I. Zur gegenwärtigen Situation
In der Hektik des Wiederaufbaus und der wirtschaftlichen Expansion in den ersten beiden Jahrzehnten der Bundesrepublik bestand wenig Bereitschaft, sich die notwendigen Gedanken über die Luft-und Wasserverschmutzung, die Vergiftung des Bodens, die Zersiedlung der Landschaft, das Anwachsen der Abfallberge und die Lärmüberflutung zu machen. Wirtschaftliches Wachstum und materieller Wohlstand waren die von allen politischen Lagern propagierten, das öffentliche wie das private Handeln nahezu ausschließlich beherrschenden Ziele
Das ist anders geworden. Meldungen und Berichte aus den Vereinigten Staaten alarmierten auch die europäische Öffentlichkeit und öffneten den nordamerikanische Prosperität anstrebenden Westeuropäern die Augen über den Zustand ihres Kontinents. In der Regierungserklärung von Bundeskanzler Brandt vom 28. 10. 1969 wurden der Umweltschutz als vorrangige öffentliche Aufgabe herausgestellt und konkrete Schutzmaßnahmen angekündigt
Man kann sich jedoch des Eindrucks nicht erwehren, daß die politischen und publizistischen Aktivitäten vielfach nur Alibifunktionen erfüllen und von der wahren Situation und der Notwendigkeit zu handeln ablenken. Man nennt die Dinge „in aller Offenheit" beim Namen und läßt im wesentlichen alles beim alten. Die Diskussion ist überdies unübersichtlich geworden. Soweit sie ernst zu nehmen ist, findet sie unter Spezialisten, in Fachzeitschriften und in Fachgesprächen, statt. Die „breite Masse“, auf die es entscheidend ankommt, wird mit mehr oder weniger sensationell aufgemachten Geschichten abgefunden, die das öffentliche Bewußtsein ebensowenig beeinflussen wie die Berichte über Unfall-und Hungerkatastrophen oder Erdbeben. Wirkliche Informations-und Aufklärungsarbeit fe*hlt Andererseits sind erste Erfolge zu verzeichnen: das Verbot von DDT im Bereich des Pflanzenschutzes
Diesen positiven Ansätzen stehen allerdings zahlreiche neue Hiobsbotschaften gegenüber So hat die Studie des Münchener Stadtrats über kommunalpolitische Aspekte des Umweltschutzes
Die beiden Berichte signalisieren unmißverständlich, daß im Kampf gegen die Umweltverschmutzung Eile geboten ist, nicht nur in den großen Städten und Ballungsgebieten, sondern auch auf dem flachen Land, daß auf breiter Front und ohne Verzug tatkräftig gehandelt und nicht nur lautstark geredet werden muß, wenn die Bundesrepublik bewohnbar bleiben soll,
II. Überlegungen für ein Aktionsprogramm
Abbildung 2
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Es geht allerdings längst nicht mehr nur um die Bewohnbarkeit der Bundesrepublik oder Westeuropas, sondern um die Bewohnbarkeit der Erde. Das Problem der Umweltverseuchung hat nationale und kontinentale Grenzen gesprengt und globale Dimensionen angenommen. Bereits hinreichend oft ist auf den banalen Sachverhalt hingewiesen worden, daß Luftströmungen und Wasserläufe nicht an staatlichen Grenzen halt machen, daß abgas-oder radioaktiv verseuchte Luft um die Erde wandert, daß alle Flüsse ihre Abwasserfracht einschließlich der besonders gefährlichen Reste von Bioziden aus der Land-und Forstwirtschaft in die Weltmeere entladen, die zusätzlich von der internationalen Seeschiffahrt mit dl verpestet und von den Industriestaaten als scheinbar billiger Abfallkübel mißbraucht werden, daß Düsenflugzeuge jeder Nationalität die oberen Luftschichten in besonders bedenklicher Weise verunreinigen usw. Umweltschutz gehört deswegen — wie die Sicherung von Weltfrieden und Welternährung — zu den wichtigsten Aufgaben der Völkerrechtsgemeinschaft, für deren erfolgreiche Lösung eine Reihe weitreichender internationaler Konventionen und ein wirkungsvolles Kontrollsystem notwendig wäre. Die UNO hat diese Aufgabe offensichtlich erkannt. Generalsekretär U Thant hat bereits im Mai 1970 eine Weltbehörde für Umweltschutz verlangt. Sie müßte mit weitreichenden Kontrollbefugnissen und effektiven Kontrollorganen ausgestattet sein und nicht nur statistische Daten liefern, sondern zunächst in internationalen Gewässern und im freien Luftraum, später auch auf dem Hoheitsgebiet der Staaten umweltpolizeiliche Aufgaben mit Zwangs-und Bußgeldmaßnahmen ausüben.
Das alles mag utopisch klingen, aber eine Weltpolizei für Umweltschutz würde sicher geringere Schwierigkeiten bereiten als eine allgemeine UN-Friedenstruppe. Andererseits können schnelle Lösungen nicht erwartet werden. Die für 1972 in Stockholm vorgesehene Weltkonferenz über Umweltschutz wird vermutlich nicht wesentlich mehr als einen allgemeinen Problemkatalog und Good-will-Erklärungen bringen. Die Staaten sind noch zu sehr mit den Problemen von gestern beschäftigt. Sie werden aus Gründen des politischen, militärischen und wirtschaftlichen Wettbewerbs immer wieder geneigt sein, die Erfordernisse des Umweltschutzes zu vernachlässigen oder Schlimmeres zu tun und Umweltbelastungen auf andere abzuwälzen suchen. Einer muß jedoch den ersten Schritt tun. Er stünde den westlichen Industriestaaten gut an. Sie sind nicht nur die reichsten Staaten dieser Welt, denen Wettbewerbsnachteile nicht allzuviel ausmachen würden. Sie sollten sich auch aus vorangegangenem Tun verantwortlich fühlen; denn die wissenschaftlich-technische und die politisch-wirtschaftliche Entwicklung, die zu den heutigen Problemen — und Chancen — geführt hat, geht im wesentlichen auf die politische Liberalisierung und die Industrialisierung in Westeuropa und Nordamerika seit dem Ende des 18. Jahrhunderts zurück,
Die Bundesrepublik sollte damit beginnen, ihr Haus in Ordnung zu bringen. Sie würde damit ein gutes Beispiel geben und ihre moralische Position bei Verhandlungen mit ihren Nachbarstaaten und im internationalen Ge-spräch über Fragen des Umweltschutzes verstärken. Kurzfristig könnten sich Wettbewerbsnachteile ergeben; sie sollten in Kauf genommen werden, wobei zu bedenken ist, daß viele Maßnahmen des Umweltschutzes trotz der globalen Interdependenzen des Gesamt-problems demjenigen, der sie ergreift, unmittelbare Vorteile bringen, auch wenn diese nicht immer quantifizierbar sein werden. Es ist zu hoffen, daß sich das von der Bundesregierung vorbereitete umfassende Umweltprogramm als ausreichendes Handlungskonzept erweist, das bald vorgelegt und tatkräftig realisiert wird. Uber den Inhalt eines solchen Programms soll hier nicht spekuliert werden; es übersteigt ohnehin die Möglichkeiten eines einzelnen, fundiert zu der komplexen Problematik eines Gesamtprogramms für den Umweltschutz Stellung zu nehmen.
Im folgenden sollen einige rechtliche und politische Aspekte erörtert werden, die sich bei jeder Maßnahme des Umweltschutzes ergeben können; ferner wird untersucht, auf welche Weise die Durchsetzung von Schutzmaßnahmen erleichtert werden kann. 1. Rechtliche Voraussetzungen und Grenzen Die Gefährdung und Zerstörung des ökologischen Gleichgewichts und damit der natürlichen Grundlagen des menschlichen Lebens ist das Ergebnis menschlichen Verhaltens. Umweltschutz setzt demgemäß eine Veränderung der Verhaltensweisen des Menschen voraus. Dies kann durch einen Lem-und Erziehungsprozeß bewirkt werden, der zu umweltbewußtem und -verantwortlichem Verhalten des einzelnen, der gesellschaftlichen Gruppen, der Kommunen und der Behörden und Beamten führt. Die für den Schutz der Umwelt nötigen Verhaltensweisen können aber auch gesetzlich vorgeschrieben und verwaltungsmäßig durchgesetzt werden. Einer aufgeklärten und demokratischen Gesellschaft wäre der erste Weg angemessen. Aber abgesehen von Zweifeln an der demokratischen Reife des sogenannten Durchschnittsbürgers zwingen die Größe der Probleme und die Notwendigkeit, schnell zu handeln, zu einer ebenso strikten wie umfassenden Umweltschutzgesetzgebung. Sie wird zahlreiche Verbote und Strafandrohungen enthalten müssen, die sowohl den Bereich der privaten und wirtschaftlichen Freiheit als auch die Selbstverwaltung der Gemeinden und Gemeindeverbände einschränken werden.
Zwischen den Erfordernissen des Umweltschutzes und der privaten, wirtschaftlichen und kommunalen Handlungsfreiheit besteht ein zwangsläufiges Spannungsverhältnis, bei dessen Lösung der verfassungsrechtliche Schutz dieser Freiheiten durch die Art. 2, 12, 19 und 28 GG beachtet werden muß. Sie gewährleisten persönliche Handlungsfreiheit, F
Zentrale Bedeutung hat der in Art. 2 Abs. 1 GG gegenüber dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gemachte Vorbehalt der „verfassungsmäßigen Ordnung", worunter nach einer vielumstrittenen, aber billigenswer. ten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 18) die Gesamtheit der formell und materiell verfassungsmäßigen Rechtsnormen zu verstehen ist. Damit ist dem Gesetzgeber die 'Möglichkeit gegeben, das Verhältnis des ein-I zelnen zur staatlichen Gemeinschaft im Rahmen der Verfassung und der ungeschriebenen Verfassungsgrundsätze zu gestalten und auch Handlungsfreiheit des einzelnen im wirt i schaftlichen Bereich zu begrenzen, soweit dafür ein berechtigter Anlaß besteht. Gesetzliche Freiheitsbeschränkungen zur Erhaltung und Wiederherstellung der natürlichen Grundlagen des menschlichen Lebens sind danach prinzipiell zulässig, solange sie sich auf das zur Gefahrenabwehr Notwendige beschränken, den Gleichheitsgrundsatz und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Solche Regelungen würden auch nicht in den gemäß Art. 19 Abs. 2 GG unantastbaren Wesensgehalt des Freiheitsgrundrechts eingreifen. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts schützt Art. 19 Abs. 2 GG einen Bereich, der wegen der Unantastbarkeit der Würde des Menschen der Einwirkung der gesamten öffentlichen Gewalt entzogen bleiben muß 19). Maßnahmen des Umweltschutzes, die zum überleben aller Menschen notwendig sind, können aber vernünftigerweise die Würde eines einzelnen Menschen nicht verletzen.
Auch das Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 GG — eine besondere Ausgestaltung des Grundrechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit — steht unter dem Vorbehalt gesetzlicher Regelung zum Schutz der Gemein schaftsinteressen. Nach dem Wortlaut der Verfassung gilt der Regelungsvorbehalt zwar nur für die Freiheit der Berufsausübung; das Bundesverfassungsgericht hat ihn jedoch auf die Freiheit der Berufswahl ausgedehnt
Die bisher erlassenen Vorschriften des Umweltschutzes halten sich unzweifelhaft in dem durch die Art. 2, 12 und 19 GG gezogenen Rahmen. Das gilt für das überaus zurückhaltende Benzinbleigesetz
Rechtsvorschriften zum Schutz gegen umweltschädliche Produktionsverfahren und Produkte müssen aus Gründen der Wettbewerbs-gleichheit, aber auch deswegen, weil sich die Folgen umweltschädigender Produktion in den wenigsten Fällen lokalisieren oder regionalisieren lassen, bundeseinheitlich ergehen. Erforderlich sind danach entweder gleichlautende Landesgesetze oder Bundesgesetze. Letztere setzen eine ausdrückliche verfassungsrechtliche Ermächtigung des Bundesgesetzgebers voraus, weil nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes die staatlichen Aufgaben grundsätzlich Sache der Länder sind, soweit das Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zuläßt
Gleichwohl ist es vernünftig, daß die Bundesregierung eine Konzentration der Gesetzgebung über den Umweltschutz beim Bund anstrebt und für den Bund umfassende konkurrierende Kompetenzen für die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung sowie die Umwandlung der gegenwärtigen Rahmenkompetenzen für Naturschutz, Landschaftspflege und Wasserhaushalt in konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeiten beantragt hat
Die EWG-Kommission hat sich bei ihrer rechtlichen Argumentation auf Art 30 EWG-Vertrag gestützt, der mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verbietet.
Diese Vorschrift ist jedoch nicht verletzt, weil von den ausländischen Benzinproduzenten nicht mehr verlangt wird als von den inländischen und Benzin geringeren Bleigehalts audh in den anderen Mitgliedstaaten der EWG hergestellt werden kann. Die Gebrauchsfähigkeit der Kraftfahrzeuge wird überhaupt nicht beeinträchtigt, weil herkömmliche Kraftfahrzeugmotore auch bei einem Bleigehalt von 04 Gramm pro Liter funktionieren und es technisch möglich ist, zum Ausgleich der ab 1976 vorgesehenen Herabsetzung des Bleigehalts auf 0, 15 Gramm pro Liter andere Antiklopfmittel zu entwickeln. Im übrigen könnte sich die Bundesrepublik auch auf Art. 36 EWG-Vertrag berufen. Er besagt, daß die Bestimmungen der Artikel 30 bis
Schwieriger ist die Rechtslage, wenn die Bundesrepublik die Vorschriften über die Zulassung von Kraftfahrzeugen mit dem Ziel ändern wollte, nur noch Fahrzeuge mit solchen Motoren oder Abgasentgiftungseinrichtungen zuzulassen, deren Abgasausstoß geringer ist als der der heute zugelassenen Bauarten. Um Hindernisse für den Handel mit Kraftfahrzeugen in der EWG zu beseitigen, hat der Rat der EWG auf Vorschlag der Kommission gemäß Art. 100 EWG-Vertrag eine Reihe von Richtlinien erlassen, die Mindeststandards an Konstruktion, Fahrsicherheit usw. festlegen. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, Fahrzeuge, die diesen Standards entsprechen, zum Verkehr zuzulassen. Demgemäß sind auch die Vorschriften der Straßenverkehrszulassungsordnung über den höchstzulässigen Ausstoß von Kohlenmonoxyd in Autoabgasen an das EWG-Redit angepaßt worden 34). Die EWG-Standards tragen den Erfordernissen des Gesundheitsschutzes nicht immer in technisch möglicher Weise Rechnung; oftmals sind sie der kleinste gemeinsame Nenner. Die Bundesregierung könnte versuchen, die Mindeststandards in Verhandlungen mit den anderen Mitgliedstaaten anzuheben. Dazu ist aber wie beim Erlaß der Richtlinien gemäß Art. 100 EWG-Vertrag Einstimmigkeit erforderlich. Immerhin ist nicht auszuschließen, daß die Regierungen einiger nodi stärker Wachstums-und deswegen exportorientierten Mitgliedstaaten ihre Zustimmung zu einer derartigen Änderung versagen würden. Damit könnte sich die Frage eines Alleingangs der Bundesrepublik ergeben. Er sollte eine offene Verletzung von EWG-Recht ver-meiden und könnte etwa in einem Fahrverbot in Ballungsgebieten für alle Kraftfahrzeuge bestehen, die einen, gemessen an der Verkehrsdichte, zu hohen Abgasausstoß haben
Als Fazit der vorstehenden Ausführungen ist festzuhalten, daß es für die notwendigen gesetzlichen Regelungen des Umweltschutzes keine ernsthaften rechtlichen Hindernisse gibt. Umweltschutz ist deswegen keine Frage des rechtlichen Könnens, sondern des politischen Wollens. 2. Wissenschaftliche Grundlagen Voraussetzung für politische Entscheidungen zur Erhaltung und Wiederherstellung der natürlichen Lebensgrundlagen ist die Kenntnis der Gefahren und der Abwehrmöglichkeiten. Der unzureichende Entwicklungsstand des Umweltschutzes in der Bundesrepublik hat seine Hauptursache darin, daß es bei den politisch Veranwortlichen in Bund, Ländern und Gemeinden lange Zeit an dem notwendigen Problembewußtsein gefehlt hat. Es muß jetzt beschleunigt durch wissenschaftlich fundierte Kenntnisse über die komplexen und komplizierten ökologischen Zusammenhänge ergänzt werden. Wie groß die bestehenden Lücken sind, zeigt der im Sofortprogramm der Bundesregierung enthaltene Katalog von Maßnahmen, die zur Vorbereitung eines ausreichenden Immissionsschutzes notwendig sind. Er nennt u. a. die Feststellung von Art und Ausmaß der Emissionen bei den über 150 Arten industrieller und gewerblicher Anlagen, die schon heute der Genehmigungspflicht unterliegen, die Überwachung der Immissionsbelastung im Bundesgebiet, die Erforschung der Wirkungsweise von Immissionen auf Menschen, Tiere, Pflanzen und Sachgüter, die Entwicklung von Meßverfahren und neuer „umweltfreundlicher" Verfahren und Einrichtungen zur Verminderung schädlicher Immissionen
Erforderlich sind danach großzügige und breit angelegte Programme:
1.der Sammlung von Daten über die Umweltbelastung einschließlich der erforderlichen Entwicklung von Meßverfahren, 2.der Grundlagenforschung, 3.der angewandten Forschung zwecks Entwicklung von Abwehrmaßnahmen und „umweltfreundlichen" Technologien.
Derartige Programme, deren Ergebnisse der Öffentlichkeit in allgemeinverständlicher, aber nicht frisierter Form zugänglich gemacht werden müßten, können nicht von einigen Bundes-anstalten durchgeführt werden. Es wird vielmehr einer „konzertierten Aktion" unter Einsatz der gesamen Forschungskapazität bedürfen. Das Umweltforschungsprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft ist ein guter Anfang
Umweltgefahren und ihre Bekämpfung sollten auch der primäre Gegenstand der Forschungsund Technologiepolitik in der EWG sein, der es bisher an einer überzeugenden Zielsetzung fehlt. Nationale Egoismen, die einer wirkungsvollen Zusammenarbeit auf den für die künftige wirtschaftliche Entwicklung interessanten Gebieten entgegenstehen, können hier zurückgestellt werden, da die Umweltgefahren alle in gleicher Weise bedrohen. 3. Interessenkonflikte, gesamtwirtschaftliche Auswirkungen, Prioritäten Jede Maßnahme des Umweltschutzes gerät nahezu zwangsläufig mit wirtschaftlichen oder anderen Interessen in Widerspruch. Niemand kann erwarten, daß die Betroffenen solche Maßnahmen kampflos hinnehmen oder gar freiwillig das Notwendige tun. Man wird vielmehr den Umfang des Widerstandes der Betroffenen als Gradmesser für die Wirksamkeit einer Regelung annehmen können (woraus sich für das Benzinbleigesetz kein positives Urteil ergäbe). Der Widerstand der Betroffenen wird verschiedene Wege gehen: Gegen-werbung in den Massenmedien, Gegengutachten in Fachzeitschriften, unmittelbare Einflußnahme auf die politische Willensbildung in den klassischen Formen der Lobby, Mobilisierung der „eigenen" Abgeordneten. Die Wechselwirkungen zwischen politischer und wirtschaftlicher Macht sind bekanntlich vielfältig. Die Offenlegungsvorschriften des Parteiengesetzes haben sich als ein zu grobes Netz und als politisch wirkungslos erwiesen. Vorschriften, die den Einfluß mächtiger Interessenten auf den Inhalt von Zeitungen und Zeitschriften sichtbar machen könnten, fehlen völlig. Politische und publizistische Moral lassen sich wohl auch nicht institutionell schützen; man wird aber auch sagen können, daß diese Kategorien in der Bundesrepublik durchaus vorhanden sind. Andererseits sind wirtschaftliche Interessen nicht per se illegitim und Industrie und Wirtschaft nicht böse an sich
Eine objektivierte Auseinandersetzung mit den wirtschaftlichen Interessen derjenigen, gegen die sich eine konkrete Maßnahme des Umweltschutzes richtet, wird sehr schnell zu der Erkenntnis führen, daß Umweltschutz und wirtschaftliches Wachstum in einem Spannungsverhältnis stehen. Diese Erkenntnis ist der Schlüssel zur Lösung der Umweltprobleme. In aller Regel werden „umweltfreundliche", d. h. die natürlichen Lebensgrundlagen weniger gefährdende Produktionsverfahren und Produkte Mehrkosten mit sich bringen. Die HerStellung bleiarmen Benzins oder abgasarmer Motoren geht nicht ohne zusätzliche finanzielle Aufwendungen ab. Die Mehrkosten der notwendigen Schutzmaßnahmen können zu einer Verringerung der Unternehmergewinne, zu einer Verringerung der Löhne und Gehälter oder zu einer Erhöhung der Verbraucherpreise führen; je nach Marktlage wird das eine oder das andere oder eine Mischung der Konse. quenzen in Betracht kommen. In jedem Falle werden sich Auswirkungen für die gesamte Volkswirtschaft und für die Allgemeinheit ergeben. Verringern sich die Untemehmergewinne, so wird der Anteil der Unternehmer am Brutto. Sozialprodukt geringer. Das mag gesellschafts. politisch erwünscht sein, obwohl eine solche Verringerung für die Arbeitnehmer keinen realen, sondern nur einen relativen Zuwadis bedeuten würde. Die Verringerung dei Unter-hätte aber jedenfalls auch eine Verringerung der Steuereinnahmen der öffentlichen Hand zur Folge mit der Konsequenz, daß für die Erfüllung der staatlichen Aufgaben, z. B.der sozialen Sicherung, der inneren und äußeren Sicherheit, des Gesundheits-und Bildungswesens, des Straßenbaus, weniger Mittel zur Verfügung stehen.
Führen die — nicht abwälzbaren — Mehrkosten aus Gründen des Umweltschutzes zu einer so starken Herabsetzung der Unternehmergewinne, daß die Investitions-und Innovationsbereitschaft der Unternehmer nachläßt oder ganz aufhört, so kann dies zu Nachteilen im internationalen Wettbewerb, zu Produktionseinschränkungen oder Betriebsstillegungen, I gesamtwirtschaftlich zu einer Verminderung des Wachstums oder zu einem Rückgang der Wirtschaftskraft führen. Der Staat kann dieser Entwicklung durch direkte oder indirekte Subventionen (Steuererleichterungen) entgegenwirken. Auch hierdurch verringern sich die für die Erfüllung anderer öffentlicher Aufgaben zur Verfügung stehenden Mittel. Es ist deswegen keine pure Rücksichtnahme auf Wirtschaft-I liehe Interessen, wenn das geltende Recht von den Unternehmern vielfach nur solche Maßnahmen des Umweltschutzes verlangt, die wirtschaftlich vertretbar sind und dem Stand der Technik entsprechen
Werden zum Ausgleich umweltschutzbedingter Mehrkosten geringere Löhne und Gehälter gezahlt, so tragen die Arbeitnehmer die Umweltlasten, aber auch nicht sie allein; denn die Lohnsteuer ist eine der Haupteinnahmequellen des Staates, ebenso wie mit den Ersparnissen der breiten Masse öffentliche und private Investitionen bezahlt werden. Führen die Mehrkosten zu höheren Preisen, so werden die Verbraucher mit den Kosten des Umweltschutzes belastet. Sie können darauf mit einer Einschränkung des Konsums (des betreffenden oder anderer Produkte) reagieren, was eine Verringerung des Lebensstandards bedeutet,'oder mit einer Verringerung der Spartätigkeit mit den bereits genannten Konsequenzen. Jede Maßnahme des Umweltschutzes hat danach Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft und die öffentlichen Haushalte. Die durchaus vernünftige Einführung des Verursacherprinzips, nach dem jeder die Kosten derjenigen Maßnahmen zu tragen hat, die in seinem Bereich zum Schutz der Umwelt nötig sind, schafft diese Kosten und ihre gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen nicht aus der Welt. Es bedeutet deswegen eine erhebliche Verharmlosung des Problems, mit dem Verursacherprinzip gegen die Profite der großen Wirtschaftsunternehmen zu Felde zu ziehen und die Auffassung zu verbreiten, das Verursacher-prinzip könne die Probleme lösen. Die Frage einer gerechten Verteilung des Einkommens und des Vermögens muß auch im Bereich des Umweltschutzes beachtet werden. Sie führt aber nicht zum Kem des Problems, weil sich die Lasten des Umweltschutzes nicht auf eine gesellschaftliche Gruppe abwälzen lassen. Es ist deswegen kein Zufall, daß die in Fragen einer gerechteren Vermögensverteilung so überaus aktiven deutschen Gewerkschaften in der Diskussion über den Umweltschutz so auffällige Zurückhaltung üben.
Maßnahmen zum Schutz der Umwelt greifen also nicht nur in die private, wirtschaftliche oder kommunale Handlungsfreiheit und in private und kommunale Rechte und Interessen ein, sondern sind zugleich für die Allgemeinheit relevante Prioritätsentscheidungen. Die Erhaltung und Wiederherstellung der natürlichen Lebensgrundlagen ist — bis zur Entwicklung sauberer und billiger Technologien
Der Umweltschutz hat danach einen hohen Preis, der letzten Endes von allen bezahlt werden muß. Der Stand der Umweltzerstörung läßt eine Beschränkung auf Maßnahmen, die wirtschaftlich vertretbar sind und dem Stand der Technik entsprechen, nicht zu. Diese Formel war solange ausreichend und angemessen, wie die noch auf dem Wege zur Industrialisierung befindliche, nach heutigen Begriffen arme Volkswirtschaft auf scheinbar unbegrenzte natürliche Ressourcen zurückgreifen konnte. Sie ist unbrauchbar und verhängnisvoll für eine Gesellschaft des materiellen Überflusses, die ihre natürlichen Ressourcen nahezu verbraucht hat. Umweltschutz hat nunmehr die höchste Priorität. Es kann allerdings nicht Aufgabe des Umweltschutzes sein, in der Bundesrepublik den Zustand vor Beginn der Industrialisierung wiederherzustellen und das Land in einen Naturpark zu verwandeln. Umweltschutz darf nicht ökonomisiert, aber auch nicht idealisiert und romantisch verklärt werden.
Eine naturbelassene Umwelt reicht für ein menschenwürdiges Leben unter den heutigen demographischen, politischen und wirtschaftlich-technischen Bedingungen ebensowenig aus, wie ein solches Leben ohne Rücksichtnahme auf die natürliche Umwelt möglich ist. Anzustreben ist danach „lediglich" ein Zustand des Gleichgewichts, in dem die natürlichen Ressourcen nur insoweit für die Zwecke des Menschen in Anspruch genommen werden, wie dies ohne Zerstörung ihrer Substanz und Regenerationsfähigkeit möglich ist. Vorschriften über das Verbot umweltschädlicher und die Einführung „umweltfreundlicher" Produktionsverfahren und Produkte werden die marktwirtschaftliche Ordnung als solche trotz ihrer gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen unberührt lassen. Es könnte sich al-lerdings ergeben, daß die „umweltfreundliche" Produktion in bestimmten Bereichen so verteuert wird, daß sie nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen nicht mehr vorgenommen werden kann. Handelt es sich um lebensnotwendige Güter, deren Produktion aufrechterhalten werden muß, stellt sich die Alternative, entweder die bisherige umweltschädliche Produktion auf privatwirtschaftlicher Basis weiter zuzulassen oder die privatwirtschaftlich unrentable „umweltfreundliche" Produktion zu subventionieren oder in öffentliche Regie zu übernehmen, d. h. die Erfüllung dieser Aufgabe zu verstaatlichen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine derartige Lösung bestünden nicht, weil die marktwirtschaftliche Ordnung als solche nicht verfassungsrechtlich geschützt ist
Dieses und andere Beispiele lassen es als sehr zweifelhaft erscheinen, ob die in allen Bereichen politisch verantwortliche und damit vom Parlament abhängige Verwaltung imstande ist, den sachgerechten Vollzug der Gesetze zur Erhaltung und Wiederherstellung der natürlichen Lebensgrundlagen in jedem Falle zu gewährleisten. Es gehört zu den an sich sympathischen Schwächen des parlamentarischen Regierungssystems, daß es schwer fällt, unpopuläre Entscheidungen zu treffen, und daß Regierung und Parlament zuerst an die nächsten Wahlen und erst in zweiter Linie an die immer noch abstrakt erscheinende Möglichkeit einer Umweltkatastrophe im Jahre 1980 oder 2000 denken.
In diesem Zusammenhang ist auch die der modernen Verwaltung immanente Schwäche bei belastenden Maßnahmen zu erwähnen; es fällt ihr schwer, privaten und kommunalen Interessen und Wünschen nachdrücklich entgegenzutreten. Seit Jahren wird die Leistungsverwaltung als Prototyp moderner und demokratischer Verwaltung propagiert und favorisiert, wobei offensichtlich eine wertneutrale verwaltungsrechtliche Kategorie mit dem Leistungsprinzip und der Leistungsgesellschaft in Verbindung gebracht wird, die im Werturteil des größten Teiles der Bevölkerung nach wie vor einen hohen Rang haben. Die Eingriffsverwaltung rangiert demgegenüber am unteren Ende der Wertskala, was zum Teil als fortwirkende Überkompensation exzessiver Ausübung von Staatsgewalt im Dritten Reich zu verstehen ist, zum Teil den ständig fortschreitenden Verfall staatlicher Autorität im Zeichen einer auf materielle Ziele fixierten Überflußgesellschaft ohne politische und soziale Moral widerspiegelt. Umweltschutz ist aber ohne sinnvoll geplante und tatkräftig durchgesetzte Eingriffe in private und kommunale Rechte und Interessen nicht denkbar.
Zu erwägen ist deswegen, ob an der im Bereich des Umweltschutzes notwendigen Daseinsvorsorge durch Eingriffsverwaltung nicht unabhängige Stellen beteiligt werden sollten, d. h. Stellen, die aus der Verwaltung ausgegliedert sind und nur einer beschränkten parlamentarischen Kontrolle unterliegen. So könnte z. B. bei jedem Träger der Regionalplanung eine unabhängige Kommission für Umweltschutz eingerichtet werden. Diesen Kommissionen wäre einerseits das Recht einzuräumen, von den zuständigen Behörden innerhalb angemessener Frist die Vornahme der für den Vollzug der Umweltschutzgesetze notwendigen Verwaltungsakte zu verlangen und ggf. vor den Verwaltungsgerichten Verpflichtungsklage („Untätigkeitsklage") zu erheben. Andererseits wäre den Kommissionen ein Widerspruchsrecht gegen alle staatlichen, kommunalen und privaten Vorhaben, Pläne und Maßnahmen einzuräumen, die eine Gefährdung oder Beeinträchtigung der natürlichen Lebensgrundlagen zur Folge haben können. Der Widerspruch müßte aufschiebende Wirkung haben. Gegen den Widerspruch sollte nur die Klage vor den Verwaltungsgerichten zugelassen werden, die auf die Prüfung der Frage zu beschränken wäre, ob sich die Kommission in den Grenzen ihres pflichtmäßigen Ermessens gehalten hat. Die Einrichtung der Kommissionen würde die staatliche und kommunale Verwaltungsorganisation unberührt lassen. Jedoch wären die Behörden zu verpflichten, die Kommissionen von allen Maßnahmen, die das ökologische Gleichgewicht berühren und den Landschaftshaushalt belasten können, rechtzeitig zu unterrichten. Den Kommissionen wären sämtliche Planungen vorzulegen und umfassende Auskunftsrechte einzuräumen. Die Kommissionen wären der natürliche Verbündete der Bürger, die sich gegen umweltgefährdende Maßnahmen zur Wehr setzen wollen. Sie müßten Bürgerinitiativen und Bürgerforen beraten und ihnen auch sonst Hilfestellung leisten.
Die Kommissionsmitglieder müßten von den Landesregierungen für eine angemessene Amtszeit, etwa für sechs Jahre, bestellt werden, ihr Amt hauptberuflich und in richterlicher Unabhängigkeit ausüben und eine den Spitzenpositionen in der Verwaltung entsprechende Vergütung erhalten. Wiederberufung nach Ablauf der Amtszeit sollte nicht zulässig sein. Durch gesetzliche Vorschrift müßte sichergestellt sein, daß der vor der Berufung erreichte soziale, wirtschaftliche oder öffentlich-rechtliche Besitzstand auch nach Ablauf der Amtszeit gewährleistet ist.
Die Kommissionen wären sicherlich nicht billig. Aber der finanzielle Aufwand würde in keinem Verhältnis zur Höhe des Schadens stehen, den die Kommissionen von der Allgemeinheit abwenden, wenn sie der weiteren Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen Einhalt gebieten. Die Kommissionen für Umweltschutz könnten durch Landes-und Bundesbeauftragte für Umweltschutz mit entsprechenden Befugnissen ergänzt werden. Darüber hinaus wäre an die Einrichtung ständiger Parlamentsausschüsse zur Kontrolle von Regierung und Verwaltung in Angelegenheiten des Umweltschutzes zu denken. Solche Ausschüsse könnten, personell gut zusammengesetzt und mit den Rechten von Untersuchungsausschüssen ausgestattet
Der Bund kann vor allem durch seine Fach-planungen im Bereich des Verkehrs sowie durch sein Mitplanungsrecht bei den Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a und Art. 104a GG
Darüber hinaus wäre zu prüfen, ob die Bewohner eines Gemeindebezirks oder einer Gemeinde, die von einer umweltschädlichen Maßnahme der öffentlichen Hand oder einer öffentlich genehmigten Maßnahme Privater betroffen werden, das Recht erhalten sollten, gegen die Maßnahme Einspruch zu erheben. Über diesen Einspruch müßte das zuständige Parlament entscheiden und ihn verwerfen, falls die Maßnahme gegen den Willen der unmittelbar Betroffenen durchgeführt werden soll. Ein derartiges Einspruchsrecht wäre als Weiterentwicklung des Petitionsrechts zu verstehen, das in seiner heutigen Form keinen Einfluß auf die beanstandete Maßnahme der öffentlichen Gewalt hat, sondern nur Anspruch auf einen Bescheid gibt, der die Art der Erledigung erkennen läßt
Das qualifizierte Petitionsrecht würde die Rechtsstellung der Bürger beim Schutz ihrer lokalen Umwelt wesentlich stärken und zugleich dazu beitragen, daß die Mediatisierung des Bürgers in der repräsentativen Demokratie aufgelockert wird. Die Parlamente würden veranlaßt, sich mit den konkreten Wünschen und Sorgen der Bürger auseinanderzusetzen. Dabei wären die Interessen der Allgemeinheit an der Durchführung der Maßnahme gegen die der unmittelbar Betroffenen abzuwägen. Der Vorrang der von allen gewählten Volksvertreter bliebe gewahrt.
Neben dem qualifizierten Petitionsrecht müßten die verwaltungsgerichtlichen Möglichkeiten der einzelnen Bürger, sich gegen eine Verletzung ihrer Rechte durch die öffentliche Gewalt zur Wehr zu setzen, erhalten bleiben und möglichst noch verbessert werden. 7. Wandlung des gesellschaftlichen Bewußtseins Die öffentliche Diskussion über den Umweltschutz und die Forderung der Bürger an die politisch Verantwortlichen, für die Erhaltung und Wiederherstellung der natürlichen Lebensgrundlagen einzutreten, müßte von einem Prozeß der Selbsterziehung zu umweltbewußtem und „umweltfreundlichem“ Verhalten begleitet sein. Hier anregend und leitend zu wirken, wäre eine Aufgabe der großen gesellschaftlichen Organisationen wie der Kirchen und der Gewerkschaften, der Schulen und anderer Einrichtungen des Bildungswesens. Aus dem Zustand öffentlicher Parks, Schwimmbäder und stadtnaher Erholungs-und Ausflugsgebiete kann heute unmittelbar auf den Zustand der Landschaft, der Flüsse und Seen und der Atmosphäre geschlossen werden. Der Unrat, den die Menschen in ihrer Freizeit ohne Not aus purer Disziplinlosigkeit hinterlassen, korrespondiert mit dem Dreck und der Zerstörung, die zur traurigen Begleiterscheinung des wirtschaftlichen Wachstums geworden sind.
Der einzelne hat viele Möglichkeiten, einen Beitrag zur Lösung der Umweltprobleme zu leisten. Er kann z. B.den Vergaser seines Wagens freiwillig so einstellen lassen, daß der Kohlenmonoxydausstoß möglichst gering ist; er kann den Motor seines Wagens bei längeren Stauungen abstellen; er kann nachts leise durch ein Wohngebiet fahren. Er kann auch sein Konsumverhalten ändern. Niemand ist verpflichtet, Bier in Einwegflaschen zu kaufen oder überdimensionales Verpackungsmaterial entgegenzunehmen. Ein allgemeiner Boykott von Einwegflaschen würde den Rationalisierungsmaßnahmen einzelner Unternehmer auf Kosten der Allgemeinheit
Die skizizerte Gesellschaft trägt die Züge der nachindustriellen Gesellschaft, auf die sich die westlichen Industriestaaten nach dem von Futurologen angenommenen langfristigen Entwidclungstrend hinbewegen und die Ende dieses Jahrhunderts erreicht werden soll. Diese Gesellschaft wird nicht mehr vom Massenkonsum bestimmt. Bei hohem Pro-Kopf-Einkommen werden viele Tätigkeiten freiwillig ausgeübt, ohne daß die finanzielle Entschädigung den treibenden Faktor bildet. Die freie Marktwirtschaft spielt eine untergeordnete Rolle verglichen mit der öffentlichen Hand und der sozialen Gesamtplanung. Das Leistungsprinzip dominiert nicht mehr. Die arbeits-, leistungs-und aufstiegsorientierten Einstellungen in der Mittelklasse werden langsam abgebaut, ebenso die „nationalen Interessen"
III. Ausblick: Gefahren und Hoffnungen
Ein wirkungsvoller Kampf um die Erhaltung und Wiederherstellung der natürlichen Grundlagen des menschlichen Lebens wird ein großes Maß staatlicher Intervention und Reglementierung verlangen. Die Macht des Staates, der Behörden und Beamten wird auf Kosten der persönlichen Freiheit wachsen, aber dieser Preis wird um des überlebens willen gezahlt werden müssen. Aus Schutzfunktionen können allerdings Herrschaftspositionen werden. Es ist deswegen darauf zu achten, daß der Schutz der Umwelt des Menschen nicht mit dem Verlust seiner Freiheit erkauft werden muß. Der Umweltschutz darf nicht zum Vehikel für autoritäre und freiheitsfeindliche Ideologien werden. Zwar lassen sich in den Staaten der westlichen Welt viele Erscheinungsformen der Umweltzerstörung auf liberalistische und kapitalistische Verhaltensweisen der Wirtschaft, der einzelnen Menschen und der Staaten selbst zurückführen. Aber die Verhältnisse in den Ostblockstaaten und in den Entwicklungsländem zeigen, daß die Umweltzerstörung auch im Zeichen marxistisch-leninistischer oder anderer kommunistischer Ideologien vor sich geht. Es macht keinen Unterschied, ob die Abwässer einer west-oder einer mitteldeutschen Großstadt ungereinigt in einen Fluß geleitet werden, und der Verschmutzungseffekt giftiger Abgase einer chemischen Fabrik hängt nicht davon ab, ob die Produktion auch privatem Gewinnstreben oder nur der Planerfüllung dient.
Umweltschutz ist eine zu ernste Sache, als daß man ihn Ideologen und anderen Weltverbesserern überlassen könnte. In allen Staaten der Welt ist die Einsicht nötig, daß die natürlichen Ressourcen für das Leben von bald 6 Milliarden Menschen nicht unerschöpflich sind und nur in begrenztem Ausmaß den Eingriffen von Zivilisation und Technik ausgesetzt werden dürfen, daß die Folgen übermäßiger Eingriffe nicht lokalisiert, regionale siert oder nationalisiert werden können und sich letzten Endes zum Nachteil aller Menschen auswirken. Die Sorge um die Bewohnbarkeit der Erde geht alle an. Die gegenseitige Abhängigkeit müßte zu gegenseitiger Rücksichtnahme und zur politischen, administrativen und technologischen Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Abwehrmaßnahmen führen. Vielleicht erzeugt die Gemeinsamkeit der Gefahr und der Herausforderung, ihr zu begegnen, im nationalen wie im internationalen Bereich jene menschliche Solidarität, die auch für ein friedliches Zusammenleben der Menschen erforderlich ist.