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Die Stiftungsuniversität in der bildungspolitischen Diskussion. Pro und Kontra | APuZ 37/1971 | bpb.de

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APuZ 37/1971 Zwischenbilanz der Gesamthochschul-Diskussion Die Stiftungsuniversität in der bildungspolitischen Diskussion. Pro und Kontra

Die Stiftungsuniversität in der bildungspolitischen Diskussion. Pro und Kontra

Rainer van Rin/Dietrich Urbach

/ 54 Minuten zu lesen

Einleitende Bemerkungen

Inhalt

In die bildungspolitische Diskussion der letzten Zeit mischten sich zunehmend Überlegungen zur Frage privater und gesellschaftlicher Initiativen in Wissenschaft, universitärer Forschung und Hochschulwesen. „Stiftungsuniversität" bzw. „Privathochschule" — einerseits Begriffe aus der Tradition des deutschen Hoch-schulwesens, andererseits Konzepte und Modelle für ein zukunftsorientiertes Hochschulwesen — gehören dabei zu den umstrittensten Begriffen. Die Kontroverse der letzten fünf Jahre weist eine breite Skala von Motiven und Begründungen auf, die sich vom traditionellen Verständnis von Wissenschaft und Universität bis zur reinen Gesellschaftsfunktionalität erstredet. Darüber hinaus ist die Diskussion bestimmt durch Interessenkonflikte und tiefgreifende ideologische Auseinandersetzungen wissenschaftlicher Gruppen und gesellschaftlicher Organisationen.

Der umfangreiche Katalog von Argumenten für und wider eine Stiftungsuniversität zeigt, welche nachdrückliche Unterstützung und Bereitschaft zur Förderung ein solches Projekt findet, aber auch, auf welche strikte Ablehnung es stößt. Die Argumente reichen von Innovation, neuen Impulsen für die Hochschulreform, Über-windung der derzeitigen Hochschulsituation, Entlastung der Hochschulen, effektiver und praxisorientierter Bildung bis zu Kapitalabhängigkeit der Wissenschaft und Ausbildung sowie ihrer Manipulation durch die Geldgeber. Das Engagement im Hochschulwesen wird von den Befürwortern nicht zuletzt mit der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung begründet. Das umstrittene jüngste und zum Politikum gewordene Projekt des Wissenschaftszentrums in Berlin zeigt, wie schwierig der Versuch einer Realisierung ist; wobei es sich hierbei — das muß mit aller Deutlichkeit betont werden — nicht um ein Modell-beispiel der Stiftungs-bzw. Privatuniversität handelt. Es ist nicht unbegründet auf Widerstand und Ablehnung gestoßen. Als Beispiel einer idealen Stiftungs-bzw. Privatuniversität, wie sie im folgenden diskutiert wird, kann es nicht dienen.

Der Begriff „Stiftungsuniversität" an sich bezeichnet nur die Rechtsform und die Art der Finanzierung. Die Kritik hingegen entzündet sich vor allem an dem Begriff „Privathochschule", einer von außerstaatlichen, also gesellschaftlichen Trägern unterhaltenen Bildungsinstitution. Die Frage privater und gesellschaftlicher Beteiligung im Hochschulwesen steht erneut und verstärkt zur Diskussion und bedarf einer gründlichen Analyse der bisherigen Situation und einer eingehenden Beschäftigung unter den Aspekten des gesellschaftlichen Anspruchs und der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung gegenüber dem Bildungswesen. In diesem Zusammenhang stehen die Fragen, ob und in welcher Form die Realisierung privat-und gesellschaftsgetragener Projekte im Wissenschafts-und Hochschulbereich sinnvoll sind, worin die Probleme bestehen und welche Chancen es für eine Realisierung gibt. Die Komplexität dieser Problematik kann hier keineswegs umfassend dargestellt, sondern bestenfalls an verschiedenen Stellen transparent gemacht werden.

Im folgenden wird versucht, die Bedeutung der Stiftung im öffentlichen Leben zu analysieren und anschließend die Problematik staatliche Hochschule — gesellschaftsgetragene Hochschule zu untersuchen und die jeweiligen Merkmale zu verdeutlichen.

Stiftungen

Das Stiftungswesen ist in der Bundesrepublik noch unterentwickelt, während es im öffentlichen Leben etwa der USA einen breiten Raum einnimmt. Nicht zuletzt den amerikanischen Stiftungen sind moderne Einrichtungen im bundesdeutschen Bildungswesen zu danken; so hat sich z. B. die Ford-Foundation stark für die Freie Universität Berlin engagiert.

Gernot Gather weist in einem Bericht über Stiftungsinitiativen im amerikanischen Bildungswesen den Stiftungen als „Elementen der Unabhängigkeit" von der staatlichen Administration vor allem drei Funktionen zu: 1. Die initiative Funktion: „Die Stiftungen wirken gegenüber staatlichen Tätigkeiten initiativ. Sie wollen nur erste Anstöße geben in der Erwartung, daß später einmal der Staat Aufgaben übernimmt, auf deren Dringlichkeit die Stiftungen nur öffentlich aufmerksam machen wollen. Stiftungen verstehen sich also als eine Art . geistiger Entwicklungshilfe'. Den Stiftungen ist die Beunruhigung der Öffentlichkeit über das bisherige Versagen des Staates auf diesen Gebieten gelungen. Der Staat wurde unter Druck gesetzt." 2. Die Komplementä’-tunktion: „Stiftungen treten aber auch komplementär zum Staate auf, sei es, daß der Staat Stiftungsvorhaben unterstützt oder daß Stiftungen staatliche Aktivitä-ten ergänzen. So beschränken sich Stiftungen nicht darauf, nur Lückenbüßer zu sein, sondern sie erheben den Anspruch, als gleichwertige Partner anerkannt zu werden, und sie setzen sich auch als solche durch." 3. Die kontradiktorische Funktion: „Schließlich sind Fälle nicht selten, in denen die Stiftungen kontradiktorisch zum Staat handeln. Erwähnt sei nur, daß zum Beispiel die von einer Stiftung getragene und aus privaten Mitteln finanzierte Tulane University in New Orleans dank dieser Unabhängigkeit die Möglichkeit hat, sich eindeutig gegen die Neger-Segregation zu stellen, während der benachbarten Staats-universität diese Möglichkeit versagt bleibt, wollen die Professoren nicht Gefahr laufen, ihres Amtes verlustig zu gehen."

Stiftungen sind so Ausdruck einer . mündigen Gesellschaft’, die auf dem Gebiet der öffentlichen Wohlfahrt der staatlichen Legislative und Exekutive eigene Maßnahmen voran-bzw. entgegengestellt. Die Gesellschaft zwingt damit den Staat — außer mit den in der parlamentarischen Demokratie üblichen politischen Mitteln —, sich mit speziellen Problemen und Mißständen auseinanderzusetzen und diese möglichst zu beheben. Während der Staat in der Regel auf dem Gebiet der öffentlichen Wohlfahrt statisch agiert, haben die Stiftungen die Chance, neben der erwähnten Lücken-büßerfunktion’ eine . Schrittmacherfunktion'zu übernehmen. Die großen Stiftungen in der Bundesrepublik, insbesondere die Stiftung Volkswagenwerk mit ihren Initiativprojekten „Deutsches Institut für Fernstudien" und „Hoch-sdiul-Informations-System" (HIS), haben bereits vielfältige Anregungen für die staatliche Wirksamkeit gegeben.

Daneben führen Stiftungen oft auch Wettbewerbssituationen herbei und zwingen staatliche Institutionen zur Konkurrenz und Offenheit. So wird über die amerikanischen Stiftungsuniversitäten berichtet: „Diese Stiftungen sind Ausdruck der Bürgerinitiative. Die von ihnen getragenen Anstalten konkurrieren untereinander und mit den staatlichen Institutionen um qualifizierte Schüler, Studenten und Lehrer, um interessante Forschungsvorhaben, um Experimente und Neuerungen aller Art, — das gesamte amerikanische Bildungswesen befindet sich auf diese Weise in unaufhörlicher Bewegung. Und die Schulen, Hochschulen und Forschungsstätten müssen sich zugleich, eben wegen ihrer Konkurrenzlage, dem Verständnis der Gemeindemitglieder, der potentiellen Stifter, kurz, der Bürger, transparent machen. Wo der Besucher in Deutschland oft antichambrieren und mühevoll Informationen erbitten muß — und sie oft nicht erhält —, findet er in Amerika allenthalben offene Türen."

Eine entsprechende Modell-und Wettbewerbs-situation herbeizuführen ist die Absicht der Initiatoren einer Stiftungsuniversität in der Bundesrepublik.

Eine solche Privathochschule allerdings muß nicht unbedingt die Rechtsform einer Stiftung haben. Aus verschiedenen — u. a. steuerlichen — Gründen würde sich auch die Rechtsform eines eingetragenen Vereins empfehlen. Entscheidend ist jedoch — deshalb der Begriff „Stiftungsuniversität" —, daß einmalig eine sehr große Summe von einem oder mehreren Spendern zur Verfügung gestellt wird, so daß der Unterhalt der Privathochschule allein aus den jährlichen Zinsen dauernd gewährleistet ist. Sind das Stiftungskapital und dessen regelmäßiger Ertrag gegeben, so entfält auch eine der heftigsten Kritiken, die sich an den Privat-hochschulen der USA orientieren: Da dort oftmals das Stiftungskapital zu klein bzw. nicht vorhanden ist, sind jene Universitäten auf regelmäßige und einmalige Spenden von Förderern, Industrie und ehemaligen Studenten sowie auf staatliche Forschungsaufträge angewiesen. Die Abhängigkeit der Universität von ihren Geldgebern liegt in einem solchen Falle klar auf der Hand. Durch die „Stiftungsuniversität" mit einem ausreichenden Kapital soll einer solchen möglichen Abhängigkeit vorgebeugt werden.

Stiftungsuniversität und Hochschulreform

Stiftungsuniversitäten sind im deutschen Hochschulwesen keine Novität. Dennoch wird die gegenwärtige Forderung nach Einrichtung einer Stiftungsuniversität als Modell-hochschule als neuartig, fremd und utopisch empfunden. Eine solche „staatsfreie" Institution würde aber in der jetzigen Hochschulreformdiskussion wesentliche Akzente setzen können. Entsprechende Anstöße könnten auch — noch ohne reale Gründung — bereits durch das Gedankenmodell einer P-ivathochschule gege-ben werden, besonders dann, wenn es als Politikum verstanden wird.

Die Forderung nach der Errichtung einer staatsfreien und gesellschaftsgetragenen Universität entstand erst — abgesehen von einer ersten Initiative der katholischen Kirche — während der Diskussion um die Hochschulund Studienreform. Die Krise der bundesdeutschen Hochschulen konnte, das zeigte sich bereits seit den Denkschriften des SDS von 1961, nicht mehr durch Einzelmaßnahmen der Hochschulen selbst bewältigt werden. Die Probleme waren grundlegender Natur. Es bedurfte einer strukturellen Veränderung des gesamten Hochschulwesens. Dies wurde deutlich, als sich zunehmend politische Gremien mit diesen Problemen beschäftigten. Dennoch brachten nur wenige Politiker und Professoren Verständnis für die umfassende Krisis des Hochschulwesens auf. Die Schuld beipielsweise an den angeblich überlangen Studienzeiten wurde den Studierenden zugeschoben. Eine Reformbewegung anstelle reformistischer Einzelmaßnahmen, die zu Lasten der Studenten gehen, ließ die Preisgabe traditioneller Bindungen, Gewohnheiten und Vorrechte befürchten. Das vordringliche Problem schien für alle Seiten lediglich die Überprüfung der Universitäten zu sein, dem durch Zulassungsbeschränkungen, Befristung des Studiums, Zwangsexmatrikulation und Stipendienentzug begegnet werden sollte. . Geregelte'Forschung und Lehre sollten durch Disziplinarmaßnahmen aufrechterhalten werden. Politiker und Professoren überspielten durch den Ruf nach Ordnung die Tatsache, daß das Recht der Studenten auf Ausbildung durch eine völlig . ungeordnete', unrationelle und nicht überprüfbare Forschung und Lehre von Seiten des akademischen Lehrkörpers seit längerem nicht mehr gewährleistet war.

Neben dieser inneren Krise der Universitäten wurde, ausgelöst durch die , Kuby-Affäre'an der Freien Universität Berlin, durch Demonstrationen der Studenten, Assistenten und einzelner Professoren die Öffentlichkeit auf einen weiteren Mißstand aufmerksam gemacht: das undemokratische Eigenleben der Universitäten und die mangelnde Verbindung zur Gesellschaft.

Während der zunehmend ideologischen Auseinandersetzung zwischen Traditionsbewahrung, Reform und revolutionärer Umgestaltung bemühten sich verschiedene Gruppen in den wissenschaftlichen Institutionen und Parteien wie auch einzelne Politiker um neue Konzeptionen und Modelle, die der bundes-republikanischen Gesellschaftsordnung entsprechen bzw. für deren Entwicklung eine Schrittmacherfunktion übernehmen sollten. Doch bewegten sich fast alle Vorschläge im Rahmen der traditionellen Universitätsstruktur. Lediglich die Humanistische Studenten-union (HSU) brachte einen kaum beachteten Vorschlag für eine genossenschaftlich getra, gene Universität zur Diskussion.

Auch die in erster Linie vom SDS begründete „Kritische Universität" war als Gegenuniversität zur staatlichen Universität bzw. als wissenschaftliches der Studentenschatt Organ innerhalb der staatlichen Universität geschaffen. Sie setzte sich damit der gleichen Kritik aus, die Kuby der als Gegenuniversität zur Ostberliner Humboldt-Universität gegründeten „Freien Universität Berlin“ vorwarf: als Gegenuniversität unfrei zu sein. Wenngleich die „Kritische Universität“ als Gegenuniversität, als Interessenorgan und letztlich zur wissenschaftlichen Untermauerung außeruniversitärer, politischer Aktivitäten geschaffen wurde, so wird hier doch der Ansatz deutlich, aus der staatlichen Universität auszubrechen bzw. ein Organ zu bilden, das die bestehende staatliche Universität völlig umstrukturiert. Dieser Versuch ist zwar gescheitert, aber durch die inzwischen eingetretene Bewußtseinsänderung der Studentenschaft nicht ohne Folgen geblieben. In der Motivation der Berliner „Kritischen Universität" war bereits ihr Ende angezeigt: Sie sollte bei den Studenten das „Interesse an Sicherheit und Erfolg in ihrer künftigen beruflichen Entwicklung" als ein „unmittelbares Interesse an einem lebendigen und ökonomisch organisierten Studium, unter Vermeidung sinnloser und unproduktiver Arbeit" und als ein „Interesse an der Erhaltung ihrer persönlichen Freiheit und der politischen Grundrechte gegen staatliche Übergriffe und sozialen Druck" aufzeigen Es wurden damit aber lediglich Probleme der Studienreform und der Einsicht in gesellschaftliche Verhältnisse berührt. Eine grundsätzliche Kritik und der Ansatz zu einer genossenschaftlich getragenen außer-staatlichen Universität findet sich dagegen bei dem erwähnten Konzept der Humanistischen Studentenunion: „Will man die bisherige Taktik engagierter Studenten und ihrer Studentenvertretungen kritisieren, so fällt neben der bereits fast überwundenen Form des unreflektierten, nicht gesellschaftsbezogenen Pragmatismus dessen neue, noch hilfloser anmutende Variante auf: die . Überbau-Revolution'. In einigen Universitäten scheint der Fehlschluß von der Unveränderbarkeit des Systems bereits so weit verbreitet zu sein, daß man sich als schönsten Erfolg studentischer Politik den Auszug der . Antiautoritären'aus der Hochschule, etwa in Form einer permanenten (für die Masse erwiesenermaßen nicht attraktiven) . Kritischen Universität'vorstellt, um dort den an sich selbst und vergeblich an die etablierte Universität gestellten wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht zu werden. Wenn man davon überzeugt ist, daß z. B. das Ordinariatsprinzip entscheidend dazu beiträgt, Studenten und . Mittelbau'an ihrer wissenschaftlichen Entfaltung zu hindern, kann man schon um der eigenen Glaubwürdigkeit willen keine Vorschläge akzeptieren oder gar selbst formulieren, die auf dessen Stützung oder Perpetuierung hinauslaufen, auch wenn dies mit dem, den Studenten mit Recht nicht einleuchtenden, Hausmitteichen der Parität (welcher auch immer) überspielt wird.

Die Negation der bestehenden Universität und die Strategie der Aufdeckung ihrer Widersprüche wird nicht aufgegeben, sondern als in sich geschlossene, zu verwirklichende Utopie konkretisiert. Das hier vorgelegte Diskussionsmodell erhebt den Anspruch, die bestehenden und geplanten Formen der universitären Organisation an Rationalität zu übertreffen und in dem Sinne . rationell'zu sein, daß es das Niveau der wissenschaftlichen Arbeit durch die Kooperation der dabei Beteiligten verbessern kann."

Der Entwurf der HSU hat, und deshalb ist er — ansonsten leider unbeachtet — für die Hochschulreform und auch für die Privat-universität von großem Interesse, das Prinzip der Hochschullehrer als Beamte auf Lebenszeit aufgegeben.

Der § 14 des Verfassungs-Entwurfs lautet: „Die Berufungsverträge können Kündigungsfristen von drei bis fünf Jahren vorsehen. In beiderseitigem Einvernehmen zwischen Dozent und Fachgruppe kann das Arbeitsverhältnis auch kurzfristiger beendet werden. Erfüllt ein Dozent Verpflichtungen seines Berufungsvertrages wiederholt nicht, so kann die Vollversammlung der Fachgruppe mit 2/3 Mehrheit seine Entlassung beschließen, die vom Geschäftsführer des Fachbereichs im Einvernehmen mit dem Universitäts-Rat vorgenommen wird.“

Obwohl die HSU eine staatliche Finanzierung ihrer . genossenschaftlichen'Universität vorsieht — an sich ein völlig neues Modell im Genossenschaftswesen —, fasziniert der in sich geschlossene Entwurf einer konkreten Utopie und der Ausbruch aus dem Beamtenrechts-Rahmengesetz; beides im Modell der Privathochschule eingebaute Initiativen.

Bezeichneten die Studenten ihr Modell als . Utopie', die zu verwirklichen allerdings durchaus die zuständigen politischen Entscheidungsträger befugt seien, so waren bei den zu dieser Zeit gegründeten bzw. konzipierten so-genannten . Reform-Universitäten'Bochum, Bielefeld, Konstanz und Dortmund grundlegende Reformen nicht zu verzeichnen. Die von der Politik angekündigten . Reformen'erstreckten sich lediglich auf kleine organisatorische Änderungen und auf ausgeglichenere Arbeitsmöglichkeiten für die Professoren. Prof. Schelsky, Mitbegründer der tatsächlich traditionellen , Reform'-Universität Bielefeld, weist der Politik den Mangel an Initiativen zu: „Zumindest aber in einem Falle hätte eine dezidierte Reformpolitik den Landeskultusministem und sogar dem Bund freigestanden: in der Errichtung neuer Universitäten. Selbst die Gutachten des Wissenschaftsrates haben immer wieder darauf hingewiesen, daß die neuen Universitäten zu einem Experimentierfeld und damit zu einem entscheidenden Ansatz der Hochschulreform genutzt werden sollten. Obwohl bei diesen Neugründungen alle Entscheidungsgewalten bei den Landeskultusministern lagen und auch der Bund über seine finanziellen Zuschüsse erheblichen Einfluß auf strukturelle Entscheidungen hätte nehmen können, ist dieses Instrument der Hochschulreform von den staatlichen Instanzen kaum genutzt worden."

Schelsky will freilich trotz einer sonst so engagiert vorgetragenen Kritik lediglich innere . strukturelle'Änderungen. Das System des staatlichen Hochschulmonopols, eingebettet in Hochschulgesetze, Beamtenrechts-Rahmengesetz sowie der den Universitäten außerwissenschaftliche Verpflichtungen auferlegenden staatlichen Prüfungsordnungen, wird in seinem kürzlich erschienenen Buch „Abschied von der Hochschulpolitik" nicht einmal berührt.

Andere politisch aktive Wissenschaftler, wie etwa die Professoren Froese und Pöggeler, stellen dagegen das staatliche Hochschulmonopol in Frage: „Bei den bisherigen Überlegungen zur Hochschulreform ist in unserem Lande erstaunlich wenig erwogen worden, wie das Hochschulwesen durch freie Initiativen von Bürgern und Verbänden demokratisiert werden könnte.“

Die Kritik von Prof. Abelein geht in die gleiche Richtung: „Das deutsche Hochschulwesen befindet sich in einer wenig beneidenswerten Lage. Einerseits steigt die Zahl der Studierenden und Studienbewerber sprunghaft und wird sich Mitte nächsten Jahrzehnts auf eine Marge von etwa 500 000 Studenten einzupendeln beginnen. Auf der anderen Seite sind weder die Bemühungen der staatlichen Träger erfolgreich, die Kapazitäten dem An-sturm auf die Hochschulen anzupassen, noch haben sich die Hochschulen selbst dazu in der Lage erwiesen, durch organisatorische Reformen und eine grundsätzliche Neuordnung des Studiums die Diskrepanz zwischen Nachfrage und Angebot zu verringern ... In der Debatte fehlt es an Modellvorstellungen konstruktiver Utopie. So kleben beispielsweise alle Reformkonzepte an der Prämisse, daß Hochschulen vom Staat errichtet und unterhalten werden, wobei die Ansichten über die staatliche Einflußnahme und Kontrolle dann weit auseinanderklaffen. Nicht zuletzt aufgrund ausländischer Beispiele muß gefragt werden, wieso die staatliche Trägerschaft zum konstituierenden Merkmal der deutschen Hochschule gehört. Unverständlich ist, daß die . progressiven Studenten’ zwar private Monopoltendenzen, nicht aber das unübersehbare staatliche Hochschulmonopol brechen wollen."

Diese beiden Stimmen, herausgegriffen aus einer Vielzahl von Diskussionsbeiträgen, machen einen neuralgischen Punkt in der Reformkritik deutlich, der bislang kaum beachtet wurde: Das staatliche Monopol im Hochschulbereich ist eine wichtige Ursache der noch nicht bewältigten Hochschulkrise und ein Reform-hemmnis. Die Kritik an den traditionellen Universitäten läßt sich, wenn auch nur sehr pauschal, unter wenigen Punkten zusammenfassen; gleichzeitig werden die Alternativfunktionen und Wesensmerkmale einer Privathochschule sichtbar. Durch die Errichtung einer Privathochschule könnten überwunden werden:

1. „Die Tätigkeit der Hochschullehrer in der Regel als Beamte auf Lebenszeit bzw. in darauf gerichteten Vorbereitungspositionen (Assistent, Privatdozent, außerplanmäßiger Professor) und ihre darauf basierende unkontrollierte . absolutistische Machtausübung’; 2.der staatliche Einfluß auf die Hochschulen in ihrer Aufsichts-und Kontrollfunktion (durch die Genehmigungspflicht von Satzungen und Ordnungen, durch Einzelfinanzierung, durch die Berufungspraxis);

3. die mangelnde Mitwirkung aller betroffenen Hochschulmitglieder an den Entscheidungen der Hochschulorgane; dies betrifft sowohl die hochschulpolitischen Entscheidungen wie die Mitwirkung bei der Gestaltung der Studiengänge und der Prüfungsordnung, wie die Mitwirkung in der Forschung.

4. die Negation bestehender Konflikte in der . Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden'; dargestellt in der akademischen Disziplinarordnung, der Vertraulichkeit der Sitzungen der Hochschulorgane und dem Kollegial-und Einstimmigkeitsprinzip (insbesondere in den Fakultäten) ;

5. die fehlende Einheitlichkeit des tertiären Bildungssektors bzw. die Stufung des Hoch-schulwesens in Universitäten, technische und andere wissenschaftliche Hochschulen, pädagogische Hochschulen, Fachhochschulen und höhere Fachschulen (einschließlich Akademien und Seefahrtschulen) — die Hochschulgesamtpläne von Dahrendorf und Evers haben hier bereits Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt;

6.der fehlende Praxisbezug des Studiums und die den späteren Berufsmöglichkeiten und -funktionen nicht mehr entsprechenden Studiengänge und Prüfungsanforderungen.

Eine privatrechtliche Hochschule, die als Anstalt des privaten Rechts keine beamteten Hochschullehrer kennt, die von gesellschaftlichen Gruppen getragen wird, die nicht durch Tradition und staatliche Auflagen belastet ist und in deren Organen alle Hochschulmitglieder angemessen vertreten sind, könnte ein Modell zur Lösung dieser Probleme sein.“

Der Vorzug der privatrechtlichen Stiftungsuniversität besteht vor allem darin, daß sie unbelastet von einer Tradition sich neue Ziele setzen und wegweisende Veränderungen vornehmen kann. So werden sich hier leichter eine demokratische Struktur, neue Ausbildungsgänge, die Aufnahme neuer wissenschaftlicher Fachrichtungen, neue Abschlüsse des Studiums, bessere Curricula und ein neues Wissenschaftsverständnis schaffen lassen. Besonders aber wird die Privathochschule einen wesentlichen Beitrag leisten zu einer größeren Praxisorientiertheit in Forschung, Lehre und Studium. Dies insbesondere durch die höhere und leichtere Mobilität des Lehrpersonals, das nunmehr wechseln kann zwischen wissenschaftlicher Tätigkeit, Staats-und Verbands-verwaltung, Wirtschaft, Kultur und Presse. Daß der mit dieser personalen Mobilität verbundene Vorzug einer stärkeren Verflechtung von Wissenschaft und Praxis, Hochschule und Gesellschaft, nicht unerhebliche neue Probleme in der Frage der Anstellung, des Einflusses von außen her und Gefährdung der Autonomie etc. mit sich bringt, bleibt unübersehbar.

Ein besonderes Merkmal der Stiftungshochschule aber ist das ihr vom Begriff her zugewiesene Prinzip des gesellschaftlichen Bezugs, das in verschiedener Form sichtbar wird.

Dieses Prinzip ist auf die Funktion der . Stiftung'im öffentlichen Leben grundsätzlich zurückzuführen. Denn ihre Funktionszuweisung erfährt die Stiftung von der Gesellschaft, die in einem ständigen Wandel begriffen ist: »Sofern aber Stiftungen Veränderungen hervorbringen, zum gesamtgesellschaftlichen Wandel beitragen sollen, genügt es nicht, ihnen nur eine formale Position zuzusprechen, indem sie zum Staat ins Verhältnis gesetzt werden ... Vielmehr muß dann im Sinne des Dahrendorf-sehen Beispiels versucht werden, ein gesellschaftliches Bedürfnis als Wert zu artikulieren und die Gründe dafür herauszuarbeiten, warum diesem Bedürfnis in der gegebenen politischen und sozialen Struktur keine generelle Befriedigung zuteil werden kann.“

Es darf hier unterstellt werden — und die Diskussionsbeiträge von Vertretern verschiedener politischer Parteien, der Wirtschaft und der Studentenverbände belegen es —, daß ein gesellschaftliches Bedürfnis besteht, im Hochschulwesen neue Modelle zu erproben und dabei auch den Weg über außerstaatliche, private Stiftungsinitiativen zu gehen. Die Stiftungsuniversität soll dabei nicht nur initiativ und innovativ in einer . Schrittmacherfunktion'wirken, sondern ein Konkurrenzmodell gegenüber den staatlichen Universitäten darstellen. Abgesehen von den erwähnten organisatorischen Reformen kommt durch die erweiterte Einbeziehung von qualifizierten Vertretern aus der Wirtschaft, Verwaltung, Politik und anderen Bereichen in Forschung und Lehre ein stärkerer Bezug der Wissenschaft zum gesellschaftlichen und berufspraktischen Leben zustande. Daneben führt diese Offenheit und Mobilität zu einer höheren Leistungsetfizienz der Hochschule sowie zur politischen und gesellschaftlichen Emanzipation und Verantwortlichkeit ihrer Mitglieder.

Der Stiftungsuniversität ist es möglich, eine Initiativfunktion zur Errichtung eines Gesamthochschulmodells zu verwirklichen und damit zum Abbau der Rangordnung der verschiedenen Hochschuleinrichtungen beizutragen. Eine neue Rangordnung zwischen staatlichen und privaten Universitäten muß vermieden werden. In einem kooperativen Gesamthochschulmodell darf zwischen privaten und staatlichen Hochschulstiftungen kein Rangunterschied bestehen. Insbesondere wird es möglich sein, an einer solchen Privathochschule, die nicht den staatlichen Haushaltsbestimmungen und deren für die wissenschaftliche Arbeit unrationellen Auswirkungen unterliegt die in die Industrie und andere hochschulfreie Institutionen abgewanderte Forschung wieder mit der Lehre und Ausbildung zu verbinden. Den — von der Stiftungshochschule aufzugreifenden — gesellschaftlichen Bezug der Forschung, die von ihrem Wesen her an den Universitäten wieder institutionalisiert werden sollte, betont auch eine Studie über die „Forschung und Forschungsförderung in der Bundesrepublik“: „Die Wissenschaftsund Forschungspolitik ihre Ziele und Mittel sind eingeordnet in die Gesellschaftspolitik. Ein autonomer, gesellschaftsunabhängiger Bereich der Wissenschaft existiert heute nicht mehr — weder für die Hochschulen noch für die Selbstverwaltungsorganisationen der Wissenschaft. Wirkungsweise und Zielvorstellungen der Wissenschaftspolitik sind somit abhängig von den Zielvorstellungen der allgemeinen Politik ... Diese Forschung nimmt damit vor allem eine gesellschaftsbezogene, zukunftsorientierte Funktion war. Aus diesem Grunde obliegen Gesellschaft und Staat besondere Pflichten gegenüber der Forschung und den sie durchfüh-renden Institutionen.“

Der Tenor des Vorschlags dieser Studien-gruppe liegt darin, die Forschung soweit als möglich in eine veränderte, gesellschaftsintegrierte Hochschule zurückzuholen. Dieser Vorschlag wird voraussichtlich in nächster Zeit nur an einer Privathochschule oder einer neugegründeten Hochschule mit neuer Organisation und Zielsetzung zu verwirklichen sein.

Das Problem der Forschung an einer Privat-hochschule ist jedoch auch unter einem anderen Gesichtspunkt zu betrachten. Zur Zeit gibt es sehr viele Institute , an'Universitäten und Hochschulen, die von der Wirtschaft, von Verbänden oder Kommunen finanziert werden. Diese Institute, unter Leitung eines der Universität angehörenden Lehrstuhlinhabers, dienen in der Regel lediglich der zweckorientierten Forschung im Sinne ihrer Träger. Diese Institute profitieren zwar vom . Nimbus'der Universitäten, sind jedoch nicht deren Kontrolle unterworfen und dienen oft in geringem Maße der Ausbildung der Studenten. Ihr Anschluß an eine Universität ist von der traditionellen und gegenwärtigen Zielsetzung der Universität her sicher problematisch, fragwürdig und daher zu überprüfen. Der Wissenschaftsrat empfiehlt deshalb auch eine Überprüfung der Stellung dieser Institute: „Ein gemeinsames Kriterium für die Aufgaben der Institute, die diese Organisationsform haben, ist nicht erkennbar. Ebenso ist es schwer bestimmbar, welche spezifischen Aufgaben diese Form erfordern. Offenbar sind auch die Bedingungen, unter denen die Hochschulen oder Hochschulverwaltungen rechtlich selbständigen Forschungseinrichtungen gestatten, sich als Institute , an'der Hochschule zu bezeichnen, an einer Reihe von Hochschulen nicht geregelt, jedenfalls scheinen sie von Ort zu Ort verschieden zu sein.“ Voraussichtlich wird in den nächsten Jahren die Rechtsstellung dieser Institute überprüft werden. Diese Institute, die aus verschiedenen, oft recht äußerlichen Motiven staatlichen Hochschulen angegliedert sind, könnten in einer Privathochschule zusammengefaßt bzw. in sie integriert werden: „Grundsätzlich sollen die gruppengetragenen Forschungseinrichtungen stärker zur Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses eingesetzt werden, indem in ihnen Praktika und wissenschaftliche Qualifizierungsarbeiten durchgeführt werden können."

Im Rahmen dieser Problemstellung ist auch zu verweisen auf die bestehenden Stiftungen von und für Hochschulen. Für die Bundesrepublik gibt es jedoch noch keine genaue Übersicht. Man schätzt jedoch bei einem angenommenen Gesamthaushalt der deutschen Hochschulen von vier bis fünf Milliarden DM pro Jahr den Anteil von Stiftungen auf sieben bis zehn Prozent. Eine Information des hessischen Kultusministers über Stiftungseigentum an den Hochschuleinrichtungen des Landes Hessen ist jedoch aufschlußreich:

„Universität Frankfurt. Die Universität verfügt über die Erlöse aus 22 unselbständigen Stiftungen mit einem Gesamtkapital von rund 2, 1 Millionen DM. Die Stiftungen werden teils von der Universität, teils von der Stadt Frankfurt verwaltet. Es bestehen 13 selbständige Stiftungen, die besonders aufgrund des Vertrages über die Gründung der Universität von 1912 ihr bewegliches und unbewegliches Vermögen der Universität kostenlos zur Nutzung zur Verfügung stellen.

Universität Gießen. Es bestehen vier unselbständige Stiftungen mit einem Gesamtvermögen von 148 000, — DM.

Universität Marburg. Es bestehen zwei selbständige Stiftungen mit einem Gesamtvermögen im Nennwert von rd. 900 000, — DM sowie elf unselbständige Stiftungen mit einem Gesamtvermögen im Nennwert von 758 000, — DM.“

Für die Universität Frankfurt weist der verhältnismäßig hohe Betrag darauf hin, daß die Universität ursprünglich im Jahr 1912 als Stiftungsuniversität gegründet wurde und noch heute Zuwendungen aus den Stiftungen Frankfurter Bürger erhält. Grundsätzlich ist jedoch dieser Übersicht zu entnehmen, daß auch Erträge aus bestehenden Stiftungen sowie die Nutzung unbeweglichen Vermögens zur Finanzierung der Arbeit an den bestehenden Universitäten beitragen. Auch die traditionellen Universitäten sind damit, wenngleich auch nur zu einem sehr geringen Teil der Gesamt-finanzierung, Nutznießer von Stiftungen.

Die verfassunasrechtliche Situation

In der Bundesrepublik sind unter den gegebenen verfassungsrechtlichen Bestimmungen Gründungen von privatrechtlichen Stiftungsuniversitäten möglich. Zudem existieren bereits als kirchlich-theologische Hochschulen einige Privathochschulen, die allerdings nur der Ausbildung des theologischen Nachwuchses dienen und deren Aufgabenbereich in Lan-desvErfassungen und Konkordaten festgelegt ist. Das Grundgesetz der Bundesrepublik enthält weder negative noch positive Äußerungen über private Hochschulen. Allerdings ist den Protokollen des Parlamentarischen Rates zu entnehmen, daß dessen Mitglieder sich gegenüber privaten Hochschulen eher ablehnend verhielten und deshalb einen dem Art. 7, 4 GG entsprechenden Passus über Privathochschulen ausklammerten. Das Grundgesetz verbietet jedoch Privathochschulen nicht ausdrücklich; die positiven Artikel in einigen Landesverfassungen widersprechen nicht dem Grundgesetz und lassen demzufolge Privathochschulen zu.

Bayern kennt als Hochschulen mit Sonderstatus nur kirchliche Hochschulen (Art. 150 Bayrische Verfassung). Privathochschulen der erwähnten Art sind deshalb zumindest problematisch.

Baden-Württemberg legt sich in Art. 20 seiner Verfassung ausdrücklich auf staatliche Hochschulen fest. Eine Verfassungsinterpretation, die private Hochschulen zuläßt, ist kaum möglich. Die Verfassungen von Hamburg und Berlin enthalten keine das Hochschulwesen tangierenden Artikel. Von der Praxis her wäre in Hamburg kaum, in Berlin nach den Erfahrungen von amerikanischen Sondierungsgesprächen her eine Privathochschule ebenfalls kaum, wie die gegenwärtige Situation aber zeigt, vielleicht möglich.

In Bremen wäre nach Art. 34 der Verfassung („Die Hochschulen sind in der Regel staatlich.") eine Privathochschule zulässig, sie bedürfte jedoch eines Gesetzes. Die Auseinandersetzungen seit 1961 um die Gründung der Universität Bremen haben immerhin dazu geführt, daß im Gründungssenat und auch im Bundestag die Gründung einer Stiftungsuniversität in Bremen anstelle der geplanten staatlichen Universität in Erwägung gezogen wurde. Der Bildungssenator von Bremen, Thape, hatte diese Möglichkeit im Mai 1968 angedeutet. Und auch nach Pressemeldungen vor einigen Monaten hat der Gründungssenat eine solche Entwicklung diskutiert.

Die niedersächsische Verfassung enthält keine Bestimmungen über das Hochschulwesen. Die Gründung einer Privathochschule nach Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes wäre möglich.

Der Artikel 16 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen enthält keine Argumentation für eine Privathochschule. Die politische Konstellation schließt wohl auch eine entsprechende Initiative aus, obwohl in Nordrhein-Westfalen in den kommenden zehn Jahren acht neue Universitäten gegründet werden sollen und der ehemalige nordrhein-westfälische Kultusminister Prof. Mikat als erster im Jahre 1965 die Errichtung von Privathoch-schulen vorschlug.

Im Land Rheinland-Pfalz sind Privathochsdiulen in der Verfassung ausdrücklich zugelassen. Der Art. 30 lautet: „Privathochschulen als Ersatz für öffentliche Schulen, einschließlich der Hochschulen, können mit staatlicher Genehmigung errichtet und betrieben werden." Der derzeitige Kultusminister des Landes, Dr. Vogel, unterstützt die Bemühungen um die Gründung einer Stiftungsuniversität nachdrücklich. Sein Land würde, auch aus geopolitischen Gesichtspunkten, sicher einen guten Standort für eine Stiftungsuniversität bieten.

Schleswig-Holstein hat in Artikel 7 seiner Verfassung keine näheren Angaben über das Hochschulwesen des Landes. Eine Privatuniversität wäre möglich; ob opportun, erscheint fraglich.

Für Hessen läßt die Landesverfassung Privat-hochschulen zu, auferlegt ihnen jedoch einige Bedingungen. Der Artikel 61 der Landesverfassung vom 22. Juli 1950 lautet: „Private Mittel-, höhere und Hochschulen und Schulen besonderer pädagogischer Prägung bedürfen der Genehmigung des Staates. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die Privatschulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen, wenn sie eine Sondierung nach den Besitzverhältnissen der Eltern fördern oder wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung nicht genügend gesichert ist. Das Nähere bestimmt das Gesetz."

In Hessen wäre damit grundsätzlich die Errichtung einer Stiftungsuniversität möglich. Das hierfür notwendige von der Verfassung vorgeschriebene Gesetz hat die Landtagsfraktion der FDP, worauf noch zu verweisen ist, bereits im Inhalt angekündigt.

Für die von den Initiatoren geplante privat-rechtliche Stiftungsuniversität sind von der Verfassungssituation her die Länder Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Bremen und Hessen besonders zu empfehlen. Allein von der Auslegung der Verfassung würden die Länder Hessen und Rheinland-Pfalz als beste Standorte für eine Privathochschule erscheinen.

Neben diesen verfassungsrechtlichen Erwägungen bleibt in erster Linie die politische Diskussion von Interesse. Dabei dürfte auch von Bedeutung sein, daß die Forderung nach einer Stiftungsuniversität weder partei-noch landespolitisch geprägt ist. Die Möglichkeit einer außerstaatlichen Konkurrenz, die zugleich Schrittmacherfunktionen übernehmen soll, interessiert die einzelnen Bundesländer und politischen Parteien gleichermaßen. Dabei muß jedoch betont werden, daß vor allem die liberale Partei das Modell einer außerstaatlichen, durch private Initiative geförderte Privathochschule besonders unterstützt hat,

Die bildungspolitische Diskussion

Im Pluralismus der Hochschulreformbestrebungen findet das Modell einer privaten Hochschule in den beiden letzten Jahren besonderes Interesse; die Diskussion setzte jedoch bereits vor fünf Jahren ein. 1964 sprach sich ein Vertreter der katholischen Kirche, der Aachener Bischof Dr. Pohlschneider, auf dem 80. Katholikentag in Stuttgart für die Gründung einer privaten katholischen Universität an einer zentralen Stelle in der Bundesrepublik aus.

Ein Jahr später forderte der damalige nordrhein-westfälische Kultusminister Prof. Mikat dazu auf, im Rahmen einer breiten und grundlegenden Bildungsreform eine . neue Universität'zu gründen, die von den organisierten gesellschaftlichen Gruppen, vor allem von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, getragen werden sollte. Die Angesprochenen vermuteten jedoch — zu unrecht —, daß der Staat lediglich die finanzielle Trägerschaft gesellschaftlichen Gruppen überantworten wolle und lehnten den Vorschlag ohne weitere Diskussion ab: „Kultusminister Mikat machte vor einiger Zeit den Vorschlag, die Finanzierung der deutschen Hochschulen teilweise aus privaten Quellen zu speisen. Uns scheint es bewundernswert, welche Ideen produziurt werden, um davon abzulenken, daß es Aufgabe des Staates ist, Wissenschaft und Forschung, Hochschulen und Bildungswesen ausreichend mit Geld zu versorgen. Es fehlt eigentlich nur noch der Vorschlag, die Hochschulen sollten im Lotto spielen."

Ähnlich lehnte damals die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Mikats Vorschlag als „undurchführbar und abwegig" ab, während die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft erklärte, es sei eine Zumutung für den Steuerzahler, wenn er für die Gemeinschaftsaufgabe der wissenschaftlichen Ausbildung und Forschung „in karitativer Weise" zusätzlich aufkommen müsse 1966 plädierte ein Vertreter der Industrie, Manfred Wahl von der Geschäftsleitung der Deutschen IBM, auf der Jahrestagung der deutschen Volks-und Betriebswirte in München für eine eigene Industrieuniversität. Wahl erneuerte seine Forderung im April 1968 und begründete seinen Vorschlag insbesondere mit der unzureichenden Aus-und Weiterbildung des Industrie-Managements: „Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr komme ich zu der

Überzeugung, daß nur eine eigenständige, großzügig ausgestattete . Stiftungsuniversität der deutschen Wirtschaft', frei von staatlichen Zuschüssen und damit Reglementierungen, die notwendige Flexibilität und Attraktivität für Lehrkräfte und Lernende haben wird, die erforderlich ist, um zu der notwendigen Breiten-und Tiefenwirkung zu kommen." öffentliche Reaktionen der Industrie waren jedoch nicht zu verzeichnen.

Als erster Politiker griff der Bildungsexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Karl Moersch, das Problem auf einem Parteitag auf. Er wies auf die Notwendigkeit der Überwindung des staatlichen Hochschulmonopols hin und brachte damit eine Grundlage für die weitgreifende Diskussion ein. Moersch erklärte während des 18. Parteitages der Freien Demokraten am 3. April 1967 in Hannover: „Es sind große Aufgaben, riesengroße Aufgaben sogar, die gelöst werden müssen, wenn wir ein modernes leistungsfähiges Bildungswesen schaffen wollen. Ich fürchte fast, die staatlichen Instanzen allein sind dabei überfordert. Deshalb sollten wir entschlossen den Weg für die Privatinitiative ebnen, auch und gerade im Bereich der Hochschule und Wissenschaft. Warum eigentlich gibt es bei uns keine private Universität, warum kann sie nicht gegründet werden? Weil es keine großen privaten Stiftungen gibt wie in Amerika, weil es an den Geldmitteln fehlt, lautet die Antwort. Sie ist nur zum Teil richtig. Eine private Universität, obwohl in einigen Länderverfassungen zumindest rechtlich möglich, paßt nicht zur Tradition unseres Bildungswesens.

Dennoch kann kein Zweifel daran bestehen, daß eine privatrechtliche und aus privaten Mitteln finanzierte Institution ein stimulierendes Element für alle Arten von Reformen in Lehre und Forschung sein könnte. Warum eigentlich sollte das Beispiel der so oft pädagogisch wegweisenden Privatschulen nicht in gewissem Umfang auch für den Hochschulbereich gelten können? Es wird einjewandt, daß eine staatliche Anerkennung dieser Universität schwierig wäre. Zwei Dinge müssen hier klar unterschieden werden: die Staatsprüfungen und die akademischen Prüfungen. Bei den Staatsprüfungen müßte es möglich sein, daß die staatlichen Prüfer genauso examinieren wie an den öffentlich-rechtlichen Anstalten wobei es der privaten Universität überlassen bliebe, zu bestimmen, in welcher Weise, auf welchem Weg das Prüfungsziel erreicht wird. Viel einfacher müßte es bei der akademischen Qualifikation sein. Die private Universität bestimmt selbt das Maß ihrer Anerkennung durch den wissenschaftlichen Leistungsnachweis derer, die sie absolviert haben. Die Privatuniversitätmuß auf ihren wissenschaftlichen Ruf sorgfältig achten, wenn sie ihre Geldgeber nicht enttäuschen und sich selbst nicht disqualifizieren will.

Warum also kein Nebeneinander von öffentlich-rechtlicher und privater Hochschule? Das Haupthindernis in der Praxis wird die Finanzierung sein. Um so wichtiger ist es, durch ein verbessertes Stiftungsrecht, durch ein verändertes Erbrecht und Steuerrecht den Anreiz für wirksame Privatstiftungen zu schaffen. Noch einmal: wenn keine staatlichen Mittel gefordert werden, sollte der Staat auch hier der Privatinitiative freien Spielraum geben und freien Raum lassen. Ein Leistungswettbewerb muß gefördert werden, wo immer diese Förderung möglich ist."

Der Staatssekretär im Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung, von Heppe, unterstützte in einer Pressekonferenz im Februar 1968 in Hannover die Initiativen für eine privatrechtliche Stiftungsuniversität nachdrücklich und bedauerte, daß hier die Stiftung Volkswagenwerk nicht initiativ geworden sei.

Die Bundestagsfraktion der FDP griff diese Stellungnahme des Staatssekretärs auf und legte zur dritten Beratung des Bundeshaushalts 1968 einen Entschließungsantrag vor, in dem die Bundesregierung ersucht wurde, „ 1. entsprechend den Äußerungen des Staatssekretärs von Heppe vom Februar 1968 in Hannover in allen Gremien, in denen sie Einfluß nehmen kann, die Gründung einer wissenschaftlichen Stiftungshochschule mit Modellcharakter nach Kräften zu fördern; 2. mit Nachdruck die Gründung einer wissenschaftlichen Hochschule in Bremen zu unterstützen; 3, die Rechtslage, insbesondere im Stiftungs-und Steuerrecht so zu ändern, daß sie einem Ausbau des Stiftungswesens im Bereich von Wissenschaft und Forschung nicht mehr entgegenstehen."

Bei der Bundestagsdebatte über Studentenunruhen und Hochschulreform am 7. Mai 1968 vertrat Karl Moersch erneut seine Forderung nach einer Privathochschule: „Nun, ich glaube, wir sind in dieser Diskussion an dem Punkt, an dem wir uns überlegen müssen, ob es heute noch sinnvoll ist, das staatliche Bildungsmonopol im Hochschulbereich aufrechtzuerhalten ... Ich möchte ihnen dringend Vorschlägen, diesen Gedanken sehr ernst zu prüfen und uns auch in diesem Hause einmal speziell mit dieser Frage zu befassen." In seinen folgenden Ausführungen ging Moersch im einzelnen auf den Modellcharakter dieser Privathochschule ein und betonte, daß Bremen als Standort möglich sei.

Die FDP hatte das ihr nahestehende „Institut für Politische Planung und Kybernetik" bereits zuvor beauftragt, Gutachten zur Entwicklung des Hochschulwesens in der Bundesrepublik abzugeben und dabei auch die Gründung von Privathochschulen einzubeziehen. Der vom Institut vorgelegte und von den zuständigen Gremien der FDP übernommene Entwurf für ein Bundesrahmen-Hochschulgesetz wies den privaten Hochschulen folgende Aufgaben und Stellung zu: »§ 29 Aufgabe und Stellung:

(1) Private Hochschulen müssen den Prinzipien dieses Gesetzes, insbesondere den §§ 1 und 2 genügen; sie sind in ein Hochschulregister einzutragen.

(2) Sie können Teilbereiche der Wissenschaft und einzelne Studienstufen umfassen.

(3) Auch private Hochschulen müssen jede soziale Selektion vermeiden.

(4) Sie dürfen in den Anforderungen an die wissenschaftlichen Angestellten nicht hinter denen öffentlich-rechtlicher Hochschulen zurückstehen.

(5) Sie müssen ausreichendes eigenes Vermögen bzw. die Garantie regelmäßiger Zuwendungen haben. Sie haben Haushalts-und Rechenschaftsberichte jährlich zu veröffentlichen. § 30 Aufsicht Private Hochschulen unterliegen der Fachaufsicht einer unabhängigen Kommission. Die Mitglieder der Aufsichtskommission werden vom Bundestag gewählt.“

In der beigefügten Begründung zu §§ 29 und 30 wird die Bedeutung klar, die privaten Hochschulen beigemessen wird. Hingewiesen wird aber auch auf die gemeinsam für staatliche und private Hochschulen verbindlichen Grundsätze. Es heißt dort:

„Nur wenige Länder lassen bisher in ihren Verfassungen private Hochschulen zu. Um Privatinitiativen zu ermuntern, um Reformversuche auch außerhalb des staatlichen Hoch-schulwesens zu ermöglichen und dadurch Konkurrenz zu schaffen, wird die Gründung privater Hochschulen generell erlaubt. Um Offenheit und Vergleichbarkeit zwischen den staatlichen Hochschulen und Hochschulen in privater Trägerschaft zu gewährleisten, werden die privaten Hochschulen an die Grundsätze dieses Gesetzentwurfs gebunden; dies betrifft die Aufgabenstellung und die Stellung im Hochschulbereich sowie die Qualifikation der Studierenden und der wissenschaftlichen Ange-stellten. Darüber hinausgehende Vorschriften werden nicht erlassen, um den Spielraum privater Initiative und neuartiger Konzeptionen nicht einzuengen. Um eine Kontrolle der Privathochschulen zu ermöglichen, ohne sie dem direkten Einfluß der Kultusverwaltung auszusetzen, wird eine unabhängige Kommission gebildet."

Die angesprochenen Aufgaben der Hochschulen (§ 1) umfassen u. a.:

— Wissenschaft und Kunst durch Forschung, Lehre und Studium zu pflegen und zu verbreiten,

— die gesellschaftlichen Auswirkungen der Wissenschaften aufzuzeigen und sie für die Verwirklichung freiheitlicher demokratischer Prinzipien einzusetzen, — die Offenheit für alle, die entsprechende Qualifikationen besitzen, die Vorbereitung auf Funktionen und Positionen in der Gesellschaft, für die wissenschaftliches Arbeiten notwendig ist.

Die privaten Hochschulen gehören (nach § 2) wie die staatlichen in die tertiäre Stufe des Bildungswesens, bauen auf Abschlüssen der Endstufe des Sekundarschulwesens oder gleichwertigen Qualifikationen auf und führen die Studierenden zu akademischen Examen

Im Januar 1969 legte die FDP-Fraktion des hessischen Landtages einen Gesetzentwurf für privatrechtliche Hochschulen vor, der auf dem Artikel 61 der Verfassung des Landes Hessen basierte und einzelne Punkte des Rahmengesetzentwurfes des FDP-Bundesvorstandes näher erläuterte. Zur rechtlichen Stellung einer Privathochschule sieht dieser Entwurf eines . Privathochschulgesetzes'vor, daß die privat-rechtlichen Hochschulen in ein beim Register-gericht einzurichtendes Privathochschulregister einzutragen sind und die privatrechtlichen Hochschulen der Fachaufsicht einer unabhängigen Kommission unterliegen, deren Mitglieder vom Landtag gewählt werden, die Hälfte aber nicht Mitglieder des Landtages sein darf. Sie soll aus 11 Mitgliedern bestehen. Vorsitzender ist der Kultusminister oder sein Stellvertreter Aufgabe der Kommission ist, fachlich die Einhaltung dieses Gesetzes zu prüfen. Werden die gesetzlichen Bedingungen erfüllt, „so ist die Hochschule staatlich anerkannt und kann akademische Prüfungen durchführen und akademische Titel verleihen". Damit ist sie den „staatlichen Hochschulen und deren Studien-ordnungen gleichrangig und hat das Recht, in der Westdeutschen Rektorenkonferenz oder gleichwertigen Institutionen vertreten zu sein"

Der von der FDP-Bürgerschaftsfraktion Bremen vorgelegte Gesetzentwurf über die Universität Bremen sieht in ähnlicher Weise eine Rechtsgrundlage für die Gründung einer Privathochschule vor Die Bremer FDP orientierte sich bei diesem Gesetzentwurf auch an der aktuellen Diskussion um die Gründung der Universität Bremen. „Der Bremer Bildungssenator hat in einem Appell an die Länder den Gedanken einer Stiftungsuniversität mit Beteiligung des Bundes, der schon vor Jahren einmal im Gespräch war, wieder aufgegriffen. Man sollte diesen zunächst etwas abstrakt wirkenden Plan in einen konkreten Entwurf verwandeln. Vielleicht bekäme er dadurch mehr Anziehungskraft." Dazu kam es aber nicht.

Der Vorstand des Verbandes Deutscher Studentenschaften begrüßte zwar grundsätzlich eine Privathochschule als Reformmodell, meldete aber einige Bedenken an: „Der VDS ist nicht gegen Pläne für eine private Modell-universität, glaubt aber, daß deren Verwirklichung zu lange dauern würde."

Von Seiten der CDU wurde die Projektion einer Stiftungsuniversität grundsätzlich begrüßt. Der Kultusminister des Landes Rhein-land-Palz, Dr. Bernhard Vogel, brachte in verschiedenen Diskussionsbeiträgen neue Vorschläge für eine Reform des Hochschulwesens durch das Modell einer Privathochschule ein:

„Die Grundfigur von mir ist, daß, wenn alles, was über Demokratie und Pluralismus im Augenblick gesagt wird, einen wahren Kern hat, es nicht nur im Bereich der Schule, sondern erst recht im Bereich der Hochschule einen gesellschaftlichen Wettbewerb geben muß. Daß wir das staatliche Schulmonopol des 19. Jahrhunderts nicht mehr brauchen können, wird langsam Allgemeingut. Ich meine, daß wir aber auch ein Hochschulmonopol in dieser Form nicht mehr brauchen können, zumal es ganz offensichtlich dem Staat außerordentlich schwerfällt, den kranken Patienten Hochschule gesund zu bekommen. Ich kann mir aber vorstellen, daß durch eine Konkurrenz, indem sich ja eine Hochschule herausbildet, die frei ist von einer ganzen Reihe von staatlichen Bindungen, daß durch eine solche Konkurrenz auch ein Gesundungsprozeß für die staatliche Hochschule eingeleitet wird. Um ein Beispiel zu nennen: Nichts würde eine private Hochschule zwingen, ihren Dozenten, ihren Professoren den Status von Beamten zu geben. Sie könnte, und hier ist der Markt glaube ich nicht schlecht, Wissenschaftler auf fünf oder sieben Jahre verpflichten, zu einem entsprechend hohen Gehalt, zu einem Vertrag, der verlängert werden kann, der aber solchen Kräften dann auch die Rückkehr an ihr bisheriges Tätigkeitsfeld ermöglicht."

An einer anderen Stelle dieses Interviews betonte Minister Dr. Vogel nochmals die angestrebte Konkurrenz-und Modellsituation: „Ich möchte die Stiftungsuniversität nicht mit der Aufgabe belasten, den staatlichen Universitäten vorzumachen, wie sie es machen sollen. Sondern ich möchte sie nur in die Konkurrenz schicken mit den anderen Universitäten. Mag sein, daß sie im Laufe der Zeit auch Modelle entwickelt, die dann von staatlichen Universitäten übernommen werden könnten. Aber mein erster Impuls dafür, um es noch einmal klar zu betonen, ist, daß eine mündig gewordene Gesellschaft sich meiner Überzeugung nach auch in diesem Bereich aus der alleinigen Zuständigkeit des Staates lösen soll."

Unterstützt wurde Kultusminister Vogel in seinen Vorstellungen von anderen kulturpolitischen Sprechern der CDU, Dr. Abelein, Dr. Dichgans und dem zuständigen Referenten Bergsdorf. Eine entscheidende Förderung erhielt die Diskussion um die Stiftungsuniversität durch die Vorschläge zur Konzeption, Finanzierung und Institutionalisierung der Privathochschule des „Berliner Bildungspolitischen Arbeitskreises" Waren dessen Vorstellungen auch nur temporär von Bedeutung, so brachten sie doch inhaltliche Vorstellungen zur Konzeption der Stiftungsuniversität und gleichzeitig einen Beitrag zur allgemeinen Hochschulreformdiskussion. Eine erste Diskussion wurde im November 1968 in der Evangelischen Akademie Loccum eine zweite im September 1969 in der Theodor-Heuss-Akademie in Gummersbach veranstaltet. Bei diesen Tagungen traten auch die widersprüchlichen Meinungen der Vertreter der großen Stiftungen und der Wissenschaft zutage.

Der Generalsekretär des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft unterstützte die Initiative für eine Stiftungsuniversität, warnte jedoch vor einer Vermischung mit einer staatlichen Finanzierung. Prof. Dr. Sohn, damals Vorstandsmitglied der Alfred Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, jetzt Staatssekretär im Entwicklungshilfe-Ministerium, unterstützte die Konzeption des „Berliner Bildungspolitischen Arbeitskreises". Prof. Sohn führte an anderer Stelle aus: „Die Kompetenz des Staates und seiner Organe für das Hochschulwesen kann gewiß nicht in Frage gestellt werden. Andererseits ist der Staat jedoch gut beraten, wenn er auch solche Initiativen in seine Überlegungen zur Reformation des Hochschulwesens einbezieht, die nicht von ausschließlich staatlichen, sondern auch von privaten Hochschulmodellen ausgehen. Entscheidende Veränderungen im Hochschulwesen — vor allem in der Hochschulverfassung — können meines Erachtens nur von außen eingeleitet und verwirklicht werden. Die für die bisherige Struktur des Hochschulwesens und damit auch für seine Mängel verantwortlichen Personen und Institutionen haben sich so stark mit den geltenden Prinzipien und Ordnungen identifiziert, daß sie eine wirklich durchgreifende Veränderung selbst kaum vornehmen können: Sie würden damit ja ihre eigene Leistung und ihr eigenes Konzept in Frage stellen."

Der Gründungstektor der Universität Bielefeld, Prof. Mestmäcker, äußerte dagegen grundsätzliche Vorbehalte gegen eine Privat-universität und forderte eine konzentrierte Reform an den bestehenden Universitäten. Vertreter der Stiftung Volkswagenwerk beriefen sich bei der Ablehnung der Stiftungsuniversität vor allem auf finanzielle Erwägungen.

In den am 5. Februar 1970 vom Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft Vorgelegten 14 Thesen zur Vorbereitung eines Hochschulrahmengesetzes war die Möglichkeit, private Hochschulen Zu errichten, vorgesehen. Nach These 1 Absatz 4 können die Länder Einrichtungen, die nicht von ihnen getragen werden, „als Hochschulen anerkennen, wenn ihre Aufgaben denen der staatlichen Hochschulen entsprechen und ihre Struktur die Wahrnehmung dieser Aufgabe gewährleistet. In diesem Fall gelten die Bestimmungen des Gesetzes sinngemäß, soweit sie nicht an den staatlichen Charakter der Hochschulen gebunden sind." Nach These 4 sollte die Anerkennung einer privaten Hochschule von der Stellungnahme einer zentralen Stelle abhängig gemacht werden

Auffallend jedoch ist, daß in dem Hochschül.

rahmengesetzentwurf des Bundesministetiums für Bildung und Wissenschaft im Juli 1970 entsprechende Formulierungen, die private Stiftungs-Hochschulen ermöglichen, fehlen. In der Begründung zu § 7 „Rechtsstellung der Hochschulen" wird sogar ausdrücklich festgestellt, daß Hochschulen Einrichtungen des Staates sind und der Staat als Träger der Hochschulen die Verantwortung und die Pflicht für ihre finanzielle Ausstattung hat Audi im Referentenentwurf vom 2. Oktober 1970 ist keine Formulierung enthalten, die die Gründung privater Hochschulen ermöglicht, bzw. zuläßt Im Entwurf des Hochschulrahmengesetzes sind Hochschulen in Form privater Stiftungen in § 54 jedoch kurz angesprochen. Diese Änderung geschah nicht zuletzt aufgrund des scharfen Protestes und des harten Widerstandes det Studentenverbände gegen die Errichtung privater Hochschulen. In diversen Studentenzeitschriften wurde U. a. an entsprechenden Formulierungen kritisiert, nach deneh private Einrichtungen in den Geltungsbereich des Hochschulrahmengesetzes fallen könnten. Die Deutsche Studentenunion (DSU) befürchtete, daß es sich in These 1 (4) um „sogenaiinte Stiftungsuniversitäten“ handeln könnte, und wandte sich wiederholt gegen solche Einrichtungen, gestand aber zu, wenn sich Einrichtungen von Stiftungsuniversitäten nicht abwenden ließen, zumindest gewährleistet sein müßte, „daß der Stifter keinen Einfluß auf die Entscheidungsfreiheit der Hochschule ausüben kann". Darüber hinaus müsse sichergestellt werden, „daß ihre Struktur nicht zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben ausreicht, sondern diese Struktur einer demokratisch organisierten Hochschule entspricht"

Noch radikaler abgelehnt und bekämpft wurde der Versuch, private Einrichtungen im Hochschulbereich zu schaffen und anzuerkennen, vom Verband Deutscher Studentenschaften (VDS) und dem Sozialdemokratischen Deutschen Hochschulbund (SHB). Ihr Mißtrauen richtete sich grundsätzlich gegen ein Ausbildungssystem und ein Forschungswesen, das noch mehr auf die „Bedürfnisse der kapitalistischen Gesellschaft zugeschnitten“ werden solle. Den staatlichen Einrichtungen wird sogar vorgeworfen, als „quasi-Privatuniversitä-

ten“ zu fungieren und in Forschung (insbesondere durch die Drittmittelforschung) und Ausbildung Zulieferer für die „profitmaximierende" Industrie zu sein, Industrie-und Kriegs-forschung zu betreiben und eine angepaßte Elite „herauszufiltern" sowie unkritische Hochschulabsolventen für die Wirtschaft und den Staat zu produzieren

Neutral und sachlich kommentierend nahm die Bundesassistentenkonferenz (BAK) die Anerkennung nicht-staatlicher Einrichtungen zur Kenntnis (These 1 [4]), forderte aber, daß sie „neben gleichen Aufgaben eine Struktur und Rechtsform voraussetzte", welche die „Freiheit der Forschung, der Lehre und des Lernens gewährleistet". Zur Anerkennung soll die Stellungnahme einer Bundeshochschulkonferenz eingeholt werden

Mit der Gründung des Wissenschaftszentrums GmbH in Berlin am 3. Februar 1969 wurde von namhaften Vertretern aus Industrie und Politik ein in der Diskussion heiß umstrittener Versuch unternommen, private Initiativen im Wissenschaftsbereich zu realisieren.

Dieses neueste, größte und gleichsam umstrittenste Projekt im Bereich von Forschung und Ausbildung steht in der Reihe vieler anderer Realisierungsversuche: Gründung einer privatwirtschaftlichen Volkswirtschaftsuniversität in Düsseldorf 1968, Aufbau einer Management-Universität in Kassel, Errichtung einer Management-Fakultät in Augsburg, Gründung einer „Elite-Universität" für das Rhein-Ruhr-Gebiet in Essen und verschiedene Realisierungsansätze, etwa: Universitätsseminar der Wirtschaft in der Universität Köln, Stiftungslehrstühle und Stiftungen für Forschungsprojekte an staatlichen Universitäten.

Einen völlig neuen Aspekt in der Diskussion um die nicht-öffentliche Hochschule bringt der am 15. Juni 1971 veröffentlichte Vorschlag der vom Verteidigungsminister eingesetzten „Kommission zur Neuordnung der Ausbildung und Bildung in der Bundeswehr". Die Kommission unter Leitung von Prof. Ellwein schlug vor, in Hamburg und München bundeswehr-eigene Hochschulen zu errichten. Das Studium an den direkt dem Verteidigungsminister unterstehenden Hochschulen soll nach drei Jahren zu einem Diplom führen; die drei Studienjahre sollen zeitlich acht Semestern entsprechen. Das Studium an den Bundeswehrhochschulen soll auf die praktischen Anforderungen der Bundeswehr vorbereiten. Eine Hochschule für technische Disziplinen bietet Maschinenbau, Elektrotechnik, Bauingenieurwesen sowie Luft-und Raumfahrttechnik, die zweite für Führung und Organisation Ausbildungsgänge in Betriebswissenschaft, Organisationswissenschaft, Informatik und Pädagogik.

Die Hochschulen werden nur eine Teilautonomie erhalten; die Ergänzung des Lehrkörpers z. B. bleibt dem Verteidigungsministerium Vorbehalten. Der Zugang steht nur Angehörigen der Bundeswehr offen.

Die vorgeschlagene Errichtung bundeswehr-eigener Hochschulen würde nach diesem Konzept nicht dem Hochschul-Rahmengesetz des Bundes entsprechen: die Hochschulen haben keine wissenschaftliche Autonomie; der Zugang steht nicht allen qualifizierten Studien-willigen offen und zudem bleibt fraglich, ob Bundeswehr-Hierarchie und Gehorsamspflicht der Freiheit von Lehre und Studium entsprechen.

Die Konzeption der Bundeswehr-Hochschulen widerspricht damit den wichtigsten Forderungen der Befürworter einer nicht-öffentlichen Hochschule, nach denen die private Hochsdiule wissenschaftlich und haushaltspolitisch autonom, allgemein zugänglich und nicht einem bestimmten Personenkreis Vorbehalten sein soll.

Im Mai 1971 haben der Verband der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner Deutschlands und die Heidelberger Stiftung Rehabilitation vorgeschlagen, auf privater Basis eine Gesamthochschule für Behinderte zu errichten. Neben den von der Stiftung Rehabilitation bereits geschaffenen 400 Fachhochschulplätzen sollen weitere 600 Studienplätze im universitären Bereich errichtet werden. An dieser Gesamthochschule sollen in erster Linie Studenten mit Lähmungen aller Art und andere Schwerbehinderte studieren können.

Hochschullehrer der Freien Universität Berlin hatten im Februar 1971 erwogen, die medizinischen Fachbereiche aus der Freien Universität auszugliedern und in Berlin eine „Freie Medizinische Akademie" zu errichten. Dieser Vorschlag wird von 52 der 59 Klinikdirektoren und Abteilungsleitern getragen, die befürchten, daß der Medizin im Universitätsbereich von „sachfremden, zum Teil ideologisierten Instanzen und Gremien Strukturen und Organisationsformen aufgezwungen werden, die zur Minderung der Krankenversorgung, der Lehre und der Forschung führen". Die vorgeschlagene Akademie sollte eine medizinische Gesamthochschule sein und damit ein erstes Modell für die akademische Ausbildung nichtärzt. licher medizinischer Mitarbeiter.

Bei der Eröffnung des 20. Deutschen Kongresses für ärztliche Fortbildung am 2. Juni 1971 in Berlin wurde kritisiert, daß der Staat zu-wenig Ausbildungsplätze für Zahnmediziner bereitstelle. Professor Gotthard Schettler (Heidelberg) schlug deshalb vor, auch in der Bundesrepublik private Ausbildungsstätten für Zahnmediziner nach amerikanischem Muster zu errichten.

Am 24. Juni 1971 verabschiedete der Bundestag ein Gesetz, mit dem die Ausbildungsvorschriften für den juristischen Nachwuchs geändert wurden. In dieses Gesetz wurde der Vorschlag des CDU-Bundestagsabgeordneten Hans Dichgans aufgenommen, nach dem neben den Universitäten private Rechtsschulen an der Ausbildung der Juristen mitwirken können. Der Besuch dieser Privathochschulen kann bis zu einem Jahr auf ein Universitätsstudium angerechnet werden. Die bisher von den Studenten vielfach besuchten, offiziell nicht anerkannten Repetitorien können nach dem neuen Gesetz von den Landesjustizministem künftig als private Rechtshochschulen anerkannt werden. Mit diesem Gesetz ist erstmals in der Bundesrepublik das staatliche Ausbildungsmonopol für Juristen vor der Referendarprüfung durchbrochen.

Auf einen weiteren Ansatz zu einer Privat-hochschule in der Bundesrepublik sei kurz hingewiesen. Die private Ingenieurschule für Bergwesen in Bochum wird von der westfälischen Berggewerkschaftskasse, einer Gemeinschaftsorganisation des Ruhrkohlenbergbaus, getragen. Es wird erwogen, nach der bevorstehenden Umwandlung in eine Fachhochschule diese Institution zu einer privaten Gesamthochschule auszubauen.

Einen aktuellen Überblick über den Stand der Diskussion über private Initiativen im Hochschulbereich gab zuletzt die Jahrestagung des Deutschen Verbandes Technisch-Wissenschaftlicher Vereine am 12. Juli 1971 in Düsseldorf, die unter dem Thema stand „Nichtstaatliche Initiativen zur Förderung von Wissenschaft und Ausbildung".

Das Wissenschaftszentrum entstand mit dem erklärten Ziel, das wissenschaftliche und kulturelle Leben in Deutschland zu fördern, das man durch die harten Auseinandersetzungen an den deutschen Universitäten gefährdet sah. Gesellschafter dieser Unternehmung sind: Dr. W. Pohle, Dr. A. Möller, A. Horten, Prof. Dr. Dr. h. c. S. Balke, Prof. G. Stein, F. Amrehn, F. v. Eckardt, L. Pieser, Dr. K. P. Scholz, A. Voelker, Dr. J. B. Gradl, E. Franke, H. Hermsdorf, G. Jahn, F. Seume, H. W. Rubin; Geschäftsführer wurde Dr. G. Brand.

Konzipiert wurde das Wissenschaftszentrum als „verhaltenswissenschaftliche Privatuniversität“. Von den vorgesehenen acht Projekten: Deutsche Fakultät, Deutsches Kolleg, Internationales Zentrum für fortgeschrittene Studien, Berlin-Preis der deutschen Wissenschaft (3 mal 100 000 DM im Jahr), Institut für Linguistik und Lebensweltforschung, Institut für Urbanistik, wurden bisher nur das Institut für Friedens-und Konfliktforschung und das Internationale Institut für Management und Verwaltung verwirklicht. Die Anfangsfinanzierung geschah durch private Spenden der Gesellschafter in Höhe von 107 000 DM. Vom Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft wurden für Ende 1969/Anfang 1970 ca. 260 000 DM zur Verfügung gestellt. Außerdem sollte eine Finanzierung mit 2, 5 Millionen für das Jahr 1970 erfolgen. Erst ein Jahr nach der Gründung wurde das Vorhaben in der Öffentlichkeit bekannt. Die Berliner Universitäten, WRK, BAK und GEW und andere Gruppen und Institutionen, Wissenschaftler, Studentenverbände etc. bekämpften und boykottierten das Projekt.

Eine weitere Unterstützung des Management-Instituts durch das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft wurde daraufhin von folgenden Voraussetzungen abhängig gemacht, die deutlich auf die Problematik verweisen: Vereinbarung und Zusammenarbeit mit der Technischen und Freien Universität in Berlin; die innere Struktur des Instituts müsse die Unabhängigkeit der wissenschaftlichen Arbeit unter verantwortlicher Mitwirkung seiner Mitarbeiter gewährleisten; Anstellungsverfahren hätten über öffentliche Ausschreibungen zu erfolgen und der internationale Charakter müsse in der Zusammensetzung seiner Mitarbeiter deutlich werden. Die staatliche Förderung des Wissenschaftszentrums wurde von den Empfehlungen des Wissenschaftsrates abhängig gemacht.

Die Gründung des Wissenschaftszentrums zeigt deutlich die Problematik, die Motive und die Wesensmerkmale der Konzeption, private Einrichtungen im Hochschulbereich für Ausbildung, Forschung und Wissenschaft zu schaffen. Nicht von ungefähr aber geriet die Gründung des Wissenschaftszentrums ins Kreuz-feuer der Kritik. Es wurde hier versucht, eine private, aus öffentlichen Mitteln unterstützte „Industrie-Universität" bzw. Elite-Universität zu errichten. Forschung und Lehre sollten getrennt werden, durch Promotionsund Habilitationsrecht aber den anderen Universitäten gleichgestellt werden. Sie wurde aber als Konkurrenz, als Gegenuniversität empfunden. Der Exklusivitätscharakter, die hohen Dotierungen, Domestizierung der Wissenschaft durch Wissenschaftsprominenz, die vorgesehenen Elite-Studiengänge etc. waren hinreichende Gründe für den Widerstand.

Es war unklug, unter Geheimhaltung, ausgerechnet in Berlin in der Zeit tiefgreifender und politisierter Universitätsreformen, eine von der Industrie getragene Wissenschaftseinrichtung zu gründen. Dieses Projekt entspricht keineswegs dem idealtypischen Modell einer Stiftungsuniversität.

Eines der letzten Gespräche, in denen die Problematik und Chancen der Stiftungsuniversitäten zwischen Wirtschaftlern und Wissenschaftlern zur Sprache kam, fand am 7. Juli 1970 in Köln statt. In diesem Jahresgespräch Wirtschaft/Wissenschaft der Walter Raymond-Stiftung mit dem Thema „Phänomen Sozialkritik — Objekt Wirtschaft" wurde deutlich, welche Bedeutung Vertreter der Wirtschaft dieser Thematik beimessen. Dabei kam zum Ausdruck, daß man in Wirtschaftskreisen bestimmte Schwerpunkte in Forschung, Lehre und Ausbildung in einer solchen privaten Industrie-Universität verwirklicht sehen möchte. Während man in der Wirtschaft auf der einen Seite kritisch, auf der anderen Seite aber mit größerer Bereitschaft in der Diskussion einer Stiftungsuniversität gegenüberstand, war bei den Professoren mehr Skepsis vorhanden. Im folgenden einige Stimmen zur Problematik: Ausgehend von einer Analyse und der Funktion des Ordnungsbegriffs in der Sozialkritik und der Frage nach der Rolle des Intellektuellen in der derzeitigen Gesellschaft übte Prof. Dr. Balke Kritik an der quantitativen Bildungspolitik und der Extrapolation des Status quo. Aufgabe der Wirtschaft sei es, zu einer qualitativen Bildungspolitik beizutragen und das Humboldtsche Bildungssystem zu überwinden, das dadurch gekennzeichnet sei, daß der Staat Bildungssysteme anbot, damit die Wirtschaft das Sozialprodukt zur Existenz des Volkes leisten konnte. Dieses System stehe der Wirtschaft nicht mehr zur Verfügung und die gegenwärtige Bildungspolitik biete keine hinreichenden und entsprechenden Möglichkeiten an, so daß sie zur Selbsthilfe greifen und Ubergangsmöglichkeiten schaffen müßte. So seien Laufbahnen für Abiturienten und Konkurrenzeinrichtungen für die bestehenden Hochschulen, vor allem in den Fächern, die nicht mehr oder noch nicht gelehrt werden, zu erstellen. Die nicht unerheblichen Kosten müßten dafür aufgebracht werden. Dafür seien — wie für andere Investitionen — steuerliche Erleichterungen notwendig. Steuermittel für solche Bildungseinrichtungen direkt einzusetzen, sei besser, als ein kompliziertes Steuerverteilungssystem in die Hochschulen zu geben, die damit nichts mehr anfangen könnten. Peter von Siemens war der Ansicht, daß die Wirtschaft zunehmend zu der Auffassung über die Notwendigkeit einer Stiftungsuniversität komme. Diese Meinung vertrete auch der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Prof. Lüst. In diesem Zusammenhang kritisierte Peter von Siemens die mangelnde Berufsplanung und -Beratung, die mangelnde Kenntnis der wirtschaftlichen Zusammenhänge und des Wesens der Wirtschaft wie die daraus resultierende Fehlinterpretationen, insbesondere an den Technischen Hochschulen.

Mit großen Bedenken stand jedoch Prof. Dr. Rüthers der Stiftungsuniversität gegenüber. Er sah sie nicht als einen möglichen Ausweg aus der derzeitigen Universitätssituation. Eine Stiftungsuniversität sei nicht in der Lage, das gesamte Bildungssystem aufzufangen und zu reformieren und zur Lösung des gesamtgesellschaftlichen Problems der Bildungskatastrophe beizutragen. Lediglich für einen bestimmten Kreis von Unternehmern sei es möglich, in einer solchen Stiftungsuniversität Führungskräfte auszubilden. Hinter der Meinung Professor Rüthers steht die Befürchtung, daß die staatliche Universität die letzten noch vorhandenen Widerstandskräfte verliert und daß sich die Revolutionierung der Hochschulen und der Abbau des Leistungsprinzips sich dann noch schneller vollziehen würden. Er warnt vor allzu viel Sympathie für die private Stiftungsuniversität und spricht sich für eine Entkräftung der revolutionären Angriffe in den bestehenden Institutionen aus. Seine Alternative zur Stiftungsuniversität ist das Heraustreten gesellschaftlicher Gruppen aus der bildungspolitischen Passivität.

Die Konzeption einer privatrechtlichen Universität in der Bundesrepublik wird grundsätzlich von den politischen Entscheidungsträgern akzeptiert. In einer kurzen Diskussion unter Teilnahme von Vertretern aller Parteien im Bundestag aufgrund einer Anfrage der FDP wurde die Privathochschule prinzipiell unterstützt. Der Staatssekretär im Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung, von Heppe, betonte dies ausdrücklich: „Es ist anzustreben, daß zur Gewinnung der erforderlichen Kapazität weitere neue Hochschulen gegründet werden. In diesem Zusammenhang ist auch der Gedanke einer privaten Hochschule seit einiger Zeit mehrfach erörtert worden ... Bei den heutigen Kosten einer Universität würde eine private Universität wahrscheinlich sehr bald auf hohe öffentliche Zuschüsse angewiesen sein. Wenn diese Fragen ... befriedigend geklärt ; sind und eine entsprechende Empfehlung des Wissenschaftsrates vorliegt, wäre es durchaus möglich, ein solches Vorhaben durch einen finanziellen Beitrag des Bundes zu unterstützen."

Aus der bildungspolitischen Diskussion bis zum letzten Jahr ist demnach zu entnehmen, daß sich einige Abgeordnete der im Bundestag vertretenen politischen Parteien, die Bundesregierung, Wirtschaftsvertreter und einige Stiftungen für die Errichtung einer Privat-hochschule als Reformmodell einsetzen. Widerstand kommt hauptsächlich von den Studentenverbänden und überwiegend von Seiten der bestehenden Universitäten wie der von ihnen getragenen Institutionen.

Vorübergehend schien die Auseinandersetzung um die Stiftungsuniversität in der Öffentlichkeit, in der Hochschulreform wie der gesamten bildungspolitischen Diskussion zur Ruhe gekommen zu sein. Man sieht die „Sendepause" als symptomatisch für den Zustand der westdeutschen Bildungspolitik an.

Der rheinland-pfälzische Kultusminister B. Vogel will in der nächsten Zeit dieses Projekt wieder in die Diskussion bringen. Geplant ist eine Tagung, an der potentielle Interessenten und Stifter zusammengeführt werden sollen, um über die Realisierung eines solchen Projektes zu beraten. Dagegen werden jedoch Bedenken geäußert: „Ob Vogels geplante Stiftungsuniversitätskonferenz oder ein dort zu gründender Arbeitsausschuß in allen diesen Fragen alle Interessenten unter einen Hut bringen kann, ist zweifelhaft. Sicher ist: Eine Stiftungshochschule wird nur dann zustande kommen, wenn sie auch langfristig finanziell gesichert und politisch realisierbar ist. Vogels Vorschlag: „Der gesellschaftliche Pluralismus müsse auch in der Trägerschaft einer Stiftungsuniversität zum Ausdruck kommen, damit wäre auch eine einseitig orientierte Einflußnahme der Geldgeber ausgeschlossen.“ Eine überraschende Meldung eines Informationsdienstes Ende letzten Jahres, nachdem die Industrie und Verbände Anfang dieses Jahres unter der Federführung des Deutschen Industrie-und Handelstages (DIHT) über die Gründung privater Universitäten sprechen wollten, hat sich — zumindest nach außen hin — nicht bestätigt. Dennoch entfachte diese Meldung erneut die Diskussion. Dem DIHT war über diesen oben genannten Sachverhalt nichts bekannt. Und auch die beiden anderen Spitzen-verbände der deutschen Wirtschaft sollen sich sehr zurückhaltend geäußert haben. Einzelne Unternehmer stünden der Idee zwar positiv gegenüber, und man habe sich auch mit dem Problem beschäftigt, von konkreten Plänen und Initiativen könne aber nicht die Rede sein. Der Bildungsexperte des BDI, Uthmann, betrachte Stiftungsuniversitäten in Deutschland „für eine utopische Angelegenheit" (Wirtschaftswoche, „Sandkastenspiele", 2. 4. 1971). In der Fondation Europeenne pour l’Economie (F. E. E.) befaßte sich zu Beginn dieses Jahres die deutsche Gruppe in Köln mit der Frage . unternehmerische Wirtschaft und Hochschulwesen'. Dabei wurden ebenfalls die verschiedenen Möglichkeiten des privaten und gesellschaftlichen Engagements im Hochschulbereich erörtert. Die weiteren Gespräche sind mit Aufmerksamkeit zu verfolgen. Darüber hinaus ist die Frage der Stiftungsuniversität verschiedentlich im Zusammenhang der Gründung einer europäischen Universität aufgeworfen worden.

Privathochschulen im Ausland

In vergleichbaren ausländischen Staaten gibt es verschiedene Formen von Privatuniversitäten. In einigen Ländern, wie z. B. Japan, überwiegt diese Rechtsform; in anderen Ländern, z. B. USA, sind die qualitativ an der Spitze stehenden Hochschulen privatrechtlich. In Großbritannien hat eine kürzlich gegründete Privatuniversität den staatlichen Univer-sitäten neue Wege zur Hochschulreform aufgezeigt In den Niederlanden ist die Gründung privater Hochschulen gesetzlich garantiert. „Das Recht zur Errichtung einer privaten Hochschule wird durch die Krone verliehen, wenn bestimmte, gesetzlich festgelegte Voraussetzungen gegeben sind: Jede private Universität muß mindestens drei Fakultäten mit mindestens je drei Lehrstühlen haben: es muß ein bestimmter Garantiefond zur freien Verfügung stehen und bestehenbleiben. Es müssen Vorschriften über den Erwerb der akademischen Grade bestehen.“ Ferner sind Aufsichtsgremien eingesetzt, die die Arbeit der Privathochschulen überprüfen. Die Privathochschulen haben das Recht, Prüfungen abzunehmen und Zeugnisse zu erteilen. Nach zehn Jahren haben sie das Anrecht auf Zuschüsse vom Staat.

In Japan gab es im Jahr 1966 74 staatliche, 235 private und 37 von lokalen Behörden unterhaltene Universitäten. „Die privaten Universitäten haben in den letzten Jahren stark zugenommen (Verdoppelung innerhalb von zehn Jahren). Sie haben den größten Teil der stark anwachsenden Studentenzahl aufgenommen. Die privaten Universitäten unterhalten sich weitgehend aus privaten Mitteln (die Studien-gebühren sind deshalb etwa fünfmal so hoch wie bei den staatlichen Universitäten), jedoch werden über eine besondere Organisation auch staatliche Zuschüsse gewährt. Der trotz Gründung zahlreicher und zum Teil sehr guter privater Universitäten bestehende starke Andrang zu den staatlichen Universitäten, die ein besonderes Prestige genießen, stellt die japanische Wissenschaftspolitik vor ernste Schwierigkeiten."

In den USA sind die Privathochschulen wissenschaftlich am besten qualifiziert Zu diesen renommierten Universitäten gehören Harvard, Yale, Stanford, Princeton, The Universities of Chicago, Rochester N. Y. und andere. Sie sind durch ihre Bedeutung eine belebende Konkurrenz gegenüber den staatlichen Universitäten. Die Stiftungen für das Bildungswesen in den USA werden steuerrechtlich bevorzugt und erfreuen sich in der Öffentlichkeit eines besonderen Interesses

Abgesehen von der Stiftungstradition im deutschen Hochschulwesen zeigen auch diese wenigen Beispiele aus dem westlichen Ausland, daß dort die Wirksamkeit von Privathochsdiulen allgemein anerkannt wird und daß die Privat-hochschulen in Ausbildung und Forschung sogar besonders qualifiziert sind. Das Konkurrenzprinzip scheint sich weitgehend zu bewähren.

Deutsche Beispiele

Auf die Tradition der Stiftungsuniversitäten im Mittelalter wurde bereits verwiesen.

Doch auch in diesem Jahrhundert wurden einige Stiftungs-und Privathochschulen errichtet, die mit ihrer Modellfunktion richtungweisend waren. Hierzu gehören die Universitäten in Frankfurt/M. und Köln sowie die Wirtschaftshochschule Mannheim. Diese Hochschulen wurden nicht aus prinzipiellen, sondern lediglich aus finanziellen Gründen in die staatliche Trägerschaft überführt

Ein besonders interessantes Beispiel für die Modellfunktion einer privatrechtlichen Hochschule ist die ehemalige „Deutsche Hochschule für Politik" in Berlin. Ursprünglich von Friedrich Naumann im Rahmen der Volkshochschul-Bewegung als . Staatsbürgerschule'gegründet, wurde diese Bildungsinstitution unter Leitung von Prof. Jäckh und unter der Mitarbeit von Theodor Heuss zu einer hochschulähnlichen Ausbildungsstätte, die mit der Berliner Universität eng kooperierte. Die Beamten des auswärtigen Dienstes der Reichsregierung wurden regelmäßig zu Schulungskursen an die „Deutsche Hochschule für Politik" delegiert. Kurz vor der Übernahme durch nationalsozialistische Instanzen erhielt diese privatrechtliche Hochschule das Recht, ihre Absolventen mit einem Diplom zu graduieren.

Zusammenfassung

Der breite Aufriß der bildungspolitischen Diskussion läßt über das Pro und Contra und den umfangreichen Katalog von Ursachen, Motiven und Zielen, die entscheidend sind für Förderung und Ablehnung einer Stiftungsuniversität, hinaus deutlich die sozialethischen Auffassungen von Wissenschaft erkennen; ferner die sozialkritischen Standorte, die Interessen und Ideologien gesellschaftlicher Gruppen, die Befürchtungen und Ängste durch Einschränkung traditioneller Kompetenzen bei der Mitwirkung von Studenten an Forschung, Lehre und -hochschulpolitischen Entscheidun gen sowie der Einführung von Kontrollmechanismen durch den Prozeß der Demokratisierung wie durch die Verwirklichung des Offentlichkeitsprinzips und die Politisierung der Wissenschaft. Dahinter aber auch -stehen kon struktive bildungspolitische Auffassungen und Ziele. Die konkreten Reformziele basieren auf der Konzeption, der Bildung -nach eine gesell schaftliche Aufgabe ist und die freien Träger der Gesellschaft aufgerufen und legitimiert sind, aus ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung heraus sich aktiv an der Gestaltung des Bildungswesens zu beteiligen.

Wird versucht, diese Auffassung institutionell in Form einer Stiftungsuniversität oder wie auch immer zu realisieren, werden sofort gravierende Einwände angemeldet, weil man den Einfluß dieser Gruppen, vor allem des Kapitals befürchtet. Zweifellos wäre es unrealistisch, das idealtypische Modell einer Stiftungsuniversität, aus dem jeder Einfluß ausgeschaltet wäre, zu verwirklichen zu versuchen. Dafür fänden sich sicher keine Geldgeber. Aber auch die staatliche Universität ist nicht vor diesem Einfluß geschützt. Außerdem würde eine solche Stiftungsuniversität sich zur gleichen sterilen Universität im Elfenbeinturm entwickeln, wie staatliche Universitäten gegenwärtig in der Kritik erscheinen.

Bei dem Argument des unkontrollierten Einflusses handelt es sich im wesentlichen um ein stereotypes negatives Vorurteil und um eine Verwechslung bzw. Gleichsetzung von Einfluß mit Umsetzung und Realisierung legitimer gesellschaftlicher Anforderungen im Hochschulbereich. In der stärkeren Gesellschafts-und Praxisorientierung liegt gerade ein Positivum der Stiftungsuniversität. Diese Praxisorientierung wird heute für die Studiengänge allerseits gefordert. Entgegenzuwirken gilt es vielmehr dem direkten Einfluß und Mißbrauch, bzw. Unterwerfung der Wissenschaft unter gruppenspezifische Ziele, die zu „Manipulation" und „Repression“ führen. Gemeint ist die einseitige ungesicherte Abhängigkeit der Forschung und Ausbildung wie der Betroffenen von den Geldgebern. Das bedeutet aber wiederum nicht, daß man die Spender von einer Mitwirkung und ihrer Verantwortung entbinden sollte und kann.

In diesem Zusammenhang muß darauf hingewiesen werden, daß sowohl durch einen gemeinsam zu setzenden Stiftungszweck wie durch organisatorische Sicherungen (Kuratorium) und Kontrollmechanismen mit entsprechenden Verfahren (Ausschreibung etc.) der befürchtete „Einfluß" weitgehend neutralisiert werden kann. Wichtig ist, daß ausreichendes Stiftungs-Startkapital vorhanden ist, das den laufenden Unterhalt, die Folgekosten deckt. Die Rechtsform der Stiftungsuniversität könnte insofern sehr viel geeigneter sein, als die der GmbH.

Der Gedanke der Stiftungsuniversität ist nicht neu. Vorbilder befinden sich in der deutschen Universitätsgeschichte und im Ausland. Nahezu in allen Gruppen, Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, Kirche, Gewerkschaften und Studentenverbänden wurde mit unterschiedlicher Intensität und teilweise großer Zurückhaltung das Problem Stiftungsuniversität diskutiert.

Größte Aufgeschlossenheit und Bereitschaft gegenüber der Realisierung eines solchen Projekts wäre möglicherweise von Seiten der Wirtschaft zu erwarten. Doch gibt es auch hier gegensätzliche Auffassungen.

Großer Widerstand gegen eine Realisierung wurde von den Studentenverbänden ausgelöst.

Die Bedenken gegen eine Privatuniversität sind weit verbreitet und bei vielen als erheblich einzuschätzen. Ein wesentliches Problem liegt in der Frage der Finanzierung. Erforderlich wäre einmal, die Stiftungsbereitschaft für ein solches Projekt zu mobilisieren, anderen sind gegenwärtigen zum die Stiftungs-und nicht geeignet. Voraussetzungen Es bedürfte eines attraktiveren Stiftungs-und Steuerrechts. Durch eine neue Steuerrechtsreform müßte ermöglicht werden, Steuern direkt für solche Zwecke abzuführen und nicht über ein kompliziertes Steuerverteilungssystem; außerdem sollte das Stiftungskapital für gemeinnützige Zwecke nicht wie bisher mit 10%, sondern mit 20 bis 30% steuerlich abzusetzen sein. Dies würde die Chance einer Realisierung wesentlich erhöhen. Nötig wäre auch eine entsprechende Stiftungspolitik, die Stiftungskapitalien für ein solches Projekt zusammenführt.

Entscheidende Probleme stellen die Fragen der Finanzierung des Studiums (Bezahlung der Studiengebühren), der Austausch bzw. das überwechseln der Studierenden zwischen Stiftungsuniversität und staatlichen Universitäten, die Gestaltung und Anerkennung der Abschlußqualifikationen und Examina etc. dar.

Ein notwendiges Stiftungskapital für eine Universität mit drei-bis fünftausend Studenten (ohne medizinische Fakultät) wird nach Kultusminister Vogel auf 450 bis 500 Millionen DM berechnet. Aus den Zinsen sollen die laufenden Unterhaltskosten gedeckt werden. Erforderlich wären dazu Investitionskosten für die Erstausstattung, die vom betreffenden Bundesland bzw. vom Bund aufgebracht werden müßten. Wie die Erfahrungen aus den Neugründungen von Universitäten der letzten Jahre zeigen, wäre sicher mit einem Kapital von mindestens ca. zwei Milliarden zu rechnen, wenn eine völlige finanzielle Absicherung erfolgen und sie eine größere Kapazität an Studierenden besitzen soll.

Betrachtet man dagegen die jährlich in Deutschland aus freien Förderungsmitteln aufgebrachten 250 Millionen DM, so wird deutlich, daß für ein solches Projekt Stiftungsuni-versität bzw. einen solchen Zweck ein in der Bundesrepublik fast aussichtslos erscheinendes Stiftungsengagement erforderlich wäre.

Stellt man die Frage nach den potentiellen Geldgebern, so sind hauptsächlich im Bereich der Wirtschaft zu suchen. Die bestehenden Stiftungen wären überfordert und sind anderen Projekten verpflichtet. Die aus der Industrie stammenden größeren Stiftungskapitalien würden aber in unserer derzeitigen Reformsituation, die gekennzeichnet ist durch ideologische Konflikte und den Versuch, Wissenschaft, Forschung und Ausbildung einseitig zu beeinflussen, besondere Aufmerksamkeit und Mißtrauen auf sich ziehen. Die Ziele der Gesellschaftsveränderung auf der einen Seite und der Erhaltung und Stabilisierung unserer Gesellschafts-und Wirtschaftsordnung auf der anderen Seite spielen in dieser Auseinandersetzung um die Stiftungsuniversität eine. ent-scheidene Rolle. Die in Frage kommenden Geldgeber sind natürlich nur dort zu einer finanziellen Förderung von Wissenschaft bereit, wo gesellschaftspolitische Ziele nicht auf die Zerstörung der bestehenden Gesellschaftsordnung gerichtet sind. Der Gedanke einer Stiftung unter Beteiligung aller gesellschaft-liehen Gruppen, z. B.der Wirtschaft mit der Gewerkschaft, wäre in der gegenwärtigen Situation sicher nicht denkbar.

Die Realisierung eines gesamten Projekts Stiftungsuniversität'ist zwar z. Z. nicht unmöglich, sicher aber sehr umstritten und auch politisch problematisch. Die private, gesellschaftliche Beteiligung bzw.der Stiftungsgedanke läßt sich aber zweifellos modifiziert viel günstiger realisieren durch Errichtung von Stiftungslehrstühlen, Stiftungsinstituten, Forschungsprojekten und im Fernstudienbereich.

Als ein entscheidendes und breites Feld privater und gesellschaftlicher Initiativen und Beteiligung wird der Bereich Weiterbildung betrachtet, soweit diese zum Hochschulstudium hinführt oder an Hochschulqualifikationen anschließt (Kontaktstudium, berufsbegleitendes Studium etc.). Diesem Bereich wird man sich im Zusammenhang der Frage Privat-bzw. Stiftungsmodell in der nahen Zukunft mit großer Aufmerksamkeit widmen. Zunächst wäre eine Bestandsaufnahme sicher von Wichtigkeit und großem Interesse.

Unabhängig von der Frage der Realisierung hat die Stiftungsuniversität als Politikum in unserer derzeitigen Reformauseinandersetzung wesentliche Bedeutung. Allein als Denkmodell kann sie initiativ und wettbewerbsfördernd auf die Entwicklung und die undemokratische, immobile und zu wenig flexible Struktur der staatlichen Hochschule einwirken. Sie hat keine Ersatz-, sondern „Schrittmacher-Funktion". Als konkurrierendes und innovatives Element könnte sie das im gesamten Bildungswesen einzig im Hochschulbereich bestehende Staatsmonopol in Frage stellen. Die privat-rechtlicheStiftungsuniversität wäre damit eine geeignete Möglichkeit für die Entfaltung gesellschaftlicher Initiative im Bildungswesen. Auswirkungen wären auf die Hochschulgesetzgebung und Beamtengesetze zu erwarten. Die Auswirkungen richteten sich auch auf den Aufgabenkatalog, die Gestaltung der Studiengänge und die Qualifikationen. Der Aufgaben-katalog der traditionellen staatlichen Hochschulen umfaßt neben der Forschung nach selbstgesetzten Schwerpunkten die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses für die Hochschulen selbst, für staatliche und kirchliche Funktionen und für den medizinischen Dienst. Andere gesellschaftliche Bedürfnisse, Erwartungen und Anforderungen werden nicht oder nur unzureichend erfüllt. Die notwendig bessere Praxis-und Gesellschaftsorientierung vollzieht sich auch durch einen leichteren personalen Austausch von Hochschule und Berufspraxis. Nicht zuletzt kann die Stiftungsuniversität eher und in stärkerem Maße „offene" Hochschule sein, Erwachsenenbildung betreiben und Erwachsenen ohne Abitur mit entsprechenden beruflichen Qualifikationen ein Studium ermöglichen. Die Stiftungsuniversität wäre damit gleichsam Modell, Politikum und realisierbare neue Universitätsform. Um dem, was das Modell der Stiftungsuniversität will, zur Realisierung zu verhelfen, wäre es vielleicht ratsam, den Begriff Privat-bzw. Stiftungsuniversität oder -hochschule aus der Diskussion zu nehmen. Begriffe werden zu explosiven Konfliktstoffen und können der Sache und der bildungspolitischen Zielsetzung abträglich sein. Vielleicht bieten sich Begriffe wie gesellschaftsgetragene oder Versuchs-oder Modellhochschule an. Auswahlbibliographie Bis 1967

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Fussnoten

Fußnoten

  1. Gernot Gather, Stiftungsinitiativen im Bildungswesen, in: Offene Welt, Nr. 72, Juni 1961, S. 145 f.

  2. Ders., a. a. O., S. 147 f.

  3. Ebenda, S. 148.

  4. Christian Graf v. Krockow, Bürgerinitiative als Bildungs-Problem, in: Offene Welt, Nr. 97/98, Juni 1968, S. 240.

  5. „Kritische Universität", hrsg. vom ASTA der FU, Berlin 1967, S. 2.

  6. Humanistische Studentenunion, Bundesvorstand: Die Universität als Genossenschaft, Frankfurt/M., 27. 6. 1968, S. 2 f.

  7. Helmut Schelsky, Abschied von der Hochschulpolitik oder Die Universität im Fadenkreuz des Versagens, Bielefeld 1969, S. 83.

  8. Franz Pöggeler, Hochschulen als Stiftungen, in: Politisch-Soziale Korrespondenz 1969/7/8.

  9. Manfred Abelein, Plädoyer für eine Stiftungsuniversität, in: Kulturpolitischer Informationsdienst 1968/20.

  10. Vgl. Dietrich Urbach, Die Stiftungsuniversität als Modell, in. Die neue Gesellschaft, 1968, H. 5, S. 384 f.

  11. Theo Schiller, Stiftungen und gesellschaftlicher Wandel, in: Offene Welt, Heft 97/98, Juni 1968, S. 384.

  12. Vgl. Helmut Becker und Alexander Kluge, Kulturpolitik und Ausgabenkontrolle, Frankfurt/M.

  13. Dietrich Urbach u. a., Forschung und Forschungsförderung in der Bundesrepublik. Zur Reform ihrer Organisation, IPK, Dezember 1968, S. 1 ff.

  14. Empfehlungen des Wissenschaftsrates zum Ausbau der wissenschaftlichen Einrichtungen, Teil III, Bd. 1, S. 51.

  15. Dietrich Urbach u. a., Forschung und Forsch ngsförderung in der Bundesrepublik, a. a. O., S. 93.

  16. Der Hessische Kultusminister, Informationen und Mitteilungen, 19. Mai 1969.

  17. DAG Korrespondenz, 3. 8. 1965.

  18. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29. 7. 1965.

  19. Manfred Wahl, Wir brauchen eine Industrie-Universität, in: Die Zeit vom 19. 4. 1968.

  20. Karl Moersch, Rationale Hochschul-und Wissenschaftspolitik, in: FDP-Information, XVIII. Bundesparteitag der Freien Demokraten in Hannover 3. 4. 1967.

  21. Wissenschaftspolitischer Entschließungsantrag der FDP, in: fdk-tagesdienst, 3. April 1968.

  22. Karl Moersch, Privste Modellhochschule, in: Das Parlament vom 15. 5. 1968, S. 5.

  23. Wolfgang Heinz, Dietrich Urbach u. a., Hochschulreform und Hochschulselbstverwaltung im demokratischen Rechtsstaat, Bad Godesberg 1968, 6. Abschnitt „Private Hochschulen“, S. 53.

  24. Vgl. Wolfgang Heinz u. a., a. a. O., Begründung zu §§ 29 und 30, S. 72 f.

  25. Ebenda, S. 40.

  26. Entwurf für ein Privathochschulgesetz des Landes Hessen. Vorgelegt von der Fraktion der FDP, Wiesbaden, Januar 1968.

  27. Gesetzentwurf über die Universität Bremen, in: Sofortprogramm der Bremer Freien Demokratischen Partei zur Bildungspolitik, Bremen 1969.

  28. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 3. 5. 1968.

  29. Frankfurter Rundschau vom 22. 5. 1968, S. 5.

  30. Die Universitäten brauchen Konkurrenz, Publik vom 29. 11. 1969, S. 15.

  31. Ebenda.

  32. Vgl. „Entwurf einer Stiftungsuniversität. Der Plan des Berliner Bildungspolitischen Arbeitskreises", Handelsblatt vom 2. 12. 1968, S. 17. Ferner Dietrich Urbach, Modell einer privaten Stiftungsuniversität, X-Informationen, Berlin 12. 8. 1968.

  33. Vgl. Die Finanzierung öffentlicher Aufgaben. Loccumer Protokolle 24/1968.

  34. Karl-Heinz Sohn, Außerstaatliche Initiativen zur Hochschulgründung, in: Die neue Gesellschaft, 1969, H. 1, S. 48.

  35. 14 Thesen zur Vorbereitung eines Hochschulrahmengesetzes. Leitlinien des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft, in: Bulletin des Presse-und Informationsamtes, Nr. 18, S. 169, Bonn 11. 2 1970, Z 1988 B.

  36. Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, Entwurf eines Hochschulrahmengesetzes, Stand 1. Juli 1970; Entwurf der Begründung zum Refetentenentwurf des Hochschulrahmengesetzes nach dem Stand vom 1. Juli 1970.

  37. Entwurf eines Hochschulrahmengesetzes, Stand 2. Oktober 1970.

  38. Deutsche Studenten Union, 14 Antithesen zur Vorbereitung eines Hochschulrahmengesetzes, Bonn, März 1970.

  39. Verband deutscher Studentenschaften, Vorläufige Kritik der Thesen zum Hochschulrahmengesetz, Bonn, 24, 2. 1970. Stellungnahme des SHB zu Leussinks Thesen.

  40. Bundesassistentenkonferenz, Antithesen zum Hochschulrahmengesetz in der 5. Vollversammlung, Bonn, März 1970.

  41. Siehe hierzu u. a.: Die GmbH-Universität für die Mandarine der Zukunft, Sonderdruck der Mar-burger Blätter, 15. 5. 1970 (mit Dokumentation). Wissenschaftszentrum Berlin GmbH, in: Pressedienst des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft, Nr. 10/70, 13. Mai 1970.

  42. Deutscher Bundestag, 5. Wahlperiode, 240. Sitzung, Bonn, 18. 6. 1969.

  43. Werner Thieme, Deutsches Hochschulrecht, Ber-lin/Köln 1956, S. 386.

  44. Bundesbericht Forschung III, Bonn 1969, S. 167f.

  45. Vgl. Klaus Neuhoff, Amerikanische Stiftungen, Baden-Baden 1968.

  46. Vgl. Werner Kalb, Stiftungen und Bildungswesen in den USA. Institut für Bildungsforschung in der Max-Planck-Gesellschaft, Studien und Berichte, Bd. 11, Berlin 1968.

Weitere Inhalte

Dietrich Urbach, geb. 1940. Studium an der PH Stuttgart und FU Berlin; 1970 Promotion. 1968/69 Referent im Institut für Politische Planung und Kybernetik, Bad Godesberg; seit 1969 Geschäftsführer des . Arbeitskreises Gesamthochschule Kassel'. Veröffentlichungen: u. a. Bibliographie zur Erwachsenenqualifizierung Rainer van Rin, geb. 1940, Staatsexamen in der DDR; Bibliographie für den Lehrdienst, weiteres Studium an verschiedenen zur Volksbildung 1933— 1945, Forschung Universitäten mit den Schwerpunkten und Forschungsförderung in der Bundesrepublik. Bildungssoziologie und -planung, empirische Beiträge in Fachzeitschriften über Forschung, Soziologie und Psychologie; Bildungspolitik, Erwachsenenbildung und Fernstudium. wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Berlin; bildungspolitische Aktivitäten, u. a. im Berliner Bildungspolitischen Arbeitskreis. Verschiedene pädagogische und bildungspolitische Veröffentlichungen.