlen. Wieder tiefe Sehnsucht nach Dresden. , I h habe Dresden noch früher kennengelernt.'

Renate fuhr auf ihrem Stuhl herum. Da saß ja noch die Pelzdame. Sie war aus ihrem Mantel herausgekrochen. Er hing über der Stuhllehne. , Und gegen früher ist Dresden heute leider nur noch ein Schatten seiner selbst.'

Heftig errötete Renate. Leise und höflich fragte sie: , Und wann waren Sie zum letzten Mal in Dresden?', Vor zwei Jahren, junge Frau, als mein Mann sein Studium an der Militärakademie begann.', Mir scheint, da waren Sie nur nachts oder bei dickem Nebel unterwegs.'

Dok. 19

Erich Honecker über Schriftsteller und Künstler auf dem VIII. Parteitag der SED, in: Neues Deutschland vom 17. Juni 1971.

Was Erich Honecker auf dem Parteitag der SED im Juni 1971 über die Aufgaben von Kunst und Literatur sagte, wies kaum neue Richtungen: die Abwehr von „menschenfeindlichen Produkten des westlichen Kulturzerfalls“ durch kämpferischen Optimismus wird seit eh und je von Kommunisten in ihrem Machtbereich programmiert: »Liebe Genossinnen und Genossen!

Das Programm unserer Partei weist den Weg für die Entwicklung der sozialistischen Nationalkultur in unserer Republik. Unser Ziel ist und bleibt die Erziehung gebildeter und überzeugter Erbauer des Sozialismus, die vom Geiste des proletarischen Internationalismus erfüllt sind. Diesem Ziel sind wir ein gutes Stück nähergekommen.

Unsere Schriftsteller und Künstler haben in den letzten Jahren viele neue Werke geschaffen. Die sozialistische Literatur, die Film-, Fernseh-und Theaterkunst, die Musik und bildende Kunst streben nach Parteilichkeit und hoher Aussagekraft. Sie zeichnen das Bild der Menschen, die unser sozialistisches Leben bewußt gestalten, deutlicher. Das erscheint uns als der wichtigste Fortschritt. Solche schöpferischen Leistungen, in denen die Werktätigen die Gegenwart, ihre Probleme, Gefühle und Gedanken gestaltet finden, vermitteln ihnen Freude, Anregung und Selbsterkenntnis.

Die stete Vorwärtsentwicklung in unserem Leben legt immer mehr fruchtbaren Boden für die künstlerische Arbeit frei. So herrscht bei uns ein gutes Klima für die Entwicklung der Künste und für die kulturelle Betätigung. Ausgehend von den fortgeschrittensten Kollektiven der Arbeiter und Genossenschaftsbauern und der Intelligenz, entwickeln sich jene kulturellen Gewohnheiten der Werktätigen, die dem Sozialismus gemäß sind. Selbstverständlich ist das ein lang andauernder Prozeß. Aber der Widerhall auf die Initiative der Leipziger Kirow-Werker, die Tatsache, daß dreiviertel aller um den Staatstitel kämpfenden Kollektive Kultur-und Bildungspläne besitzen, die durchgeführten Arbeiterfestspiele sprechen von einem beständigen Fortschritt.

Das Streben nach Kunsterlebnissen und eigenem künstlerischen Schaffen wird immer tieferes Bedürfnis der Arbeiterklasse und des ganzen Volkes. Immer mehr Werktätige suchen im künstlerischen Werk neue Einblicke und Einsichten, eine Bereicherung ihres Lebens. Sie treten ihm aufgeschlos-sen, aber auch anspruchsvoll und kritisch gegenüber. Den Kunstschaffenden eröffnet gerade das große gesellschaftliche Wirkungsmöglichkeiten. Solche Partner werden ihnen zum Ansporn für eine immer klarere Übereinstimmung von künstlerischer und weltanschaulicher Verantwortung, für Ideenreichtum, inhaltliche Tiefe und meisterhafte Gestaltung. Die Schriftsteller und Künstler wissen selbst am besten, daß im künstlerischen Schaffen neben allem Guten auch noch Oberflächlichkeit, Äußerlichkeit und Langeweile anzutreffen sind. Nun sind wir uns durchaus im klaren, daß es keine einfache Aufgabe ist, in den alltäglichen Handlungen der Menschen im Sozialismus die großen und weltverändernden Taten zu entdecken, bewußt zu machen und so die ganze Schönheit unseres Lebens meisterhaft zu gestalten. Unsere Partei wird den Künstlern dabei immer vertrauensvoll zur Seite stehen und ihnen helfen, ihrem Schaffen für die sozialistische Gesellschaft noch wirksamere Wege zu öffnen.

Die Schriftsteller und Künstler sollten jedoch auch selbst, vor allem in ihren Verbänden und deren Parteiorganisationen, einen offenherzigen, sachlichen, schöpferischen Meinungsstreit darüber führen, wie der neue Gegenstand immer besser gemeistert werden kann. Das setzt eine enge Verbindung der Künstler mit dem Leben und ihr bewußtes, tiefes Verständnis für die Entwicklungsprozesse unserer Gesellschaft voraus. Dann werden die Schriftsteller und Künstler ohne Zweifel nicht nur die richtigen, unserer sozialistischen Gesellschaft nützlichen Themen in den Mittelpunkt ihres Schaffens stellen, sondern auch die ganze Breite und Vielfalt der neuen Lebensäußerungen erfassen und ausschöpfen. Es werden noch mehr Werke entstehen, die durch ihre Wirklichkeitsnähe, Volksverbundenheit und Parteilichkeit ergreifen, packen und darum begeistert aufgenommen werden.

Das wird sich in dem Maße verwirklichen, wie unsere Partei es versteht, die Künstler mit dem ganzen Reichtum ihrer Handschriften und Ausdrucksweisen auf die Prägung der sozialistischen Persönlichkeit unserer Zeit zu orientieren. Das wird ihnen helfen, bei ihrem Suchen nach neuen Formen in der bejahenden Gestaltung des Großen und Schönen unserer Zeit und der kritischen Darstellung auch ihrer zu überwindenden Widersprüche die Kunst des sozialistischen Realismus zu bereichern. Gerade weil wir um die Mühen, um die Kompliziertheit der künstlerischen Schaffensprozesse wissen, bringen wir der schöpferischen Suche nach neuen Formen volles Verständnis entgegen. In wachsender Verbundenheit mit den Werktätigen unserer Republik und ihrer Kollektive und mit der Aufgabe vor Augen, die Bürger unserer Republik auch mit den Mitteln der Kunst für die Auseinandersetzung mit der bürgerlichen Ideologie, mit dem Imperialismus auszurüsten, werden die Künstler dabei ihre schöpferische Phantasie einsetzen können, um beeindruckende, unserer sozialistischen Gesellschaft eigene Ausdrucksweisen zu finden, die sich nicht aus dem Modernismus einer uns fremden, ja feindlichen Welt nähren.

Unsere Partei fühlt sich mit den Schriftstellern und Künstlern freundschaftlich verbunden. Sie können auf unser Verständnis für ihre Fragen und Schaffensprobleme rechnen, weil wir alle zusammen in einem Lande leben, in dem sich das humanistische Ideal der Einheit von Geist und Macht erfüllt hat. Wir wünschen unseren sozialistischen Dichtern, Romanautoren und Dramatikern, bildenden Künstlern, Musikern, Theater-, Film-und Fernsehschaffenden wachsenden Widerhall ihrer Werke in den Hirnen und Herzen des Volkes. Aufrichtig hoffen wir, daß sie auch das Glück erfahren, für immer mehr Menschen unentbehrliche Weggefährten zu sein.

Die Kulturschaffenden unserer Republik leisten einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen die ideologischen Diversionsversuche des Imperialismus gerade auf kulturellem Gebiet. Den menschenfeindlichen Produkten des westlichen Kulturverfalls setzen sie den lebensspendenden Atem unserer neuen sozialistischen Epoche entgegen. Dabei erweist sich unsere sozialistische Nationalkultur als die Bewahrerin aller fortschrittlichen Traditionen. Die Ehrungen für Ludwig van Beethoven und Albrecht Dürer, für Heinrich Mann und Johannes R. Becher, für Erich Weinert, Willi Bredel und viele andere haben eindrucksvoll bezeugt, daß die kulturellen Schätze des humanistischen Erbes dem Volke zugänglich geworden sind und in die der Würde des Menschen gemäße Lebensweise im Sozialismus eingehen ..

Dok. 20

Aus: Eulenspiegel, 3. Märzheft, Nr. 11, Berlin (Ost) 1971.

Der sozialdemokratische Verteidigungsminister Helmut Schmidt als Nachlahre Moltkes: eine Anspielung auf die durch die Haltung der deutschen Truppen ermöglichte Niederschlagung des Kommune-Aufstandes durch französische Regierungstruppen 1871. Mit der Zeichnung soll Zweitel an der französisch-deutschen Freundschaft geweckt und die Identifizierung eines sozialdemokratischen Ministers mit der antisozialistischen Haltung Preußen-Deutschlands hergestellt werden, (s. Abb. auf S. 43)

Fussnoten

Fußnoten

  1. Karl Heinz Brokerhoff, Wie sie uns sehen. Schriftsteller der DDR über die Bundesrepublik, Bonn-Bad Godesberg 1970.

  2. Siehe Dok. 1.

  3. Karl-Heinz Brokerhoff, Mit Liedern und Granaten. DDR-Schullesebücher über Soldaten in Ost und West, Bonn-Bad Godesberg 1972.

  4. Karl Ilter, Die sozialistische Wehrerziehung — ein Grundanliegen der staatsbürgerlichen Erziehung, in: Pädagogik, Zeitschrift für Theorie und Praxis der sozialistischen Erziehung, Berlin (Ost) 3/1971.

  5. Junge Generation, Organ des Zentralrats der FDJ für das Verbandsaktiv, Herausgeber: Zentral-rat der Freien Deutschen Jugend, Berlin (Ost) 5/1971.

  6. Vgl. Dok. 3, S. 22 ff.

  7. Zur sozialistischen Wehrerziehung im Geschichts-unterricht, in: Geschichtsunterricht und Staatsbürgerkunde, Volk und Wissen Volkseigener Verlag, Berlin (Ost) 5/1971; s. auch Dok. 6.

  8. Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik, Ministerium für Volksbildung, „Lehrpläne Klasse 1", Volk und Wissen Volkseigener Verlag, Berlin (Ost) 1968.

  9. Unsere Fibel, Volk und Wissen Volkseigener Verlag, Berlin (Ost) 1968 (3., unveränderte Auflage 1970).

  10. Siehe Dok. 7.

  11. Siehe Dok. 8.

  12. Geschichten aus Knirpsenstadt, Pössneck 1971.

  13. Siehe auch Dok. 9.

  14. Bodo Schulenburg, Wir verschenken Bammel, aus der Reihe: Die kleinen Trompetenbücher, Band 74, Der Kinderbuchverlag, Berlin (Ost) 1970; Dok. 10.

  15. Aus: Teddy und seine Freunde, Berlin (Ost) 1969; siehe auch Dok. 11.

  16. Siegfried Dietrich, Die Erde brennt, in: Buntes Telejahrbuch, Kinderbuch-Verlag, Berlin (Ost) 1971.

  17. Aus: Unterrichtshilfen Deutsch 4. Klasse zu® Lehrplan 1971, Volk und Wissen Volkseigener Verlag, Berlin (Ost) 1971, S. 170— 171.

  18. Siehe Dok. 16.

  19. Siehe Dok. 17.

  20. Ingeborg Zentsch (Direktorin der Hermann-Duncker-Oberschule Berlin), in: Deutsche Lehrer-zeitung Nr. 28/71.

  21. Vorurteile. Ihre Erforschung und ihre Bekämpfung, mit einem Geleitwort von Ren König und einer Einführung von Helmut von Bracken, Mainz

  22. Armin Stolper in: Neues Deutschland v. 21. 8. 1971.

  23. Das Bühnenstück „Schlag 13“, im Frühjahr 1971 in Leipzig uraufgeführt, wurde in Ost-Berlin von dem Leipziger Ensemble während der „Festtage“ im Herbst 1971 gespielt.

  24. Berlin (Ost) 1971.

  25. Z. B. in ndl (Neue Deutsche Literatur), hrsg. v. Deutschen Schriftstellerverband, Berlin (Ost) 8/71.

  26. Siehe Dok. 18.

  27. Edmund Aue in: Der Weg zu den drei Birken, Taschenbuchreihe Nur ein paar Stunden, hrsg. v. Deutschen Militär-Verlag, Berlin (Ost) 1971.

  28. Vgl. Dok. Nr. 7.

  29. Lothar von Balluseck, Dichter im Dienst. Der sozialistische Realismus in der deutschen Literatur, Wiesbaden 19632, S. 126.

  30. Neues Deutschland v. 6. 9. 1959.

  31. Erik Neutsch, Die anderen und ich, Mitteldeutscher Verlag, Halle 1970.

  32. Hans Bentzien, der Leiter des Verlages „Neues Leben“, zitiert nach FAZ v. 9. 9. 1971.

  33. Neues Deutschland v. 5. 8. 1971.

  34. Neues Deutschland v. 25. 7. 1971.

  35. Neues Deutschland v. 1. 8. 1971.

  36. Ebenda.

  37. Die „Zirkel schreibender Arbeiter" wurden entsprechend den Beschlüssen einer Autoren-Konfe-renz in Bitterfeld am 24. 4. 1959 gebildet, die unter dem Motto „Greif zur Feder, Kumpel!“ stand. Die dort eingeschlagene Route, die als der „Bitterfelder Weg" bezeichnet wird, will Kunst und Leben vereinigen, sie ist „untrennbar mit dem Ringen um eine bewußte und komplexe Verbindung des künstlerischen Schaffens mit den Bedingungen der gesamtgesellschaftlichen, politischen, ökonomischen und geistig-kulturellen Entwicklung des Sozialismus und den sie gestaltenden gesellschaftlichen Systemregelungen verbunden. Das setzt die Formung des sozialistischen Weltbildes der Kunstschaffenden voraus, erfordert insbesondere ihre tiefe Einsicht in die dialektischen Bewegungsgesetze der sozialistischen Gesellschaft, konkrete Kenntnis und Anteilnahme an der gesamtstaatlichen Problematik, ihrer Nutzung und Beherrschung, Ubersicht über das gesellschaftliche Ganze". Kulturpolitisches Wörterbuch, Berlin (Ost) 1970.

  38. „Nicht mehr gefragt: Literarische Kaderakten", vom Zirkel schreibender Arbeiter des VEB Schwermaschinenkombinat „Ernst Thälmann" Magdeburg, in: Neues Deutschland v. 13. 8. 1971.

  39. Neues Deutschland v. 13. 8. 1971.

  40. Siehe oben S. 28.

  41. Neues Deutschland v. 3. 9. 1952.

  42. Armin Stolper, Jahrgang 1934, ist Dramaturg am Landestheater Halle. Einem größeren Publikum wurde er durch sein Schauspiel „Zeitgenossen" bekannt. 1970 erhielt er den Lessingpreis. Er erfüllt sein politisches Soll (z. B. zum 25. Jahrestag der SED 1971) nicht ganz mühelos. Das läßt sich daran ablesen, daß die Qualität seiner Arbeiten proportional im umgekehrten Verhältnis zu ihrer gesellschaftspolitischen Dosierung steht.

  43. „Das Ja und das Nein — Zur Parteilichkeit literarischer Konfliktgestaltung bei der Darstellung von Entscheidungssituationen", in: Neues Deutschland v. 21. 8. 1971.

  44. Siehe oben S. 19.

  45. Günter de Bruyn, Sternstunden in N 4, aus: Buridans Esel, Halle 1968, entnommen der Anthologie „Berlin — Stimmen einer Stadt", Berlin 1970.

  46. Aus-E. R Greulich, Manuela. Erzählungen, Deutscher Militärverlag, Berlin 1970, S. 226— 227.

  47. Vgl. Helmut Sakowski, Zwei Zentner Leichtigkeit — Geschichten, Neues Leben, Berlin 1970.

  48. „Ideologie und Bildphantasie'von Dr. Klaus Weidner, Institut für Gesellschaftswissenschaften beim ZK, in: Neues Deutschland v. 5. 9. 1971.

  49. Siehe Dok. 20, 21 u. 22.

  50. In: Wie Nickel zweimal ein Däne war. Neue Prosa — Neue Namen, Verlag Neues Leben, Berlin (Ost) 1970, S. 66 ff.

  51. Ebenda, S. 89 ff.

  52. Lothar von Balluseck, Bilder—Idole—Ideale. Vermutungen und Skizzen über die Welt der Bilder und die politische Welt, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 51— 52/70.

  53. ndl 7/71.

  54. Offene Fenster 2, Schülergedichte, Berlin (Ost) 1970.

  55. Ebenda.

  56. Ebenda.

  57. Ebenda.

  58. Regina Scheer, Ich bin wie alle blind geboren, in: Ich nenn euch mein Problem. Gedichte der Nachgeborenen. 46 junge, in der DDR lebende Poeten der Jahrgänge 1945— 1954, hrsg. und mit einem Vorwort von Bernd Jentzsch, Verlag Neues Leben, Berlin (Ost) 1971.

  59. Neues Deutschland, September 1971.

  60. Dazu: Marion Dönhoff, Rudolf Walter Leonhardt und Theo Sommer, Reise in ein fernes Land. Bericht über Kultur, Wirtschaft und Politik in der DDR. Hamburg 1964; Horst Siebert, Der andere Teil Deutschlands in Schulbüchern der DDR und der BRD, Hamburg 1970.

  61. Lothar von Balluseck, Bilder—Idole—Ideale, a. a. O.

  62. So Antonius Holtmann vom Pädagogischen Zentrum Berlin, in: Lehr-und Lernmittel im politischen Unterricht, Heft 89 der Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, S. 23.

  63. Stichwort „Ideologie" in: Der Große Brockhaus, Wiesbaden 1954.

  64. Hans-Günther Assel, Ideologie und Ordnung als Probleme politischer Bildung, München 1970,

Weitere Inhalte

Lothar vonBalluseck, geb. am 6. Juli 1906 in Lyck, Vertragsberater politischer Institutionen und wirtschaftlicher Unternehmungen, Leiter einer Werbegesellschaft und Mitinhaber eines Verlags, Gründungsmitglied der „Aktion Gemeinsinn", Gründer der „Go-desberger Gespräche". Veröffentlichungen u. a.: Deutsche über Deutschland. Zeugnisse deutscher Selbstkritik, 1946; Dichter im Dienst. Der sozialistische Realismus in der deutschen Literatur, 19632; Literatur und Ideologie. Zu den literaturpolitischen Auseinandersetzungen seit dem VI. Parteitag der SED, 1963; Frei sein wie die Väter .. .? Eine Geschichte der Freiheit in Deutschland, 19697; Selbstmord — Tatsachen, Probleme, Tabus, Praktiken, 1965; Gold und Blech — nicht nur aus dem Apolitischen Stich-und Schlagwortschatz, 1969; Bilder—Idole—Ideale. Vermutungen und Skizzen über die Welt der Bilder und die politische Welt, 1971