Der Frage der territorialen Struktur kommt in einem föderativ gegliederten Staat erhebliche Bedeutung zu. Dominiert, wie in der Bundesrepublik Deutschland, ein rationales Föderalismus-Verständnis, erhält die Forderung nach Schaffung funktionsfähiger Gliedstaaten besonderes Gewicht. Diese Forderung ist in Art. 29 GG als Verfassungsauftrag zur territorialen Neugliederung artikuliert, ohne daß er bisher hätte realisiert werden können. Die in Art. 29 I GG genannten Kriterien für eine Neugliederung müssen auf der Basis der rationalen Föderalismus-Auffassung interpretiert werden; d. h. es geht um die Schaffung von Ländern, die zu optimaler Aufgabenerfüllung befähigt sind. Aspekte der wirtschaftlichen und soziologischen und raumordnerischen Zusammengehörigkeit von Regionen, die finanzielle Leistungskraft und der westeuropäische Integrationsprozeß sind dabei primär zu berücksichtigen. Versteht man Neugliederung als Anpassungsmaßnahme in einem föderativen System, stellt sich die Frage nach möglichen Alternativ-Maßnahmen. Kompetenzänderungen qua GG-Änderung und die Praxis des kooperativen Föderalismus zielten auf Effizienzsteigerung des föderativen Systems, hatten aber zugleich eine Aushöhlung der Selbständigkeit der Gliedstaaten zur Folge. Daher können sie nicht als Alternativen angesehen werden. Auch grenzüberschreitende Planung ist, da sie in ihrer gegenwärtigen Form weitgehend unverbindlich bleibt, keine Alternative. Die Finanzreform kann ebenfalls nicht als Alternative angesehen werden. Ihre Ziele — Reduzierung des Finanzausgleichs-Volumens, Stärkung der finanziellen Selbständigkeit, Intensivierung des Finanzausgleichs und Angleichung der Leistungsfähigkeit — würden durch eine Neugliederung sehr viel eher realisiert werden können. Da jede Neugliederung eine Neuverteilung politischer Macht (Beispiel: Bundesrat) bedeutet, muß eine Verfahrensstrategie die Motive des Widerstandes angemessen berücksichtigen. Für die schließliche Entscheidung darüber, ob eine Neugliederung erfolgt und welches der Modelle realisiert werden soll, werden die politischen Parteien ausschlaggebend sein.
I. Einleitung
Am 27. Juni 1968 hatten 42 Abgeordnete der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in einer Großen Anfrage zur „Weiterentwicklung des födera-
tiven Systems" die Bundesregierung gefragt, ob sie der Auffassung sei, daß das föderative System, wie es vom Grundgesetz konzipiert sei, auch nach Inkrafttreten der Finanzreform den Anforderungen genügen werde, „die in unserer Zeit an einen demokratischen und sozialen Rechtsstaat in einem sich zusammenschließenden Kontinent gestellt werden müssen"
Weder in den konkreten Einzelfragen nebst Begründung der Großen Anfrage noch in der recht ausführlichen Antwort der Bundesregierung, am 20. März 1969 von Bundesinnenminister Benda dem Bundestag vorgelegt wird auf die Neugliederung des Bundesgebietes auch nur mit einem Wort eingegangen. Das ist um so erstaunlicher, als in der gesamten Diskussion zur Erfüllung des Verfassungsauftrags von Art. 29 GG seit Bestehen der Bundesrepublik stets die Bedeutung der territorialen Gliederung des Bundesgebietes für die Funktionsfähigkeit der föderativen Struktur betont wurde. Konkrete Vorstöße einzelner Ministerpräsidenten, die seit Ende 1965 permanent zu registrieren waren, enthielten in ihren Begründungen den Hinweis auf diesen Zusammenhang. Die Tatsache der Ignorierung des Neugliederungs-Komplexes im Dialog Bundestag—Bundesregierung, die — wie noch zu zeigen sein wird — von der Sache her unverständlich ist, erinnerte daher den mit der Problematik Vertrauten nur einmal mehr daran, daß es sich bei der Neugliederung um einen „unerfüllten Verfassungsauftrag" handelte. In diesem Zusammenhang mußte man überdies den Verdacht hegen, es handle sich um einen in stillschweigender Übereinkunft als heißes Eisen und Tabu gleichsam verdrängten Verfassungsauftrag, an den zu erinnern man peinlichst vermied.
Erst mit dem 25. Gesetz zur Änderung des GG vom 19. August 1969 das mit der durch die Große Koalition erreichten Einigung über eine Neufassung von Art. 29 GG Zögern, Unsicherheit und Interessengegensätze in der Behandlung der Neugliederungs-Problematik beendete, war die Reform der territorialen Ordnung der Bundesrepublik zu einem aktuellen Thema geworden. Zahlreiche Überlegungen und Vorstöße von Politikern, insbesondere aus den Ländern, zu Grundsätzen, Zielen und Problemen einer Neugliederung sowie die Vorlage und lebhafte Diskussion konkreter Modelle unterstreichen diese Aktualität.
Im Bundestagswahlkampf 1969 wurde die Reformbedürftigkeit der territorialen Struktur angesprochen Bundeskanzler Brandt verband sein Bekenntnis zum Auftrag des Art. 29 GG in seiner Regierungserklärung mit der Ankündigung, konkrete Schritte zu unternehmen Ein Jahr später, am 2. Oktober 1970, konstituierte sich eine „Sachverständigenkommission für die Neugliederung des Bundesgebiets beim Bundesminister des Innern" (sog. Genscher-Kommission), deren Arbeitsergebnisse dem Gesetzgeber als wichtige Entscheidungsgrundlage dienen sollen. Am Oktober 1970 beschloß der Bundestag die Einsetzung einer Enquete-Kommission, die eine eventuell erforderliche Anpassung des GG an gegenwärtige und voraussehbare Erfordernisse überprüfen und dabei der Zukunft der bundesstaatlichen Struktur besondere Aufmerksamkeit widmen soll 8).
Die beabsichtigte Kooperation zwischen den beiden Kommissionen verdeutlicht den Stellenwert der territorialen Gliederung des Bundes-gebiets für die Funktionsfähigkeit der föderativen Ordnung der Bundesrepublik. Anders gesagt: Die Neugliederung gewinnt ihren Rang als vordringliche Aufgabe gerade mit Blick auf die allseits geforderte Modernisierung und Leistungsfähigkeit der im Prinzip vom V». fassunggeber „zugriffsfest" gemachten bundesstaatlichen Struktur.
II. Föderalismus und Neugliederung
Abbildung 2
Vorschlag Schäfer Vorschlag Wagener
Vorschlag Schäfer Vorschlag Wagener
1. Föderalismus-Auffassungen Wesensmerkmal des Föderalismus ist, wie sich deutlich vom Wort her ergibt (lat. foedus = Bund, Bündnis), sein Bekenntnis zum hündischen Prinzip sowie die Forderung nach Gültigkeit und Anwendung dieses Prinzips weit über den Bereich bloß innerstaatlicher Organisation hinaus
Einmal wird das Bündische als umfassendes Strukturprinzip von Gesellschaft und Staat aufgefaßt, wobei die föderative Gestaltung des staatlichen Sektors gleichsam „natürlich" und „organisch" die entsprechenden im sozialen Bereich fortsetzt und ergänzt. Diese Auffassung des Föderalismus als politische Ideologie „hat im wesentlichen zwei Spielarten: eine . konservativ-ständische'und eine . sozialistisch-syndikalistische'" Beiden geht es um eine organische Strukturierung der Gesellschaft. Als typischen Vertreter der konservativ-ständischen Variante kann Konstantin Frantz angesehen werden, für den die Familie „Prototyp des Föderalismus" ist, auf der dann Gesellschaft, Staat und Staatengemeinschaft aufbauen Mit dieser Auffassung steht die naturrechtlich fundierte katholische Soziallehre mit ihrer Betonung der beiden Prinzipien Subsidiarität und Solidarität in engstem Zusammenhang. Die sozialistisch-syndikalistische Variante der ideologischen Föderalismus-Auffassung wird auf Pierre Joseph Proudhon zurückgeführt, in dessen Konzept einer auf Gegenseitigkeit, Gleichheit und Solidarität beruhenden „neuen Gesellschaftsordnung" die wirtschaftliche Komponente (die „agrar-industrielle Föderation" als Vereinigung der „Werkgruppen") eine große Rolle spielt Seine Lehre fand ihre Fortsetzung im Syndikalismus, für den gewerkschaftliche und genossenschaftliche Einheiten die Elemente einer die staatliche Organisation überflüssig machenden Wirtschaftsgesellschaft sein sollten, sowie in der Rätebewegung.
Zum zweiten wird das Bündische als Strukturprinzip der internationalen Staatenwelt aufgefaßt. Diese Betrachtungsweise, die die Beziehungen der Staaten in einen Rahmen föderativer Ordnung stellen will und für die Graf Coudenhove-Kalergi ein typischer Repräsentant ist, steht in enger Verbindung mit einer Forschungsrichtung, die „Föderalismus als politischen Prozeß" ansieht und Föderalisierungsprozesse untersucht
Einer dritten Auffassung gemäß ist das bündische Prinzip schließlich Grundlage und unverzichtbares Element der Ordnung und Organisation eines Gemeinwesens. Diese Auffassung interessiert im Zusammenhang einer Erörterung der Neugliederungs-Problematik. Föderalismus kann auf doppelte Weise als Strukturprinzip im staatlichen Bereich gesehen und zugleich legimitiert werden. Erstens wird Föderalismus — hierfür findet man häufig als Synonym den Begriff der Bundesstaatlichkeit, in dem die spezifische Anwendung des föderativen Prinzips auf die Organisation des Staates manifest wird — „als föderative Form politischer Einheitsbildung", zweitens „als komplementäres Element der demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung" verstanden -Die erste Variante kann als „traditionales" ", als historisches und häufig emotional angereichertes Föderalismusverständnis klassifiziert werden. Die These von der Individualität historisch gewachsener Einzelstaaten und Stämme sowie, dieser korrepondierend, von einer gleichsam natürlichen Differenzierung und Vielfalt im sozio-kulturellen Bereich liegt dieser Auffassung zugrunde. Die Schaffung einer staatlichen Einheit aus solchen jeweils in sich festgefügten und von anderen deutlich sich abgrenzenden Gebilden mit Staatsqualität wird durch Anwendung des hündischen Prinzips ermöglicht.
Die zweite Variante kann als „rationales" oder auch pragmatisches Föderalismusverständnis bezeichnet werden. Dieser Auffassung zufolge wird das Wirken der verschiedenen politischen Faktoren im Gesamtstaat durch dessen föderative Gliederung maßgeblich bestimmt, und zwar im Sinne einer Ausbalancierung, Begrenzung und Kontrolle politischer Macht bzw. ihrer Inhaber sowie einer Rationalisierung des politischen Prozesses. Diese Komplementärfunktion zur demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung kommt in einer Reihe von Mechanismen zur Wirkung Die föderative Ordnung schützt Minderheiten, indem diese zumindest regional bessere Entfaltungsmöglichkeiten haben. Sie ist für eine Oppositionspartei, indem diese auf der Ebene des Gliedstaates die Möglichkeit der Profilierung — sowohl personell (Beispiel: Brandt als Regierender Bürgermeister in Berlin; oder Kohl und Stoltenberg als Ministerpräsidenten) als auch politisch-programmatisch (Beispiel: Hessen) — erhält, von erheblichem Gewicht und damit für politische Kontrolle, Alternative und Machtwechselchance im Gesamtstaat von zentraler Bedeutung Sie begünstigt die Ausbildung und Praktizierung innerparteilicher Demokratie, indem sie eine Auflockerung der inneren Ordnung der Parteien sowie die Artikulierung von Partei-Minoritäten ermöglicht Sie bietet zudem — durch die Existenz der Gliedstaaten als gegenüber dem Gesamtstaat kleineren, insofern teilweise besser überschaubaren politischen und Verwaltungseinheiten — die Chance verstärkter Demokratisierung, indem für die Partizipation der Bürger eine weitere Ebene zur Verfügung steht
Im Zusammenhang mit dieser Auffassung wird die gewaltenteilige Funktion einer bundesstaatlichen Ordnung hervorgehoben, die sich aus der Zuordnung und Beschränkung einzelner Machtträger (Gewalten) ergibt. Einmal* werden die Kompetenzen zwischen Gesamtstaat und Gliedstaaten aufgeteilt, zum andern wird durch das Zusammenwirkungsgebot zwischen Organen des Gesamtstaates und denen des Gliedstaates eine Ausbalancierung verschiedener Kräfte erreicht bzw. angestrebt. In dieser Perspektive kommt den Gliedstaaten eine doppelte Funktion zu: Partner und Gegengewicht des Gesamtstaates — konkret auf die Bundesrepublik bezogen: des Bundes — zu sein. 2. Die Bundesstaatlichkeit der Bundesrepublik und die Neugliederung Die grundsätzliche Entscheidung für eine Bundesstaatlichkeit war nach dem Zweiten Weltkrieg in den westlichen Besatzungszonen niemals umstritten. Es waren allerdings durchaus unterschiedliche Motive und Zielsetzungen vorhanden. Einmal haben ideologische Positionen, die Föderalismus als Struktur-und Ordnungsprinzip der Gesellschaft verstanden, eine Rolle gespielt. Solche Positionen basierten fast durchweg auf der katholischen Soziallehre und den Prinzipien von Subsidiarität und Solidarität Föderalismus wurde als Heilmittel gegen die Schwächen und Gefahren der Massengesellschaft empfohlen
Zum zweiten kam das traditionelle Föderalismusverständnis zum Tragen, das sich auf die Betonung regionaler Traditionen historischen Erbes und stammesmäßig-kultureller Differenzierung stützte. Das kommt unmißverständlich in Art. 29 I 1 GG zum Ausdruck, wo als Orientierungskriterien oder „Richtbegriffe'1 für jede territoriale Neuordnung der Bundesrepublik „landsmannschaftliche Verbundenheit" sowie „geschichtliche und kulturelle Zusammenhänge" genannt sind.
Drittens wirkte sich die rationale Föderalismusauffassung bei den Überlegungen zur Schaffung der staatlichen Organisation aus. Diese Auffassung war es auch, die die westalliierte pro-föderalistische Position bestimmte, über die es mit den deutschen politischen Kräften keine grundsätzlichen Gegensätze gab. Differenzen entzündeten sich I 1 GG zum Ausdruck, wo als Orientierungskriterien oder „Richtbegriffe'1 für jede territoriale Neuordnung der Bundesrepublik „landsmannschaftliche Verbundenheit" sowie „geschichtliche und kulturelle Zusammenhänge" genannt sind.
Drittens wirkte sich die rationale Föderalismusauffassung bei den Überlegungen zur Schaffung der staatlichen Organisation aus. Diese Auffassung war es auch, die die westalliierte pro-föderalistische Position bestimmte, über die es mit den deutschen politischen Kräften keine grundsätzlichen Gegensätze gab. Differenzen entzündeten sich zwischen den Deutschen untereinander und zwischen Deutschen und Alliierten über die konkrete Ausgestaltung der bundesstaatlichen Ordnung; Bundesstaatlichkeit ist zunächst nur ein „Biankettbegriff" 25) und durchaus für unterschiedliche Ausfüllungen offen.
In ihrer Antwort auf die Große Anfrage zur „Weiterentwicklung des föderativen Systems" deutete die Bundesregierung auf die Notwendigkeit hin, „eine Neudefinition des Daseins-zwecks des Föderalismus zu versuchen", bezeichnete jedoch eine eigene Stellungnahme als „verfrüht". In jedem Fall ginge es darum, zu bestimmen, ob der Zweck des Föderalismus „in der Erhaltung gewachsener Individualität der deutschen Länder ..., in der Verwirklichung eines rationalen Ordnungsprinzips ..., in der Ermöglichung einer Vielzahl politischer Handlungsebenen ..., oder in einer zusätzlichen Verwirklichung der Gewaltenteilung" liege 26).
Die wissenschaftliche Diskussion hat, wie es scheint, in dieser Frage bereits klare Antworten erbracht. Einer ideologischen Föderalismusauffassung etwa wird mit dem Hinweis daß „das allerorten strapazierte Subsidiaritätsprinzip ... das Wesen des föderativen Gedankens nicht auszufüllen" vermöge 27), ein Absage erteilt. Ebensowenig findet das traditionelle Föderalismusverständnis Unterstützung. Der Bundesstaat könne nicht verstanden I werden „als spezifische Form politischer Ein-weil die Voraussetzungen hierfür „weitgehend entfallen" seien. Für die Begründung, daß nämlich „die Individualität der I deutschen Einzelstaaten und mit ihr die sachliche Differenziertheit des Gesamtkörpers... bis auf wenige Reste dahin" 28) seien, wird auf zwei Determinanten verwiesen: die i Länderschöpfung 1945, mit der „wesentliche 'Grundlagen konkret-geschichtlicher Eigenstän-I digkeit der Länder entfallen" seien, und die Sozialstaats-Klausel, die überdies „Einheit-[lichkeit und Gleichmäßigkeit ... verlangt (das GG fordert die Gewährleistung der „Ein-! heitlichkeit der Lebensverhältnisse").
Bundesstaatlichkeit könne als Folge dieser I Entwicklung nur noch „als komplementäres I Element der demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung" verstanden werden 29). Der 'gleiche Befund kommt in der Aussage zum 1 Ausdruck: „Der Bundesstaat des GG ist kein Bündnis ehemaliger Staaten, sondern eine der Gliederung einer einheitlichen poli-Ordnung." Diese Auffassung geht von der Vorstellung des Staates „als Institu-I tion, der politische Leitungsgewalt anvertraut ist, an der Bund und Länder teilhaben", und die regional und funktional geliedert ist, aus. . Unitarisierungstendenzen machen die regio-I nale Gliederung zwar zum Problem, können ihr aber gleichwohl nicht Sinn und Existenz-streitig machen: „Als ein noch tragfähiger Sinngehalt der regionalen Gliederung erweist sich indessen die Differenzierung des freiheitlichen politischen Prozesses, insbesondere die Intensivierung der Mitwirkungs-Chancen der Aktivbürgerschaft bei der Ausübung der politischen Leitungsgewalt."
Die Dominanz der rationalen Föderalismus-auffassung in der Bundesrepublik gibt der territorialen Gliederung des Bundesgebietes einen klaren Stellenwert im Zusammenhang aller Überlegungen zu einer Bundesstaat-Reform. Um ihre Funktionen als „Momente ein und desselben Staates" voll wahrnehmen zu können, müssen die Länder hinsichtlich Größe und Leistungsfähigkeit — wie auch ganz folgerichtig Art. 29 I 2 GG fordert — ein bestimmtes Aussehen, einen bestimmen Umfang haben In diesem Zusammenhang spielt die ungefähre Gleichgewichtigkeit der territorialen Einheiten als generelles Postu-lat eine besondere Rolle, worauf verschiedentlich hingewiesen wird Durch die vom GG vorgesehene Neugliederung des Bundesgebiets, die funktionsfähige Länder schaffen soll, erhält der „Föderalismus in Deutschland die beste Chance, sich zu bewähren" „Echte föderalistische Spannung", also eine Gleichgewichtssituation zwischen Bund und Ländern, die einen den Föderalismus aushöhlenden Machtzuwachs des Bundes ausschließt, natürlich auch zwischen den Gliedstaaten untereinander, „setzt aber Bund und Länder als organisierte Einheiten mit politischem Eigengewicht voraus" Diese zu schaffen bzw. wiederherzustellen, gehört demnach zu den Zielen einer Neugliederung.
III. Die territoriale Gliederung in Deutschland: Problematik und Reformansätze bis 1945
Abbildung 3
Übersicht Bremen A. Entwicklung des horizontalen Finanzausgleichs Ausgleichspflichtige Länder Nordrhein-Westfalen Baden-Württemberg . . > . Hessen . Hamburg ........................... zusammen . .. Ausgleichsberechtigte Länder Bayern . Niedersachsen l. Rheinland-Pfalz .............. Schleswig-Holstein .......... Saarland in co .... Bremen ............................... zusammen ... ---— + + + + + — 1963 525, 5 301, 2 228, 5 390, 0 -1 445, 3 194, 1 398, 5 355, 0 335, 8 161, 9 + 1 445, 3 ---— + + + + + — 19頋?
Übersicht Bremen A. Entwicklung des horizontalen Finanzausgleichs Ausgleichspflichtige Länder Nordrhein-Westfalen Baden-Württemberg . . > . Hessen . Hamburg ........................... zusammen . .. Ausgleichsberechtigte Länder Bayern . Niedersachsen l. Rheinland-Pfalz .............. Schleswig-Holstein .......... Saarland in co .... Bremen ............................... zusammen ... ---— + + + + + — 1963 525, 5 301, 2 228, 5 390, 0 -1 445, 3 194, 1 398, 5 355, 0 335, 8 161, 9 + 1 445, 3 ---— + + + + + — 19頋?
Die territoriale Struktur einer föderativen staatlichen Ordnung ist keineswegs erst für den Bundesstaat Bundesrepublik Deutschland ein Problem, sondern als solches bereits im Deutschland des 19. Jahrhunderts akut Das Deutsche Reich von 1871 umfaßte 25 soge-nannte historische Staaten, „die sich freiwillig zu einem Bundesstaat zusammengeschlossen hatten" Ihre unterschiedliche Größe und Bedeutung, damit die unausgewogene Struktur des Reiches, erhellt aus folgenden Daten: 17 dieser Staaten umfaßten jeweils weniger als 1 % der Fläche des Reichsgebietes und in ihnen lebten zusammen nur etwa 10 % der Reichsbevölkerung; lediglich zehn Staaten hatten, von Ex-und Enklaven abgesehen, ein geschlossenes Territorium; Preußen dominierte mit drei Fünfteln des Reichsgebietes und der Reichsbevölkerung Nimmt man dazu noch die Preußen privilegierenden Verfassungsbestimmungen —• Personalunion von preußischem König und Kaiser des Reiches, der den Reichskanzler ernennt; Stimmenverteilung im Bundesrat (17 von 58); Sperrminorität bei Verfassungsänderungen (14 Stimmen genügten zur Ablehnung) —, so wird die Bezeichnung „hegemonialer Föderalismus" verständlich. Die Verfassung des Reiches — „Bund der deutschen Fürsten und Freien Städte" genannt (Präambel) — sicherte die Rechte der Gliedstaaten und garantierte ihren Bestand. Eine Neugliederung war, dem Charakter des Bundes als freiwilliger Zusammenschluß von Staaten und der Prämisse ihrer unantastbaren historischen Individualität entsprechend, allein auf freiwilliger Basis denkbar und möglich. Zwei weitere Faktoren erklären, daß territoriale Veränderungen nicht nur „außerhalb des Systems des Bundes", sondern „in der Regel auch außerhalb der Vorstellungen" lagen: einmal „ein traditionelles Zugehörigkeitsgefühl" der Bevölkerung „zu ihrem Staat und meist auch ein Gefühl der Anhänglichkeit an ihren Fürsten"; zum anderen der Umstand, „daß die Gliedstaaten des Reiches die ihnen im ausgehenden 19. Jahrhundert obliegenden vergleichsweise bescheidenen staatlichen Aufgaben erfüllen konnten."
Da Impulse für eine Neugliederung fehlten, blieb es bei der unausgewogenen territorialen Struktur, die sich, insbesondere Preußens wegen, als schwere Hypothek für die politische Entwicklung des Reiches erweisen sollte. Preußens Hegemonie und seine verfassungsrechtlich und -politisch begründete Sonderstellung bewirkten, daß seine Schwächen und Unzulänglichkeiten zu solchen des ganzen Reiches wurden und daß als notwendig angesehene Reformen verzögert oder verhindert werden konnten. Das preußische Dreiklassenwahlrecht kann als gravierendes Beispiel einer solchen, das ganze Reich belastenden Hypothek angesehen werden.
Bei der Konstituierung der Weimarer Republik hätte theoretisch die Möglichkeit einer territorialen Neustrukturierung des Reiches bestanden; es wurden auch konkrete Versuche hierzu unternommen Hugo Preuß’ Initiative in der Weimarer Nationalversammlung zielte auf die Schaffung von 14 Freistaaten nach Auflösung Preußens. Sein Plan „scheiterte am Widerstand der Länder" Er hätte zwar das sehr wichtige Problem preußischen Übergewichts gelöst, nicht jedoch zu einer zukunftsweisenden, ausgewogenen Struktur des Reiches geführt: Gebietsgrößen und Bevölkerungszahlen wiesen erhebliche Unterschiede auf wirtschaftliche und raumplanerische Gesichtspunkte fanden so gut wie keine Berücksichtigung, was an der Zerschneidung einheitlicher Gebiete (Ruhrgebiet, Rhein/Main-Gebiet) zu sehen ist Preußen blieb der dominierende Gliedstaat, wenn auch seine Machtstellung durch Verfassungsbestimmungen ge41) genüber der Zeit des Kaiserreichs erheblich schwächer war.
Mit Art. 18 WRV schufen die Verfassungsväter die Möglichkeit späterer territorialer Reformen, wenngleich in einem recht komplizierten Verfahren mit mehreren Varianten Für die Tatsache, daß von dieser Möglichkeit nur in geringem Umfang, fast im Sinne bloßer „Flurbereinigungen" Gebrauch gemacht wurde — 1920 schlossen sich die sieben Thüringischen Länder zusammen, Sachsen-Coburg vereinigte sich mit Bayern; 1928/29 wurde Waldeck („ohnehin preußisches Verwaltungsprotektorat" ) an Preußen angeschlossen; 1928 tauschten Sachsen und Thüringen ihre Ex-und Enklaven aus — werden eine Reihe von Faktoren verantwortlich gemacht.
Wagner führt die Ablehnung bzw. das Zögern, Preußen aufzuteilen, auf die unterschiedlichen Interessen dreier Gruppen zurück: Selbstverständlich traten „die unentwegten Anhänger der historischen Staaten für die Erhaltung Preußens" ein; die Föderalisten befürchteten, „daß mit der Beseitigung Preußens, die sie wünschten, die Entwicklung zum Einheitsstaat, die sie ablehnten, unvermeidlich werden würde"; die Unitaristen schließlich meinten, „auf den preußischen Einheitsstaat erst dann verzichten zu können, wenn der deutsche Einheitsstaat Wirklichkeit geworden war".
Eschenburg sieht drei Hauptgründe für die nicht erfolgte Neugliederung: den „Traditionalismus der alten Länder"; das Interesse der zur Zeit der Monarchie an der Exekutive nicht beteiligten Parteien, die jetzt „auf ihre territoriale Macht ebenso versessen (waren) wie ehedem die Fürsten"; die — laut Carl Schmitt-Passivität der Bevölkerung gegenüber dem Plebiszit mit der Folge, daß die Bestimmungen von Art. 18 WRV „praktisch konservierend'wirkten.
Man wird auch nicht vergessen dürfen, daß für so tiefgreifende Maßnahmen, wie sie eine Reichsform dargestellt hätte, allenfalls die Phase relativer Ruhe und Stabilität (1925/261929/ 52) geeignet gewesen wäre.
In diese Zeit fallen denn auch wichtige und prominente Initiativen und Vorschläge für eine Reichsreform — ein deutliches Zeichen dafür, daß die territoriale Struktur des Reiches von vielen als unhaltbar und gefährlich angesehen wurde Alle Projekte kreisten um das Verhältnis Reich—Preußen; entweder sollte Preußen dem Reich unmittelbar unterstellt oder aber seine Provinzen zu reichsunmittelbaren Ländern umgewandelt werden, womit Preußen als selbständiger Staat aufgehört hätte zu existieren. Selbst der gewichtigste Vorschlag, der im Juni 1930 vom Verfassungsausschuß der Länderkonferenz — 1928 von der Reichsregierung Marx eingesetzt — vorgelegt wurde und in seiner Tendenz der Initiative Hugo Preuß’ glich, wurde nicht weiter verfolgt; die Lähmung des parlamentarischen Systems in den Jahren 1930— 1933 verhinderte jede diesbezügliche Reformpolitik.
Für das nationalsozialistische Regime war die Frage der territorialen Struktur des Reiches zunächst irrelevant. Die formale Gliederung in Länder blieb bestehen; mit der Gleichschaltung wurden die Länder indessen jeder Eigenständigkeit beraubt. 1934 wurde ein im Reichs-innenministerium erarbeitetes Neugliederungs-Konzept vorgelegt, das auf Vorarbeiten in den Jahren vor 1933 zurückgriff. Das Konzept sah eine Aufgliederung Deutschlands in 16 Provinzen annähernd gleichen Zuschnitts vor; alle historischen Staaten außer den Hansestädten Bremen und Hamburg sollten aufgelöst werden. Deutschland wäre danach zu einem dezentralisierten Einheitsstaat geworden Innerhalb der NSDAP wurde in einem eigens eingerichteten „Referat Reichsreform" ein Projekt entworfen, das eine Gliederung in 24 etwa gleichgroße Gaue vorsah. Ihm lag „eine militärpolitische Konzeption zugrunde", die Deutschland als Festung betrachtete. Diese Gliederung hätte zweifellos eine noch stärkere Zentralisierung mit sich gebracht als die Gliederung in 16 territoriale Einheiten
Von diesen beiden Projekten, die jedoch niemals realisiert wurden — abgesehen von den als Befehlsbereiche der Partei eingerichteten Gauen —, unterscheidet sich ein Reformprojekt des Kreisauer Kreises aus dem Jahre 1943 Seine Verfasser plädierten für eine Gliederung in zehn Länder, den Aufbau eines nach Aufteilung Preußens in sich ausgewogenen Bundesstaates. Sieht man einmal von den heute bei der UdSSR, Polen und der DDR befindlichen Territorien ab, so entspricht die für Westdeutschland vorgeschlagene Lösung, von einer Abweichung in Norddeutschland abgesehen, im Prinzip einer auch heute vielfach geforderten Sechs-Länder-Lösung für die Bundesrepublik. Die westdeutschen Länder lauteten jenem Plan zufolge: Bayern, Schwaben, Rhein-Main, Niederrhein-Westfalen, Niedersachsen, Nordsachsen mit Hamburg und — darin liegt die Abweichung — Bremen nebst Umgebung. Das Plädoyer dieses Widerstandkreises für eine bundesstaatliche Ordnung ist nach den Erfahrungen der nationalsozialistischen Zeit und denen der Weimarer Republik durchaus verständlich und folgerichtig, was das ihm zugrunde liegende rationale Föderalismus-Verständnis angeht. Dieses Plädoyer wurde jedoch auch ausdrücklich mit der angestrebten künftigen Rolle Deutschlands in einer europäischen Gemeinschaft begründet; Deutschland als Einheitsstaat sei als Nachbar kaum akzeptabel. Neben der Berücksichtigung dieses europäischen Aspektes zeichnet sich der Vorschlag auch durch die „Berücksichtigung geographischer Gegebenheiten, wirtschaftlicher Zusammenhänge und verkehrstechnischer Erfordernisse" aus und verdient dieser modernen Motivation wegen ein gutes Prädikat.
Einige kleinere Neugliederungsmaßnahmen wurden in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft vorgenommen Die wichtigsten sind die Fusion von Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz 1933; die Eingliederung Lübecks und von Teilen Oldenburgs in Preußen 1937; die 1937 erfolgte Vergrößerung Hamburgs um Harburg, Altona und Wandsbeck.
IV. Die Entwicklung des Komplexes Neugliederung seit 1945
Abbildung 4
Ausgleichsberechtigte Länder 1967: Ergänzungszuweisung des Bundes .. 1968: Ergänzungszuweisung des Bundes . .
Sonderzuweisung des Bundes .......... insgesamt 1968 . . . Ergänzungszuweisung des Bundes Sonderzuweisungen und Ergänzungszuweisungen des Bundes 1966: Sonderzuweisungen des Bundes .... 1969: Sonderzuweisung des Bundes ..........
Sonderzuweisung der Länder .......... insgesamt 1969 ... Ausgleichspflichtige Länder 1969: Sonderzuweisungen an Länder .... Quelle: Finanzbericht 1969, S. 357 Bayern鷺?
Ausgleichsberechtigte Länder 1967: Ergänzungszuweisung des Bundes .. 1968: Ergänzungszuweisung des Bundes . .
Sonderzuweisung des Bundes .......... insgesamt 1968 . . . Ergänzungszuweisung des Bundes Sonderzuweisungen und Ergänzungszuweisungen des Bundes 1966: Sonderzuweisungen des Bundes .... 1969: Sonderzuweisung des Bundes ..........
Sonderzuweisung der Länder .......... insgesamt 1969 ... Ausgleichspflichtige Länder 1969: Sonderzuweisungen an Länder .... Quelle: Finanzbericht 1969, S. 357 Bayern鷺?
1-Bis zum Inkrafttreten des Grundgesetzes Mit der Übernahme der obersten Gewalt im besiegten Deutschland durch die Besatzungsmächte lag auch die Entscheidung über die regionale Struktur zunächst allein bei ihnen. Im Potsdamer Abkommen war als Richtlinie „eine Dezentralisierung der politischen Struktur" sowie die „Entwicklung einer örtlichen Selbstverwaltung" genannt In Ausführung dieses Postulats sowie als zwangsläufige Folge der Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen entstanden überwiegend neue Länder. Gegebenheiten der Zoneneinteilung und Interessen der Besatzungsmächte, nicht aber historische, sozioökonomische oder raumordnerische Gesichtspunkte waren dabei maßgebend. Das Ergebnis war eine territoriale Struktur, die als fragwürdig gelten mußte und auf Reformen drängte. Als besonders unbefriedigend wurde die Grenzziehung im Bereich der früheren Länder Baden und Württemberg sowie zwischen den neugeschaffenen Ländern Rheinland-Pfalz und Hessen empfunden Nachdem das Problem Preußen faktisch durch Amputation deutschen Gebietes, Zoneneinteilung und Ländergrenzziehung, rechtlich durch die mit einem 1947 erlassenen Kontrollrats-gesetz erfolgte formelle Auflösung der Gebietskörperschaft Preußen aus der Welt war, brachte die von den Alliierten „vielfach willkürlich" vorgenommene Einteilung eine neue Hypothek
Daß mit den 1946/47 schließlich bestehenden Ländern die territoriale Struktur in Westdeutschland nicht endgültig festgelegt sein sollte, geht aus Initiativen zur Änderung hervor. So trat Adenauer für eine Dreigliederung Westdeutschlands ein, bei der „Rheinland, Westfalen, evt. Osnabrück, Rheinhessen, Rheinpfalz und Teile von Hessen-Nassau die Brücke zwischen einer ähnlich großen norddeutschen und süddeutschen Ländergruppierung bilden" sollten, und bemühte sich erfolglos um eine Angliederung der drei Regierungsbezirke Koblenz, Trier und Montabaur des französisch besetzten Rheinland-Pfalz an das britische Nordrhein-Westfalen
Die wichtigste Initiative ging von den drei westlichen Besatzungsmächten selbst aus — ein wohl deutlicher Beweis dafür, für wie wenig zweckmäßig sie die Ländereinteilung selbst einschätzten. Im Frankfurter Dokument Nr. 2 vom 1. Juli 1948 forderten sie die westdeutschen Ministerpräsidenten auf, die Ländergrenzen zu überprüfen und ggf. ÄnderungsVorschläge zu präsentieren. Diese „sollten den überlieferten Formen Rechnung tragen und möglichst die Schaffung von Ländern vermeiden, die im Vergleich mit den anderen Ländern entweder zu groß oder zu klein sind" In ihrer Stellungnahme vom 12. Juli 1948 bezeichneten die Ministerpräsidenten die angeregte Überprüfung zwar als „zweckmäßig-, erklärten sich aber außerstande, eine Gesamtlösung zu unterbreiten, weil die hierfür sorgfältige Untersuchung nicht kurzfristig durchgeführt werden könne. Der deutsch-alliierte Dialog ging bis Ende 1948 : und endete damit, daß die Alliierten lediglich 1 die von deutscher Seite als vordringlich bezeichnete isolierte Behandlung des Problems der drei südwestdeutschen Länder in Aussicht stellten, eine Gesamtlösung vor Abschluß eines Friedensvertrages angesichts der Haltung der Ministerpräsidenten zunächst ausschlossen
Daß die Ministerpräsidenten offensichtlich überfordert waren, als „Richter in eigener Sache" zu fungieren, wurde in den Beratungen des Herrenchiemseer Verfassungskonvents bestätigt. In seinem Bericht hieß es, daß es in der Frage einer Neugliederung mehrere Auffassungen gegeben hätte, über die keine Einigung erzielt werden konnte; statt einen „artikulierten Vorschlag zu machen", beschränkte sich der Konvent „auf die Darle-'gung der Kontroverse"
Der Parlamentarische Rat erklärte schließlich nach eingehenden Beratungen eine Neugliederung zum Verfassungsauftrag („Das Bundesgebiet ist . . . neu zu gliedern"), nannte die dabei zugrunde zu legenden Kriterien („Berücksichtigung der landsmannschaftlichen Verbun-denheit, der geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge" weisen als Richtbegriffe auf die historische Föderalismusauffassung; „wirtschaftliche Zweckmäßigkeit" und „soziales Gefüge" legen demgegenüber den Akzent auf die Funktionsfähigkeit der Länder, die so beschaffen sein sollen, daß sie „nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können", was als Plädoyer für die rationale Föderalismusauffassung zu verstehen ist) und legte die Verfahrensgrundsätze vor (Möglichkeit des Volksbegehrens auf Änderung der Entscheidung über die Landeszugehörigkeit in Gebieten, die diese nach 1945 ohne Volksabstimmung geändert haben; Vorlage eines Neugliederungs-Gesetzentwurfs der Bundesregierung, der die Landeszugehörigkeit des entsprechenden Gebietes festlegt; Volksentscheid über das vom Bundestag beschlossene Gesetz in den betroffenen Gebieten; bei Ablehnung neuer Gesetzesbeschluß des Bundestages nötig, der einem Volksentscheid des gesamten Bundes-volkes unterworfen wird. Neben diesem speziellen Neugliederungsverfahren sollte jede andere Neugliederung auf der Grundlage eines zustimmungsbedürftigen Bundesgesetzes, das auszuarbeiten sein würde, möglich sein)
Da die westalliierten Militärgouverneure in ihrem Genehmigungsschreiben zum GG vom 12. Mai 1949 das Inkrafttreten von Art. 29 GG — ganz im Sinne ihrer bereits im Sommer 1948 eingenommenen und im an den Parlamentarischen Rat gerichteten Memorandum vom 2. März 1949 bekräftigten Haltung — suspendiert hatten, konnten der in Art. 29 VI ins Auge gefaßte Termin für den Vollzug der Neugliederung („vor Ablauf von drei Jahren nach Verkündung des GG") nicht eingehalten und keine konkreten Schritte gemäß Art. 29 GG eingeschlagen werden. 2. Die Sonderregelung im Südwesten Die Alliierten erstreckten ihren Vorbehalt, daß die jetzt bestehenden Ländergrenzen bis zum Abschluß eines Friedensvertrages bestehenbleiben sollten, nicht auf den Bereich der drei südwestdeutschen Länder. Ihre Bereitschaft, hier eine Ausnahme zu machen, ermöglichte den Erlaß einer Verfassungsbestimmung für eine Sonderlösung in diesem Raum Art. 118 GG bestimmte: „Die Neugliederung in dem die Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern umfassenden Gebiete kann abweichend von den Vorschriften des Art. 29 durch Vereinbarung der beteiligten Länder erfolgen. Kommt eine Vereinbarung nicht zustande, so wird die Neugliederung durch Bundesgesetz geregelt, das eine Volksbefragung vorsehen muß."
Aufgrund dieser Verfassungsbestimmung konnte die Lösung der Neugliederungsfrage im Südwesten sogleich nach Inkrafttreten des GG in Angriff genommen werden Zur Entscheidung standen die Wiederherstellung der alten Länder Baden und Württemberg oder die Fusion der 1945 neu geschaffenen drei Länder zu einem Südweststaat; andere Lösungsvorschläge, wie etwa ein Anschluß Hohenzollerns an Baden verschwanden recht schnell von der Bildfläche. „Die Argumente für die Südweststaat-Bildung waren vorwiegend rationaler, die für die Wiederherstellung der alten Länder überwiegend irrationaler Natur" den beiden Modellen lagen also gegensätzliche Föderalismusauffassungen zugrunde.
Die in Art. 118 Satz 1 GG vorgesehene Regelung im Einvernehmen der drei beteiligten Länder kam nicht zustande, da sich die Anhänger der beiden Modelle nicht über den Modus der Entscheidungsfindung zu einigen vermochten. Die Befürworter einer Wiederherstellung der alten Länder, im wesentlichen also die Regierung (Süd-) Badens unter Wohleb, forderten, daß bei einer Volksabstimmung jeweils die Gesamtbevölkerung der beiden Länder entscheiden müßte. Die Befürworter der Südweststaat-Bildung dagegen, das heißt also die Regierungen in Stuttgart und Tübingen, bestanden auf getrennter Zählung der Stimmen aus Nordbaden; ihre Begründung lautete, daß die Nordbadener über eine eventuelle Änderung ihrer Landeszugehörigkeit — jetzt gehörten sie zu Württemberg-Baden — allein entscheiden können müßten. Daß; je nach Interessenlage, der Auswertungsmodus eines Abstimmungsergebnisses entscheidend sein, nämlich zu je unterschiedlichen Lösungen führen könnte, zeigte eine der Information über die Bevölkerungsmeinung dienende Testab-Stimmung vom 24. September 1950 In Nord-baden stimmten 331 113 = 57 % für den Südweststaat, 247 962 = 43 % für die Wiederherstellung der alten Länder; in Südbaden waren es 214 931 = 41 % bzw. 316 696 = 59 % Bei einer Durchzählung der Stimmen nach alten Ländern lautete das Ergebnis in Baden: 548 044 = 49, 3 % für den Südweststaat, aber 564 658 = 50, 7 % zugunsten der alten Länder. In den beiden anderen Bereichen: Württemberg-Hohenzollern und Nordwürttemberg ergaben sich deutliche Mehrheiten für den Südweststaat (jeweils mehr als 90 %).
Nachdem sich die drei Beteiligten innerhalb der von ihnen selbst bestimmten Frist von drei Monaten nach der Testabstimmung nicht einigen konnten, mußte gemäß Art. 118 Satz 2 GG der Bundesgesetzgeber handeln. Zwei kontroverse Fragen galt es zu entscheiden: die Einteilung des Abstimmungsgebietes in Stimmbezirke und den Auswertungsmodus, das heißt die Frage der Mehrheitsfindung. Das Neugliederungsgesetz vom 4. Mai 1951 sah folgendes vor: 1. Das Abstimmungsgebiet wird in vier Stimmbezirke eingeteilt: die Länder Baden (also Südbaden) und Württemberg-Hohenzollern, sowie die Landesteile Nordbaden und Nordwürttemberg. 2.der Südweststaat sollte dann gebildet werden, wenn sich eine Mehrheit im gesamten Abstimmungsgebiet und in mindestens drei der vier Abstimmungsbezirke für ihn aussprechen würde; andernfalls sollten die alten Länder wiederhergestellt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 23. Oktober 1951 dieses Abstimmungsverfahren für verfassungsmäßig erklärt und damit die Klage der Freiburger Regierung in diesem entscheidenden Punkt abgewiesen. Die Abstimmung vom 9. Dezember 1951 brachte die folgenden Stimmen für den Südweststaat: Südbaden 233 255 = 37, 8 %, Nordbaden 382 018 = 57 1 %, Nordwürttemberg 769 869 = 93, 5 %, Württemberg-Hohenzollern 363 349 = 91, 4%; gesamtes Abstimmungsgebiet 1 748 491 = 69, 7 %. Damit war der Weg für den neuen Südweststaat, Baden-Württemberg, frei. Die sogenannten Altbadener haben sich indessen unter Hinweis darauf, daß eine Addition aller badischen Stimmen eine Mehrheit, nämlich 52, 16%, für die Wiederherstellung der alten Länder erbracht hätte, mit diesem Ergebnis nicht abgefunden. 3. Neugliederungs-Initiativen 1949— 1955 War mit der Durchführung des Verfahrens nach Art. 118 GG die Neugliederungsfrage für den südwestdeutschen Raum vorläufig entschieden, konnten für eine Neugliederung nach Art. 29 GG wegen des alliierten Vorbehalts lediglich vorbereitende Schritte unternommen werden; diese allerdings datierten vom Herbst 1949 an.
Der Bundestag beschloß am 29. September 1949 die Bildung eines „Ausschusses für innergebietliche Neuordnung" (sog. Euler-Ausschuß), der zwei Gutachten erstatten ließ
Das „Institut zur Förderung öffentlicher Angelegenheiten"
veranstaltete am 22. /23. Juli 1950 in Weinheim eine sehr gründlich vorbereitete Tagung zum Neugliederungs-Thema 5.
Die Neugliederung wurde dort als eine der „Existenzfragen" der Bundesrepublik, „eine kleinere Zahl von ähnlich großen, wirtschaftlich ausgewogenen Ländern" als wünschbare territoriale Struktur bezeichnet, denn: „Ein föderativer Staatsaufbau ist erst dann gegeben, wenn wir einigermaßen gleichwertige Länder haben und nicht mehr unterscheiden müssen zwischen reich ausgestatteten Ländern und solchen, die auf Gnadenbrot angewiesen sind." An die Bundesregierung wurde appelliert, „nun von sich aus eine unabhängige Studienkommission zu bilden, die das Problem weiter untersuchen und binnen Jahresfrist zur Ausarbeitung bestimmter Vorschläge gelangen soll". Die Tagung mit ihren reichhaltigen Materialien wurde als Inititialzündung verstanden
Die Bundesregierung setzte nach einem entsprechenden Beschluß des Bundestages vom 13. Juni 1951 einen Sachverständigenausschuß für die Neugliederung des Bundes-gebiets ein. Der nach seinem Vorsitzenden, dem Reichskanzler a. D. Luther, benannte Ausschuß begann im Mai 1952 mit seiner Arbeit und legte seinen Bericht etwa drei Jahre später vor. Die Hauptergebnisse waren: Eine umfassende Neugliederung ist nicht erforder-lieh, da die Mehrzahl der bestehenden Bundesländer den in Art. 29 I GG formulierten Forderungen entsprechen. Lediglich in Mittelwestdeutschland ist das nicht der Fall; hier ist eine Neugliederung insbesondere wegen der Zerschneidung von Ballungsräumen durch Ländergrenzen — der Rhein als Trennlinie! — dringend erforderlich. Für diesen Raum wurden sieben Alternativen präsentiert, ohne indessen einer den Vorzug zu geben.
Da jede Neugliederung zugleich eine Neuverteilung politischer Macht bedeutet also von vornherein erhebliche Widerstände zu erwarten sind, konnte dieses Fazit des Ausschusses kaum Energien für eine zielbewußte Inangriffnahme des Neugliederungsauftrages freisetzen, war doch die territoriale Struktur der Bundesrepublik als im wesentlichen ausreichend und den Anforderungen von Art. 29 GG entsprechend deklariert worden. Mit dieser Aussage war allen Gegnern einer Neugliederung — mit unterschiedlicher Interessenlage und Begründung — ein Argument an die Hand gegeben. Daß der Ausschuß an dieser Situation nicht unschuldig war, betonen Kritiker seines Verfahrens Materialien von Länderseite sei zu starkes Gewicht gegeben worden, „ein in den Regionalfragen genauso vertrauter Gegenpart von neutraler, unabhängiger Stellungnahme" sei wohl zu kurz gekommen; die Diskussionspartner des Ausschusses seien oft unglücklich ausgewählt worden; von wirklich offener Aussprache könne häufig keine Rede sein. Auf diese kritischen Aspekte wird bei einer Beurteilung der Arbeit der im Herbst 1970 eingesetzten Sachverständigenkommission zur Neugliederung zu achten sein. Der Hinweis des Ausschusses, daß Neugliederungsmaßnahmen die Situation nach der angestrebten Wiedervereinigung Deutschlands berücksichtigen müßte wurde von Gegnern einer Neugliederung als Argument zur Zurückstellung des Neugliederungsauftrags verwendet muß aber wohl bereits für die damalige Zeit als Vorwand bezeichnet werden.
Einige andere Gründe waren dafür verantwortlich, daß die Arbeitsergebnisse des Luther-Ausschusses, sofern sie überhaupt Maßnahmen anregten, in den Archiven ruhen blieben. Da wäre einmal das geringe Interesse des damaligen Bundeskanzlers Adenauer an Neugliederungsmaßnahmen. Wenn er den Status quo bevorzugte, dann wohl eher, weil er „sich ausrechnete, daß ihm dann möglicherweise vier Stimmen von Rheinland-Pfalz im Bundesrat nicht mehr sicher sein werden“ und nicht, weil sich seine „Grundanschauungen . . . nicht mit den im Luther-Ausschuß auftretenden Tendenzen deckten" Als zweites wäre das negative Interesse der politischen Parteien an dieser Angelegenheit — sie ließen sich von „politischen, das heißt wahl-taktischen Erwägungen" leiten — zu vermerken Auch hier rührte das Beharren auf dem Status quo aus der Einschätzung der Neu-gliederung als „Neuverteilung politischer Macht" her; zunächst lautete die Parole allenthalben: keine Experimente! 4. Die Volksbegehren und die Entwicklung bis 1968 Mit dem Wegfall des alliierten Vorbehalts am 5. Mai 1955 — also noch vor der Veröffentlichung des Luther-Gutachtens — war der Weg für eine Anwendung von Art. 29 GG frei. Am 23. Dezember 1955 wurde ein Gesetz über Volksbegehren und Volksentscheid nach Art. 29 GG verkündet. Daraufhin wurde eine Reihe von Anträgen auf Volksbegehren gestellt. Von den zunächst sieben Volksbegehren waren fünf erfolgreich, das heißt mehr als 100/0 der wahlberechtigten Bevölkerung trugen sich namentlich in entsprechende Listen ein; im einzelnen:
Wiederherstellung des alten Landes Oldenburg 12, 9 °/o, Wiederherstellung des Landes Schaumburg-Lippe 15, 3 °/o, 85 Umgliederung verschiedener Regierungsbezirke von Rheinland-Pfalz:
— Koblenz und Trier nach Nordrhein-Westfalen 14, 2 %, — Montabaur nach Hesen 25, 3 %, — Rheinhessen nach Hessen 20, 2 %.
Zwei Volksbegehren im rheinland-pfälzischen Regierungsbezirk Pfalz erreichten das geforderte Quorum nicht:
Umgliederung nach Bayern 7, 6 %, Umgliederung nach Baden-Württemberg 9, 3 °/o.
Den Antrag des Heimatbundes Badenerland auf Durchführung eines Volksbegehrens im Gebiet des früheren Landes Baden mit dem Ziel seiner Wiederherstellung hatte der Bundesinnenminister mit der Begründung, eine Anwendung des Verfahrens nach Art. 29 sei nach der aufgrund von Art. 118 GG erfolgten Neugliederung nicht möglich, abgelehnt. Da das Bundesverfassungsgericht der Klage des Heimatbundes gegen diesen Bescheid stattgab, konnte auch in Baden ein Volksbegehren (3. bis 16. September 1956) abgehalten werden, dem sich 15, 1 °/o der Wahlberechtigten (8, 7% in Nordbaden, 22, 9 % in Südbaden) anschlossen.
Die Volksbegehren markierten die erste Etappe des Neugliederungsprozesses, aufgrund dessen der Bestand der Länder Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg in Frage gestellt war. Gemäß Art. 29 II GG wäre nun die Bundesregierung gehalten gewesen, in einem Gesetzentwurf Bestimmungen über die Landeszugehörigkeit der jeweiligen Gebietsteile aufzunehmen; nach Annahme durch den Bundestag wäre das Gesetz den Verfahrensbestimmungen von Art. 29 III-VI zu unterwerfen gewesen. Die Bundesregierung reagierte jedoch nicht; Art. 29 blieb unerfüllter Verfassungsauftrag.
Gegen dieses Unterlassen klagte die hessische Landesregierung beim Bundesverfassungsgericht, das in seiner Entscheidung vom 11. Juli 1961 (sog. Hessen-Urteil) erklärte, „daß die Länder keinen gegen den Bund verfolgbaren Anspruch auf Neugliederung haben können". Das Urteil stellt allerdings unmißverständlich fest, daß der Bundesgesetzgeber an den Verfassungsauftrag zur Neugliederung gebunden sei. Das Urteil enthält noch einige weitere für den Komplex Neugliederung wichtige Klarstellungen:
— Das Gesetz zur Neugliederung nach Art. 29 II-VI GG „bedarf nicht einmal der Zustimmung des Bundesrates"; die Länder als solche „sind in das Verfahren nicht eingeschaltet".
— „Die Neugliederung ist nicht im Interesse der bestehenden Länder vorgesehen, sondern nur im Interesse des Ganzen, und sie erfolgt auch nur nach den übergeordneten Gesichtspunkten des Ganzen (Art. 29 1) • Darin kann ein Bekenntnis zur rationalen Föderalismusauffassung gesehen werden. — „Das GG stellt .. .den territorialen und personalen Bestand, ja die Existenz einzelner Länder zur Disposition der Bundes-gewalt";
die gegenwärtig bestehenden Länder werden als „Objekte der von Bundes wegen vorzunehmenden Neugliederung"
bezeichnet. Dies liegt denn auch dem Begriff des „labilen Bundesstaates" zugrunde, als der die Bundesrepublik Deutschland bezeichnet wird — Die Neugliederung müsse keineswegs, wie bisher überwiegend angenommen worden war, uno actu, „also durch ein Gesetz im technischen Sinne" realisiert werden; der Verfassungsauftrag könne auch in „Phasen“, also auf der Grundlage mehrerer, aufeinanderfolgender Gesetze, erfüllt werden
Das Urteil scheint die Bundesregierung immerhin veranlaßt zu haben, ihre bisherige Un-tätigkeit wenigstens partiell zu beenden. Im Dezember 1962 präsentierte sie den Entwurf des 1. Neugliederungsgesetzes in dem sie sich darauf beschränkte — gleichsam als erste „Phase" —, den Status quo des Südweststaates zu zementieren: Baden sollte danach im süd-westdeutschen Staatsverband verbleiben, darüber würde die Bevölkerung in einem Volksentscheid zu befinden haben.
Die Bundesregierung rechtfertigte in der Begründung zu ihrer Vorlage die vorläufige Beschränkung auf eine Teillösung im Südwesten mit einer Reihe von Argumenten: „Die gesamtpolitischen Belange, insbesondere die Sorgen um Berlin und die Wiedervereinigung, lassen es in nächster Zeit nicht zu, ohne schwerwiegende Nachteile für die politische Stabilität und Aktionsfähigkeit der Bundesrepublik in der Abwehr des Weltkommunismus und im Kampf um die Wiedervereinigung langwierige Verhandlungen über die innere* Gebietseinteilung der Bundesrepublik einzuleiten. Es kann von der Bundesregierung und vom Bundesgesetzgeber nicht erwartet werden, daß sie in diesem Zeitpunkt Kräfte an innerdeutsche Probleme wenden, die nicht vordringlich sind und, obwohl für das Gesamt-schicksal nicht entscheidend, zu schweren Auseinandersetzungen Anlaß geben würden."
Der Hinweis auf die Wiedervereinigung kann — im Dezember 1962! — nicht einmal subjektiv als aufrichtig und überzeugt angesehen werden; er sollte wohl zur Rationalisierung und Rechtfertigung der Neugliederungsabstinenz dienen. Als rationales Argument überzeugender war das Eingeständnis, für den Mittelwesten hätte — wegen der erst Mitte 1959 erfolgten wirtschaftlichen Eingliederung des Saargebiets — „noch keine tragfähige Gesamtkonzeption" entwickelt werden können. Die Bundesregierung war ganz offensichtlich nicht bereit, das heiße Eisen Neugliederung anzupacken; die Widerstände schienen ihr zu groß zu sein; der Wille, sich in unvermeidliche Auseinandersetzungen einzulassen, fehlte.
Doch selbst ihrem Vorstoß in der Südwest-staat-Frage war kein Erfolg beschieden; das 1. Neugliederungsgesetz wurde nicht verabschiedet. Dabei unterstrich die Begründung der Bundesregierung, daß der Südweststaat den in Art. 29 I genannten Richtbegriffen entspreche; sie konnte sich dabei auf das Luther-Gutachten berufen. Daß man dennoch auf der Stelle trat — und zwar noch für Jahre —, lag daran, daß zwei Probleme aufgeworfen wurden, aber mit den Vorschriften des Art. 29 GG nicht gelöst werden konnten. Die Altbadener und ihre Parteigänger forderten für die badische Bevölkerung das Recht, beim Volksentscheid eine Alternativfrage zu beantworden, was nach Art. 29 nicht möglich war. Die Befürworter des Status quo forderten für eine Änderung der Landeszugehörigkeit ein bestimmtes Quorum, um einer durch geringe Wahlbeteiligung eventuell zustande kommenden (Zufalls-) Mehrheit, die nur einen verschwindend kleinen Teil der Wahlberechtigten umfassen würde, nicht dieses weittragende Entscheidungsrecht zu geben; ein Quorum war aber in Art. 29 GG nicht vorgesehen. 5-Der neue Artikel 29 GG Der Durchbruch erfolgte mit einer Änderung von Art. 29 durch das 25. Gesetz zur Änderung des GG vom 19. August 1969 Die wesentlichen Neuerungen betreffen nach H. Schäfer fünf Punkte
— Für die Durchführung des Volksentscheids in Gebieten mit erfolgreichen Volksbegehren werden Fristen gesetzt; in Baden ist Endtermin der 30. Juni 1970, in den anderen Gebietsteilen der 31. März 1975.
— In allen Gebieten werden dabei Alternativen zur Abstimmung gestellt.
— Für eine Änderung der Landeszugehörigkeit ist ein Quorum von 25 % der Wahlberechtigten erforderlich.
— Es handelt sich um einen „bedingt konstitutiven Volksentscheid", das heißt der Bundesgesetzgeber ist nur insoweit an das Ergebnis gebunden, als dieses nicht mit den in Art. 29 I GG aufgeführten Zielen kollidiert. — „Für die Entscheidung über das Schlußgesetz aufgrund vorangegangenen Volks-entscheids oder vorangegangener Volksentscheide ist die Zustimmung der gesetzlichen Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundestages notwendig."
Als sechster Punkt wäre zu nennen: Ist ein Volksentscheid erfolgreich, muß der Gesetzgeber seine Entscheidung innerhalb eines Jahres treffen.
Mehrere Faktoren mögen diesen Durchbruch vorbereitet haben: die Vorlage von Neugliederungs-Modellen durch führende Landespolitiker und politische Parteien seit Dezember 1965 parlamentarische Initiativen im Bundestag die klare Aussage im sog. Troeger-Gutachten zur Finanzreform schließlich einige einschlägige Veranstaltungen, teilweise mit Beteiligung prominenter Politiker sowie wissenschaftliche Veröffentlichungen Eine erste Anwendung fand der neue Art. 29 GG in der Baden-Abstimmung, die am 7. Juni 1970 durchgeführt wurde. Bei einer Wahlbeteiligung von 62, 5% sprachen sich 81, 9 °/o der Abstimmenden für den Status quo aus (1951 waren es 47, 8% gewesen), und 18, 1 % forderten die Wiederherstellung des alten Landes Baden (1951: 52, 2%). Damit war der Bestand Baden-Württembergs überzeugend bestätigt, was Umfrage-Ergebnisse ohnehin seit geraumer Zeit erwarten ließen 101a).
Man kann wohl davon ausgehen, daß die noch ausstehenden Volksentscheide in den Gebiets-teilen Oldenburg und Schaumburg-Lippe ebenso den Bestand des Landes Niedersachsen bestätigen werden. Die Bevölkerung dieser Gebiete wird kaum mehr geneigt sein, sich mehrheitlich für die Bildung von Klein-bzw. Zwergstaaten stark zu machen. Anders liegen die Dinge in den Abstimmungsgebieten des Landes Rheinland-Pfalz, wo es ja nicht um Selbständigkeit, sondern um Angliederung an ein benachbartes Bundesland gegangen war. Es wäre durchaus denkbar, daß die Stimmbürger der einzelnen Gebiete für Lösungen plädieren, denen der Bundesgesetzgeber, der den Richtbegriffen des Art. 29 I GG eindeutig stärker als dem Petitum einer Bevölkerungsmehrheit im Volksentscheid verpflichtet ist, nicht zu folgen bereit ist; das würde ein politisches Problem aufwerfen. Nach Meinung Hans Schäfers wird eine andere Schwierigkeit durch das „völlig ungeklärte" Verhältnis von Art. 29, Absatz 5 zu Absatz 3 aufgeworfen: „müßten zunächst drei Volksentscheide in Rheinland-Pfalz nach Art. 29 III — wie gesagt, bis 1975 — abgewickelt werden" oder würde „die Abwicklung der drei Volksentscheide" durch einen umfassenden Neugliederungs-Vorschlag des Bundesgesetzgebers „konsumiert" 2 Schäfer moniert das Fehlen einer „Bestimmung“, wonach umfassende Neugliederungsmaßnahmen nach Art. 29 V die gesonderte Durchführung von Volksentscheiden entbehrlich machen.“ Diese potentielle Schwierigkeit wäre zu vermeiden, wenn die Volksentscheide nach Art. 29 III im Laufe des Jahres 1972 abgehalten würden; ab Anfang 1972 kann mit der Vorlage des Gutachtens der Sachverständigen-Kommission gerechnet werden, das der Bundes-gesetzgeber bei allen Neugliederungsvorschlägen gemäß Art. 29 V berücksichtigen und zugrunde legen wird. Ob bei Durchführung des Verfahrens nach Art. 29 V, sofern der Gebietsstand von Rheinland-Pfalz berührt wird, ohne vorherigen Volksentscheid gemäß Art. 29 III Schwierigkeiten deshalb vermieden werden können, weil alle Beteiligten und Betroffenen mit dem Verfahren, das ja im übrigen ein Plebiszit vorsieht, einverstanden wären, ist wohl primär eine verfassungsrechtliche Frage, die hier nicht entschieden werden kann. Als Resümee des Überblicks über die Entwicklung der Neugliederungfrage nach 1945 bleibt festzuhalten, daß der neue Art. 29 GG die Liquidierung eines historischen Erbes vorsieht, nämlich die Entscheidung über die 1956 mit dem Volksbegehren eingeleiteten regionalen Neugliederungs-Initiativen. Wichtiger und für die Zukunft bedeutsamer ist indessen, daß er den Weg zu einer umfassenden Neugliederung des Bundesgebietes geöffnet hat.
V. Neugliederungsverfahren
Abbildung 5
s Übersicht C. Änderung der Steuereinnahmen von Ländern und Gemeinden sowie des Finanzausgleichs (FA) durch die Finanzreform (FR) (berechnet nach Steuereinnahmen vom 1. 10. 1968 bis 30. 9. 1969) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. Mehr/Mindereinnahmen aus Ländersteuern............... Umsatzsteuerausgleich .... FA (durch Beiträge und Zuweisungen) ....................... FA zusammen ................... FA vor Neuregelung durch FR ................................ Änderung Finanzausgleich . Änderung䣌ऱۉ࠺
s Übersicht C. Änderung der Steuereinnahmen von Ländern und Gemeinden sowie des Finanzausgleichs (FA) durch die Finanzreform (FR) (berechnet nach Steuereinnahmen vom 1. 10. 1968 bis 30. 9. 1969) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. Mehr/Mindereinnahmen aus Ländersteuern............... Umsatzsteuerausgleich .... FA (durch Beiträge und Zuweisungen) ....................... FA zusammen ................... FA vor Neuregelung durch FR ................................ Änderung Finanzausgleich . Änderung䣌ऱۉ࠺
Wie bereits erwähnt, sieht Art. 29 GG zwei getrennnte Neugliederungsverfahren vor: ein spezielles Verfahren aufgrund vorangegangener erfolgreicher Volksbegehren, das damit auf bestimmte Teile der Bundesrepublik beschränkt ist, und ein Verfahren „kraft Verfassungsauftrags" bei dem die gesamte Bundesrepublik zur Disposition steht 103a). 1. Das spezielle Neugliederungsverfahren Dieses Verfahren stützt sich auf die Absätze II-IV von Art. 29; relevant sind, da die nach Abs. II ermöglichten Volksbegehren entsprechend der dort gesetzten Frist längst durchgeführt wurden lediglich die Absätze III und IV. Zunächst wird die Abwicklung der Volksentscheide in Gebieten mit erfolgreichen Volksbegehren bis spätestens 31. März 1975 — im Gebiet des ehemaligen Baden bis zum 30. Juni 1970 — zwingend vorgeschrieben. Wenn nicht eine Mehrheit der Abstimmenden, die zugleich 25 °/0 der Wahlberechtigten ausmachen muß, der im Volksbegehren gewünschten Änderung der Landeszugehörigkeit zustimmt, bleibt der Status quo erhalten. Die so bestätigten Länder, nach der Baden-Abstimmung vom Sommer 1970 also das Land Baden-Württemberg, stehen dem Bundesgesetzgeber für die generelle Neugliederung zur Verfügung. Stimmt die erforderliche Mehrheit der gewünschten Änderung zu, bedeutet dieses Votum — eben kein konstitutiver Volksentscheid — lediglich, daß der Bundestag binnen Jahresfrist in einem Gesetz über die Landes-zugehörigkeit entscheiden muß. Er kann dabei vom Ergebnis des Volksentscheids, das dem Gesetz zugrunde zu legen ist, abweichen, wenn die in Absatz I von Art. 29 aufgeführten Ziele einer Neugliederung seiner Meinung nach mit diesem Ergebnis nicht erreicht würden. Dieses Recht auf Letztentscheidung steht dem Bundestag nur in einem Fall nicht zu: „Sieht das Gesetz die Änderung der Landeszugehörigkeit eines Gebietsteils vor, die nicht durch Volksentscheid verlangt worden ist, so bedarf es der Annahme durch Volksentscheid in dem gesamten Gebiet, dessen Landeszugehörigkeit geändert werden soll." Hier hätte das Gebiets-volk ein absolutes Vetorecht gegen den Gesetzesbeschluß. Keine Einschaltung des Gebietsvolks in den formalen Entscheidungsprozeß erfolgt hingegen, „soweit bei Ausgliederung von Gebietsteilen aus einem bestehenden Land die verbleibenden Gebietsteile als selbständiges Land fortbestehen sollen". Dieser Fall dürfte mit Sicherheit nie akut werden; die bisherige Neugliederungsdiskussion zeigt deutlich, daß ein den Zielvorstellungen des Absatz I verpflichteter Gesetzgeber gewiß nicht gegenüber dem jetzigen Bestand kleinere Länder wird schaffen wollen.
Politisch ist kaum damit zu rechnen, daß der Gesetzgeber im Rahmen des speziellen Neugliederungsverfahrens tätig werden muß. Von den noch ausstehenden Volksentscheiden wird eine Bestätigung des Status quo erwartet, von dem dann für die umfassende Neugliederung, dem zweiten Verfahren, auszugehen sein wird 2. Das umfassende Neugliederungsverfahren
Dieses Verfahren stützt sich auf die Absätze V und VI von Art. 29 GG. Die Verfassung enthält explizit keine Bestimmung, daß die Neu-gliederung uno actu erfolgen müsse, daß also eine Regelung in Stufen ausgeschlossen sei. Zwingend erscheint lediglich das Vorliegen einer Gesamtkonzeption sowie — daraus folgend —, „daß die Neugliederung im Augenblick ihrer Vollendung , aus einemGuß' ist" Schließlich geht es um die territoriale Struktur der Bundesrepublik als Bundesstaat unter Beachtung der in Art. 29 I aufgeführten Kriterien. Ob Stufenlösung oder nicht, ist, abgesehen von dieser Qualifizierung, keine rechtliche Frage. Wichtiger ist ein politischer Aspekt, der eine Uno-actu-Lösung fast zwingend fordert. Alle Neugliederungsmaßnahmen haben, wie noch zu zeigen sein wird, wenn die verschiedenen Interessen an Durchsetzung bzw. Verhinderung bestimmter Neugliederungsmodelle erörtert werden, politische Implikationen, bewirken sie doch eine Neuverteilung politischer Macht. Um sie überhaupt realisieren zu können, erscheint das Vorliegen einer Gesamt-konzeption im Sinne eines Pakets, eines Junktims, unbedingt notwendig; isolierte Maßnahmen, auch wenn sie als erste Stufe einer Gesamtlösung deklariert werden, werden daher in höchstem Maße unwahrscheinlich, weil bzw. wenn nicht gesichert ist, daß die nächsten Schritte folgen.
Die Verfassung sieht vor, daß die Neugliederung durch Bundesgesetz und plebiszitäre Mitwirkung des Volkes erfolgt. Initiativrecht haben die gesetzgebenden Körperschaften und die Bundesregierung entsprechend Art. 76 GG, nicht jedoch die Bevölkerung in Gebietsteilen, Ländern oder Bund. Das vom Parlament beschlossene Gesetz — es handelt sich um ein nicht zustimmungsbedürftiges Gesetz — gilt erst dann als zustande gekommen, wenn die betroffene Bevölkerung dem Gesetz zugestimmt hat. Abgestimmt wird dabei in jedem Gebiet, dessen Landeszugehörigkeit geändert werden soll, über den entsprechenden Teil des Gesetzes. Für einen Beschluß ist — anders als im speziellen Neugliederungsverfahren — kein Quorum vorgeschrieben; es „entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen". Wird eine solche Mehrheit für das Gesetz in jedem Abstimmungsgebiet erreicht, ist der Gesetzesbeschluß endgültig; lehnt ein Abstimmungsgebiet die vorgesehene Neugliederung ab, kommt das Verfahren nach Abs. V Satz 2 und 3 in Gang.
Maunz ist der Auffassung, Gegenstand des Volksentscheids dürfe keine Bestätigungs-, sondern müsse eine Alternativfrage sein Seine Argumentation ist einigermaßen unverständlich, um nicht zu sagen verwirrend, da sie offenbar nicht konsequent auf den konkreten Vorgang der Neugliederung bezogen ist Faktisch geht es doch allein darum, ob die Gebietsbevölkerung der vom Gesetzgeber beabsichtigten Änderung der Lahdeszugehörigkeit zustimmt oder nicht. Wenn nicht, bleibt es — zunächst — beim Status quo, das heißt, daß auch in dieser Bestätigungsfrage — und nur um eine solche kann es sich handeln, nämlich auf eine beabsichtigte Änderung eines bestehenden Zustands bezogen — offenkundig „eine echte Wahlmöglichkeit" zwischen zwei Alternativen liegt: konkrete Änderung oder Status quo. So betrachtet, ist die Fragestellung — im Gegensatz zur Maunzschen Auffassung — in der Tat nicht sonderlich relevant. Es geht immer um einen konkreten Gesetzesinhalt als Alternative zur bestehenden Konstellation. Daraus folgt auch, daß sich der Gesetzgeber für eine bestimmte Änderung entscheiden muß; Inhalt des Neugliederungsgesetzes können nicht zwei oder mehr ÄnderungsalterhatiVen sein, die dann als Fragen der Gebietsbevölkerung Zur Entscheidung vorZulegen sein würden, sondern immer klare Bestimmungen Das folgt auch aus dem Charakter des Gesetzes als Junktim.
Die Ablehnung des Gesetzes — also die Ablehnung in mindestens einem Abstimmungsgebiet — kommt einem Einspruch gleich, der allerdings in zwei Verfahrensstufen überwunden werden kann. Die erste Stufe ist das Gesetzgebungsverfahren iih Parlament. Erst wenn das Gesetz in seiner ursprünglichen Form erneut angenommen wird — im Grunde geht es nur um die abgelehnten Teile — kommt es zur Zweiten und letzten Stufe, dem Volksentscheid des gesamten Bundesvolkes. Dieses befindet indessen nicht direkt über das ganze Gesetz, sondern zunächst nur über den Von der Gebietsbevölkerung abgelehnten, dann dura eine Art Beharrungsbeschluß des Parlaments bekräftigten Teil des Neugliederungsgesetzes, Da dieses jedoch eine Einheit bildet, würde die Ablehnung des Teils, also ein Votum gegen das Parlament, im Sinne der Gebietsbevölkerung, das Zustandekommen des gesamten Gesetzes Verhindern. Anderer Ansicht ist Maunz: „Die Bestimmungen, hinsichtlich deren Übereinstimmung zwischen Bundesgesetzgeber und Gebietsvolk besteht, sind gleichwohl auszufertigen und zu verkünden." Die Entstehung eines „Neugliederungs-Torsos" müßte danh den Bundesgesetzgeber auf den Plan rufen, det „unverzüglich auf dem Boden der neuen Entwicklung für eine Lösung (im Verfahren nach Art. 29) zu sorgen" hätte Diese Ansicht dürfte mit den Zielvorstellurgen des Art. 291, dem Grundgedanken einer Neugliederung, schwerlich zu vereinbaren seih.
Eine letzte Überlegung in diesem Zusammenhang: Faßt das Parlament gegenüber der ersteh, in mindestens einem Teil abgelehnteh Fassung einen anderen Beschluß, so kommt damit das verfahren nach Abs. V Satz 1, nicht aber nach Satz 3 in Gang. Maunz vertritt die Auffassung, daß der Gesetzgeber insgesamt drei Möglichkeiten habe „die Wahl zwischen Zustimmung zum Ergebnis des Volks-entscheids (mit der Folge des Zustandekommens des Gesetzes) und seiner Ablehnung (mit der Folge des Art. 29 V Satz 2)" sowie der Entscheidung „für eine dritte Lösung", die, wie oben ausgeführt, ein Verfahren nach Abs. V Satz 1 nach sich zieht. Nach der hier vertretenen Position kann Maunz nicht ge-folgt werden. Eine „Zustimmung zum Ergebnis des Volksentscheids" würde ein Ja zum Status quo bedeuten, da das Gesetz keine Änderungs-Alternativen, sondern nur eine konkrete Änderung vorsieht, deren Ablehnung also zunächst automatisch eine Beibehaltung des bestehenden Zustands bedeuten würde. Wie dies aber ein Zustandekommen des Gesetzes bedeuten soll, muß schleierhaft bleiben
VI. Kriterien und Ziele einer Neugliederung
Abbildung 6
Übersicht D. Volumen und Auswirkungen des horizontalen Finanzausgleichs 1971 bis 1975 NRW Bayern BaWü 1971 Beiträge (—) /Zuweisungen (+)
in Millionen DM ............... -267, 05 + 163, 65 -481, 80 Beträge in DM je Einwohner nach FA ............................... 1 063, 87 1 007, 72 1 081, 20 in °/o des Bundesdurchschnitts . . 101, 06 95, 73 102, 71 1972 Beiträge (—) /Zuweisungen (+)
in Millionen DM ............... -277, 48 + 184, 21 -519, 01 Beträge in DM je Einwohner nach FA ......................墌ਮۉņ
Übersicht D. Volumen und Auswirkungen des horizontalen Finanzausgleichs 1971 bis 1975 NRW Bayern BaWü 1971 Beiträge (—) /Zuweisungen (+)
in Millionen DM ............... -267, 05 + 163, 65 -481, 80 Beträge in DM je Einwohner nach FA ............................... 1 063, 87 1 007, 72 1 081, 20 in °/o des Bundesdurchschnitts . . 101, 06 95, 73 102, 71 1972 Beiträge (—) /Zuweisungen (+)
in Millionen DM ............... -277, 48 + 184, 21 -519, 01 Beträge in DM je Einwohner nach FA ......................墌ਮۉņ
Der Gesetzgeber ist hinsichtlich des Inhalts seiner Neugliederungsentscheidung, sei es im besonderen, sei es im allgemeinen Verfahren, nicht frei; Art. 29 I GG bindet ihn an Kriterien, an sogenannte Richtbegriffe. Sie „enthalten ein Rahmenprogramm für die inhaltliche Gestaltung der Neugliederung" und sind „unmittelbar bindende Rechtsbegriffe" Da sie jedoch zugleich „im wahrsten Wortsinn unbestimmte Rechtsbegriffe" sind, ist ihre Bindungswirkung, worin manche einen Nachteil sehen gering: sie geben den Entscheidungsinstanzen erheblichen Spielraum. Diese Unbestimmtheit war sicher ein Grund für die mit Blick auf Art. 29 I zunächst erstaunliche Feststellung eines Sprechers der Bundesregierung: „Wir haben keine Kriterien für die Neu-gliederung des Bundesgebiets.“ Ein zweiter Grund ist sicher im „Vorhandensein von Neugliederungs-Zielen heterogener Abkunft und verschiedenen Richtungen" zu suchen.
Eine Gruppe von Richtbegriffen („landsmannschaftliche Verbundenheit, geschichtliche und kulturelle Zusammenhänge") ist der historisch-emotionalen Föderalismusauffassung, eine zweite Gruppe („wirtschaftliche Zweckmäßigkeit, soziales Gefüge" wirksame Aufgabenerfüllung aufgrund von Größe und Leistungsfähigkeit) der rationalen zuzurechnen. Angesichts der den Richtbegriffen eignenden Unbestimmtheit ist immer wieder versucht worden, sie interpretierend zu konkretisieren
Den in Art. 29 I Satz 1 zuerst erwähnten drei Richtbegriffen wird übereinstimmend ein enger innerer Zusammenhang attestiert: „Allen diesen Begriffen ist die Vorstellung eigen, daß es in Deutschland Räume gibt, deren Bewohner nach Abstammung, kulturellem Erbe und geschichtlichem Erleben so zusammengewachsen sind, daß sie sich als zusammengehörende Einheiten unseres Volkes von ähnlichen benachbarten Gruppen abheben." Maunz stellt fest, daß sie „letztlich auf das (subjektive) Zusammengehörigkeitsgeiühl der einzelnen Volksteile abstellen" Zu fragen ist nach dem Stellenwert, der diesen Kriterien nach dem Willen der Bevölkerung heute wohl noch zukommt, ob es ein von diesen Faktoren getragenes Zusammengehörigkeitsgefühl überhaupt gibt und, wenn ja, ob sein Vorhandensein mit dem Willen korrespondiert, Ländergrenzen dementsprechend zu ziehen. Darauf wird weiter unten noch eingegangen werden. Der Richtbegriff „wirtschaftliche Zweckmäßigkeit" meint „eine . volkswirtschaftliche'Zweckmäßigkeit in gebietlicher Bezogenheit" Es geht darum, „die regionalen wirtschaftlichen Zusammenhänge als Gestaltungskräfte zu berücksichtigen, so daß Organisation, Produktion und Wachstum wirtschaftlich wesentlicher Unternehmungen und Räume durch Ländergrenzen nicht gehemmt werden . . . Kurzum: Ländermäßige und wirtschaftliche Zuordnung der einzelnen Räume müssen einander angepaßt sein." Diesem Postulat entspricht die gegenwärtige Gliederung der Bundesrepublik in vier wichtigen Räumen in keiner Weise: Hamburg, Bremen, Rhein-Main und Rhein-Neckar. Daß es noch andere „Verstöße", allerdings minderen Umfangs, gibt, zeigt ein Blick auf konkrete Neugliederungsmodelle
Daß der Gehalt des Richtbegriffs „soziales Gefüge" strittig ist, wurde bereits angedeutet Seine Subsumierung unter die historisch-emotionale Föderalismusauffassung verkennt offensichtlich die Nähe zu den Begriffen „wirtschaftliche Zweckmäßigkeit" und „Leistungsfähigkeit". Bezugspunkt ist der Mensch „in der Geschlossenheit seines gesellschaftlichen Lebens im räumlichen Bereich" Das könnte eine rational nicht haltbare Konservierung eines überholten gesellschaftsstrukturellen Status quo implizieren, zielt aber eher auf das Faktum der Gliederung von Ballungsräumen „nach den Gesetzen der Funktionsgesellschaft" Die oben genannten vier Ballungsräume spiegeln gerade unter diesem Blickwinkel die Diskrepanz zwischen Verfassungsforderung und territorialem Status quo.
Die Konkretisierung des Richtbegriffs „Größe", also die Fixierung eines Größenordnungsrahmens für Bundesländer, wie sie der Verfassunggeber von Art. 29 I GG im Auge hatte, setzt eine Klärung der Aufgabengebiete voraus; optimale Aufgabenerfüllung ist das Kriterium für die Festlegung von Mindestgrößen. Wer beispielsweise die selbständige Finanzierung laufender Hochschullasten als Länderaufgabe ansieht, wird Bremen und wohl auch das Saarland als zu klein beurteilen müssen. Aus dem Vorhandensein von Länderabkommen über Delegation von Kompetenzen oder Schaffung von Gemeinschaftseinrichtungen tal könnte man ebenfalls auf für selbständige Wahrnehmung verschiedener Aufgaben unzureichende Ländergrößen schließen.
Damit ist der Richtbegriff „Leistungsfähigkeit'angesprochen. Er ist unter einem doppelten Aspekt zu sehen: Einmal geht es um . die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit", zum anderen um „die Fähigkeit zur politischen Aufgabenerfüllung (Verwaltungs. kraft)"
Das erste Element der Leistungsfähigkeit setzt sich aus der „Finanzkraft" und der „Wirtschaftskraft" zusammen. Die Finanzkraft hängt primär vom Steueraufkommen ab; die Beteiligung am horizontalen Finanzausgleich ist Maßstab für diesen Aspekt der Leistungsfähigkeit. Die Tatsache, daß vier Länder permanent sechs andere Länder (Berlin bleibt als Sonderfall außer Betracht) über den horizontalen Finanzausgleich unterstützen, demonstriert die Schwäche und Reformbedürftigkeit der gegenwärtigen territorialen Struktur. Ein weiterer Maßstab sind Ergänzungszuweisungen des Bundes; wer hier Empfänger ist, kann in diesem Kontext nicht als leistungsfähig angesehen werden Die Wirtschaftskraft „ist identisch mit dem Ergebnis seiner wirtschaftlichen Produktivität, seinem Wirtschaftspotential" man wird in ihr die Basis der Finanzkraft sehen müssen.
Das zweite Element der Leistungsfähigkeit ist die „Kraft zur politischen Gestaltung und zur Durchführung der Verwaltungsaufgaben" Quaritsch meint zwar: „Diese politisch-administrative Fähigkeit wird im Jahre 1968 keinem deutschen Lande abgesprochen werden können; schon 1955 hat das Luther-Gutachten die Erfolge der Staatsgestaltung in so schwer belasteten Ländern wie Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz hervorgehoben." Trotzdem sind gerade auch unter diesem Aspekt Zweifel an der Leistungsfähigkeit mancher Länder berechtigt: Sie nehmen zwar ihre Aufgaben wahr, haben auch Erfolge, inwieweit es indessen rationell geschieht und angesichts stetig wach- sender Ansprüche weiterhin jeweils selbständig geschehen kann, ist fraglich; hier sei an obige Ausführungen zum Richtbegriff „Größe“ erinnert. Ein weiteres ist zu berücksichtigen: Art. 50 GG bestimmt: „Die Länder wirken bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes mit", das heißt, sie machen auch Bundespolitik. Das geschieht über den Bundesrat, über gemeinsame Gremien der Länder bzw.
Bund/Länder-Gremien — Erscheinungsformen des sogenannten „kooperativen Föderalismus" —, nicht zuletzt auch durch Gespräche zwischen dem Bundeskanzler und den Ministerpräsidenten der Länder „Wer will aber Bundespolitik machen von einem Lande aus, wenn er nicht einmal im Lande selbst Herr seiner politischen Entscheidungen ist, das heißt, wenn er im Lande selbst nicht in der Lage ist, aus eigener Finanz-und Leistungskraft die erforderlichen politischen Entscheidungen zu treffen, durchzusetzen, umzusetzen." F. Schäfer fällt zu diesem Aspekt der Leistungsfähigkeit der Länder ein hartes Urteil: „Diese schwierige Aufgabe, sozusagen der Mittler zu sein, das Ganze im Auge zu haben und trotzdem in erster Linie der Ministerpräsident und die Landesregierung eines Landes zu sein, verlangt ein Höchstmaß an politischer Selbständigkeit und an Entscheidungsfreiheit, die derzeit bei allen elf Ländern nicht gegeben ist,"
Angesichts des Nebeneinanders von historisch-emotional sowie rational begründeten Richtbegriffen stellt sich die Frage nach ihrer Zuordnung und Rangordnung sowie nach dem Verhältnis von Art. 29 I Satz 1 und 2. Maunz weist darauf hin, daß sich die Richtbegriffe „in sich" und „auch gegenseitig“ widersprechen würden und daß das Verhältnis zwischen Satz 1 und Satz 2 „weitgehend umstritten“ sei
Wichtigster Aspekt des gesamten Neugliederungskomplexes ist zweifellos die in Satz 2 genannte Zielvorstellung: Es sollen Länder geschaffen werden, die als Elemente des Bundesstaates zu optimaler Aufgabenerfüllung imstande sind; Größe und Leistungsfähigkeit werden als Kriterien für diese Qualität ausdrücklich genannt. Die in Satz 1 enthaltenen Richtbegriffe sind dabei nur zu berücksichtigen, das heißt also, soweit ihre Berücksichtigung mit dem in Satz 2 verbindlich formulierten Ziel übereinstimmt und es fördert. Erstes Fazit: Satz 2 gebührt Priorität. Daraus folgt weiterhin, daß den auf die rationale gegenüber den auf die historisch-emotionale Föderalismusauffassung bezogenen Richtbegriffen Priorität zukommt, weil wirtschaftliche Zweckmäßigkeit und soziales Gefüge (Satz 1) in relativ enger Beziehung zur Leistungsfähigkeit (Satz 2) stehen.
Für diese Gewichtung der Richtbegriffe lassen sich eine Reihe von Argumenten anführen, die z. T. bereits bei der Erörterung des heutigen Föderalismusverständnisses zur Sprache kamen. Die Entwicklung der Nachkriegszeit mit der Integration von Millionen von Heimatvertriebenen, die wachsende soziale Mobilität und die Verbreitung der Massenkommunikationsmittel haben landsmannschaftliche Verbundenheit, geschichtliche und kulturelle Zusammenhänge als Kriterien ebenso in den Hintergrund gedrängt wie die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung mit der Folge stets wachsender Ansprüche an den Staat und der übereinstimmend vorgetragenen Forderung, dabei die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse zu gewährleisten. Für die große Mehrheit hat dieser Aspekt der Beschaffenheit einer staatlichen Einheit einen weit höheren Stellenwert als die Frage nach der Übereinstimmung von staatlichen Einheiten mit landsmannschaftlich, historisch und kulturell abgrenzbaren Regionen. Ein klar erkennbarer Umschwung in der Einstellung der Bevölkerung des alten Landes Baden von 1951 bis zur Abstimmung 1970 ist dafür ein aussagekräftiges Indiz Auch eine Umfrage vom Sommer 1968, wonach 70 °/o der Bevölkerung der Bundesrepublik für eine Stärkung der Zentralgewalt, die ja zu Lasten der Länder gehen muß, eintraten (gegenüber nur 46 °/o im Jahre 1965), stützt die hier vorgetragene Position ebenfalls Nicht zuletzt hat zu dieser veränderten Gewichtung der westeuropäische Integrationsprozeß beigetragen. Daß der hier vorgetragene Standpunkt keine eigenwillige und unbegründete Interpretation der Zielsetzung des Neugliederungsauftrags aus'Art. 29 I GG ist, sondern ein zu Beginn der siebziger Jahre angemessenes — das impliziert: gegenüber den fünfziger Jahren teilweise verändertes, nämlich weiterentwickeltes — Verfassungsverständnis bezüglich des Neugliederungsproblems spiegelt, bestätigt der Auftrag der Bundesregierung an die Sachverständigen-Kommission zur Neugliederung des Bundesgebiets vom Oktober 1970.
In seiner Ansprache an die Kommissionsmitglieder, in der er den Auftrag erläuterte, betonte Innenminister Genscher der Verfassungsauftrag zur Neugliederung habe „eine gewisse Wandlung erfahren". „Zu Anfang der fünfziger Jahre ging es noch vorwiegend darum, die Ländergrenzen zu bereinigen, die nach 1945 von den Besatzungsmächten nach ihren Bedürfnissen und Interessen gezogen worden waren." Mit anderen Worten: Damals standen Kriterien wie landsmannschaftliche Verbundenheit, geschichtliche und kulturelle Zusammenhänge, da ihre Ignorierung bzw. eklatante Verletzung seitens der Alliierten noch unmittelbar empfunden wurde, durchaus gleichgewichtig neben anderen Kriterien. Davon kann heute keine Rede mehr sein: „Eine Neugliederung in den siebziger Jahren muß hingegen die gesamte wirtschaftliche, technische, soziologische und politische Entwicklung der letzten 20 Jahre berücksichtigen, damit Länder entstehen, , die nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können', wie es in Art. 29 I 2 GG wörtlich heißt."
Für die Bundesregierung heißt das in den Worten Genschers: „Die kommende Neugliederung muß deshalb den raumordnerischen, wirtschaftlichen und soziologischen Gegebenheiten in viel stärkerem Maße Rechnung tra-gen, als es die Formulierung des Art. 29 I GG erwarten läßt. In gleichem Maße muß auch die finanzielle Leistungsfähigkeit der Länder berücksichtigt werden; z. Z. ist es so, daß von zehn Bundesländern (wenn hier Berlin außer Betracht gelassen wird) sechs Zuschußländer sind und nur vier finanziell als leistungsstark bezeichnet werden können. Die Ungleichheit der finanziellen Leistungskraft und damit des Lebensstandards in den einzelnen Bundesländern kollidiert mit der Forderung des GG nach Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet (Art. 72 GG). Auch im Hinblick auf die fortschreitende europäische Integration erscheint es nunmehr dringend geboten, wirtschaftlich und finanziell ausgewogene oder wenigstens annähernd gleichstarke Länder zu schaffen."
Damit sind drei Hauptorientierungspunkte gesetzt; Landsmannschaft, Geschichte und Kultur werden im Auftrag nicht einmal mehr erwähnt. Gewiß werden sie bei der Diskussion über konkrete Neugliederungsmodelle eine Rolle spielen; die schließliche Entscheidung dürften sie jedoch kaum maßgeblich beeinflussen. Man wird die Kriterien des Regierungsauftrags als eine zeitgemäße Interpretation und Konkretisierung der in Art. 29 I GG aufgeführten Richtbegriffe auffassen können, die als „unbestimmte Rechtsbegriffe" einer solchen Konkretisierung bedürfen. Daß diese Interpretation auf einem rationalen Föderalismus-verständnis fußt, für das die Funktionen der Bundesstaatlichkeit, damit die Funktionsfähigkeit der Gliedstaaten zentral ist und das daher eindringlich nach der für die Bewältigung dieser Funktionen erforderlichen Beschaffenheit der Länder fragen muß, liegt auf der Hand. Diese Überlegungen bestimmten auch die Untersuchungen des Verwaltungswissenschaftlers F. Wagener. In seiner sehr umfangreichen Studie „Neubau der Verwaltung" analysiert er — so der Untertitel — die „Gliederung der öffentlichen Aufgaben und ihrer Träger nach Effektivität und Integrationswert“ Dabei kommt er zu einem Fünf-Länder-Modell (ohne Berlin) In einem kürzeren Beitrag, auf seiner Studie fußend, faßt er die für sein Modell maßgebenden Kriterien zusammen und bietet damit einen weiteren wichtigen Beitrag zur Konkretisierung der in Art. 29 I aufgeführten Richtbegriffe Er gewinnt seine Kriterien mittels einer Prognose wichtiger auf die Länder im kommenden Jahrzehnt zukommen-145 den Aufgaben und Entwicklungen auf der Grundlage einer Analyse von bereits heute klar erkennbaren Entwicklungstendenzen und leitet daraus, da viele der jetzt bestehenden Länder diesen Aufgaben nicht gewachsen sind und künftig noch weniger gewachsen sein werden, sein Fünfer-Modell ab.
Die erste Prognose betrifft den Trend zur weiteren Demokratisierung. Diese sei „darauf angewiesen, daß auf möglichst vielen Ebenen der staatlichen und kommunalen Gliederung die Chance erhalten bleibt, Gegensätze offen auszutragen und daran eine größtmögliche Zahl von einzelnen zu beteiligen. Es geht dabei aber nicht nur um möglichst viele Ebenen, sondern die Gliederung muß so gestaltet sein, daß die Stufenfolge übersichtlich und prägnant für die einzelnen erkennbar ist". Da eine dieser Partizipationsebenen die Länder seien, werde sich der Trend zur weiteren Demokratisierung „im nächsten Jahrzehnt also als stärkendes Element für die Länder auswirken".
Die zweite Prognose sieht als Trend den verbreiteten Wunsch nach mehr Effektivität. Wagener kommt zu dem Befund, daß ein Land mit weniger als 6 Mill. Einwohnern in vielen Aufgabenbereichen einen zu geringen Wirkungsgrad erreicht: effektive Wirtschafts-, Verkehrs-und Bildungspolitik werden hier kaum möglich sein; Rundfunkanstalten seien zu teuer; bestimmte übergeordnete Behörden wie Landesarbeitsämter, Oberverwaltungsgerichte und Fernmeldedirektionen paßten nicht nach Bremen und ins Saarland; um Verkehrs-flughäfen, Spezialkrankenhäuser, Aufgaben der Landesplanung, vor allem auch Hochschulen mit dem erforderlichen Wirkungsgrad zu tragen, seien größere Einheiten erforderlich. Die optimale Einwohnerzahl setzt er zwischen 4, 4 und 14, 4 Millionen Einwohnern an; bei der gegenwärtigen Gliederung bleiben fünf Länder unterhalb dieses Bereichs. Er resümiert seine Prognose folgendermaßen: „Entweder werden in den siebziger Jahren die Länder in der Weise neu gegliedert, daß Einheiten entstehen, die dem besten Wirkungsgrad bei der Aufgabenerfüllung besser entsprechen als heute, oder ein noch größerer Teil wichtiger Aufgaben der Länder als heute wird in die Trägerschaft oder die Quasi-Trägerschaft des Bundes übergehen.“ Das aber, so wird man ergänzen müssen, würde die vom GG geforderte bundesstaatliche Struktur in gefährlicher Weise tangieren und ihre Aushöhlung forcieren
Als dritten Trend sieht er den Modernisierungsdruck an, der auf der öffentlichen Verwaltung lastet. Wenn die Produktivität der öffentlichen Verwaltung weiterhin unterdurchschnittlich steigt, weil die technische Modernisierung hier weit hinter dem Standard in der Industrie zurück ist, wird die Verwaltung „bei gleichbleibenden oder vielleicht sogar relativ leicht sinkenden Leistungen" wegen weiterhin steigender Kosten auf der Personalseite immer teurer. Kostensenkung durch Modernisierung könnte durch den Einsatz elektronischer Datenverarbeitungsanlagen erreicht werden. Da ihr Einsatz in einer Reihe von Ländern heute nicht rationell wäre, bliebe entweder die Kooperation mehrerer kleiner Länder auf diesem Sektor oder die Schaffung größerer Einheiten durch Neugliederung.
Als vierten Faktor seiner Prognose bezeichnet Wagener die Siedlungsentwicklung. Er weist auf die Aneinanderreihung mehrerer Stadtregionen oder Verdichtungsgebiete hin und prognostiziert, daß diese sich „immer deutlicher nach den Gesetzen der Funktionsgesellschaft gliedern" würden: „Die Siedlungsstruktur zeigt so das Bild einer arbeitsteilig geordneten Städte-Landschaft, die, räumlich getrennt, jedoch funktional einander zugeordnet, städtische Haupt-und Nebenzentren mit tertiären Arbeitsbereichen, Industriegebieten, Wohnbereichen, Erholungsräumen, agraren Bereichen sowie Ver-und Entsorgungs-Anlagen umfaßt, wobei es Aufgabe des Verkehrs ist, die funktionale Arbeitsteilung zu ermöglichen und zu fördern, vor allem aber die teil-räumliche Entwicklung der übergeordneten Entwicklung harmonisch einzufügen." Fordere man, daß „jeder einheitliche Siedlungsraum . . . ungeteilt zu einer Verwaltungseinheit gehören" müsse, dann ergibt sich bei der heutigen Ländergliederung ein überschreiten von Ländergrenzen im Fall von vier Verdichtungsgebieten: Hamburg, Bremen, Rhein-Main und Rhein-Neckar; von kleineren Fällen wie etwa dem Raum Ulm/Neu-Ulm abgesehen.
Als fünftes Element seiner Prognose nennt Wagener die Aufgabenveränderung, wobei er von einer „voraussichtlichen Verschiebung bei den Aufgaben und damit letztlich auch bei den Aufgaben zwischen Bund und Ländern" ausgeht. Da der Ausgabenanteil von Bund —-vor allem auch durch seinen Finanzierungsanteil an den Gemeinschaftsaufgaben — und Gemeinden — dank der Gemeindefinanzreform — steigt, muß der der Länder sinken. Dem steht jedoch eine gegenüber Bund und Gemeinden überproportionale Wachstumsrate der Länder im Bereich des Personals gegenüber) wobei die Personalhoheit bei den Ländern bleiben dürfte. Wageners Fazit: Die Länder „werden einen immer höheren Anteil ihrer Finanzen für das Personal einsetzen müssen. Wenn die Länder daneben noch ihre anderen tragenden Aufgaben, nämlich die Planung, Verbesserung und Förderung der öffentlichen Grundausstattung des Landes überzeugend erfüllen wollen, müssen sie sich auf äußerste Wirtschaftlichkeit einstellen, um bei verringertem Finanzvolumen noch ausreichende Leistungen zu erbringen."
Fragt man heute resümierend nach Kriterien und Zielen einer Neugliederung, so wird man auf die im Auftrag der Bundesregierung an die Sachverständigen-Kommission sowie in der Ansprache des Bundesinnenministers an die Kommissionsmitglieder aufgeführten verweisen und dabei den Anspruch erheben können, sich in Übereinstimmung mit dem zu Beginn der siebziger Jahre anzuwendenden Art. 29 I GG zu befinden.
VII. Alternativen einer Neugliederung
Abbildung 7
Übersicht E. Finanzausgleich und seine Auswirkungen nach Neugliederung (4 Modelle) Modell 1: Bay + NRW + BaWü + Nordost + Nordwest + Mittelwest 1 Einwohner (in Tausend) Steuerkraftmeßzahl Ausgleichsmeßzahl .. Überschüsse (+) Fehlbeträge (—).......... Fehlbeträge von 92bislOO°/o .............. bis 92 °/o ....................... Überschüsse von 100 bis 102 0/0 .............. von 102 bis 110 0/0 ... 4 von über 110 °/o .......... Zuweisungen von 92 bib 100 °/o: 37, 5 ®/o.. bis 926/0 : 100 °/o Beiträge von 102 b뒈ٝ
Übersicht E. Finanzausgleich und seine Auswirkungen nach Neugliederung (4 Modelle) Modell 1: Bay + NRW + BaWü + Nordost + Nordwest + Mittelwest 1 Einwohner (in Tausend) Steuerkraftmeßzahl Ausgleichsmeßzahl .. Überschüsse (+) Fehlbeträge (—).......... Fehlbeträge von 92bislOO°/o .............. bis 92 °/o ....................... Überschüsse von 100 bis 102 0/0 .............. von 102 bis 110 0/0 ... 4 von über 110 °/o .......... Zuweisungen von 92 bib 100 °/o: 37, 5 ®/o.. bis 926/0 : 100 °/o Beiträge von 102 b뒈ٝ
Pläne zur Neugliederung zielen darauf ab, gegenüber dem jetzigen Zustand leistungsfähigere Gliedstaaten zu schaffen sowie Reibungsverluste an Ländergrenzen, die Agglomerationen durchschneiden, zu beseitigen. Insofern stellt sich Neugliederung als Anpassungsmaßnahme in einem bundesstaatlichen System dar. Daneben gibt es andere Anpassungsmaßnahmen, die auch als Alternative verstanden und angeboten werden. 1. Kompetenzänderungen Ein Anpassungsmittel sind Kompetenzänderungen qua Verfassungsänderung bzw. -ergänzung; hierdurch werden Macht und Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern neu verteilt. Es ist ganz zutreffend darauf hingewiesen worden, daß die Mehrzahl der GG-Änderungen zu diesem Zweck erfolgte, allerdings auch, daß „das Schwergewicht . . . auf die unitarische Seite zu fallen" pflegte Das wird man beispielsweise für die Änderung von Art. 109 GG wodurch die bisher garantierte Selbständigkeit der Länder hinsichtlich ihrer Haushaltsführung wesentlich eingeschränkt wurde, sowie für die Einfügung von Art. 104 a GG der dem Bund die sogenannte Investitionskompetenz gibt und von Art. 91 a und b der — im Zusammenhang der Finanzreform — das Institut der sogenannten Gemeinschaftsaufgaben einführte, behaupten können. Gehen diese Anpassungsmaßnahmen letztlich zu Lasten der Länder, so ist damit auch ihrer Anwendbarkeit eine klare Grenze gesetzt: Die vom GG garantierte Eigenständigkeit der Länder darf nicht beseitigt werden. Die Neugliederungsdiskussion ist nicht zuletzt durch die Befürchtung forciert worden, Anpassungsmaßnahmen dieser Art hätten in den letzten Jahren jene Eigenständigkeit bereits in bedenklichem Ausmaß beschnitten Daraus folgt, daß durch eine Neugliederung, die leistungsfähigere Länder schafft, dem Trend einer Erosion von Länder-kompetenzen und damit der Eigenstaatlichkeit der Bundesländer zumindest Einhalt geboten werden könnte. 2. Praxis des „kooperativen Föderalismus“
Eine zweite Gruppe von Anpassungsmaßnahmen wird in mannigfachen Erscheinungsformen des sogenannten kooperativen Föderalismus gesehen Dabei geht es um Kooperation und Koordination der Länder (nicht notwendig jeweils aller) untereinander sowie zwischen Bund und Ländern, um öffentliche Aufgaben effektiver und optimaler zu erfüllen. Als Ursachen für diese Tendenz zu mehr Zusammenwirken können erstens die Anforderungen an den (Sozial-) Staat nach mehr Und nach Möglichkeit im gesamten Bundesgebiet einheitlichen Leistungen, zweitens die Wirkungen des westeuropäischen Integrationsprozesses genannt werden.
Sofern Kooperation und Koordination in entsprechenden Gremien erfolgen sollen, bleiben sie — als Anpassungsmaßnahmen — häufig hinter den Erwartungen zurück. Das gilt für gemeinsame Ländergremien wie die Kultusministerkonferenz ebenso wie für Bund/Länder-Gremien wie z. B. die Kommission für Bildungsplanung. Ein Grund für die Schwierigkeiten der Konsensusbildung ist zweifellos in der gegenwärtig zu heterogenen Struktur der Bundesländer zu suchen; so sind gegensätzliche Interessen eines Stadtstaates wie Hamburg und eines Flächenstaates mit der Struktur Bayerns — etwa in Schulfragen — gewiß nicht nur auf parteipolitische Differenzen zurückzuführen. Daraus folgt, daß eine Neu-gliederung, die Länder mit ausgewogener und damit vergleichbarer Struktur schafft, die Erfolgschancen des kooperativen Föderalismus, jedenfalls was diesen Aspekt betrifft, verbessern würde.
Audi eine zweite Erscheinungsform des kooperativen Föderalismus, Vereinbarungen zwischen einzelnen Ländern qua Staatsvertrag oder Verwaltungsabkommen, kann in unserem Zusammenhang nicht voll befriedigen. Wie im vorigen Kapitel ausgeführt, sind solche Vereinbarungen in der Regel geradezu Indizien für die mangelnde Fähigkeit jetziger Länder, ihre Aufgaben selbständig rationell zu erfüllen. Daß einzelne Aufgaben delegiert oder gemeinsam erledigt werden, ist mit der föderativen Struktur ohne weiteres vereinbar und gehört gleichsam lebensnotwendig zu ihr. Problem und Indiz im obigen Sinne wird dies erst, wenn sich diese Praxis häuft. Daraus folgt, daß eine Neugliederung, die größere, das heißt leistungsfähigere Länder schafft, die Zahl solcher Vereinbarungen reduzieren würde.
Die beiden eben angesprochenen Anpassungsmaßnahmen stellen nicht nur keine Alternativen zur Neugliederung dar; nimmt man ihre Intentionen (Effizienzsteigerung) und Auswirkungen (weitere Aushöhlung der Selbständigkeit der Länder), dann erscheint eine Neugliederung des Bundesgebietes vielmehr als Komplementär-bzw. Gegenmaßnahme. Zwei andere Anpassungsmaßnahmen werden sehr viel stärker als eine Neugliederung entbehrlich machende Alternativen diskutiert und angeboten: einmal die grenzüberschreitende Planung, zum zweiten eine Neuregelung des Finanzausgleichs. 3. Grenzüberschreitende Planung Der moderne Staat ist in wachsendem Umfang Anforderungen ausgesetzt: er soll auf vielen Gebieten (Bildung, Verkehr, Wohnungswesen, soziale Einrichtungen, Umweltschutz) Leistungen erbringen und dabei auf die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse hinarbeiten.
Mittels der Raumordnung soll die künftige Ordnung in ihren endgültigen Formen vorbereitet werden Raumordnerische Maßnahmen erstrecken sich zunächst jeweils auf einen bestimmten territorialen Bereich, die Region Solche Regionen gibt es innerhalb einzelner Länder; sie werden aber zuweilen auch von Ländergrenzen durchschnitten. Die Folge ist daß sich solche unter verschiedenen Gesichtspunkten zusammengehörenden Räume bisher nicht einheitlich entwickeln konnten; unterschiedliche Ländergesetze, aber auch ein Gefälle in den Finanzierungsmöglichkeiten verhinderten diese Einheitlichkeit. Durch die Zerreißung solcher Regionen durch Ländergrenzen werden schließlich aber auch die gemeinsame Planung und eine künftige einheitliche Entwicklung behindert.
Durch grenzüberschreitende Planung soll nun die einheitliche Entwicklung solcher Regionen ermöglicht werden. Institutionalisiert wird diese Kooperation durch Staatsverträge bzw. Verwaltungsabkommen. So erwähnte der hessische Ministerpräsident Osswald bei der Vorlage des Landesentwicklungsplanes „Hessen '80“ im Landtag den Staatsvertrag mit Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz als Basis grenzüberschreitender Kooperation im Rhein-Neckar-Raum, das Verwaltungsabkommen mit Rheinland-Pfalz als entsprechende Basis für das Gebiet der Main-Mündung und den Raum Limburg—Diez, sowie den Nachbarschaftsvertrag der Landeshauptstädte Mainz und Wiesbaden „Auch ohne Staatsverträge und Verwaltungsabkommen wird in anderen Grenzbereichen des Landes grenzüberschreitende Regionalplanung betrieben, wie z. B. im Gebiet von Siegen—Betzdorf—Dillenburg und in Ansätzen im Bereich Kassel—Münden sowie im Grenzbereich mit dem Lande Bayern.“
In dieser Kooperation, die der „Überwindung der empfindlichen Reibungsverluste an den Ländergrenzen"
dienen soll, wird zum Teil eine Alternative zur Neugliederung gesehen. Deren Ziel, durch Neuabgrenzung von Ländern solche Reibungsverluste zu vermeiden und damit zu höherer Leistungsfähigkeit zu gelangen, werde mittels grenzüberschreitender Planung mit wesentlich geringerem Aufwand, als es bei einer Neugliederung angesichts der zahlreichen divergierenden und konkurrierenden Interessen möglich wäre, ebenfalls erreicht. Zudem sei es bedenklich, „an einer Aufgabe des Staates, nämlich an der Durchführung von Raumordnungsmaßnahmen, die zeitbedingt, objektbedingt sind, eine endgültige Verwaltungsreform aufzuhängen, die dann u. U. für 150 Jahre Bestand haben könnte". Da außerdem die Praxis der Kooperation funktioniere, dürften solche Planungen über Ländergrenzen hinweg nicht gleichsam automatisch und selbstverständlich „eine definitive Grundlage für eine Absteckung der Ländergrenzen abgeben"
Dieser Optimismus hinsichtlich der Kooperation selbständiger Länder ist kaum haltbar, sieht man sich das Prozedere genauer an. Die Zusammenarbeit von Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen sieht dafür mehrere Stufen vor:
— zunächst werden die zentralen Planungsziele von der Länderkonferenz, also von den drei beteiligten Regierungen, in Umrissen formuliert;
— dann werden diese Ziele vom Raumordnungsverband Rhein-Neckar — als Körperschaft des öffentlichen Rechts konstituiert — „konkretisiert und spezialisiert"; Ergebnis ist ein Raumordnungsplan;
— schließlich muß der so zustande gekommene Plan „in die jeweiligen landesrechtlich vorgesehenen Verfahren übergeführt und von den Landesregierungen mit verbindlicher Wirkung ausgestattet" werden;
dabei haben „die Parlamente das letzte und entscheidende Wort ... zu sprechen."
Der Nachteil dieses Verfahrens liegt auf der Hand: Die Kooperation droht unverbindlich zu sein, wenn nämlich dem Plan keine Durchführung folgt, wenn also die Beteiligten den Plan nicht akzeptieren. Das Problem ist also, wie gesichert werden kann, daß der Planung die Durchführung folgt. Becker-Marx erörtert drei Möglichkeiten
— auf die integrierte Planung folgt „die integrierte Durchführung, also eine bestimmte Form gemeinsamer Verwaltung des Gebiets". Diese aber setze eine Neugliederung voraus, was — 1968 — noch verfrüht, da noch nicht realisierbar sei. — Es wird eine privatrechtliche Entwicklungsgesellschaft gegründet, „die mit allseitiger Kapitalbeteiligung das Erforderliche leistet." Auch diese Möglichkeit lehnt Becker-Marx ab. Sein Argument: „Hier würde also die nötige Durchführung des gemeinsamen Planes heruntergespielt auf die Ebene eines privaten Rechtsgeschäfts, und das ist zu-wenig"; die Schwerpunkte lägen nun einmal auf dem „öffentlich-rechtlichen Sektor". — „Nötig und möglich ist deshalb die Koordinierung der Plandurchführung, wie im ersten Stadium die Koordinierung der Planung selbst. Was wir deshalb anstreben, ist der regionale Investitionsplan als die zweite komplementäre Stufe der ersten."
Becker-Marx sieht „eine zeitliche und finanzielle Abstimmung der von den drei Seiten zu erbringenden Investitionen" als ausreichend an.
Die Frage, „ob dieser grenzüberschreitende Planungsverband samt dem nachfolgenden regionalen Investitionsplan eine Alternative zur Neugliederung sei", beantwortet er mit einem klaren Nein. Die Funktion der Kooperation und des Verbandes liege in der Schaffung von „Manövrierfreiheit, nicht unter dem Druck einer aktuellen Last, namentlich nicht unter der wachsenden Bedrängnis dieser Grenzräume, das Verfahren der Neugliederung vorzeitig zu beschleunigen" Ein Zusammenwachsen deutscher Länder, das er mit Blick auf künftige Regionen innerhalb der EWG befürwortet, könne man „nicht kommandieren, aber induzieren." Von diesem pragmatischen Standpunkt aus bezeichnet er grenzüberschreitende Planungsverbände als „Induktionen" der Neu-gliederung Daß diese Überlegung nicht nur für den Rhein-Neckar-Raum gilt, zeigen entsprechende Hinweise für den norddeutschen Raum: Durch intensivierte Zusammenarbeit der vier Küstenstaaten sollte ein engerer Verband angestrebt werden
Diese Argumentation impliziert das Plädoyer für die schließlich notwendige Einheit von Planungs-und Verwaltungsräumen. Wagener machte sich bereits 1966 zum Anwalt eines solchen Postulats Einem ersten Einwand gegen die Einheit — „die These von der Variabilität der Planungsräume" — hält er die Erfahrung entgegen, daß auch Planungsräume, die nicht mit einem entsprechenden Verwaltungs-bereich übereinstimmen, zur Statik neigen würden Damit wird das Argument, wegen ihrer Elastizität sei grenzüberschreitende Kooperation einer definitiven Lösung durch Neu-gliederung vorzuziehen und insofern Alternative, modifiziert bzw. als nicht stichhaltig bezeichnet Auch einen zweiten Einwand gegen die Einheit — „die Planung könne nicht Gegenstand der parlamentarischen Entscheidung aller Stufen sein" — hält er für „nicht zutreffend". Wenn man nämlich berücksichtige, „daß alle gebietskörperschaftlichen Parlamente wesentliche Entscheidungsbefugnisse hinsichtlich der planungsgerechten Investitionen haben", müsse man doch fragen: „Warum sie dann nicht schon vorher an der Planung beteiligen?"
Aus dieser Argumentation folgt gleichsam im Umkehrschluß eine doppelte Begründung für die Einheit von Planungs-und Verwaltungsraum: — Erstens „die Selbstbindung des Verwaltungsträgers": „Wer Planungen selber aufstellt, der wird am ehesten geneigt sein, sie auch kräftig durchzusetzen".
— Zweitens „die Finanzen": „Die Finanzierungsmöglichkeiten liegen heute bei den Verwaltungseinheiten". Sein Fazit: „Nur diejenigen Einheiten sollten daher über den Inhalt der Planung entscheiden, die auch den wesentlichsten Anteil an der Durchführung haben. Die Durchführung hängt ihrerseits im allgemeinen von der Frage der Finanzierung ab. Es zeigt sich also die Gedankenkette: Planung — Finanzierung — Durchführung.“
Daß die Forderung nach Einheit von Planungsund Verwaltungseinheiten nicht nur um der Realisierung eines abstrakten Prinzips willen erhoben wird und daß grenzüberschreitende Kooperation, etwa durch Planungsverbände kaum ausreicht, um mit den Planungs-und Entwicklungsproblemen einer durch Ländergrenzen durchschnittenen Region fertig zu werden, zeigen die beiden folgenden konkreten Beispiele deutlich auf. a) Raum Ulm/Neu-Ulm Am 15. Januar 1971 wurde zwischen beiden Städten ein „Vertrag über die kommunale Zusammenarbeit" abgeschlossen, der im wesentlichen bloße Absichtserklärungen enthält. § 6 des Vertrages — „Ausgleich unterschiedlicher landesrechtlicher Regelungen" — zeigt denn auch den vielleicht neuralgischsten Punkt solcher Kooperationsunternehmen; in den amtlichen Erläuterungen heißt es zu § 6: „Die Zugehörigkeit der beiden Städten zu verschiedenen Ländern hat zur Folge, daß für ihre Gebiete teilweise abweichende landesrechtliche Bestimmungen gelten, die die Zusammenarbeit zwischen den Städten erschweren, wenn nicht ausschließen."
Für die Region Donau-Iller-Blau (beide Städte sind nach der Landesentwicklungsplanung von Bayern und Baden-Württemberg gemeinsames Oberzentrum der Region) wird ein Staatsvertrag über eine grenzüberschreitende Planung angestrebt. Dazu forderte ein Verwaltungswissenschaftler die Einheit von Planung und Vollzug sowie den Verzicht auf eine Kündigungsklausel, weil „eine kündbare Planung keine Planung sei" Der Ulmer Oberbürgermeister Pfizer forderte bei anderer Gelegenheit —• vor der Sachverständigen-Kommission zur Neugliederung — verbindliche Planungskompetenzen für die Region
Für Pfizer bedeuten zwar beide Verträge -der abgeschlossene Städtevertrag und der geplante Staatsvertrag — einen Fortschritt bei der grenzüberschreitenden Kooperation; nachdrücklich unterstrich er aber, daß vertragliche Vereinbarungen nicht ersetzen könnten, „was durch eine Veränderung der Landesgrenze für die Entwicklung des Lebens-und Wirtschaftsraumes um Donau und Iller erreicht werden könnte"; ob der Verflechtungsbereich des Oberzentrums Ulm/Neu-Ulm bei einer Neugliederung Bayern oder Baden-Württemberg zugeordnet würde, sei demgegenüber sekundär
Wie hemmend die Zugehörigkeit der Region zu zwei Ländern ist, zeigen die Auswirkungen der in Vorbereitung befindlichen Gebietsreform in Bayern. Der Städtevertrag droht auf längere Frist auf dem Papier stehen zu bleiben, da Neu-Ulm im Zuge der Gebietsreform dem Landkreis Neu-Ulm eingegliedert werden soll, mit der Folge, daß statt 1, 5 Mill. DM Bezirksumlage als kreisfreie Stadt dann 3, 8 Mill. DM Kreisumlage entrichtet werden müßten Der ursprünglich für den Abschluß des Staatsvertrages ins Auge gefaßte Termin — Juni 1971 — konnte wegen der Gebietsreform-Uberlegungen in Bayern nicht eingehalten werden b) Rhein-Neckar-Raum Nur stichwortartig sollen die Auswirkungen der trennenden Grenzen auf diese Region angedeutet werden:
— Eine Fusion der Städte Mannheim und Ludwigshafen ist gegenwärtig nicht möglich; sie sollen lediglich ein gemeinsames Oberzentrum — neben Heidelberg als eigenem Oberzentrum — bilden und zusammen mit Heidelberg zu einer durch Staatsvertrag geschaffenen „Verbandsstadt" werden Aber selbst eine wirkungsvolle Kooperation von Ludwigshafen und Frankenthal mit Mannheim und Heidelberg müsse wohl unmöglich und ihre Koordination Stückwerk bleiben, solange die Landesgrenze bestehe, meint der Raumordnungsverband Rhein-Neckar
— Eine Fusion der Industrie-und Handelskammern von Ludwigshafen, Mannheim und Heidelberg kann nicht erfolgen-, stattdessen wird eine stärkere Kooperation eingeleitet
— Es werden Vorstöße für die Schaffung einer Gesamthochschule unternommen eine gemeinsame Verwaltung der Universität Mannheim und der Höheren Wirtschaftsfachschule Ludwigshafen sei aber wegen der Zugehörigkeit zu zwei Ländern nicht möglich
Ein letztes Beispiel soll die Aufmerksamkeit auf einen ganz anderen Aspekt der Kooperation über Ländergrenzen hinweg lenken, der indessen auch nicht zu Optimismus Anlaß gibt.
Die Regierungen der vier norddeutschen Länder arbeiten seit Jahren zusammen. Am 8. Oktober 1970 konstituierte sich der sogenannte Norddeutsche Parlamentsrat, eine parlamentarische Versammlung, die von den Landtagen der beteiligten Länder beschickt wird. Er soll die Kooperation auf den Gebieten der Wirtschafts-, Sozial-und Kulturpolitik, der Landesplanung und Raumordnung fördern und gemeinsame Planungen vorbereiten. Die Beschäftigung mit dem Problem der Neugliederung im norddeutschen Raum wurde ausdrücklich ausgeklammert Der Versuch, parlamentarische Mitwirkung an der Kooperation wenigstens ansatzweise zu ermöglichen, ist gewiß zu begrüßen. Allerdings ist der lange währende Streit der Parteien um die für die künftige Arbeit unerläßliche Geschäftsordnung ein wenig ermutigender Auftakt und scheint diejenigen zu bestätigen, die parlamentarische Mitwirkung bei der Kooperation in der jetzt möglichen, d. h. letztlich unverbindlichen Form, für kaum realisierbar halten.
Als Fazit der hier vorgetragenen Erörterungen ist festzuhalten, daß grenzüberschreitende Kooperation qua Planungsverbände nicht als Alternative einer Neugliederung angesehen werden kann. Für manche der zitierten Politiker ist sie jedoch „Induktion", Vorstufe einer Neugliederung. Ob die Kooperation allerdings zu einer Art „spill over" -Effekt führt, muß, wie im Kontext der Entwicklung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft, zweifelhaft bleiben, wenn die Schwierigkeiten und Hemmnisse angemessen berücksichtigt werden, die bereits im Rahmen bloßer Kooperation auftreten. Es scheint, als würden die Reibungsverluste in durch Ländergrenzen zerrissenen Regionen erst durch eine Neugliederung beseitigt bzw. vermieden werden können. Daß praktizierte Kooperation, auch wenn sie zu keinen essentiellen Ergebnissen geführt hat, Neugliederungsmaßnahmen förderlich ist, bleibt dabei unbestritten. 4. Neuregelung des Finanzausgleichs Die Verteilung des Steueraufkommens zwischen Bund, Gliedstaaten und Gemeinden ist in jedem Bundesstaat ein zentrales Problem und dem der Kompetenzverteilung gewiß ebenbürtig. Eine solche Verteilung, eben der Finanzausgleich, dem Bundesstaat gleichsam inhärent, wirft zwei wichtige Fragen auf.
Zunächst muß entschieden werden, wer die Steuern vereinnahmt. Danach richtet sich die Durchführung des Finanzausgleichs: vertikal (zwischen Bund und Ländern) oder horizontal (zwischen den Ländern) oder beides. Zweitens muß entschieden werden, ob sich der Finanz-ausgleich auf einen Steuerkraftausgleich, der Einwohnerzahl gemäß, beschränkt, oder ob auch Lastenmomente, aufgrund unterschiedlicher Aufgabenstellung der einzelnen Gebietskörperschaften, Berücksichtigung finden.
Was diese Fragen im einzelnen bedeuten, wird am Beispiel der Entwicklung des Finanz-ausgleichs in der Bundesrepublik darzustellen und zu erörtern sein. In jedem Fall zielt der Finanzausgleich auf eine ausgewogene Finanz-ausstattung der in der Regel unterschiedlich strukturierten und ausgestatteten Gliedkörperschaften, die sie zur Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgaben befähigen soll, weil ohne den Ausgleich die Unterschiede zu krass und die Aufgabenerfüllung unter zu ungleichen Bedingungen und Voraussetzungen mit entsprechend unterschiedlichen Ergebnissen erfolgen müßte.
Diese Aussage zeigt die Relevanz der territorialen Struktur eines Bundesstaates für die Gestaltung des Finanzausgleichs: er ist in seiner Intensität wesentlich von der Beschaffenheit der Gliedstaaten abhängig. Je stärker das Gefälle in der finanziellen Ausstattung und damit Leistungsfähigkeit zwischen den Ländern, de-sto größer das Volumen des Finanzausgleichs. Hier wird nun der Zusammenhang zwischen Finanzausgleich und Neugliederung ganz deutlich: Eine nach den Kriterien von Art. 29 I GG durchgeführte Neugliederung würde die Unterschiede der Länder in Struktur und Ausstattung verkleinern; die Folge wäre ein im Volumen erheblich reduzierter horizontaler Finanzausgleich. Um diesen Zusammenhang ging es 1952, als das Bundesverfassungsgericht aufgerufen war sich zur Zulässigkeit des horizontalen Finanz-ausgleichs zu äußern. Das Gericht folgte in seiner Entscheidung dem Argument, der horizontale Finanzausgleich sei mit dem Verfassungsauftrag des Art. 29 GG unvereinbar, weil er an sich leistungsunfähige Länder künstlich am Leben halte und dadurch den heilsamen Druck zur Erfüllung des Neugliederungsauftrages nehme, nur deshalb nicht, weil Art. 29 GG von den Westalliierten suspendiert war Dieser Zusammenhang wird auch im Regierungsentwurf des Finanzverfassungsgesetzes von 1954 deutlich angesprochen. . Die Aufgabe des Ausgleichs, so sagt jene Vorlage, wäre leichter und wirksamer zu lösen, wenn es gelänge, eine den wirtschaftsgeographischen Erfordernissen entsprechende Neugliederung des Bundesgebiets, eine größere Homogenität und innere Ausgeglichenheit der einzelnen Länder zu erreichen. Daß die Voraussetzungen zur Verwirklichung des Art. 29 GG — damals — noch nicht gegeben waren, müsse zwangsläufig die Gestaltung, insbesondere die Intensität des Finanzausgleichs beeinflussen."
Schließlich wird dieser Zusammenhang von der Kommission für die Finanzreform in ihrem Gutachten (sog. Troeger-Gutachten) unterstrichen, wenn es in der einleitenden Bestandsaufnahme heißt: „Außerdem genügt die derzeitige Gliederung des Bundes in elf nach Größe und Leistungskraft sehr unterschiedliche Länder nicht den Ansprüchen der heutigen Zeit. Die Durchführung des Art. 29 GG ist daher ein dringendes Erfordernis. Das föderalistische Staatsprinzip wird sich nach Auffassung der Kommission um so fruchtbarer entfalten, je gleichmäßiger und leistungsfähiger die Länder sind."
In ihren Vorschlägen zur Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs bezeichnete es die Kommission als Aufgabe des Finanzausgleichs, „die regionalen Finanzkraft-unterschiede zugunsten der leistungsschwachen Länder zu mildern"; sie fügt hinzu, daß er „seiner Natur nach . . . nur auf die Symptome, nicht auf die Ursachen dieser Leistungsschwäche einwirken" könne. Diesen sei nur durch Strukturmaßnahmen beizukommen: 1. „Der Finanzausgleich bedarf deshalb der Ergänzung durch raumordnende Maßnahmen der regionalen Wirtschaftspolitik mit dem umfassenden Ziel, die Leistungsfähigkeit der finanzschwachen Gebiete nachhaltig zu verbessern". 2. „Die Wirksamkeit solcher Maßnahmen könnte gesteigert und die Finanzausgleichsaufgabe erleichtert werden, wenn es gelänge, durch eine Neugliederung des Bundesgebietes eine bessere Ausgeglichenheit der einzelnen Länder zu erreichen."
Um den hier immer wieder behaupteten Stellenwert einer Neugliederung für die Durchführung des Finanzausgleichs im einzelnen herausarbeiten zu können, muß zunächst ein Überblick über die bisherige Entwicklung der Praxis des Finanzausgleichs in der Bundesrepublik gegeben werden.
Die enormen Steuerkraftunterschiede der nach 1945 in den drei Westzonen geschaffenen Länder — jedes Land hatte die in seinem Gebiet aufkommenden Steuern zur Verfügung — zwangen recht früh zu Ausgleichsmaßnahmen. So erhielt das besonders belastete Schleswig-Holstein von finanzstarken Ländern eine Kassenkredithilfe; ein gesetzlich geregelter Finanzausgleich kam nicht zustande. Gesetze zur Regelung der Kiegsfolgelasten, auf die sich die im Vereinigten Wirtschaftsgebiet zusammengeschlossenen Länder einigten, bewirkten für 1949 schließlich einen gewissen Ausgleich: Nordrhein-Westfalen, Württemberg-Baden, Hamburg und Bremen hatten für Bayern, Hessen, Niedersachsen,. Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein Ausgleichsbeträge zur Verfügung zu stellen. Diese Lösung blieb jedoch unbefriedigend und ungenügend Gleich zu Beginn der Existenz der Bundesrepublik wurde der horizontale Finanzausgleich durch gesetzliche Regelung systematisiert Die Notwendigkeit eines Ausgleichs zeigt ein Blick auf die Spannweite der Finanzkraft im ersten Ausgleichsjahr; sie schwankte zwischen 132, 5 °/o (Württemberg-Baden) und 34, 2 °/o (Schleswig-Holstein) des Bundesdurchschnitts. Nach dem Ausgleich wurde die Differenz auf den Bereich zwischen 117, 6 °/o und 71 0/0 verringert Es erfolgte nicht nur ein Steuerkraft-190) ausgleich, auch „Lasten, die wegen ihrer überregionalen Bedeutung und ungleichmäßigen Verteilung ausgeglichen werden sollten (sog. Ausgleichslasten, und zwar den Länderanteil an der Kriegsfolgenhilfe, die Kriegszerstörungslasten, die unmittelbaren Flüchtlings-lasten, die Lasten der Dauerarbeitslosigkeit, die Zinslasten der Ausgleichsforderungen, die Hochschullasten, die Hafenlasten der Hansestädte)", fanden Berücksichtigung
Die Finanzreform von 1955 entschied sich für das Prinzip des sogenannten örtlichen Aufkommens ohne daß in der Folgezeit die in Aussicht gestellte Zerlegung des örtlichen Aufkommens einzelner Steuern realisiert worden wäre. Die dadurch bedingten Steuerkraft-unterschiede sollten durch horizontalen Finanzausgleich verringert werden; schließlich war die Möglichkeit eingeräumt, mit Ergänzungszuweisungen des Bundes dringenden Bedarf zu decken Seit dem Länderfinanzausgleichsgesetz vom 27. Mai 1955 war der Finanzausgleich praktisch ein reiner Steuerkraft-ausgleich; geringe Sonderbelastungen wurden nur für Überseehäfen (Hamburg, Bremen, Niedersachsen) sowie für die strukturell besonders stark benachteiligten Länder Schleswig-Holstein und, nach seiner Rückkehr, Saarland in Rechnung gestellt; außerdem fand das Lastenmoment im Ansatz eines unterschiedlichen Steuerbedarfs je Einwohner in nach Größen gestaffelten Gemeinden Berücksichtigung. Zur Durchführung des Ausgleichs werden die soge-nannte Steuerkraftmeßzahl des Landes sowie die Ausgleichsmeßzahl ermittelt; die Differenz ist jeweils Uberschuß (wenn die Ausgleichsmeßzahl kleiner ist) oder Fehlbetrag (wenn die Ausgleichsmeßzahl größer ist). Was die Intensität des Finanzausgleichs angeht, so wurde von 1959 bis 1968 „die Steuerkraft der finanzschwachen Länder .. . auf 91 0/0 der Ausgleichsmeßzahl angehoben" Das geschah gemäß Finanzausgleichgesetz vom 7. Oktober 1965 folgendermaßen:
— Fehlbeträge bis 85 0/0 wurden zu 100 °/o aufgefüllt, — -Fehlbeträge von 85 bis 95 °/o wurden zu 60 °/o aufgefüllt, — Fehlbeträge von 95 bis 100 % blieben unberücksichtigt (sog. tote Zone).
Die Ausgleichbeträge kamen wie folgt zustande: — Überschüsse von 100 bis 110 °/o waren zu 75 0/0 ausgleichspflichtig, — Überschüsse von über 110 % waren voll ausgleichspflichtig.
Das Volumen der Ausgleichszahlungen lag von 1950 bis 1954 bei ca. 250 Mill. DM und wurde durch die Finanzreform von 1955 auf über 500 Mill. DM erhöht: 1959 überschritt es die Milliarden-Grenze. Nachfolgende Über-sicht A zeigt die weitere Entwicklung.
Seit 1966 erhalten die finanzschwachen Länder außerdem Sonderzuweisungen (Strukturbeihilfen) und Ergänzungszuweisungen des Bundes; im Jahre 1969 wurden diese zur Entlastung des Bundes von den ausgleichspflichtigen Ländern aufgebracht Im einzelnen ergibt sich folgendes Bild (Übersicht B): Obwohl die Intensität des Finanzausgleichs gesteigert wurde und sein Volumen enorm anschwoll, blieb die finanzielle Ausstattung einer Reihe von Ländern ungenügend, wie nicht zuletzt die Gewährung von „Trostpreisen" bzw. „diskreten Trostpreisen" an die finanz-schwachen Länder seit 1966 zeigt. Praxis und Umfang des Finanzausgleichs können aber auch aus grundsätzlichen Überlegungen her-aus als problematisch angesehen werden, weil durch sie der Bundesstaat in seinem Aussehen und seiner Beschaffenheit stark tangiert wird. Dem in gewissem Umfang verständlichen Egoismus der Vermögenden korrespondiert, wenn und weil diese als eher leistungsunwillig angesehen werden, auf seifen der Schwachen ein Anlehnungsbedürfnis; sie koalieren gleichsam mit dem Bund gegen die Starken, was wiederum einen Kompetenz-und Machtzuwachs des Bundes zur Folge hat, der auch zu Lasten der Vermögenden geht: das föderative Gefüge wird durch diese Schwergewichtsverlagerung verändert Gegen einen Finanz-ausgleich mit dem in den sechziger Jahren erreichten Volumen werden weitere Einwände geltend gemacht:
— Uber Fremdmittel verfügen zu können, verleitet unter Umständen zu leichtfertigen Ausgaben, zu mangelhafter Wirtschaftlichkeit; dies wiederum „nährt den Argwohn zwischen den Ländern, ob aufs sparsamste gewirtschaftet wird."
— Der Wille zur Selbsthilfe könnte gefährlich erlahmen, wenn man sich der Ausgleichszahlungen sicher ist. — Auch der Wille zu Initiativen, zu Investitionen und Leistungssteigerung, diesmal bei den Vermögenden, kann durch den Finanzausgleich Schaden nehmen, wenn sie sich fragen müssen, welcher Anteil des durch Initiativen zusätzlich Erwirtschafteten ihnen als ausgleichspflichtigen Ländern bleibt, ob Mehreinnahmen nicht zum größten Teil in die Ausgleichskasse fließen, also anderen zugute kommen. — Wenn durch den Finanzausgleich das Gefälle zwischen den Ländern beseitigt wird, sieht kaum einer die Neugliederung als dringend an
Solche Bedenken hinsichtlich möglicher bzw. bereits konstatierter Folgen des Finanzausgleichs haben zweifellos bei den Überlegungen zur Finanzreform eine Rolle gespielt. Ein wesentliches Ziel dieser Reform war es, die finanzielle Grundausstattung der Länder (und der Gemeinden) zu verbessern, dadurch den Finanzausgleich im Volumen zu verringern, ihn aber dort, wo er nach wie vor nötig sein würde, zu intensivieren. Zunächst war angestrebt worden, den horizontalen Finanzausgleich überhaupt unnötig zu machen. Anstelle des Prinzips des örtlichen Aufkommens, das den horizontalen Ausgleich unentbehrlich macht sollten „alle Steuereinnahmen der Länder zur gesamten Hand vereinnahmt und nach Bedarfsmaßstäben verteilt werden" Für dieses Konzept des Bundestages — Aufteilung durch zustimmungsbedürftiges Gesetz — fand sich im Bundesrat keine Mehrheit. Die finanzstarken Länder bestanden auf verfassungsrechtlicher Garantie ihrer Einnahmen nach Maßgabe des örtlichen Aufkommens.
Die Kompromißlösung der Finanzreform, auf die sich Bundestag und Bundesrat schließlich einigten, sieht folgendes vor:
a) Das Prinzip des örtlichen Aufkommens bleibt für die Landessteuern sowie für den Länderanteil an der Einkommens-und Körperschaftsteuer in Kraft. Die Verfassung sieht allerdings eine Zerlegung des örtlichen Aufkommens der Körperschafts-und der Lohnsteuer vor, die durch zustimmungsbedürftiges Gesetz zu erfolgen hat. Damit sollen große Verzerrungen ausgeglichen werden.
b) Der Länderanteil an der Umsatzsteuer (für 1970 und 1971 30 °/o) wird nach der Einwohnerzahl aufgeteilt. 25 % des Länderaufkommens können vorweg zur Auffüllung der Steuerkraft der finanzschwachen Länder genommen werden (sog. Ergänzungsanteile). Ergänzungsanteile werden in Höhe der Beträge, die an 92 °/o des Länderdurchschnitts fehlen, gewährt Durch diese Verteilung der Umsatzsteuer werden die Steuerkraftunterschiede der Länder fühlbar reduziert, „der Finanzausgleich um rund 1600 Mill. DM (nach den Zahlen von Oktober 1968 bis September 1969) entlastet.“ c) Der horizontale Finanzausgleich, dessen Systematik beibehalten wurde, wird intensiviert: die Steuerkraft der „ausgleichsberechtigten" Länder (im neuen Art. 107 findet sich dieses Attribut anstelle von „leistungsschwachen“) soll durch den Ausgleich auf mindestens 95 % der Ausgleichsmeßzahl (bisher 91 °/o) angehoben werden.
Der Ausgleich geschieht folgendermaßen — Fehlbeträge bis 92% werden zu 100% aufgefüllt.
— Fehlbeträge von 92 bis 100 % werden zu 37, 5 % aufgefüllt, die bisherige „tote Zone* (95 bis 100 %) wird, auch darin liegt ein Stück Intensivierung, einbezogen.
Die Ausgleichsbeträge kommen wie folgt zustande: — Überschüsse von 102 bis 110% sind zu 70 % ausgleichspflichtig.
— Überschüsse von über 110 % sind voll ausgleichspflichtig. — Überschüsse von 100 bis 102% bleiben unberücksichtigt. Das Lastenmoment, das bei der Berechnung der Steuerkraftmeßzahl zum Tragen kommt, bleibt fast unverändert erhalten: Zur Abgeltung der Seehafenkosten werden von den Steuereinnahmen abgesetzt bei Hamburg 55 Mill., bei Bremen 25 Mill, und bei Niedersachsen 6 Mill. DM; zur Abgeltung übermäßiger Belastungen bei Schleswig-Holstein 30 Mill., bei Rheinland-Pfalz 20 Mill. und beim Saarland 55 Mill. DM
Wie sich die Finanzreform auf die finanzielle Ausstattung von Ländern (und Gemeinden) so-wie auf den horizontalen Finanzausgleich auswirkt, zeigt Übersicht C
Die Neuverteilung der Steuern zwischen Bund und Ländern bringt den finanzschwachen Ländern erhebliche Mehreinnahmen; diese übersteigen die Mindereinnahmen der finanzstarken Länder wesentlich (Zeile 1). Durch den Umsatzsteuerausgleich verbessert sich die finanzielle Ausstattung der finanzschwachen Ländern — mit Ausnahme Bayerns — weiterhin (Zeile 2) und entlastet damit den horizontalen Finanzausgleich in Form der Ausgleichbeiträge bzw. -Zuweisungen. Dieser ist gegenüber der vor der Finanzreform gültigen Regelung (Zeile 5) erheblich reduziert (Zeile 3), was auch in der geringeren Belastung der ausgleichspflichtigen Länder zum Ausdruck kommt (Zeile 6). Die Veränderungen auf dem Gebiet der Ländersteuern (Zeile 1) und des Finanz-ausgleichs (Zeile 6) begünstigen insgesamt die finanzschwachen Länder zu Lasten der finanz-starken (Zeile 7). Unter diesen sind Hessen und Hamburg besonders stark, Baden-Württemberg weniger und Nordrhein-Westfalen so gut wie gar nicht betroffen. Die Auswirkungen der Finanzreform auf die Steuereinnahmen der Gemeinden verbessern die Ausstattung der ausgleichsberechtigten Länder noch weiter (Zeile 8) und bringen per saldo auch den ausgleichspflichtigen Ländern Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg ein Mehr, während Hessen (minimal) und Hamburg schlechter ausgestattet sind als vor der Finanz-reform (Zeilen 9 und 10). In der Finanzausstattung je Einwohner verringert sich die Differenz zwischen ausgleichspflichtigen und -berechtigten Ländern spürbar gegenüber der Regelung vor der Finanzreform (Zeilen 11 bis 14)
Zweifellos sind die Einnahmeerhöhungen von Ländern und Gemeinden durch die Steuerneuverteilung und die dadurch ermöglichte volumenmäßige Reduzierung, dabei aber Intensivierung des horizontalen Finanzausgleichs, positiv zu beurteilen, wenn auch die Finanzreform insgesamt wegen des Festhaltens am Prinzip des örtlichen Aufkommens und des Scheiterns der Forderung, sich auf einen vertikalen Ausgleich zu beschränken und dabei Lastenmomente, also den Bedarfsgesichtspunkt zugrunde zu legen, als nicht ausreichend kritisiert wird Angesichts der Erfahrungen mit der 1969 abgeschlossenen Finanzreform erscheint es jedoch fraglich, realistischerweise für die nächsten Jahre eine weitere Finanz-reform zu erwarten, die die genannten Elemente enthalten würde. Die jetzige Finanzverfassung wird demnach bis auf weiteres gültig bleiben.
Damit bleibt aber auch ein unter dem Gesichtspunkt der Zielsetzung „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" immer noch zu großes Finanzkraftgefälle zwischen den Ländern bestehen, wie die nachstehende Übersicht D mit einer Vorausschau des Finanzausgleichs bis 1975 deutlich aufzeigt — mit allen negativen Folgen wie Abhängigkeit der Ausgleichs-berechtigten, gegenseitigem Mißtrauen und weiterem Kompetenz-und Machtzuwachs des Bundes.
Eine ganze Reihe von Vorgängen zeigt, daß das Resultat der Finanzreform letztlich als nicht zufriedenstellend angesehen wird:
a) Der Finanzausschuß des Bundesrates forderte im Oktober 1970 zusätzlich zu den im Etat 1971 von der Bundesregierung vorgesehenen 100 Mill. DM als Ergänzungszuweisungen des Bundes an finanzschwache Länder einen Betrag von 200 Mill. DM. Nach langem Hin und Her wurden für die Jahre 1970 und 1971 jeweils insgesamt 100 Mill. DM an Ergänzungszuweisungen vorgesehen, die sich wie folgt verteilen: Bayern 18 Mill., Niedersachsen 38 Mill., Rheinland-Pfalz 22 Mill., Saarland 6 Mill, und Schleswig-Holstein 16 Mill. DM. Bei den Schlußberatungen im Bundesrat wurde jedoch zwischen den Ländern und dem Bundesfinanzminister Einvernehmen darüber erzielt, daß die Steuerverteilung zwischen Bund und Ländern neu überdacht werden müsse.
Der Vorgang illustriert, daß der Finanzausgleich als nicht imstande angesehen wird, den Bedarf der finanzschwachen Länder wenigstens annähernd zu decken.
b) Die Bundesregierung sagte den Ländern zu, ihnen die Kosten für die Lastenausgleichsverwaltung (181 Mill. DM) sowie die Bundesstraßenbauverwaltung (124 Mill. DM) zu erstatten Die Bereitschaft des Bundes sowie die Forderung der Länder lassen ebenfalls auf eine nicht befriedigende Finanzaustattung der Länder schließen. Die Bereitschaft der Bundesregierung stand im übrigen im Zusammenhang mit der Diskussion über die Ergänzungszuweisungen. c) Die finanzschwachen Länder bezweifeln die Korrektheit der Praxis der Berechnung und Verteilung der sogenannten Ergänzungsanteile aus dem Länderanteil der Umsatzsteuer. Während das Finanzausgleichsgesetz vom 28. August 1969 in § 2 I vorschreibt, daß 25 °/o des Länderanteils für diesen Vorwegausgleich bestimmt sind, behaupteten sie, effektiv nur etwa ein Achtel zu erhalten, was einem Weniger von mehreren Hundert Millionen DM gleichkommt Diese insbesondere von Niedersachsen und Schleswig-Holstein erhobene Klage war zugleich der Anlaß für diese beiden Länder, eine erneute Reform der Finanzverfassung zu fordern, die Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen stärker belasten würde Die Erfolgsaussichten solcher Forderungen sind relativ gering einzuschätzen, da eine Länder-mehrheit im Bundesrat zustimmen müßte und für eine erneute Finanzreform — noch dazu mit dieser Intention — kaum die erforderliche Bereitschaft bestehen dürfte.
d) Hessen als durch die Finanzreform neben Hamburg besonders betroffenes ausgleich-pflichtiges Land verwahrte sich in aller Schärfe gegen die Forderung Hannovers und Kiels. Die Empfängerländer, so wurde argumentiert, gingen mit dem Geld der Geberländer unangemessen großzügig um. Der niedersächsische Landtag habe beispielsweise kurz vor Verabschiedung des Gesetzes zur Vereinheitlichung der Beamtenbesoldung durch den Bundestag für Niedersachsens Beamte rückwirkende Besoldungsverbesserungen beschlossen. Kommentar des hessischen Finanzministers Arndt: „Ich sehe nicht ein, daß Hessen auf Investitionen verzichten soll, damit andere Länder ihren Personaletat ausweiten und ihren Beamten mehr bezahlen, als wir unseren Beamten geben können." Hessen unterstreicht in seiner Argumentation insbesondere, daß ohne ständige Investitionsleistungen der Standard als reiches Land nicht gehalten werden kann. Wenn aber vom Ertrag steigenden Wachstums dem eigenen Land kaum etwas übrig bleibe, sei dieser Standard gefährdet, Hessen erwägt, so Ministerpräsident Osswalds Reaktion auf die Ankündigung norddeutscher Initiativen, im Falle einer noch stärkeren Inanspruchnahme Klage beim Bundesverfassungsgericht. e) Der Streit um die Finanzierung der Universität Bremen demonstriert die Folgen mangelnder finanzieller Ausstattung trotz Berücksichtigung eines Lastenmoments und auch nach dem horizontalen Finanzausgleich. Der Vorgang signalisiert zugleich die Schwächen der gegenwärtigen territorialen Struktur, die durch den Finanzausgleich allenfalls gemildert werden. f) Die Tatsache, daß einer Reihe von Ländern die Absetzung von Sonderlasten für Seehäfen sowie für übermäßige Ausgaben aufgrund spezifischer Strukturbenachteiligung gestattet wird, signalisiert nicht minder deutlich die Fragwürdigkeit der gegenwärtigen Ländereinteilung. g) Die zu heterogene Struktur der einzelnen Länder wird auch in Zukunft zu ganz unterschiedlichen Belastungen führen und damit die Ausgleichsregelung erschweren. So „ist noch völlig offen, wie z. B.der Ausgleich der unterschiedlichen Belastung der Länder bei der Durchführung der Gemeinschaftsaufgabe . Verbesserung der Agrarstruktur und des Küsten-schutzes'aussehen soll. Die Stadtstaaten Hamburg und Bremen sowie auch Nordrhein-Westfalen und das kleine Saarland werden aufgrund ihrer einseitigen Wirtschaftsstruktur durch die Aufwendungen für die Land-und Forstwirtschaft viel geringer belastet als die anderen Länder, so daß sie zur Finanzierung dieser Aufgaben in den anderen Ländern mittelbar beitragen müßten"
Da das Finanzkraftgefälle zwischen den Ländern trotz spürbarer Verbesserungen zugunsten der finanzschwachen Länder auch nach der Finanzreform als zu groß angesehen wird, hat diese Reform der Forderung nach Neugliederung nichts von ihrem Gewicht nehmen können. Wäre das Resultat eine wesentlich bes-sere und zugleich ausgewogenere finanzielle Ausstattung der Länder, dann dürfte die Finanzreform mit gewissem Recht als Alternative zur Neugliederung bewertet worden sein — jedenfalls was die Zielsetzung der Erreichung von Ländern mit ausgewogener finanzieller Leistungsfähigkeit angeht. So aber muß man die Neugliederung — ganz im Gegenteil — als ergänzende Maßnahme betrachtert, die den Intentionen der Finanzreform erst richtig zum Erfolg verhelfen würde
Auf der Grundlage von Zahlen, die in dem Beitrag von Wick enthalten sind, wurden das Volumen des Finanzausgleichs und seine Auswirkungen für die finanzielle Ausstattung je Einwohner für vier Modelle einer neugegliederten Bundesrepublik errechnet; dabei ist der Trend der Auswirkung von Neugliederungmaßnahmen unverkennbar In allen vier Modellen (vgl. Übersicht E) bleiben Nordrhein-Westfalen und Bayern in ihrer jetzigen Form bestehen. Die Änderungen beziehen sich ihnen ist anzumerken, daß sie nicht genau mit den Zahlen aus den Finanzberichten übereinstimmen, die weiter oben verwendet bzw. zitiert wurden. Der Verfasser hat sich ihrer aus zwei Gründen dennoch bedient. Erstens machen sie nicht nur für bestehende Länder, sondern für einzelne Regionen, die bei der Mehrzahl der diskutierten Neugliederungs-Modelle eine Rolle spielen, Angaben. Zweitens kommt es hier allein darauf an, die Auswirkungen einer Neugliederung ganz generell sowie speziell einzelner Modelle auf den horizontalen Finanzausgleich und die Finanzkraft der Bundesländer zu verdeutlichen. Berechnungen mit etwas anderen Zahlen würden zur gleichen Aussage führen, was den Trend der Auswirkungen von Neugliederungsmaßnahmen betrifft. Man wird erwarten können, daß die Neugliederungs-Kommission für ihren Bericht genaue Berechnungen auf der Grund-aufden Norden — die vier norddeutschen Länder fusionieren (= Nord) oder es werden zwei neue Länder gebildet: Nordost aus Hamburg, Schleswig-Holstein und neun niedersächsischen Elbkreisen sowie Nordwest aus Bremen und dem restlichen Niedersachsen — und auf den Mittelwesten: Baden-Württemberg bleibt bestehen und Hessen fusioniert mit Rheinland-Pfalz und dem Saarland (= Mittelwest 1) oder Baden-Württemberg fusioniert mit dem Saarland und dem rheinland-pfälzischen Reg. -Bez. Pfalz (= Südwes t) und die Reg. -Bez. Koblenz/Trier und Rheinhessen/Montabaur kommen zu Hessen (= Mittelwest 2).
Aus Übersicht E ist folgendes zu entnehmen: — Das Volumen des Finanzausgleichs wird durch Neugliederungs-Maßnahmen erheblich reduziert, nämlich auf ein Drittel bis ein Viertel des in der jetzigen Struktur nötigen Umfangs.
— Der Unterschied in der Finanzkraft je Einwohner verringert sich erheblich gegenüber den jetzt bestehenden Divergenzen.
Eine Neugliederung wäre demnach zwei Hauptzielen der Finanzreform in höchstem Maße förderlich:
— Einmal würde das Finanzausgleichsvolumen schrumpfen; damit würde die Abhängigkeit weitgehend entfallen; mit erhöhter finanzieller Selbständigkeit wäre auch gegenseitigen Vorwürfen und Mißtrauen der Boden entzogen.
— Zum anderen würde der Finanzausgleich weiter intensiviert und damit die finanzielle Leistungsfähigkeit mit Blick auf die Zielsetzung „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" weiter angeglichen.
Unter diesen Aspekten erscheint die im Modell Nr. 4 dargestellte Lösung (mit einem großen Nordstaat und im Mittelwesten mit dem Anschluß von Pfalz und Saarland an Baden-Württemberg sowie dem Rest von Rheinland-Pfalz an Hessen) am optimalsten. Wick geht von einem anderen Modell aus (Bayern bleibt, im Norden werden zwei Staaten geschaffen, Nordrhein-Westfalen erhält das Saarland und den Regierungsbezirk Koblenz/Trier, Hessen den Regierungsbezirk Rheinhessen/Montabaur, Baden-Württemberg die Pfalz), das angesichts der aktuellen Diskussion kaum Realisierungschancen haben dürfte — insbesondere wegen der Erweiterung von Nordrhein-Westfalen —, sich aber, wie die Spalten 8 und 13 der Übersicht 1 (S. 110/111) ausweisen, im oben umrissenen Sinne auswirken würde
Es bleibt als Fazit festzustellen, daß die Finanzreform von 1969 nicht als Alternative zur Neugliederung verstanden werden kann. Vielmehr würde eine Neugliederung der Finanz-reform zu einer sehr viel besseren Wirksamkeit verhelfen. Eine erneute Reform der Finanzverfassung, mit der der Ausgleich zugunsten der jetzt bestehenden finanzschwachen Länder verbessert werden soll, erscheint angesichts des Widerstands der finanzstarken Länder (Hessen!) kaum realisierbar und kann daher ebenfalls nicht als Alternative zur Neu-gliederung gelten.
VIII. Neugliederungsmodelle
Abbildung 8
Modell 2: Bay + NRW + BaWü + Nord + Mittelwest 1 Einwohner (in Tausend) Steuerkraftmeßzahl Ausgleichsmeßzahl . . Überschüsse (+ ) Fehlbeträge (—).......... Fehlbeträge von 92bislOO°/o .............. bis 92 °/o ....................... Überschüsse von 100 bis 102% .............. von 102 bis 110% .... von über 110 % .......... Zuweisungen von 92 bis 100 % : 37, 5 % . . bis 92 %: 100% .... Beiträge von 102 bis 110% : 70% . . von über 110 % : 100 % Beiträge zusammen . . Steuer nach FA .......... DM je Einwohner 糧
Modell 2: Bay + NRW + BaWü + Nord + Mittelwest 1 Einwohner (in Tausend) Steuerkraftmeßzahl Ausgleichsmeßzahl . . Überschüsse (+ ) Fehlbeträge (—).......... Fehlbeträge von 92bislOO°/o .............. bis 92 °/o ....................... Überschüsse von 100 bis 102% .............. von 102 bis 110% .... von über 110 % .......... Zuweisungen von 92 bis 100 % : 37, 5 % . . bis 92 %: 100% .... Beiträge von 102 bis 110% : 70% . . von über 110 % : 100 % Beiträge zusammen . . Steuer nach FA .......... DM je Einwohner 糧
Obwohl als unbestritten gilt, daß das gesamte Bundesgebiet für eine Neugliederung zur Disposition steht, gehen praktisch alle Neugliederungspläne vom Weiterbestehen Bayerns und Nordrhein-Westfalens in ihrem jetzigen Umfang aus. In der Diskussion sind die künftige Grenzziehung im Norden und im Mittelwesten der Bundesrepublik. Dabei herrscht Konsens über die Notwendigkeit einer Gesamtlösung; eine Teil-Neugliederung, etwa auf den Mittelwesten beschränkt, scheidet damit als Möglichkeit so gut wie aus 1. Neugliederung im Norden Für die Neugliederung im Norden stehen zwei Alternativen zur Wahl. Eine Lösung wird mit der Fusion von Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen und Niedersachsen vorgeschlagen. Das sah ein Vorschlag des damaligen nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Meyers aus dem Jahre 1966 — er leitete mit zwei Vorschlägen im Winter 1965/66 den Reigen von Neugliederungsmodellen ein — ebenso vor wie wiederholte Vorstöße seines Nachfolgers Kühn, der für fünf Bundesländer plädiert: Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg bleiben unverändert, Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland fusionieren Dieses Modell bringe in Größe, Bevölkerungszahl und Finanzkraft ausgewogene Länder. Für das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner ergäben sich für 1969 folgende Werte: Nördliches Bundesland...................... 101, 7 °/o Westliches Bundesland.......................... 97, 0% Nordrhein-Westfalen ....................... 103, 6% Bayern ...................................................... 93, 0% Baden-Württemberg ........................... 100, 4% Die Finanzausgleichsmasse würde zudem auf ein Fünftel sinken.
Von den in erster Linie betroffenen norddeutschen Ländern findet dieses Modell eines norddeutschen Großlandes in Niedersachsen (Kubel abgeschwächt auch in Hamburg (Weichmann Befürworter. Kubel geht von der „unterschiedlichen Leistungsfähigkeit der Länder", von der „Ungerechtigkeit bei der Verteilung des Steueraufkommens", von der Mangelhaftigkeit des Finanzausgleichs, vom Ungenügen bloßer Selbstkoordination und Kooperation der norddeutschen Länder aus und sieht als einzigen „Ausweg aus diesem Dilemma: Eine parlamentarisch kontrollierte, zentrale Entscheidungsinstanz, die in der Lage ist, eine großräumige Entwicklungsplanung mit dem Ziel der dringend gebotenen Verbesserung der Infrastruktur zu treiben, und die eine schnelle und vollständige Verwirklichung der als notwendig erkannten Maßnahmen gewährleistet." Da ein norddeutsches Großland unter den Bedingungen der gültigen Finanz-verfassung mit seinem Steueraufkommen unter dem Bundesdurchschnitt liegen würde, sieht er, sofern der horizontale Finanzausgleich nicht „in absehbarer Zeit durch eine aufgabengerechte Verteilung der öffentlichen Finanzmittel" ersetzt würde, eine schematische Addition der jetzigen vier Länder als unzureichend an. Er befürwortet eine Arrondierung des nördlichen Bundeslandes, wenngleich er einräumt, daß auch die Addition als Kompromiß dem Status quo vorzuziehen sei und angestrebt werden sollte. In einer dem Thema Neugliederung gewidmeten Zusammenkunft Kubels mit Kühn am 3. September 1970 deutete auch dieser die Notwendigkeit von Grenzkorrekturen an Weichmann schließlich warf die ganz konkrete Frage auf, „ob die ertragreichen Länder wie Hessen und Nordrhein-Westfalen nicht nur sich Zuschlägen, sondern auch abtreten wollen". Kubel wie Weichmann dürften die Gebiete um Kassel, Minden, Herford, Bielefeld und Detmold im Auge haben.
Als wichtige Detailfragen, über die Einigkeit erzielt werden müßte, nannte Weichmann die Sonderrolle der Hansestädte (auf die im Zusammenhang mit der Haltung Bremens eingegangen wird) und das Hauptstadtproblem. Hier zeichnet sich ab, daß Hamburg wohl Metropole werden bzw. bleiben würde. Für dieses Groß-land plädiert, wie bereits erwähnt, auch Wagener
Das zweite Neugliederungsmodell, das auf den sogenannten Lüdemann-Plan von 1947 zurückgeht, sieht die Schaffung von zwei neuen Ländern vor: aus Hamburg, Schleswig-Holstein und einem Teil Nordniedersachsens, den Unterelbe-Gebieten, wird „Norddeutschland" (Lüdemann nannte es „Niederelbe"), aus Bremen und dem restlichen Niedersachsen „Nordwest" gebildet
Dieses Modell wurde vom schleswig-holsteinischen Ministerpräsident Lemke favorisiert Eine Fusion aller vier Länder würde den Richtbegriffen des Art. 29 I GG nicht entsprechen: „Hamburg und Bremen wahren als selbständige , Freie Hansestädte'eine eigene Tradition. Ein Bundesland, das von Flensburg bis nach Göttingen, Osnabrück und nach Leer in Ostfriesland reichte, würde heterogene, auseinanderstrebende wirtschaftliche Kräfte in sich tragen, von denen sich die einen stark nach Norden und Süden, die anderen nach Westen orientieren würden. Es wäre eine unorganische Zusammenfassung von Verwaltungsbezirken, mit 12 Mill. Einwohnern größer als Bayern und mit einer Fläche von über 64 000 qkm fast doppelt so groß wie Nordrhein-Westfalen." Die Fusion würde auch „keine positiven finanziellen Auswirkungen bei der Finanzverteilung nach der jetzigen Rechtslage" erbringen, was angesichts der im vorigen Kapitel aufgeführten Zahlenbeispiele sicher unzutreffend ist. „Wenn überhaupt" Neu-gliederung — Lemke verweist auf die stete Aufwärtsentwicklung des strukturell benachteiligten Schleswig-Holstein als selbständiges Land —, dann sei die Zweierlösung vorzuziehen. Seine Begründung („Niedersachsen würde 7 Mill. Einwohner behalten, das Bundesland an der , Niederelbe'würde mit 5 Mill. Einwohnern ein leistungsfähiges und organisches Bundesland sein, das vor allem auch die alte schleswig-holsteinische Sonderaufgabe als Brücke nach Skandinavien erfüllen könnte, wirtschaftlich aber auf Hamburg ausgerichtet wäre") erscheint wenig überzeugend (Niedersachsen bliebe gleichsam „Armenhaus" der Bundesrepublik) und verrät eher durchaus verständlichen schleswig-holsteinischen Egoismus (die durch Hamburg gesicherte Finanzkraft von „Niederelbe" käme dem Ziel Schleswig-Holsteins, den erfolgreichen Wachstumsprozeß sicherzustellen, entgegen). Ein weiterer Grund dürfte in der Furcht liegen, infolge der peripheren Lage „Anhängsel eines großen Gebildes" zu werden. Zweifellos würde Schleswig-Holstein mehr vom Zusammenschluß mit Hamburg allein profitieren; für den Norden insgesamt erscheint der Vorteil dieser Lösung fraglich.
Diese Äußerungen aus Schleswig-Holstein Hamburg und Niedersachsen lassen alle deutlich erkennen, daß man dort eine Neugliederung als wahrscheinlich kommen sieht und daher bestrebt ist, die eigenen Interessen — das gilt primär für Schleswig-Holstein und Niedersachsen, während Hamburg der Entwicklung ruhiger entgegensehen kann — rechtzeitig vor einer Weichenstellung zu artikulieren. Demgegenüber lehnt Bremen durch Bürgermeister Koschnick eine Neugliederung im norddeutschen Raum nach einem der beiden Modelle kategorisch ab und besteht auf bremischer Selbständigkeit Diese Selbständigkeit betreffe nicht mehr und nicht weniger als die „Existenzgrundlage" Bremens; sie sei der „Schlüssel zur Aufgabenerfüllung“. Bremen habe seine Aufgabe — Wahrnehmung der maritimen Interessen der Bundesrepublik — bisher erfolgreich erfüllt. Da es bei der Neugliederung im Kern um optimale Aufgabenerfüllung gehe, müsse Bremens Selbständigkeit gewahrt bleiben. Nur als selbständige Gebietskörperschaft nämlich könnten die für einen —mit den Rheinmündungshäfen in Konkurrenz stehenden — Seehafen unbedingt nötigen schnellen Entscheidungen bei freier Verfügung über die Finanzen getroffen wer-den. Bei einem Aufgehen in einem Flächenstaat wären die Voraussetzungen für optimale Funktionserfüllung als Seehafen nicht gegeben: der Hafen wäre nur mehr eine, nicht mehr die Aufgabe; Bremen wäre ohne ausreichende Finanzkraft; der Landtag des Flächenstaates wäre binnenländisch orientiert; Bremen mit seinem Hafen würde als Last empfunden; es wäre der Finanzhoheit eines primär agrarisch ausgerichteten Landes unterstellt; es würde das Zentrum fehlen, das die für die Weiterentwicklung und Behauptung der Stellung des Hafens nötigen Impulse gibt; Bremen könne nicht seine Funktion als Hafen erfüllen und gleichzeitig die durch die Fusion angestrebte finanzielle Stärkung des neuen Flächenstaates bewirken.
Wenn sich Koschnik in seiner Argumentation pro Selbständigkeit auf das Luther-Gutachten beruft, beweist das keinesfalls eine starke Position, denn es besteht Übereinstimmung darüber, daß dieses Votum für heutige Neugliederungsüberlegungen überholt ist. Seine Argumentation ist offensichtlich stärker gegen das Zusammengehen mit (Rest-) Niedersachsen als gegen die große Lösung gerichtet; bei einer Beteiligung Hamburgs könnte von binnenländischer und agrarischer Ausrichtung kaum — jedenfalls nicht in dominierendem Umfang — die Rede sein. Sicherlich wäre aber die Position als Metropole dahin. Die kleine Lösung würde finanziell eine Verschlechterung bringen, denn das Land würde der größte Zuweisungsempfänger. Daß die Funktion als Über-seehafen bei dieser Lösung in Frage gestellt wäre, ja nicht mehr erfüllt werden könnte, ist in dieser Pauschalität sicher nicht haltbar. „Die Ausgaben für Wasserstraßen und Häfen . . . betrugen 1967 in Hamburg knapp 4 % und in Bremen knapp 7 0/0 „der aus eigenen Mitteln zu deckenden Gesamtausgaben (Nettoausgaben) der Hansestädte“
Wicks Fazit: „Für die Haushalte der Hansestädte haben also die Hafenlasten ein ungleiches, aber kein erhebliches Gewicht“ Diese Sonderbelastung wird im Finanzausgleich berücksichtigt. Die Diskussion um die Finanzierung der Bremer Universität widerspricht im übrigen der Selbständigkeitsthese, wie sie etwa in folgender Aussage Koschnicks enthalten ist: „Allerdings werden wir uns auch nicht damit begnügen, über Fagen der Selbständigkeit zu theoretisieren. Wir werden uns vielmehr darum bemühen, in der täglichen Praxis zu zeigen, was Selbständigkeit für das Land Bremen — und auch für die Bundesrepublik — bedeutet..."
Hier sei angemerkt, daß parteipolitische Fronten für die Haltung zum Neugliederungskomplex offenbar — bisher — ohne Bedeutung waren: auch die oppositionelle Bremer CDU plädierte bisher für die Beibehaltung der Eigenständigkeit der beiden Hansestädte, zumindest, was den Hafen-und Schiffahrtsbereich angehe
Als Alternative zur Neugliederung propagiert Koschnick noch nach Einsetzung der Genscher-Kommission mehr Kooperation im norddeutschen Raum. Bevor überhaupt Neugliederungsüberlegungen angestellt und konkrete Pläne erörtert würden, müßten die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern neu geregelt und abgegrenzt werden. Mit dieser Auffassung setzt sich Koschnick in Gegensatz zu seinem Kollegen und Parteifreund Kühn, der einer Neugliederung „Vorrang vor eventuellen weiteren Änderungen der Kompetenzordnung" einräumt. Sein Befund: „Die Aufgaben, die das GG den Ländern zuweist, sind ihnen zugeordnet, als ob sie bereits zu dieser Leistungsform neugegliedert seien." Gerade Bremen und seine Universität sind für Kühn Beleg für die Richtigkeit seiner These: die Finanzen für Bau und laufende Ausgaben seien „nur durch eine akrobatische Mischfinanzierung Bremen—Bund—Länder aufzubringen, bei der die . Kulturhoheit der Länder'auf der Strecke bleibt. Denn Hineinfinanzieren heißt auch Hineinentscheiden", und später: „Verfassungsrechtliche Kompetenz wird zu finanz-wirklicher Inkompetenz."
Zusammenfassend verstärkt sich der Eindruck, daß Bremen aus der Defensive argumentiert. Daß es bei diesem Rückzugsgefecht Erfolg haben, also als selbständiges Bundesland bestehenbleiben könnte, erscheint außerordentlich unwahrscheinlich und wäre für die Zukunft des bundesrepublikanischen Föderalismus, wie viele es sehen, eine Niederlage.
Ministerpräsident Lemke bereicherte die Diskussion um ein weiteres Modell, als er die Prüfung der Überlegung forderte, „das gesamte Küstengebiet von Emden bis Flensburg zu einem Bundesland . Norddeutsche Küste'zusammenzuschließen" Zum Schicksal des übrigen Raumes äußerte er sich nicht. Da die-ses Modell — soweit das übersehen, werden kann — von keiner Seite aufgegriffen wurde, ist davon auszugehen, daß es keine Rolle mehr spielen wird. Die Beschränkung auf den Küstenraum würde dem Ziel ausgewogener Struktur neuer Bundesländer auch kaum entsprechen, was bei den anderen beiden Modellen eher der Fall ist. 2. Neugliederung im Mittelwesten Ausgangspunkt aller Neugliederungsüberlegungen für den Mittelwesten war (und ist) die Überzeugung, daß Rheinland-Pfalz und das Saarland zur selbständigen Aufgabenerfüllung als Gliedstaaten (trotz Finanzausgleich) nicht fähig sind. Aussagen aus diesen Ländern, sie könnten durchaus als selbständige Einheiten weiterexistieren wo sie doch die überaus schwere Anfangszeit (Rheinland-Pfalz als recht willkürlich zusammengewürfeltes Gebilde, das Saarland mit der späteren Eingliederung in die Bundesrepublik) erfolgreich bewältigt und dabei eine stete Aufwärtsentwicklung aufzuweisen hätten, haben — wie gleich-gerichtete Feststellungen aus Kiel — taktische Funktion: Man will keinesfalls Spielball der Neugliederungsinteressen anderer sein, sondern bei der Entscheidung über die künftige Struktur angemessen mitwirken und dabei eigene Interessen zur Geltung bringen. Es geht jedoch nicht nur um die Zugehörigkeit dieser beiden Länder; zentraler Orientierungspunkt, der in fast allen Modellen irgendwie berücksichtigt wird, ist die Einheit von zusammenhängenden Wirtschaftsräumen. Unter diesem Aspekt können zwei Modellen kaum Realisierungschancen eingeräumt werden, da sie Ballungsräume erneut durch Ländergrenzen durchschneiden. Beide Modelle sehen die Fusion mit Rheinland-Pfalz und dem Saarland vor: einmal ist Hessen der Partner (so Ministerpräsident Kühn und die FDP-BundestagsFraktion ein anderes Mal Baden-Württemberg Die Lösung mit Hessen würde den Rhein-Neckar-Raum und das Gebiet Karls-245) ruhe-Ettlingen getrennt halten; die Lösung mit Baden-Württemberg den Rhein-Main-Raum.
Was wohl allein für diese beiden Modelle spricht, ist, daß Rheinland-Pfalz ungeteilt seine Landeszugehörigkeit ändern würde. Das käme einmal der Tatsache der Integration der verschiedenen Teile des Landes entgegen und würde zum anderen — der Meinung Kühns zufolge — den Um-und Eingliederungsprozeß erleichtern. Beides wiegt jedoch die Nachteile der Zerreißung zusammengehörender Regionen in keiner Weise auf.
So werden an der Neugliederungs-Börse gegenwärtig ernsthaft nur noch Modelle gehandelt, die eine Aufteilung von Rheinland-Pfalz vorsehen oder die wenigstens die Addition bestehender Länder mit einer Neuordnung von Grenzbereichen verbinden.
Eines dieser Modelle wurde im September 1969 vom baden-württembergischen Innenminister Krause vorgeschlagen Es sieht vor, Baden-Württemberg das Saarland und die Pfalz sowie den südhessischen Zipfel um Lampertheim und Viernheim zuzuordnen (neues Land „Südwest"); die übrigen Teile von Rheinland-Pfalz, also die Bezirke Koblenz Trier, sowie Rheinhessen/Montabaur, sollen mit Hessen vereinigt werden (neues Land „Mittelwest").
Krause begründet dieses Modell mit gewichtigen Argumenten:
— Die Ballungsgebiete Rhein-Main, Rhein-Neckar und Karlsruhe-Ettlingen sind nicht länger durchschnitten.
— Es würden Länder entstehen, die in Größe und Leistungskraft wesentlich ausgeglichener wären: das Einwohnergefälle gegenüber Nordrhein-Westfalen würde von 15 : 1 auf 2 : 1 reduziert, die Differenz des Bruttoinlandsprodukts je Einwohner würde halbiert Dieses Modell kommt somit den Kriterien von Art. 29 GG durchaus entgegen, was bei bloßer Addition bestehender Länder nicht der Fall wäre. Dennoch gab es, neben Zustimmung, auch kritische Einwände. Obwohl mit der Überwindung der Rheingrenze im Prinzip einverstanden, kritisierten Kohl und Filbinger die „Planhybris führender SPD-Politiker" womit auch Krause gemeint war; sie hielten es für verfrüht, sich vor Veröffentlichung der Ergebnisse der Genscher-Kommission öffentlich auf konkrete Modelle festzulegen. Filbinger unterstrich das in Rheinland-Pfalz erwachsene Zusammengehörigkeitsgefühl, das man zunächst zur Kenntnis zu nehmen habe und nicht von außerhalb zerstören könne. Auch müßten die engen Bindungen zwischen dem Saarland und der nichtpfälzischen Region um Trier berücksichtigt werden Wenn es zutrifft, daß sich das Gebiet um Trier (Hunsrück und Eifel) zu einer „Kernregion derEWG" entwickelt wird man in diesem Hinweis Filbingers die Anmeldung eines durchaus verständlichen Anspruchs des Südweststaats sehen können. Kultusminister Vogel aus Rheinland-Pfalz wendet ein, bei einer Realisierung des Krause-Modells würden das Einzugsgebiet der Firma BASF durchschnitten und der neugeschaffene Regierungsbezirk Rheinhessen-Pfalz (dem wirtschaftlichen Zusammenwachsen gebühre gegenüber der historischen Grenze Vorrang) erneut auseinandergerissen
Wenn der Heidelberger Oberbürgermeister Zundel und die CDU-Fraktion im Raumordnungsverband Rhein-Neckar unterstreichen daß Rhein-Main-und Rhein-Neckar-Raum immer mehr aufeinander zuwachsen und infolgedessen möglichst nicht durch Grenzen getrennt werden sollten, zeichnet sich als weiteres Modell eine Mammut-Lösung durch Fusion der vier südwestdeutschen Länder ab. Da dies — der ausgewogenen Größenordnung wegen — auch im Norden die große Lösung fordern würde, gäbe es am Ende nur noch vier Länder, was gegenwärtig aber offensichtlich nicht vorrangig betrieben wird.
Vom gleichen Standpunkt — Ablehnung einer Trennung eng aufeinander bezogener und miteinander verbundener Ballungsgebiete — argumentiert der Geschäftsführer des Raumordnungsverbandes Rhein-Neckar, Becker-Marx.
Er kommt allerdings zu einer gegenüber der Addition der bisherigen vier Länder differenzierteren Lösung und fordert die Bildung eines Landes „Südrhein" (analog „NordrheinWestfalen), das die gesamte Rheinfront einschließlich den benachbarten Ballungsgebieten (Saarland und der größte Teil von Württemberg) zusammenfaßt. Das baden-württembergische Gebiet jenseits der Schwäbischen Alb tendiere hingegen zur schwäbisch-bayerischen Hochebene. Das im nördlichen Hessen gelegene Zonengrenzland stehe in starker struktureller Spannung zum Süden. Diese Peripher-Räume müßten im Rahmen einer Neugliederung zur Disposition gestellt werden. Becker-Marx begründet sein Konzept mit den wirtschaftlichen und verkehrsmäßigen Verflechtungen zwischen den Räumen der südlichen Rheinschiene sowie mit dem Blick auf die Entwicklung innerhalb der EWG („die einheitliche europäische Entwicklungslandschaft des Oberrheins setzt aber die einheitliche politische Struktur voraus"). Unter eben diesem Aspekt ist jedoch — gegen Becker-Marx — eine eventuelle Isolierung Bayerns abzulehnen und das übergreifen Baden-Württembergs in den Raum jenseits der Alb zu begrüßen, ja zu fordern. Den Zielsetzungen des Art. 29 GG ist auch die strukturelle Spannung, als Vielfalt verstanden, des jetzigen Landes Hessen durchaus adäquat; ein „Abhängen" struktur-schwächerer Gebiete scheint den Intentionen der Neugliederungsdiskussion kaum zu entsprechen. Entscheidend dürfte sein, daß eigentliche Ballungsgebiete entlang des Rheins nicht jeweils in sich von Ländergrenzen zerrissen End damit in ihrer Entwicklung gehemmt werden. Die Zugehörigkeit beispielsweise des Rhein-Main-und des Rhein-Neckar-Raumes zu zwei verschiedenen Gebietskörperschaften würde ihre Entwicklung nicht blockieren.
Zum sogenannten Krause-Modell gibt es eine hessische Alternative, die gleichfalls die Über-windung der Rheingrenze vorsieht. Dieses „Osswald-Modell", das seit Anfang 1970 propagiert wird, will eine Vereinigung von Rheinland-Pfalz und dem Saarland mit Hessen sowie folgende drei Strukturanpassungen: der nordbadische Raum um Heidelberg/Mannheim und das auf Frankfurt ausgerichtete bayerische Gebiet um Aschaffenburg werden einbezogen, die Eifel (als „Arbeitskräftereservoir für die nordrhein-westfälische Industrie" und als „traditionelles Freizeit-und Erholungsgebiet der im Raum Köln/Bonn ansässigen Bevölkerung" sowie wegen historischer Bindungen) sollte Nordrhein-Westfalen angegliedert werden Dagegen erhob sich vor allem aus Baden-Württemberg (Filbinger und Krause) Widerstand. Mit der Feststellung, Baden-Württemberg sei „ja bereits das Ergebnis einer vorweggenommenen Länderneuordnung“ und dem Hinweis auf die Bestätigung des Landes durch „das überwältigende Ergebnis der nochmaligen Volksabstimmung vom Sommer 1970" („eine eindrucksvolle demokratische Bestätigung seines Fortbestandes") wies Filbinger das Konzept seines hessischen Amtskollegen zurück
Was die bayerische Position angeht, so wird erklärt, die Bayerische Staatsregierung gehe davon aus, „daß das bayerische Staatsgebiet von einer Neugliederung unberührt bleibt. Gebietsänderungen auf Kosten Bayerns werden abgelehnt" Allerdings läßt die ergänzende Erläuterung — „die Frage der Neu-gliederung (sollte) nicht mit den Fragen einzelner Grenzkorrekturen, die sich u. U. als zweckmäßig erweisen könnten, verwechselt werden" — einen gewissen Spielraum; dabei ist die Grenze zwischen Neugliederungsmaßnahmen und Grenzkorrekturen zunächst einmal bewußt offengelassen. Kohl bezeichnete das Osswald-Modell, als es im April 1971 zusammen mit drei Alternativen ganz offiziell präsentiert wurde als „schlicht und einfach abwegig" während Filbinger mit den Worten „die schlechteste aller Lösungen" bei seiner Ablehnung blieb.
Die drei Alternativen, die Osswald hier ergänzend vorlegte geben Überlegungen wieder, die zu seinem und zu Krauses Modell angestellt wurden:
Alternative 1:
Fusion von Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland, aber ohne den Raum Mannheim/Ludwigshafen und die Pfalz, die Baden-Württemberg zugeordnet werden.
Alternative 2:
Angliederung von Pfalz und Saarland an Baden-Württemberg, der Eifel an Nordrhein-Westfalen und Fusion des restlichen Rheinland-Pfalz mit Hessen.
Alternative 3:
Angliederung von Pfalz und Saarland an Baden-Württemberg, der ehemaligen Regierungsbezirke Rheinhessen und Montabaur an Hessen und der ehemaligen Regierungsbezirke Koblenz und Trier an Nordrhein-Westfalen.
Angesichts dieser Vielfalt von Modellen — im Gegensatz zur Situation in Norddeutschland — wird es interessant sein zu sehen, ob (und wenn ja, mit welcher Begründung) das Neugliederungs-Gutachten der Genscher-Kommission eine Lösung favorisiert oder ob Alternativen nebeneinander gestellt werden.
IX. Auswirkungen einer Neugliederung und ihre Bedeutung für eine Verfahrensstrategie
Abbildung 9
Modell 3: Bay + Nordost + Südwest +NRW + Nordwest + Mittelwest 2 Einwohner (in Tausend) Steuerkraftmeßzahl Ausgleichsmeßzahl .. Überschüsse (+) Fehlbeträge (—).......... Fehlbeträge von 92 bis 100 °/o ............... Überschüsse von 100 bis 102 °/o.............. von 102 bis 110 °/o .... von über 110 °/o.......... Zuweisungen von 92 bis 100 % : 37, 5’/o .. bis 92% : 100% .... Beiträge von 102 bis 110% : 70% . . von über 110 % : 100 % Beiträge zusammen .. Steuer nach FA .......... DM je Einwohner .... in % de糧
Modell 3: Bay + Nordost + Südwest +NRW + Nordwest + Mittelwest 2 Einwohner (in Tausend) Steuerkraftmeßzahl Ausgleichsmeßzahl .. Überschüsse (+) Fehlbeträge (—).......... Fehlbeträge von 92 bis 100 °/o ............... Überschüsse von 100 bis 102 °/o.............. von 102 bis 110 °/o .... von über 110 °/o.......... Zuweisungen von 92 bis 100 % : 37, 5’/o .. bis 92% : 100% .... Beiträge von 102 bis 110% : 70% . . von über 110 % : 100 % Beiträge zusammen .. Steuer nach FA .......... DM je Einwohner .... in % de糧
Eine Neugliederung des Bundesgebiets wird eine Reduzierung der Zahl der Länder, wahrscheinlich auch Grenzkorrekturen zur Folge haben. Das bedeutet eine „Neuverteilung politischer Macht" sei es, daß bestimmte Äm-ter und Positionen ganz wegfallen, sei es, daß politische Machtpositionen verlagert werden und ein neues Gefüge entsteht. Eine solche Perspektive mobilisiert Interessen und Widerstände: Wer als Folge einer Neugliederung Besitzstand zu verlieren droht, wird sich dagegen stemmen bzw. um Kompensation bemühen; wenn ein neues Gefüge entsteht, werden die politischen Akteure darauf achten, gegenüber der bisherigen Gewichtsverteilung nicht ins Hintertreffen zu geraten. Für die Entwicklung einer Verfahrensstrategie zur Durchsetzung der Neugliederung ist demnach die Kenntnis solcher Interessen und Widerstände unerläßlich. Nur wenn sie angemessen berücksichtigt werden, ist mit einem Konsens in der Neugliederungsfrage zu rechnen. Im folgen-262) den sollen sie aufgeführt werden, ohne daß im Rahmen dieser Darstellung eine eingehende Erörterung jedes einzelnen Bereichs möglich wäre
Im Vordergrund steht zweifellos die Frage nach den Wirkungen auf die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat. Schnur nannte 1968 die diesbezügliche Ungewißheit einen „der Hauptgründe dafür, daß bisher . . . die Neu-gliederung des Bundesgebiets vom Bund aus nicht vorangetrieben worden ist" F. Schäfer erklärt die frühere Zurückhaltung sehr viel direkter mit „der nüchternen Rechnung von Adenauer ..der sich ausrechnete, daß ihm dann möglicherweise vier Stimmen von Rheinland-Pfalz nicht mehr sicher sein werden“. Schäfer beurteilt es im übrigen als durchaus legitim, sich nicht unnötig im Bundesrat Schwierigkeiten zu verschaffen, wenn man im Bundestag die Mehrheit hat
Der Stellenwert dieses Arguments ist nicht geringer geworden. Seitdem der SPD-FDP-Koalition in Bonn im Bundesrat keine Mehrheit mehr sicher ist — wenn sich nämlich Baden-Württemberg (Große Koalition, aber CDUübergewicht) auf die Seite der CDU/CSU-regierten Länder schlägt —, wird dem Bundesrat verstärkte Aufmerksamkeit geschenkt. Laufer konstatiert zwar für die Zeit bis Sommer 1970, „daß die CDU/CSU-geführten Landesregierungen ihre Stimmenmehrheit bei der Ausübung der verfassungsrechtlichen Kompetenzen des Bundesrats bisher nicht als Oppositionsinstrument ausgenutzt haben" Das wird man nach den Erfahrungen eines weiteren Jahres so nicht mehr sagen können. Die Anrufung des Vermittlungsausschusses durch die CDU/CSU-Bundesrats-Mehrheit wegen des Städtebauförderungsgesetzes und des Rentenanpassungsgesetzes ist teilweise scharf als Mißbrauch des Bundesrates durch die CDU/CSU-Opposition kritisiert worden und hat zu Überlegungen zur Rolle des Bundesrates und der parteipolitischen Ausrichtung seiner Arbeit geführt Auch die Frage des Mit-spracherechts des Bundesrates zu den Ostverträgen spielt für diese Diskussion eine bedeutende Rolle
Auf diesem Hintergrund wird es verständlich, wenn nach den Mehrheitsverhältnissen im Bundesrat, verursacht durch verschiedene Neugliederungs-Modelle, gefragt wird, überschlägige Berechnungen kommen zu dem Ergebnis, daß kaum nennenswerte Verschiebungen zu erwarten sind; so resümierte Krause: keine Partei könne einen Vorteil erwarten, der über 1% hinausgehe Diese Ansicht ist, wie genauere Berechnungen für die verschiedenen Neugliederungs-Modelle zeigen dürften270a), viel zu optimistisch; manche Modelle dürften gravierende Verschiebungen ermöglichen. Auf den Neugliederungselan der betroffenen Partei (en) im allgemeinen und die Realisierungschancen einzelner Modelle wird das nicht ohne Folgen bleiben.
Ebenso wie im Bundesrat können sich durch eine Neugliederung „überall dort, wo der föderative Aspekt in Bundesorganen verfestigt ist", Änderungen ergeben; so z. B. in der Bundesversammlung oder bei der Wahl der Richter zum Bundesverfassungsgericht Die Veränderung des Kräfteverhältnisses ist allerdings in all diesen Fällen gleich — entsprechend der Relation im Bundesrat. Veränderungen sind auch für Ländereinrichtungen, wie etwa Konferenz der Ministerpräsidenten oder Kultusministerkonferenz, sowie für Gremien, deren Besetzung von Länderseite mitbestimmt wird, zu erwarten Eine Reduzierung der Länderzahl wird Überlegungen hinsichtlich der Zusammensetzung von Gremien erforderlich machen, die Bundestag und Bundesrat gemeinsam bilden. Konnte man — bei elf Ländern und der jetzigen Konstellation im Bundestag — bisher die elf Bundestags-Vertreter nach dem Schlüssel 5 (CDU/CSU) : 5 (SPD) : 1 (FDP) benennen, würden bei einem Fünfer-oder Sechser-Modell Schwierigkeiten auftreten; ein Schlüssel 2: 2: 1 könnte als Überrepräsentation der FDP abgelehnt werden.
Eine Reihe von Institutionen und Verbänden lehnt sich organisatorisch an bestehende Länder an. Folgt man der durch die Neuordnung geschaffenen neuen Einteilung, ergeben sich verschiedenartige Folgen:
— Einzelne Bundesbehörden, entsprechend den Ländergrenzen organisiert, würden verschwinden; falls der Standort verlagert würde, wären die Bediensteten ebenfalls betroffen.
— Folgen politische Parteien in ihren territorialen Organisationsformen einer Neueinteilung, so „ist zweifellos damit zu rechnen, daß sich innerhalb der Partei die Machtverhältnisse nicht unbeträchtlich verschieben werden" Bei einer Fusion von Hessen, Saarland und Rheinland-Pfalz würde in einem einheitlichen CDU-Landes-verband ein Führungskampf zwischen Kohl und Dregger entschieden werden müssen. Das Ergebnis könnte die Gewichte und die Ausrichtung der (Gesamt-)
Partei unterschiedlich beeinflussen. Diese Überlegung läßt sich sicher auch für die norddeutsche SPD anstellen.
— Auch die Rundfunkgliederung würde von einer territorialen Neuordnung berührt.
Das ist ganz deutlich an den Überlegungen zu einer Rundfunkneuordnung im deutschen Südwesten abzulesen. Mit dem Hinweis auf die für die nächsten Jahre zu erwartende Länderneugliederung haben die südwestdeutschen Ministerpräsidenten die in Aussicht genommene Straffung des Rundfunkwesens zunächst zurückgestellt und für die Übergangszeit eine stärkere Kooperation der bestehenden drei Anstalten anvisiert
— Von einer Neugliederung würden auch das Kammerwesen sowie zahlreiche Verbände und Organisationen berührt Dabei würden organisatorische Anpassungen für eine Reihe von Amtsträgern den Verlust ihrer Position bedeuten.
Damit ist ein Komplex angesprochen, der auch außerhalb von Verbänden eine wichtige Rolle spielen dürfte. Eine Reduzierung der Zahl der Länder bedeutet den Wegfall einer Reihe von Positionen: nicht alle Landesminister, höhere Beamte und Abgeordnete werden in ihrer Position verbleiben, nicht alle durch vergleichbare entschädigt werden. Aber nicht nur Personen droht ein Status-Verlust und eine gewisse Einbuße an Rang und Bedeutung, auch manche Metropole wird ihre herausgehobene Stellung verlieren.
Eine Verfahrensstrategie wird die durch Veränderungen tangierten Interessen — wie eingangs bemerkt — angemessen zu berücksichtigen haben. Was das im einzelnen bedeuten kann, soll abschließend kurz angedeutet werden.
Widerstände im personalpolitischen Bereich lassen sich ggf. dann vermeiden oder stark abmildern, wenn ein Konzept entwickelt wird, mit dessen Hilfe „jedenfalls die wichtigsten Interessen materiell halbwegs zu befriedigen" wären Da der Verlust von Rang und Bedeutung politischer Positionen oder des Status von Metropolen materiell kaum befriedigend kompensiert werden kann, muß hier nach anderen Wegen gesucht werden. Die Anregung, eine solche Kompensation durch Aus-oder Aufbau von Mittelinstanzen („Provinzen") zu bewerkstelligen, verdient Beachtung und Prüfung
Der Vorschlag Schnurs, für den Bundesrat Übergangslösungen in der Form zu finden, „daß die Stimmen bei den neuen Ländern so verteilt werden, zumindest für eine Übergangszeit von fünf bis zehn Jahren oder bis zur nächsten oder übernächsten Bundestagswahl oder den entsprechenden Landtagswahlen, daß nicht automatisch als Folge der Neu-gliederung ein Bergrutsch im Bundesrat stattfindet" ist kaum praktikabel.
Die Stimmenverteilung müßte vor irgendwelchen Wahlen festgelegt werden und Wahlergebnisse könnten die Intentionen dieser an eine Manipulation grenzenden Maßnahme über den Haufen werfen. Damit bleibt aber die Frage, wie ein Konsens zwischen den Parteien über ein Neugliederungsmodell zu erzielen ist. Man wird sich, sofern der Aspekt der parteipolitischen Mehrheiten zentral ist, auf ein Modell einigen müssen, das entweder das bestehende Kräfteverhältnis in etwa zu erhalten verspricht oder das allen Beteiligten Chancengleichheit garantiert — wovon man sich durch genaue Berechnungen zu überzeugen hätte. Allerdings: Da sich immer wieder gravierende Änderungen in den Mehrheitsverhältnissen durch Änderung der Präferenz seitens der Wähler einstellen können, das Wählerverhalten aber nicht exakt vorausberechenbar ist, kann es hier für keine Partei Sicherheit geben.
Um möglichst wenig Interessenverletzungen herbeizuführen, schlägt Schnur als Maxime ein Neugliederungskonzept vor, „nicht zu viele Grenzen zu zerschneiden, weil auf diese Weise der Umstellungsprozeß viel tiefer schneidet, als wenn en bloc Einheiten zusammengefügt werden sollen" Einerseits klingt es zwar plausibel, hier Pragmatismus zu empfehlen, andererseits stellt sich aber gleich die Frage, ob dieser Pragmatismus nicht zielgerechte Lösungen verbauen würde.
Da für eine Neugliederungsentscheidung letztlich eine Mehrheit gebraucht wird, kommt den politischen Parteien wohl die wichtigste Rolle zu. Das spiegeln Aussagen von Politikern über die Bildung von Parteigremien, die sich mit dem Neugliederungskomplex beschäftigen sollen ebenso wider wie bereits erfolgte Zusammenkünfte auf Parteiebene über Ländergrenzen hinweg Daß dabei innerhalb einzelner Parteien durchaus gegensätzliche Standpunkte vertreten werden, zeigt die Gegenüberstellung der Pläne von Krause und Osswald oder die Übereinstimmung der bremischen SPD und CDU.
Eine zweite wichtige Ebene der Willensbildung neben den Parteien sind die bestehenden Bundesländer. Diese haben sich auf die Bildung einer eigenen Länder-Kommission zur Neu-gliederung geeinigt, die die Genscher-Kommission unterstützen soll Aus der Klage Osswalds vom April 1971, es sei bedauerlich, daß diese Länder-Kommission noch nicht mit der Arbeit begonnen habe läßt sich der Schluß ziehen, daß von den Ländern, da sie doch überwiegend von Neugliederungsmaßnahmen betroffen sind, kaum ein Konsens zu erwarten ist.
Zum Abschluß soll ein Ausblick auf das weitere Procedere versucht werden. Nachdem bisher schon eine Reihe von Standpunkten, Grundsätzen und Interessen, ja Ansprüchen artikuliert und konkrete Modelle vorgelegt wurden, wird ein erster entscheidender Einschnitt der Diskussion mit der Vorlage des Gutachtens der Genscher-Kommission erreicht sein. Diese Kommission bereist augenblicklich die Bundesrepublik, um Informationen zu sammeln. Wie der Vorsitzende, Prof. Ernst, dabei in Baden-Württemberg erklärte, will die Kommission auf der Basis dieser Informationen konkrete Vorschläge entwickeln. Diese würden dann in einer zweiten Runde mit den Ländern erörtert, bevor die Kommission ihren endgültigen Bericht ausarbeite und vorlege Als Termin hierfür wird das Frühjahr 1972 genannt.
Es wäre dann Aufgabe der Bundesregierung, sich ihrerseits zu entscheiden und das Neugleiderungsverfahren durch Gesetzesinitiative formell in Gang zu bringen. Die Bundesregierung wird dabei auf Reaktionen zum Kommissionsgutachten einzugehen haben, und sei es durch begründete Ablehnung einzelner Stimmen. Ob eine Entscheidung des Gesetz-gebers noch in der laufenden Legislaturperiode zu erwarten ist und ob gar das gesamte Neugliederungsverfahren — jedenfalls die Weichenstellung — bis zum Herbst 1973 erhofft werden kann, darüber gehen die Ansichten auseinander. Nach den Erfahrungen mit der Finanzreform dürfte 1973 ein optimistischer, aber wohl unrealistischer Termin sein. Die Entscheidung als solche wird für die Zukunft der föderativen Ordnung der Bundesrepublik richtungweisend sein
Anhang
Abbildung 10
Modell 4: Bay + Nord + NRW + Südwest + Mittelwest 2 Einwohner (in Tausend) Steuerkraftmeßzahl Ausgleichsmeßzahl . . Überschüsse (+) Fehlbeträge (—).......... Fehlbeträge von 92 bis 100 °/o .............. bis 92 0/0 ....................... Überschüsse von 100 bis 102 °/o.............. von 102 bis 110 °/o .... von über 110 °/o .......... Zuweisungen von 92 bis 100 % : 37, 5 °/o .. bis 92 0/0 : 100 % .... Beiträge von 102 bis 110% : 70 °/o .. von über 110 % : 100 °/o Beiträge zusammen .. Steuer nach FA .......뒈ٝ
Modell 4: Bay + Nord + NRW + Südwest + Mittelwest 2 Einwohner (in Tausend) Steuerkraftmeßzahl Ausgleichsmeßzahl . . Überschüsse (+) Fehlbeträge (—).......... Fehlbeträge von 92 bis 100 °/o .............. bis 92 0/0 ....................... Überschüsse von 100 bis 102 °/o.............. von 102 bis 110 °/o .... von über 110 °/o .......... Zuweisungen von 92 bis 100 % : 37, 5 °/o .. bis 92 0/0 : 100 % .... Beiträge von 102 bis 110% : 70 °/o .. von über 110 % : 100 °/o Beiträge zusammen .. Steuer nach FA .......뒈ٝ
Art. 18 der Weimarer Reichsverfassung
Abbildung 11
Vorschlag Krause Vorschlag Osswald
Vorschlag Krause Vorschlag Osswald
Anlage 1 (1) Die Gliederung des Reiches in Länder soll unter möglichster Berücksichtigung des Willens der beteiligten Bevölkerung der wirtschaftlichen und kulturellen Höchstleistung des Volkes dienen. Die Änderung des Gebiets von Ländern und die Neubildung von Ländern innerhalb des Reiches erfolgen durch verfassungsänderndes Reichsgesetz.
(2) Stimmen die unmittelbar beteiligten Länder zu, so bedarf es nur eines einfachen Reichsgesetzes.
(3) Ein einfaches Reichsgesetz genügt ferner, wenn eines der beteiligten Länder nicht zustimmt, die Gebietsänderung oder Neubildung aber durch den Willen der Bevölkerung gefordert wird und ein überwiegendes Reichs-interesse sie erheischt.
(4) Der Wille der Bevölkerung ist durch Abstimmung festzustellen. Die Reichsregierung ordnet die Abstimmung an, wenn ein Drittel der zum Reichstag wahlberechtigten Einwohner des abzutrennenden Gebiets es verlangt. (5) Zum Beschluß einer Gebietsänderung oder Neubildung sind drei Fünftel der abgegebenen Stimmen, mindestens aber die Stimmenmehrheit der Wahlberechtigten erforderlich. Auch wenn es sich nur um Abtrennung eines Teiles eines preußischen Regierungsbezirkes, eines bayerischen Kreises oder in anderen Ländern eines entsprechenden Verwaltungsbezirkes handelt, ist der Wille der Bevölkerung des ganzen in Betracht kommenden Bezirkes festzustellen. Wenn ein räumlicher Zusammenhang des abzutrennenden Gebiets mit dem Gesamtbezirke nicht besteht, kann auf Grund eines besonderen Reichsgesetzes der Wille der Bevölkerung des abzutrennenden Gebiets als ausreichend erklärt werden. (6) Nach Feststellung der Zustimmung der Bevölkerung hat die Reichsregierung dem Reichstag ein entsprechendes Gesetz zur Beschlußfassung vorzulegen. (7) Entsteht bei der Vereinigung oder Abtrennung Streit über die Vermögensauseinandersetzung, so entscheidet hierüber auf Antrag einer Partei der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich.
Anlage 2
Gegenüberstellung von Artikel 29 GG alter und neuer Fassung
Artikel 29 GG in der bis zum 23. August 1969 gültigen Fassung (1) Das Bundesgebiet ist unter Berücksichtigung der landsmannschaftlichen Verbundenheit, der geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge, der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit und des sozialen Gefüges durch Bundesgesetz neu zu gliedern. Die Neugliederung soll Länder schaffen, die nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können. (2) In Gebietsteilen, die bei der Neubildung der Länder nach dem 8. Mai 1945 ohne Volksabstimmung ihre Landeszugehörigkeit geändert haben, kann binnen eines Jahres nach Inkrafttreten des Grundgesetzes durch Volksbegehren eine bestimmte Änderung der über die Landeszugehörigkeit getroffenen Entscheidung gefordert werden. Das Volksbegehren bedarf der Zustimmung eines Zehntels der zu den Landtagen wahlberechtigten Bevölkerung. Kommt das Volksbegehren zustande, so hat die Bundesregierung in den Gesetzentwurf über die Neugliederung eine Bestimmung über die Landeszugehörigkeit des Gebietsteiles aufzunehmen. (3) Nach Annahme des Gesetzes ist in jedem Gebiete, dessen Landeszugehörigkeit geändert werden soll, der Teil des Gesetzes, der dieses Gebiet betrifft, zum Volksentscheid zu bringen. Ist ein Volksbegehren nach Absatz 2 zustande gekommen, so ist in dem betreffenden Gebiete in jedem Falle ein Volksentscheid durchzuführen. (4) Soweit dabei das Gesetz mindestens in einem Gebietsteil abgelehnt wird, ist es erneut bei dem Bundestag einzubringen. Nach erneuter Verabschiedung bedarf es insoweit der Annahme durch Volksentscheid im gesamten Bundesgebiete. (5) Bei einem Volksentscheide entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. (6) Das Verfahren regelt ein Bundesgesetz Die Neugliederung soll vor Ablauf von drei Jahren nach Verkündung des Grundgesetzes und, falls sie als Folge des Beitrittes eines anderen Teiles von Deutschland notwendig wird, innerhalb von zwei Jahren nach dem Beitritt geregelt sein. (7) Das Verfahren über jede sonstige Änderung des Gebietsbestandes der Länder regelt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates und der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages bedarf *).
Artikel 29 GG in der seit dem 23. August 1969 gültigen Fassung (vgl. BGBl. 1969 I S. 1241 f.) (1) Das Bundesgebiet ist unter Berücksichtigung der landsmannschaftlichen Verbundenheit, der geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge, der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit und des sozialen Gefüges durch Bundesgesetz neu zu gliedern. Die Neugliederung soll Länder schaffen, die nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können. In Gebietsteilen, die bei der Neubildung der Länder nach dem 8. Mai 1945 ohne Volksabstimmung ihre Landeszugehörigkeit geändert haben, kann binnen eines Jahres nach Inkrafttreten des Grundgesetzes durch Volksbegehren eine bestimmte Änderung der über die Landeszugehörigkeit getroffenen Entscheidung gefordert werden. Das Volksbegehren bedarf der Zustimmung eines Zehntels der zu den Landtagen wahlberechtigten Bevölkerung. Ist ein Volksbegehren nach Absatz 2 zustande gekommen, so ist in dem betreffenden Gebietsteil bis zum 31. März 1975, im Gebiets-teil Baden des Landes Baden-Württemberg bis zum 30. Juni 1970 ein Volksentscheid über die Frage durchzuführen, ob die angestrebte Änderung vorgenommen werden oder die bisherige . Landeszugehörigkeit bestehenbleiben soll. Stimmt eine Mehrheit, die mindestens ein Viertel der zum Landtag wahlberechtigten Bevölkerung umfaßt, der Änderung zu, so ist die Landeszugehörigkeit des betreffenden Gebietsteiles durch Bundesgesetz innerhalb eines Jahres nach Durchführung des Volksentscheides zu regeln. Wird innerhalb desselben Landes in mehreren Gebietsteilen eine Änderung der Landeszugehörigkeit verlangt, so sind die erforderlichen Regelungen in einem Gesetz zusammenzufassen. (4) Dem Bundesgesetz ist das Ergebnis des Volksentscheides zugrunde zu legen; es darf von ihm nur abweichen, soweit dies zur Erreichung der Ziele der Neugliederung nach Absatz 1 erforderlich ist. Das Gesetz bedarf der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages. Sieht das Gesetz die Änderung der Landeszugehörigkeit eines Gebietsteiles vor, die nicht durch Volksentscheid verlangt worden ist, so bedarf es der Annahme durch Volksentscheid in dem gesamten Gebiet, dessen Landeszugehörigkeit geändert werden soll; dies gilt nicht, soweit bei Ausgliederung von Gebietsteilen aus einem bestehenden Land die verbleibenden Gebietsteile als selbständiges Land fortbestehen sollen. (5) Nach Annahme eines Bundesgesetzes über die Neugliederung des Bundesgebietes außerhalb des Verfahrens nach den Absätzen 2 bis 4 ist in jedem Gebiet, dessen Landeszugehörigkeit geändert werden soll, der Teil des Gesetzes, der dieses Gebiet betrifft, zum Volksentscheide zu bringen. Soweit dabei das Gesetz mindestens in einem Gebietsteil abgeiehnt wird, ist es erneut bei dem Bundestage einzubringen. Nach erneuter Verabschiedung bedarf es insoweit der Annahme durch Volksentscheid im gesamten Bundesgebiet. (6) Bei einem Volksentscheide entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen; Absatz 3 bleibt unberührt. Das Verfahren regelt ein Bundesgesetz. Die Neugliederung soll, falls sie als Folge des Beitrittes eines anderen Teiles von Deutschland notwendig wird, innerhalb von zwei Jahren nach dem Beitritt geregelt sein. (7) Das Verfahren über jede sonstige Änderung des Gebietsbestandes der Länder regelt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates und der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages bedarf 3).
Rudolf Hrbek, Dr. phil., geb. 1938 in Prag, Akademischer Oberrat am Institut für Politikwissenschaft der Universität Tübingen. Studium der Politikwissenschaft, Geschichte und Englischen Philologie in München und Tübingen, 1964 1. Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien, 1968 Promotion; von 1964 bis 1966 hauptberuflich in der politischen Bildungsarbeit (Bürger im Staat, Baden-Württemberg) tätig; 1966 bis 1968 wiss. Assistent. Veröffentlichungen: (zusammen mit Wilfried Keutsch) Gesellschaft und Staat in Großbritannien. Eine politische Landeskunde, Tübingen 1971. Aufsätze in Zeitschriften, Sammelwerken und Enzyklopädien. Die Dissertation (Die SPD, Deutschland und Europa. Die Haltung der Sozialdemokratie zum Verhältnis von Deutschland-Politik und West-Integration 1945— 1957) erscheint Anfang 1972.
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